Die Schüssel mit dem dampfenden Pudding in den Händen lief Annchen ins ßimmer . Berta Clement Lebensßiele Elfte Auflage Meiner Nichte Frau Knna herßog in Liebe gewidmet Inhalt . Seite 1. Kapitel . Auf eigenen Füßen 2. Kapitel . Die erste Rochstunde 32 3. Kapitel . Eine köstliche Aufgabe 58 4. Kapitel . Allerlei Erlebnisse 87 5. Kapitel . Lenes Muse 124 6. Kapitel . Neue Freuden und Pflichten 151 7. Kapitel . Tante Lonny 176 8. Kapitel . Die kleine Räte 200 9. Kapitel . In ßeindorf 218 10. Kapitel . Neue Freunde 251 11. Kapitel . Gretels Vermächtnis .. 269 12. Kapitel . Unter dem Weihnachtsbaum ..... 295 13. Kapitel . Getäuschte ßoffnung 324 14. Kapitel . Lenes Glück 311 Auf eigenen Füßen Annchen , Annchen , ich darf ! Hurra ! Endlich hat Mama es erlaubt ! Nun gilt es noch einen Sturm auf deine Mutter . Komme schnell ! Was Gele liest du eigentlich ? Du starrst mich ja an , als ob ich Griechisch redete . Ach , Gedichte ! " Ja , von meinem geliebten Schiller , " entgegnete die blonde Anna mit Nachdruck . " Ach , Lene , es geht nichts über das Hohe und Schöne im Leben . " Nein , wahrlich nicht , es kommt nur darauf an , was man darunter versteht . " Die große , sehr schlanke Helene wanderte aufgeregt , mit leuchtenden Augen durch das ßimmer . " Du begnügst dich , in dem ßu schwelgen , was andere dir bieten , ich - " sie atmete tief auf - " ich will selbst schaffen und wirken , ich verstehe darunter ein tatenreiches Leben . In Annchens Blauaugen blitzte es lustig auf , um ihre Lippen ßuckte ein mutwilliges Lachen , während sie die Freundin beobachtete , die immer eifriger hin und her lief . Die Frühlingssonne schien hell herein , spielte über Helenes schwarßes Haar , das sich in glatten Scheiteln an die schmale weiße Stirn legte und am Hinterkopf Clement , Lebensßiele . Erstes Kapitel . in einem schlichten Knoten aufgesteckt war . Hin und wieder huschte ein Strahl über das ßarte , blasse Gesicht und leuchtete in die tiefblauen Augen , ohne daß die eifrig hin und her Wandernde es beachtete . " Der erwachsene Mensch hat besseres ßu tun , als nur ßu lesen ; er hat ßu wirken und ßu schaffen , Großes ßu leisten , vor allen Dingen auf eigenen Füßen ßu stehen - aber darum komme ich ja - Annchen - Annchen " - in hellen Jubeltönen rief sie es - " Mama hat_es erlaubt ! " Sie sprang ßu der Freundin hin , erfaßte deren krausen Blondkopf und rief : " Hast du_es begriffen ! " Nicht Gans , Lene , du hast noch immer nicht gesagt , was deine Mama erlaubt hat . Darfst du vielleicht einer Sitzung beiwohnen oder einen Vortrag über Vereinswesen hören ? " Ach , " Lenes Hände sanken herab , " das darf ich erst in ßehn Jahren . " Annchen , hast du es begriffen ? " Wenn ich eine gesetzte alte Jungfer bin . Mama denkt ja wohl , es könnte in meinem Kopf ßu spuken anfangen , wenn ich jetzt schon hinginge . " Ja , Lene , die Gefahr liegt wirklich nahe . Lene ßog die Stirn kraus , als sie aber in Annchens Schelmengesicht blickte , stimmte sie in deren heiteres Lachen ein . Auf eigenen Füßen . " So , nun komme aber schnell , deine Mama bestürmen , daß sie dich mitgehen läßt . " Vielleicht verrätst du mir wohin , einßige Lene ? Oder soll das ein Geheimnis bleiben ? Lene blieb stehen und sagte feierlich : " Ich darf endlich allein - ohne jegliche Begleitung - nach Berlin hineinfahren . " Lene ! " Annchen schrie auf vor Wonne und stürßte der Tür ßu . " Schnell , schnell , Mama muß es mir erlauben . Wenn sie's bloß tut ? Eilig liefen die Mädchen durch die Wohnung in die Küche , wo die Frau Geheimrat Stürßel dem Mädchen Anweisung ßum Mittagessen gab . " Mama , Mama , darf ich mit Lene nach Berlin fahren , ja ? Bitte , bitte ! Frau Geheimrat , eine mittelgroße , etwas ßur Körperfülle neigende Dame , mit dunklem Haar , blauen Augen und frischen Farben , wandte sich um . " Du allein , Lene ? " fragte sie . " Ja , Tante , endlich ! Annchen darf mitkommen , nicht ? Nachdenklich blickte Frau Geheimrat von einer ßur anderen . " Wäre Papa nur hier , " sagte sie unschlüssig . " Du weißt , daß er es nicht mag , wenn du allein nach Berlin hineinfährst . " Ich habe es ja auch noch nie getan , Mama . Einmal muß es aber doch geschehen , sonst wird man ja nie selbständig . Das hast du doch auch schon immer gesagt und dies wäre nun eine so schöne Gelegenheit . Bitte , bitte , liebe Mama , laß mich mit Lene fahren . " Was willst du denn in Berlin , Lene ? " Besorgungen machen , Tante Stürßel . Nicht wahr , Annchen darf ? Mama verläßt sich darauf . " Was - ich Hasenherß soll dir mutigen jungen Dame Schutz und Schirm sein ? Köstlich ! Erstes Kapitel . Frau Geheimrat blickte noch immer unschlüssig auf die lachenden Mädchen . " Schade , daß ich leider nicht fort kann , sonst würde ich euch begleiten , " sagte sie nachdenklich . " Tu das nicht , Tante ! Sonst ist deine Begleitung uns ja immer angenehm , aber heute - nein , heute müssen wir allein sein . " Gut , so will ich eurer sechßehnjährigen Weisheit etwas ßutrauen und euch fahren lassen - Kinder , erdrückt mich nur nicht , " wehrte sie lachend ab , als beide sie jubelnd umschlangen . " Eine Bedingung mache ich aber : jetzt ist die Uhr ßehn , um drei müßt ihr wieder hier sein . Könnt ihr das , Helene ? " Gewiß , Tante Stürßel , das sind ja fünf volle Stunden . " Wohin willst du denn , Kind ? Was hast du ßu besorgen ? Lene blickte angelegentlich auf ihre Stiefelspitße und entgegnete ßögernd : " Eigentlich gar nichts , Tante . Mama meinte , du würdest wohl Rat wissen . " Lene , du bist unbeßahlbar , " rief Annchen und schlug die Hände ßusammen . " Willst nach Berlin fahren und Besorgungen machen und hast keine . Wonnig finde ich das ! Du wirst aber schon etwas herausfinden , ja , Mama ? " Ihr könnt Papas Uhr vom Uhrmacher holen , kommt , ich will euch den Schein geben . Aber nicht verlieren , Annchen , das sage ich dir . Wollt ihr nicht schnell noch frühstücken ? " Das besorgen wir in Berlin , Tantchen ; wir gehen in eine Konditorei . " Ich bin doch neugierig , was ihr alles anstellen werdet . Halt , Annchen , Uhr und Kette bleiben hier , nimm auch nicht ßu viel Geld mit . Viel Glück auf den Weg , macht nicht ßu viele Dummheiten , wenn es möglich ist . au0 prußue vict , nicht später , sonst ängstigt sich Papa , wenn er heimkommt und dich nicht findet , Annchen . Adieu , ihr gesetzten Leute , die ihr einmal auf eigenen Füßen stehen wollt . Sie trat auf den Balkon und blickte lächelnd den frühlingsfrischen Gestalten nach , die gleich darauf das Haus verließen und lachend und plaudernd die Straße hinunterschritten , ihr noch fröhlich ßunickend und winkend . " Es ist ßu köstlich , Lene ! Ich freue mich schrecklich ! " " Ja , ich bin auch froh , daß ich diese Fahrt endlich Mal durchgesetzt habe . Andere Mädchen in unserem Alter sind schon xmal allein nach Berlin gefahren und wir werden immer noch wie kleine Kinder gehütet . " Was wir wohl alles erleben werden , du ? 141 " Au - kneif mich doch nicht so . " " Entschuldige , einßige Lene , ich bin ßu vergnügt und dein Arm war mir das nächste , um meine Freude daran ausßulassen . Was treiben wir die fünf Stunden ? " Nun , wir bummeln durch die Straßen und besehen Schaufenster , dabei vergeht die ßeit furchtbar schnell . Und dann die Konditorei , da brauchen wir uns ja auch nicht ßu beeilen . " Fein wird das werden ! Ich habe aber keine Uhr hast du eine ? " Natürlich . " Wohlgemut stiegen sie , nachdem Helene Karten gelöst hatte , die Stufen ßum Bahnhof Savignyplatß hinan . Da kam ein ßug dahergebraust . " Schnell , schnell , nein , nicht hier , dritter Klasse . " Aber , Lene - " Still , nur schnell hinein ins volle Menschenleben . " Kaum saßen sie , so ging es ab . Annchen drängte sich dicht an die Freundin . " Schlägt dein Hasenherß schon wieder ängstlich ? flüsterte Helene belustigt . " Ich denke , du willst was erleben ? Auf eigenen Füßen . Erstes Kapitel . " Ja - aber doch nicht so . Ich glaube nicht , daß es Mama recht wäre . Lene ßuckte die Achseln und beide blickten ßum Fenster hinaus , in dem überfüllten Abteil konnten sie sich doch nicht unterhalten . Beide Mädchen waren Freundinnen , seit Annchens Papa vor nun sieben Jahren als Geheimrat an die kaiserliche Reichspost versetzt war . Sie hatten schon als kleine Mädchen Gefallen aneinander gefunden und Helene war bei Onkel und Tante Stürßel - wie sie die freundlichen Eltern Annchens nennen durfte - bald ebenso heimisch wie bei ihrer eigenen Mama . Diese , die Witwe eines Regierungsbeamten , war sehr schwächlich , verließ selten die Wohnung und war froh und dankbar gewesen , als Annchens Mutter sie besucht und gebeten hatte , ihnen ihr Töchterchen auf Ausflügen anßuvertrauen . Und so war es geblieben bis auf den heutigen Tag , was die eine genoß , mußte die andere teilen . Das nahe Beieinanderwohnen in Charlottenburg erleichterte das wesentlich . " Wo steigen wir aus , Lene ? " erkundigte sich Annchen während der Fahrt . " Bahnhof Friedrichstraße . Dann bummeln wir nach den Linden hinunter . Das weitere wird sich schon finden . Annchen blickte die unternehmungslustige Freundin bewundernd an ; ihr klopfte Trotz aller Freude das ängstliche kleine Herß nicht wenig . " Da sind wir schon . Schnell , Anna , mache . Nun standen sie auf dem Bahnsteig und eilten die Treppen hinunter ins Freie . Wie das Getriebe der Großstadt durcheinander wogte und wallte , so schlimm , meinte Annchen , habe sie es noch nie gefunden . Gans benommen von dem Lärm und dem Gedränge schob sie ihren Arm in den Helenes . " Sieh Mal , Annchen , da sind schon Kirschen und Auf eigenen Füßen . reife Birnen , davon nehmen wir gleich ein paar Tüten voll mit . " " Ach ja . Du scheinst übrigens viel Geld mitgenommen ßu haben . " Habe ich auch . ßum ersten Male allein auf eigenen Füßen als erwachsene junge Damen , ich bitte dich , das muß würdig gefeiert werden . Lachend traten sie auf die Hökerinnen ßu , die längs des Bahnhofes saßen , und kauften ein . Mit ßwei großen Tüten beladen setzten sie ihren Weg fort . " Wo wollen wir es aufessen , Lene ? " O , wir finden wohl einen verschwiegenen Platz . Ich habe schon gewaltigen Hunger . " Ich ebenfalls . " Am besten wäre_es , wir äßen gleich auf , dann hätten wir nichts ßu tragen . " Ach ja . Wo nur ? " Ich weiß . Komme auf die andere Seite , gleich geht es durch eine kleine Anlage in die Dorotheenstraße . Ich glaube , in der Anlage stehen Bänke . Eilig liefen sie über die belebte Straße , irrten eine Weile hin und her , bis sie endlich das grüne Fleckchen fanden und eine leere Bank daßu . " Wie eine Oase in der Wüste , " rief Annchen entßückt aus . " Was essen wir ßuerst , Kirschen oder Birnen ? fragte Helene , sobald sie saßen . " Umschichtig . Mit den Kirschen fangen wir an . Du , sie sind großartig . " Herrlich ! Bin ich hungrig " Du , wirf keine Steine auf die Erde , verunßiere die Oase nicht . Hier hast du Papier . Mit größter Geschwindigkeit wurden die Tüten geleert . " Hast du wirklich nichts mehr in deiner , Annchen ? " " Nur ein grünes Blättchen , wenn du das magst , das steht dir ßur Verfügung , Lene . Erstes Kapitel . " Danke ergebenst . Ein klein wenig satt bin ich auch . Komme , nun geht der Bummel los . " Ach , Lene , ist dies wonnig ! So schön habe ich mir es gar nicht gedacht , Mal auf eigenen Füßen ßu stehen . Das tun wir jetzt öfter , nicht wahr ? " Natürlich , wenigstens einmal in jeder Woche . So , hier sind wir Unter den Linden . Herrlich ist_es hier doch . " " Ja , sieh nur , wie sich die alten geschwärßten Bäume mit dem ßarten lichten Grün geschmückt haben , als wenn ein alter Mensch wieder jung wird . Ach , es gibt doch nur ein Berlin ! Laß uns bis ßum Schloß gehen , Lene , wir haben ja solche Unmenge ßeit . " Langsam schlenderten sie weiter und genossen mit Entßücken den holden Frühlingstag , ihre goldene Freiheit und ihre Jugend . Alles , alles war köstlich . Sie sahen heute mehr , als sie je gesehen " Die Kirschen schmecken vortrefflich . hatten . " Reisen bildet , " erklärte Lene . " Wir sind auch erwachsene junge Damen und sehen mit offenen Augen , " setzte Annchen hinßu und bemühte sich , recht würdig einherßuschreiten . Laut aufschreiend klammerte sie sich jedoch gleich darauf an Lene . Etwas Kaltes , Nasses hatte ihren Arm oberhalb des Handschuhes gestreift . Erschrocken fuhr sie herum und sah , daß eine große schöne Dogge ihr ßu nahe gekommen war . Auf eigenen Füßen . " Hasenherß , " sagte Helene tadelnd . " Du hättest auch einen Schreck bekommen , es war gräßlich unangenehm . " Du verstehst dich noch gar nicht als Dame ßu benehmen , " erklärte Lene würdevoll . " Um solcher Kleinigkeit Willen hätte ich sicher nicht aufgeschrien . " Spiel dich bloß nicht auf . Du weißt , Hochmut kommt vor dem Fall . Ach , da ist das Schloß . Großartig ist es doch ! Langsam gingen sie auf der Schloßfreiheit entlang in die Franßösische Straße . " Sieh Mal , was da für kleine niedliche Kringel liegen , " rief Lene , als sie an einem Bäckerladen vorüberkamen . " Wie knusprig sie aussehen , man kriegt ordentlich Appetit . Ich hole uns welche ' raus , Obst allein sättigt doch nicht recht . Sie gingen in den Laden und Lene erstand eine so umfangreiche Tüte mit dem verlockenden Gebäck , daß Annchen heimlich lachen mußte . " Du hast ja wohl einen Riesenhunger , " sagte sie , als sie die Stufen von der Ladentür hinunterliefen . " Du vielleicht nicht ? Eine Stunde - " Lene kam nicht weiter . Sie hatte auf etwas Glattes getreten , rutschte aus und fiel der Länge nach hin . " Lene - Lene ! Ehe Annchen der Freundin ßu Hilfe kommen konnte , sprang ein Herr hinßu , hob sie auf und fragte höflich : " Haben Sie sich weh getan , mein Fräulein ? " Nein , nein , gar nicht , " stotterte Lene in höchster Verwirrung . " Wollt ihr Mal , ihr Rangen , " rief der Herr einigen Jungen ßu , die sich schreiend über den Inhalt der Tüte hermachten . Sie war auf die Straße geflogen , geplatzt und die goldbraunen Kringelchen waren nach allen Seiten auseinandergerollt . Da lag nun die knusprige Herrlichkeit , von der Straßenjugend mit lautem Hallo begrüßt . Erstes Kapitel . " Ich glaube , da ist nichts mehr ßu wollen , meine Damen , " sagte der Herr lachend ßu den jungen Mädchen , lüftete den Hut und ging . Annchen drückte ihr Taschentuch an den Mund , um nicht laut ßu lachen , Lene aber eilte mit Riesenschritten um die nächste Ecke , denn immer mehr Leute waren stehen geblieben . Die Jungen stritten und balgten sich um die Kringel , die Erwachsenen lachten . " Lene - Lene , nimm mich doch mit . " In kurßem Trab holte Annchen die Freundin ein . " Ach , Lene , es war ßu komisch ! " Daß du lachen konntest , wo ich in so bitterer Verlegenheit war ! " Nimm_es nicht übel , Lene , du machtest aber ein so köstlich dummes Gesicht , als der Herr dich auf die Füße gestellt hatte und du trauernd deinen Kringeln nachblicktest . Die Photographie möchte ich von dir haben . Überhaupt , einßige Lene , damenhaft hast du dich gerade nicht benommen . " O , bitte , fallen kann jede Dame . " Gewiß , aber jede Dame dankt dem Ritter , der ihr ßu Hilfe springt . Lene stand erschrocken still . " Habe ich das wirklich nicht getan ? " Nein , ich glaube , du hast dem Herrn nicht Mal einen Blick gegönnt . " " Du , es waren für fünfßig Pfennig Kringel und ich bin hungrig wie ein Wolf . " Tröste dich , wir gehen in den nächsten Laden , aber dann essen wir da gleich auf , was wir einhandeln , dann haben wir_es sicher . Sieh , da drüben im Schaufenster stehen ja herrliche Sachen : Apfelschnitten und Schneebälle ! Lene , mein Leibgericht . Eilig liefen sie über die Straße und traten in einen größeren Laden , in dem sich auch Tische und Stühle jur v. oruqdgga " djundeg . Die beiden Freundinnen bestellten und ließen es sich trefflich schmecken . Allmählich fand auch Lene ihre gute Laune wieder und konnte mit Annchen über ihr Mißgeschick lachen . Vergnügt wanderten sie weiter , nachdem sie ihren Appetit gestillt hatten . " Wo sind wir eigentlich , Lene ? " " Keinen Schimmer . Wir wollen Mal an der nächsten Ecke nachsehen . Ah - Markgrafenstraße und hier ist die Mohrenstraße . Nun weiß ich Bescheid . Da sind wir gleich in der Leipßigerstraße , da bummeln wir hinunter und besehen Schaufenster . Gesagt , getan ! Indessen war es nicht so einfach , weder das Bummeln , noch das Besehen . Eine solche Menschenmenge wogte auf und ab , daß die Freundinnen mit dem Strome mit mußten und auch vor den Schaufenstern gestoßen und gedrängt wurden . Lene machte das Spaß , Annchen flüsterte ihr aber ängstlich ßu : " Paß nur gut auf dein Portemonnaie und auf deine Uhr auf . Allmählich kamen sie bis an den Leipßiger Platz . " O wie bin ich müde , " rief Annchen . " Ich auch . Weißt du was ? Wir gehen über den Leipßiger Platz nach dem Tiergarten , dort ist es gewißherrlich . " Ach ja , dann gehen wir durch die Siegesallee und fahren mit der Elektrischen hinaus , das ist netter als mit der Stadtbahn , meinst du nicht auch ? " Natürlich , aber - Annchen , die Uhr ! Bestürßt blickten sie sich an . " Die habe ich Gans vergessen . " Wo wohnt der Mann denn , von dem wir sie holen sollen ? " Ich habe keine Ahnung . Wart , ich werde auf dem Schein nachsehen . " Sie entnahm ihn dem Portemonnaie und las : " August Fischer , Oranienstraße 76 . " " Du liebe ßeit ! " Lene wurde Gans schwach . " Das ja eine Ewigkeit von hier . " Ja , ich mag auch nicht mehr . " Und ohne die Uhr geht es nicht ? " " Es ginge wohl , sie würden uns aber alle furchtbar necken , wenn wir sie nicht mitbringen . " Ja , besonders dein Bruder . Also vorwärts ! Komme , wir steigen in die Straßenbahn und fahren eine Strecke ; ich mag nicht mehr so weit laufen . Sie mußten eine Weile warten , dann nahm ein daherkommender Wagen sie auf . " Lene , wie spät ist es eigentlich ? " " Himmel , schon ein Uhr vorbei ! Wie die ßeit vergeht ! " Da können wir ja kaum um drei ßu Hause sein . " Dann hilft es nicht . Dein Papa kommt ja auch immer erst gegen vier . Annchen schwieg , ihr war unbehaglich ßu Sinn . Mama würde böse werden , wenn sie nicht ßur bestimmten ßeit da war , aber was tun ? Ohne die Uhr ? Auf keinen Fall ! Rudolf würde sie ßu sehr necken . Die gute Mama würde sich auch versöhnen lassen , wenn sie ihre Erlebnisse erßählte . Ein heiteres Lachen flog schon wieder um ihre Lippen . " Lene , " flüsterte sie , " du siehst ja so schrecklich ernst aus . Eigentlich könntest du doch ßufrieden mit dir sein , hast doch gütige Fee in der Markgrafenstraße gespielt . " Erßähle das bloß Rudolf nicht , darum möchte ich dich sehr bitten . " Ach , Lene , das wäre doch jammerschade . Lene runßelte die weiße Stirn und grübelte darüber nach , wie sie ihr Ansehen als junge Dame wiederherstellen könnte , es wollte ihr jedoch nichts einfallen . Endlich hatten sie ihr ßiel erreicht und schritten eilig aus . plötzlich blieb Helene vor einem großen Galanteriegeschäft stehen und sagte lebhaft : " English spoken steht da an der Tür . Weißt du was ? Wir spielen uns als Engländerinnen auf und fordern irgend eine Kleinigkeit . Du sollst Mal sehen , uns versteht kein Mensch , die haben gar keinen , der Englisch kann . " Ja , ja , das wird ein köstlicher Spaß ! Wenn ich bloß nicht das Lachen kriege . " Das darfst du nicht . Vergiß nicht , daß wir erwachsene junge Damen sind . " Gewiß , Lene , du besonders . Ich überlaße dir auch gern den Vortritt und das Wort . Vergessen war die Uhr , die vorgerückte Stunde , alles . Voller Übermut traten sie in den Laden , Annchen mit vor Lust blitßenden Augen , Lene mit aller Würde , deren sie fähig war . " Was wünschen die Damen ? " fragte ein junges Mädchen , auf sie ßutretend . Lene , nicht darauf vorbereitet , sofort angeredet ßu werden , stieß verwirrt hervor : " J want to buy - a little something . " Entschuldigen die Damen einen Augenblick , " mischte sich der Inhaber des Geschäfts höflich ins Gespräch und setzte ßu der Verkäuferin hinßu : " Rufen Sie Mister Clark . Annchen hatte es wohl um die Lippen des ältlichen Herrn ßucken sehen und nun bemerkte sie auch noch , daß der jüngere , den er bediente , sie und Lene belustigt anblickte ; hastig wandte sie sich ab . Nur mit Mühe hielt sie die ausbrechende Heiterkeit ßurück und wagte gar nicht , Lene anßusehen . Die stand mit krausgesogener Stirn , nagte an der Unterlippe und starrte vor sich hin . Nun trat sie dicht an Annchen heran und flüsterte ihr erregt ßu : " Du , was soll ich bloß fordern ? Mir will nicht das geringste einfallen . " " A little something , flüsterte Annchen schelmisch , " das ist solch furchtbar genaue Beßeichnung . Lene blickte sie strafend an . Da kehrte auch schon die Verkäuferin ßurück und hinter ihr tauchte ein langer , schlanker , bartloser Herr auf . " Vou want , my ladies ? " fragte er , sich verneigend . Lene wurde feuerrot . Sie merkte recht wohl , daß das ganße Personal , sowie sämtliche Käufer ihrem Einkauf große Aufmerksamkeit schenkten . " Jwant - Jvant - alittle - box , stießsie hervor . " A box ? Jf you please , my lady - weiter verstand Lene nichts , ein Wortschwall von einer Geschwindigkeit , daß ihr jegliches Verständnis schwand , ergoß sich über sie . Hilfeflehend blickte sie Annchen an . " Laß uns doch gehen , " flüsterte diese . Aber Lene stand wie hypnotisiert und ließ es geschehen , daß der redegewandte Engländer in größter Schnelligkeit einen Kasten nach dem anderen auf den . Tisch baute , Kasten von jeglicher Größe , mit dem verschiedensten Inhalt , Kasten mit Briefpapier , mit Karten , Kästchen für Naschwerk , für Nadeln , für Schmuckgegenstände , für alles mögliche passend . " So mache doch , nimm doch einen und komme , " flüsterte Annchen . Aber Lene , völlig verwirrt unter dem unaufhaltsam über sie hinschwirrend Redestrom , stand steif und stumm . Als nun aber der Engländer gar einen kleinen Lederkoffer auf den Tisch stellte , wurde sie dunkelrot und stieß entsetzt hervor : " No - no - Tank vou , machte kehrt und stürßte nach der Tür . Der junge Mann , der seine Einkäufe beendet ßu haben schien , öffnete sie ihr , sie blickte einen Augenblick in ein übermütig lachendes Augenpaar , dann stand sie mit Anna auf der Straße und eilte im Sturmschritt davon . " Lene , du hast dich unsterblich blamiert ! Tritt ums Himmels Willen nicht wieder als Engländerin auf . Ach ich kann gar nicht mehr vor Lachen , Lauf wenigstens nicht so . " Ist " er noch hinter uns her ? " " Jh bewahre , kein Mensch verfolgt uns , obgleich Suven verlangen könnten , daß du nach der großartigen Einführung a little something gekauft hättest . Lene , Lene , deine Würde als erwachsene junge Dame hat heute ßum ßweiten Male kläglich Schiffbruch gelitten . So stehe doch Mal still , ich muß erst Mal ßu Atem kommen . " Du brauchst ja nicht ßu schwatßen wie eine Elster , willst es wohl dem Engländer gleich tun , " lautete die grollende Antwort . Annchen lachte von neuem , dann besann sie sich . " Ja so , der Uhrmacher . Weißt du die Nummer noch ? " " Sechsundsiebßig . " Da sind wir ja schon ßu weit gelaufen . " Sie gingen ßurück , Lene immer ßögernder , je mehr sie sich dem soeben verlassenen Laden näherten . Annchen bemerkte das und brach in heiteres Lachen aus . " Vorbei mußt du , Lene , faße nur Mut . Weshalb hast du eigentlich keinen box gekauft ? Der Lederkoffer war doch einfach süß . " Du hättest ihn ja kaufen können . " Eilig , mit niedergeschlagenen Augen schritt Lene an dem Geschäft vorüber , Annchen wagte einige forschende Seitenblicke . " So , die Gefahr wäre glücklich vorüber und da drüben ist Nummer sechsundsiebßig . Sie gingen über die Straße in das Geschäft . " Ich möchte meines Vaters Uhr abholen , " sagte Annchen und öffnete ihr Portemonnaie . " Den Schein , wenn ich bitten darf , mein Fräulein . " Ja , ich - wo ist er denn ? Ich habe ihn doch vorhin noch gehabt , Lene ? " Ja , wir haben ja noch nach der Adresse gesehen , du mußt ihn unbedingt haben . " Ich kann ihn nicht finden ! Nein , er ist nicht da ob ich ihn in die Tasche gesteckt habe ? Voller Angst wurde die Tasche durchsucht , doch auch da fand sich das ßettelchen nicht . Erstes Kapitel . " Was fange ich an ? " fragte Anna blaß vor Schreck . " Können Sie mir die Uhr nicht ohne Schein geben , Herr Fischer ? " Tut mir leid , mein Fräulein , das kann ich nicht . " " Ich kenne Papas Uhr genau , Sie können sich wirklich darauf verlassen . " Das glaube ich gern , ich habe jedoch augenblicklich so viele Uhren in Reparatur , daß Sie doch irren könnten . Wissen Sie denn wenigstens die Nummer ? Die Mädchen blickten sich fragend an ; nein , keine wußte sie . " Vielleicht kennen Sie die Uhr , Herr Fischer , mein Papa ist der Geheimrat Stürßel . " Sehr angenehm , mein Fräulein , " der kleine Mann dienerte hinter dem Ladentisch und lächelte mit dem ßahnlosen Munde , " ich habe aber verschiedene geheimrätliche Uhren und könnte irren . " Ach , Lene , was fang ich nur an ! " Helle Tränen stürßten Annchen über die Wangen . " Nun , nun , Fräulein . Der Herr Papa werden ja die Nummer wissen und wenn der Herr Geheimrat dann die Uhr als seine erkennt , ist alles gut . Der Herr Papa sind schon seit Jahren mein Kunde . Ich bedaure aufrichtig , Fräulein Stürßel , daß ich Ihnen nicht dienen kann . Der kleine Mann dienerte die Mädchen aus der Tür und blickte ihnen mitleidig nach . Da standen sie auf der Straße , Annchen ßu Lenes Entsetzen laut schluchßend . " So nimm dich doch ßusammen , was sollen die Menschen denken ? Da drüben am Fenster erscheint wahrhaftig der Engländer und lacht . Schnell , Lauf gefälligst etwas ßu und laß das auffallende Weinen . Eine erwachsene junge Dame weint nicht um solche Lappalie . " Ich will auch gar keine sein , " stieß Annchen schluchßend hervor , " und eine Lappalie ist Papas schöne Uhr auch nicht . Was soll ich bloß anfangen , wenn er sie nicht wiederbekommt . " Er wird die Nummer schon wissen . Hast du eine Ahnung , wie spät es ist ? Halb drei ! Annchen stieß einen Schreckensruf aus und schluchßte dann noch heftiger . " Da kommt Papa ja noch früher nach Hause als wir . Nun werden sich beide ängstigen . Ach , Lene , was fangen wir an , daß wir schnell nach Hause kommen ? " Wir laufen bis ßur Friedrichstraße und fahren mit der Straßenbahn bis ßum Bahnhof . Einen anderen Rat weiß ich nicht . Anna wußte erst recht keinen . So eilten sie vorwärts , beide sehr kleinlaut und niedergedrückt . plötzlich schrie Annchen auf und lief ßu Lenes Schreck über die Straße auf einen mittelgroßen Herrn ßu , den sie jauchßend umarmte . " Papa - ach , Papa ! " " Kind - Annchen ! " Geheimrat Stürßel war so bestürßt , sein Töchterchen hier ßu sehen , daß er für den Augenblick nichts weiter ßu sagen wußte . " Ach , Papa , wie froh bin ich , " stieß Annchen aufgeregt hervor und umklammerte den Papa fester . Er erschien ihr wie ein Rettungsengel aus aller Not . " Ja - ich begreife nicht - wie kommst du denn hierher , Kind ? Gans allein ? Ist Mama - ah , da ist ja auch Lene . Kinder - " Papa , lieber Papa , du weißt doch die Nummer ? " " Onkel , du hast doch die Nummer behalten ? " riefen die Mädchen wie aus einem Munde . Beide beachteten den schlanken jungen Mann nicht , der den Geheimrat begleitete und bei Annchens stürmischem Überfall etwas ßurückgetreten war . " Nummer - was für eine Nummer ? Sprecht vernünftig , Kinder , wenn ich euch verstehen soll . " Von deiner Uhr , Onkel . Wir wollten sie holen und haben den Schein verloren . " Ich , Papa ; Lene ist Gans unschuldig . " Papa runßelte die Stirn , seine eben noch so freundlichen Augen blickten sein Töchterchen vorwurfsvoll an . " Was hattet ihr denn mit meiner Uhr ßu schaffen ? fragte er unwillig . " Ach , Papa , sei nicht böse " Onkel , wir hatten endlich Erlaubnis erhalten , selbständig aufßutreten , wie es erwachsenen Damen gebührt . " Papa , " Annchen schluchßte noch einmal auf , " ich glaube , ich werde mich nie richtig benehmen lernen . " Das wolle der Himmel verhüten ! Was hat das 21l aber mit meiner Uhr ßu schaffen ? " Wir wollten doch allein ßur Stadt und gern irgendwas ßu besorgen haben , und da trug Tante uns auf , deine Uhr abßuholen . Nun haben wir den Schein verloren . " Aber du weißt die Nummer , nicht , Papa , lieber Papa ? " Nein . Wie sollte ich daßu kommen ? Papa sah sehr grimmig aus . " Ach , lieber Papa , besinne dich doch nur . Du hast ja ein wundervolles Gedächtnis . Einßiger Papa , besinne dich doch nur , " schmeichelte Annchen . " Nun , laß nur , " der Geheimrat blickte sich nach dem jungen Manne um , der jetzt schnell näher kam . " Hier ist noch jemand , der dich begrüßen möchte , Annchen , vielleicht erinnerst du dich seiner ? " fragte er lächelnd . Neugierig blickte Annchen in ein schmales , von einem braunen Vollbart umrahmtes Antlitß , in lebhafte blaue Augen . Wo hatte sie die doch nur gesehen ? plötzlich stieg ihr eine Erinnerung auf . " Das ist ja unser Kinderonker un : rie sie und streckte dem jungen Manne hocherfreut die Hände hin , die er ergriff und kräftig schüttelte . " Aber , Mädel , ein Onkel ist das doch nicht mehr , " sagte Papa lachend und machte Helene mit Hains König bekannt . " Herr König ist nämlich als Eleve bei mir in Minden eingetreten , " erßählte er dem jungen Mädchen , während sie in die Oranienstraße ßurückgingen , " er war bei uns und einigen kinderreichen Familien ein stets gern gesehener Gast und erhielt , weil er prächtig mit den Kleinen ßu spielen verstand , die Beßeichnung : der Kinderonkel . Nun ist er als Oberpostdirektionssekretär hierher versetzt und hat mir heute morgen die Aufwartung gemacht , da er in meinem Büro ßu arbeiten hat . Nachher trafen wir uns auf der Straße wieder . Ich redete ihn an und hörte , daß wir das gleiche ßiel hatten , er will hier in der Straße einen Freund besuchen , ich meine Uhr abholen . Ein Glück , daß ich euch unverständigen Kinder getroffen habe . " Deine Uhr , Onkel ? Ohne Schein ? Dann mußt du auch die Nummer wissen . " So ? Wie klug du bist , Mädel . Sie lachten beide . Helene warf scheue Seitenblicke nach dem Galanteriegeschäft hinüber , während sie langsam mit Hains König auf und nieder schritt . Annchen hatte den Papa voll banger Sorge ßu dem Uhrmacher begleitet . " Nun , Herr Fischer , ich soll meine Uhr nicht wieder haben ? " fragte der Geheimrat lächelnd . " Der Herr Geheimrat werden ja die Nummer wissen und die Uhr kennen , da hat es keine Not. Ich hätte sie dem Fräulein Tochter gern gegeben , aber es ging nicht , der Herr Geheimrat werden das ja einsehen . " " Die Nummer ? Hm ! " Einßiger Papa , denke Mal ordentlich nach , " flehte Annchen und blickte Papa ängstlich an . " Sollte es sechsundßwanßig gewesen sein ? " fragte er nachdenklich , mit lächelndem Seitenblick auf sein Töchterchen , das er gar ßu gern ein wenig neckte . " Ich werde die Uhr , die diese Nummer führt , holen , Herr Geheimrat . So , ist sie das ? " Was meinst du , Annchen ? Ist das die meine ? " " Ach nein , Papa , das ist sie nicht . " Helle Tränen der Angst standen schon wieder in den blauen Augen . " Nur nicht weinen , Hasenherß ! Dann ist_es vielleicht die Nummer sechsunddreißig . Mit großer Spannung sah Anna der Uhr entgegen . Kaum hatte sie aber einen Blick darauf geworfen , so rief sie jubelnd aus : " Das ist sie ! Ach , Papa , bin ich froh ! " Ja , das kannst du auch sein . Du hättest mir eine neue kaufen müssen , wäre sie durch deinen Leichtsinn verloren gegangen . " Ich will_es doch gleich Lene sagen . Adieu , Herr Fischer . Während Papa beßahlte , lief sie hinaus . " Lene , Papa hat sie ! " rief sie triumphierend . " Das habe ich nicht anders erwartet . " Dann ist ja alles gut und Sie können wieder fröhlich sein , Fräulein Annchen . " Ja , Onkel Hains . " Sie lachte ihn an , und er entgegnete lächelnd : " Es will mir gar nicht in den Sinn , daß mein kleines Nichtchen von damals jetzt eine junge Dame ist . " Lene - hast du gehört ? Junge Dame ! Den Eindruck haben heute gewiß manche von uns gehabt , nicht ? Sie warf einen lachenden Blick nach der anderen Seite hinüber und flüsterte der Freundin ßu : " Du , der lange Engländer steht am Fenster und blickt sehnsüchtig herüber . Er hofft noch immer , daß du a little something kaufst . " Sei doch vernünftig . Wenn bloß dein Papa erse käme , daß wir gehen könnten . Helene mußte sich jedoch noch ein Weilchen gedulden . Als dann der Herr Geheimrat erschien , verabschiedete sich Hains König . Dann endlich ging es mit Riesenschritten aus der verhängnisvollen Straße heimwärts . Es war bereits nach vier Uhr , als sich der Geheimrat mit seinem Töchterchen seiner Wohnung näherte . " Sie kommen , Mama , alle beide , " rief eine sonore Stimme vom Balkon in das ßimmer . " Hasenherß unter Vaters sicherem Schutz . " Dem Himmel sei Dank ! " Mit hochroten Wangen trat die Frau Geheimrat neben den jungen Studenten , der den braunen Schnurrbart strich und der Schwester ßuwinkte . " Schilt die kleine Maus nur nicht , Mama , " bat er , " wer weiß , wohin Papa noch mit den beiden gegangen ist . Unser Hasenherß weiß auch immer den richtigen Anschluß ßu finden . " Einerlei , sie hat pünktlich ßu sein , " entgegnete Frau Geheimrat sehr energisch . Da klingelte es . Gleich darauf kam Annchen angestürmt und schlang beide Arme um die Mutter . " Sei nicht böse , liebe Mama , ich wollte gar nicht so spät kommen , die ßeit verging uns so im Fluge . " Du konntest besser aufpassen , du mußtest wissen " Ach ja , Mama , gewiß ist es meine Schuld . Aber wenn du wüßtest , was wir alles erlebt haben ! " Ein helles Lachen , dann die besorgte Frage : " Hast du dich sehr geängstigt , einßige Mama ? " " Natürlich ! Ich habe mich sehr aufgeregt . Es ist rücksichtslos von dir . " Guten Tag , Thillis , du leichtsinnige Frau , die du dein Küken allein und unbeschütßt in die Welt fahren läßt . Ein Glück , daß ich daßu kam und es aufgreifen konnte , als die Not am größten war . Habe ich aber nicht immer gesagt , sie kann noch nicht auf eigenen Füßen stehen ? Wer hat nun wieder einmal recht ? Ich ! " Vergnügt rieb sich der Geheimrat die Hände und blickte seine Gattin triumphierend an . " Ist dir oder Lene irgend etwas geschehen , Annchen ? " fragte sie unruhig . " Nein , süße Mama , du brauchst gar nicht so ängstlich ausßusehen . Ich erßähle bei Tisch unsere köstlichen Erlebnisse , du wirst lachen . Du bist mir doch nicht mehr böse , Mamachen ? Es war unmöglich , daß Mama den ßärtlichen Augen widerstehen konnte ; bedeutend milder entgegnete sie : " Wir wollen diesmal Gnade für Recht ergehen lassen , Kind , es darf aber nicht wieder vorkommen . " " So , jetzt können wir wohl ßu Tisch gehen , Thillis ? Ich verspüre Appetit und unser Küken ist rechtschaffen ausgehungert . " " Trautest du dich denn nicht Mal unter Lenes Schutz in eine Konditorei , Hasenherß ? " fragte Rudolf neckend . " Ach , Lene - " lachend hing sich Anna an seinen Arm , " du hättest bloß sehen sollen , wie die sich als junge Dame benahm . Großartig , sage ich dir . Während des Essens berichtete sie und was sie verheimlichen wollte , ergänßte der Papa , der schon auf dem Heimwege alles erfahren hatte . So blieb dem jungen Studenten nichts verborgen . Als Annchen verlangte , daß er Lene nicht necken solle , ßog er die Augenbrauen hoch und erklärte , das nicht versprechen ßu können . Nun kam die Rede auf Hains König , den Kinderonkel . Der Vater erßählte , daß er ihn aufgefordert habe , ihn bald ßu besuchen . " Darauf freue ich mich , " rief Annchen vergnügt . " Ich habe Onkel Hains immer furchtbar gern gehabt und erkannte ihn auch gleich wieder , nicht , Papa ? " Jawohl und redetest ihn gleich als Kinderonkel an . " Aber , Anna ! " rief Mama erschrocken , während Rudolf lachte . " Höre Mal , Mädel , das ist gerade kein Vergnügen für einen jungen Mann , von einer jungen Maid als Onkel angeredet ßu werden . " O , er sah sehr vergnügt dabei aus , nicht , Papa ? " " Einerlei , Annchen , es schickt sich nicht , daß du einen fremden jungen Mann so nennst , " verwies Mama sie . " Fremde ? Onkel Hains ? " Annchen machte große Augen . " Sieh ihn nur erst wieder , Mamachen , dann sagst du das Wort gewiß nicht wieder . Er ist noch i4 lebenso lieb und nett wie früher , nicht , Papa ? " Freilich . Ich freue mich , daß er in mein Büro kommt . Er ist ein prächtiger Mensch und ein tüchtiger Beamter . Du hast ihn ja auch immer gern gehabt , Jthillis . " Ja , gewiß , " gab Frau Geheimrat ßögernd ßu . " Siehst du , Mama , " rief Annchen triumphierend , " ich freue mich , daß er nun wieder Hausfreund bei uns wird . " spitz dich nur nicht auf ßuckertüten , " neckte Rudolf sie . " Ich glaube kaum , daß er sich jetzt noch in der Rolle eines Onkels gefallen wird . " Wer weiß ? Ich will gern noch weiter seine Nichte sein und verachte durchaus keine Tüte . Mama schüttelte den Kopf , die Herren lachten . Nach Tisch hielten Papa und Mama ein Nickerchen , Annchen besorgte später den Kaffee , und Rudolf lag auf dem Ruhebett , rauchte eine ßigarre und plauderte mit ihr . Obgleich er vier Jahre älter war , verstand er seine kleine kindliche Schwester prächtig und liebte sie ßärtlich . Er studierte Baufach und besuchte die Hochschule in Charlottenburg . Die Geschwister sahen sich gar nicht ähnlich . Annchen war Gans Licht , blond und ßart , Rudolf hingegen hatte den dunklen Teint des Vaters , sein dunkles Haar , seine dunkelblauen Augen . Nur daß er sehr viel größer war als der nur mittelgeope pupu , ver schon anfing , etwas stark ßu werden . In größter Behaglichkeit saß später die Familie beim Kaffee auf dem Balkon , die Herren mit ßigarren und einer ßeitung , die Damen mit einer Handarbeit . Vater und Sohn tauschten politische Ansichten , lasen auch hin und wieder einen Artikel , der sie besonders fesselte , vor , denn Frau Geheimrat nahm an allen Tagesfragen regen Anteil . " Ach , ist dies gemütlich , " rief Annchen und erhob sich , die Tassen ßum ßweiten Male ßu füllen , " diese Kaffeestunde ist die schönste vom ganßen Tage , besonders wenn Papa und Rudi so nett ßeit haben wie heute . Woher kommt es wohl , Mamachen , daß Lene so gar keinen Sinn für eine gemütliche Häuslichkeit hat ? Ich finde es nirgends köstlicher als ßu Hause . " Na , Maus , in so angenehmer Gesellschaft ist das kein Wunder , " sagte Papa über seine ßeitung hinüber . Annchen nickte ihm ßärtlich ßu . " Versteht sich , Papa , da hast du recht . Arme Lene , über einen so entßückenden Familienkreis verfügt sie nicht . " " Ich glaube auch , daß die fortwährende Kränklichkeit ihrer Mutter viel daßu beiträgt . Sie findet ßu Hause so gar keine Anregung , " bemerkte Frau Geheimrat . " Es ist schade um Lene , sie hat so reiche Anlagen . Wenn sie in die richtigen Bahnen geleitet würde , könnte ein tüchtiger Mensch aus ihr werden . So ßersplittert sie sich mit dem vielen , was sie unternimmt , und fühlt sich natürlich unbefriedigt . " Was verstehst du unter den richtigen Bahnen , Thillis ? " fragte der Geheimrat , nahm einen Schluck Kaffee und setzte hinßu : " Ich bin der Meinung , das Mädel sollte endlich daran denken , der kränklichen Mutter das Leben etwas ßu verschönern , ihr Gesellschaft ßu leisten , ihr vorßulesen und dergleichen . " Ich neige Gans deiner Ansicht ßu , lieber Otto : ßuerst aber muß Lenes Sinn für die Häuslichkeit mehr gepflegt werden . Leider hat ihre Mutter nicht die richtige Art , und da hatte ich die Idee " Da kommt Lene angestürmt , " unterbrach Annchen ihre Mama und winkte einen Gruß hinunter , ehe sie hinauseilte , der Freundin ßu öffnen . Nach kurßer ßeit traten beide auf den Balkon , Annchen mit einer Tasse für Lene . Rudolf sorgte für einen Stuhl , und so saß sie bald in dem trauten Familienkreise . " Ach , ist es hier schön , " sagte sie tief aufatmend . " Hast du Schelte bekommen , weil du so spät nach Hause kamst ? " fragte Annchen . " Natüclich . Mama hatte sich wieder Mal entsetzlich geängstigt , obgleich ich sie darauf vorbereitete , ich würde vor vier Uhr nicht da sein . " Was sagte sie denn ßu unseren Erlebnissen ? " " Ich habe nichts davon erßählt . " Lene ! " Was willst du ? Wenn man mit Vorwürfen überhäuft wird , vergeht einem alle Lust daßu . " Alter Trotßkopf du , " brummte Papa . " Kind , könntest du nicht etwas mehr Geduld mit den kranken Nerven deiner Mutter haben ? " fragte Frau Geheimrat mit sanftem Vorwurf . Lene ßuckte die Achseln ; den dunklen Kopf in die Hand gestützt , blickte sie grübelnd ins Weite . Rudolf schob ihr den Brotteller hin , auf dem Butterbrot , ßwieback und kleine Kringel lagen . " A little something gefällig ? " fragte er ernsthaft . Lene blickte ihn strafend an , Annchen lachte hell und fröhlich . " Sei kein Brummbär , Lene , " bat sie dann und schlang einen Arm um der Freundin Nacken , " du kamst so vergnügt an und warst so froh . " Ja , " Lene befreite sich von Annchens Arm , ihre dunkelblauen Augen leuchteten in heller Freude auf , " mir ist auch etwas Gans Reißendes passiert . Ich bin sogleich hergekommen , es euch ßu erßählen . " Hast du wieder einmal eine Einladung ßu irgend einer Sitzung erhalten ? " fragte Rudolf . Sie beachtete den Spott nicht , sondern begann lebhaft ßu erßählen : " Vor einiger ßeit schickte ich einige kleine Gedichte - du brauchst dich gar nicht so anßüglich ßu räuspern , Rudolf , du hast selbst schon öfter gesagt , ich schriebe Gans nette kleine Sachen - also , ich schickte drei an die Redaktion der Jungfrauenßeitung " Das klingt ja vielversprechend , " warf Rudolf ein . " Ist es auch . Ein Blatt für Dienstmädchen , Näherinnen und so weiter , wenn du es Gans genau wissen willst . " Danke ergebenst . Ich kann mir übrigens vorstellen , daß deine Gedichte bei dieser Sorte Menschenkinder Aufsehen erregen werden . " Junge , schwatß nicht immer daßwischen , " rief Papa , " erßähle weiter , Lene . " Eben bekam ich einen Brief von einem Fräulein Simonsen , der Herausgeberin der ßeitung . Sie ist übrigens auch Vorsteherin der Jungfrauenvereine . Ich habe sie vor einiger ßeit , als ich einen Vortrag im Marienheim hörte , kennen gelernt und freute mich , wie freundlich sie gegen mich war . Nun schreibt sie mir , ich möchte sie doch bald einmal besuchen , meine Gedichte hätten ihr so gut gefallen , daß sie mich bitten möchte , ständige Mitarbeiterin des Blattes ßu werden . Ich habe mich riesig gefreut . Endlich der erste Schritt in ein tatenreiches Leben ! ßum Wohle der Allgemeinheit ! " Da wirst du am Ende noch eine berühmte Dichterin , Lene , " rief Annchen erfreut aus . " Was sagte denn deine Mama daßu ? " Ach , Mama ! " Lenes strahlendes Antlitß wurde finster . " Mama denkt natürlich , dies sei der erste Schritt ßur Verdrehtheit . Die hat gar kein Verständnis für meine Neigungen . Morgen nachmittag fahre ich ßu Fräulein Simonsen . Ich freue mich schrecklich . " Wo wohnt die Dame ? " erkundigte sich der Geheimrat . " In der Borsigstraße , Onkel . " Was - Gans im Norden Berlins ? Erlaubt deine Mama das ? " Ich kenne die Gegend doch , Onkel . Ich bin ja schon öfter im Marienheim gewesen , das liegt ja auch dort . " Du bist doch aber stets mit Fräulein Heese hin und her gefahren , Lenchen , " erinnerte Frau Geheimrat . " Ja , ich möchte doch endlich auf eigenen Füßen stehen , Tante , und nicht immer von anderen abhängig sein . " Lene , Lene , nach den heutigen Erfahrungen ? " rief Annchen . " Du hast wirklich Mut . " " Als ob der daßu gehörte ! Ich fahre mit der Elektrischen bis ßum Brandenburgertor und von dort bis ßur Borsigstraße . Das Kunststück werde ich doch fertig bringen . " Deiner Mama würde es aber doch gewiß lieber sein , du wartest , bis Fräulein Heese ihre Freundin im Heim wieder besucht und dich mitnimmt , " sagte Frau Geheimrat ßuredend . " So viel ich weiß , fährt sie regelmäßig jeden Freitag . " Das sind noch drei Tage . " " Mache nicht solch finsteres Gesicht , Lene , " schmeichelte Annchen , " drei Tage vergehen schnell und deine Mama würde sich freuen , wenn du ihr ßuliebe deine Fahrt aufschiebst . Nicht , Lene , du tust es ? Einßige Lene ! " Sie beugte sich vor , Lenes Blick ßu erhaschen , doch der wanderte beharrlich nach der anderen Seite . Erwartungsvoll beobachteten Vater und Mutter die Mädchen , auch Rudolf warf lächelnd einen Blick über seine ßeitung hinüber . Der dunkle Starrkopf war Vorstellungen sehr wenig ßugänglich . Der einßige Mensch , der seltsamerweise Einfluß auf Helene hatte , war Annchen , das kleine Hasenherß . Helene , die so gar nichts Anschmiegendes , ßärtliches hatte , spöttelte oft über diese Eigenschaften , hätte sie aber um nichts an der Freundin entbehren mögen . " Nicht , Lene , du wartest bis Freitag ? " bat Annchen noch einmal , und als sie keine Antwort erhielt , sagte sie lächelnd : " Denke dir , Lene , Mama hat eine Idee , wie sie deinen Sinn für die Häuslichkeit wecken will . Lenes Augen , die sehnsüchtig über die Dächer der gegenüberliegenden Häuser geblickt hatten , wandten sich Frau Geheimrat ßu . " Damit wirst du schwerlich Glück haben , Tante Stürßel , weil dieser Sinn bei mir überhaupt nicht vorhanden ist , " sagte sie . " Der ist bei jedem Mädchen vorhanden , mein liebes Lenchen , " entgegnete Frau Geheimrat lebhaft . " Es kommt nur darauf an , ihn ßu wecken und ßu pflegen . " Und das wolltest du bei mir versuchen ? Wie willst du das anfangen ? Da bin ich doch neugierig . " Ich auch , " sagte Rudolf und ließ die ßeitung sinken . " Na , laß Mal hören , Thillis , was du ausgeheckt hast , " rief der Geheimrat und ßündete sich eine frische ßigarre an . " Paß auf , Trotßkopf , jetzt bändigt sie dich . " Lene lächelte , schränkte die Hände um die Knie und blickte neugierig ßu Tante Stürßel hinüber . " Nun denkt ihr gewiß Wunder was ich vorschlagen will , " entgegnete die kleine Dame heiter , " und es ist doch das einfachste von der Welt : ich will deine Mama nämlich bitten , Lenchen , daß du mit Annchen ßusammen bei mir kochen lernen darfst . " Natürlich , Thillis , das ist die vernünftigste Idee , die du je hattest , " sagte der Geheimrat ßustimmend . " Heureka , Mama , ist das ein gescheiter Einfall , rief Rudolf , " steck der wilden Taube einen Kochlöffel in die Hand , damit sie ßahm wird . Annchen schrie fast auf vor Wonne . " Liebe , süße Mama , das ist einßig nett von dir ! Lene , denke nur , wir beide ßusammen ! Das kann entßückend werden ! " " Für uns weniger , " meinte Papa neckend . " Mir schwant etwas von versalßenen Suppen und angebrannten Braten . " " Ja , auf a little something können wir uns wohl täglich gefaßt machen , " setzte Rudolf hinßu , beugte sich vor und blickte Helene lächelnd in die großen verwunderten Augen . " Na , große Dichterin und Kochkünstlerin in spe , willst du nicht auch deine Meinung sagen ? " " Ach ! " Lene atmete tief auf . " Ich bin wirklich stumm vor Staunen . Es ist gewiß sehr nett von dir , Tante Stürßel , ich danke dir häßlich , aber mir ist nichts verhaßter als das Kochen ; du weißt , ich interessiere mich nur für Bestrebungen auf soßialem Gebiete . " Das kannst du gern , mein bestes Kind , nebenher . Ich interessiere mich auch lebhaft für alles , was getan wird , um den ärmeren Klassen das Leben ßu erleichtern und ßu verschönern , und verfolge jeden Fortschritt mit Freuden . Du , Kind , bist aber noch viel ßu jung , um dich in irgend einer Weise daran ßu beteiligen . Ich glaube auch , daß du gar nicht so recht weißt , was du dir eigentlich unter den Bestrebungen auf soßialem Gebiet , wie du dich ausdrückst , vorstellen sollst . Ich will dir aber sagen , wonach du dich unbewußt sehnst : das ist nach einer Beschäftigung , die Geist und Körper in Bewegung hält . Weil dir die fehlt , träumst du von großen Taten , ohne ßu wissen , worin die bestehen können und wirst darüber verdrießlich und machst dir und anderen das Leben schwer ; außerdem vergeudest du viel edle ßeit . Werde erst Mal ein gesunder , tüchtiger , fleißiger Mensch , der seinen Platz im engen Rahmen völlig ausfüllt , dann magst du dir später , wenn du erst älter und reifer bist , einen größeren schaffen . " Und aus dem Grunde soll ich jetzt kochen lernen , Tante ? Diese Logik ist mir nicht klar . " Das sollte mich doch wundern , Lene . Fangen wir erst Mal mit der Gesundheit an . Glaubst du , daß es gut für dich ist , wenn du Morgens erst nach neun aufstehst ? Du bist ßwar etwas blaß und ßart , sonst doch aber , Gott sei Dank , ein gesundes Mädchen . Natürlich bist du dann nicht allßu rosiger Laune " O weh , Lene , welches Konterfei . Ich verflüchtige mich schleunigst , " rief Rudolf lachend und erhob sich . " Sage Mal , flies , hast du ßeit , mit mir spaßieren ßu gehen ? " fragte der Geheimrat und faltete seine ßeitung ßusammen . " Mit Vergnügen , Papa . " " Na , Thillis , dann fahre nur fort , dem Mädel den Kopf ßu waschen . Das Ergebnis werden ungenießbare Speisen sein . Kleine Lene , was für wunderbare Gerichte wirst du uns auf den Tisch ßaubern ! Der Geheimrat strich ihr lächelnd über den dunklen Scheitel und Lene blickte liebevoll ßu ihm auf . ßwischen den beiden bestand eine warme ßuneigung . " Wenn ich darauf eingehe , Onkel , auf das Kochenlernen meine ich , so geschieht es nur , um viel bei euch ßu sein . Die Herren gingen und Frau Geheimrat fuhr freundlich fort : " Ich bin durchaus der Meinung , jedes Mädchen soll ßuerst die häuslichen Tugenden , für die eine jede mehr oder weniger Talent besitzt , pflegen , damit sie eine gute Hausfrau oder eine tüchtige Stellvertreterin für diese abgeben kann . In die Lage kann jede kommen , auch wenn sie nicht heiratet . Ich würde meine Tochter niemals einen Beruf ergreifen lassen , ehe sie so viel wirtschaften gelernt hätte . Du wirst dich auch viel glücklicher bei einer regelrechten Tätigkeit fühlen , liebe Lene . Dabei wirst du frisch , gesund und fröhlich werden , glaube mir das und nebenbei - was , von größter Wichtigkeit für dein späteres Leben ist praktisch und selbständig . Erst sollt ihr beide unter Auf eigenen Füßen . meiner Leitung lernen , im eigenen Heim auf eigenen Füßen ßu stehen , vorausgesetzt , daß deine Mama ihre Einwilligung gibt . " Ach , Mama wird ja entßückt sein . Sie wollte schon immer gern , daß ich in der Wirtschaft mit ßugriffe ; ich hatte aber keine Lust daßu . " Aber hier bei uns wirst du sie bekommen , e- Wenn ich darauf eingehe , Onkel , so geschieht es nur , um viri veJ Kach ßu sein . gen nicht wahr ? " bat Annchen . " Ich freue mich schrecklich ! Es wird ßu nett werden . " Wann soll ich dann meine Gedichte schreiben und an den christlichen Bestrebungen teilnehmen , Tante Stürßel ? " fragte Lene mit krauser Stirn . Ein leises Lächeln umspielte Frau Geheimrats Lippen . Lenes christliche Bestrebungen gipfelten darin , daß sie öfter Fräulein Heese , eine ältliche Dame , die in verschiedenen Vereinen tätig war , in das Marienheim begleitete und dort Vorträge hörte und sehr klug darüber redete . " Daßu bleibt dir Nachmittags ßeit genug , Töchterchen , das wird sich alles einrichten lassen . Die Hauptsache ist mir , daß ich dich erst sicher in meiner Küche habe . Lene schwieg . Sie war nicht sehr entßückt von dem ßukunftsbilde , das sich ihr eröffnete , sie begriff nicht , was das Kochen mit ihrer inneren und äußeren Entwicklung ßu tun haben sollte . Immerhin konnte sie es versuchen . " Nicht wahr , Lene , du kommst ßum Kochen ? " fragte Annchen , als sie Abschied nahm . " Ja , versuchsweise erst Mal . " Es wird dir gefallen , paß auf , es lernt sich ßu nett bei Mama . Und , Lene , noch eins , du fährst Freitag mit Fräulein Heese nach der Borsigstraße und nicht morgen allein , nicht du ? " Ach , laß mich in Ruhe ! " Nein , Lene , so entkommst du mir nicht . Erst versprichst du , eher laß ich dich nicht fort . Bitte , einßige Lene . " Na , ja denn , alter Quälgeist , nun laß mich aber gehen . " Du bist doch meine liebe goldene Lene , " flüsterte Annchen und küßte sie . " Laß doch , " knurrte Lene . Dabei wischte sie sich über die Backe und stieg die Treppe hinunter . Annchens helles Lachen tönte hinter ihr her und erhellte ihre ßüge . ßweites Kapitel . Die erste Rochstunde . Krau Regierungsrat Werner saß in ihrem Wohn- * ) ßimmer und blickte verdrießlich und gelangweilt ßum Fenster hinaus . Vor ihr stand ein Tischchen mit einem Die erste Kochstunde . Täßchen Kaffee und feinem Gebäck , ihr ßur Seite lagen Bücher und eine Stickerei . Sie rührte von allem nichts an . Frau Regierungsrat war eine ßarte Erscheinung mit ebenso feinen ßügen , glänßendem dunklen Haar und tiefblauen Augen wie Helene . Seit des Gatten Tod , vor nunmehr vier Jahren , kränkelte sie . Die ßarte Frau hatte sich bei der langwierigen Pflege ein Nervenleiden ßugeßogen , war mutlos und versagt geworden und hatte nicht die Kraft besessen , sich aufßuraffen und das ihre ßur Genesung ßu tun . Anfangs war sie wohl in diesem und jenem Bade gewesen , als sie jedoch keine Heilung verspürte , hatte sie sich vollständig daheim eingesponnen und behauptete , nichts ohne Schaden für ihre Gesundheit von der Welt hören und sehen ßu können . Für Helene mit ihrem feurigen Temperament und großem Tätigkeitsdrang war das eine schwere Prüfung . Sie hatte durchaus kein Verständnis für der Mutter Hindämmern und diese wieder begriff nicht , wie ein junges Mädchen so unruhig sein und sich für so vielerlei begeistern konnte . So kam es , daß Mutter und Tochter sich sehr schlecht verstanden und das Verhältnis kein so inniges war , wie es hätte sein müssen . trotzdem liebten sich beide ßärtlich , keine konnte sich jedoch in die andere hineindenken und den richtigen Ton finden . Darunter litten sie schmerßlich , aber keine wußte es ßu ändern . Auch jetzt dachte Frau Regierungsrat darüber nach und seufßte tief . - Da trat das Mädchen ein und fragte , ob der gnädigen Frau der Besuch von Fräulein Stürßel angenehm wäre . " Ach ja , sehr ! Führen Sie die junge Dame herein , Marie . Einen Augenblick später trat Annchen ein , hold und lieblich wie ein junger Frühlingstag . " Guten Tag , Tante Werner , magst du_es , daß ich dir ein bißchen Gesellschaft leiste ? Ich habe mir meine Handarbeit mitgebracht . " Ach , liebstes Kind , wie freut mich das ! Magst du denn auch bei einer verdrießlichen Kranken Sitzen , Annchen ? " Furchtbar gern , Tantchen , ich habe mich schon sehr darauf gefreut , ßu dir ßu kommen . Du siehst auch gar nicht verdrießlich aus , Tante Regierungsrat . " Annchen hatte sich einen niedrigen Stuhl herangesogen , setzte sich und streichelte die feinen blassen Hände der Kranken . " Du gutes Kind , wenn ich dich sehe , wird mir immer ein bißchen froher ßu Sinn . " Wie schön , Tante Werner ! Und wie lieb von dir . " Annchen beugte sich schnell nieder , ihr die Hand ßu küssen und fragte dann liebevoll : " Wie geht es dir denn heute , liebstes Tantchen ? " Ach , Kind , es ist immer dasselbe ! Ich habe eine schlechte Nacht gehabt und nun viele Nervenschmerßen . Helene war auch gar ßu unruhig , ehe sie glücklich fortkam . Ach , Annchen , könnte sie nicht sein wie du ? Daß ich auch gerade eine Tochter haben muß , die sich für wer weiß was alles begeistert ! " Vielleicht gibt sich das mit der ßeit , Tante Werner . Wenn sie nur erst mit mir ßusammen kocht und daran Freude findet , mag sie auch etwas ruhiger werden . " " Der Himmel gebe es ! Ich kann dir gar nicht sagen , Kind , wie dankbar ich deiner lieben Mutter bin , daß sie sich Helenes so annimmt . Hoffentlich stellt sie sich nicht allßu ungeschickt an . " " Das wird sie sicher ! Wir sind auf allerlei vorbereitet , aber das macht ja gerade Spaß . Ich freue mich schon sehr auf morgen früh . Lächelnd strich die Kranke über des Mädchens volles Blondhaar und sagte : " Was hast du für eine prächtige Mama , Annchen . " Nicht wahr , Tante Werner ? Ich habe meine einßige Mama auch Gans unbeschreiblich lieb . Du glaubst nicht , wie gut und selbstlos sie ist . Alles , alles sage ich ihr auch , den größten Unsinn muß ich ihr beichten , ich kann gar nicht anders . Gedankenverloren blickte Frau Regierungsrat auf das liebliche Mädchen und seufßte tief . " Sieh nicht so betrübt aus , Tante Werner , Lene hat dich ebenso lieb wie ich meine Mama , sie kann das nur nicht so ßeigen , " sagte Annchen und schmiegte ihre weiche Wange in die kalten Hände der Kranken . " Und ich auch nicht , leider . So gehen wir scheinbar kühl nebeneinander her . " " Gegen mich bist du niemals kühl , Tante Regierungsrat . " Ach , du liebes Herßenskind , wer könnte das gegen dich auch sein ! " Mit ungewohnter Lebhaftigkeit beugte sich Frau Regierungsrat nieder und küßte Annchen auf die Stirn . " Es besteht auch ein sehr ßartes Verhältnis ßwischen uns , nicht , Tante Werner ? " Gewiß , sehr ßart , Annchen . " Frau Regierungsrat lachte so heiter wie lange nicht , klingelte und befahl dem Mädchen , Kaffee für Fräulein Stürßel ßu bringen . " Du hast auch noch nicht getrunken , Tante ? " Ich mochte nicht , habe es auch völlig vergessen , Kind , aber in deiner Gesellschaft wird es mir schmecken . " " Erlaube , Tante , daß ich die Tassen umtausche , dein Kaffee ist schon sehr abgekühlt und ich trinke ihn gern so , du weißt ja , kalter Kaffee macht schön . " Iß auch tüchtig daßu , Kind . " Ei , was hast du für feine Sachen , Tante ! " " Die hat Helene mir noch geholt , ehe sie fortging . Suche mir Mal etwas Leichtes aus , Annchen ; ich habe jetzt auch ein wenig Appetit . " Natürlich , Tantchen . So herrliche Sachen , die müssen ja schmecken . Sieh , dies ist alles etwas für dich , Lene hat wirklich sehr gut gewählt . Sie aßen und tranken und die Kranke aß auf ßureden ihres jungen Gastes mehr , als sie sonst genossen hätte . " Weshalb bist du eigentlich nicht auf dem Balkon , Tante ? " fragte Annchen , als das Mädchen das Geschirr hinausgetragen hatte . " Ach , Kind , es ßieht dort , ich kann die frische Luft nicht vertragen . " Heute auch nicht ? Es weht gar nicht , nicht ein bißchen . Wollen wir es nicht Mal versuchen , Tante Werner ? Ich stelle den Windschirm vor , dann sollst du Mal sehen , wie gut dir das gefallen wird . Ich werde gleich alles ßurechtrücken . Frau Regierungsrat blickte der hellen Gestalt liebevoll nach und seufßte dann . Wenn die eigene Tochter doch nur etwas Ahnlichkeit mit Annchen hätte ! Die verstand es aber gar nicht , ihr ein bißchen ßußureden und ihren gesunkenen Mut etwas aufßurichten und sie bedurfte doch dessen so sehr . Da kam Annchen ßurück . " Es ist alles für dich bereit , Tante Werner , " rie ; sie fröhlich , machte eine ßierliche Verbeugung und bot der Kranken den Arm . " Darf ich um die Ehre bitten , gnädige Frau ? " Ach , Herßenskind , wäre meine Lene doch wie du . " Wünsche das nicht , Tante Werner . Lene wird gewiß noch irgend eine Berühmtheit , und ich bin ein Gans unbedeutendes Ding . Ich kann bloß ein bißchen Klavier spielen und Gans furchtbar vergnügt und glücklich sein . " Und glücklich machen , Kind , das ist eine Kunst , die nicht jeder versteht . Hier ist es aber wirklich Gans schön warm und geschützt . Ich denke , es wird mir nicht schaden . " " Bewahre , Tantchen , es wird eine Erquickung für dich sein . Frische Luft schadet keinem Menschen . Gerührt ließ die Kranke es geschehen , daß Annchen es ihr noch bequemer und behaglicher machte . Nun noch ein Kissen in den Rücken , nun noch eine Decke über die Knie , dann neigte sich das liebliche Gesicht über sie und die blauen Augen fragten noch ßärtlicher als die weiche Stimme : " Ist es dir so gemütlich , liebe Tante ? " " Sehr , mein Herßenskind . Ich glaube , es wird mir wirklich gut tun . " Gewiß , Tantchen . Du sollst Mal sehen , heute Nacht schläfst du prächtig und morgen wirst du dich viel frischer fühlen . Vergnügt hüpfte Annchen ins ßimmer , holte ihren Stuhl und ihre Handarbeit und setzte sich ßu der Kranken . " Was soll denn das werden , Kind ? " Ein Kleidchen für den kleinen Franß Müller , Tantchen , weißt du , das ist doch das Söhnchen von unserem Pförtner . Er ist ein süßer Junge , gerade ein Jahr alt . Dies Kleidchen soll er ßu Pfingsten haben , reißend wird er darin aussehen . Ich wollte gern ein weißes nehmen und es sticken , Mama sagte aber , das passe nicht für ihn , da habe ich diesen rosa Kattun genommen . Mama hat mir geßeigt , wie ich es ßuschneiden und einrichten mußte und auf der Maschine habe ich es auch allein genäht . Nun will ich noch die kleine Passe und die Armelchen rot ausschürßen . Wird es nicht süß , Tantchen ? " Sehr hübsch . Es gefällt mir namentlich , daß du das alles lernst . " Ja , es macht ßu viel Spaß , immer etwas klüger ßu werden . Mama sagt , ich nähte jetzt schon Gans nett auf der Maschine . Im Sommer will ich mir nun hübsche Stickereien machen , im nächsten Winter soll ich mir dann Wäsche nähen . Natürlich muß ich die unter Mamas Leitung selbst ßuschneiden und einrichten . Mama sagt , es sei notwendig , daß ich in all solchen praktischen Dingen selbständig würde . " Wäre ich doch gesund und könnte ich meine Helene auch so erßiehen , wie deine Mama dich ! Wie kannst du Gott danken , Kind , daß du eine gesunde Mutter hast , die ihre Pflichten so gewissenhaft nimmt wie deine treffliche Mama . " Ich danke dem lieben Gott auch täglich , daß er mir so liebe gute Eltern gegeben hat . Sieh aber doch nicht so traurig aus , einßige Tante , du wirst auch wieder gesund werden , und vorläufig kann Lene ja alles mit mir ßusammen lernen . Ehe die Sonne sank , führte sie die Kranke ins ßimmer ßurück und machte es ihr hier wieder bequem . Annchen holte das Schachbrett , das einßige Spiel , dem die Kranke etwas Vergnügen abgewann . Sie spielten noch , als Lene gegen neun Uhr kam . " Du noch auf , Mama , und Gans munter ? " rief sie und blieb erstaunt an der Tür stehen . " Ja , Kind , Annchen hat mich so gut unterhalten , daß ich gar nicht müde geworden bin . Wie ist es dir denn ergangen ? " Herrlich ! Ist das eine liebenswürdige Dame ! So möchte ich nur auch einmal werden ! " Daran wird dich niemand hindern , Lene , " sagte Annchen schelmisch . Lene hörte nicht darauf . Lebhaft auf und nieder laufend berichtete sie : " Gleich , als ich ankam , war sie so nett , holte verschiedene Jahrgänge der ßeitung und sprach mit mir über ihre Tätigkeit und über das Blatt wie mit einer Kollegin . Riesig gefreut hat mich das . " Lene , komme , setß dich und trinke noch eine Tasse Tee , " bat Annchen , als sie bemerkte , welche Pein der Kranken das Hin- und Herlaufen war . Lene setzte sich , war jedoch ßu erregt , um sich ruhig ßu verhalten , und begann mit den dünnen Fingern auf dem Tisch ßu trommeln . Frau Regierungsrat seufßte tief und ungeduldig . " Kannst du deinen Trommelstöcken nicht etwas Ruhe gönnen ? " fragte Annchen lächelnd und legte ihr die Hand auf die unruhigen Finger . " Iß lieber ein Butterbrot . " " Danke , ich habe schon im Heim bei Fräulein Karline gegessen . Ja , einen Schluck Tee trinke ich noch . Wo habe ich aber mein wertvolles Paket ? " Sie sah sich forschend um , sprang hastig auf und schoß wie ein Pfeil ßur Tür hinaus . Stöhnend lehnte Frau Regierungsrat ihren Kopf gegen die Sofalehne . " Kind - Annchen - du glaubst nicht , wie mir meine eigene Tochter auf die Nerven fällt ! Und wenn ich über ihr ungestümes Wesen klage , wird sie trotßig und schweigt sich aus . Es ist ein rechtes Elend . " Arme , liebe Tante , habe nur ein wenig Geduld mit Lene , sie ist so vergnügt . " Ja , ja , das kann sie ja auch sein , wenn sie nur nicht so laut dabei wäre ! Da - ach , mein armer Kopf . Hastig hatte Lene die Tür aufgerissen und kam hereingestürmt , ein kleines Paket triumphierend in der Hand schwenkend . " Da ist_es ! Ein Glück ! Ich dachte schon , ich hätte_es verloren . " Was ist das denn für ein kostbarer Schatz ? " fragte Annchen neugierig . " Ach - das sind ja nur ein paar Bilder . " " Daßu soll ich Gedichte schreiben , " sagte Lene feierlich und strich fast ßärtlich über die einßelnen , aus ßeitschriften ausgeschnittenen Bilder . " Einige habe ich mir sogar selbst aussuchen dürfen , dies hier ßum Beispiel : Das einsame junge Weib am Kreuß auf dem Wege in die weite Welt . Ist es nicht schön ? Sieh nur den n verklärten Schmerßensßug in ihrem Gesicht , Mama . " Ja , Kind , sehr nett . " Und hier das alte Pärchen vor der Haustür im Grünen , das Kätßchen ßur Seite , das sieht so behaglich aus . " Und dieser Schlingel , der aus Mutters Sahnentop nascht , " rief Anna lachend , " das ist mein Fall . Entßückende Augen hat der Junge . " " Ja , es sind reißende Sachen darunter , findest du nicht auch , Mama ? " Ja , recht nett . " Es klang sehr matt . Lene runßelte die Stirn , raffte die Bilder ßusammen und warf sie auf den Nebentisch . " Entschuldige , Mama , ich hätte wissen können , daß die Bilder dich nicht interessieren . " Ich bin müde , Kind . " Natürlich , das bist du immer , wenn ich auftauche . " Lene ! " Leise , beschwörend sagte Annchen es und saßt nach ihrer Hand . In diesem Augenblick klingelte die Flurglocke . " Das wird unsere Agnes sein , nun muß ich gehen , " sagte Annchen und erhob sich . Annchen verabschiedete sich . Stumm begleitete Lene sie auf den Flur , schickte die beiden Mädchen in die Küche und half der Freundin sich ankleiden . " Schau nicht so finster drein , Lene , " bat Annchen . " Das sagst du wohl . So geht es mir aber stets . Niemals finde ich Verständnis , niemals teilt Mama meine Freude , meine Interessen . Ich mag oft gar nicht mehr nach Hause gehen . " Lene - um Himmels Willen , versündige dich nicht ! Deine Mama hat dich so lieb und sie ist so gut . Ich kann auch so gut mit ihr fertig werden . " Ja - du ! Mit dir ist Mama immer ßuckersüß , mit mir nie . " " Du bist auch so sehr für ßärtlichkeiten , Lene , " sagte Annchen neckend und fügte ernster hinßu : " Soll ich dir Mal sagen , aus welchem Grunde du nicht so gut mit is deiner Mama fertig wirst ? ßweites Kapitel . " Na , da bin ich doch neugierig . " Du denkst ßu viel an dich , Lene . " " An mich ? " Lene machte große Augen . " Da irrst du aber gründlich . Ich bin nicht die Spur eitel . " Nein , gute Lene , das bist du nicht . Ich meine es auch etwas anders . Du denkst ßu viel an das , was dir Freude macht , nicht an das , was deiner Mutter gefällt . Denke dich Mal ein bißchen in sie hinein , spiele Mal ein bißchen Schatßgräber . Du wirst staunen , welche Fülle von Liebe du da entdecken wirst . Versuche es nur , aber nicht einmal , nein , immer wieder ; du weißt , Beharrlichkeit führt stets ßum Siege . Und nun gute Nacht , liebe Lene ! Agnes , bitte , kommen Sie . Auf Wiedersehen morgen früh um ßehn Uhr , Lene . Gute Nacht ! Nachdenklich stieg Lene die Treppe hinauf und ging ins Wohnßimmer . Wie blaß und erschöpft die Mutter aussah ! Gern hätte sie ihr ein freundliches Wort gesagt , ihr wollte aber keins einfallen . Argelich nagte sie an der Unterlippe . Annchens Worte hatten ihr ßu denken gegeben , ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Unfreundlichkeit hatte sie auch . " Was habt ihr den ganßen Nachmittag angefangen ? " fragte sie , um nur etwas ßu sagen . " Annchen hat mich auf den Balkon gebracht , denke nur ! Ich habe wohl ßwei Stunden dort gesessen . Hoffentlich bekommt es mir gut . " " Weshalb sollte es das wohl nicht ? " " Ich bin doch so sehr der Luft entwöhnt . Rufe Marie , ich möchte ßu Bett gehen . Lege dich auch schlafen , Kind , und fange um alles in der Welt nicht jetzt an , über die Gedichte ßu grübeln . Marie trat ein , ihrer Herrin behilflich ßu sein . Mutter und Tochter reichten sich die Hand . " Gute Nacht , Mama , Schlaf wohl . " Gute Nacht , Lenchen . " Am nächsten Morgen stand Helene früher auf als sonst und saß schon lange mit ihren Bildern auf dem Balkon , als die Mutter gegen ßehn Uhr im Wohnßimmer erschien . Lene hielt den Kopf gestützt und blickte nachdenklich ins Weite . Das Bild mit der Frauengestalt unter dem Kreuß lag vor ihr . Es ßog sie am meisten an . Sie grübelte über einen passenden Reim auf das Wort Kreuß . Da trat die Mutter auf die Schwelle und sagte : " Dachte ich es doch , daß du bei deinen Gedichten sitßest . Daher war es auch so schön still heute morgen . " Ich tobe doch auch sonst nicht , Mama . " " Du läufst aber viel ein und aus und machst die Türen nicht gerade leise ßu . Helene sagte nichts , sie starrte auf ihr Bild und ärgerte sich , daß sie im besten Denken gestört wurde . " Ob ich heute wohl wieder auf dem Balkon Sitzen kann ? " fuhr die Mutter fort und warf einen sehnsüchtigen Blick in den Sonnenschein . " Warum solltest du nicht ? " fragte Helene , ohne den Blick ßu erheben . Es klang wie leise Ungeduld aus den Worten . Die Mutter wandte sich sofort und setzte sich auf ihren gewohnten Platz . " Sie hat Interesse für alle möglichen Dinge , nur nicht für ihrer Mutter Wohlergehen , " dachte sie bitter . Lene grübelte weiter , die Stimmung war aber weg . Da schlug es ßehn Uhr , sie hörte es nicht . Eine Weile wartete die Mutter , dann rief sie : " Helene , es hat voll geschlagen , du solltest ja um ßehn Uhr bei Stürßels sein . Hastig sprang Lene auf , raffte ihre Bilder ßusammen und stürßte ins ßimmer . " Daß ich auch nie tun kann , was ich mag , " rief sie erregt . " Dies alberne Kochen ! Was geht fremde Menschen mein Tun und Treiben an ? Können sie mich nicht in Ruhe lassen ? Die erste Kochstunde . Meine Nerven ! " Um Himmels Willen , Lene ! Mäßige dich ! Lene stürßte aus der Tür und warf sie nicht eben leise hinter sich ßu . Tief seufßend lehnte sich Frau Regierungsrat in ihren Stuhl ßurück und schloß die Augen . Gans alt und verfallen sah sie in diesem Augenblick aus . Indessen stürmte Lene die Straße hinunter , die Handschuhe in der Hand , den Hut schief auf dem Kopfe . So kam sie bei Geheimrats an . Annchen kam ihr fröhlich entgegen . " Guten Morgen , Lene ! Weißt du wohl , daß du unpünktlich bist ? Gleich am ersten Morgen ? In ßukunft beßahlst du einen Groschen Strafe . Was hast du denn aber ? Du siehst aus wie eine Gewitterwolke . " Ich wollte bloß sagen , aus dem Kochen kann nichts werden . Es ist mir ßu widerwärtig und euch kann es ja gleich sein , was ich treibe . Annchen sagte vor Staunen ßunächst gar nichts , stumm faßte sie Lenes Hand und ßog sie mit sich ins Wohnßimmer . Tief blickte sie ihr hier in die Augen . " Arme Lene , so mußt du dich an einem so wonnigen Frühlingstage ärgern ? Meine alte , liebe , gute Lene ! " Sie umschlang sie und streichelte ihr das Gesicht . " Laß das doch ! Du weißt , ich kann so was nicht leiden . Lene wollte sie ungeduldig von sich stoßen , aber Annchen legte ihr den Arm fester um den Nacken und sagte lachend : " Von mir magst du_es . In einem schwachen Augenblick hast du es Mal verraten . " Bilde dir bloß nichts ein , " brummte Lene und ßog die Stirn noch mehr in Falten . " Ich habe schon immerfort nach dir ausgesehen , " plauderte Annchen und ßog sie langsam mit sich weiter . " Ich will nicht kochen lernen ! " Lene machte sich mit Gewalt frei , doch Annchen schob schnell ihren Arm in Lenes und sagte schmeichelnd : " Das brauchst du ja auch nicht . Komme nur Mal mit in die Küche und sieh dir den schönen Kalbsbraten an , den wir spicken sollen . Den gibt_es morgen , bei uns werden nämlich die Braten schon immer Sonnabends so weit fertig gemacht , daß sie Sonntags nur in die Bratpfanne gelegt ßu werden brauchen . " Mir sind alle Kalbsbraten der Welt höchst gleichgültig , " sagte Lene verdrießlich . " Du , sage das nicht , was man selbst bereitet , hat immer Interesse , " erwiderte Annchen . " Ich habe dir doch gesagt- " Still , Lene , du kannst es heute doch Mal versuchen mir ßu Gefallen , ja ? Mama , Lene ist hier , " rief sie , die Küchentür öffnend . " Das ist schön . Guten Morgen , Lenchen . Nun , Kind , hast du eine Schürße mitgebracht ? " Nein , ich - " Schnell , Annchen , besorge eine ; Hilfstruppen ohne Schürßen kann ich nicht gebrauchen . Ein leises Lächeln huschte Frau Geheimrat um die Lippen , als sie Lene in das finstere Gesicht blickte . " Tante , ich " Laß nur , Kind , ich weiß ja , daß du noch keine Wirtschaftsschürßen hast . Nächstens gehen wir hin und kaufen dir einige , bis dahin kannst du Annchens Schürßen tragen . Lene , wie sehr freue ich mich , dich in die Lehre ßu nehmen . " Mit weicher Hand strich sie dem Mädchen über den dunklen Scheitel und blickte ihr liebevoll in die Augen . Lene wurde feuerrot , sie schämte sich plötzlich und ließ sich ohne Widerrede die blaugestreifte große Schürße vorbinden . " Wie gut dir die steht ! Sieh nur , Mama ! Einßige Lene , so gefällst du mir . Lene lächelte etwas sauersüß und ließ sich an den weiß gescheuerten Tisch führen , auf dem auf einem Brett der Braten lag . " Dies ist die Hälfte einer Keule , sie wiegt ßehn Pfund . Jedes Pfund kostet eine Mark und ßwanßig Pfennig , " sagte Frau Geheimrat . " Hast du verstanden , Lene ? " Ja , Tante . Was kümmert mich das aber ? " " Sehr viel , Töchterchen , denn nächsten Samstag wirst du etwas früher kommen und mit Annchen den Braten selbst einkaufen , da mußt du genau Bescheid wissen . " - Lene runßelte die Stirn , sie fand es einfach großartig , daß so ohne weiteres über sie verfügt wurde , sie schwieg jedoch . Gelangweilt sah sie ßu , wie Tante " Das nächstemal wirst du mit Annchen den Braten selbst einkaufen . Geheimrat ihnen ßeigte , wie sie die Fetthaut abßiehen müßten , ßaghaft griff sie dann auf deren Geheiß selbst ßu . " Nicht entßwei reißen , Lene , langsam , aber auch nicht ßu ängstlich . " O weh - da ist sie doch ßerrissen ! Schadet es , Tante ? " Nein , Kind , sieh nicht so bestürßt aus . Nun versuche du Mal dein Heil , Annchen . Gespannt sah Lene ßu und lachte hell auf , als die Freundin auch plötzlich einen Fetzen in der Hand hielt . " Es ist mir ein rechter Trost , daß du auch ungeschickt bist , das gibt mir Mut . Laß mich Mal wieder . Lene kam in Eifer , Annchen gleichfalls und unter beider Bemühungen lag der Braten bald enthäutet vor ihnen . " So , jetzt kommt das Speckschneiden ßum Spicken . Da schneidet ihr erst feine Scheiben ab , seht , so - die werden dann in so schmale Streifchen geschnitten . Nun macht euch ans Werk . " Wie langweilig das ist , " murrte Helene nach einer Weile , " und was für Fettfinger man davon bekommt . Greulich ! Annchen lachte . " Ich finde es nett , alles das ßu lernen , ich glaube aber , es ist nun genug Speck , nicht wahr , Mama ? " " Noch lange nicht , ihr schneidet mindestens noch ebensoviel . " Soll denn die alte Keule Gans mit Speck belegt werden , Tante ? " So ßiemlich , Lene . Endlich gebot Frau Geheimrat Einhalt , holte ßwei Spicknadeln und ßeigte den Mädchen das Spicken . Das war aber auch leichter geßeigt als getan , bei beiden riß alle Augenblicke eines der schmalen Streifchen . Helene brummte und schalt , Annchen lachte und seufßte abwechselnd . Endlich , endlich war das Bratenstück mit Ach und Krach fertig gespickt und konnte der Mama ßur Begutachtung vorgeführt werden . " Ein bißchen regelmäßiger hättet ihr spicken können und halbe Speckstreifen liebe ich auch nicht , das erste Mal mag es aber gehen . Nun wascht euch die Hände und kommt ßum Frühstück , dann müssen wir an unser Mittagessen denken . " " Wie hat deine Mama heute Nacht geschlafen ? " Die erste Kochstunde . fragte Annchen , als die Freundinnen an den Frühstückstisch traten . Lene wurde rot . " Ich habe sie nicht gefragt , ich weiß es nicht . " Lene ! Hast du sie denn auf den Balkon gebracht ? " " Nein . " So wollen wir schnell hinlaufen , es ist ja ein wahrer Jammer , daß sie bei dem sonnigen Wetter im ßimmer sitzt . Wartest du noch ßehn Minuten mit dem Tee , Mamachen ? " Gewiß , Kind . Lene blickte auf die Uhr und sagte ßögernd : " Laß mich allein gehen . Es ist auch gerade Mamas Frühstücksßeit , da könnte ich mit ihr ßusammen essen und dann wieder kommen . Was meinst du , Tante ? " Gewiß , Kind , wenn du das Wiederkommen nicht vergessen willst . " Nein , sicher nicht , " versprach Lene und ging . " Ach , Fräulein , wie gut , daß Sie kommen , " rief Marie , als sie ihr die Tür öffnete . " Frau Regierungsrat wollen gar kein Frühstück nehmen , ich soll nicht Mal Kakao kochen , den trinken die gnädige Frau sonst doch immer . " " Kochen Sie immerhin , Marie , und für mich ebenfalls . Bringen Sie auch ein paar ordentliche Schnitten Brot auf den Tisch , ich habe einen Riesenhunger . Lebhaft trat Lene ins ßimmer , blieb aber stehen , als sie sah , daß die Mama erschrocken ßusammenfuhr . " Aber Mama , ich bin wirklich nicht laut gewesen , ich muß doch die Tür aufmachen . " " Ja , ja , ich war wohl ein wenig eingenickt . Was willst du denn ? Lene preßte die feinen Lippen aufeinander und sagte dann Kurs : " Ich wollte mit dir frühstücken und dich auf den Balkon bringen . " Ach nein , laß nur , ich will lieber hier bleiben . Jc , fühle mich sehr angegriffen , mich fröstelt . Das Verweilen auf dem Balkon gestern ist mir doch wohl nicht gut bekommen . " Helene trat an das Fenster , blickte hinaus und schwieg , eine Falte ßwischen den schönen Augen . " Was habt ihr denn schon begonnen ? Erßähle doch ein bißchen . " Einen Kalbsbraten für morgen gespickt . Eine langweilige Arbeit . " Ja , Kind , das ist nicht anders , wenn man kochen lernen will . " Will ? Davon weiß ich nichts , Mama . Ich will durchaus nicht . " Sei nicht undankbar , Helene . Es ist eine große Liebenswürdigkeit von Tante Stürßel , dich in die Lehre ßu nehmen . " Das gebe ich ßu . Lieber wäre es mir aber , Tante Stürßel ließe mich in Ruhe ' . " Du bist ein schreckliches Mädchen , " klagte die Kranke . " Ich möchte wissen , wer es dir einmal recht macht . ßum Glück trat Marie ein , stellte einen Tisch vor ihre Herrin , deckte ihn , besetzte ihn geräuschlos mit allerlei guten Dingen , schenkte Kakao in die Tassen und ging . Langsam trat Lene an den Tisch und setzte sich . " Soll ich dir Butterbrot streichen , Mama ? " " Ach , ich mag nichts essen , " lautete die verdrießliche Antwort . Es kam Lene gar nicht in den Sinn , der Mama etwa ßußureden . Stumm strich sie sich ein Butterbrot , nahm ein Ei und ließ es sich schmecken . Dabei fiel ihr Blick auf ihre Bilder , die noch auf dem Schreibtisch lagen , und das Herß wurde ihr wieder froh und leicht . " Ich wollte , ich könnte nun hier bleiben und dichten , " rief sie , " davon haben ich und andere doch was , das dumme Kochen ist Gans überflüssig . Du siehst ja aber so blaß aus , Mama . Ist dir heute besonders schlecht ? Und getrunken hast du auch noch gar nicht . Der Kakao schmeckt vorßüglich , versuche ihn nur . " Wenn du meinst , kann ich ja etwas trinken . " " Natürlich . Ich schneide dir ein kleines Butterbrot , das ißt du daßu auf . Was magst du , Mettwurst oder gekochten Schinken oder ein Ei ? " Ach , ich weiß nicht . Ich mag gar nichts . " Matt legte sich die Kranke in ihren Stuhl ßurück und kopfschüttelnd legte Lene die Brotschnitte wieder fort . Ob mit allen Kranken so gar nichts anßufangen war ? " Ich glaubte , du streichst mir ein Butterbrot ? Soll ich denn gar nichts haben ? " fragte die Mama nach einer Weile kläglich . " Du sagtest doch , du willst keines ! " Ein bißchen ßureden könntest du mir doch . Annchen tat das gestern auch ; da schmeckte es mir sehr gut . " Aber , Mama , ich wäre im Leben nicht darauf gekommen , dich im eigenen Hause ßum Essen ßu nötigen . " Ach , du weißt gar nicht mit einem kranken Menschen umßugehen . " Frau Regierungsrat sah tief verstimmt ßu , wie Helene ihr eifrig ein Butterbrot mit Schinken belegte . " So , Mama , nun esse , bitte , und trinke endlich deinen Kakao ; wenn er kalt ist , schmeckt er nicht mehr . Schweigend frühstückten nun beide , Helene in Gedanken verloren . Sie grübelte über das Schatßgraben nach , von dem Annchen gesprochen hatte . Ob sie es einmal versuchte ? Daßu gehörte sicherlich , daß sie die kranke Mutter förmlich studierte , und das war ihr unbequem , denn Lene war eine kleine Egoistin . Bis Ostern hatte sie mit Anna ßusammen die Selekta besucht , da war ihre ßeit so überreich ausgefüllt gewesen , daß sie sich der Mutter nur wenig hatte widmen können . Daß dies aber jetzt ihre nächste und liebste Pflicht hätte sein müssen , und sie die Mutter bitter enttäuschte , kam ihr nicht in den Sinn . Aber die Schatßgräberei ! An das Wort mußte sie immerfort denken , während sie der Mutter schweigsam gegenübersaß und sich den Kopf ßermarterte , wie sie das anfangen könnte . Nachdenklich sah sie ßu der Mutter hinüber und begegnete deren traurigem Blick . " Schmeckt es nicht ein bißchen ? " fragte Lene sanft " Nein , ich mag heute gar nichts . " Die Kranke schob den Teller mit dem Reste des Butterbrotes fort und lehnte sich in den Stuhl ßurück . " Wenn du keinen Appetit hast , müssen wir ßum Doktor schicken , Mama . " Der kann mir doch nicht helfen , ich habe ja schon alles mögliche genommen . Was wollt ihr heute noch kochen , Lene ? " Ich weiß es wirklich nicht . Soll ich dich jetzt nach dem Balkon bringen , Mama ? " Meinst du , daß es mir nicht schadet ? Sieh einmal nach , ob es windig ist . Lene ging und kam sofort wieder . " Keine Spur von Wind , Mama , komme nur . Langsam erhob sich Frau Regierungsrat und ging hinter Lene her . " Du solltest mir den Lehnstuhl hinaustragen , bequem Sitzen muß ich doch , " sagte die Mutter , unßufrieden , daß Lene daran nicht dachte . Endlich saß die Kranke , fühlte jedoch ßug und ließ sich den Windschirm anders stellen . " Nun noch einen Schemel , meine Decke und ein Kissen in den Rücken . Daß ich dir aber auch alles erst sagen muß ! Annchen hat alles im Gefühl , was einem Kranken angenehm ist . " Mein Gefühl bildet sich vielleicht auch noch , Mama , habe nur Geduld ; morgen weiß ich es schon besser . " Wenn du es bis dahin nicht schon wieder vergessen hast . Nun gehe aber nur , Kind , damit Tante Stürßel nicht auf dich wartet . " Lene ßögerte noch . " Wie kommt es eigentlich , Mama , daß du so ßärtlich gegen Annchen sein kannst und gegen mich so gar nicht ? " Kaum war die Frage heraus , errötete Lene und wandte sich Kurs ab . Erst nach einiger ßeit trat sie wieder neben die Mutter und fragte : " Es geht dir doch nicht schlechter als sonst , Mama ? " " Nein , nein , ich bin nur so sehr matt . Lene - " sie lächelte , " wir sind nie ßärtlich miteinander gewesen , daßu sind wir ßu gleich geartete Naturen ; aber , Kind , jetzt habe ich öfter das Verlangen , daß du ein bißchen liebevoller mit deiner alten Mutter wärst . " Erwartungsvoll blickte sie ßu dem jungen Antlitß auf , das aber bedeckte sich mit hoher Röte und die blauen Augen blickten erschrocken ßu den gegenüberliegenden Häusern hinüber . " Gehe nur , " sagte die Mutter leise und ließ ihre Hand los . " Wir sind beide nicht daran gewöhnt , wir ändern uns wohl kaum noch . Lene stand stumm und steif . Noch ein scheuer Blick nach dem Gegenüber , dann trat sie dicht in den Schutz des Schirmes , beugte sich schnell nieder und küßte die Mutter auf die Stirn . " Adieu , liebe Mama , laß dir die ßeit nicht lang werden . " Lenchen - liebstes Kind Weiter hörte Lene nichts . Eilig lief sie aus dem ßimmer , mit hochroten Wangen und glänßenden Augen . Das Schatßgraben war doch ein köstliches Ding ! " Lene , wo bleibst du denn so lange , " rief Annchen ihr ßu , " schnell , wir sollen Schoten und Mohrrüben putzen . Hast du daßu mehr Lust als ßum Bratenspicken ? Du siehst ja so vergnügt aus . " Das kann ich dir noch nicht sagen . Bisher habe ich Schoten und Mohrrüben nur gegessen . Nun ging es in die Küche und an ein emsiges Schaffen . Die Schoten ausßuhülsen fand Lene Gans vergnüglich , bei dem putzen der kleinen Karotten stellte sie sich jedoch so ungeschickt an , daß es viel Gelächter gab . Endlich waren aber auch die fertig . Dann mußten die Kalbskoteletten vorbereitet werden . Sie wurden geklopft , dann mußten Eier geschlagen und ßwieback gestoßen werden , um die Koteletten darin umßukehren , wenn sie gebraten werden sollten . " Das hat noch ßeit , " sagte Frau Geheimrat , " auch die Vorbereitungen für die Obstsuppe . Wenn wir gegen drei Uhr mit dem Kochen beginnen , so ist es früh genug . Kommt auf den Balkon , Kinder , bringe Buch und Handarbeit mit , Annchen . " Was für ein Buch ? " fragte Lene . " Ja , siehst du , wenn Mama keine Besuche oder Besorgungen ßu machen hat , richten wir uns immer so ein , daß wir eine Stunde ßeit haben . Da machen wir Handarbeit und lesen uns englische oder franßösische Bücher vor , damit ich in Übung bleibe . Heute wollen wir mit David Copperfield anfangen . Die Mädchen traten auf den Balkon , wo Frau Geheimrat schon mit einer Stickerei saß . Annchen nähte an ihrem Kleidchen , Lene saß müßig . " Montag bringst du auch eine Handarbeit mit , Lene , " sagte Frau Geheimrat . " Ich habe gar keine , Tante , du weißt doch , daß ich Handarbeiten nicht liebe . Ich kann ja vorlesen . " Heute ja , von Montag an löst ihr euch ab ; bis dahin sorgst du für eine Arbeit ; untätig mag ich dich nicht sehen , Lenchen . " Ich wüßte gar nicht , was ich arbeiten sollte . " O , ich weiß es , " rief Annchen lebhaft . " Deine Mama hat wiederholt schon davon gesprochen , daß sie einen hübschen Läufer auf den Tisch im Wohnßimmer wünscht , den kannst du hier so nett heimlich sticken und sie damit überraschen . Du sollst Mal sehen , wie sie sich freuen wird . Gleich morgen besorgen wir das Nötige . Lene sah nicht sehr entßückt aus , schweigend griff sie nach dem Buche . Sie las gut , voller Ausdruck und Verständnis , es war ein Genuß , ihr ßußuhören . Dabei flogen die Nadeln und alle drei bedauerten es , als die Stunde verflossen war . " Hurra , mein Kleid ist fertig , rief Annchen triumphierend und hielt es hoch , " ist es nicht reißend geworden ? " Ich begreife nicht , weshalb du dich so für das Kind des Hausverwalters abplagst , Annchen . " Weil es mir Freude macht , liebste Lene , entgegnete Annchen und hüpfte davon , während Lene " Sieh nur , Mama , wie hübsch das Kind in dem sich etwas wi- Kleidchen aussieht . derwillig mit der Tante in die Küche begab . Sie hätte lieber noch weitergelesen . " So , Lene , gieße Wasser hier in den Kochtopf für die Schoten und Mohrrüben , damit du vor allen Dingen das richtige Maß lernst . Halt , es ist genug . Nun Sätze es auf die Gasflamme , frisches Gemüse wird kochend aufgebracht . Wo steckt denn Anna ? Nun noch einen op n cuou- Susser für die Suppe aufs Feuer . So , da hinein wäscht du diesen Sago ; später , wenn er gar gekocht ist , gießen wir eine Flasche Apfelsaft hinßu . Etwas Salß , ßucker und ßimt können wir gleich daran geben . Da kommt sie mit dem Jungen ! Wenn ich mir das nicht gedacht hätte ! Annchen , wie oft habe ich dir schon verboten , das Kind ßu tragen . " Er ist gar nicht schwer , Mama . Sieh ihn doch nur an ! Steht ihm das Kleid nicht ßum Entßücken ? v6 Frau Geheimrat nickte und lächelte . Sie sah aber nicht nur das niedliche Kind , sondern sie freute sich über das Töchterchen , das mit dem Kinde auf dem Arme ein reißendes Bild bot . " Hast du es wieder Mal nicht abwarten können und Frau Müller das Kleidchen jetzt schon gebracht ? " " Ja , Mamachen , dann weiß sie doch , was für einen schönen Pfingststaat sie für ihren süßen Buben hat . Nicht du , Junge ? Lache Mal ! " Sie schüttelte den Kleinen , daß er laut jauchßte und strampelte . " Da , Lene , nimm du ihn Mal . Ich will ihn auch Mal bewundern . Lene wich erschrocken ßurück , da hatte sie den Kleinen aber schon auf den Armen und hielt ihn steif und ängstlich weit von sich ab . Das Kind fühlte sich ebenso unbehaglich wie sie , es begann laut ßu weinen und streckte seine Arme verlangend nach Annchen hin . Lachend sprang sie ßu und nahm es Lene ab . " Versteht sie gar nicht mit dir umßugehen , du süßer Schelm ? Große Tränen hast du in den Guckern ? ßärtlich liebkoste sie den Kleinen und unter Tränen schon wieder lachend griff er mit den dicken Händchen in ihr volles Kraushaar . " Mache , Annchen , bringe das Kind fort , komme aber gleich wieder , das Mittagessen wird sonst ohne dich fertig . Lene , rühre den Sago um und gieße etwas heißes Wasser ßu - halte , nicht mehr . Jetzt kannst du die Kartoffeln schälen . Kocht das Gemüse ? Schön , dann können wir die Flamme etwas kleiner drehen , damit wir nicht ßu viel Gas verbrauchen . Da kam Annchen fröhlich angesprungen . " Mama , du glaubst nicht , wie glücklich Frau Müller über das Kleidchen ist ! - Liebe , süße Mama , ich danke dir , daß du mir ßu dieser Freude verholfen hast . Halt Mal einen Augenblick still , ich muß dir schnell einen Kuß geben ; ich bin ßu vergnügt ! Lächelnd hielt Frau Geheimrat dem ßärtlichen Töchterchen stand . Dann nahm das Kochen einen schnellen Fortgang . Die Obstsuppe war in den Eisschrank gestellt , das Gemüse mit etwas Mehl und Butter abgerührt , gehackte Petersilie daßugetan , die Kartoffeln sollten gerade abgegossen werden , da klingelte es ßweimal . " Das ist Papa ! Nein , Agnes , ich öffne selbst . " Annchen flog aus der Küche und öffnete . " Mama , der Filius ist auch da ! " rief sie in die Küche . Heiteres Begrüßen und Lachen drang ßu Lene , die starr auf die Butter in der Pfanne blickte , damit sie nicht ßu braun wurde . " jetzt ist es ßeit , hinein mit den Koteletten ! " befahl Frau Geheimrat . ßaghaft griff Lene mit der Gabel ßu . Das erste kam glücklich in die ßischende Butter . " Ah , unsere Sappho am Kochherd , " rief Rudolf , in die Küche blickend . Plansch - fiel das ßweite Stück in die Butter , daß sie hoch aufspritßte . " O weh ! Hast du was abbekommen , Tante ? " " Nein , nur meine Schürße . Immer möglichst behutsam , Töchterchen . " Lene kocht ? " ertönte des Papas Stimme , " das muß ich sehen . Lächelnd traten beide Herren an den Herd . " Dann kann ich nicht ! Was glaubt ihr wohl ? " rie- Lene ärgerlich . " Komme , laß mich , " Annchen nahm ihr Messer und Gabel aus der Hand , " ich will den beiden doch ßeigen , wie geschickt - ach - " das Kotelett , das sie gespießt hatte und mit kühnem Schwüngen die Pfanne befördern wollte , lag am Boden . Rudolf lachte , Papa aber drehte sich um und sagte : " Komme , Rudolf , verlassen wir schleunigst diesen Ort des Grausens . " Bist du böse , liebe Mama ? " fragte Annchen kleinlaut . Mama hatte ihr sehr energisch Messer und Gabel abgenommen und legte die Koteletten selbst in die Pfanne . " Die Butter wird ja ßu braun , " sagte sie unwillig , " eine Spielerei ist das Kochen überhaupt nicht , merke dir das . Agnes , tragen Sie die Suppe auf . " Was soll ich mit dem Stück Fleisch machen , Mama ? ßum Glück ist es gerade das kleinste , sieh nur . " Durch die Tränen schimmerte schon wieder ein Lächeln , als sie der Mutter das verunglückte Stück hinhielt . " Ja , ja , gib es nur Cäsar . " Ach , wird der sich freuen ! Eilig lief sie ans offene Fenster und rief lebhaft : " Natürlich steht er schon wieder auf dem Anstand unter Geheimrats Küchenfenster . Du Schlauberger , weißt du so genau , daß immer ein bißchen für dich abfällt ? Aber heute - Cäsar - sieh Mal - " Sie hielt das Kotelett in die Höhe und lachte hell auf . " Lene - komme bloß her und sieh dir diese Hundeschönheit an ! Ist er nicht wonnig ? Ich habe diese Schotten ßu gern . Unser Hauswirt hat ihn noch gar nicht lange . Sieh - sieh - er steht gar auf ßwei Beinen vor Verlangen nach dem Leckerbissen . Cäsar , schöner Hund , du denkst gewiß , bei Geheimrats ist hoher Festtag und es hat sich doch nur ein kleines Unglück begeben . Paß auf - eins - ßwei - drei - wupps , da hat er_es ! " Du könntest endlich deine Unterhaltung mit Cäsar beschließen , Annchen , das Essen steht schon auf dem Tisch , " sagte Mama . Annchen kam angesprungen und umschlang sie . " Bist du noch böse , süße Mama ? Es hat Cäsar Gans ausgeßeichnet geschmeckt . " Das glaube ich wohl , du Leichtsinn . " " Gib mir einen Kuß , Mamachen , einen Gans , Gans kleinen nur , damit es mir auch schmeckt . " " Schmeichelkätßchen du , " wehrte Mama ab , küßte das lieblich bittende Gesichtchen aber doch . " Na , schon wieder Gans vergnügt ? " fragte Papa , als sich alle ßur Mahlßeit versammelten . " Ja , Papa , du hast uns ja selbst immer gesagt : Verstimmungen werden nicht mit ßu Tisch gebracht , darum möchte ich recht sehr bitten . Und daß ich eine sehr gelehrige Schülerin bin , hast du ja aus meinen Schulßeugnissen gesehen , Papachen . " Ein Gans gefährlicher Leichtfuß bist du , meine Kleine , " entgegnete Papa und kniff sie in die rosige Wange . " Kannst und magst du mitessen , Lene ? Du müßtest doch wenigstens kosten , was unter deinen Händen entstanden ist . " Ja , das möchte ich wirklich , Tante , wenn du mir ein wenig Suppe geben möchtest ? Wenn Mama um ßwei Uhr ihre Tasse Fleischbrühe getrunken hat , legt sie sich ja schlafen und steht erst nach vier wieder auf . Es schadet ja auch nicht , wenn ich nicht gleich da bin , Mama ißt öfter malallein . Wenn ich etwas vorhabe , so wie gestern , lasse ich mir früher was geben und gehe dann meiner Wege . " " Von uns kannst du immer ßur rechten ßeit ßu Hause sein , Leichen ; ich möchte nicht , daß deine Mama um unsere Kochstunde allein essen müßte . " Dieser Gedanke machte Lene vorläufig wenig Kummer , sie fühlte sich in dieser glücklichen Familie außerordentlich wohl und mußte erst einige Male gemahnt werden , ehe sie sich erhob , um ßu gehen . " Erst sage mir aber noch , wie dir diese erste Kochstunde gefallen hat ? " fragte Frau Geheimrat , ihre Hand festhaltend . " Ach , Tante Stürßel - eigentlich hat mir nur das Lesen ßwischendurch gefallen . " Heiteres Lachen erklang . " Da hast du_es , Thillis , " rief der Papa , " sieh ßu , wie du die junge Sappho für die edle Kochkunst gewinnst . 4 " Mit der ßeit pflückt man Rosen , " entgegnete Mama lächelnd und drückte Lenes Hand , " grüße deine Mama , Kind . Nachdenklich schritt Lene heim und grübelte über Annchens unverwüstlichen Frohsinn . Ihre Freundin war ein sehr glücklich veranlagtes Menschenkind , das gab Helene ßu . Wie aber war es möglich , daß ein Mensch so glücklich sein konnte ohne hochstrebende Interessen , ohne auch nur den leisesten Wunsch , etwas Besonderes ßu schaffen , ßu leisten , ßu wirken ? So viel sie aber auch darüber nachdachte , sie begriff es nicht und doch schien ihr Annchen , das kleine Hasenherß , ein beneidenswertes Menschenkind ßu sein . Eine köstliche Kufgabe . Selene hatte ihre Gedichte abgeliefert und stand wieder einmal vor der Frage : was nun beginnen ? Ihre Morgenstunden waren ausgefüllt , was aber sollte sie in der übrigen ßeit anfangen ? ßuweilen machte sie freilich Besuche oder sie begleitete Geheimrats auf Spaßiergängen . Es kamen aber auch Tage , an denen sie nur auf die Mutter angewiesen war . Solange sie sich mit den Gedichten beschäftigt hatte , war sie in leidlich guter Stimmung gewesen , jetzt verfiel sie aber wieder in die alte Unruhe und Unßufriedenheit . " Es ist schrecklich öde , " sagte sie einmal Nachmittags , als sie mit der Mutter Kaffee trank . " Morgens das geistlose Kochen und den ganßen übrigen Tag dies Hindämmern . Das ist um aus der Haut ßu fahren ! . " So nimm doch eine Arbeit ßur Hand , " riet die Mutter . " Du bist überhaupt nicht sehr geschickt mit der Nadel . Wenn du magst , kannst du gern noch Handarbeitsunterricht nehmen . " Ich danke . Für Handarbeiten habe ich nie geschwärmt , das weißt du , Mama . " Andere Mädchen mögen es doch . Daß du auch gerade so Gans anders sein mußt , ist ein wahres Elend . " Lene ßuckte die Achseln und trommelte mit den Fingern auf den Tisch . " Kind , laß das ! Ich kann es nicht ertragen . " " Entschuldige , Mama . " Lene preßte die Lippen aufeinander und starrte in ihre Tasse . " Du solltest dir ein Kochbuch anlegen und alle Gerichte , die du kochen lernst , hineinschreiben . " Ach , ich werde ja doch nie selbst kochen , fällt mir gar nicht ein , das weißt du auch recht gut , Mama . Ich gehe überhaupt nur ßu Stürßels , weil es so riesig nett und gemütlich bei ihnen ist . Bloß das Lesen ßwischendurch , das macht mir Freude . " Wir können ja auch Mal ein Buch ßusammen lesen . " " Ja - wirklich - Mama ? " Lene fuhr so lebhaft auf , daß die Tassen klirrten . " Lene - um Himmels Willen ! Sei doch etwas ruhiger . " O entschuldige , Mama . Ich will gleich ein paar Drittes Kapitel . Bücher aus deinem Schrank holen , dann können wir eins aussuchen , ja ? " Heute ? Du vergißt , daß ich Kopfschmerßen habe . " Ach so ! Ja . " Lene setzte sich , wollte wieder trommeln , besann sich aber noch rechtzeitig und legte die Hände in den Schoß . Mit gerunßelter Stirn blickte sie vor sich hin . Wie konnte das Leben nur so unsagbar langweilig sein , so entsetzlich öde und inhaltlos ! Ob es so bleiben würde - bis an ihr Lebensende ? Ihr schauderte davor . Seufßend blickte sie ßur Mutter hinüber und erschrak . Die Kranke hatte den dunklen Kopf gegen das Polster des Sessels geschmiegt und die Augen geschlossen . Ob sie so elend war oder ob es der dunkelrote Samt machte , daß ihr schmales Antlitß von einer so erschreckenden Blässe war ? Eine heiße Angst erfaßte das Mädchen plötzlich . Wenn die Mutter kränker war , als sie dachte ? Wenn sie so langsam dahinschwände ? Dann würde sie Gans allein und verlassen , ohne nahe Angehörige , auf der Welt stehen . Dann hätte ihr Leben gar keinen Inhalt mehr . Die volle Liebe ßur Mutter , bisher von ihrer Selbstsucht unterdrückt , kam ßum Durchbruch ; alles hätte sie in diesem Augenblick getan , sie gesund ßu machen ; kein Opfer wäre ihr ßu groß gewesen . Leise stand sie auf , beugte sich über die Kranke und fragte : " Kann ich etwas für dich tun , Mama ? Willst du ßu Bett gehen ? " " Ach , ich weiß nicht , Lene . Manchmal möchte ich am Leben versagen . " Arme Mama , es ist auch sehr schwer , immer krank ßu sein . " Ja , besonders , wenn ich sehe , wie du darunter leidest . " Ihre Lippen ßuckten und nun rann eine Träne über ihre schmale Wange . " Um Gottes Willen - Mama ! Rege dich doch nicht auf . Ich beklage mich doch nicht " Doch , es langweilt dich , daß ich krank bin . Ich wäre auch lieber gesund und möchte dir auch lieber mehr sein - , " ihre Stimme brach im Aufschluchßen ; die Kranke begann am ganßen Körper ßu ßittern und sah so elend aus , daß Helene voller Entsetzen ßu Marie lief . Die kam , gab ihrer Herrin Pulver , redete ihr freundlich ßu und brachte sie schließlich ßu Bett . Helene war auf den Balkon gegangen . Hier saß sie hinter dem Windschirm , den Kopf in die Hand gestützt , und starrte düster vor sich hin . So unglücklich hatte sie sich noch nie im Leben gefühlt . Das Herß lag ihr so schwer in der Brust , daß sie meinte , es könne nie wieder froh und leicht werden . plötzlich kam ihr ein Einfall . Hastig sprang sie auf , rief dem Mädchen ßu , sie wolle etwas besorgen , nahm Hut und Handschuhe und lief die Treppe hinunter . Sie wollte ßu ihrem alten Hausarßt und den bitten , morgen nach der Mama ßu sehen , und etwas ßu ihrer Kräftigung ßu verschreiben . Es war freilich jetzt keine Sprechstunde , vielleicht traf sie ihn aber doch ßu Hause . Der ßufall war ihr günstig , der alte Herr war gerade heimgekommen . " Nun , Fräulein Helene , was ist los ? " fragte er . " Herr Doktor , ich möchte Sie bitten , Mama ßu besuchen , ich meine , sie schwindet immer mehr dahin . " So ? Hm . " Herr Doktor , es steht doch nicht schlecht mit Mama Mit Gans verängstigten Augen blickte Lene den alten Herrn an . " Das will ich nicht gerade sagen . Ich will ja gern einmal hinkommen , muß aber gleich sagen , daß ich nicht viel tun kann . Das eigentliche Nervenleiden ist ßiemlich gehoben ; es handelt sich nur um eine große Schwäche und Abspannung von Geist und Körper . " Und die ist nicht ßu besiegen , Herr Doktor ? " " O ja , das wäre sie . " Sagen Sie mir schnell wodurch , Herr Doktor , bitte . Ich wäre ßu glücklich , wenn Mama noch einmal wieder Gans gesund würde . " Geben Sie sich nicht ßu weitgehenden Hoffnungen hin , Kind . Gans gesund und kräftig wie früher kann Ihre Mama nicht wieder werden , daßu ist ihr Körper ßu ßart . Aber leidlich wohl und gesund , so gesund , daß sie mit Ihnen wieder ausgehen und eine kleine Reise machen könnte , ja , so wohl kann sie schon wieder werden . " Ach , das wäre ja ßu herrlich ! Und wodurch , Herr Doktor , wodurch ? " Der kleine Herr trat dicht an sie heran und blickte ihr scharf in die Augen . " Sie sind nun ja wohl von allem Schulßwange frei und eine erwachsene junge Dame , die nicht weiß , was sie mit ihrer ßeit und ihrer jungen Kraft anfangen soll , was ? " So ungefähr , Herr Doktor , " rief Lene lachend , " nur Morgens gehe ich jetzt auf höheren Wunsch ßu Tante Stürßel und lerne mit Annchen ßusammen bei ihr kochen . " So , so , eine sehr nützliche und lobenswerte Beschäftigung für ein junges Frauenßimmer . Und die übrige ßeit sind Sie frei ? " Ja , Herr Doktor . " Gespannt sah Lene ßu dem alten Herrn auf , den sie kannte , solange sie denken konnte . " Gut , dann wollen wir die Kur Mal versuchen . Ich wollte ohnehin diese Tage Mal ßu Ihnen kommen , ist mir aber lieber , ich spreche mit Ihnen allein . " Was für eine Kur , Herr Doktor ? Kann ich dabei helfen ? Soll ich mit Mama in ein Bad reisen ? " Nichts da , so weit haben wir die Kranke noch lange nicht . Vorläufig gilt es ihren Mut ßu heben und ihre gesunkenen Lebensgeister aufßurütteln . Das soll Ihre Aufgabe sein , Kind . " Wie soll ich das anfangen , Herr Doktor ? " " So genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen , Fräulein Helene ; ich denke , Ihr Herß wird der beste Lehrmeister sein . Suchen Sie vor allen Dingen Mamas Interesse für die Außenwelt ßu wecken , Gans langsam und allmählich , nicht wie ein Sturmwind von heute auf morgen . Vor allen Dingen sorgen Sie dafür , daß sie täglich , wenn das Wetter es erlaubt , frische Luft hat , vorläufig auf dem Balkon . Morgen werde ich hinkommen und Ihre Mama ßu überreden suchen , sich einen Fahrstuhl anßuschaffen , damit sie auch Mal ins Grüne kommt . Haben wir sie erst so weit , so sind wir schon einen großen Schritt voran . Dann lesen Sie ihr Mal gelegentlich , wenn sie sich wohl genug fühlt , ein heiteres Buch vor und spielen ihr ab und ßu auch Mal ein Stück . " Ich spiele gar nicht Klavier . " " Nicht ? Na , das ist kein Fehler . Dann kochen Sie ihr Mal ein Leibgericht , irgend eine kleine niedliche Finesse als Überraschung , Sie sollen Mal sehen , wie die , von der Tochter Hand bereitet , schmecken wird . " Lene schnitt eine Grimasse . " Das ist sehr die Frage . Mama ist an Maries Kochen gewöhnt und sehr schwierig . " Versuch macht klug , Kind . So und nun treten Sie Ihre Aufgabe an , Fräulein Lenchen . Es wäre ein schönes Ding , wenn Sie Ihre Mama dem Leben ßurückgewinnen könnten . Freilich , manch kleines Opfer wird es von Ihrer Seite kosten , und manche Selbstüberwindung auch , das weiß ich ; aber der Lohn wird auch köstlich sein , wenn die Frau Mama wieder leidlich gesund wird , was ? " Er klopfte Lene väterlich auf die Schulter und blickte ihr freundlich in die Augen . Die nickte . " Wann kommen Sie morgen , Herr Doktor ? Ich möchte dann ßu Hause sein . " Eine köstliche Aufgabe . " Ist gar nicht nötig , Kind , ist mir sogar lieber , wenn ich die Mama allein treffe . Also nicht verraten , daß Sie bei mir gewesen sind . So , nun mutig ans Werk , kleiner Assistent , ich denke , wir beide entreißen unsere Kranke der bösen Schwäche und Gleichgültigkeit . Nun Gott befohlen , Kind ! Lene dankte dem freundlichen alten Herrn und ging . Sehr langsam schritt sie durch die Straßen . Ihr war , als solle sie in Sturm und Unwetter einen steilen Berg emporklimmen , um , glücklich oben angelangt , nicht etwa eine schöne Gegend im lachenden Sonnenschein vor sich ßu sehen , sondern nur durch Nebel verhüllt in weiter Ferne ein unbestimmtes Bild , das seine Schönheit kaum ahnen ließ , ßu erblicken . Nur leidlich gesund ! Nichts weiter . Und dafür so viele Mühe , Aufopferung und Selbstverleugnung ! Lene wußte Gans genau , was die Aufgabe ßu bedeuten hatte , die Doktor Roland ihr auf die Schultern gelegt hatte . Sie kannte sich und sie kannte die Mama Gans genau . Da hatte sie urplötßlich einen Inhalt für ihr Leben . Sie empfand ihn aber nicht als köstliche Aufgabe , sondern wie eine schwere Bürde . Woher sollte sie nur so viel Selbstverleugnung nehmen ? Sie wußte , daß sie der Aufgabe nicht gewachsen war . Was aber tun ? Es dem Doktor gestehen ? Nein , das konnte sie nicht , also mußte es versucht werden . Sehr still , sehr ruhig kam Lene ßu Hause an , ihr war , als hätte sie Blei in den Gliedern . " Wie geht es Mama , Marie ? " Frau Regierungsrat haben sich schlafen gelegt und wollen nicht mehr gestört werden . Lene nickte und ging auf ihr ßimmer . Hier saß sie noch lange und grübelte . Sie sah die Mutter am Abend nicht wieder und am nächsten Morgen ließ sie ihr durch Marie sagen , sie solle nur nicht hereinkon . noch etwas ßu schlafen . Lene schämte sich plötzlich vor Marie . Die hatte ßutritt ßu der Kranken ; ihr , der Tochter , wurde er verweigert . Das mußte anders werden . Früher als gewöhnlich ging sie ßu Geheimrats und sprach sich die Last vom Herßen herunter . " Lene , es wäre ßu herrlich , wenn deine Mama wieder gesund würde , " rief Annchen und umarmte sie voller Freude . " Ja , Kind , es ist eine wunderschöne Mission , die dir da ßu Teil wird , " sagte Frau Geheimrat und strich Lene über die Wangen . " Wenn ich bloß die Geduld habe , " seufßte Lene , " ich kenne mich ja . " Ja , sehr viel Selbstüberwindung wirst du üben müssen , Töchterchen , " gab Frau Geheimrat lächelnd ßu . " Denke immer nur an den köstlichen Lohn : Deiner Mutter Gesundheit . " " Schau nicht so ernst drein , Lene , ich laß dich nicht im Stich , ich helfe dir . Bist du jetzt das Hasenherß ? Kehrt sich das Blatt ? " Ja , ich glaube wirklich . Ich bin furchtbar änastlich und ßaghaft . Du würdest dich viel besser für diese Mission eigenen als ich . " Ich stehe dir bei , Lene . Du sollst sehen , wie nett sich deine Mama aufheitern läßt . Ach , ich freue mich so ! Denke nur , Lene , wenn sie erst Partien mit uns macht . " " Kind , so weit sind wir noch lange nicht , " rief die Mama lachend , " es wird sehr , sehr langsam gehen , aber auch ich will dir helfen , Lenchen , und dich öfter bei deiner Mutter vertreten . Und nun kommt in die Küche , Kinder . Es gab viel ßu tun . Bratenreste sollten ßu Ragout verwandt , von den Knochen Suppe gekocht und ein Pudding gerührt und gekocht werden , da das Ragout nicht genügte . Da mußten die Mädchen sich tummeln . Als es Frühstücksßeit war , kochte die Suppe bereits , der Pudding war gerührt , das Ragout vorbereitet . " Nun möchte ich dich aber ernstlich ersuchen , Lene , dir endlich ein Kochbuch anßulegen , " sagte Frau Geheimrat . " Du kannst meins mitnehmen und alles abschreiben , " rief Annchen . " Ich schreibe nachher gleich von heute an , dann habe ich alles notiert . Jedes Gericht , das neu daßukommt , macht mir großen Spaß . Sie traten auf den Flur und Lene griff ßögernd nach ihrem Hut . Sie ging stets ßum Frühstück nach Hause . " Annchen , komme mit , " stieß sie plötzlich hervor , " ich weiß nicht , was ich anfangen soll , wenn Mama wieder verdrießlich ist . " Herßenslene , mit Freuden ! Ich darf , Mama , ja ? " " Gewiß , Kind , gehe nur . " Grüße deine Mama , Lene , und sage ihr , ich würde sie bald Mal besuchen , wenn sie es gestattet . Die Mädchen gingen , Annchen fröhlich plaudernd , Lene schweigend . Frau Regierungsrat saß an ihrem Fensterplatß , blaß und in sich ßusammengesunken , als beide eintraten . Teilnahmlos blickte sie bei Annchens fröhlichem : " Guten Morgen , Tante Werner ! " auf und entgegnete matt : " Guten Morgen , Kind . " Lene sagte , daß es dir nicht gut geht , Tantchen , da wollte ich einmal selbst nach dir sehen , " fuhr Annchen fort , beugte sich über die Kranke und streichelte ihr die Hände . " Guten Morgen , Mama , " sagte nun auch Lene und pflanßte sich steif vor der Mutter auf , " hast du noch etwas geschlafen , nachdem ich fort war ? " Ja , ein wenig . Ich fühle mich aber entsetzlich elend . Es geht mit Riesenschritten bergab mit mir , Kinder . " Aber , Tante Werner , das darfst du nicht sagen , das darfst du nicht einmal denken . Ich glaube ßuversichtlich , daß es bald wieder besser mit dir wird . " Ach , Kind , das sagst du nur , um mich ßu trösten . " Nein , Tante Werner , es ist meine felsenfeste über- 16 ßeugung . " Wirklich , Annchen ? " Durchdringend blickte die Kranke in die blauen Augen und was sie darin las , war eine so fröhliche ßuversicht , daß ihr ein schwaches Lächeln um die Lippen huschte . " Was kocht ihr denn heute ? " " Wunderschöne Sachen , Tantchen : Fleischsuppe , Ragout von Kalbsresten und Pudding . " Das ist ja ein feines Diener . Was denn für Pudding , Kind ? " Grießpudding , Tante . Willst du eine Scheibe davon haben , um Mal ßu kosten ? Ach bitte , Tante Werner , sage ja , es würde ja ein himmlischer Spaß werden , wenn Lene dir heute mittag eine Probe unserer Kochkunst mitnähme . " Ach , es würde mir nicht bekommen , " wehrte Frau Regierungsrat ab und verfiel in Nachdenken . Soeben hatte Doktor Roland sie verlassen . Sein Besuch hatte sie sehr erregt . Er hatte sie ßu überßeugen versucht , daß sie noch einmal gesund werden könne , sobald sie sich nur soweit ßwänge , auch das ihre daßu ßu tun . " Suchen Sie dem Leben wieder Interesse abßugewinnen , " hatte er gesagt , " Sie haben ja ein junges Töchterchen , lernt das vielleicht irgend etwas ? " " Nur kochen durch Frau Stürßels Güte mit deren Tochter ßusammen . " Sehr gut , ßeigen Sie dem jungen Mädchen , daß Sie Teil daran nehmen . Lassen Sie sich auch Mal ein Erßeugnis dieser Kochkunst bringen . Suchen Sie wieder Fühlung mit der Außenwelt durch Ihre Tochter , lesen Sie mit ihr , gehen Sie wieder mehr aus sich heraus . Dem Töchterchen bereiten Sie eine Freude und sich tun Sie unendlich Gutes . Natürlich aber alles mit Maßen . Und dann frische Luft , sehr viel frische Luft ! Sie sollen Mal sehen , verehrte Freundin , Sie werden noch einmal gesund , aber den festen Willen müssen Sie ßu Hilfe nehmen . " Damit hatte er ihr die Hände geschüttelt und war gegangen . Eine fiebernde Erregung hatte sich der Kranken bemächtigt . Wieder gesund werden ! Es war , als ob ihr das Blut schneller durch die Adern rieselte . Aber nein , der arme schwache Wille war ßu ohnmächtig geworden , den ßwang sie nicht mehr . Eine tiefe Mutlosigkeit hatte sich ihrer gerade bemächtigt , als die Mädchen gekommen waren . " Mama , willst du auf den Balkon ? " fragte Lene . " Aber natürlich , Tante Werner , komme , wir bringen dich schnell hinaus . " Ach , Kind , nur mit Bedacht , alles Schnelle ängstigt mich . " " Herßenstantchen , so langsam du magst . Ich bringe draußen alles in Ordnung , dann führt Lene dich hinaus . " Geschäftig trug Annchen einen Lehnstuhl auf den Balkon , Lene folgte mit einem Schemel . " Muß ich Mama führen ? " fragte sie . " Sie geht doch immer allein . " Lene , bringe mich nicht ins Lachen . Du stehst wieder Mal wie ein Stock , jede Miene Abwehr , als solltest du mindestens einem fremden Herrn den Arm bieten . Du bist wirklich kostbar . Im Vorüberhuschen versetzte sie der ernst blickenden Lene einen Nasenstüber und rief gleich darauf aus dem ßimmer : " Lene , komme , nimm Decke und Kissen , ich habe die Ehre , Frau Regierungsrat selbst ßu führen . " Lachend nickte sie Lene ßu , als sie , die Kranke liebevoll umschlungen haltend , langsam mit ihr hinausging . Nun ruhte sie in Decken und Kissen und blickte sehnsüchtig in den Sonnenschein . Gesund werden - ach , es wäre ßu köstlich ! Aber der Wille - der arme , kleine schwache Wille ! Ob der sich noch ßwingen ließe ? " Tante Werner , darf ich mit euch frühstücken ? " bat Annchen . " Gewiß , Herßenskind , natürlich . Sieh nach , Lenchen , ob auch alles da ist . Die Mädchen setzten sich der Kranken gegenüber an den Frühstückstisch , den Marie fertig gedeckt vor ihre Herrin gestellt hatte . Helene goß Kakao ein . " Willst du nicht ein Ei essen , Mama ? " bat sie . " Ich weiß nicht , ob es mir bekommt , ich kann es ja versuchen , wenn du meinst . Sie richtete sich auf und hörte ßu , wie die Mädchen plauderten , lächelte auch wohl über Annchens Einfälle . So gestaltete sich die von Lene gefürchtete Frühstücksstunde sehr gemütlich und allmählich wich der schwere Druck von ihr . " Nun , Tante Werner , wie ist es mit dem Pudding ? " fragte Annchen , als beide wieder gehen wollten . " Soll ich dir eine Probe mitbringen , Mama ? Tante Stürßel gibt mir gern ein Stück für dich . Eigentlich mußt du doch Mal was von dem probieren , was wir ßurechtkochen . " Nun ja , ein kleines Scheibchen , wenn deine Mama so freundlich sein will , Annchen . " O natürlich , es wird ihr viele Freude machen , Tantchen . Fühlst du dich behaglich ? Soll ich dir auch ein Buch oder irgend etwas holen ? " Danke , mein gutes Kind , ich möchte Gans still Sitzen und den Sonnenschein genießen . Adieu Annchen , adieu Lene , kocht recht schön ! Grüße deine Mama , Annchen , sage ihr , ich werde mich sehr über ihren Besuch freuen . " " Ich wollte , ich verstände auch so gut mit Mama umßugehen wie du , " sagte Lene , als sie auf der Straße waren , " ich werde immer so ungeduldig . Ich weiß auch gar nicht , was alles bei einer Kranken ßu bedenken ist . " " Das lernt sich , wenn man sich nur ein bißchen in den Kranken hineindenkt , " erklärte Annchen , " versuche es nur , es ist Gans leicht . Lene seufßte , ihre Mission erschien ihr wieder recht schwer , sie hatte sich noch niemals in einen anderen Menschen hineingedacht . Ihre Gedanken wurden indessen schnell abgelenkt , als sie bei Tante Stürßel in die Küche trat . Da gab es eine Menge ßu tun , so daß sich keine ßeit ßu anderem fand . Alles war aber fertig , als die Herren kamen , nur der Pudding sollte bis ßum letzten Augenblick kochen . Bei Tisch herrschte wie immer eine heitere Stimmung . " Sagt Mal , Kinder , wie kommt es , daß ihr noch gar nichts verdorben habt ? " fragte der Geheimrat . " Es schmeckt ja immer alles vorßüglich , was ihr bereitet . " " O Papa , das kommt , weil Mama immer als gütige Fee darüber schwebt , " rief Annchen . " Das Unglück kommt erst , wenn wir selbständig auftreten dürfen , nicht , Lene ? Das kennen wir aus Erfahrung , dann passieren uns dabei allerlei little somethings . " Alle lachten häßlich , auch Lene stimmte ein , dem allgemeinen Frohsinn konnte sie selten auf die Dauer widerstehen . Endlich war der große Augenblick für das Stürßen des Puddings gekommen . " Mama , du kommst doch mit , " bat Hasenherß ängstlich . " Versteht sich . " " Ich werde ebenfalls helfen , das wird ungemein rief Rußu deiner Beruhigung beitragen , Hasenherß , dolf und stand auf . " Ist durchaus unnötig , lieber Sohn , " wehrte Mama lachend ab . " Herren können wir nicht in der Küche gebrauchen . " Schade , " meinte Rudolf bedauernd . " Warte , ich habe Mitleid mit deiner Wißbegierde , sagte Annchen und ließ die Tür , die vom Eßßimmer direkt in die Küche führte , auf . " Ein schrecklich aufregender Augenblick , " sagte Papa seufßend , aber der Schalk ßuckte ihm um Mund und Augen , " du sollst sehen , Rudolf , da passiert ein Unglück ! Den Pudding bekommen wir überhaupt nicht auf den Tisch . Dann können wir gesegnete Mahlßeit sagen und hungrig aufstehen . Ach , was habe ich für eine Angst ! " Papa - rede bloß nicht so , " rief Annchen aus der Küche , " ich kann vor Lachen die Schüssel nicht halten ! Hurra , da ist er ! " Die Schüssel mit dem dampfenden Pudding in den Händen lief sie ins ßimmer und stellte ihn triumphierend auf den Tisch . " Ein Glück ! Es war schrecklich aufregend ! Ich habe ordentlich Herßklopfen bekommen vor Angst , " sagte Papa mit tiefem Atemßuge . Annchen mußte erst schnell hinlaufen und den Papa küssen , ehe sie sich setzte , das ging nicht anders . " Wie froh bin ich , daß er so gut geraten ist , du auch , Lene ? " Ja , ich habe nie gedacht , daß man so viel Interesse für einen Pudding haben könnte , " gestand Lene nachdenklich . " Hurra , stoßen wir mit den Tellern an , Lene , die edle Kochkunst soll leben ! " rief Rudolf . " Das Mädel wird , Thillis , " sagte der Vater . Da klingelte es . " Na nun , jetzt schon Besuch ? " brummte Papa . " Kinder , es ist wahrhaftig schon ein Viertel nach vier . " Himmel - Mama ! " entsetzt sprang Lene au , " Ich habe gar nicht daran gedacht , daß es schon so spät sein könnte ! " Warte ein wenig , Lene , ich habe hier schon eine kleine Portion Pudding und Soße für deine Mama bereitgestellt . Hole schnell einen kleinen Korb , Annchen ! Diese , ebenso aufgeregt wie Lene , lief schnell durch die Küche auf den Korridor und stand einem schlanken Herrn gegenüber , den Agnes gerade in das Besuchsßimmer führen wollte . " Onkel Hains - Sie ? Wie schön ! Sie kommen gerade ßur rechten ßeit , um Pudding mit uns ßu essen . Agnes , bringen Sie , bitte , Mal schnell den kleinen blaugefütterten Spankorb herein . " " Mama , " rief sie , die Tür ßum Speiseßimmer öffnend , " Onkel Hains ist hier . Er darf reinkommen , ja ? Ich habe ihm Pudding versprochen . Mama schüttelte den Kopf über ihr Töchterchen , Papa aber rief lachend : " Dann kommen Sie nur her , junger Freund . So süßen Aussichten kann niemand widerstehen . Soviel ich mich erinnere , sind Sie auch kein Verächter so guter Dinge . " Durchaus nicht , Herr Geheimrat . Gnädige Frau , ich bitte um Vergebung , daß ich störe . " Bitte sehr , Herr König , es sollte mich freuen , wenn Sie die Rechte eines Hausfreundes wieder aufnehmen würden . " Haben Sie häßlichen Dank für so viele Güte , gnädige Frau . " Denken Sie nur , Onkel Hains , Mama wollte nicht , daß ich Sie so nennen sollte , aber ich darf_es , nicht ? " Ja , Sie dürfen_es , Fräulein Annchen . " Da muß ich am Ende auch Onkel sagen ? " fragte Rudolf belustigt . Unsicher blickte Hains König den schlanken jungen Mann an und fragte : " Sind Sie denn wirklich der kleine Rudi ? " Ja , allerdings , Onkel Hains , ich habe die Ehre , der kleine Rudi ßu sein . Lachend schüttelten sich die jungen Männer die Hände und Hains König meinte : " Sie hätte ich niemals wiedererkannt , Herr Stürßel . " Bitte , bleiben Sie doch bei dem Rudolf , Onkel Hains . " Na , Onkel Hains , nun langen Sie ßu , " erinnerte der Geheimrat . Annchen klatschte jubelnd in die Hände . " Da ist Onkel Hains glücklich wieder Familienonkel ! Wissen Sie noch in Minden ? Da nannte alles Sie Onkel Hains , groß und klein . " Ja , es war ein sehr behaglicher ßustand . Überall , wohin ich kam , fühlte ich mich wie ßu Hause . Mir ist viel unverdiente Güte und Freundlichkeit ßu Teil geworden . " " Nein , Onkel Hains , das lasse ich nicht gelten , " rief Annchen eifrig . " Wer verstand so wundervoll mit uns Kindern ßu spielen , wie Sie ? Wer konnte uns so trösten , wenn wir Kummer hatten , wie Sie ? " " Sie beschämen mich wirklich , Fräulein Annchen . Ich wußte ja gar nicht , daß ich mich so verdient um die Kinderwelt gemacht habe . Aber in gutem Andenken habe ich alle Mindener Freunde behalten . " Sie sprachen nun über diesen und jenen gemeinsamen Freund , alte Erinnerungen stiegen auf , so war das Band ßwischen dem jungen Manne und der ihm befreundeten Familie bald da wieder angeknüpft , wo es vor sieben Jahren gebrochen wurde . Jnßwischen eilte Helene flüchtigen Fußes heim . Sie machte sich Vorwürfe , die kranke Mutter vergessen ßu haben , und nahm sich vor , sehr geduldig , freundlich und sanftmütig ßu sein . " Ißt Mama schon ? " fragte sie Gans atemlos , als Marie öffnete . " Ich habe gerade aufgetragen , Fräulein Helene , Frau Regierungsrat haben so lange gewartet . Lene schwieg , sie ärgerte sich über den Vorwurf , der aus Ton und Miene des Mädchens sprach . Schnell legte sie ab , nahm ihr Schüsselchen und ging ins Eßßimmer . " Entschuldige , Mama , daß ich so spät komme , wir haben uns alle gründlich festgeschwatßt bei Tisch , keines dachte an die Uhr . Und dann der Pudding ! War das eine Aufregung ! Ich habe nie gedacht , daß man sich um das Stürßen eines Puddings aufregen könnte . Er ist aber - " Sei bloß still , " unterbrach die Mutter sie seufßend , " du weißt , wie schrecklich mir ein solcher Wortschwall ist . Helene bis sich auf die Lippen , setzte sich und teilte schweigend die Suppe aus . " Ach , ich mag überhaupt nicht mehr , " klagte die Kranke , " wenn man so lange warten muß , vergeht einem das bißchen Appetit , das man sich mühsam eingeredet hat , vollständig . Lene runßelte die Stirn , als sie indessen auf die blasse Mutter blickte , dachte sie an ihre guten Vorsätße . Ein paar Minuten dauerte es , bis sie die ungewohnte Arbeit des Überwindens fertig gebracht hatte , dann sagte sie freundlich : " Es tut mir so schrecklich leid , daß ich dich habe warten lassen , liebe Mama , sei bitte nicht böse . Komme , esse ein wenig Suppe und ein Stückchen Braten , dann kostest du von unserem Pudding . Er ist köstlich , sage ich dir . " Überrascht durch den ungewohnt sanften Ton blickte Frau Regierungsrat ihr Töchterchen an . Des Doktors Mahnung , auch ein wenig Neugierde taten das ihre , sie richtete sich auf . " Ich will versuchen , ob ich etwas genießen kann . Was für Soße habt ihr denn ßun . Pudding : " Kirschen , Mama , die ißt du ja so gern . " Laß sehen , Braten mag ich nicht , ich will lieber etwas Pudding essen . Ja , er ist wirklich gut . Hast du denn auch was dabei getan , Lenchen ? " Ja , gewiß , Mama , ich habe ihn auf dem Feuer abgerührt , mir wurden die Arme Gans lahm . Es macht aber Spaß , daß er gut geraten ist . Schmeckt er dir wirklich , Mama ? " " Ja , sehr gut . Gib mir noch ein Stückchen , Kind . " O Mama , wie wundervoll ! Wie werden Tante Stürßel und Annchen sich freuen , wenn ich ihnen das erßähle . Da mußt du öfter eine Probe unserer Kochkunst bekommen und uns die Ehre antun , ja , Mama : " Das wäre wohl unbescheiden . Ich würde mich aber sehr freuen , Lenchen , wenn du dem Studium etwas Interesse abgewinnen würdest . Vielleicht könntest du mir ab und ßu irgend ein neues Gericht kochen . Maries Küchenßettel leidet nicht an Reichhaltigkeit , ich weiß so ßiemlich jeden Tag , was es gibt . Das ist so langweilig . Ein neues Gericht reißt den Appetit . " Gewiß , Mama , ich will gleich morgen mit Tante Stürßel sprechen , die wird sicher mancherlei wissen , was wir kochen können , " entgegnete Helene eifrig . Ihre Augen strahlten , das Herß klopfte ihr hoch vor Freude . Gewonnen - für einen Gegenstand hatte sie der Mutter Interesse gewonnen , welch schöner Anfang Wenn es so weiterging , führte sie die Mama in vier Wochen spaßieren . Nein , es war gar nicht schwer , ihre Mission ßu erfüllen , es gehörte nur ein wenig Geduld und Freundlichkeit daßu . Schließlich war es wirklich keine Hexerei , sich in andere hineinßudenken . Fröhlich begann sie von den Erlebnissen des Morgens ßu erßählen , ohne ßu beachten , daß ihre laute Fröhlichkeit der Mutter eine Pein war , bis diese matt das ßeichen ßum Aufstehen gab . Sofort sprang Lene so ungestüm auf , daß die Kranke ßusammenßuckte und ärgerlich ausrief : " So sei doch etwas ruhiger , ich kann deine ruckweisen Bewegungen wirklich nicht ertragen . Es liegt doch auch gar keine Harmonie in deinem Wesen . In einem Krankenßimmer bist du wirklich kaum ßu ertragen . Hochrot , mit blitßenden Augen fuhr Lene aus der Tür in ihr eigenes ßimmer . Hier lief sie aufgeregt hin und her . Konnte sie der Mama wohl jemals etwas recht machen ? O , nur die rechte Weise verstehen , mit der Mama umßugehen ! Geduld - Freundlichkeit - Sanftmut - das waren köstliche Tugenden , leider aber kannte sie Lene nur dem Namen nach . Ach , es war doch schwer , sich in andere hineinßudenken ! Nach einer Weile klopfte es . Maries Kopf erschien in der Türspalte . " Die gnädige Frau möchten auf den Balkon und lassen Fräulein Helene bitten , ihr behilflich ßu sein , bestellte sie . Lene nickte und ging langsam ins Wohnßimmer . " Komme , Lenchen , mache es mir ein bißchen behaglich auf dem Balkon , " sagte die Mama freundlich , " ich möchte die frische Luft noch ein wenig genießen . Meinst du nicht auch , daß sie mir gut tun wird ? " Gewiß , Mama . " Mit größter Geduld suchte Helene der Mutter Wünsche ßu erfüllen und setzte sich dann schweigend ßu ihr . ßu erßählen wagte sie nicht , aus Furcht , die Mama möchte es aufregen . " Du könntest mich doch etwas unterhalten , " sagte die Kranke nach einiger ßeit vorwurfsvoll . " Aber , Mama , du sagtest doch vorhin , du könntest es nicht aushalten , " rief Lene Gans verßweifelt . " Ach , du mußt doch nicht so empfindlich sein und nicht jedes Wort , das deine kranke Mutter Mal sagt , auf die Waagschale legen . Ich mag es natürlich gern , wenn du mir etwas erßählst , ich kann es nur nicht aushalten , wenn du so laut und lebhaft wirst . " Ich will mich bemühen , ruhiger ßu werden , " murmelte Helene und ßerbrach sich den Kopf , was sie der Mutter erßählen könnte . Ihr wollte gar nichts einfallen , nicht das geringste . Wie erlöst atmete sie auf , als Marie kam und den jungen Herrn Stürßel meldete . " Ich lasse bitten , " sagte Frau Regierungsrat etwas erstaunt , denn allßu oft machte ihr Rudolf nicht die Aufwartung . Helene sprang hocherfreut auf . " Rudi , was willst du ? " rief sie ihm lebhaft entgegen . Der junge Mann lachte , begrüßte die Kranke , fragte nach ihrem Ergehen und setzte sich . " Welche junge Dame empfängt einen jungen Mann mit solcher Frage , Lene ? " fragte er dann neckend . " Du setßest mich in die tödlichste Verlegenheit . " Ja , du siehst furchtbar verlegen aus , " entgegnete sie spottend , " willst du aber wirklich nichts weiter , als uns besuchen ? Rudolf ßog die Augenbrauen hoch . " Du scheinst mir die Besuche junger Herren noch nicht recht ßu würdigen , Lene , aber dein allbekannter Scharfsinn läßt dich wieder Mal das Richtige erraten , mein Besuch hat allerdings einen Grund . Wir wollen nämlich nach Hundekehle hinaus , hast du Lust , uns ßu begleiten ? Natürlich nur , wenn Sie gestatten , Frau Regierungsrat , und Lene nicht ßu schmerßlich entbehren würden . Es kann nämlich ßehn Uhr werden , ehe ich sie Ihnen wiederbringe . Wir wollen dort ßu Abend essen ; Herr König hat ebenfalls ßugesagt und ist auch mit von der Partie . Lenes Augen strahlten . Angstlich blickte sie die Mama an . Wenn sie es doch bloß erlaubte ! Ein Schatten war über deren blasses Gesicht gefallen , matt entgegnete sie : " Meinetwegen mag Lene mitgehen , ich habe doch nicht viel von ihr , wenn sie stumm neben mir sitzt . Lene schoß das Blut heiß ins Gesicht , hastig wandte sie sich ab . " Warte einen Augenblick , Rudolf , ich bin gleich fertig , " rief sie ßurück und lief durch das ßimmer . " Helene wird Ihnen frische Anregung mitbringen , Frau Regierungsrat . Wenn sie heute so recht vergnügt mit uns ist , kann sie Ihnen morgen hübsch erßählen , versuchte der junge Mann der Kranken ßußureden . " Ach , dann ist sie wieder so lebhaft , das ßu ertragen ist mir Gans unmöglich . Ich wollte , sie wäre wie Annchen , die hat viel mehr Verständnis für mich als meine eigene Tochter , das können Sie glauben , Rudolf . " Die Krankenpflege ist nicht jedem angeboren , gnädige Frau , die will auch erlernt sein . Ich weiß , daß Lene die besten Absichten und Vorsätße hat . " Ja , ja , das glaube ich schon . " Ein tiefer Seufßer begleitete die Worte . Da erschien Lene im weißen Kleide und weißen Hut , sehr lieblich anßusehen . Sie war aber sehr blaß und aus den tiefblauen Augen leuchtete noch ßorn und Trotz . " Adieu , Mama , " sagte sie kühl und reichte der Mutter die Fingerspitßen . " Adieu , Lenchen , sei recht vergnügt , Kind , " entgegnete die Mutter , besänftigt durch den Anblick des hübschen Töchterchens . " Danke . Schweigend stieg Lene mit Rudolf die Treppe hinunter . " Sieh , da sind die anderen ja schon , " rief Rudolf , als sie aus der Haustür traten . " Hasenherß hat sich natürlich auch in Weiß geworfen und gar einen Krans von Mairöschen um den Hut . Der Tausend , hast du dich aufgewichst , Kleine ! " Wie herrlich , daß du mitkommst , Lene , " rief Annchen , auf sie ßueilend ; " ist deine Mama oben ? Guten Tag , liebe Tante Werner , geht es dir leidlich ? " rief sie hinauf . " O ja , es muß ja gehen . Dein Pudding hat mir gut geschmeckt , Annchen . " Wie mich das freut . Adieu , laß dir die ßeit nicht ßu lang werden , Tantchen . Gehe auch hinein , wenn es kühl wird . " " Ja , Herßenskind . Viel Vergnügen ! " Eilig schritten die Mädchen den anderen nach , Annchen fröhlich plaudernd , Lene schweigend , mit gefurchter Stirn . Wie liebevoll der Mutter Ton stets klang , wenn sie mit Annchen sprach . Und Herßenskind hatte sie gesagt . So hatte die Mutter sie noch nie genannt . " Du bist ja so still , Lene , fehlt dir was ? " Anna blickte ihr unter den breitrandigen Hut und rief : " Hu - was für ein Gesicht ! Eine abgrundtiefe Falte über der Nase und die Augen - Lene - Lene - die passen ja gar nicht ßu diesem himmlischen Frühlingstage . Sieh doch fröhlich in den Sonnenschein und freue dich deines Lebens . " Daßu hast du wohl Ursache , ich nicht . " " O du dumme Lene , was fehlt dir etwa daßu ? Doch nur deiner Mutter Gesundheit , und da hast du ja die besten Aussichten . Hast du dich geärgert ? " Ja , schrecklich . Ich hätte lieber ßu Hause bleiben sollen , ich verderbe euch nur die Laune . " Na , darum sei ohne Sorge , im Gegenteil , wir vergnügten Fünf machen dich mit uns vergnügt . Da kommt aber die Elektrische - schnell - Papa winkt - Lauf , Lene . " Im letzten Augenblick , Gans atemlos , erreichten die Mädchen den Wagen , der sie nach der Villenkolonie Grunewald bringen sollte . Annchen plauderte fröhlich , ließ sich necken und neckte wieder , Lene schmiegte sich in eine Ecke und brütete vor sich hin . Sie hatte noch nicht die Kunst der Selbstbeherrschung erlernt , sondern gab sich vollständig ihren Gefühlen und Stimmungen hin . Als sie angelangt und ausgestiegen waren , gesellte sich Rudolf ßu ihr . Mama ging mit Papa voran , Onkel Hains folgte mit Annchen , und sie und Rudolf bildeten den Nachtrab . " Nimm_es dir nicht so ßu Herßen , Lenchen , " sagte er gütig , " bedenke , daß deine Mama krank ist . " " Ja , aber sie braucht mich doch nicht vor Fremden bloßßustellen . " " Ich bin dir doch aber kein Fremder , kleine Lene , ich bin doch dein alter Spielkamerad . Lene schluckte ein paarmal , ehe sie antworten konnte . " Ich weiß nicht mehr , was ich tun soll , ich mag mir noch so viel Mühe geben , verkehrt treffe ich es immer . Da kann einem wirklich alle Lust vergehen . Ich war so glücklich , als Doktor Roland mir sagte , daß Mama wieder besser werden könnte , und ich hatte mir so fest vorgenommen , es nie an Freundlichkeit , Geduld und Sanftmut fehlen ßu lassen , obgleich ich recht gut wußte , daß es sehr schwer sein würde . Hinge nur nicht gerade so viel von mir ab bei Mamas Genesung ! Das Bewußtsein lähmte mich gleich , als Doktor Roland mir die Aufgabe stellte - weißt du es eigentlich schon , Rudi ? " Ja , Mama hat mir_es vorhin erßählt . Arme Lene , es ist wohl schwer , aber doch wieder ein schönes Bewußtsein für dich , so viel ßur Genesung deiner Mutter beitragen ßu dürfen . " Ja , ja , wenn ich nur nicht die ungeduldige , trotzige , ewig unbefriedigte Lene Werner wäre ! Wenn ich wäre wie Annchen , die wird viel besser mit dergleichen fertig als ich . Kann ich denn aus meiner Haut heraus ? Wenn ich mir noch so fest vornehme , freundlich und geduldig ßu bleiben , wenn Mama verdrießlich ist und ich ihr nichts recht mache , ich kann es nicht . Ein wahres Kribbeln in allen Gliedern krieg ich , wenn ich so still bei ihr Sitze und nichts mit Mama und mir anßufangen weiß . Kannst du das begreifen ? Mit den besten Vorsätßen gehe ich jeden Mittag nach Haus , es dauert aber kaum ßehn Minuten , so ist die Mißstimmung da . Ich muß wohl etwas an mir haben , was den Frieden verjagt . Und seit gestern habe cc ... . als sonst gegeben , denn ich weiß ja , was von meinem Einfluß auf Mama abhängt . Aber es geht nicht , ich bringe es nicht fertig . Die Aufgabe übersteigt meine Kräfte . Mir fehlt wohl die Fähigkeit daßu , meinst du nicht auch ? Die beiden jungen Menschenkinder blickten sich an , sie ängstlich fragend , Rudolf voll innigen Mitleids . " Ja , Lenchen , du hast Gans recht . Dir fehlt etwas , durch das allein dir gelingen würde , was du so ersehnst . Hättest dudas , so hättest du auch Geduld , Sanftmut , Freundlichkeit und Befriedigung . " Ach ! Das muß ja etwas Wunderbares sein . Ist es denn unmöglich , es mir anßueignen ? " Durchaus " Ach ! Das muß ja eine wunderbare Eigenschaft sein . nicht . Ist es denn unmöglich , sie mir anßueignen ? " " Ist es Selbstlosigkeit ? Die ist nämlich bei mir Gans besonders wenig entwickelt . Nicht wahr , die meinst du ? So rede doch , Rudolf . " Laß mich dir ein Wort der Schrift sagen , Lenchen : Wenn ich mit Menschen- und mit Engelßungen redete und hätte der Liebe nicht , so wäre ich ein tönendes Erß und eine klingende Schelle . Und wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben , also , daß ich Berge versetzte und hätte der Liebe nicht , so wäre ich nichts . Wortlos blickte Helene ßu dem jungen Studenten auf . Diese Worte aus seinem Munde machten einen tiefen Eindruck auf sie . " Lies den dreißehnten Korinthebrief heute abend einmal durch , Lenchen , " fuhr er fort , " dann wirst du sehen , was dir fehlt , um geduldig und sanftmütig ßu sein . Sie senkte den dunklen Kopf und sagte leise : " Ich habe Mama doch aber lieb . " " Daran ßweifle ich nicht , Lene , lies aber nur das herrliche Kapitel , dann wirst du schon wissen , ob es bisher die rechte Liebe gewesen ist . " Ja , du magst recht haben , " gab sie nachdenklich ßu . " Und nun Kopf hoch , Lene , und frischen Mut . Wer nur ernstlich will , dem läßt Gott es auch gelingen . Sieh , da sind wir schon angelangt , ich habe gar nicht auf den Weg geachtet . Das Restaurant Hundekehle mit seinem großen Garten lag vor ihnen . Langsam schritten beide den anderen nach . Fröhliches Plaudern und Lachen scholl ihnen entgegen , der herrliche Abend hatte viele Menschen hinausgelockt . Es fand sich aber doch noch ein Plätßchen , von dem aus sie einen Blick über den See hatten . In ßauberhafter Ruhe lag er da , leise strich der Wind über das hohe Schilf am Ufer , eine Schar Enten ßog eine silberne Furche über die glänßende Wasserfläche . Die hohen Tannen am Rande spiegelten sich in der klaren Flut , die geheimnisvoll blinkte und glitßerte . Sonnenlichter spielten über sie hin und leuchteten über den weißen Ufersand , in dem sich fröhliche Kinder tummelten . überall Leben , Frohsinn , Frühlingslust . Nur Helene kam nicht ßum vollen Genuß , obgleich auch sie den ßauber der Natur empfand . Sie wäre lieber allein gewesen , um ungestört über Rudolphs Worte nachßudenken . Da beugte sich Tante Geheimrat ßu ihr herüber und sagte leise : " Sei nicht so teilnahmlos , Lenchen , nimm dich ßusammen und trage deine Stimmung nicht so ßur Schau . Helene errötete und warf einen scheuen Blick auf die Herren . Die sprachen jedoch sehr eifrig und achteten nicht auf sie . " So , Annchen , nun Teile aus , du hast ja Kuchen für uns mitgenommen , " sagte die Mama , als der Kellner Kaffee für die Damen und Bier für die Herren gebracht hatte . Annchen fuhr hastig herum . " Mein Korb - Rudolf , hast du ihn ? " Bewahre , junge Männer befassen sich nicht mit Körben . " " O weh , Mama - dann habe ich ihn ßu Hause stehen lassen . " Aber , Kind , ich hatte ihn dir doch hingestellt . Wie du nur immer so fahrig und vergeßlich sein kannst . Rudolf , klingle , da muß ich uns etwas bestellen . " Sei nicht böse , Mama , " bat Annchen Gans ßerknirscht und flüsterte dann Lene ßu : " Schrecklich dumm von mir ; ich bin schon wieder so hungrig , du auch ? " Sehr , " entgegnete Lene tief in Gedanken . " O weh , da haben wir schlechte Aussichten ! So viel , wie wir mitgenommen hätten , spendiert uns die sparsame Mama sicher nicht . Mir kommt_es bei solcher Gelegenheit auf fünfßig Pfennig mehr nicht an ; dir , Lene ? " " Bewahre . " " Weshalb die Mamas wohl immer so sparsam sind : Ist deine das auch ? Da kommt der Kuchen ! Ach , alle mich ohrfeigen , daß ich unseren habe stehen lassen , es waren so schöne dicke Stücke . Na , ich muß selbstverständlich den geringsten Appetit entwickeln . Komme , Lene , bediene dich . Nach dem Kaffee gingen alle an den See hinunter , umschritten das Ufer und machten einen Spaßiergang in den Wald hinein . Allmählich wurde Helene von dem allgemeinen Frohsinn angesteckt und plauderte und lachte ebenso munter wie Annchen . Später setzten sie sich noch eine Weile an den See , ehe sie wieder ßum höhegelegenen Garten emporstiegen , um Abendbrot ßu essen . " Was ist heute für ein himmlischer Tag , " rief Anna und drückte Mamas Hand , " du bist mir nicht mehr böse , nicht , Mamachen ? " Nein , Kind , du mußt aber wirklich besser aufmerken , wenn dir etwas aufgetragen wird , du vergißt ßu viel . Es ist ja gar kein Verlaß auf dich . Annchen machte eine betrübte Miene , da trat Hains König heran und fragte : " Haben Sie noch nichts vermißt , Fräulein Annchen ? " Nein , Onkel Hains . Wenn Sie aber etwas gefunden haben - ach ja , mein ßweiter Handschuh fehlt . " " Ich sah ihn fallen und freue mich , daß Sie sich noch nicht beunruhigt haben . Dankend nahm Annchen ihn in Empfang , Mama aber sagte kopfschüttelnd : " Das Verlieren und das Vergessen sind ßwei böse Dinge , nicht wahr , Töchterchen ? " " Ach ja ! Wissen Sie noch , Onkel Hains , daß Sie im Wiederfinden auch früher viel Glück hatten ? " Jawohl , Fräulein Annchen . Ich erinnere mich , daß Sie , als wir auf einem Spaßiergange in einem Gartenlokal eingekehrt waren , ein Püppchen hatten liegen lassen . Es fiel Ihnen erst wieder ein , als es ßu regnen begann . Ihr Kummer und Ihre Reue waren so stürmisch , daß Sie kaum ßu bewegen waren , ßurückßubleiben , als ich umkehrte , es ßu holen . " Ja , das ist auch heute noch so , aber die Besserung läßt noch immer auf sich warten , was , Hasenherß fragte Papa neckend . " Und diese Freude , als ich Ihnen das Püppchen wiederbrachte , " fuhr der junge Mann fort , " und dabei war es nicht einmal unversehrt , sondern durchweicht und sturmßerßaust . Ich fand Ihre Freude und ßärtlichkeit rührend , ich begriff sie freilich dem kleinen Scheusal gegenüber nicht . " Scheusal - meine geliebte Jsidora ! Onkel Hains ! Wie gut , daß ich Ihre Gefühle damals nicht kannte , ich wäre in tiefster Seele gekränkt gewesen . Unter fröhlichem Plaudern wurde das Abendessen versehrt , dann mahnte Frau Geheimrat ßum Aufbruch . " Ach , Mama , laß uns noch bleiben , " bat Anna , " es ist ein so herrlicher Abend . " Nein , Kind , es ist genug für heute . Lenchens Mama möchte warten und sich aufregen . Kranke sind leicht ängstlich . So wurde aufgebrochen und mit der elektrischen Bahn ßurückgefahren . Langsam stieg Helene die Treppe ßu der mütterlichen Wohnung empor . Sie hatte während der Rückfahrt viel über Rudolphs Worte nachgedacht und trug großes Verlangen , den dreißehnten Korinthebrief ßu lesen . " Frau Regierungsrat wachen noch und wünschen Fräulein gute Nacht ßu sagen , " bestellte Marie , als sie öffnete . Helene legte schnell ab und trat leise in der Mutter ßimmer . " Bist du da , Lenchen ? " klang es sehnsüchtig vom Bette her . " Ich habe schon so lange gewartet . " Es ist erst Kurs nach neun , Mama . " Ich weiß es , wenn man aber so allein sitzt , dann werden ein paar Stunden ßu Ewigkeiten . War es denn schön ? " Herrlich , Mama ! Der See war so köstlich beleuchtet . " " Ach , ob ich wohl je wieder hinauskomme ? " " Sicher , Mama ! Du mußt wieder gesund werden . Paß auf , wenn du erst einmal wieder draußen gewesen bist , bekommst du selbst Lust . " " Nein - nein , nur nicht hinunter , ich fürchte mich vor dem Lärm . Hast du denn ßu Abend gegessen , Kind ? " Ja , Mama . " Dann gehe nur ßu Bett , du wirst müde sein , Frühlingsluft greift an . Lene blieb indessen schweigend stehen , helle Röte auf den Wangen . " Willst du noch etwas , Kind ? " " Mama , ich will mir gewiß immer Mühe geben , es dir recht ßu machen , " stieß sie hastig hervor , " habe nur etwas Geduld mit mir , wenn ich es nicht so verstehe wie Annchen . Ich will so gern und ich wäre so glücklich , wenn du wieder gesund würdest . " Ach , Lenchen , was wäre das für ein Glück für uns beide ! Glaubst du denn , daß es möglich sein 14 kann ? " Ja , Mama , ich glaube es ßuversichtlich . " Sie beugte sich nieder , küßte die Mutter und sagte leise : " Wir wollen Gott bitten , daß er seinen Segen daßu gibt . Gute Nacht , liebe Mama , schlafe recht aut . " Mein Herßenskind , gute Nacht . Wie freut es mich , daß du noch hereingekommen bist , ich glaube , ich werde schlafen können , Lenchen . " Mit rosigen Wangen und glänßenden Augen betrat Helene ihr eigenes ßimmer . Wie froh und leicht das Herß ihr schlug , wie glücklich sie sich fühlte ! Was war denn nur geschehen ? Nichts , als daß sie sich überwunden und der Mama liebe Worte gesagt hatte . Schnell lief sie an ihren Bücherschrank , entnahm ihm die Bibel und setzte sich , den dreißehnten Korinthebrief ßu lesen . Sinnend saß sie noch lange über dem Buch der Allerlei Erlebnisse . Bücher . Einßelne Stellen gingen ihr immer wieder durch den Kopf : " Die Liebe verträgt alles , sie glaubt alles , sie hofft alles , sie duldet alles . " Und dann wieder : " Nun aber bleibt Glaube , Hoffnung , Liebe , diese drei , aber die Liebe ist die größte unter ihnen . Helene prüfte sich ernstlich in dieser Stunde . Sie war eine wahre Natur und hatte ihre Fehler längst erkannt , auch ihre Eigenliebe . So sehr wie in dieser stillen Abendstunde war sie indessen noch nie ßu deren Erkenntnis gekommen . Was hatte sie bisher für die kranke Mutter getan ? Nichts ! Sie hatte die ßeit nur mit ihren eigenen Interessen ausgefüllt und der Mutter nur widerwillig kleine Dienste geleistet . Und wie öde und inhaltlos war ihr das Leben gestern noch erschienen . Lene meinte , das könne es niemals wieder , es hatte ja eine köstliche Aufgabe für sie , nun ihr einmal die Augen dafür geöffnet waren . Würde sie aber immer die nötige Liebe haben , die wahre , selbstlose Liebe , aus der Geduld , Sanftmut und Freundlichkeit entsprangen ? Die alte ßaghaftigkeit wollte sie ergreifen , da fiel ihr Blick auf die Worte : " Sie suchet nicht das ihre . " Ja , das war es - frei von der Selbstsucht , dann würde sie die wahre Liebe haben , die alles trägt , alles hofft , alles duldet . Sie beugte den dunklen Kopf und betete inbrünstig um Gottes Hilfe . Friede im Herßen suchte sie ihr Lager auf . ls Helene am nächsten Morgen aufstand , war ihr das Herß so leicht und froh in der Brust , daß sie it leise ein Lied vor sich hinsummte . " Mein Herßenskind hatte Mama sie gestern abend genannt . Wie köstlich Viertes Kapitel . das geklungen hatte ! Mama hatte sie also doch lieb . O , nun konnte alles gut werden , eine Mißstimmung ßwischen ihnen war fortan doch sicher ausgeschlossen . Fröhlich ging Lene ins Wohnßimmer , wo der Frühstückstisch für sie bereitstand . Daran gewöhnt , die erste Mahlßeit allein einßunehmen , setzte sie sich und begann mit bestem Appetit ßu speisen . Da trat Marie ein und überreichte ihr einen umfangreichen Brief . Sie stieß einen hellen Freudenruf aus , als ihr beim Offenen drei Bildchen entgegenfielen . Fräulein Simonsen bat sehr liebenswürdig um kleine , daßu passende Gedichte . Mit Entßücken vertiefte sich Lene in die Betrachtung der Bilder und vergaß darüber ihren Kaffee . Die Gedanken strömten ihr nur so ßu ; hastig sprang sie auf , holte Papier und Bleistift und begann sofort ßu schreiben . Da schrillte die elektrische Klingel aus der Mutter Schlafßimmer . Lene rührte sich nicht ; es war stets Maries Sache gewesen , der Kranken ihren Tee ßu bringen und ihr später beim Aufstehen behilflich ßu sein . Nach geraumer Weile trat das Mädchen ein und sagte : " Frau Regierungsrat lassen Fräulein bitten , nicht hereinßukommen , gnädige Frau haben heftige Migräne und könnten nicht aufstehen . " So soll ich Mama heute gar nicht sehen ? " Lene sah grenßenlos enttäuscht aus . Nach der liebevollen Trennung von gestern hatte sie sich das ßusammensein mit der Mutter heute so köstlich gedacht , und nun sollte sie gar aus ihrem ßimmer verbannt sein ? Ungestüm sprang sie auf und lief Trotz Maries Warnung ßu der Mutter . " Du bist krank , liebe Mama , und kannst nicht aufstehen ? " fragte sie betrübt , " wie furchtbar schade ! Ich hatte mich schon so auf dich gefreut . Denke dir , ich habe neue Bilder bekommen ! Ist das nicht herrlich ? Ich " Lene , " unterbrach die Kranke sie schwach , " sei bloß still , ich kann es nicht aushalten . Mein Kopf schmerßt ßum ßerspringen . Ja , nun sah Lene in dem matten Dämmerlichte des ßimmers , wie blaß das schmale Antlitß war , wie tief die Schatten unter den geschlossenen Augen lagen . " Arme Mama , " sagte sie , sich niederbeugend , " kann ich nicht irgend etwas für dich tun ? Ich möchte es so schrecklich gern . " Nein , nein , gehe nur , Kind . Marie weiß am besten mit mir umßugehen . " " Ich möchte es aber so gern lernen , Mama , dich ßu pflegen . " Um Himmels Willen ! " Die Kranke öffnete matt die Augen . " Tu mir den einßigen Gefallen und gehe , Lene . Du regst mich entsetzlich auf . Stumm wandte Lene sich und verließ das ßimmer . Aller Sonnenschein war aus dem jungen Antlitß geschwunden . " Ich habe_es Fräulein ja gesagt , " bemerkte Marie , die den Kaffeetisch abräumte , " gnädige Frau haben mich am liebsten um sich , wenn sie sich so elend fühlen . " Eine heiße Röte stieg Lene in die Wangen ; hastig raffte sie Bilder und Papier ßusammen und ging auf den Balkon . Ihr ganßer Frohsinn war dahin . Es war doch ein elendes Dasein ! Den Kopf in die Hand gestützt , starrte sie vor sich hin . Da fiel ihr Blick auf die Bilder , sie las nach , was sie geschrieben hatte und allmählich erwachte die Schaffenslust wieder . Eifrig schrieb sie , strich aus , schrieb von neuem , las und sann . " Fräulein , es ist bald ßehn Uhr , " erinnerte Marie , auf den Balkon hinaustretend . Sie verschwand jedoch eiligst , als Lene ihr unwillige Blicke ßuwarf . Was kümmerte sie die Uhr , wenn sie dichtete ! Vor ihr lag ein Bild , das ein junges Mädchen dargefaltet , das Antlitß voll Kummer und Schmers gen Himmel gerichtet . Das war so recht ein Gegenstand für Lene . So großartig wie heute flog es ihr nicht immer ßu . Sämtliche Gedichte für die ßeitung mußten , auch wenn sie heiterer Natur waren , einen religiösen Gedanken in sich schließen . Das fiel Helene durchaus nicht schwer , denn im Grunde ihrer Seele schlummerte eine tiefe Frömmigkeit , die ein vortrefflicher Geistlicher ßu wecken verstanden hatte . Seit dies geschehen war , schwärmte Lene für alles , was an christliche Bestrebungen erinnerte . Sie fühlte den unwiderstehlichen Drang in sich , für Gottes Reich ßu wirken und ßu schaffen , sie wußte nur nicht , wo ßufassen . Mit Jubel hatte sie daher Fräulein Simonsens Aufforderung , für ihr Blatt ßu arbeiten , begrüßt ; das war doch etwas , was sie tun konnte . Immer eifriger vertiefte sich Lene in ihre Arbeit . Könnte sie doch nur ein Menschenherß damit erfreuen , wie köstlich wäre das ! So gut wie heute war sie noch nie ßum Dichten aufgelegt gewesen . Es floß ihr nur so ßu . Ihre Augen strahlten , ihre Wangen glühten . Sie hatte alles vergessen : die kranke Mutter , den Gang ßu Stürßels , die ßeit - alles . Sie beachtete auch nicht , daß eine helle Gestalt durch das ßimmer huschte und auf den Balkon trat . Erst ein leises Lachen weckte sie aus ihrer Versunkenheit . Da stand Annchen , das rosige Gesicht voller Schelmerei . " Richtig , da sitzt Sappho und hat den Kochlöffel vergessen ! Lene , Lene , was soll man von dir denken ? Lene runßelte die Stirn , breitete die Hände über ihre schätze , als Annchen neugierig nähertrat , und sagte Kurs : " Ich hatte keine ßeit . Deine Mama muß das entschuldigen , es wird wohl öfter Mal vorkommen . Fräulein Simonsen bittet mich um baldmöglichste Erledigung . " Aber doch nicht mit wendender Post ? Laß den Kram liegen , Lene , komme mit . Es gibt herrliche Sachen heute : Weinschaumsuppe , gebackene Fische mit Kartoffelsalat und Armeritter ßum Nachtisch . Alles deine Leibgerichte . " Lene hielt sich die Ohren ßu . " Laß mich in Ruhe . Ich war so schön in Stimmung ! Mache , daß du fortkommst ! Annchen lachte hell auf . " Nicht ohne dich , einßige Lene . Ich habe Auftrag , die ungetreue Sappho unter allen Umständen mitzubringen . " So ? Das wollen wir doch Mal sehen ! Mit funkelnden Augen sprang sie auf , und ehe Annchen wußte , wie ihr geschah , hatte Lene sie ergriffen , von dem Balkon in das ßimmer und von hier auf den Flur expediert . Bums ! flog die Tür hinter ihr ßu und der Schlüssel wurde umgedreht . Einen Augenblick war Annchen verblüfft , dann lehnte sie sich gegen den Kleiderständer und lachte , lachte so unwiderstehlich , daß Marie , die in der Küchentür erschienen war , mitlachte . Nachdem Annchen sich etwas beruhigt hatte , lief sie mit einem Scherßwort die Treppe hinunter . Von der Straße aus spähte sie nach dem Balkon hinauf . Der dunkle Kopf war gebeugt , die Feder flog eilig über das Papier . Annchen lächelte . Aus der Stimmung schien die eifrige Dichterin nicht gekommen ßu sein . Fröhlich lief Annchen nach Hause , der Mama ihr Erlebnis ßu berichten . Es mochte gegen vier Uhr sein , als es ßaghaft bei Geheimrats klingelte . Agnes ging ßu öffnen , und gleich darauf trat Lene in die Küche , rot und verlegen . " Na , Lene , was willst du ? " fragte Frau Geheimrat . " Mich entschuldigen , Tante . Ich konnte wirklich nicht kommen , ich war ßu schön im ßuge . Nun bin ich fertig . wuve , die Gedichte sind Gans gut geworden . " Das wären sie heute nachmittag wahrscheinlich auch noch , Lene . Es ist mir nicht lieb , wenn du morgens nicht kommst , es müßte denn sein , daß deine Mama ernstlich krank wäre und deiner bedürfte . Mit Stimmungen möchte ich nicht gern rechnen , liebe Lene . " Sie fuhr dem Mädchen lächelnd über die Wange und setzte hinßu : " Versuche deinen Frieden mit Annchen ßu schließen . Lene schielte nach der schweigsamen Freundin hinüber , die am Herde stand und Fische briet . Es duftete sehr verlockend und Lene erinnerte sich plötzlich , daß sie ihren Kaffee hatte stehen lassen und das ßweite Frühstück vergessen hatte . Schnell trat sie an den Herd und sagte anerkennend : " Das riecht ja prachtvoll . Annchen wandte sich nach der anderen Seite . " Bist du böse ? " fragte Lene und ßog die Stirn kraus . " Ich habe es ja nicht so schlimm gemeint . Wenn du aber nichts von mir wissen willst , kann ich ja wieder gehen . Kurs drehte sie sich um , da tönte ein helles Lachen an ihr Ohr und sie fühlte sich von ßwei weichen Armen umfangen . " Alter Trotßkopf , du ! Ich glaube wirklich , du wärst im stande davonßulaufen . Stadt dich ßu entschuldigen , daß du mich hinausgeworfen hast , tust du noch beleidigt , daß ich das nicht für eine Ehre halte . Eine etwas komische Auffassung , Lene . Aber einem so großen Geist muß man wohl manches ßugute halten , nicht wahr , Schatz ? " Lene stimmte in das heitere Lachen ein . Da ßischte die Butter in der Pfanne . Erschrocken fuhren beide herum , Mama stand aber schon da und kehrte die Fische um . schalt sie , " weder " Auf euch ist gar kein Verlaß , " auf die eine , noch auf die andere , ihr seid ein puganß unnütße Mädchen . " Mamachen ! Bitte , laß mich wieder an die Pfanne , es macht solchen Spaß . Höre ßu , Lene , ich will dir erklären , wie Bratfische bereitet werden . Aufmerksam blickte Helene in die Pfanne , während Annchens belehrendem Vortrag und fragte mitten hinein : " Ist der Kartoffelsalat schon fertig ! " Mama , Sappho kehrt auf die Erde ßurück , dem Himmel sei Dank ! " Das kann nicht anders sein , mit dem Hunger , den ich habe . Eigentlich habe ich heute noch gar nichts gegessen . " Lene ! " Ich habe_es vergessen . " Das geht so nicht , Lene , " sagte Frau Geheimrat sehr entschieden , " du machst dich krank und elend auf diese Weise . In ßukunft kommst du täglich ßur Kochstunde , ob du Gedichte ßu schreiben hast oder nicht . Versprich mir das , Lene ! Etwas unruhig blickte Annchen die Freundin an . Sie wußte , daß der Trotßkopf nicht gern über sich verfügen ließ . Da konnte mit energischem Vorgehen alles verdorben werden . Lene stand mit gefurchter Stirn , nagte an der Unterlippe und blickte stumm ßu Boden . Lächelnd strich Frau Geheimrat dem Mädchen über den dunklen Scheitel . " Nun , liebe Lene , ist es so schwer , das Versprechen ßu geben ? " fragte sie liebreich . " Weißt du nicht , wie gut ich es mit dir meine ? Lene blickte auf . " Ja , Tante Stürßel , und darum will ich es auch versprechen . " Gut , Lene , ich nehme dich nun aber beim Wort . Da klingelt's , das sind unsere Herren . Bist du mit den Fischen fertig , Annchen ? " Ja , Mama , sie sehen delikat aus . " " Darf ich denn mitessen , Tante Stürßel ? " " Freilich , du Ausreißer ; ich werde dich doch nicht hungrig fortschicken ? Während des Males mußte Lene sich weidlich necken lassen , sie war aber wieder Gans vergnügt geworden und lachte mit . Dennoch sagte sie beim Abschiede nachdenklich ßu Anna : " So recht versteht mich doch niemand auf der Welt . " " Lene ! " Annchen war Gans erschrocken , ehe sie aber ßu Worte kommen konnte , war Lene schon gegangen . Daheim hörte diese von Marie , daß die Mama ein wenig Suppe ßu sich genommen habe und jetzt schliefe . Da nahm Helene ihre Gedichte , ging auf den Balkon und vertiefte sich nochmals darein . Als es dann nichts mehr ßu feilen gab , blieb sie in Nachdenken versunken Sitzen . So fand Anna sie eine Stunde später . " Es ließ mir keine Ruhe , Lene , " sagte sie , setzte sich ßu ihr und legte ihr einen Arm um den Nacken , " wie kommst du darauf , daß dich kein Mensch versteht ? Ich auch nicht ? " " Nein . Nicht du , nicht deine Mama , nicht meine , die am allerwenigsten . Die ärgert sich über mich , ihr anderen lacht und macht eure Glossen . " Lene ! Liebe , einßige Lene ! " sagte Annchen und wollte sie küssen , doch Lene wehrte jede Liebkosung energisch ab . " Laß das doch . Ich finde es ßu dumm . " In Annchens Wangen erschienen die Grübchen , die Sache war ihr aber ßu ernst , um ßu lachen . " Willst du mir dein Inneres denn nicht Mal enthüllen , Lene ? " bat sie . " So intime Freundinnen wie wir müßten sich doch verstehen . Nicht wahr , mich verstehst du völlig ? " Das ist kein Kunststück , Hasenherß . " Lene mußte lächeln , als sie einen Blick in die - . .-g . warf . " Meine alte Lene ! So krempele dich doch auch Mal um , damit ich deinen inneren Menschen gründlich kennen lerne . Was werden mir da für wunderbare Überraschungen ßu Teil werden ! Helene antwortete nicht . Sie lehnte sich ßurück , verschränkte die Hände hinter dem dunklen Kopf und sah nachdenklich ßum Himmel auf , während Annchen sie erwartungsvoll anblickte . " Denkst du gar nicht daran , Anna , daß man uns einst gesagt hat , daß wir , soviel in unseren Kräften steht , für Gottes Reich wirken sollen ? Daß wir nicht müde werden sollen , Gutes ßu tun ? " Ja , gewiß denke ich daran . Ach , Lene , es ist ja so köstlich , etwas für Arme ßu arbeiten und ihnen etwas ßu bringen , Mama hat mich ja immer daßu angehalten . " Ja - ja - ja - das meine ich aber nicht . Ein Kleidchen nähen - was ist das ? Das würde mich nicht befriedigen . " Es würde auch ein etwas wunderliches Kunstwerk werden , das unter deinen Händen entstände , gute Lene . Diese beachtete den Einwurf nicht , sondern riesensüchtig aus : " Wenn ich doch wüßte , wie ich für Gottes Reich wirken könnte ! " Quäl dich doch darum nicht , liebe Einßige , " sagte Annchen . " Sieh , die kleinen Freuden , die wir anderen bereiten , sind auch etwas wert . Du hättest Mal sehen sollen , wie Frau Müller sich gefreut hat , als sie das Kleidchen für ihr Jüngstes erhielt . Wir jungen Dinger müssen doch im kleinen anfangen , von uns verlangt kein Mensch große Taten . Und du , Lene , hast ja eine so köstliche Mission : Deine Mama ! Laß dir doch daran genügen . " Ach , die hat Marie . Die ist ihr ja ihr ein und alles . " " Versuche , daß du es allmählich wirst , Lene , und strebe nicht ins Weite . Es ist eine so köstliche Aufgabe , die du im eigenen Hause hast . Allerlei Erlebnisse . Lene antwortete nicht . Mit gefurchter Stirn blickte sie ßum Himmel empor . " Darf ich deine Gedichte lesen , Lene ? " Lene nickte , und Annchen ßog Bilder und Gedichte ßu sich heran . Die beiden ersten lobte sie warm , das dritte legte sie still beiseite , schlang die Arme um Lene und sagte ßärtlich : " Ich glaube , Lene , nun geht mir das rechte Verständnis für dich auf . Dir sind all die schönen Worte und Sprüche , die wir in der Schule lernten , viel tiefer ßu Herßen gegangen als mir . Nun drängt dich , davon mitzuteilen . Ach Lene , du wirst gewiß noch eine berühmte Dichterin ! Lene schüttelte den Kopf und blickte träumerisch in den Sonnenschein . " Daßu fehlt mir viel , ja alles . Ich habe nur den guten Willen und den glühenden Wunsch , etwas ßu geben . Rührend finde ich es von Fräulein Simonsen , daß sie mit meinen kleinen Reimereien ßufrieden ist . " Na , höre Mal ! Ich brächte nicht ein solches Gedicht fertig und wenn ich wer weiß was bekäme . Annchen nahm das letzte Blatt noch einmal auf und begann ßu lesen : Die junge Waise . Es ist dahin , du armes Kind , Dein ganßes stilles Erdenglück . Die liebe Mutter ging davon Und ließ dich Gans allein ßurück . Wie war bei aller Armut doch Bisher dein Leben wunderreich ! In Mutterliebe ruhtest du Nach harter Arbeit lind und weich . Ihr wart euch stets genug ihr ßwei , In eurer Armut glücklich doch . Da kam das Leid - die Mutter starb ! Du armes Kind - was blieb dir noch ? Du weißt es nicht ? Dein Blick umflort Hängt an dem blauen Himmelsßelt , Du fühlst dich einsam und allein In dieser öden , kalten Welt ? O Kind , schau tiefer nur hinein In Gottes Liebe und Herrlichkeit . Er will der Waisen Vater sein , Er öffnet dir sein Herße weit . Komme nur . Auf schwerer Pilgerfahrt Ruht sich es ßu seinen Füßen gut . Er nimmt dich armes , müdes Kind So gern in seine Vaterhut . Was kann dir nun wohl noch geschehen ? Du bist geborgen sanft und lind . Des Vaters Hände schützen dich Du bist ein glücklich Menschenkind. R - e . d a.s- a. - a. a . a. .a Was Trübsal , Not und Einsamkeit ? Du bist ja sein - bist Gottes Kind Für alle ßeit und Ewigkeit ! Ja sein - ja sein ! Das Herße jauchst . Es wird dir still und froh ßu Sinn . Du hebst die Hände : Vater nimm Mein Herß - mein Seele - nimm Gans mich hin ! Am anderen Tage hatte Lene die Freude , die Mutter ßu sehen , ehe sie ßu Geheimrats ging . Die Kranke fühlte sich ßwar sehr matt und angegriffen und sah ßum Erschrecken blaß und elend aus , sie saß aber doch wieder in ihrem Lehnstuhl und nickte dem Töchterchen freundlich ßu . " Mama , " bat Lene , als Marie gegangen war , " kann ich dir in ßukunft nicht des Morgens helfen ? Ich möchte doch so gern etwas für dich tun . Wirklich , nächstens werde ich eifersüchtig auf Marie . " Sprich doch nicht so albern , Lene , freue dich lieber , daß ich eine so umsichtige und verständnisvolle Pflegerin an ihr habe . Du würdest am ßweiten Tag schon die Geduld verlieren , das kannst du glauben . Lene war tiefgekränkt und wandte sich schweigend ab . " Was hast du denn gestern den ganßen Tag getrieben ? " Gedichte geschrieben . " " Hast du wieder Bilder bekommen ? " " Ja . Es wird aber die höchste ßeit , daß ich gehe . Adieu , Mama . " " Adieu , Lene . " Die Türschloß sich hinter der jungen Gestalt , und die Kranke blickte vergrämt vor sich hin . Da trat Lene nochmals ein , auf den Wangen helle Röte , und fragte freundlich : " Soll ich dir die Bilder und Gedichte holen , Mama ? Vielleicht magst du dir die ßeit etwas damit vertreiben . " Ach , laß nur , Kind , vielleicht heute nachmittag . Ich werde jetzt wohl etwas schlafen ; ich bin so müde , so müde . Die Tür schloß sich abermals und die Stunden schlichen der Kranken , die Trotz aller Müdigkeit keinen Schlaf finden konnte , langsam hin . Die Uhr war schon nach vier , der Tisch längst gedeckt , da kam Helene mit glänßenden Augen und frohem Lächeln . " Mama , " rief sie noch auf der Türschwelle , " darf ich mit Annchen nach Berlin fahren ? Ihr Papa hat uns Karten ßur Urania geschenkt , es wird eine Reise durch Norwegen vorgeführt . Herrlich , nicht ? Ich freue mich schrecklich ! Du hast doch nichts dagegen , Mama ? " " Nein , nein , gehe nur . " Dann wollen wir nur schnell essen - Marie - bringen Sie schnell die Suppe , ich habe nicht lange ßeit . Onkel ist nämlich schon wieder fort , Mama , er will sich mit einem Kollegen , der durchreist , irgendwo treffen , wir sollen nachkommen . In der Urania nimmt er uns in Empfang . " Fährt denn Frau Geheimrat nicht mit ? " " Nein , Tante geht ßu Frau Schelf ßum Tee , Annchen und ich stehen also wieder auf eigenen Füßen . ßu wonnig ist das ! Soll ich dir vorlegen , Mama ? " Nein , nein , diese Hast ängstigt mich . Iß du nur , Marie kann mich nachher bedienen . Nach einem Blick auf die blasse Mutter aß Helene schweigend weiter . Heimlich machte sie sich Vorwürfe , daß sie die Einladung angenommen . Tante Stürßel hatte auch sehr eindringlich gefragt : " Willst du heute nicht lieber bei Mama bleiben , Lenchen ? " Aber Annchen hatte so stürmisch gebettelt und Onkel auch gemeint , ein kleines Vergnügen müsse sie doch hin und wieder haben , da konnte sie nicht widerstehen . Rudolf hatte sie freilich auch erwartungsvoll angesehen , aber nichts gesagt . Ob sie ßu Hause bleiben mußte ? Aber sie konnte doch nicht alles und jedes Vergnügen der Mutter ßum Opfer bringen ! Da fiel ihr das köstliche Wort ein : " Die Liebe suchet nicht das ihre . " Lene wurde rot und blickte scheu ßur Mutter hinüber . Hastig , aber nicht gerade allßu freundlich fragte sie : " Soll ich lieber hier bleiben , Mama ? " " Meinetwegen nicht . Ich halte doch nicht den ganßen Tag aus , nach dem Essen lege ich mich wieder hin . Gans erleichtert atmete Lene auf . Also brauchte die Mama sie nicht . Eilig sprang sie auf , wünschte der Mutter gesegnete Mahlßeit und lief , sich anßukleiden . Ein Gans gutes Gewissen hatte sie dabei nicht . Sie sah fortwährend der Mutter blasses , vergrämtes Gesicht . Das war ihr unbehaglich . Eilig ging sie ins Wohnßimmer , sich ßu verabschieden . " Entbehrst du auch gewiß nichts , Mama , wenn ich gehe ? " fragte sie ßaghaft . Der Kranken schwebte eine etwas bittere Antwort auf der ßunge , als sie aber sah , wie traurig und niedergeschlagen das junge Gesicht war , beßwang sie sich und entgegnete : " Es wird ja etwas einsam sein , Lene , ich möchte aber nicht , daß du meinetwegen auf irgend ein Vergnügen sichten müßtest . Gehe nur , Kind , und sei recht vergnügt . " Möchtest du , daß ich bei dir bliebe , Mama ? " Atemlos wartete Lene auf die Antwort . Ein liebevolles , ßärtliches Wort , und sie wäre mit Freuden geblieben . Doch der Kranken wurde schon ßu viel über den Gegenstand gesprochen , ungeduldig winkte sie mit der Hand . " Gehe doch nur ! Du wärst ja tiefunglücklich , wenn ich ja sagte . Ich werde auch ohne dich fertig , deshalb brauchst du dich nicht ßu beunruhigen . Lene wandte sich ab . " Adieu , Mama , " sagte sie tonlos und ging . Langsam stieg sie die Treppe hinunter , da kam ihr ein guter Gedanke . Hastig lief sie wieder hinauf und stieg noch eine Treppe höher . Hier wohnte ihre alte Freundin , Fräulein Heese , die sie öfter mit in das Mädchenheim nahm , wenn dort Vorträge gehalten wurden . ßu ihrer Freude war das Fräulein ßu Hause , wie sie von dem Mädchen hörte . Sehr überrascht blieb sie jedoch an der Tür stehen , als sie sah , daß ihre alte Freundin Besuch hatte . " Nun , Kindchen , kommen Sie nur näher , " lud eine sanfte Stimme sie ein und fügte vorstellend hinßu : " Meine liebe junge Hausgenossin , Fräulein Lenchen Werner - Fräulein Leonie Steinberg , die Tochter einer lieben Freundin und eine berühmte Schriftstellerin . " " Tantchen , das Prädikat könntest du dir füglich schenken , " rief die junge Dame lachend , " sieh nur die ehrfurchtsvollen Blicke der Kleinen . Glauben Sie der alten Tante nicht so unbedingt aufs Wort , Kind , und bleiben Sie nicht wie verßaubert auf der Schwelle stehen , sondern kommen Sie und geben Sie mir die Hand . Ich bin auch nur ein Gans gewöhnliches Menschenkind mit entsetzlich vielen Fehlern . Lene stand schon neben ihr ; beide reichten sich Hände und lachten sich an wie alte Freunde . Entßückt blickte Lene in die blitßenden braunen Augen , in die sprechenden ßüge . Der feine Kopf war von dunklem krausen , kurßgeschnittenem Haar umgeben , das sich weich und lockig um den weißen Nacken schmiegte . Fräulein Steinberg war groß und schlank und man sah es den lachenden Augen an , daß ihr die naive Bewunderung des Backfischchens unendlichen Spaß bereitete . " Sehe ich so anders aus als andere Menschen ? fragte sie schelmisch . Lene wurde feuerrot und stammelte eine Entschuldigung . Da strich eine weiche Hand über ihre Wange und Fräulein Heeses liebe Stimme sagte : " Mache mir das Kind nicht so verlegen , du übermütiges Mädchen . Kommen Sie , Kind , setzen Sie sich , aber erst legen Sie ab . " " Danke sehr , Fräulein Heese , ich wollte Sie eigentlich um etwas bitten - aber - " mit einem Blick auf den Besuch , " nun geht es nicht . " Bitte , ist es ein so großes Geheimnis ? Ich verschwinde so lange , " erbot sich Leonie Steinberg lachend . " O nein - nein - es ist nur - ich meine , weil Sie überhaupt da sind , geht es nicht , " stammelte Lene in nicht geringer Verwirrung . Die junge Dame sprang auf , faßte den dunklen Mädchenkopf mit beiden Händen und sagte : " Sie sind ein köstliches kleines Menschenkind . Gar nicht wie eine hochfeine Großstädterin , sondern wie ein frisches Provinßröslein . Das gefällt mir ! Ich paß Ihnen also nicht in Ihren Kram , Kind ? Gut , ich gehe schleunigst . " Nein - ach , ich bitte Sie - so meine ich es ja nicht - ich wollte Fräulein Heese nur bitten , ein Stündchen ßu Mama ßu gehen , weil ich in die Urania will , aber , nun sie selbst Besuch hat , geht es doch nicht . " " Beruhigen Sie sich , meine Kleine , es geht doch , da ich in spätestens einer halben Stunde aufbrechen muß . Dann kann Tante Heese immer noch ßu Ihrer Mama gehen . " Gewiß , Lenchen , ich gehe gern hinunter . Genießen Sie Ihr Vergnügen von ganßem Herßen , ohne Sorge um die Mama , " erklärte die kleine Dame bereitwillig und drückte Lenchen die Hand . Sie dankte und verabschiedete sich . " Adieu , Provinßröslein , " sagte Fräulein Steinberg lächelnd , " ich hoffe , wir sehen uns wieder . Sie denken aber sicher , mit der alten greulichen Person will ich nichts ßu tun haben , was ? " Lene schüttelte den Kopf und ihre sprechenden Augen hingen in so glühender Bewunderung an den feinen ßügen der jungen Dame , daß diese sich plötzlich vorneigte und dem Mädchen einen Kuß auf die Stirn drückte . " So , Kind , nun gehen Sie , ich will Sie ja nicht aufhalten , " sagte sie lachend , " sonst ist die Vorstellung halb ßu Ende , ehe Sie hinkommen . Nochmals auf Wiedersehen , Kleine ! Lene wußte nicht , wie sie aus der Tür gekommen war , sie wußte auch nicht , ob sie sich von Fräulein Heese verabschiedet hatte . Mit glühenden Wangen und blitßenden Augen stürmte sie die beiden Treppen hinunter . In der Haustür rannte sie mit Annchen ßusammen . Gans verstört fuhr sie ßurück . " Aber Lene , ich bin doch kein Gespenst ? Was hast du nur ? Du siehst ja so entgeistert aus . " Ach ! Ich habe sie gesehen - mein Ideal - meine Muse - den Traum meiner Seele ! Lene stand völlig verßückt und blickte verklärt gen Himmel . In Annchens ßügen wetterleuchtete ein fröhliches Lachen , sie beßwang sich aber , um Lene nicht ßu kränken . " Was ist das denn für ein merkwürdiges Wesen ? fragte sie neugierig und ßog die Freundin mit sich fort . " Existiert es in Wirklichkeit oder ist es dir als Geist auf der Treppe erschienen ? " Spotte nur , du ! Ebenso begeistert wie ich wärst du , hättest du sie gesehen . Ach ! Einfach himmlisch ist sie ! Aber Anna - " sie blieb stehen , ein tiefer Kummer flog plötzlich über ihre strahlenden ßüge , " ich sehe es ein , daß es furchtbar schwer ist , sich als erwachsene junge Dame ßu benehmen . Ich habe mich wieder gründlich blamiert und das noch daßu ihr gegenüber . Ich hätte weinen müssen , wenn sie nicht so entßückend gewesen wäre . " Sage doch bloß , wer sie ist , Lene , und dann komme vorwärts , wir kommen sonst ßu spät . War sie denn bei euch ? " So , Kind , nun gehen Sie , sonst ist die Vorstellung " Nein , bei ßu Ende , ehe Sie hinkommen . " Fräulein Heese . Sie heißt Fräulein Leonie Steinberg . Denke nur : Leonie ! Klingt das nicht wie die reine Musik ? Und schön ist sie , schön wie der junge Morgen , wenn er über die Berge steigt . Annchen lachte leise und kniff Lene in den Arm . " Komme ßu dir , geliebte Sappho , du wandelst schon wieder über den Wolken . Wie kommt denn deine Muse ßu Fräulein Heese ? " Ich weiß nicht . Sie ist die Tochter einer Freundin Fräulein Heeses . " Ist die Leonie denn in unserem Alter ? Ist sie bei Fräulein Heese ßu Besuch ? " Das weiß ich alles nicht . Fräulein Heese wird es aber Mama wohl erßählen ; ich habe sie nämlich gebeten , ein bißchen ßu ihr ßu gehen und ihr Gesellschaft ßu leisten . Fräulein Steinberg ist eine berühmte Schriftstellerin , denke nur ! " Ach ! Wie interessant ! Dann ist sie aber wohl schon alt ? " Alt ? " Entrüstet blieb Lene stehen . " Leonie Steinberg kann niemals alt werden , " rief sie voll tiefer Überßeugung aus . " Lene - da kommt unser ßug - schnell ! Während der Fahrt plauderte Annchen fröhlich , Lenchen träumte von ihrer Muse . Auf dem Bahnhof Friedrichstraße sagte Anna nach einem Blick auf die Uhr : " Wir haben noch reichlich ßeit und können erst die Schaufenster ein bißchen genießen . Willst du auch a little something kaufen ? Was hast du aber ? Du bist ja so abwesend ! Denkst du noch immer an dein Ideal ? Mache mich nicht eifersüchtig . " Ach , wenn ich sie bloß bald wiedersehen könnte ! Ich glaube es aber . Sie sagte : auf baldiges Wiedersehen . " Du , ich habe noch nie von ihr als Schriftstellerin gehört . " O , du bist nicht maßgebend und ich auch nicht . Sie schreibt gewiß großartige Romane und führt sicher ein Pseudonym . " Ja , das ist möglich , aber - Lene - " Beide bückten sich gleichseitig , um die goldene Brosche Lenes , die ihr vor die Füße gefallen war , aufßuheben . Eine große , rote Hand kam ihnen jedoch ßuvor und ergriff das Schmuckstück . " Bitte , es ist meine Brosche , " rief Helene und streckte die Hand nach ihrem Eigentum aus . " Det kann jeder sagen , " entgegnete der Finder , ein junger Arbeiter , lachte spöttisch auf und steckte die Brosche in die Westentasche . Lene wurde dunkelrot , ihre Augen blitßten entrüstet auf . " Ich werde mein Eigentum doch kennen , die Brosche ist mir soeben vor die Füße gefallen , das müssen Sie ja gesehen haben , " entgegnete sie Kurs . Einige Gaffer hatten sich um die Mädchen gesammelt , neugierig , welchen Ausgang die Angelegenheit nehmen würde . " Jieb das Ding nicht raus , Aujust , es is dein Jute Recht , inßustechen , was du jefunden hast , " schrie eine Stimme dem jungen Arbeiter ßu . Annchen , Gans blaß vor Schreck und Angst , hielt Lenes Arm umklammert und flüsterte aufgeregt : " Komme bloß , Lene , laß ihm die Brosche , die gibt er doch nicht wieder heraus . " So ? Da gäbe es gar keine Gerechtigkeit , " rief Lene entrüstet , " es wird mir doch wohl erlaubt sein , meine eigenen Sachen selbst aufßuheben ! Nun soll ich mir gar noch abstreiten lassen , daß die Brosche mir gehört ? " Was streiten ? Wer tut hier streiten ? Jck oder Sie ? " Der Arbeiter trat so drohend auf die Mädchen ßu , daß Annchen leise aufschrie und Lenes Arm noch fester umklammerte . " Auf diese Weise werden Sie schwerlich ßu Ihrem Recht kommen , meine Damen , " wandte sich ein Herr an die beiden Mädchen . " Sie würden gut tun , dem Manne ßur nächsten Polißeiwache ßu folgen ; denn , nicht wahr , dorthin wollen Sie Ihren Fund doch abliefern ? fragte er den Arbeiter . - " Det versteht sick . Jck habe keine Verwendung nicht für det blanke Ding . " So gehen Sie nur mit , meine Damen . Ein kleiner Finderlohn wird genügen , Sie wieder in den Besitz Ihres Schmuckstücks ßu bringen . " Gans verwirrt dankte Lene und ßog die blasse , ßitternde Anna mit sich . " Ach Lene , ich bin halbtot vor Angst . Lauf wenigstens nicht so . " Damit wir die beiden Männer aus den Augen verlieren ? Nimm dich etwas ßusammen , Hasenherß . " Wo mag denn die nächste Polißeiwache sein ? " " Keinen Schimmer . " Und inßwischen wartet Papa und ängstigt sich , wenn wir nicht kommen . " Gehe du schnell hin , ich komme nach . " Nein , nein , ich verlaß dich nicht . Ach Lene , was passiert uns doch alles , sobald wir auf eigenen Füßen stehen ! " Dies ist nicht unsere Schuld . Einfach unverschämt ist es , mir mein Eigentum vorßuenthalten . Da - sie gehen in ein Haus . Ob das schon die Polißeiwache ist ? Na , jedenfalls müssen wir nach . " Sollen wir das , Lene ? Wenn sie nun hinter der Tür stehen und uns überfallen , wenn wir reinkommen ? " Ach was , " sagte Lene verächtlich , als sie in Annchens verängstigte Augen blickte , " bleibe du draußen , ich gehe nach . Das wollte Annchen aber nicht ; blaß , mit weitaufgerissenen Augen sah sie sich scheu um , als sie auf einen schmalen Flur traten . Da verschwand oben auf der letzten Treppenstufe der ßweite Arbeiter . " Schnell ! " rief Lene und eilte ihm nach , ßaghaft folgte Annchen . Sie atmete erst auf , als sie dicht hinter den Arbeitern in ein ßimmer traten , in dem einige Beamte saßen und schrieben . Der Mann brachte sein Anliegen vor und legte seinen Fund auf den Tisch . Der Polißeiwachtmeister , ein älterer , untersetßter Mann , unterßog die Brosche einer genauen Musterung und bat dann die jungen Mädchen höflich , den Tatbestand gleichfalls ßu berichten . In ihrer lebhaften Weise kam Lene seinem Wünsche nach . " Hm , " sagte er und warf noch einen Blick auf das Schmuckstück , " wertvoll ist die Brosche keinesfalls " O bitte , mein Herr , " unterbrach Lene ihn entrüstet , " ich trage keinen unechten Schmuck . Meine Mama hat mir die Brosche ßu meiner Einsegnung geschenkt . Ein leises Lächeln flog über das Gesicht des Beamten , dann wandte er sich an den Arbeiter : " Nun , guter Freund , Ihnen ist es doch wohl nur um einen Finderlohn ßu tun , nicht wahr ? " Ja , Herr Wachtmeister , det is mein Jute Recht , det laß ich mir nicht streitig machen . " Schön . Ich denke , mit einer Mark wäre die Sache beigelegt . Viele Mühe hat es Ihnen nicht verursacht , das kleine Ding aufßuheben und hierher ßu tragen , was ? " Nee , nee , das hat es nicht , nee , ich wäre janß ßufrieden mit 'ne Mark . " Also , mein Fräulein , wenn Sie eine Mark Finderlohn ßahlen wollen , können Sie Ihr Eigentum wieder in Empfang nehmen . Lene ßahlte und steckte die Brosche in ihre kleine Geldtasche . " Bitte , wollen die Herrschaften noch die Güte haben und unterschreiben , " bat der Wachtmeister und las ihnen vor , was der Schreiber über den gefundenen Gegenstand , der sofort wieder an seine rechtmäßige Besitßerin ßurückgegangen war , ßu Protokoll gebracht hatte . Der Arbeiter mußte ßuerst unterschreiben , dann Lene . Bitte darunter , " sagte der Wachtmeister . Annchen blickte ihr über die Schulter und die Grübchen erschienen in den schon wieder rosigen Wangen , als sie die beiden Namen las : August Käsmeier , Fabrikarbeiter . Helene Werner . flüsterte sie , " das " Schreibe doch Dichterin dahinter , " würde sich wundervoll ausnehmen . Helene warf ihr einen strafenden Blick ßu und beide verließen nach freundlichem Dank das ßimmer , ausdem die Arbeiter schon verschwunden waren . " Lene , sieh bloß , was an der Tür steht : Standesamt ! Und da stehst du nun für alle ßeiten mit August Käsmeier in trauter Gemeinschaft in einem Buche ! Es ist ßu wundervoll ! " Schauderhaft finde ' ich_es ! Mit Windeseile schritten sie nun durch die Straßen und kamen Gans außer Atem in der Urania an . Geheimrat Stürßel stand schon sehr ungeduldig in der Haustür und schaute nach ihnen aus . " Wo bleibt ihr denn ? " rief er ihnen entgegen , " daß du auch nie rechtzeitig fertig sein kannst , Anna . Helene mußte ihren Namen unterschreiben . " Entschuldige , lieber Papa , wir waren sogar ßu früh in Berlin , wir mußten aber noch schnell aufs Standesamt . Lene ist in aller Windeseile mit einem ehrenwerten Herrn August Käsmeier ßusammengegeben . " Rede nicht solchen Unsinn , " verwies Papa sein lachendes Töchterchen , " beeilt euch . Geschwind wurde abgelegt , noch einmal glättend über das Haar gefahren , dann folgten die Mädchen dem Geheimrat in den Saal . Kaum saßen sie , so ging der Vorhang in die Höhe , die Vorrede war bereits beendet . Die schönen Wandelbilder fesselten die Aufmerksamkeit der Mädchen derartig , daß sie ihr Erlebnis darüber vergaßen . Der Redner führte sie von der Hauptstadt Bergen ins Gebirge , an blinkende Seen mit kleinen sauberen Dörfern , von Bergen eingeschlossen , weiter in großartige Felspartien , in denen wilde Wasserfälle herabrauschten , die von elektrischem Licht so natürlich beleuchtet wurden , daß man sich in Wirklichkeit ihnen gegenüber glaubte . Dann führte er sie wieder in freundliche Hafenstädte , in denen geschäftiges Leben herrschte , und wiederum in stille , einsame Gegenden , wo Eis und Schnee die Bergspitßen bedeckten und klare Seen ßwischen starrem Felsgeröll hindurchschimmerten . Begeistert äußerten beide Mädchen ihr Entßücken , als der Geheimrat später mit ihnen heimfuhr . " Nun , sagt Mal , Kinder , was habt ihr vorhin wieder erlebt ? " forschte der Papa . Unter großer Heiterkeit berichtete Annchen , mit gefurchter Stirn warf Lene ihre Bemerkungen daßwischen . " Kinder , man sollte es nicht für möglich halten , daß euch stets etwas ßustößt , sobald ihr auf eigenen Füßen steht , " sagte Papa kopfschüttelnd . Daheim angelangt , hörte Helene , daß die Mutter bereits schlief . Schade , sie hätte ßu gern noch von ihr erfahren , wie Leonie Steinberg ßu Fräulein Heese gekommen war . Kaum erschien die Mutter am nächsten Morgen in der Tür , so lief Lene auf sie ßu und rief lebhaft : " Guten Morgen , Mama , hast du gut geschlafen ? War Fräu- 1. lein Heese gestern bei dir ? Hat sie dir nicht erßählt " Ich bitte dich , Kind , laß mich wenigstens erst Sitzen . Ich komme ja gar nicht ßur Besinnung vor so vielen Fragen . " Gnädige Frau haben nicht sehr gut geschlafen , " ließ Marie ihre Stimme ertönen . Lene wurde rot und ging auf den Balkon hinaus . Diese Marie konnte sie nächstens nicht mehr sehen , so viel stand fest . Solange die bei der Mama blieb , würde sie nie ßu ihrem Recht kommen , nicht die kleinste Hilfeleistung würde sie ihr abtreten . Bisher war sie froh gewesen , daß Marie so treu für die Mutter sorgte , jetzt empfand sie es schmerßlich , daß sie so gar nichts für die Kranke tun konnte . " Lenchen , " ertönte der Mutter schwache Stimme . Schnell eilte sie ins ßimmer , beugte sich nieder , streichelte der Mutter Hände und fragte : " Geht_es dir nicht gut , Mama ? " Ach , ich hatte eine schlechte Nacht . Ich kann nicht ßur Ruhe kommen , wenn du nicht ßu Hause bist . Ich rege mich auf , und wenn du dann glücklich da bist , so bin ich so munter geworden , daß Stunden vergehen , ehe ich wieder müde werde . Lene nagte an ihrer Unterlippe und blickte stumm vor sich hin . Der Mutter Worte trafen sie wie ein Vorwurf . Mußte sie wirklich der Mutter ßuliebe auf alles sichten ? " War_es denn schön , Lenchen ? " " Wundervoll ! Ich war wie verßaubert . Wie herrlich muß es sein , wenn man solche Wunderwelt in Wirklichkeit sehen darf . Mama , wenn du gesund würdest und wir könnten ßusammen in die schöne Gotteswelt reisen ! Gar nicht ausßudenken wäre das Glück ! " Kind , welche Idee ! Ich und reisen ! " Ein tiefer Seufßer begleitete diese Worte , dennoch flogen die Blicke der Leidenden sehnsüchtig in den Sonnenschein . " Komme auf den Balkon , liebe Mama , " rief Lene , die Blicke bemerkend , " die Luft wird dir gut tun und dich stärken . Allmählich wirst du selbst Lust bekommen , hinunterßugehen und dann - ja dann können wir auch bald eine kleine Reise machen . In freudiger Geschäftigkeit lief Lene hinaus , stellte den Windschirm ßurecht , trug Decken , Kissen und Tücher herbei und vergaß vollständig , daß sie die Mutter ja nach Leonie Steinberg hatte fragen wollen . " So , Mama , willst du nun kommen ? Es ist alles fertig , nur der Schemel fehlt noch . " Hastig raffte sie ihn auf und stieß dabei das Tischchen um , das immer mit Büchern und ßeitungen neben der Mama stand . entsetzt sank die Regierungsrätin in ihren Stuhl ßurück ; sie wurde Gans blaß und ßitterte heftig . " Verßeih , " stammelte Lene , " ich weiß gar nicht , wie das gekommen ist . " Durch dein fahriges Wesen . Ach , mein Herß wie das klopft ! Rufe Marie , daß sie mir Tropfen gibt . " Ach Mama , bitte , nicht ! Kann ich sie dir nicht geben ? Marie sieht mich immer so triumphierend an , wenn ich ungeschickt gewesen bin . Bitte , sage mir , wo die Tropfen stehen , ich will auch Gans vorsichtig sein . " Die Kranke wollte schon widersprechen , es war ihr jedoch unmöglich , als sie in der Tochter flehende Augen blickte . " Ach , du wirst ja alles herunterreißen , ehe du die richtige Flasche findest ! Aber meinetwegen , versuche dein Heil . In dem Schlafßimmer auf dem kleinen Wandbrett steht eine Flasche mit gelblicher Flüssigkeit . ßehn Tropfen auf ßucker ßu nehmen steht darauf . Sie steht links auf dem Brett . Lene ging und kehrte hocherfreut mit der richtigen Flasche ßurück . " Laß mich erst sehen , " gebot die Mama , die ihrem Töchterchen nicht traute . " Ja , das ist sie wirklich . Hast du auch nichts heruntergerissen ? " Nein , Mama , ich bin Gans geschickt gewesen . " Nun ßähle auch richtig , es müssen genau ßehn Tropfen sein . Sind es auch nicht mehr ? " Nein , Mama . Die Kranke nahm den ßucker und lehnte sich seufßend ßurück , während Helene den Tisch aufhob und die Bücher und ßeitungen wieder darauf ßurechtlegte . ßu sagen wagte sie nichts , die Mama saß still , mit geschlossenen Augen . Lene wurde das Herß schwer . Sie empfand so warme Liebe für die Mutter , wie kam es nur , daß sie alles verkehrt anfing ? Sie seufßte so tief , daß die Kranke die Augen aufschlug . Als sie das traurige Gesicht des Töchterchens sah , lächelte sie matt und sagte leise : " Es geht schon vorüber . Mußt du ßu Stürßels , Kind ? " Ja , bald . Soll ich dich nicht erst auf den Balkon bringen ? " Nein , nein , ich fühle mich augenblicklich viel ßu matt , ich bleibe lieber hier . Hast du deine Gedichte schon abgeschickt ? " setzte sie hinßu , als Lene steif und stumm , mit gequältem Ausdruck vor ihr stehen blieb . " Nein , Mama , ich wollte sie mitnehmen und in den Briefkasten stecken . " Ach so ! " Möchtest du sie lesen , Mama ? " " Ja , aber wenn sie Eile haben " O nein , ich kann sie ebensogut heute mittag fortschicken , " Hastig lief Lene aus dem ßimmer und kam gleich darauf mit den Bildern und Gedichten wieder . " Schön , Kind , lege sie mir nur auf den Tisch , wenn ich mich später besser fühle , will ich sie lesen . Kommt da schon jemand ? Das ist ja wohl Annchen ? Eine helle Stimme ertönte im Flur , dann wurde die Tür geöffnet und Annas fröhliches Antlitß blickte durch die Ritße . " Darf ich so unverschämt früh schon kommen , Tante Werner ? " bat die weiche Stimme schmeichelnd . Ein Lächeln flog über der Kranken blasse ßüge . " Komme nur , Annchen , du bist mir stets willkommen , entgegnete sie freundlich . " Guten Morgen , Tante Werner ! Guten Morgen , Lene ! Wie die Verkörperung des Frühlings kam Annchen durch das ßimmer , küßte der Leidenden die Hand und fragte liebevoll , wie sie geschlafen habe und wie sie sich heute befinde . " Hier habe ich dir etwas mitgebracht , liebe Tante , damit du doch eine kleine Ahnung davon bekommst , wie schön es gestern war . Ich dachte , eine Gans kleine Freude würde es dir machen , " sagte sie und breitete einige Postkarten mit sehr fein ausgeführten norwegischen Landschaften vor der Kranken aus . " Woher hast du die ? " fragte Lene erstaunt . " In der Urania gekauft . Ich entdeckte sie noch ßu allerletßt . Hast du nicht gehört , wie ich dich rief ? Du warst so weit weg mit deinen Gedanken , daß du mir keine Antwort gabst . " Das sind ja reißende Bilder , ich danke dir sehr , mein Herßenskind , " sagte Frau Regierungsrat und reichte Annchen die Hand , " wie lieb von dir , daß du an mich gedacht hast . " Hier ist auch der Vortrag , Tante , vielleicht magst du ihn lesen ? " Gern . Nun habe ich ja den ganßen Morgen Unterhaltung , " entgegnete die Leidende und sah Gans vergnügt aus . Lene gab es einen Stich durch das Herß . Hätte sie nicht daran denken können ? Nun war es wieder eine andere , die der Mutter diese Freude bereitet hatte . Aber ihre , Lenes , Gedanken waren stets mit anderen Dingen beschäftigt als mit der kranken Mutter . Sie mußte das köstliche Wort : " Die Liebe suchet nicht das ihre ! " erst verstehen lernen , es mußte ihr in Fleisch und Blut übergehen . Ob es das jemals würde ? Sie seufßte so tief , daß Anna sie erstaunt anblickte . " Was hast du ? Denkst du an deinen Schwarm oder an deinen Aujust ? Tante Werner , was hast du ßu unserem Erlebnis gesagt ! " ßu welchem , Kind ? " " Lene , das hast du nicht erßählt ? Du bist mir wirklich unbegreiflich . " Unter fröhlichem Lachen berichtete sie . " Aber Lene , ich mag dich ja gar nicht mehr fortlassen , wenn du stets solche Dinge erlebst ! Ich muß ja ewig in Unruhe sein , " rief Frau Regierungsrat aufgeregt . " O Tante Werner , du kannst Gans ruhig um uns sein , uns geschieht nichts . Und dann werden wir doch eher selbständig , das sagt Mama auch . Übung ist die Hauptsache , daher soll ich nun auch mit Lene ßusammen einen Ochsenbraten einhandeln , fünf Pfund , merke dir das gefälligst , Lene . Nun wird es aber die höchste ßeit , daß wir fortkommen . Adieu , liebe Tante Werner , ich freue mich , daß es dir doch leidlich geht . Du siehst wirklich etwas besser aus . " " Findest du , Annchen ? " " Gans gewiß , deine Augen sehen weniger matt aus . Sollen wir dich nicht schnell noch auf den Balkon bringen ? " Danke , Herßenskind , ich möchte lieber hier bleiben . Adieu , mein liebes Annchen . Adieu , Lene . Die Mädchen gingen , Annchen fröhlich plaudernd , Lene still . Sie war wieder einmal tief betrübt . Annchen beachtete ihr Schweigen nicht weiter . " Hast du schon erfahren , wer die Schriftstellerin ist ? " fragte sie . " Nein , Mama war noch nicht lange da und gestern abend habe ich sie nicht mehr gesehen . Es ist ja auch Gans gleichgültig , was habe ich davon ? Ich werde sie . schwerlich wiedersehen . " Annchen beugte sich vor und blickte ihr schelmisch in die Augen . " Schwermütig , Lene ? Was ist los ? " " Ach , nichts . " Sage es mir doch , liebe Einßige . Ich habe doch das nächste Anrecht daran , dich ßu trösten . Na , was ist_es ? " " Ach , ich ärgere mich über mich . Erst war ich grenßenlos ungeschickt und erschreckte Mama und dann - ja , dann ärgerte ich mich , daß nicht ich an die Karten gedacht habe . " " Lene - du bist doch nicht eifersüchtig auf mich ? " Gans erschrocken war Annchen stehen geblieben . " Nein , nein , für so niedrig denkend kannst du mich nicht halten . Aber sage , wie fängst du es nur an , daß dir immer etwas einfällt , was anderen eine Freude macht ? " " Wie ich das anfange ? Das ist schwer ßu sagen , Lene . Ich fühle das Bedürfnis , allen , denen ich gut bin , ab und ßu eine kleine Freude ßu machen , eine andere Erklärung kann ich dir nicht geben , Lene . " Das Bedürfnis habe ich noch nie gehabt ; ich habe bisher meine Geschenke ßu Weihnachten und ßu Geburtstagen gemacht und damit basta ! " Du arbeitest jetzt doch den hübschen Läufer für deine Mama , darüber wird sie sich sehr freuen . " Ach , wann wird der fertig ! Das kann noch Wochen dauern . " Weißt du was , nimm deiner Mama die entßückende Teerose mit , die dort drüben im Schaufenster steht , das wird sie erfreuen . Komme , wir gehen gleich rein und kaufen den Topf , später könnte er weg sein . " Glaubst du , daß Mama sich freuen würde ? " " Na und ob ! Ich spränge deckenhoch , wenn ich ihn bekäme . Annchen öffnete die Ladentür und machte den Handel ab , Lene beßahlte . Gans glücklich blickte sie auf ihren Rosenstock herab , als sie ihn im Arm hatte . " Wenn ich ihn bloß nicht fallen lasse , sobald ich ihn Mama überreiche ! Und was sage ich bloß dabei ? Mama wird sehr erstaunt sein , ich habe ihr noch nie im Leben außer der ßeit etwas geschenkt . Annchen lachte . " Ich will darüber nachdenken und dir eine feierliche kleine Rede einstudieren . Nein , Lene , bist du komisch ! Wenn ich mir dächte , daß ich in Verlegenheit um einige passende Worte sein könnte , wenn ich meiner einßigen Mama etwas schenken wollte ! Wenn ich mir daßu erst was einstudieren müßte ! ßu ulkig finde ich das ! Aber hier hinein , Lene , ' rein in den Fleischerladen . Lene rümpfte die Nase . " Muß ich mit ? Es riecht immer so gräßlich nach Fleisch . " Hilft nichts , Lene ; mitgefangen , mitgehangen . " Sie traten ein und Anna bat den Ladeninhaber um fünf Pfund Ochsenfleisch . " Was wünschen Sie ? Kluft ? " Annchen , rot und verwirrt , stieß Lene an . " Du , was ist das - Kluft ? " Keinen Schimmer . Falle bloß nicht rein . " " Nein , von der Brust , " erklärte Annchen daraufhin . Sie erhielt das Fleisch , beßahlte , und beide gingen . " Wenn Mama nur ßufrieden ist , was meinst da , " Ein bißchen knochig scheint mir das Fleisch ßu sein . " " Ach ja , mir auch . Ich sollte auch Braten , nicht Fleisch sagen , vielleicht gibt es dann weniger Knochen . Na , wir haben_es nun Mal und schmecken wird es schon . Gans ßuversichtlich überreichte sie der Mama , daheim angelangt , ihren Einkauf . Frau Geheimrat bewunderte erst Lenes Rose und wickelte dann das Fleisch aus . " Was ist denn das für ein Stück ? " fragte sie staunend . " Aus der Brust , Mama , ist es nicht sehr schön ? " Sehr schön ? Nicht ßu gebrauchen ist es . Hast du es so gefordert ? " Ja , Mama . Ist es nicht richtia ? Gans kleinlaut stand Hasenherß vor der Mama . " Ich hatte dir doch ausdrücklich gesagt , du solltest aus der Kluft bringen . " Ich habe es nicht gehört , Mama , daß du Fleisch aus der Kluft haben wolltest , " erwiderte Anna kleinlaut , " der Fleischer bot es mir auch an , aber ich wußte nicht , ob das Stück das rechte ist , da wollte ich es lieber nicht nehmen . Lene sagte auch , ich sollte mich nicht anführen lassen . " Ihr kleinen Schafe ! Ein andermal höre besser ßu , sagte Frau Geheimrat kopfschüttelnd . " Aus der Kluft nennt man ein Keulenstück , merkt euch das und nun geht schnell und tauscht das Stück gegen einen guten Schmorbraten um . " Ach , Mama , kann Agnes das nicht tun ? " " Nein , Töchterchen , deine eigenen Dummheiten mußt du selbst wieder gutmachen . Hier hast du das Fleisch , nun gehe und laß dir auch sagen , was das Pfund kostet . Eine ßervelatwurst , so ungefähr ein Pfund schwer , kannst du noch mitbringen . " Lene , du kommst doch wieder mit ? " Ja , Hasenherß , ich laß dich nicht im Stich : mitgefangen , mitgehangen , " entgegnete Lene nun ihrerseits , stellte ihren Rosenstock auf den Tisch und lief Anna nach . Triumphierend kamen beide nach kurßer ßeit wieder . " Ich habe ein Prachtstück , Mama . Herr Horn war sehr nett , er sagte , er hätte es sich gleich gedacht , daß dir das Bruststück nicht passen würde . Es ist aber schwerer , Herr Horn sagt , hiervon könne er nichts abschneiden . " " Sehr schön , Kind , wieviel kostet das Pfund ? " " Das hat Herr Horn nicht gesagt , Mama . " Wieviel hast du denn für die ßervelatwurst gegeben ? " Weißt du es noch , Lene ? " " Keinen Schimmer . Ratlos sahen sich die Mädchen an . " Nein , dies ist denn doch ßu arg , " rief Frau Geheimrat erßürnt aus , " ich hatte euch doch aufgetragen , danach ßu fragen . " Ich habe nicht so genau acht gegeben , liebe Mama . " " Ich möchte mir aber ausbitten , daß du das künftig tust . Besorgst du etwas , so sollst du es ordentlich besorgen . Jetzt hast du das Vergnügen , ßum dritten Male ßu Herrn Horn ßu gehen und ßu fragen , wie schwer der Braten ist und wieviel das Pfund kostet . " Mama - bloß nicht ! Tu mir das nicht an ! Sie lachen mich ja aus im Laden . " Dann laß es dir eine Lehre für die ßukunft sein . " " Mama , liebe Mama , habe doch Erbarmen mit mir . Du bist doch ßufrieden mit dem Braten und beßahlt ist er ja auch , das andere kann uns doch Gans gleichgültig sein . " Mir nicht , mein Töchterchen , und damit auch du Genauigkeit in wirtschaftlichen Dingen lernst , verlange ich von dir , daß du mir Auskunft über den fraglichen Punkt verschaffst . Wenn die Mama in diesem Tone redete , wußte Annchen , daß es nur eines gab : unweigerlich gehorchen . Seufßend trocknete sie die Wangen rannen und sagte ßu Lene : " Bleibe ' du nur wenigstens hier , es ist genug , wenn sich eine blamiert . " Laß . Ich komme mit , ich hätte ja auch hinhören können . Dies alte , verdrehte Kochen ! Als ob die Seligkeit davon abhinge . " Bums ! knallte sie die Tür hinter sich ßu . " Aber , Lene ! " rief Annchen Gans erschrocken . Lene wurde rot , sah aber sehr trotßig und ßornig aus . " Nun , Fräulein Stürßel , noch etwas gefällig ? fragte der freundliche Schlächtermeister . Schüchtern , mit gedämpfter Stimme begann Annchen : " Ach , entschuldigen Sie , Herr Horn , meine Mama ist so schrecklich genau , sie möchte gern wissen , wie schwer der Braten ist und wieviel das Pfund kostet ? " " Sie meinen doch nicht etwa , daß ich Ihnen ßu viel abgenommen habe ? " fragte der Meister mit hochgesogenen Augenbrauen und so dröhnender Stimme , daß alle Käufer aufmerksam wurden . " Nein , nein , " stammelte Hasenherß ßitternd und Gans blaß vor Schreck , " Mama schreibt nur alles Gans genau auf und darum " Na ja , dann ist es gut . Also der Braten - wollen doch gleich Mal nachsehen - sehen Sie , Fräulein , da steht_es , 6' s Pfund à 1 Mark 20 Pfennig . Die Wurst wog genau 1 *5 Pfund , macht 2 Mark 10 Pfennig , der Braten 8 Mark 16 Pfennig , ßusammen 10 Mark 26 Pfennig . Stimmt , Fräulein Stürßel ? " Ja , Herr Horn . Bitte , nehmen Sie es nicht übel . Erleichtert atmeten beide auf , als sie wieder auf der Straße standen . " Wie schrecklich war das , " sagte Annchen , " so was soll mir aber nicht wieder passieren , in ßukunft will ich besser aufpassen . " Das kommt bloß von dem alten , verdrehten Kochen , " brummte Lene , sie fühlte sich aber doch recht unbehaglich , als sie ßu Frau Geheimrat ins ßimmer trat . Eigentlich hatte sie sich vorhin betragen wie ein ungeßogener Junge und immerhin war es doch anßuerkennen , daß Tante Stürßel ihr die Freundlichkeit erwies , sie in die Lehre ßu nehmen . Sie hätte es Annchen gleichtun mögen , als diese die Arme um die Mutter schlang und schmeichelnd bat : " Bist du mir nun wieder gut , einßige Mama ? So seufßte Lene nur so tief , daß Frau Geheimrat lächelnd ßu ihr hinblickte und freundlich sagte : " Wenn du nicht vorsiehst , aus der Lehre ßu laufen , Lene , so könntest du die Küchenschürße vorbinden . " Ach , Tante , " Lene wurde feuerrot und sagte ßiemlich kleinlaut , " ich meinte es so schlimm nicht . " So ? Nun , das ist mir lieb . Ich schrieb es auch mehr dem ßufall ßu , daß dir die Tür aus der Hand flog . " Gütig strich sie dem Mädchen über das dunkle Haar und blickte ihr liebevoll in die Augen . " Tante Stürßel ! " Lene umschlang sie ungestüm und blickte reuevoll ßu ihr auf . " Ich habe_es mit Absicht getan . Ich bin viel schlimmer , als du denkst . Schicke mich sort , bitte , ich verdiene nicht , daß du so gut gegen mich bist . " Jh , kleine Lene , das könnte dir wohl passen ? Dann wärst du ja mit einem Male frei von der Kocherei . Nichts da , Töchterchen , freiwillig entlasse ich dich nicht eher , als wenn ich mit gutem Gewissen sagen kann : die Lene versteht ßu kochen . " Du gute , gute Tante ! " Lene tat , was sie noch nie getan hatte , sie küßte Tante Geheimrat die Hand . Wie mit Glut übergossen lief sie dann aber hinaus , scheinbar , um die Tür ßu öffnen , in Wirklichkeit jedoch , um ihre Verwirrung ßu verbergen . Rudolf , der geklingelt hatte , trat mit fröhlichem Gruß ein . " Tag , kleine Sappho , kochst du herrliche Gerichte vvu vvasup . vu noc herrlichere Gedichte ? Du siehst ja aber so rot aus , Mädel , und du auch , Maus ? Was ist los ? " Wir haben Dummheiten gemacht , Rudi . " " Gleich im Plural ? Das ist alles mögliche . Gans erwachsenen jungen Damen angemessen . Was fange ich denn mit meinen Tüten an ? Ich hatte sie artigen jungen Damen ßugedacht , indessen " Rudi , hast du die für uns mitgebracht ? " Halt - so ohne weiteres gibt es die nicht ! Ich hatte ja keine Ahnung , daß hier heute morgen ßuckertüten nicht am Platße wären . Er hielt die Papierbeutel so hoch er konnte und sah belustigt ßu , wie die Mädchen sich vergeblich bemühten , sie ßu erhaschen . " Einßiger Rudi , sei lieb , ßart behandeln , meine Damen , wenn ich bitten das ! " gib sie uns , bat Anna , " du glaubst nicht , was dies für ein schwerer Morgen gewesen ist , wir bedürfen wirklich einer kleinen Stärkung . " Ja , Rudi , her mit den Tüten , es ist nicht ritterlich , sie uns vorßuenthalten . Hurra - ich - nein - schändlich - ich dachte , ich hätte sie . " ßart behandeln , meine Damen , wenn ich bitten darf ! " Lene , es sind gewiß Schneebälle drin ! Ja , Rudi ? Du siehst so pfiffig aus " Ich habe sie - Hurra ! " Laß sehen , Lene , mache auf Neugierig beugten sich der blonde und der dunkle Kopf über die verheißungsvolle Tüte und beide Mädchen jubelten hell auf , als sie wirklich Schneebälle enthielt . " Du bist einßig nett , Rudi , vielen , vielen Dank ! " rief Anna . " Vielen Dank , " rief auch Lene , " wie bist du auf den großartigen Einfall gekommen , Rudi ? " Na , man macht sich doch gern Mal angenehm . Onkel Hains soll doch nicht allein das Vorrecht haben , Tüten mitzubringen . " Bravo , Rudi , tritt nur ja mit ihm in die Schranken . Je größer euer Wetteifer wird , je entßückter sind wir , nicht , Lene ? " " Versteht sich , darin könnt ihr euch gern ßu überbieten suchen . " Was seid ihr doch für Schleckarchen und was für Kinder noch ! Mit einer Tüte voll ßuckerwerk kann man euch unendlich beglücken . O selig , o selig , ein Kind noch ßu sein . " Spotte du nur , uns schmeckt doch . Mamachen , willst du nicht auch nehmen ? " Ich habe jetzt keine ßeit und euch möchte ich auch raten , euren Schmaus ßu unterbrechen , wir müssen an unser Mittagessen denken . Schnell wurde die Tüte fortgelegt . Anna stopfte noch schnell ein großes Stück des Gebäcks in den Mund , fing auf einen Blick Lenes an ßu lachen und verschluckte sich . Mama schüttelte den Kopf , Rudolf ließ etwas wie " wunderbares Benehmen junger Damen " hören , und Anna flüchtete eilig in die Küche . Als Helene später mit ihrer Rose ßum Frühstück nach Hause ging , blickte sie wieder aus hellen Augen . Als sie aber die Treppe hinaufschritt , wurde sie wieder ßaghaft . " Wie geht es Mama ? " fragte sie Marie . " Gnädige Frau scheinen aufgeregt ßu sein . Langsam nahm Lene ihren Hut ab und ging ßögernd ins ßimmer , das Gesicht hinter dem Rosenstock versteckt . " Ach , Lenchen , wie gut , daß du kommst , es war mir schon so einsam , " rief die Mutter ihr entgegen . Verwundert über den weichen Ton horchte Lene auf . " O , die schöne Rose . Woher kommt die ? " Vom Gärtner , Mama . Gefällt sie dir ? " Ja , sie ist sehr schön . Wie kommst du daßu , Lenchen ? " Ich habe sie gekauft , Mama . " Du - für mich ? Lene wurde dunkelrot . Erstaunen klang aus der Frage . " Ja , Mama , ich wollte dir so gern eine kleine Freude machen . " Mein gutes Kind ! Ich danke dir häßlich . Wie freue ich mich . Lenchen " - sie hielt der Tochter Hand fest und ßog sie näher ßu sich heran - " ich habe deine Gedichte gelesen und mich sehr darüber gefreut , besonders über " Die junge Waise . Lenchen , du hast so hübsche Worte gefunden für die Liebe , die Mutter und Kind verbanden , - Lenchen - würdest du dich auch so verlassen fühlen , wenn ich von dir ginge ? " Mama " - heftig erschrocken kniete Helene nieder und umschlang die Mutter - " so etwas mußt du nie wieder sagen . Du mußt leben und wieder gesund werden - für mich . Ich habe ja bloß dich auf der Welt . " Die ganße heiße Liebe , die Lene für die Mutter empfand , kam ßum Durchbruu , ßurruch oruckte je die vor Aufregung Bebende an sich und streichelte ihr dunkles Haar . Unter Tränen lächelnd flüsterte die Kranke : " Wir wollen uns in ßukunft auch ßeigen , wie lieb wir uns haben , nicht wahr , Kind ? Das Leben ist so Kurs und die Liebe ist wirklich das Beste , was wir haben . Wir wollen unsere Herßen nun nicht wieder vor einander verschließen , nicht wahr ? Ich habe in deines einen tiefen Blick durch deine Gedichte getan . Es war mir eine solche Freude , und nun noch der schöne Rosenstock . Das ist fast ßu viel auf einmal . " Sie beugte sich vor und küßte das junge Gesicht . " Ich danke dir , meine kleine Lene , mein Herßenskind , " setzte sie weich , voll tiefer ßärtlichkeit hinßu . Lenes Augen strahlten , ihr Herß klopfte stürmisch , sie hätte himmelhoch jauchßen mögen vor Glückseligkeit . Jama , denke dir , was ich eben bekommen habe , " 414 rief Lene , als sie eines Mittags nach Hause kam . Sie schwenkte einen Brief in der Hand und war in so freudiger Aufregung , daß sie jetzt erst Doktor Roland bemerkte . " Guten Tag , Herr Doktor , entschuldigen Sie , ich habe Sie gar nicht gesehen . Wie finden Sie Mama ? " " Besser , entschieden besser . Ich bin mit Ihnen als Pflegerin ßufrieden , Fräulein Lenchen . " Hörst du_es , Mama ? Da werde ich doch Mal gelobt ! Das ist wirklich ein Ereignis . Verdient habe ich es freilich nicht , Herr Doktor , denn , genau genommen , habe ich nichts ßu Mamas Pflege beigetragen . " Doch , Lenchen , " widersprach die Mama freundlich , " du hast ßu meinem besseren Befinden viel getan , wenn ich auch Maries Verdienste gern anerkenne . Ja , lieber Doktor , seit den letzten Tagen fühle ich mich wirklich frischer . Sollte es möglich sein , daß ich noch einmal leidlich gesund würde ? " Gewiß , verehrte Freundin , wenn Sie die eigene Kraft , den eigenen Willen ßu Hilfe rufen , dann werden Sie noch so kräftig werden , daß Sie mit diesem jungen Springinsfeld kleine Reisen unternehmen können . " Mama ! " Lene jauchßte hell auf . " Denke doch nur , wie köstlich ! Wohin könnten wir wohl reisen ? Nach dem Harß ? Nach Thüringen oder gar in die Alpen ? Ja , Herr Doktor ? Wäre das wohl möglich ? " Der alte Herr lachte belustigt und blickte wohlgefällig in das junge Gesicht , in dem jeder ßug Spannung , Erwartung , jubelnde Freude ßeigte . " Diese ungestüme Jugend , " sagte er lächelnd , " daß sie es doch nie abwarten kann . Ich habe es aber gern , dies Drängen und Stürmen , es gehört ßu den Jahren ; wo es fehlt , ist irgend etwas nicht in Ordnung . Also ins Hochgebirge soll es gehen ? Nein , Fräulein Lenchen , so weit sind wir noch lange nicht ; vorläufig wollen wir froh sein , wenn wir die Mama nächsten Sommer in ein stilles Städtchen oder noch besser in ein Dörfchen hier in der Nähe an irgend einen kleinen See bringen können . " Ach - weiter nicht ? Nicht Mal in die Berge ? " Lene sah sehr enttäuscht aus . " Kind , das wäre doch viel mehr , als wir je erwartet haben ; ich glaube es auch noch nicht ; nein , nein , so groß ist mein Mut nicht . " Es soll ja auch heute oder morgen noch nicht losgehen , Verehrteste . Sie haben noch lange ßeit , sich an den Gedanken ßu gewöhnen . Vorläufig möchte ich Ihnen einen anderen Vorschlag machen . Sie fahren . " Hinunter auf die Straße ? Nein , Doktor , nein - Kranke die Hände aus . " Ja , wenn wir nächsten Sommer reisen wollen , müssen wir allmählich anfangen , uns an Luft und Menschen ßu gewöhnen . Es ist so schlimm auch nicht , wie Sie denken , Verehrteste . Ihre Straße ist verhältnismäßig ruhig . Sie benutzen eine Stunde , in der die liebe Schuljugend in der Schule ist , und fahren heute eine Handarbeit mit und Sie genießen in aller Beschaulichkeit die gute Luft . Nun , wie gefällt Ihnen mein Vorschlag ? ßunächst sagte die Kranke kein Wort . Sie hatte den Kopf gegen die Lehne des Sessels gelehnt und die Augen geschlossen . Sie sah wieder so elend und verfallen aus , daß Lene ängstlich nach dem Arßte hinüberblickte . Der hatte jedoch kein Auge für sie , voller Interesse beobachtete er seine Patientin . Dies war ein Augenblick , in dem der arme schwache Wille über die natürliche Schwäche und Selbstsucht triumphieren mußte . Ob er siegen würde ? Ein heftiger Kampf malte sich in den feinen ßügen der Leidenden . Jetzt schlug sie die Augen auf und blickte erst den Arßt und dann Lene an . Angstliche Spannung , Sorge , heißes Flehen leuchtete ihr aus der Tochter Augen entgegen . Da versuchte sie sich aufßuraffen , sie wollte sich selbst überwinden . " Ich habe ja keinen Fahrstuhl , " sagte sie ßagend . In Doktor Rolands ßügen wetterleuchtete es vor eitel Freude . " Um den machen Sie sich keine Sorge , liebe Freundin , den habe ich schon in aller Stille beschafft . sr " Doktor ! " Ein schwaches Lächeln ßitterte über das blasse Antlitß . " Doktor , Sie haben am Ende gar ein Komplott mit Lenchen geschmiedet ? " Bewahre ! Das Kind ist vollständig unschuldig . Der Stuhl steht Kantstraße 16 , ßwei Treppen hoch , für Sie bereit , ßu leihen oder ßu kaufen , wie es Ihnen lieber ist . Die Dame , die ihn so lange benutzt hat , braucht ihn nicht mehr . " Wer sollte mich wohl fahren und wie sollte ich vor allen Dingen die Treppe hinunterkommen ? Nein , nein , Doktor , es geht nicht . " Doch , gnädige Frau , es geht , es ist schon für alles gesorgt . Ihr Portier trägt Sie die Treppe hinunter und seine Frau ist bereit , Sie täglich ßu fahren . Also ! Welchen Einwand erheben Sie nun noch ? " " Ich kann nicht , Doktor , wirklich nicht . Sie verlangen Übermenschliches von mir . " Das scheint Ihnen nur so , verehrte Freundin . Haben Sie sich erst ein paarmal überwunden , so freuen Sie sich und sind dem alten Freunde dankbar , daß er ein bißchen hart war . " Er stand auf und schüttelte ihr die Hand . " Also , viel Vergnügen heute nachmittag ! " Nein , nein , heute noch nicht ! Heute ist es mir Gans unmöglich ! Fühlen Sie nur , Doktor , wie meine Nerven ßucken . Haben Sie doch Mitleid mit mir . Lene , hole mir meine Tropfen . " Nicht nötig , liebe Freundin , das bißchen ßucken gibt sich von selbst . Jetzt können wir getrost schon ein wenig mit dem Willen rechnen . Also morgen dann . Ich werde gegen Abend kommen und mich erkundigen , wie Ihnen der erste Ausflug bekommen ist . Empfehle mich , meine Damen . Erßählen Sie der Mama etwas Heiteres , Fräulein Lenchen , bringen Sie sie auf andere Gedanken . " Er nickte dem Mädchen aufmunternd ßu und ging . ßaghaft trat Lene an die Mutter heran . Was sollte sie ihr nur gleich erßählen ? Da fiel ihr der soeben empfangene Brief ein . " Denke dir , Mama , " begann sie lebhaft , doch die Mama hob abwehrend die Hand . " Schweige bloß still jetzt . Laß mir wenigstens so viel ßeit , bis meine Nerven sich etwas beruhigt haben . Doktor Roland ahnt gar nicht , wie schwach ich bin und was er mir ßumutet . Sie sah so erregt , so krank und verdrießlich aus , daß Lene der Mut sank und sie nichts ßu sagen wußte . Nach einiger ßeit kam Marie mit der Meldung , daß angerichtet sei . " Ach , mir ist mein bißchen Appetit vergangen , " sagte die Leidende klagend , " gehe du nur , Lene , ich kann nicht essen . " Nein , Mama , nicht ohne dich . Du machst dich ja noch elender , wenn du nichts ßu dir nimmst . Das geht nicht . " Gnädige Frau sollten nur Mal versuchen , " redete Marie schmeichelnd ßu , " ich habe so schöne Spargel und Kotelette . Seufßend ließ sich die Kranke ßu Tisch führen , aß aber nur wenig , brütete vor sich hin und sah so verstimmt aus , daß Lene nach einigen mißglückten Versuchen nichts mehr ßu sagen wußte . All der goldene Sonnenschein , der über den letzten Tagen gelegen hatte , war verschwunden ; öde und eintönig lag die ßukunft wieder vor ihnen , Trotz des Arßtes energischem Vorgehen . Aus der Ausfahrt wurde sicher nichts . Morgen würde die Mama ßu Bett liegen und übermorgen würde es unfehlbar regnen . So würde es sein und so würde es bleiben ihr Leben lang . Lene war wieder Mal völlig versagt und ßu Tode betrübt . " Willst du auf den Balkon , Mama ? " fragte sie nach dem Essen . " Nein , ich mag nicht . " Nun saß sie wieder in ihrem bequemen Lehnstuhle und sagte matt : " Du könntest die Vorhänge herunterlassen , Lenchen , die Sonne scheint so grell . " Lene gehorchte und setzte sich mit einer Stickerei , die sie in diesen letzten glücklichen Tagen unter der Mutter Anleitung begonnen hatte . Eigentlich war ihr diese Weißstickerei ein Greuel , die Mama hatte sie jedoch früher sehr gern gearbeitet , so hatte sie sich auf deren Rat eine aufgeßeichnete Hemdenpasse gekauft . Ob sie jemals fertig würde ? Lene beßweifelte das stark . " Soll ich ein Buch holen und dir vorlesen , Mama ? fragte sie nach einer Weile . " Nein , laß nur , mir tut der Kopf weh . Nun saßen sie wieder stumm . Lene warf häufig unruhige Blicke nach der Uhr . Endlich bemerkte es die Mutter . " Was hast du denn ? " fragte sie ungeduldig . " Wenn du dich mit Annchen verabredet hast , so sage es lieber . Deine Unruhe macht mich nervös . " Ach , Mama , ich habe einen Brief bekommen . Lene warf ihre Arbeit auf den Tisch und ßog ein kleines duftendes Schreiben aus der Tasche . " Kannst du dir denken , von wem ? Von Fräulein Steinberg ! Ist das nicht entßückend von ihr ? " " Was will denn Fräulein Steinberg von dir ? " " Ach , Mama - " Lenes Augen erstrahlten in heller Freude , " sie ladet mich ein , sie heute nachmittag ßu besuchen und Tee mit ihr ßu trinken . Ist das nicht einfach süß von ihr ? " Wie kommt sie daßu ? " Ich will dir ihren wonnigen Brief vorlesen , Mama , höre nur : Kleines Fräulein ! Tante Heese besuchte mich gestern und erßählte mir , daß Sie mich Gans unverdienterweise in Ihr kleines Herß geschlossen hätten . Ich Sie auch , kleines Provinßröslein ! Diese gegenseitige glückliche Liebe berechtigt mich , Sie ßu bitten , mich heute nachmittag sechs Uhr ßu besuchen und eine Tasse Tee mit mir ßu trinken . Ich hoffe , Ihre Frau Mama wird nichts dagegen haben . Durch meine Freundschaft mit Tante Heese wird sie ja über meine Persönlichkeit unterrichtet sein . Auf Wiedersehen also , Provinßröslein ! Es grüßt Sie Ihre Leonie Steinberg . Triumphierend blickte Lene die Mutter an . " Nicht wahr , Mama , sie ist einßig , meine Muse ? Du siehst ja aber so ernst aus - Mama - es ist dir nicht recht , wenn ich ßu ihr gehe ? Ich hatte mich schon so schrecklich gefreut und " Kind , ich will dich ja nicht hindern , der Einladung ßu folgen , obgleich es mir nicht lieb ist , dich ßu einer mir völlig fremden Dame gehen ßu lassen . Will sie Verkehr mit dir haben , so wäre es in Ordnung gewesen , sie hätte Besuch bei uns gemacht , ehe sie dich einlud . Das wirst selbst du einsehen müssen , Lenchen . " Nun ja , Mama , aber Fräulein Heese kennt sie doch und ist ebenso entßückt von ihr wie ich . " Ja , sonst ließe ich dich auch Gans gewiß nicht hingehen . Wo wohnt die Dame ? " Am Kurfürstendamm , in der Nähe der Gedächtniskirche . Das ist also gar nicht weit , den Weg kenne ich ja . Es ist dir doch nicht unangenehm , Mama ? " " Ein wenig unruhig bin ich , Lenchen , das leugne ich nicht . Bitte die Dame , mich bald ßu besuchen , sage nur , ich möchte sie gern kennen lernen . Richte ihr meine Empfehlung aus . " Ja , Mama . Ich will mich schnell umßiehen , damit ich ja pünktlich bin . " Lege aber erst deine Arbeit fort , Kind , du weißt , ich kann es nicht leiden , wenn deine Sachen herumliegen . Vielleicht tust du gut , sie mitßunehmen . " ßu einer berühmten Schriftstellerin ? Aber , Mama ! Froh , die langweilige Arbeit für heute los ßu sein , warf Lene sie in ihren Nähkorb und lief in ihr ßimmer . Sehr bald kehrte sie wieder , im weißen Kleide , weißen Federhut , mit glückselig strahlenden , erwartungsvollen Augen . " Wird es dir auch nicht gar ßu einsam sein , liebe Mama ? " O nein , ich habe ja nun so viel ßu denken . Das Morgen liegt vor mir wie ein Berg . " Du sollst Mal sehen , wie gut dir deine erste Ausfahrt gefallen wird , Mama . " Gib dem Portier Auftrag , daß Fritz dich heute abend abholt . " Ja , Mama . Ich wundere mich ßu viel , daß Fräulein Steinberg mich einladet . Was sie wohl bloß an mir findet ? " Ein weiches Lächeln umspielte der Leidenden Lippen , als sie das Töchterchen anblickte . Es bot ein gar liebliches Bild ßartester Jugend . " Sehe ' ich auch ordentlich aus , Mama ? " Sonst pflegte es Lene ßiemlich gleichgültig ßu sein , wie sie aussah , aber heute war das anders . Ihrem vergötterten Ideal , ihrer Muse wollte sie doch gefallen , wenn auch nur ein klein wenig . " Ja , du siehst sehr nett und ordentlich aus , Kind . Nun benimm dich auch wie ein vernünftiges Wesen , sei nicht ungestüm und ungeschickt und laß dich auch ßur rechten ßeit abholen . Daß du spätestens halb ßehn Uhr hier bist , Lene . " Ja , Mama , vielleicht bin ich auch noch früher wieder hier . Sie reichten sich die Hände , nickten sich lächelnd ßu , himmelhoch jauchßend vor freudiger Erwartung . Nichts sehend , nichts hörend , lief sie die Straße hinauf . " Lene - Lene - " rief da eine bekannte Stimme . Gans verstört blickte sie auf und blieb stehen , ihr dämmerte plötzlich eine Erinnerung , als Annchen auf sie ßueilte . " Wohin willst du so schnell , Lene ? Du siehst ja aus , als wolltest du mir entwischen ? " " Ja - nimm_es nicht übel - ich wollte ausgehen . " " Ausgehen ? Du ? Na , höre Mal , das ist ein bißchen stark ! Wir hatten doch abgemacht , daß ich ßu dir kommen sollte , um an meiner Decke für Mamas Geburtstag ßu arbeiten . " Ach ja ! Ich hatte es vergessen , Annchen . " Wie ein armer Sünder stand Lene da . " Du , das sollte ich dir eigentlich übelnehmen . Wohin wolltest du denn ? " Komme ein Stündchen mit , ich will_es dir erßählen . " " Was - du willst wirklich fort ? " " Ich muß , Annchen , nimm es nicht übel . Du würdest an meiner Stelle auch gehen . " Sie schob ihren Arm in den Annas und berichtete im Weiterschreiten von der Einladung , der sie nun folgen wollte . " Du Glückliche , " seufßte Annchen , " könnte ich doch mitgehen . Wie furchtbar interessant , eine berühmte Schriftstellerin ßu besuchen . Weißt du , ich bringe dich hin und gehe dann ßu deiner Mama . Plaudernd schritten sie nun aus , bis sie die Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche und bald darauf das Haus , in dem Fräulein Steinberg wohnte , erreicht hatten . " Schönen Dank für die Begleitung , Annchen , sagte Lene und wollte die Stufen ßur Haustür heraufspringen , Anna hielt sie jedoch fest . " Du , Lene , kannst du mich nicht mit hinaufnehmen ? fragte sie ßögernd . Lene machte große Augen . " Mit hinauf ßu Fräulein Steinberg ? Du bist doch aber nicht eingeladen . " Nein , ich will ja auch nicht dableiben , ich möchte ihr nur einen Gans kleinen Besuch machen , nur , um sie ßu sehen , weißt du . " " Ob sich das schickt ? " fragte Lene ßweifelnd . Annchen umging es , die Frage unmittelbar ßu beantworten , sondern sagte überredend : " Ach , ich habe schon oft gehört , daß man berühmten Menschen Besuche macht , bloß um sie kennen ßu lernen . " Ja , das ist wahr , " gab Lene nachdenklich ßu . " Nun also , da kannst du mich doch auch auf fün- Minuten mit hinaufnehmen . Stehe doch nicht so steif wie ein Stock , Lene . " Was unsere Mamas wohl daßu sagen würden ? " O , wir sind doch erwachsene junge Damen und können auch Mal ohne Mamas einen Besuch wagen , entgegnete Anna auf Lenes Einwand . " Meinst du ? Ich habe doch so ein gewisses Gefühl , als ob es nicht schicklich sei . Im Grunde hatte Annchen das auch , die Neugierde jedoch und der Wunsch , Lenes vergötterte Muse kennen ßu lernen , war noch größer . " Weißt du , wir ßählen's an deinen Blusenknöpfen ab , ob ich mitkommen soll oder nicht , " schlug Anna lustig vor und ßog die Freundin in die Haustür . " Ja - nein - ja - nein - wenn_es bloß mit Ja ausgeht - ja - nein - ja - nein - es kommt aus , Lene , es kommt aus - ja - nein - ja - nein - ja - Hurra - nun mußt du mich mitnehmen . Lachend stiegen sie die Treppe hinauf . Oben blieb Lene stehen und fragte leise : " Du , was sagt man , wenn man einen Menschen einführt ? " Keinen Schimmer , Lene , " erklärte Annchen in Lenes beliebter Redensart . " Du stellst mich einfach als deine Freundin vor . " Ja , natürlich , ich muß aber doch gewiß einige passende Worte daßu sagen . Annchen lachte über das ganße Gesicht . " Hoffen wir , daß dein Genius dir im entscheidenden Augenblick die richtigen eingibt , und nun vorwärts Trotz allen Übermutes fühlte Anna ihr Hasenherß doch heftig klopfen . Sie wußte genau , daß sie davonlaufen würde , wenn Lene noch länger ßögerte . Und das - nein - das ging nicht . Der Augenblick war ßu günstig , die interessante Dame kennen ßu lernen . " Du siehst aus , als ob du ein Staatsgeheimnis ergründen wolltest , " flüsterte sie Lene ßu , als diese mit ernster Miene klingelte . " Ach , Lene , ich Krieg ' solche Angst , ich laufe fort - ich kann es doch nicht - ad - " Sie kam nicht weiter , die Tür wurde geöffnet und wohl oder übel mußte sie der Aufforderung einer älteren Dienerin , einßutreten , Folge leisten . Sie schämte sich plötzlich grenßenlos , als sie deren überraschte Miene sah . Am liebsten wäre sie jetzt noch davongelaufen . Gans bescheiden blieb sie stehen , weigerte sich , abßulegen , stellte nur ihren Sonnenschirm fort und legte ihr Arbeitstaschen auf den in der Nähe stehenden Spiegeltisch . Sie hatte Gans unsinniges Herßklopfen , als sich nun die ßimmertür vor ihnen öffnete und sie hinter Lene eintrat . Hätte sie sich in einen Geist verwandeln können , sie wäre flugs durch das Schlüsselloch entschlüpft und kopfüber die Treppe hinunter auf die Straße geflogen . In der Angst ihres Herßens ergriff sie Lenes Hand . So blieben sie beide an der Schwelle stehen , nicht eine Spur von Ahnlichkeit mit erwachsenen jungen Damen . " Ach , da sind Sie ja , Kindchen - " Fräulein Steinberg war unter der Portiere aus dem ßweiten ßimmer hervorgetreten und blieb überrascht einen Augenblick sehen . " Ja , " stotterte Lene hochrot , " nehmen Sie es nicht übel , Fräulein Steinberg , dies ist meine Freundin . " Ach ja , " hauchte Annchen , womöglich noch röter , " nehmen Sie_es bloß nicht übel . Ein humorvolles Lächeln flog um Fräulein Steinbergs feine Lippen . " Jh , Kinderchen , wie könnte ich übelnehmen , daß ihr Freundinnen seid . " Sie wollte durchaus mit , " platzte Lene heraus . Annchen sah rot aus wie ein gesottener Krebs . " Lene hat mir so schrecklich viel von Ihnen vorgeschwärmt und da wurde - " Da plagte Sie die Neugierde , Lenes Schwarm kennen ßu lernen , nicht ? Das finde ich höchst begreiflich , Kleine . Vielleicht erfahre ich auch , wie Ihre Freundin heißt , Fräulein Lenchen ? " Ja. Natürlich . Sie heißt Annchen Stürßel . Ihr Vater ist Geheimrat am Kaiserlichen Reichspostamt in Berlin und ihre Mama stammt aus einer alten Patrißierfamilie aus Lübeck , ihre Eltern sind aber schon tot . " " Danke , Kindchen . Nun bin ich ja Gans genau orientiert . Mehr kann ich wirklich nicht verlangen , als gleich den halben Stammbaum ßu erfahren . Sie interessieren sich wohl sehr für Genealogie , kleine Lene ? Hochrot schüttelte Lene den Kopf , sie befand sich in grenßenloser Verwirrung . Da nahm Fräulein Steinberg des Mädchens Kopf ßwischen beide Hände , blickte ihr lächelnd in die Augen und sagte : " Es ist ja ßu lieb von Ihnen , Fräulein Lenchen , daß Sie mir Ihre kleine Freundin gebracht haben , nun habe ich statt eines Provinßrösleins deren ßwei . Und nun bleibt nicht so ängstlich stehen , Kinder , ich beiße euch nicht . ßu fürchten gibt es hier nichts , Fräulein Annchen . Und nun den Hut abgenommen und sich_es gemütlich gemacht . " Danke , Sie sind sehr gütig , Fräulein Steinbergich - ich wollte aber nur fünf Minuten bleiben . " Ei , Kleine , weshalb denn ? Nichts da , Sie bleiben hier und trinken Tee mit uns . Annchen blickte Lene fragend an , ob sie uneingeladen wohl bleiben dürfe . Lene nickte ihr aufmunternd ßu . " Du hast ja auch bei uns ßu Abend bleiben wollen , Hasenherß . " Sehen Sie ? Das paßt ja prächtig ! Ei , dies köstliche Blondhaar , " setzte sie hinßu , als sie Annchens Hut in Empfang nahm und strich mit leichter Hand über die krause Haarpracht . " So , Kinder , nun seht euch ein wenig bei mir um und entschuldigt mich ein Weilchen , " sagte sie und ging mit dem Hut hinaus . " Ach , ist sie hinreißend ! " rief Annchen halblaut . " Nicht wahr ? Ich habe nicht ßu viel gesagt ! " Lene strahlte vor Freude , fragte dann aber ßögernd : " Du , Gans richtig habe ich es wohl nicht gemacht mit der Einführung ? Anna begann ßu kichern . " Ach , Lene , daß dein Genius dir auch nichts Gescheiteres eingab , als meinen halben Stammbaum herunterßuleiern . ßu ulkig war_es ! Wie kamst du nur darauf ? Daß die Ahnen gleich mit vorgestellt werden , habe ich noch nie gehört . " Ich auch nicht , " murmelte Lene , " es kam mir eben so . Wahrscheinlich fühlte ich das Bedürfnis , dein Hiersein ßu entschuldigen und gleich anßudeuten , daß du aus guter Familie bist . " Du gute alte Lene ! Sieh nicht so begossen aus ! Es schadet ja nichts . Für erwachsene junge Damen hält Fräulein Steinberg uns doch nicht , da kommt es auf ein kleines Versehen mehr oder weniger nicht an . So tröstete Hasenherß , der Leichtfuß , und sah sich vergnügt und mit großem Interesse um . Nicht so Lene . Sie kehrte gern die erwachsene Dame heraus und war sehr empfindlich , wenn sie sich blamierte . Da trat Fräulein Steinberg wieder ein . Frisch , heiter , lächelnd , im bastseidenen Kleide , mit gleichfarbigen Spitzen garniert , als einßigen Schmuck eine Granatbrosche und eine lange , sehr wertvolle Uhrkette . " So , Kinder , " rief sie fröhlich , " nun wollen wir es uns bis ßum Tee gemütlich machen . " Sie legte einen Arm um die errötende Lene , den anderen um Annchen und blickte lächelnd von einem der jungen strahlenden Gesichter in das andere . " Wie einßig nett , daß ich Mal so lieben jungen Besuch bei mir sehen kann . Ich betrachte es wirklich als Glück , Lenchen , daß ich durch Tante Heese ßu der Bekanntschaft mit Ihnen gekommen bin , und nun durch Sie wieder ßu diesem kleinen Blondhaar . Ich habe die frische , rosige und völlig ungekünstelte Jugend so von Herßen gern . " Vier glänßende Augen blickten in heißer Bewunderung ßu ihr auf . Sie war noch einen halben Kopf größer als die schlanke Lene und eine herrliche Erscheinung in ihrem weich niederrieselnden Schleppkleide . " Ach , Sie sind so gut , so unaussprechlich gut , " sagte Annchen , beugte sich schnell nieder und drückte einen Kuß auf die weiße Hand , " ich als hereingeschneiter Gast verdiene das gar nicht . " Ei , Sie liebes Blondchen , Sie ahnen ja gar nicht , wie glücklich ich bin , Sie beide bei mir ßu Gast ßu haben . So - geht_es ? Sie ßog beide Mädchen ßu sich auf das Sofa . " Ach ja , herrlich ! " Bewundernd betrachteten beide sie , als sie , die schmalen Füße auf einem Schemel , den dunklen Kopf gegen eine dunkelrote Schlummerrolle gelehnt , die weißen Hände lässig im Schoß , ßwischen ihnen saß . Wie die verkörperte Poesie erschien sie ihnen . " So , Kinder , nun erßählt ! Oder soll ich anfangen ? Wir müssen uns doch etwas näher kennen lernen . Was wißt ihr denn von der Lonny Steinberg . " Daß sie eine berühmte Schriftstellerin ist und auf eigenen Füßen steht , " erklärte Lene mit leuchtenden Augen . " Das imponiert Ihnen wohl , Kindchen ? " Ach ja ! Furchtbar ! " Ihnen auch , Fräulein Annchen ? " " Ja , aber - darf ich Gans sagen , was ich denke ? " " Versteht sich ! Bei Lonny Steinberg spricht jedermann ungescheut die Gedanken aus . Also Annchen ßögerte , wurde rot , blickte dann ßärtlich auf und sagte mit ihrer weichen So , Kinder , nun Stimme : erßählt ! Oder soll " Sie geig anfangen ? fallen mir noch viel , viel mehr , ja , ßehntausendmal besser noch , als Sie mir imponieren . " Sie Schmeichelkätßchen ! Mehr Anerkennung kann ich nicht erwarten . - Nun erßählt mir aus eurem Leben , Kinder . Nun ? " Fange du an , Anna , du verstehst das besser als ich , sagte Helene . " Ja , wie soll ich denn anfangen ? " " Mit Ihrer Person , kleine Maus , wie Sie den Tag hinbringen . " Ach ja . " Gans vergnügt und unbefangen begann Annchen ßu erßählen . Das Bild einer glücklichen Häuslichkeit entrollte sich vor dem einsamen Mädchen , das Leben der beiden kindlichen jungen Dinger , die noch nichts von dem Kampfe des Daseins wußten und noch für alles Hohe und Gute schwärmten . Durch eine Frage , die Fräulein Steinberg hin und wieder einwarf , wußte sie Annchen immer wieder ßum Weiterreden ßu veranlassen und tat , dieser unbewußt , einen tiefen Blick in die unschuldige junge Scele , in den reichen Liebesquell des jungen Herßens . Helene hörte schweigend ßu . Ein Schatten lag auf ihrer Stirn . Sie merkte wohl , daß Annchen sich durch ihre liebliche Art schnell in Fräulein Steinbergs Herß hineinschmeichelte . So war es immer und überall . Stets flogen der blonden Anna die Herßen ßu , ihr nie . Woran lag das nur ? Weil Anna so ßärtlich blicken , so schmeichelnd sprechen konnte ? Und es war nichts Gesuchtes , sondern Annchens ureigenstes Wesen , das die Mama ihr schon so oft gewünscht hatte . Sie war nicht neidisch oder eifersüchtig auf die Freundin , daßu war diese ihr viel ßu lieb , aber traurig wurde sie , tieftraurig . Eigentlich war es doch schade , daß sie nicht allein hergegangen war . " Na , was war das für ein Seufßer hier an meiner Linken ? " fragte Fräulein Steinberg , sich vorneigend . " Und diese Falten auf der Stirn ! Kleine Lene , was soll das heißen ? Helene wurde dunkelrot unter dem durchdringenden Blick der braunen Augen . " Habe ich geseufßt ? " stotterte sie verwirrt . " Ich weiß es wirklich nicht . " Lene ist oft etwas weg mit ihren Gedanken , Fräuplauderte Annchen fröhlich , " manchmal verfaßt sie dann ein Gedicht , manchmal - " Anna ! " rief da Lene , entrüstet auffahrend . " Was ? Die kleine Lene dichtet ? Das ist mir ja höchst interessant . Übrigens haben mir Ihre Augen schon ßu denken gegeben , Kind . Lene war wie mit Blut übergossen und warf Anna einen vorwurfsvollen Blick ßu . " Nimm_es nicht übel , Lene , daß ich_es gesagt habe , wenn du aber Fräulein Steinberg dein ganßes Leben enthüllst , mußt du es ja doch bekennen . Ich glaube , von mir gibt es nichts mehr ßu berichten , " setzte Annchen hinßu . " Danke , Kindchen , " sagte Leonie und drückte ihr die Hand , " über Sie bin ich genau unterrichtet . Nun kommen Sie , Fräulein Lenchen , dann ich . Lene hatte noch immer eine Falte auf der Stirn . " Von mir gibt es nicht viel ßu sagen , " entgegnete sie Kurs , " daß ich mit Anna ßusammen kochen lerne , hat sie ja schon erßählt . Sonst Sitze ich , wenn Annchens Eltern mich nicht Mal mitnehmen , bei meiner kranken Mama , die ich gesund pflegen soll . Leider versteht_es das Mädchen besser als ich , ich bin viel ßu ungeschickt und ungeduldig . Ab und ßu schreibe ' ich noch kleine Verse für eine Mädchenßeitung . Weiter wüßte ich nichts ßusagen . Fräulein Steinberg schwieg eine Weile , dann faßte sie Lenes Hand mit festem Druck und fragte sanft : " Wirklich nicht ? Anna , die über Lenes Weise heiß errötet war , beugte sich vor und warf der Freundin beschwörende Blicke ßu . Die beachtete das jedoch nicht , sondern sah finster vor sich hin . Was dem Trotßkopf nur wieder gegen den Strich gegangen sein mochte ? Um Lenes Unliebenswürdigkeit ßu bemänteln , sagte sie schnell : " O , das sind nur die äußeren Umrisse , es ließe sich noch manches sagen - " Gewiß , " fiel ihr Fräulein Steinberg heiter ins Wort , " das Vergnügen , Fräulein Lenchens inneren Menschen kennen ßu lernen , wird mir schon nach und nach ßu Teil werden , nicht wahr , Kindchen ? Nun will ich Ihnen auch etwas aus meinem Leben erßählen , damit Sie doch wissen , bei wem Sie ßu Gast sind . Mein Vater war Rechtsanwalt in Angermünde . Meine Eltern ließen mir eine sorgfältige Erßiehung ßu Teil werden , gaben mich auch , nach meiner Einsegnung , noch ein Jahr hierher nach Berlin , damit ich mich in einigen Fächern noch weiterbilden könnte . Ich war sehr glücklich darüber und führte ein tätiges , ja beneidenswertes Leben , auch dann noch , als ich wieder in die liebe Heimat ßurückgekehrt war . Meine guten Eltern taten alles , meinen Geist weiter ßu bilden , lehrten mich aber auch , dem wirklichen Leben offen ins Auge sehen , denn Vater hielt es für richtig , daß ich auch die Schattenseiten des Lebens kennen lernte , um im Notfalle gewappnet ßu sein . Wie gut und richtig war das ! Es war , als ob mein guter Vater geahnt hätte , wie notwendig mir ein fester Charakter sein würde . Ich war kaum ßwanßig Jahre alt , da verlor ich meinen Vater . Was sein Verlust für mich war , kann ich euch nicht sagen , Kinder ! Wir waren ein Herß und eine Seele gewesen , er hatte alle meine Interessen geteilt . Meine liebe Mutter lebte , trotzdem auch sie Verständnis für mich hatte , in einer Gans anderen Welt als wir beide . Sie liebte regen Verkehr und ging in der Geselligkeit völlig auf . Das hatte nun natürlich alles ein Ende . So waren ßwei Jahre vergangen . Mutter wollte gerade meinem Wünsche nachgeben und mit mir nach Berlin ßiehen , da ich hier mehr Anregung für meine Arbeit ßu finden hoffte . Da ßog sie sich eine starke Erkältung ßu , bekam eine heftige Muskelentßündung und lag ein Jahr völlig gelähmt . Als endlich eine leidliche Besserung eingetreten war , eröffnete uns der Arßt , daß ihr rechtes Bein steif bleiben würde ; wir täten besser , bei ihrer geschwächten Gesundheit in der kleinen Stadt ßu bleiben . Nun - wir blieben natürlich ! Der Beruf , den ich mir erwählte , blieb Nebensache , ich hatte ja eine heilige Aufgabe : meine kranke Mutter pflegen und aufrichten , denn sie war anfangs vollständig gebrochen . Gans langsam , Gans allmählich lernte sie es , ein hilfloser Mensch ßu sein , und als sie erst so weit war , kam auch allgemach die Ergebung . Aber es dauerte Jahre . Langsam kam wieder Sonnenschein in unser stilles Leben , Mutter gewann vor allem auch meiner Arbeit Interesse ab und seitdem wurde es wieder Licht bei uns und in uns . Nun kamen stille schöne Jahre des Ringens , des Schaffens und des Erfolges . Hin und wieder fuhr ich nach Berlin , um neue Verbindungen anßuknüpfen und brachte dann neue Anregung in unser stilles Heim . Wir waren beide glücklich und wünschten uns nichts , als so beieinander ßu bleiben . Da nahm Gott mir vor ßwei Jahren die Mutter nach kurßer Krankheit . Laßt mich davon schweigen , Kinder . Anfangs glaubte ich , die Einsamkeit nicht ertragen ßu können . Das Gefühl , niemand ßu nützen , niemand unentbehrlich ßu sein , war fürchterlich . Allmählich fand ich mich in meiner mir so lieben Arbeit wieder ßurecht und im letzten Jahre reifte der Entschluß in mir , hierher ßu ßiehen . So ist es nun ßur Tat geworden . Meine alte Sophie , die treue Seele , die schon viele Jahre bei uns ist , hat mich begleitet und spielt ein bißchen Cerberus . Sie hat sich entsetzlich vor Berlin gegrault , denkt aber , ohne sie ginge ihr Küken hier völlig verloren . Ich bin ihr dankbar , daß sie mitgekommen ist ; die Sorge für mein körperliches Wohl könnte in keinen treueren Händen ruhen und dann weckt sie in mir inmitten der Großstadt , in der ich völlig einsam stehe , das Gefühl der Heimat . Ah , da ist meine treue Alte . Nun , Sophie , alles fertig ? " Ja , Fräulein , wenn Sie kommen möchten ? " Gewiß , treue alte Seele . Es verlangt mich recht nach einer Tasse Tee . Kommt , Kinderchen ! Leichtfüßig sprang Fräulein Steinberg auf und drückte Annchen , die ihr häßlich für ihre Mitteilung dankte , die Hand . Freundlich wandte sie sich dann Lene ßu , wurde aber plötzlich ernst , als sie ihr in das blaß gewordene Gesicht blickte . Eine große Erregung spiegelte sich in den sprechenden ßügen , die Lippen ßuckten und große Tränen schimmerten in den Augen . Leonie trat schnell auf sie ßu , schlang einen Arm um sie und sagte häßlich : " Ich weiß durch Fräulein Heese , daß auch Sie schwer unter dem fortwährenden Kranksein Ihrer lieben Frau Mutter leiden , Fräulein Lenchen , und ihr gern Trost und Stütze sein möchten . Weil unser Schicksal Ahnlichkeit hat , habe ich Ihnen das meine erßählt , sonst spreche ich nicht darüber . ßu Ihnen hat es mich aber gleich hingesogen , kleine Lene , als ich Sie unlängst bei Tante Heese sah . Glückliches Kind , daß Sie Ihre liebe Mutter noch haben , sie noch hegen und pflegen dürfen . Lene ließ den dunklen Kopf tiefer sinken , kaum verständlich murmelte sie : " Ich bin keine so gute Tochter wie Sie . Ich denke immer bloß an mich - an mein Vergnügen - an meine Wünsche , ich bin verdrießlich , ungeduldig , schlechter Laune , wenn ich Mamas wegen etwas aufgeben muß . " Ach , Kind , das bin ich anfangs auch gewesen . Das lernt sich nach und nach alles . Ich hatte ein köstliches Wort , das mir wunderbar geholfen hat : die Liebe sucht nicht das ihre . Helle Röte flog über Lenes Antlitß , ihre Augen glänßten . " Ach - das ist ja mein Wort auch ! Es ist nur so furchtbar schwer , danach ßu handeln , wenn man so selbstsüchtig ist wie ich . " Freilich , Kindchen , aber Gott gibt auch jeden Morgen neue Kraft , wenn man nur ernsthaft will . " " Ach , " flüsterte Lene reuevoll , " Sie sind so grenßenlos gut mit mir und ich war vorhin so garstig , bitte " Ja , die kleine Lene ist ein arger Trotßkopf , das habe ich schon gemerkt . Aber nun helle Augen , Kind , und fröhlichen Sinn . Bitte , Fräulein Annchen . Sie legte Lenes Arm in ihren linken , bot Annchen den rechten und führte beide ins Nebenßimmer , wo die blinkende Teemaschine summte und der gedeckte Tisch freundlich einlud . Leonie war eine liebenswürdige Wirtin und wußte ihre jungen Gäste so heiter ßu unterhalten , daß die ernste Stimmung schnell verflog . Nach dem Essen lehnte Leonie sich behaglich in ihren Sessel ßurück und sagte : " Das hätte ich mir nicht träumen lassen , daß ich so bald hier jugendlichen Verkehr finden würde . Aber sagt Mal , Kinder , mögt ihrauch mit einer so alten Jungfer verkehren ? Ihr steht in der ersten Jugendblüte und ich bin fünfunddreißig Jahre alt . " Bestürßt blickten beide sie an . So alt , so uralt war sie schon ? Das hätten sie nicht für möglich gehalten . " So sehen Sie noch gar nicht aus , " sagte Lene tröstend . " Nein , wirklich nicht , ich hätte Sie höchstens für vierundßwanßig gehalten , " pflichtete Annchen bei . " Danke , Kinder , " rief Leonie lachend , " mehr kann ich nicht verlangen . Ihr mögt also öfter mit mir ßusammenkommen ? " " O , schrecklich gern , wenn Sie es nur mögen , " entgegnete Annchen . " Es ist der heißeste Wunsch meines Lebens , " rief Lene ungestüm aus . " Schön , Kinder , da werde ich also nächstens euren Mamas meine Aufwartung machen " Ach ja , " fiel Lene ein , " Mama läßt sich Ihnen empfehlen und bitten , sie doch Mal ßu besuchen . " " Natürlich , das kann Ihre Mama billig verlangen . Sie war wohl etwas ängstlich , ihr Töchterchen ßu einer wildfremden Dame gehen ßu lassen ? Lene wurde feuerrot und stotterte verwirrt : " Fräulein Heese kennt Sie ja . Mama hat es mir gleich erlaubt . " " Kleines Herßchen , Sie , " sagte Leonie lächelnd und strich Lene über die heißen Wangen , " ich wäre schon gekommen , wenn ich hätte annehmen dürfen , daß Ihre Mama Besuch annimmt . Also , ich komme . Nun , Kinder , was seht ihr euch so bedeutungsvoll an ? Habt ihr irgend etwas auf dem Herßen ? " Ach ja , " gestand Annchen , " wenn es nicht ßu unbescheiden ist , möchten wir ßu gern wissen , was Sie schreiben , Fräulein Steinberg . " Ach so ! Ja , natürlich , das begreife ich . Größtenteils schreibe ich Aufsätze , hin und wieder Mal ein Gedicht . " Aufsätße - ach ! Die Backfischchen waren grenßenlos erstaunt und enttäuscht . Fräulein Steinberg lachte heiter auf . " Ihr armen Kinder , seid ihr aus allen Himmeln gestürßt ? Denkt , ihr seid bei einer berühmten Romanschriftstellerin ßu Gast und nun entpuppt sie sich als schlichte Aufsatßschreiberin ! Ist das ein Reinfall ! - Schnell , Sophie , her mit der süßen Schüssel ! " rief sie der gerade eintretenden Dienerin lustig ßu , " meine Kleinen sind einer Ohnmacht nahe und bedürfen dringend der Stärkung . Die Mädchen saßen in bitterer Verlegenheit und wußten nichts ßu sagen . Dann jedoch erstrahlten erst die Augen der einen , dann die der anderen in heller Wonne . Es war auch eine wahre Pracht , was da auf der großen Tortenschüssel lag : Schneebälle , Tüten mit Schlagsahne , Schillerlocken , Mohrenköpfe und andere Herrlichkeiten mehr . Außerdem noch ßwei reißende Bonbonnieren , von denen Leonie jedem der beiden Mädchen eine reichte . " So , Kinderchen , die nehmt ßum Andenken an euren ersten Besuch bei mir und nun langt tüchtig ßu . Habt ihr euch schon etwas von eurem Schreck erholt ? " Sie lachte so heiter , daß beide Mädchen einstimmten . " Was denken Sie nur von uns , Fräulein Steinberg ? " sagte Annchen . " Wir waren aber so sehr erstaunt , weil wir wirklich glaubten , daß Sie Romane schrieben . Es ist aber gewiß sehr interessant , Aufsätze ßu verfassen . " Und sehr belehrend , sie ßu lesen , " setzte Lene hinßu . Leonies Augen blitßten vor Übermut , als sie den Ernst der jungen Gesichter sah . " So ist_es recht , Kinder , tröstet mich nur ein bißchen , daß ich es nicht weiter gebracht habe . Übrigens kann ich euch ßur Beruhigung sagen , daß ich auch schon einige Bücher geschrieben habe ; seid ihr etwas älter , dürft ihr sie lesen . Mein eigentliches Feld ist das aber nicht , ich schreibe lieber kurße Artikel über Tagesfragen oder Aufsätze über Frauenberufe , Wohltätigkeitseinrichtungen und was sich dergleichen mehr findet . " " Ach , Sie interessieren sich auch für soßiale Bestrebungen - " Lene fuhr so lebhaft auf ihrem Stuhl herum , daß sie ihren Teller mit einem Schneeball herunterriß . Stumm , überwältigt vor Schreck , mit steif herniederhängenden Armen stand sie und starrte den Schaden an . " Kind , das ist kein großes Unglück , kommen Sie ßu sich , " rief Leonie lachend und schüttelte sie am Arm . Annchen kniete schon am Boden und suchte , soviel es anging , den Schaden wieder gut ßu machen . " Der Teller ist heil geblieben , " verkündete sie triumphierend , " aber - o weh - auf den schönen Teppich ist Schlagsahne gekommen , gerade auf dem hellen Grund . Ich Krieg es wohl ab . " Lassen Sie nur , Kindchen , das macht Sophie morgen . " Nein , nein , dann ist es festgetrocknet . Lene - bleibe du bloß davon , du schmierst es höchstens auseinander , du weißt , an allßu großer Geschicklichkeit leidest du nicht - " Nein ! Ach , wenn Mama sähe , wie ich mich wieder benommen habe , bekäme sie einen Nervenanfall . " Lene , du weißt ja , wenn wir auf eigenen Füßen stehen , passiert uns immer a little something . Das müssen wir übrigens Fräulein Steinberg noch erßählen . So - fertig , es ist alles ab , die Spuren gänßlich verwischt . " Danke , Hasenherß . " Vielen Dank , Fräulein Annchen . Nach der Anstrengung müssen Sie es sich nun ordentlich schmecken lassen und Sie , kleine große Lene , gleichfalls . Eine Weile aßen und plauderten alle drei , dann sprang Annchen plötzlich nach einem Blick auf die Uhr auf . " Lene - die Uhr ist neun - Rudi wollte mich abholen . Er bekommt ja einen fürchterlichen Schreck , wenn er bei euch erfährt , daß ich überhaupt nicht dagewesen bin ! Und Mama erst - und Papa - wenn Rudi mit der Nachricht nach Hause kommt ! Ach , lieber Gott ! " Sie war Gans blaß vor Schreck und blickte Lene hilfeflehend an . " Ja , das ist wahr ! Und ich habe Gans vergessen , beim Portier ßu sagen , daß Fritz mich holen soll , " Belebhaft . " Was seid ihr für Leichtfüße , Kinder ! Nun aber schnell nach Hause , marsch , ängstigen dürfen sich Annchens Eltern natürlich nicht . Geschwind , ich begleite euch . Still , Widerrede gibt es nicht , ich trage die Verantwortung für euch . Schnell steckte sie die übriggebliebenen Kuchen in ßwei Tüten und legte Kragen und Hut an . " So , Kinder , tut mir den Gefallen und nehmt die Tüten mit , ich habe keine Verwendung für den Schleckerkram . Vorwärts ! Schnell liefen sie alle drei die Treppe hinunter und trafen glücklicherweise an der Haltestelle einen Straßenbahnwagen , den sie benutzen konnten . " Lassen Sie uns doch allein fahren , liebes Fräulein Steinberg , " bat Anna . " Wir wollen's lieber nicht wagen , Kind . Nach den Erfahrungen , die ich heute mit euch gemacht habe , ist es sicherer , ich bringe euch nach Hause . Die Mädchen wurden rot , lächelten etwas verlegen und schwiegen . Sie hatten nicht lange ßu fahren , mußten dann aber noch ein Stückchen gehen . Gans atemlos langten sie vor Annchens Wohnung an . " So , ihr lieben kleinen Provinßröslein , nun lebt wohl . Ich will hoffen , daß Ihre Eltern sich nicht allßu sehr geängstigt haben , Annchen . Ich bitte , mich ßu empfehlen , Ihrer Frau Mama auch , Lenchen . Gute Nacht , Kinder , vergeßt die Leonie Steinberg nicht . Sie eilte davon und achtete nicht auf das , was die Mädchen ihr nachriefen . Da erschien eine Gestalt auf dem Balkon und eine Stimme rief : " Bist du es , Anna ? " " Ja , liebe Mama , Lene und ich . " " Gott sei Dank ! " Von Tränen erstickt , aus gequältem Herßen kam der Ausruf . Hasenherß stieß einen tiefen Seufßer aus und griff nach Lenes Hand . " Ach , Lene , das wird schlimm . " " Ich komme mit hinein , soviel ßeit habe ich noch . " Da wurde ihnen die Haustür schon geöffnet , der Papa stand dort , eine Falte auf der Stirn . " Na , hört Mal , dies ist wieder ein starkes Stück von euch , " rief er ihnen ßu . " Was ist das für eine Manier , Fräulein Tochter , den ganßen Nachmittag und Abend ßu verschwinden und nach halb ßehn Uhr glücklich wieder aufßutauchen ? Ist das eine Art , ßu sagen , du willst ßu Lene gehen und bist überhaupt nicht dort gewesen ? Ist dies ein Erßeugnis eurer ersehnten Selbständigkeit , so wird euch das Handwerk ein für allemal gelegt . Verstanden ? " Ach , Papa , lieber Papa , sei nicht so schrecklich böse , " Annchen brach in Tränen aus . " Anna , Kind , wo bist du gewesen ? " rief Mamas Stimme vom Korridor her . Anna flog die wenigen Stufen ßur Wohnung empor und der Mama um den Hals . " Sei nicht böse , liebe , einßige Mama , " schmeichelte sie , " ich wollte euch ja nicht ängstigen , ich bin bloß mit Lene mitgegangen und habe mir wirklich nichts dabei gedacht . " Du sollst aber denken , bei allem , was du tust , fuhr Papa sie grimmig an . Sie traten ins ßimmer , Mama sank blaß und ßitternd in einen Stuhl . " Wo bist du denn bloß so lange gewesen ? " fragte sie matt . " Rudolf , der einen weiten Spaßiergang gemacht und in Halensee ßu Abend gegessen hat , ist gleich von da aus ßu Lene gegangen , dich abßuholen . Als er hörte , du seiest überhaupt nicht dagewesen , dachte er natürlich , es sei etwas daßwischen gekommen und kam heim . Dieser Schreck für uns alle ! Rudolf lief gleich wieder fort und Papa ist auch schon bei Heidens -*-. 3**J*7 ... .... *.o Wußte etwas von dir . Die Angst , die wir ausgestanden haben ! Rudolf ist noch nicht wieder hier . Wo bist du nur so lange gewesen ? Die Mädchen erßählten , Anna voll tiefer Reue . Frau Geheimrat schlug die Hände ßusammen . " ßu einer wildfremden Dame , die Lene eingeladen hat , läßt du dich einfach mitnehmen ? Ja , siehst du denn nicht ein , wie unschicklich das ist ? Schämst du dich gar nicht ? Ich hätte es nicht für möglich gehalten , daß meine Tochter sich so aufdrängen würde . " " Ach , Mama , " schluchßte Annchen , " man macht doch aber berühmten Menschen Besuche ? " " Freilich , man geht aber nicht mit , wenn ein anderer ßu Abend eingeladen ist , das solltest du doch schon wissen . " Fräulein Steinberg hat sich wirklich sehr gefreut , Tante , " schaltete Lene ein . " Ach was ! Natürlich ist sie als feine Dame liebenswürdig gewesen ; was sie gedacht hat , wird sie euch nicht verraten haben . Ich bin außer mir ! " " Ja , dies sind wirklich liebreißende Geschichten , ließ sich Papa vernehmen . " Was mag die Dame von uns denken ? " fuhr die erßürnte Mutter fort . " Einen netten Begriff von deinen Eltern und der Erßiehung , die du genossen hast , mag sie bekommen haben . " Ach , Mama , " stieß Annchen schluchßend hinter ihrem Tuch hervor , " Lene hat ja bei der Einführung gesagt , daß Papa Geheimrat an der Kaiserlichen Post ist , und daß du aus einer alten Patrißierfamilie aus Lübeck stammst . " " Was - das hast du gesagt , Lene ? Das wird ja immer hübscher . " Ja , Tante , ich dachte , dann sähe sie doch gleich die gute Familie , weil Annchen doch nur so mitgekommen war , " erklärte Lene . Neue Freuden und Pflichten . Papa und Mama sahen sich an , die Mama schüttelte nur stumm den Kopf , Papa aber sagte : " Ja , Thillis , das einßig Richtige ist , wir nehmen für unsere erwachsenen jungen Damen eine Bonne , die sie an der Hand führt . Lene wurde rot , Annchen aber horchte auf und schielte mit einem Auge hinter ihrem Tuch nach Papa hin . Das war schon wieder ein Gans klein bißchen sein beliebter Neckton und um seine Lippen ßuckte es verräterisch . In ihren rotgeweinten Auglein blitzte es sofort lustig auf . Hasenherß war ein Leichtfuß . Die brachte es fertig , mit dem rechten Auge ßu lachen und mit dem linken ßu weinen . Schleunigst verschwand das lustige Auglein indessen , als Mama sagte : " Ich bin ernstlich erßürnt . Diese Art Selbständigkeit verbitte ich mir ein für allemal , verstanden ? Ich will nur gleich ein paar ßeilen an Fräulein Steinberg schreiben , dich so gut es geht ßu entschuldigen . Wäre nur Rudolf erst wieder da . Wer weiß , wo der dich überall sucht . " Er bringt am Ende gar die Polißei in Bewegung , sagte Papa und erhob sich . " Komme , Lene , ich will dich nach Hause bringen , sonst ängstigt sich deine Mama auch noch . Nach einem stummen Händedruck mit Annchen schlich Lene kleinlaut hinter Onkel Geheimrat her . Neue Freuken und Pflichten . m nächsten Tage war Annchen in froher Geschäf- * tigkeit . Leichtfuß Hasenherß hatte den Kummer des vorhergehenden Abends vollständig verwunven und sang leise ein Lied vor sich hin . Der Hauswirt besaß hinter dem Wohnhause einen allerliebsten , für die Großstadtverhältnisse ßiemlich umfangreichen Garten , den er Geheimrats ßu gelegentlicher Benutßung ßur Verfügung gestellt hatte . Hier deckte Annchen unter einer hohen , schattenspendenden Birke einen kleinen Frühstückstisch . Die Mama war heute morgen schon bei Tante Werner gewesen und hatte sie ßu überreden gewußt , ihren ersten Ausflug hierher ßu nehmen und in aller Stille im Garten , der , eingeschlossen ßwischen Häusern , vollständig Schutz gewährte , ein Stündchen ßu Sitzen . Die Erlaubnis des Hauswirtes war eingeholt , er hatte dringend gebeten , die leidende Dame möchte den geschütßten Winkel so oft wie irgend möglich benützen . Nun war Lene gegangen , die Mama ßu holen und Annchen stellte schnell noch ein kleines duftendes Rosensträußchen auf den ßierlich gedeckten Frühstückstisch , der etwas ßur Seite geschoben war , damit der Fahrstuhl Platz fände . Als alles besorgt war , lief Anna fröhlich auf den Balkon , nach den Erwarteten ausßuschauen . " Mama , sie sind schon da ! " rief sie ins ßimmer hinein und lief hinaus , die Kranke ßu bewillkommnen . " Sei nur nicht so stürmisch , Annchen ! " rief die Mutter ihr nach und ging die Stufen hinunter in die große Einfahrt des Hauses . Annchen hielt die Haustür offen und nun schob Fritz , der älteste Junge von Werners Portier , den Fahrstuhl hinein . " Willkommen , liebe Frau Regierungsrat ! " rief Annas Mutter häßlich , " welche große Freude bereiten Sie uns durch Ihr Kommen ! " Sie trat an den Stuhl , der Kranken die Hand ßu drücken ; als sie jedoch bemerkte , daß Frau Werner heftig ßitterte und sich in großer Erregung befand , rief die Frau Geheimrat dem Jungen ßu : " Schnell , Fritz , fahre weiter , hier in der Sinjayße ßic9t 3u4u co stets , im Garten ist es geschützt . Über den Hof ging es nun in den Garten und unter der Birke wurde halte gemacht . " So , Fritz , nun kannst du gehen . In einer halben Stunde wirst du dich Mal wieder sehen lassen , nicht wahr , liebe Freundin ? Die Kranke nickte nur stumm , große Tränen rannen ihr über die blassen Wangen . " Ruhen Sie ein Weilchen Gans ungestört , Liebste , wir sorgen indessen für eine kleine Erfrischung , " sagte Frau Geheimrat , gab den beiden Mädchen einen Wink und ging mit ihnen ins Haus . Die jungen Dinger waren grenßenlos enttäuscht . " Mama , ich hoffte , Tante Werner würde sich freuen und nun weint sie , " sagte Annchen . " Ja , ich hatte mich auch so schrecklich auf die erste Ausfahrt gefreut , " setzte Lene hinßu , " es war aber wirklich eine Angst und Aufregung sondergleichen , ehe wir Mama nur daßu vermochten , daß sie sich die Treppe hinuntertragen ließ . Nicht einen Blick hat sie unterwegs für die schönen Rosen in den Vorgärtchen gehabt , und ich dachte recht , sie würde sich freuen . Und nun weint sie gar ! " Wie viele Jahre sind es doch her , Lenchen , daß Mama ihre Wohnung nicht mehr verlassen hat ? " Drei , Tante Geheimrat . " " Nun , dann freue dich und sieh es als ein gutes ßeichen an , daß Mama sich überwunden hat , wieder ins Freie ßu gehen . Das ist mehr , als wir noch vor kurßem ßu hoffen wagten . Habe nur immer Geduld , Kind , und begrüße jeden kleinen Fortschritt mit Freuden . Und nun seht nicht beide so niedergeschlagen aus , einem Kranken ßeigt man nicht , daß man seine seelische Erschütterung merkt , damit macht man die Sache nur schlimmer . Hier , Lene , nimm du das Kaviarbrötchen und du , Annchen , die Bouillon ; ich hoffe , nun hat deine liebe Mama sich so weit erholt , daß sie etwas genießen kann . Langsam gingen beide in den Garten . Angstlich blickte Lene nach der Mutter hin . Nein , sie weinte nicht mehr . Sie hatte die Hände gefaltet und blickte gedankenverloren in das ßarte Blätterdach der Birke . Ein mattes Lächeln flog über ihr blasses Antlitß , als die Mädchen ßu ihr herantraten . " Ach , Kinder , " sagte sie mit tiefem Atemßug , " ich hätte es nie für möglich gehalten , daß ich noch einmal wieder im Freien Sitzen würde ! Wie schön ist es hier ! Wie still und friedlich ! " Nicht wahr , Tante Werner , hier sitzt es sich gut ? Ich bin so froh , daß es dir bei uns gefällt ! Nun kommst du jeden Morgen und bleibst hier im Garten , während wir kochen . Dann kommt immer eine und leistet dir Gesellschaft und erßählt dir von unseren Kochkünsten und bringt dir auch Mal eine kleine Probe . Wird das herrlich werden , wenn wir dich dann immer bei uns haben . Ach , liebe Tante Werner , ich bin so froh , so froh ! " In ihrer Herßensfreude beugte Annchen sich nieder , umarmte die Kranke und küßte sie ßärtlich . " Du liebes Kind ! " Frau Regierungsrat streichelte ihr die Wangen und streckte dann der Tochter die Hand hin . " Mein liebes Lenchen , ich glaube wirklich , daß es mir hier gut tun wird . Mutter und Tochter blickten sich glücklich , liebevoll in die Augen und drückten sich die Hände . " Ich freue mich so , " entgegnete Lene . Es waren schlichte Worte , doch Mutter und Kind verstanden sich jetzt auch ohne viele Worte und ßärtlichkeitsäußerungen , die sie beide noch immer nicht recht finden konnten . " Komme , Lene , faße unser Tischlein deck dich ' an , damit deine Mama sich erst etwas stärken kann . So , nun das Kaviarbrötchen und die Bouillon . Laß dir es schmecken , Tantchen , du auch , Lene . Ist dir es so auch bequem , Tante Werner ? " Vollständig , Annchen , danke , es ist hier ja alles so schön . Du hast ja aber nur für ßwei gedeckt , Kind ? " Ja , Tante , den ersten Morgen sollt ihr beide allein frühstücken , so hat Mama es bestimmt , sie meint , es sei besser so für dich . Guten Appetit ! " Ich dachte gar nicht , daß ich essen könnte und nun schmeckt es mir sogar recht gut , " sagte die Regierungsrätin , Gans erstaunt über ihren Appetit , " ich fange wirklich an ßu glauben , Lenchen , daß ich noch einmal wieder gesund werden kann . " Gewiß , Mama , ich glaube es ßuversichtlich . Diesen Sommer üben wir uns durch kleine Ausflüge und im nächsten reisen wir . Die Kranke lächelte und ließ die Blicke träumerisch über die bunte Blumenpracht des Gartens schweifen . Als Helene , die , den Tisch abräumend , ins Haus gelaufen war , ßurückkehrte , fand sie die Mama in sanftem Schlummer . Vorsichtig ßog sie die Decke fester um sie und ging leise ßurück , um sie nicht ßu stören . Die Luft war so herrlich weich und der Platz so geschützt , daß die Mama sich unmöglich erkälten konnte . Auch Tante Geheimrat bestätigte das , und nun begann ein fröhliches Kochen . Da klingelte es . Annchen lief ßu öffnen , da das Mädchen ausgeschickt war . Gleich darauf drang ein Jubelruf bis in die Küche . Man hörte , daß eine sehr fröhliche , häßliche Begrüßung stattfand . Lene horchte auf . Die weiche , etwas tiefe Stimme hätte sie unter Hunderten erkannt . " Wer mag das sein ? " fragte Frau Geheimrat , erhielt jedoch keine Antwort . Glühend rot schoß Lene plötzlich , den Löffel , mit dem sie Klöße anrührte , in der Hand , an ihr vorüber auf den Flur . Kopfschüttelnd blickte Frau Geheimrat ihr nach . " Diese Backfische , " murmelte sie vor sich , " ob die wohl je Manieren lernen ? " " Sappho mit dem Kochlöffel " , hörte sie das Töchterchen rufen . Gleich darauf flog Lenes Löffel auf den Tisch und Annchen rief in hellen Jubeltönen : " Mama , denke dir , sie ist da ! Heute schon ! Ist das nicht wonnig ? " Wer ist denn die sie ? " Fräulein Steinberg , Mama ! Du kommst doch herein , ja ? " " Gewiß , ich will die Flammen nur herunterschrauben . " Als Frau Geheimrat ins ßimmer trat , bot sich ihr ein so liebliches , anßiehendes Bild , daß sie einen Augenblick stehen blieb , sich daran ßu freuen . Da stand eine schlanke junge Dama , ihr das feine brünette Antlitß ßukehrend und hielt in jedem Arm eines der beiden Backfischchen . Belustigt blickte sie bald die eine , bald die andere an und hörte , was ihr unter Lachen berichtet wurde . Wie die Augen der Mädchen strahlten ! Mit welcher schwärmerischen Begeisterung sie ßu der jungen Dame aufschauten . Jetzt bemerkte diese die Hausfrau , ließ die Mädchen los und trat schnell auf sie ßu . " Meine gnädige Frau , ich möchte Sie um Entschuldigung bitten , daß ich Ihr Töchterchen gestern bei mir behalten und Sie dadurch in Unruhe versetzt habe . Ich hätte mehr Überlegung haben müssen als meine beiden jungen Freundinnen . " Aber ich bitte Sie , Fräulein Steinberg ! Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen , eine Schuld auf sich ßu nehmen , die nur meine Anna trifft . Sie hatte ihren Besuch ßum Sofa geführt und fügte hinßu : " Sie sind sehr gütig , Fräulein Steinberg , daß Sie sich unserer Kinder so freundlich annehmen . " Damit erweise ich mir selbst die größte Freude , Frau Geheimrat , ich liebe die frische Jugend so sehr und wäre Ihnen recht dankbar , wenn Sie Ihrem Töchterchen gestatteten , öfter ßu mir ßu kommen . " Ach , liebe Mama , ich darf ? Nicht wahr , ich darf ? " bat Annchen . " Ja , du darfst , da Fräulein Steinberg so liebenswürdig darum bittet . " " Wie schade , daß Mama gerade schläft , " rief Lene bedauernd aus . " Ich komme demnächst auch ßu Ihnen , Herßchen , vielleicht morgen nachmittag , heute gehe ich in die Augenklinik von Professor Vogt . " Sie haben doch nicht kranke Augen , liebes Fräulein ? " Nein , Gott sei Dank , die sind vollständig gesund . Frau Professor ist jedoch eine liebe Freundin von mir , mit der ich in den ßehn Jahren ihrer Ehe in regem Verkehr geblieben bin . Heute treibt mich übrigens eine mir sehr liebgewordene Pflicht in die Klinik . Ich bin nämlich Mitglied des Vereins ßur Fürsorge für die weibliche Jugend und habe mich verpflichtet , mich ßwei Tage in der Woche den Kranken Professor Vogts ßu widmen . " " Inwiefern , liebes Fräulein ? " erkundigte sich Frau Geheimrat . " Die Helferinnen , wie solche Damen genannt werden , haben die Aufgabe , den Kranken die ßeit ßu vertreiben , ihnen etwas ßu erßählen , vorßulesen , mit ihnen ßu singen und was es dergleichen mehr gibt . Außerdem findet sich aber noch vieles ßu tun : Verßweifelte trösten und freundlich auf ihre Interessen einßugehen ; mit denen , die durch das Augenleiden ßu einer anderen Berufswahl geßwungen werden , überlegen , was wohl ßu unternehmen sei . Briefe für die Kranken schreiben , Kurs , allen mit Rat und , wenn es möglich ist , auch mit der Tat beistehen . Der Verein dehnt seine Fürsorge auch auf die entlassenen Kranken aus . Ist solch armes Menschenkind ohne Mittel , so sorgt der Verein für Unterstütßungen oder für eine passende Stelle . Alle Vierteljahre findet eine Konferenß sämtlicher Helferinnen - auch von anderen Krankenhäusern , Mädchenheimen , Kleinkinderbewahranstalten und so weiter - statt , in der die Erfahrungen ausgetauscht und besondere Fälle eingehend besprochen werden . Auch meine Freundin , Frau Professor Volkmar , gehört dem Verein an und hilft , soviel es ihre ßeit irgend erlaubt - sie ist Mutter von vier Kindern - in der Klinik ihres Mannes . Gerade durch sie bin ich ßu dieser Liebesarbeit gekommen und sie hat viel daßu beigetragen , daß ich mich entschlossen habe , so schnell nach dem Tode meiner Mutter hierher ßu ßiehen . Und ich muß sagen , daß ich mich sehr glücklich fühle . Frau Geheimrat drückte ihr warm die Hand . " Das glaube ich Ihnen , liebes Fräulein . Wie sollte eine so edle Aufgabe Sie nicht in tiefster Seele befriedigen und glücklich machen ? Es gehören gewiß sehr viele Damen dem Verein an ? " " Ja , sehr viele und dennoch nicht genügend , um allen Anforderungen gerecht ßu werden . Sehen Sie , gnädige Frau , die Pflegeschwestern in den Kliniken haben nicht die ßeit , eingehend auf die Wünsche der Kranken , namentlich der Augenkranken , die oft völlig auf andere angewiesen sind , einßugehen , da sind Helferinnen stets willkommen . " Nehmen Sie mich - nehmen Sie mich , Fräulein Steinberg , " stieß Lene hervor . Sie war aufgesprungen und stand ßitternd vor Erregung vor Fräulein Steinberg . " Das ist es ja , was ich mir so glühend gewünscht habe - mitwirken an den christlichen Bestrebungenetwas für andere tun - schaffen - ßum Segen anderer leben - ihnen unentbehrlich sein ! Ach , nehmen Sie mich mit ! Aufgeregt hatte Lene die Worte hervorgesprudelt und nun umschlang das sonst so spröde Mädchen Leonie und flehte mit blassen Wangen : " Nehmen Sie mich mit ! Bitte , bitte ! Überrascht blickte Leonie auf . " Wie häßlich gern , liebes Lenchen , aber - Kind haben Sie nicht eine andere , schönere Aufgabe ? Wollten Sie nicht Ihre liebe Mutter gesund pflegen ? " Ja , ja - ich kann doch aber nicht immer bei Mama Sitzen . Ich fühle so viel Kraft in mir , ein so heißes Verlangen , etwas ßu leisten , ßu nützen , daß ich es nicht sagen kann . Helfen Sie mir ! Beschwichtigend strich Leonie ihr die blassen Wangen und sagte bewegt : " Wie Sie mich an meine eigene stürmische Jugend erinnern , kleine , liebe Lene ! Genau so empfand auch ich , als ich vor der Aufgabe stand , meiner geliebten Mutter Pflegerin , Trost , Stütze , Sonnenlicht ßu sein und dabei den glühenden Wunsch im Herßen trug , mich mit meinen Anlagen , meiner ganßen frischen Kraft in das Leben ßu stürßen . Liebe , kleine Lene , es versteht Sie wohl niemand so gut wie ich . " Sie beugte sich vor und küßte das erregte Mädchen auf die Stirn . " Ich will Ihnen aber helfen , Kind , vielleicht anders , als Sie denken und wünschen , aber helfen werde ich Ihnen , darauf können Sie sich verlassen . Ich werde Ihnen Arbeit bringen für die Stunden , in denen Ihre liebe Frau Mutter ruht oder neben Ihnen sitzt und doch ßu müde ßu einer Unterhaltung ist . Soll es so sein ? " Ach ja ! Ach ja ! ßu öde ist mir das Leben in solchen Augenblicken , wenn ich bloß irgend eine fade Stickerei in den Händen habe . " Gut , Herßblatt , ich besorge Ihnen also Arbeit für Geist und Hände , " versprach Leonie noch einmal . " Wollen Sie nicht noch ein bißchen bleiben , Fräulein Steinberg ? " schmeichelte Annchen . " Ich möchte schon , Kindchen , es geht aber leider nicht . Ich muß noch schnell nach der Stollendorfstraße , um die Bestellung einer Kranken an deren Mutter ausßurichten , sonst kann ich ihr heute nachmittag keine Antwort bringen . Von da geht_es rasch heim , damit meine alte Sophie nicht mit dem Mittagessen ßu warten hat , und um vier Uhr muß ich auf meinem Posten in der Klinik sein . " In welcher Gegend liegt die Klinik , Fräulein Steinberg ? " fragte Frau Geheimrat . " Nach Moabit hinaus , gnädige Frau , nicht weit von den städtischen Krankenhäusern . " Dann haben Sie heute noch viel vor sich , liebes Fräulein . Dürfen wir hoffen , Sie einmal gemütlich bei uns ßu sehen ? " Ach , bitte , liebes Fräulein Steinberg , bitte , kommen Sie Mal Abends ßu uns , " bettelte Annchen . " Von Herßen gern , Kindchen . Besten Dank , Frau Geheimrat , ich stehe ja so allein , daß ich dankbar bin , wenn ich so liebenswürdigen Verkehr finde . So darf ich also sagen : Auf Wiedersehen ! Lene , - ja , wo ist Lene ? Erstaunt blickten sich alle um , Lene war jedoch verschwunden . " Sie schämt sich , weil sie ja sonst keinen Menschen in ihr Herß blicken läßt , " erklärte Anna . " Ja , sie ist eine sehr verschwiegene Natur , " setzte die Mama hinßu . " Grüßen Sie die kleine Lene häßlich von mir , Annchen , sagen Sie ihr , sobald ich könnte , käme ich ßu ihr . Leben Sie wohl ! " Nun , Mama , was sagst du ? Ist sie nicht entßückend ? " rief Annchen strahlend , sobald der Besuch gegangen war . " Ja , ich muß gestehen , daß Fräulein Steinbergs Wesen ungemein anßiehend ist . Ich begreife vollkommen , daß sie eure Herßen im Sturm gewonnen hat und ihr lichterloh für sie schwärmt . Wo mag aber Lene stecken ? Annchen hatte recht , Lene schämte sich grenßenlos . Sie war unbemerkt aus dem ßimmer geschlüpft und in den Garten gelaufen . Die Mama , soeben erwacht , sah sofort , daß irgend etwas Besonderes die Tochter lebhaft erregte . " Was ist geschehen , Lenchen ? " fragte sie ängstlich . " O Mama , sie ist da - Fräulein Steinberg ! Und denke dir , sie interessiert sich auch für christliche Bestrebungen , sie wirkt , sie schafft , sie lebt dafür ! Siehst du , das ist es , was ich mir wünsche ! Das ist Leben ! Das " Lene , tu mir den einßigen Gefallen , Kind , und sei etwas ruhiger , " fiel die Mutter ihr Gans schwach ins Wort , " ich glaube gar , du ßitterst . Komme , setze dich und sprich gelassen weiter . " Lene sank auf den Stuhl , blickte mit ßusammengeßogenen Brauen vor sich hin und schwieg . Wie konnte sie gelassen sprechen , wo ihr ganßes Innere in Aufruhr war ? Ach , die Mama würde nie das rechte Verständnis für sie haben , es war besser , sie sagte gar nichts von ihren heißen Wünschen . " Ist Fräulein Steinberg schon wieder fort ? " fragte die Mama . " Ich glaube . Da kommt Fritz , Mama , willst du vielleicht jetzt lieber nach Hause ? " " Ja , für das erste Mal ist es wohl genug , findest du nicht auch , Lenchen ? " Ja , Mama , gewiß . Nun kamen Frau Geheimrat und Annchen und sprachen Gans begeistert von Fräulein Steinberg . Lene stand stumm daneben . " Du , " sagte Anna und stieß sie an , " weshalb bist du fortgelaufen ? Deine entßückende Muse läßt dich häßlich grüßen und dir sagen , sie käme in den nächsten Tagen einmal ßu dir . Lene nickte nur . Annchen betrachtete sie lächelnd . " Du bist wie eine Mimose , Lene , ein Windhauch und sie schließt sich . So empfindlich ist deine Seele auch . " " Dann sei so gut und schone sie . " " Tu ich ja auch , mache nicht ein solch finsteres Gesicht ! Bist doch meine alte gute Lene , die ich bisher am besten verstanden habe . Weißt du , mir dämmert die Ahnung auf , als ob das die längste ßeit gedauert hätte , als ob du dein Innerstes jetzt lieber einer anderen enthüllen wirst . Ach , Lene , ich bin wirklich eifersüchtig . Lenes krause Stirn glättete sich , sie mußte lächeln , als sie in Annchens Schelmengesicht blickte . " Kannst ruhig sein , Hasenherß , du bleibst für mich immer dieselbe , " sagte sie treuherßig . " Gans gewiß , Lene ? " Gans gewiß , Annchen . " Liebe Einßige ! Du magst dich noch so sehr sträuben , ich muß dich küssen . Siehst du , ich schwärme ja auch grenßenlos für Fräulein Steinberg , wenn ich dich aber ihretwegen verlieren sollte oder es auch nur anders ßwischen uns werden könnte , siehst du , Lene , das ertrüge ich nicht . " " Du kannst Gans ruhig sein , das wird es nie . " Du , Lene , möchtest du wirklich in die Klinik gehen und dich dort nützlich machen , so wie Fräulein Steinberg ? " " Ach , für mein Leben gern ! " Du , wenn sie dich einmal mitnimmt , komme ich auch mit , Lene , du verstehst das Einführen ja so über alle Begriffe gut . Annchen lachte so fröhlich , daß Lene einstimmen mußte . Das junge Antlitß sah wieder hell und freundlich aus , als sie neben der Mutter herschritt , um sie heimßugeleiten . Tage waren vergangen . Seit gestern regnete es ununterbrochen , nicht heftig , aber in einer so stetigen Weise , als wolle es noch lange nicht aufhören . Helene schien es wenigstens so , wenn sie gelangweilt von ihrer Stickerei ßum bleifarbenen Himmel aufblickte . Die Mama war gestern und heute nicht mehr hinuntergekommen und äußerte auch kein Wort des Bedauerns darüber . Im Gegenteil , sie schien sich erleichtert ßu fühlen . Sie fühlte sich doch am wohlsten in ihrem bequemen Stuhle , wieder nach alter Weise hindämmernd . Aber nein , so wie früher war es doch nicht mehr . Sie hatte Interesse für des Töchterchens Beschäftigungen , unterhielt sich mit ihr , ließ sich vorlesen und nahm sich immer wieder gewaltsam ßusammen , sobald sie in die alte Schwäche verfallen wollte . Des Doktors Mahnung hatte Früchte getragen , der schwache Wille singe an sich ßu kräftigen und das Herß tat das Seine , die Selbstsucht ßu bekämpfen . Heute war aber entschieden ein unglücklicher Tag für beide . Die Kranke hatte etwas Kopfschmerß und sich schon sehr überwinden müssen , um sich vorlesen ßu lassen . Nun saß sie still in ihrem Stuhle und träumte mit geschlossenen Augen vor sich hin . Helene hatte einen schweren Morgen hinter sich . Geheimrats waren bei der Wäsche , außerdem war viel Besuch gekommen . Da hatten Annchen und sie ßiemlich selbständig kochen und noch manche Arbeittun müssen , die sonst die Mädchen verrichteten . Von der gemütlichen Lesestunde war natürlich keine Rede gewesen . Nun liebte Helene die Hausarbeit noch immer nicht , heute war sie überdies schlechter Laune , da ärgerte sie alles : die vermehrte Arbeit , der Regen , der Mutter Kopfschmerß , am meisten aber , daß Leonie Steinberg ihr Versprechen , sie bald ßu besuchen , nicht gehalten hatte . Sie seufßte so tief und schwer , daß die Mutter aufblickte . " Fehlt dir etwas , Lenchen ? " " Ach , Mama , es ist so unsagbar , so über alle Begriffe langweilig ! Wenn ich nur wenigstens wieder Bilder bekäme , daß ich ein paar Gedichte schreiben könnte . " Versuche es doch ohne Bilder , wenn es dich ßum Dichten treibt . " Lene ßuckte die Achseln . " Worüber ? Über den Regen ? " Vielleicht ließe sich auch darüber etwas sagen , wenn du nicht schlechter Laune wärst . Lene errötete und schwieg . " Es ist ein wahres Elend , " fuhr die Mutter fort und verfiel wieder in ihren alten klagenden Ton , der Lene stets auf die Nerven fiel , " daß du so leicht unbefriedigt bist und immer besonderer Anregung von außen bedarfst , um heiter und ßufrieden ßu sein . Ich weiß nicht , woher du diesen unglücklichen Hang hast ; es ist aber wohl ein ßeichen der ßeit , daß die Mädchen sich nicht mehr an dem stillen Glück und dem Frieden der Häuslichkeit genügen lassen . Anstatt dich ßu freuen , daß du nicht ßu jenen Mädchen gehörst , die darauf angewiesen sind , das Elternhaus ßu verlassen , sehnst du dich krankhaft danach . " " Nein , Mama , gewiß nicht . Ich möchte dich um nichts in der Welt verlassen , ich wünsche mir nur etwas mehr geistige Anregung und Beschäftigung . " Möchtest du wirklich nicht von mir fort , Lenchen ? " " Nein , Mama , gewiß nicht . " Lene sprang lebhaft auf und trat ßur Mutter . " Das mußt du doch selbst in der letzten ßeit empfunden haben , Mama ? " Gewiß , Kind , es waren sehr glückliche Wochen für mich . Schöner und harmonischer wäre es freilich für uns beide , wenn dir unser stilles ßurückgeßogenes Leben genügte . Mit gesenktem Haupte stand Lene vor der Mama und ßerrte so heftig an ihren Fingern , daß sie knackten . " Kind , um alles in der Welt , welche Angewohnheit ! Das geht mir ja durch Mark und Bein . Frau Regierungsrat hatte die Hand über die unruhigen Finger gelegt und blickte das Töchterchen kummervoll an . " Ich möchte deinen Neigungen gern Rechnung tragen und dir helfen , wenn ich nur wüßte wie , " sagte sie seufßend . Lene schwieg . " Versuche es doch Mal , einige Gedichte ßu schreiben , Kind ; wenn es dich daßu treibt , werden dir sicher auch Bilder und Vorwürfe kommen . " Ach , die kommen mir genug . Mir fehlt nur die Kraft , das Wort , um alles ausßudrücken , was ich sagen möchte . " Das kommt vielleicht durch die Abung , so nach und nach . Lene ging an ihren Fensterplatß ßurück und blickte gedankenschwer in den Regen . " Ich könnte es ja Mal versuchen , " murmelte sie , " aber nein , heute bin ich nicht in der Stimmung . " Ungeduldig seufßend setzte sie sich und griff wieder nach ihrer Arbeit . Da klingelte es . Mutter und Tochter blickten sich fragend an . Nun trat Marie ein und meldete : " Fräulein Steinberg läßt fragen " Fräulein Steinberg ! " - Aufjauchßend fuhr Lene in die Höhe und stürßte an der überraschten Marie vorüber auf den Flur . Da stand die schlanke und doch so ßierliche Gestalt ihrer heißersehnten Muse . " Ach - " sagte Lene mit tiefem Atemßuge und streckte ihr beide Hände entgegen , " ich dachte schon , Sie kämen überhaupt nicht . " Eine so grenßenlose Sehnsucht sprach aus den Worten , daß Leonie das Mädchen gerührt an sich ßog . " Ei , Lenchen , so wenig haben Sie auf der Lonny Steinbergs Wort gegeben ? Das sind ja nette Geschichten ! Eigentlich müßte ich Ihnen das übelnehmen ! Vor allen Dingen aber , Kind , wie geht es Ihrer lieben Mutter ? Befindet sie sich so , daß sie den Besuch nicht lästig empfindet und mich empfangen kann ? " Ja , ja - natürlich - das heißt - eigentlich hat Mama Kopfweh . " " Also geht es nicht . Das bedaure ich von Herßen . " " Ach , gehen Sie bloß nicht wieder fort ! Ich bin ja selig , daß ich Sie habe ! Es war gerade so entsetzlich langweilig , daß ich Gans verßweifelt war . " Kind , Kind ! " Kopfschüttelnd blickte Leonie sie an und legte ab . " So - nun gehen Sie erst und fragen Ihre Mama , ob sie mich sehen mag , wenn auch nur einen Augenblick , dann können wir nachher eine halbe Stunde in Ihr ßimmer gehen , Kleine ; ich habe Ihnen etwas ßu sagen . Ein helles Lächeln flog über Lenes Gesicht , eiligst verschwand sie , kehrte aber sofort ßurück . " Mama läßt bitten , Fräulein Steinberg ! " rief sie und öffnete die Tür . Die Hand des heißersehnten Gastes in der ihren , die Augen strahlend vor Glückseligkeit , so trat Lene mit Fräulein Steinberg über die Schwelle , als führe sie das Glück ins ßimmer . " Mama , " rief sie in hellen Jubeltönen , " hier bringe ich dir meine Muse . " Ei , ei , liebe Lene , Sie haben eigene Arten der Einführung - aber , bitte , gnädige Frau , bemühen Sie sich nicht . Schnell eilte Leonie auf die Kranke , die sich erheben wollte , ßu , drückte sie sanft in ihren Stuhl ßurück und beugte sich nieder , die leicht ßitternde Hand ßu küssen . " Ich habe schon so viel Liebes von Ihnen gehört , Fräulein Steinberg , daß ich mich außerordentlich freue , Sie kennen ßu lernen , " sagte Frau Regierungsrat und blickte prüfend in die dunklen Augen , die in tiefer Innigkeit auf ihr ruhten . " Bitte , gnädige Frau , die Freude ist auf meiner Seite . Ich bin glücklich , Sie einen Augenblick sehen ßu dürfen . Im allgemeinen ist Ihr Befinden besser , wie ich hörte ? " Ach ja , es geht ja leidlich . Mein Arßt hofft , daß ich wieder ßiemlich hergestellt werde . " Welche köstliche Aussicht für Sie und für Lenchen . Dasisteine Hoffnung , an derman sich täglich , stündlich wieder aufrichten kann , wenn die alte ßaghaftigkeit wieder auftauchen will . " " Ach , liebes Fräulein Steinberg , das ist uns beiden oft nötig . Ich bin leicht mutlos und Lenchen versagt gleich am Leben , wenn es Mal nicht so geht , wie sie es sich wünscht . Meine arme Kleine leidet sehr unter meiner Kränklichkeit . " Im allgemeinen ist Ihr Befinden jetzt besser ? " " Welche Tochter sollte nicht mit der Mutter leiden , liebste Frau Regierungsrat , das ist nur natürlich . Aber es wird ja mit Gottes Hilfe immer besser werden , daran wollen wir immer denken , nicht wahr ? Darf ich mich nun ein Weilchen mit Lenchen in deren ßimmer ßurückßiehen ? Ich möchte Sie nicht länger stören , liebe Frau Regierungsrat . " Ach nein , bleiben Sie , bitte , Fräulein Steinberg , Sie stören mich nicht . Ihre Stimme ist so weich , daß 4 sie mich gar nicht angreift . " Wie mich das freut ! Natürlich bleibe ich mit Freuden . Nun , Lenchen , was haben Sie gedacht , daß ich mein Versprechen nicht gehalten habe ? " " Ach , ich war schon sehr betrübt , ich glaubte , Sie hätten mich vergessen . " Gewiß nicht , Kind ! Mir kam unerwartet eine Arbeit , an die ich mich sofort machen mußte , gestern hatte ich eine heftige Migräne und heute bin ich da . Ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht , Kleine , weiß freilich nicht , wie Sie meine Gabe aufnehmen werden . Wollen Sie , bitte , das Paket hereinholen , das ich draußen auf den Flurtisch gelegt habe ? Bereitwillig lief Lene hinaus und kehrte sehr neugierig wieder . " Es ist aber keine ßuckertüte , Kind , sagte Leonie neckend , " sondern eine Arbeit , die Ernst und Fleiß erfordert . " " Eine Arbeit ? Ach ! " Lenes Augen erstrahlten in heller Freude . " Das ist ja schöner als alle ßuckertüten der Welt . " " Wer weiß ! Vielleicht werden Sie oftmals denken : die Lonny Steinberg hätte auch etwas Gescheiteres tun können als mir dies bringen . " O nein , nein , gewiß nicht , was von Ihnen kommt , ist alles schön . " Na - na - na - abwarten , Herßchen . Also ßur Sache . Ich wollte Sie nämlich um einen großen Liebesdienst bitten . Sehen Sie , in den Jahren , in denen meine liebe Mutter krank lag , blieb mir Trotz der Pflege viele ßeit , die durch meinen Beruf nicht völlig ausgefüllt wurde , denn ich habe nur geschriftstellert , wenn mich die innere Notwendigkeit daßu trieb . " Da wurde mir durch Professor Volkmar , den Gatten meiner Freundin , eine Arbeit überwiesen , die es mir ermöglichte , bei meiner Mutter im Krankenßimmer ßu bleiben und doch , wie ich es so sehr wünschte , anderen ßu nützen . Er schlug mir nämlich vor , die Blindenschrift ßu erlernen und brachte mir alles Erforderliche daßu . Ich übte nun mit großem Eifer , und sobald ich im stande war ßu schreiben , verschaffte Professor Volkmar mir passende Bücher . " Ich muß gestehen , daß die Arbeit weder leicht noch interessant war . Wenn ich mir aber sagte , welch großer Mangel an Büchern in den Blindenanstalten herrscht , so bereitete mir die Arbeit immer wieder neue Freude . So habe ich im Lauf der Jahre manches Buch abgeschrieben und dadurch manchem armen Menschenkinde eine frohe Stunde verschafft . Wenn ich dann die Freude der Blinden sah oder sie mir schriftlich dafür dankten , so war das stets ein schöner Lohn und ein Sporn ßu neuem Fleiß . " So lieb mir die Arbeit nun auch geworden ist , so wenig ßeit bleibt mir augenblicklich dafür , da ich hier erstlich mehr Anregung ßu literarischer Tätigkeit gefunden habe und ßweitens durch mein Amt als Helferin in der Augenklinik ßu sehr in Anspruch genommen werde . " Da habe ich an Sie gedacht , Lenchen . Haben Sie Lust , die Blindenschrift ßu erlernen ? Wollen Sie versuchen , ein Buch für blinde Kinder abßuschreiben ? " O wie gern , wie gern ! Gleich heute noch will ich anfangen . Ich bin so glücklich und Ihnen so dankbar ! " Leonie lächelte , als sie in die strahlenden Augen blickte . " Sie sind doch einverstanden , gnädige Frau ? fragte sie Lenes Mutter . " Gewiß , liebes Fräulein . Ich bin Ihnen von Herßen dankbar , daß Sie Helene eine Arbeit bringen , die ihr innere Befriedigung geben wird . Ich habe sehr darunter gelitten , daß ich ihr nicht mehr geistige Anregung , nach der sie sich unaussprechlich sehnt , bieten konnte ; doch wie hätte ich das ermöglichen sollen , da ich schon seit Jahren auf meine stille Krankenstube angewiesen war und jetzt erst anfange , mich dem Leben und der Außenwelt wieder ßußuwenden ? Sie reichte Leonie die Hand , die diese häßlich drückte . " Das wäre also ßur ßufriedenheit erledigt , " rief sie dann fröhlich , " nun geben Sie mir , bitte , das Paket , Lenchen , damit ich Sie gleich etwas in die Geheimnisse der Blindenschrift einweihe . Lene kam ihrem Wünsche nach , setzte sich so nah wie möglich ßu ihr und sah in froher Erwartung ßu , wie Leonie auspackte . Da kam ein vierundßwanßig ßentimeter hoher , achtßehn ßentimeter breiter Rahmen ßum Vorschein . Er ruhte auf einer mit Stiften und schmalen Einschnitten versehenen Platte . ßwischen Platte und Rahmen lag das ßiemlich starke Papier , über das , mit Hilfe eines Klemmers , ein Messinglineal festgespannt war . Dieses ßwei ßentimeter breite Lineal war in ßwei übereinanderliegenden Reihen in vierundßwanßig kleine gleichmäßige offene Felder geteilt , in welche die Buchstaben einßeln geschrieben wurden . Die Schrift bestand aus Punkten , die mit einem Spitzen Instrument , das oben mit einem Handgriff versehen war , in die Felder gestochen werden mußten . " Vor allen Dingen müssen Sie das Alphabet lernen , Lenchen . Sehen Sie , hier steht es . Also ein Punkt links in das Feld gestochen heißt a. Geschrieben wird von links nach rechts , gelesen von rechts nach links . Fräulein Steinberg löste die Klammer , nahm das halb beschriebene Papier aus dem Rahmen und ßeigte Helene , wie die Punkte auf der anderen Seite lagen . " Die Blinden lesen gleichsam mit den Fingern , das heißt , sie fühlen die Punkte und lesen danach . Ist Ihnen das klar ? " " Ja - ja - wie wundervoll ist das ! Wie fein muß das Gefühl der Blinden sein ! Wenn ich dies doch lesen könnte ! Was heißt es ? " Es ist mitten aus einer längeren Geschichte . Ich hatte ein Buch für jüngere Kinder angefangen abßuschreiben , es ist schon lange her . Hier ist es , ich glaube , es ist kaum halb fertig . Das Buch interessierte Helene vorläufig wenig , sie griff wieder nach dem Alphabet und versenkte sich mit Leonies Hilfe in das Studium . Diese Freude , als sie das erste Wort auf dem Blatt entßiffert hatte ! Ihre Augen strahlten , ihre Wangen brannten . " So , " sagte Leonie lächelnd , " nun studieren Sie allein weiter , Kind , und machen Sie dann auf einem gewöhnlichen Blatt Papier Schreibversuche . Sie sehen , daß die Schrift sehr genau ausgeführt werden muß , damit die Kinder sie lesen können . " O , ich fange gleich heute noch an . Darf ich Ihnen meine Versuche dann , sobald ich etwas fertig habe , ßur Begutachtung vorlegen ? " Gewiß , Kleine . Können Sie nächsten Mittwoch gegen sechs Uhr ßu mir kommen ? " Dann erst ? Heute ist ja erst Freitag ! " Leonie lachte . " Ei , kleine Ungeduld , Sie werden genug ßu tun haben , bis dahin das Alphabet richtig lesen und schreiben ßu können . Übung gehört daßu , Kind , ehe man Bücher schreiben kann . Verwirrt schwieg Helene und packte alles fort auf ihren Fensterplatß . " Nun können Sie_es wohl gar nicht abwarten , an die Arbeit ßu kommen ? " fragte Leonie neckend . " Soll ich schleunigst gehen , Herßchen ? Gans entsetzt , feuerrot blickte Lene sie an . Lebhaft sprang Leonie auf und umatand sc . "2 us wur ohe recht schlimm von mir ? " fragte sie lächelnd und strich ihr ßärtlich über den dunklen Scheitel , " und damit schmeichelte ich mir , daß ich Ihnen lieber sei als die Arbeit , die ich Ihnen gebracht habe . War das ein Irrtum , kleine Lene ? Lene schüttelte nur den Kopf , ihre Augen sprachen mehr , als Worte vermocht hätten . " Ich habe Ihr Töchterchen häßlich liebgewonnen , gnädige Frau , " sagte Leonie . " Das freut mich ungemein . Lenchen hat außer Annchen Stürßel gar keinen Verkehr und wird sehr glücklich sein , wenn Sie sich ihrer etwas annehmen werden . Ich bin Ihnen von Herßen dankbar dafür , Fräulein Steinberg . " Würden Sie gestatten , Frau Regierungsrat , daß Lenchen mich Montag um vier Uhr in die Augenklinik begleitet ? " O - Mama ! " Lene jauchßte auf , heiße Röte überflutete ihr Antlitß . " Sehr gern , liebes Fräulein . Sie erfüllen damit einen Herßenswunsch meiner Helene . " Gegen sieben Uhr kann Ihr Töchterchen auch wieder hier sein , gnädige Frau . Aber pünktlich um halb vier müssen Sie ßu mir kommen . Können Sie sich so einrichten ? " Ja , natürlich . Wenn wir irgend etwas vorhaben , brauchen wir nicht ßu kochen . Ich esse dann etwas früher als gewöhnlich , nicht wahr , Mama ? " Ja , Kind , das wird sich einrichten lassen . " " Dann auf Wiedersehen , Montag . Was gibt es noch , Lenchen ? Was haben Sie noch auf dem Herßen ? Lächelnd legte Leonie der errötenden Lene die Hand auf den Kopf und blickte ihr fragend in die Augen . " Ich weiß nicht , ob es nicht unbescheiden ist , " entgegnete sie ßögernd . " Das wollen wir sofort feststellen , nur heraus mit der Sprache ! " Darf ich Annchen mitbringen ? Sie möchte auch so schrecklich gern Mal in die Klinik . " Gewiß , Herßchen , selbstverständlich , ohne das niedliche Blondchen dürfen wir nichts unternehmen . Fordern Sie Ihre Freundin also , bitte , in meinem Namen auf . Ich denke , es wird euch beiden interessant sein , das Wirken einer Helferin kennen ßu lernen . Nun will ich ßu Tante Heese hinaufgehen und den Abend bei ihr verbringen . Sollten Sie noch irgend eine Frage in Betreff der Blindenschrift an mich ßu richten haben , so wissen Sie mich also ßu finden . Liebe Frau Regierungsrat , ich will nur hoffen , daß mein Besuch Sie nicht ßu sehr angegriffen hat ? " Im Gegenteil , liebes Fräulein Steinberg , er war mir eine rechte Freude - " sie hielt die schmale Hand des Gastes fest und setzte seufßend hinßu : " Ich wollte , Sie könnten mir auch etwas Arbeit bringen , liebes Fräulein . " Wer weiß , was ich noch tue , verehrte Frau Regierungsrat ! Es gibt unter den Kranken viele Arme , da sind gütige Feen stets willkommen , damit sie die Klinik neu eingekleidet verlassen können . Vielleicht darf ich Ihre Hilfe auch Mal in Anspruch nehmen ? Eine helle Röte flog über der Kranken feines Antlitß , in den matten Augen leuchtete es freudig auf . " Ja , ja , natürlich , sobald Sie wollen , liebes Fräulein . Aber ich selbst - wenn ich doch selbst auch etwas tun könnte ! " Sobald Sie gesund sind , stricken und häkeln Sie Strümpfe und Röckchen für Kinder oder nähen Wäsche und Kleider , liebe gnädige Frau ; ßu viele Hilfe kann den Krankenhäusern in dieser Weise niemals werden . " " Ach , wenn ich das doch wieder könnte ! Glauben Sie das wirklich ? " Voll Angst und ßagen sah sie auf , doch ihr wurde das Herß leicht , als sie in Leonies braune Augen blickte . Aus ihnen leuchtete ihr so viel stiller Frohsinn , so viel Innigkeit und ßuversicht entgegen , es ging überhaupt von dem ganßen Mädchen eine solche sonnige Frische und Heiterkeit aus , daß sie sich unwillkürlich auch ihr mitteilte . " Mit Gottes Hilfe , liebe Frau Regierungsrat . Sie sind , wie ich wohl merke , auf bestem Wege daßu . " Kommen Sie bald wieder , " bat die Kranke , auf deren Antlitß nun auch ein helles Lächeln lag . Lene begleitete den Besuch hinaus und bemerkte voll Staunen , daß Leonie Tränen in den Augen hatte . " Ich mußte an meine gute Mutter denken , " sagte sie leise und drückte Lenes Hand . " Wie dankbar können Sie Gott sein , liebes Kind , daß er Ihre liebe Mutter genesen läßt . Sie wissen gar nicht , wie beneidenswert reich und glücklich Sie sind , Lenchen . Nun leben Sie wohl , ich werde Tante Heese bitten , Ihrer Mama Montag Gesellschaft ßu leisten . Auf Wiedersehen , kleine Lene ! Sie nickte ihr freundlich ßu und ging die Treppe hinauf ßu dem alten Fräulein . Nachdenklich ging Helene ins ßimmer ßurück . Beneidenswert reich und glücklich ? Dafür hatte sie sich bisher noch nie gehalten . " Lenchen , " rief die Mutter ihr entgegen , " was ist das für eine liebe , prächtige junge Dame . Es ist , als ob sie eine Welt frischen , gesunden Lebens mit sich brächte . Ach , Kind , wenn ich doch auch wieder gesund würde . " Du bist ja schon viel wohler , liebe Mama , und wirst immer stärker werden , wenn du deine Kräfte ein bißchen übst . " " Hoffen wir es , Kind . Aber komme , gib mir deinen Arm , ich will ein paarmal durch alle ßimmer gehen . Meinst du nicht , daß das die Kräfte auch etwas übt ? " Gewiß , liebe Mama . ßärtlich schlang Leue den Arm um die Mutter , lehnte den dunklen Kopf an ihre Schulter und sagte leise : " Wie bin ich doch reich und glücklich im Vergleich ßu dem einsamen Fräulein Steinberg . " Mein Herßenskind ! Ach , Lenchen , wie wollte ich Gott hauptsächlich deinetwegen danken , wenn ich gesund würde ! Ich fange jetzt aber wirklich an ßu hoffen . Der Besuch hat mir gut getan , ich fühle mich ordentlich ein bißchen mutiger und frischer . Gleich nachher soll Marie mir Wolle heraussuchen , ich will mir ein Kinderstrümpfchen aufschlagen . Wenn die Not so groß ist , hilft man ja gern . " Und ich will bald die Blindenschrift lernen und fleißig Bücher abschreiben . Ich freue mich so darauf ! Nicht wahr , Mama , dafür interessierst du dich auch ? " Gewiß , Kind , wenn eine Sache Hand und Fuß hat , Interesse ert sie mich stets . " Aber meine Gedichte , Mama " Kind , ich war bisher ßu krank . Laß mir nur ßeit , allmählich werde ich an allem teilnehmen , wofür du dich interessierst . " O Mama , wie schön wird das werden ! Dann darf ich dir mit allem kommen , was mir am Herßen liegt ! An dem ungläubigen Staunen im Ton , dem frohen Aufleuchten der Augen , erkannte die Mutter , wie schwer die Tochter unter ihrer Gleichgültigkeit gelitten hatte . Bewegt drückte sie ihr die Hand und sagte fest : " Ja , Lenchen , mit allem . Du sollst fortan eine bessere Mutter in mir finden , als ich dir in den letzten Jahren gewesen bin . " " Was wird das für ein reiches , köstliches Leben werden ! Wie glücklich werden wir sein ! " Mit Gottes Hilfe , mein Liebling . Mit strahlenden Augen blickte Lene später , als die Mutter wieder in ihrem Stuhle ruhte , in den Regen hinaus . Sie sah den grauen , düstern Himmel nicht , in ihr war lichter , heller Sonnenschein , sie war ein beneidenswert reiches und glückliches Menschenuno . Cante Lonny . (n einer ruhigen Straße in Moabit , mitten in - einem großen Garten , lag die Privatklinik Professor Volkmars . In den schattigen Wegen wandelten diejenigen Kranken , deren Augen Luft und Licht vertragen konnten . Die meisten trugen freilich Augenschirme und dunkle Brüllen , immerhin konnten sie sich des Sonnenscheins erfreuen . Tiefer hinein in den Garten befand sich ein Spielplatz , auf dem munteres Leben herrschte . Hier vergnügten sich die fast genesenen Kinder unter der Aufsicht einer jungen Helferin an ruhigen Spielen . Ihre kleinen Leidensgenossen , deren Genesung noch nicht so weit fortgeschritten war , ruhten in einem hohen Saale in der Klinik , dessen geöffnete , durch dunkle Vorhänge geschütßte Fenster nur wenig von der köstlichen Sommerluft hereinließen . Für genügende Frische mußte der Ventilator sorgen . Hier lagen in den an den Wänden stehenden Betten ßehn blasse Kinder von den verschiedensten Altersstufen . Fast alle trugen einen traurigen , sehnsüchtigen Ausdruck in den kleinen Gesichtern . Sie mußten auch gar ßu viel entbehren : Licht , Bewegung , fröhliches Spiel und Unterhaltung . Die Pflegeschwester , eine ältere Dame , ging tröstend von Bett ßu Bett , legte hier ein Kissen ßurecht , prüfte dort einen Verband , ermahnte hier und sprach dort freundlich ßu . Da öffnete sich die Tür . Drei helle Gestalten traten ein . rief " Gott ßum Gruß , " eine fröhliche Stimme , " wer ist_es , ihr Kindervolk ? " Tante Lonny " Tante Lonny " Ach , Tante Lonny , komme ßu mir . " Nein , ßu mir . " ßuerst ßu mir , bitte ! " " Hierher , Tante Lonny - hierher ßuerst . " " Tante Lonny - Tante Lonny ! So rief , lachte , jauchßte und jubelte es durch den eben noch so stillen Saal . Es war , als ob sich ein Strahl des goldenen Sonnenlichtes von draußen in das Dämmerlicht des Krankenßimmers verirrt hätte . Ein heiteres Lachen war die erste Antwort . " Ich komme ßu euch allen , " sagte dann die fröhliche Stimme , " Gans der Reihe nach , wie es sich gehört . Aber ruhig und artig müßt ihr alle sein , dann gibt es noch etwas Schönes für ein jedes . Wie die kleinen Gesichter erstrahlten ! Welch fröhliches , hoffnungsvolles Lächeln verklärte sie jetzt . " Tante Lonny , warum kommst du heute schon ? Heute ist doch gar nicht dein Tag ? " wollte eine kleine Neugierige wissen . " Ich komme heute für Fräulein Brauns . " " Kommst du dann morgen für dich , Tante Lonny : " Ja , morgen komme ich für mich . Sie begrüßte die Schwester und machte Helene und Anna mit ihr bekannt . Lonny nickte der ersteren lächelnd ßu , als sie mit einem Seufßer der Erleichterung den Saal verließ . Nun ging Lonny von Bett ßu Bett und teilte aus einer umfangreichen Tüte saftige Birnen aus . " Aber hübsch warten , bis ich sie euch abschäle , " gebot sie , " ich habe noch ßwei junge Tanten mitgebracht , die mir helfen wollen . Da sollt ihr Mal sehen , wie es heute lustig hergehen wird . " Ich will keine neuen Tanten , ich will dich , " rief ein fünfjähriges Kerlchen sehr energisch . " Ei , Hansel , wer wird so unhöflich sein ! Was sollen die Tanten von dir denken ? " " Tante Lonny , wie sehen die neuen Tanten aus ? " rief ein kleines Mädchen . " Wie heißen sie ? " wollte ein anderes wissen und ßerrte an der Augenbinde , um wenigstens einen Gans kleinen Blick hervorsurfen . Geschwind war Leonie an ihrer Seite und hielt die ungestümen Händchen fest . " Schäme dich , Käthe . Du weißt , daß du das nicht darfst . " Tante Lonny , wenn ich dich doch nur einmal sehen könnte ! " Eine grenßenlose Sehnsucht sprach aus der Kinderstimme und die mageren Arme streckten sich verlangend nach Leonie aus . Sie beugte sich nieder und küßte das Kind . " Später , mein Herßchen , wenn deine Augen besser sind . " Werden sie denn besser , Tante Lonny ? " " Das wollen wir ßu Gott hoffen . Und nun will ich dir erßählen , wie die jungen Tanten aussehen . Die eine , die größere , hat dunkles , glattes Haar , sieht blaß aus , weiß hübsche Gedichte und hat Augen so blau wie die lieben Veilchen im Frühling . Sie heißt Tante Helene . " Nein , Veilchentante , " rief es aus einem Bett . " Ja , Veilchentante , ei , das klingt hübsch . " " Veilchentante soll herkommen und mir guten Tag sagen . " Sehr rot und verlegen schritt Lene von Bett ßu Bett und sagte guten Tag , sie wußte sonst nichts . " Nun hört weiter . Die andere Tante ist kleiner , hat ein lustiges Gesicht , mag gern lachen , hat einen blonden Struwwelkopf und Augen wie Vergißmeinnicht . Sie heißt Tante Anna , " sagte Tante Lonny . " Nein , Vergißmeinnichttante . " Lachen und Jubel erklang aus allen Betten . Fröhliche Gesichter ßeigten sich Trotz der verbundenen Augen überall . Und nun ging Annchen von Bett ßu Bett . Sie verstand es aber besser als Lene , für jedes Kind hatte sie ein heiteres Wort , eine kleine Liebkosung . So sehr sich Hasenherß auch davor gefürchtet hatte , in die Klinik ßu gehen , wo es vielleicht Schauriges ßu sehen gab , so unbefangen wußte sie sich jetzt ßu geben . Lene sah das voller Staunen . Als sie vor kaum ßehn Minuten die Treppe hinter Leonie hinaufgeschritten waren , hatte Hasenherß sich ängstlich an sie gedrängt und ihr ßugeflüstert : " Du , ob die kranken Augen wohl schrecklich anßusehen sind ? Du , das kann ich nicht sehen . Gans blaß war Hasenherß gewesen und hatte vor Furcht geßittert . Und nun war sie frisch und rosig und konnte scherßen und lachen und plaudern , als ginge sie hier täglich aus und ein . Ob ihr aber der Jammer der kleinen , blassen Wesen nicht ßu Herßen ging ? Lene war es nicht möglich ßu lachen und ßu scherßen , wie Annchen und Leonie es konnten . " Veilchentante , komme und schäl Birnen mit , " rief Leonie ihr heiter ßu . Lene gehorchte , teilte mit aus und wischte die Händchen wieder sauber , als die Früchte verspeist waren . " Tante Lonny , was tun wir nun ? " " Erßähl eine Geschichte , Tante Lonny . " " Nein , singen , Tante Lonny soll singen . " " Ja , ja , singen . " Ach ja , Tante Lonny , " schmeichelte auch Annchen und schmiegte sich ßärtlich an sie , " darf ich Sie auch so nennen ? " Gewiß , Kind , das dürfen Sie . Also singen . Was wollt ihr hören ? " " Sah ein Knabe ein Röschen stehen , " rief Käthe , " das singst du so schön wie ein Engel . " Ei , Käthe , hast du schon Mal einen Engel singen hören ? ßärtlich strich Leonie dem Kinde über das Blondhaar , setzte sich auf den Bettrand und sang mit weicher , süßer Altstimme das reißende Volkslied . Tiefes Schweigen herrschte im Saal , in gespannter Aufmerksamkeit lauschten alle Kinder . In schwärmerischer Bewunderung hingen Annas und Lenes Augen an dem feinen schmalen Antlitß " Tante Lonnys " . Sie meinten wie die kleine Käthe , daß ein Engel nicht schöner singen könne . " So , nun wollen wir alle ßusammen singen , die beiden Blumentanten auch mit , " gebot Leonie , als sie geendet hatte . Nun wurde ein Lied nach dem anderen gesungen , bis die Kinder müde waren . Dann ließ Leonie sich die kleinen Erlebnisse und Kümmernisse der einßelnen Kinder berichten und plauderte freundlich mit ihnen . " Nun soll die Vergißmeinnichttante singen , " bat eines der Kinder . Annchen ßierte sich nicht lange , sondern sang mit ihrer hellen Sopranstimme ein paar lustige Lieder . Als dann die Reihe an Lene kam , gestand sie stockend , daß sie nicht singen könne . Das verwunderte die Kinder sehr . Nicht singen können - wie war das möglich ? Sie konnten alle singen , und ßum Beweis sang ein jedes ein Lied . Das gab Anlaß ßu lachen und ßu scherßen , denn bei den Kleinen lief manch unreiner Ton , manch verkehrte Melodie mit unter . Nur Lene stand stumm da und ärgerte sich , daß sie auch so rein gar nichts konnte . So Gans wollte sie doch auch nicht hinter Anna ßurückstehen , die schon mit allen Kindern gut Freund war . Was konnte sie aber ßur Belustigung der Kleinen nur tun ? Eine tiefe Falte stand ihr ßwischen den Augen , so ßermarterte sie sich den Kopf . Da strich ihr Leonie mit weicher Hand über das Gesicht und fragte leise : " Wissen Sie ein paar lustige Gans verßweifelt schüttelte Lene den Kopf , dann Gedichte vorßutragen ? Nun wurde ein Lied nach dem anderen gesungen . blitzte es plötzlich in ihren Augen auf und sie rief eifrig : " Ich weiß aber Rätsel . " Das ist ja herrlich ! Hört , Kinder , die Veilchentante will euch Rätsel aufgeben . Heller Jubel , dann erwartungsvolles Schweigen . Stockend sagte Lene : " Oben spitz und unten breit , durch und durch voll Süßigkeit . " ßuckerhut - ßuckerhut ! Mußt schwerere sagen , Veilchentante . Glücklicherweise konnte Lene damit dienen , und so begann ein fröhliches Raten . Ehe Helferinnen und Kinder es sich versahen , war es sechs Uhr , die Schwester kam und der Besuch des Arßtes stand in Aussicht . An jedem Bettchen wurde Tante Lonny festgehalten , an jedem mußte sie auf morgen vertrösten . Endlich standen sie draußen auf dem kühlen Flur . " Ach , war das schön , " rief Annchen , " und doch wie traurig ! Die armen , armen Kinder ! Bekommt keines seine gesunden Augen wieder , Tante Lonny ? " O doch , einige haben nur ein vorübergehendes Augenleiden , mit anderen freilich steht es nicht so gut . Am traurigsten ist die ßukunft der kleinen Käthe , meines besonderen Lieblings . Sie ist nun bereits ßum sechsten Male operiert . " O , wie traurig ! Weshalb ? " Sie ist von Geburt an fast blind . Die Kleine war die erste Patientin , die der Professor unentgeltlich in seine Klinik aufnahm . Er interessiert sich lebhaft für den eigenartigen Fall . Immer wieder hat er gehofft , ihr helfen ßu können . Trotz all seiner Bemühungen ist das bißchen Sehkraft jedoch mit den Jahren immer schwächer geworden . Nun ist er ßu einem letzten Versuch geschritten . Es handelt sich um Heilung oder völlige Erblindung . " Wie schrecklich ! Das arme , arme Kind . " Annchen rannen heiße Tränen über die Wangen , Lene sah blaß und bewegt aus . " Wann entscheidet es sich ? fragte sie . " In etwa vier Wochen . " Wer sind ihre Eltern ? " Ihr Vater ist tot , ihre Mutter ernährt sich und noch vier kleinere Kinder durch einen kleinen Gemüsehandel . ßu ihr wollte ich neulich , als ich bei Ihnen war , Annchen . Es ist eine gute Frau , aber leider kränklich und leicht versagt . Ich weiß nicht , wie sie es er- Lug . 10- , -----gec Hoffnung fehlschlägt . " " Glauben Sie es ? " fragte Lene mit angstvollen Augen . " Ich habe wenig Hoffnung , Kinder , " entgegnete Leonie seufßend . Stumm schritten sie durch den jetzt leeren Garten auf die Straße . " So , nun wollen wir bis ßur Lessingstraße fahren und dann durch den Tiergarten heimgehen , " schlug Leonie vor . Während der Fahrt hingen alle drei ihren Gedanken nach , erst als sie in den Tiergarten hineinschritten , rief Leonie munter : " So , meine Lieben , nun schaut wieder gefälligst fröhlich aus , so ernste , traurige Gesichter liebe ich nicht . " Ach , " sagte Annchen seufßend , " ich habe so schrecklich viel Mitleid mit der kleinen Käthe . " " Das müssen Sie auch haben , Kindchen , es wäre ein trauriges ßeichen für Ihr Herß , wenn es anders wäre . Den Kopf brauchen Sie aber deshalb doch nicht hängen ßu lassen . " In der Klinik wurde mir das Elend der Kinder gar nicht so recht klar , " fuhr Anna gedankenvoll fort , " sie lagen da alle so nett und sauber , und ich fühlte mich ordentlich erleichtert , daß es nichts Schreckliches ßu sehen gab . Wirklich , Tante Lonny , ich könnte das nicht sehen , ich werde immer gleich Gans blaß und fange an ßußittern . " " Unsinn , Kind , da müssen Sie sich fester ßusammennehmen und nicht die Augen feige ßukneifen . Fragen Sie sich bei solchen Gelegenheiten stets , ob es etwas für Sie ßu helfen gibt . Ist das der Fall , so springen Sie schnell ßu , dann geht die etwaige Schwäche am schnellsten vorüber . Können Sie nichts helfen , so gehen Sie getrost Ihrer Wege . 11 " Mama und Papa haben mich immer sehr gehütet , damit alles Traurige und Häßliche mir fernblieb ; halten Sie das nicht für richtig , Tante Lonny " Gewiß , liebes Herß , solange Sie ein Kind waren Sie werden bald siebßehn Jahre alt ? " Im November schon . " Nun , da wird es ßeit , daß Sie allmählich lernen , dem wirklichen Leben ins Auge ßu schauen . Ich bin gewiß nicht dafür , daß jungen Mädchen , wo es ßu vermeiden ist , Häßliches vor Augen geführt wird , es kann ihnen nach meiner Ansicht jedoch nur von Nutzen sein , wenn ihnen das Herß warm wird für die Not des Nächsten . Das Ihre ist , wie ich gesehen habe , sehr weich , aber Kindchen , hüten Sie sich , daß Sie sich nicht verweichlichen . Ich fürchte , Sie werden noch schwer damit ßu kämpfen haben , kleines Hasenherß ! Sie ßog Annas Arm durch den ihren und blickte ihr lächelnd in die Augen . " Ach ja , Tante Lonny , das fürchte ich auch . Ich bin immer gleich so traurig , daß ich weinen könnte . " Das hätte gar keinen ßweck . Immer mit hellen Augen in das Leben hineingeschaut ! Wir sind nicht daßu da , um über das Elend auf der Welt ßu weinen , sondern um es nach besten Kräften ßu lindern . Diese Pflicht hat jeder . Daran denken Sie immer , Annchen . Nun , Lene ? J14 Sie wandte sich ßur anderen Seite , an der Lene schritt . Ein tiefer Atemßug hatte bei Leonies Worten ihre Brust gehoben , mit glänßenden Augen blickte sie in den blauen Himmel . " Ach ja , " rief sie , " wer das könnte ! Wirklich helfen ! Durchgreifend - das Elend aus der Welt schaffen ! Das wäre schön ! " Kind , das kann niemand . Das wird niemand gelingen , solange die Welt steht . Nicht Illusionen nachhängen , liebe Lene , sondern mit festen Füßen auf der Erde stehen und fest ßugreifen , wo es nottut . " " Ach , ich bin so ungeschickt , ich habe gar keine Gaben daßu , " seufßte Lene . " Ich mag mir auch keine Mühe geben , " fuhr Leonie in demselben Ton fort , legte den Kopf wie Lene schier auf die Seite und ßog ein langes , melancholisches Gesicht , " ich kann auch nicht leichtherßig plaudern wie Annchen , ich bin ßu scheu , ßu geben , was ich habe . Wenn einer mich nicht gleich versteht , schiebe ich sofort den Riegel vor , damit nur ja keiner einen Blick in mein Inneres wirft . Ja , so bin ich , Lene Werner , nun einmal . " Mit tiefem Seufßer und doch einem gewissen Trotz hatte Leonie die letzten Worte hervorgestoßen , eine tiefe Falte lag ßwischen den Augen . Voller Vergnügen drückte Annchen ihren Arm . " Wie wundervoll verstehen Sie Lene nachßuahmen , rief sie bewundernd . Stirnrunßelnd blickte Lene sie an , verwirrt und rot , doch mit glänßenden Augen . " So verstehen Sie mich ? So gut ? Aber ich habe_es gefühlt , gleich das erste Mal , als ich Sie sah . " Ja , Kindchen , mir können Sie nichts vormachen , auch wenn Sie einen doppelten Riegel vorlegen . Und nun auf ßum Kampf gegen die Schüchternheit , Lenchen . Wollen Sie wirklich nützen , so müssen Sie die vor allen Dingen überwinden . Werden Sie unbefangen , frei von sich selbst , gehen Sie aus sich heraus , teilen Sie anderen von dem mit , was Sie haben . So , Kinder , nun habe ich euch tüchtig die Leviten gelesen , nun überlasse ich euch eurem Schicksal . Könnt ihr allein nach Hause gehen , oder soll ich noch weiter mit ? " Nein , Tante Lonny , Sie sind schon viel ßu weit mitgekommen . Und viel tausend Dank für die Pauke und für das Mitnehmen und für alles . Ich darf Mal wieder mitkommen ? " " Gewiß , liebes Annchen , so oft Sie mögen . " " Ach ja , schrecklich gern ! Vielleicht - ja , vielleicht werde ich auch noch einmal Helferin . Nein , auslachen dürfen Sie mich nicht , Tante Lonny , es ist mir wirklich bitterer Ernst . Ach , schade , daß ich Sie hier auf der Straße nicht schnell Mal umarmen und abküssen kann , ich habe Sie ßu schrecklich lieb ! Und ich freue mich so , daß ich Tante Lonny sagen darf , es klingt so süß . Leise lachend erwiderte Leonie den ßärtlichen Händedruck und reichte dann Lene die Hand . " Adieu , " murmelte diese , " ich danke Ihnen vielmals . " Sie errötete heiß , als sie dem lächelnden , forschenden Blick ihres Schwarmes begegnete . Aber um nichts in der Welt hätte sie Tante Lonny sagen und so ßärtlich tun können wie Anna . " Adieu ! Grüßt beide eure Mamas , Kinder . Auf Wiedersehen ! " Sie wandte sich ßum Gehen . " Tante Lonny " Macht , daß ihr nach Hause kommt , Kinder . " Tante Lonny - Mama möchte Sie gern in diesen Tagen Mal bei uns sehen , paßt es Ihnen morgen ? Lonny wandte ihr lachendes Antlitß noch einmal den Mädchen ßu . " Ja , Kleine . Soll dies schon eine Einladung in aller Form sein ? " Nein - Tante Lonny - was denken Sie von mir ! Ich wollte bloß wissen , ob es Ihnen paßt . Leonie nickte noch einmal und schritt dann rüstig aus . Eine Weile standen die Mädchen noch und blickten ihr nach , dann schlugen sie den Heimweg ein . " Ach , " sagte Annchen und drückte Lenes Arm heftig an sich , " sie ist doch wahrhaft hinreißend ! So habe ich noch für keinen Menschen geschwärmt ! Ich wollte , ich träumte heute Nacht von ihr . " Gans verklärt blickten die blauen Augen , auf dem lieblichen Gesicht lag ein glückliches Lächeln , Annchen dachte nicht mehr an die Not des Lebens , sie freute sich grenßenlos auf morgen . Stumm , mit tiefernstem Gesicht ging Lene neben ihr her . Sie dachte auch nicht an die Not des Lebens , aber auch nicht an morgen . Sie fragte sich , ob sie es je lernen würde , ihr eigenes scheues , selbstsüchtiges Ich ßu überwinden , um nur annähernd so ßu werden , wie ihr vergöttertes Vorbild es wünschte . Es ßu erreichen , war ja vollständig ausgeschlossen , aber nacheifern wollte sie Tante Lonny . Lene wurde rot , als sie ihre Muse in Gedanken so nannte . " Na , Maus , du putzt ja an dem Tisch herum , als ob du eine Königin ßu Gast erwartetest , " sagte Geheimrat Stürßel am nächsten Nachmittag ßu seinem Töchterchen . Annchen , im weißen Kleide , eine Rose im Gürtel , erwartungsvolle Freude in jedem ßuge des jungen Antlitßes , war gerade beschäftigt , ein kleines Rosensträußchen , das sie dem Gast in einer kleinen Vase neben den Teller stellen wollte , ßusammenßubinden . " Ach , Papa , wenn man seinen Schwarm ßum ersten Male bei sich erwartet , kann man sich wirklich nicht genug tun . Ich freue mich Gans schrecklich ! Ordentlich Herßklopfen habe ich ! Papa , hast du auch Mal so für einen deinesgleichen geschwärmt ? " Daß ich Herßklopfen bekommen hätte ? Kann mich nicht erinnern . Wird also wohl nicht der Fall gewesen sein . " Ach , dann weißt du gar nicht , was du entbehrt hast , Papa . Ich sage dir , es ist ein Gans herrlicher ßustand . " Mag sein . Daß es aber für andere recht unangenehme Folgen haben kann , habe ich heute morgen erfahren , als ich mein Frühstück essen wollte und entdeckte , daß mein Fräulein Tochter es mir unbelegt eingewickelt hatte . Deine Vergeßlichkeit scheint also durch diesen gerühmten ßustand noch gesteigert ßu sein . " Du armer Papa ! " Annchen warf ihre Rosen auf den Tisch , lief hin und streichelte den Papa . " Ein Glück , daß es heute mittag dein Leibgericht gab , nicht ? " Damit tröstest du dich wohl schnell , du Leichtfuß ! Ich werde mir aber in ßukunft mein Frühstück lieber wieder von Mama besorgen lassen . Den eigenen Vater wegen einer fremden Dame so schlecht ßu behandeln gehe - ich will gar nichts von dir wissen . Nächstens machst du dir wohl überhaupt nichts mehr aus deinen Eltern um dieser Dame Lonny Willen . Wäre die doch gar nicht aufgetaucht . Annchen lachte hell und fröhlich und streichelte Papas Wangen . " Stelle dich doch nicht so böse , einßiger Papa , im Grunde brennt ihr beide , du und Rudi , ja lichterloh vor Neugierde , meinen Schwarm kennen ßu lernen . " Ach , was du dir einbildest ! Nicht eine Spur neugierig bin ich . Na , Filius , " rief er dem eintretenden Rudi ßu , " bist du etwa neugierig auf Dame Lonny ? " Rudolf ßog die Schultern hoch und blickte sein Schwesterchen mit lustigen Augen an . " Mir ist ein bißchen sauersüß ßu Mut . Eine junge Dame von vierunddreißig Jahren ist ein etwas kitßlicher Punkt . Gegen späte Mädchen fühle ich solche Hochachtung , daß ich ihnen am liebsten aus dem Wege gehe . " Spätes Mädchen - meine Lonny ? " Voller Entrüstung blickte Annchen ihn an , dann lachte sie : " Na , lerne sie nur erst kennen , du wirst bald ebenso für sie schwärmen , wie ich und Mama auch . Die Herren lachten , Papa rieb sich die Hände und rief : " Na , dann nur her mit Dame Lonny , ich bin wirklich neugierig auf das Unikum einer älteren jungen Dame . Da ertönte die Klingel . Annchen stellte schnell ihr Sträußchen vor Leonies Teller und lief mit dem Freudenruf : " Das ist sie gewiß , " hinaus , kehrte aber gleich darauf mit Lene ßurück . " Na , Lene , " begrüßte der Geheimrat sie , " hast du auch solch Herßklopfen ? Meines schlägt Gans unsinnig vor Aufregung und gespannter Erwartung . Lene sah den Geheimrat fragend an und lachte dann . " Wer brät denn die Koteletts heute abend ? " " Agnes . " Ein Glück ! Dann wird wenigstens die Butter nicht vergessen . " Du böser Papa ! Da kommt Mamachen . Freust du dich auf Fräulein Steinberg , Mama ? " Ja , ich freue mich . Ich habe sie nach den beiden Malen , die ich sie gesehen habe , schon Gans in mein Herß geschlossen . " Du auch , Brutus ? " seufßte Papa . " Ich sehe es kommen , Dame Lonny wird noch Familienschwarm . Na , meinetwegen . Machen wir die Mode mit , Rudolf . Da klingelt's . Der feierliche Augenblick ist also gekommen . Der lustige Papa faltete die Hände und ßog ein so langes , feierliches Gesicht , daß die beiden Mädchen häßlich lachten . Da öffnete Agnes die Tür . Sofort nahm der Geheimrat eine andere Haltung und Miene an und erhob sich . Leonie trat ein , in feiner hellgrauer Toilette , und wurde auf das häßlichste von Frau Geheimrat empfangen . Annchen flog auf sie ßu und umarmte sie , Lene verbeugte sich ehrfurchtsvoll und reichte ihr hocherrötend die Hand . Nun traten auch die Herren näher und ließen sich ihr vorstellen . Mit großer Liebenswürdigkeit hieß der Geheimrat sie in seinem Hause willkommen und führte sie gleich darauf an den Kaffeetisch . Kaum hatten alle Platz genommen , so klingelte es abermals . " Das ist Onkel Hains , " rief Anna , " so küngelt nurer . " " Bleibe nur Sitzen , Töchterchen , " gebot die Mama , " Rudolf wird Herrn König in Empfang nehmen . " Wie reißend , Tante Lonny , daß Sie Onkel Hains nun auch gleich kennen lernen . " Sehr nett , Annchen , ich freue mich auch . " Die Tür öffnete sich . Rudolf trat in Herrn Königs Begleitung ein . Fröhlich wurde er bewillkommt , mit Leonie bekannt gemacht , und erhielt seinen Platz ßwischen den jungen Mädchen . " Onkel Hains , Sie haben gewiß geahnt , daß es feine Sachen bei uns gibt , nicht ? " fragte Annchen schelmisch . " Freilich , Fräulein Annchen , ich habe ein so ausgeßeichnetes Ahnungsvermögen , daß ich mich immer dann einstelle , wenn es etwas ßu schnabulieren gibt , entgegnete er heiter , " Sie wissen ja , wie ich für Kuchen und Süßigkeiten schwärme . Finden Sie das unpassend , Fräulein Werner ? Sie sehen mich so strafend an ? wandte er sich an Lene . Sie wurde dunkelrot und ßog die Augenbrauen kraus . " Na , Lene , laß deine Meinung ungescheut hören , redete ihr der Geheimrat ßu . " Schön kann ich_es gerade nicht finden , wenn ein Herr für so etwas schwärmt , " erklärte sie Kurs . " So , Onkel Hains , da haben Sie_es , " rief Papa in das fröhliche Gelächter hinein . " Aber Lene , wie ernst du aussiehst . Onkel Hains macht ja nur Spaß , " sagte Anna . " Sie haben Gans recht , Lenchen , " rief Leonie über den Tisch , " die Liebhaberei für Süßigkeiten ist unser unbestreitbares Vorrecht , nichtsdestoweniger sind wir den Herren aber dankbar , wenn sie uns ihre Gegenwart ßu einem gemütlichen Kaffeestündchen schenken und dabei den Süßigkeiten alle Ehre erweisen . Meinen Sie nicht auch , liebe Frau Geheimrat ? " Ach , Tante Lonny , Sie sprechen mir aus der Seele , ich hätte es bloß nicht so ausdrücken wunen , nicht ßunchen voller Freude , während die Mama ihrem Gaste freundlich ßunickte . " So , Onkel Hains , nun können Sie es sich ordentlich schmecken lassen , ja , nun ist es schon mehr Pflicht , denn den meisten Kuchen haben wir selbst gebacken . " Da werde ich mich unbedingt rumessen , wie man ßu sagen pflegt , um festzustellen , welche Art Kuchen den Damen am besten gelungen ist , Fräulein Annchen , erwiderte Hains König freundlich . Annchen strahlte . Voller Interesse hörten die beiden Mädchen dann ßu , wie Mama und die Herren mit Leonie über deren Tätigkeit in der Augenklinik sprachen . Lenes Augen erglänßten bald ebenso hell wie Annchens , das war ein Thema nach ihrem Herßen , ihre Blicke hingen an Leonies Lippen , sie las ihr förmlich die Worte vom Munde . Später saßen die Damen , während die Herren spaßieren gingen , mit einer Handarbeit unter der Birke . " Willst du das Neueste wissen , Lene ? " fragte Anna im Laufe des Gespräches . " Ich soll ßum Herbst auf ein halbes Jahr schneidern lernen . " O weh ! " Lene ließ entsetzt ihre Arbeit sinken . " Bringe ' bloß nicht Mama auf den Gedanken , daß mir das auch nötig sei ! Die Damen lachten über Lenes Entsetzen , und Annchen sagte neckend : " Und wir dachten , du würdest sehr begeistert dafür sein , Lene . Denke doch nur , wenn du ßu Weihnachten für die Kinder in der Klinik Kleidchen nähen willst und du hast es bis dahin so fein gelernt ! Was können wir dann alles ßusammenschneidern ! Freust du dich nicht ? " Nein ! " Helene warf ihre Stickerei auf den Tisch und rief heftig : " Ich will nicht schneidern lernen , verstehst du ? Ich will nicht ! Und wenn ich daßu geßwungen werden sollte , ich täte es nicht ! " Aber Lene , " stammelte Anna Gans erschrocken . " Es denkt ja niemand daran , dich ßu ßwingen , Lenchen , " bemerkte Frau Geheimrat sanft , " das Studium wäre bei dir so völlig aussichtslos , daß ich sogar entschieden abraten würde , falls deine Mama daran denken sollte , dich an dem Kursus teilnehmen ßu lassen . Lene antwortete nicht , sie hatte ihre Arbeit aufgerafft und den dunklen Kopf tief darüber gebeugt . Sie schämte sich grenßenlos . Frau Geheimrat sah das und sagte freundlich : " Kinder , ihr könntet uns etwas Limonade holen , es ist doch auch hier recht warm . Seht gleich Mal nach , ob es auf dem Balkon kühler ist , dann gehen wir dahin . Hastig sprang Lene auf und stürßte so schnell davon , daß Anna ihr kaum folgen konnte . Im ßimmer angekommen , sank sie auf den nächsten Stuhl und brach in Tränen aus . " Was muß sie von mir denken ! " stieß sie abgebrochen hervor . " Für das unausstehlichste Geschöpf auf Gottes Erdboden muß sie mich halten . Das kommt aber bloß von deinem dummen , albernen Necken . Du weißt recht gut , daß ich es nicht leiden kann und immer mußt du es wiedertun . Wäre ich doch gar nicht hergekommen . " Ach , Lene , ich habe mir doch nichts dabei gedacht . Wie konnte ich ahnen , daß du gleich so ßornig werden würdest . Meine alte Lene ! " Anna wollte sie umfassen , Lene stieß sie jedoch ßurück . " Sei mir doch wieder gut , " bat Annchen Gans ßerknirscht , " ich wollte dich doch nicht kränken . Höre bloß auf ßu weinen , Lene , was soll Tante Lonny denken , wenn du mit roten Augen wieder hinauskommst . " Lene sprang auf und trocknete ihre Tränen . " Ich komme überhaupt nicht wieder mit , ich gehe nach Hause , erklärte sie Kurs . " Lene ! Das kannst du nicht ! Das wäre ßu unhöflich . Lene antwortete nicht , sie drückte das Taschentuch nochmals gegen die nassen Augen und wandte sich dem Flur ßu . " Nein , Lene , ich laß dich nicht fort ! " Anna lief ihr nach und umschlang sie mit beiden Armen . " Lene , du dumme Lene , hast du solche Angst vor Nadel und Schere , daß du ausrückst ? Es soll ja nicht gleich heute losgehen , bleibe doch nur hier . Lene wollte sich befreien , Annchen hielt jedoch fest . " Wehre dich nicht , du , es nützt dir nichts , du weißt , ich habe mehr Kräfte als du . Nicht wahr , du bleibst auch ? Liebe , Einßige , sage ja . Du kannst ja auch gar nicht fortgehen , Lene , eine erwachsene junge Dame ist nicht so schrecklich unhöflich . " Helene , die sich vergeblich ßu befreien suchte , ließ die Arme sinken , ßog eine tiefe Falte ßwischen den Augenbrauen und nagte unmutig an der Unterlippe . Voller Schelmerei beobachtete Annchen sie . Die erwachsene junge Dame , das war das ßauberwort , mit dem sie die widerspenstige Lene fangen konnte . Grollend blickte diese auf und fragte : " Ich habe mich wohl wieder Mal gründlich blamiert ? " Nun , es ist nicht so schlimm , Lene , aber fortlaufen darfst du nun nicht auch noch . " Ach ! " Lene seufßte tief und ßog die ganße Stirn kraus . " Gräßlich , daß man sich als erwachsener Mensch so verstellen muß und sich nicht einfach geben kann , wie man fühlt . " Ich finde , das tust du ausgiebig genug , Lene . " " Ja , aber , darum - darum " Darum will niemand in dir die erwachsene junge Dame sehen und du möchtest sie doch so gern herausbeißen , möchtest für dein Leben gern so sicher , so hinreißend liebenswürdig auftreten können , wie Tante Lonny ßum Beispiel . Hab ' ich recht , Lene ? " Ach ! So wie die kann ich nie werden . " " Wer weiß , ßu welch entßückendem Geschöpf du dich noch entpuppst . Vorläufig sind wir ja aber noch Backfische , damit tröste dich , liebe Einßige . " " Ich werde in vier Wochen siebßehn Jahre alt und bin dann kein Backfisch mehr . " Welcher Jammer ! Da mußt du schleunigst die erwachsene junge Dame herauskehren . Also ausgekniffen wird nicht , sondern eine liebenswürdige Miene aufgesetßt und Gans unbefangen ßu der Gesellschaft ßurückgekehrt . Siehst du , ich weiß Gans gut , wie_es gemacht wird . Lene lächelte etwas . " Sehe ich sehr verweint aus ? " " Komme Mal rum , daß ich dir ordentlich in die Augen sehen kann . Hm ! Beinahe gar nicht mehr . ßu komisch , daß man_es dir so wenig ansieht , Lene . Komme , laß uns würdig wie ßwei alte Damen in den Garten schreiten . " Mit lachenden Augen schob sie ihren Arm in Lenes und ging , lebhaft auf die schweigsame Freundin einplaudernd , mit ihr über den Hof ßu der Birke . " Na , Kinder , wo bleibt ihr denn so lange ? " rief Frau Geheimrat ihnen entgegen , " und wo ist die Limonade ? " Beide blieben stehen und blickten sich an . In ein helles Lachen ausbrechend , stürßten sie , sich an den Händen haltend , wie echte Backfische , gleich darauf davon . " Nein , diese Kinder , " sagte Mama kopfschüttelnd , während Leonie häßlich lachte . Nach kurßer ßeit kehrten sie wieder , Annchen mit den Flaschen , Lene mit Gläsern . " Entschuldige , Mama , " bat erstere , " wir hatten so viel Wichtiges ßu besprechen , darüber vergaßen wir die Limonade . sagte Leonie " Kommen Sie einmal her ßu mir , und streckte Lene die Hand hin . Errötend trat diese an ihre Seite . " Sagen Sie Mal , Kleine , wann soll ich denn endlich einmal eins Ihrer Gedichte hören ? Die Glut auf Lenes Wangen vertiefte sich . " Nie ! Die sind viel ßu schlecht für Sie , " stammelte sie verwirrt . " Ich hörte aber von anderer Seite , daß Sie Begabung haben , Lenchen , und würde mich sehr freuen , wenn Sie mich eines Ihrer kleinen Gedichte hören ließen . " Tue es nur , Lenchen , " redete ihr Tante Geheimrat ßu . " Du hast uns doch neulich auch ßwei vordeklamiert . " Ja - euch - " Lene warf ihrem Schwarm einen scheuen Blick ßu - " ich kann_es nicht , vor Ihnen nicht , flüsterte sie verschämt . " Lene , du kannst dich ja so hinstellen , daß Tante Lonny dich nicht sieht , " riet Annchen ihr lachend , " soll ich den Windschirm vom Balkon holen ? Oder hier - komme hier seitwärts hinter die große Spiräa . Das klingt dann so geheimnisvoll , gerade wie in einem Märchen . Oder " Nun schweige , du unnütz , " sagte Mama lachend . " Lene wird sich frank und frei hinstellen und deklamieren , wie es einer jungen Dame ßukommt . " Hm - hm . " Anna räusperte sich vernehmlich und lachte hellauf . " Lene , in vier Wochen darfst du dich nicht mehr weigern , wenn du heute auch noch darüber wegkommst . Da tu es lieber heute . Du kannst auch jetzt noch hinter die Spiräa kriechen , in vier Wochen geht so was nicht mehr . " So sei doch still , " brummte Lene und ßog die Stirn kraus . " Was wollen Sie eigentlich damit sagen , Sie kleiner Übermut ? " fragte Leonie lächelnd . " O , dann wird Lene siebßehn , dann ist sie eine fertige junge Dame , " erklärte Annchen feierlich . " So - so - ja , das ist freilich ein sehr ehrwürdiges Alter . Soll ich so lange noch auf ein Gedicht warten ? " Lene stand in bitterer Verlegenheit . " Ich weiß keines . " Die Waise , Lene , " riet Anna . " Nein , nein , lieber eins von den kleinen , die ich gestern geschrieben habe . " " Gestern ? Die kennen wir ja noch gar nicht ? Schnell , Lene ! Alle drei beugten sich über ihre Arbeiten , um die junge Dichterin nicht noch mehr ßu verwirren , doch nichts kam , kein Ton wollte über Lenes Lippen . Schelmisch blinßelte Annchen ßu ihr hin . Da stand Lene steif wie ein Stock , den Kopf schief auf die Seite gelegt , eine tiefe Falte auf der Stirn , die Lippen fest aufeinandergepreßt . Lächelnd erhob sich Leonie , trat auf sie ßu , umfaßte sie und sagte häßlich : " Will es durchaus nicht gehen , Kindchen ? Dann lassen wir_es , ich will Sie ja nicht quälen . " Ich will_es versuchen , " sagte Lene stockend , " aber es sind wirkäich nur Gans jammervolle Verse . " Große bedeutende Sachen erwartet man auch noch nicht von Ihnen . " Lene seufßte tief und schielte nach der Spiräa . " Könnte ich nicht doch lieber dahintergehen ? " fragte sie errötend . " Tante Lonny , habe ich es nicht gesagt ? " Lachend sprang Anna auf , " ich kenne unsere Lene . Komme , edle Sappho , hinter den Busch mit dir . ßitternd vor Aufregung begann Lene : " Schreit sorglos durch das Leben hin , Denn Gott sorgt stets für dich . Doch Sorge du mit stillem Sinn Für andere emsig . Ein warmes Herß für fremdes Leid- Ein frischer , fester Mut - Die Hoffnung auf die Ewigkeit - So lebe in Gottes Hut . " Sehr niedlich , kleine Lene , aber bitte , etwas lauter . " Es ist aus . " O , dann etwas anderes . So schnell lassen wir uns nicht abspeisen , " erklärte Leonie heiter . Lene begann von neuem : " Blümlein am Wege , so ßart und fein , Wie ich euch liebe , ihr Blümlein klein , Seid mir ein ßeichen von Gottes Liebe , Der euch ßum Werden und Blühen trieb . Blick in das Leben , Mägdlein , hinein , Lerne bescheiden und fröhlich sein , Such nicht das Glück in rauschender Lust , Trage es still in der eigenen Brust . Suche die Blümlein , versteckt und klein , ßu finden werden sie sicher sein : Freuden sind es , bescheiden und still , Die Gott dir täglich bescheren will . " " Bravo , Lenchen ! Sie haben hübsche Gedanken , Kind , und verstehen sie sehr nett ausßudrücken . Weiter , wenn ich bitten darf . Sehr viel freier sprach Helene nun weiter . Nun sie die Befangenheit überwunden hatte , kam es ihr nicht mehr darauf an , ihre Geisteskinder eines nach dem anderen ßum besten ßu geben . " Nun die junge Waise noch , " bat Anna , als nur das noch fehlte . " Das kennst du ja , Töchterchen , " sagte Mama sich erhebend , " unser lieber Gast wird uns entschuldigen , komme , wir wollen uns einmal nach dem Abendbrot umsehen . " Etwas ßögernd folgte Annchen der Mama , sie hätte gern gehört , welchen Eindruck gerade dies Gedicht auf Tante Lonny machen würde . Helene sprach das Gedicht mit vielem Ausdruck und Gefühl . Das ganße Leid des jungen Herßens , aber auch das ganße tiefe Gottvertrauen , das es beseelte , wußte sie in ihre Stimme ßu legen . So gut hatte sie noch nie gesprochen . Tief bewegt erhob sich Leonie , trat hinter die Spiräa und schloß das schlanke , vor Erregung blasse Mädchen in die Arme . " Ich danke Ihnen , Lenchen . Sie wissen gar nicht , Kind , was Sie mir mit diesen Worten geben , Sie scheues Seelchen . Lene erglühte vor Freude und Beschämung , ihre Augen strahlten . " Ach ! Ich möchte so viel mehr sagen , ich kann_es nur nicht in Worte fassen . Wie elende Stümperei kommt es mir vor gegen das , was ich empfinde . " " Das wird besser werden , sobald Sie älter und reifer sind , Lenchen . Nur immer mutig voran , Kind , mit der ßeit werden Ihnen auch mehr Worte ßu Gebote stehen . " Meinen Sie wirklich ? Ach , Fräulein Steinberg , wie froh bin ich - Sie - Sie Gute In ausbrechendem Jubel schlang Lene beide Arme um Leonie : " Durch Sie ist das Glück ßu mir gekommen ! Durch Sie ist mir das Leben reich und köstlich geworden ! Wie soll ich Ihnen jemals danken ! Gerührt blickte ihr Leonie in die strahlenden Augen , aus denen ihr die ganße schwärmerische Liebe des jungen Herßens entgegenleuchtete . " Ich bin froh und dankbar , daß ich Ihnen so viel sein kann , Kind , fühle mich aber beschämt , daß Sie mich so überschätzen . Möchten Sie nicht auch Tante Lonny sagen , kleine Lene ? Diese wurde dunkelrot . " Ich möchte schon , " gestand sie leise , " aber - ich muß mich erst daran gewöhnen . . Im Herßen habe ich Sie schon so genannt . " " Ach , du liebes Kind ! " Leonie küßte sie häßlich , " ich muß dich du nennen , ich kann nicht anders , du bist mir so sehr ans Herß gewachsen . Nun mußt du mich aber auch dußen , kleine Lene . Wie wird das werden ? Wird das auch erst im Herßen geübt ? Lene nickte nur . Sie fühlte sich so reich , so glücklich , so beschämt , daß sie keine Worte hatte . Da kam Anna angehüpft . " Wissen Sie das Neueste , Kleine ? " rief ihr Leonie heiter entgegen , " Lene und ich haben soeben Schwesterschaft geschlossen . " Ach - Tante Lonny - könnte ich doch auch Gedichte machen ! Soll ich es Mal versuchen ? " Nicht nötig , Kindchen . " Lachend streckte Leonie ihr beide Hände hin . " Komme her , kleine Maus , ich will ja für euch beide Tante Lonny sein . Jubelnd flog das Mädchen ihr in die Arme , streichelte und küßte ihr Wangen , Stirn und Augen . " Tante Lonny , ach , dusüße Tante ! Eine reißendere , entßückendere , schönere junge Tante gibt es auf der ganßen Welt nicht ! Engelstantchen , du ! Lachend ließ sich Lonny die ungestümen ßärtlichkeiten gefallen und warf über Annchens Blondkopf hinüber einen neckenden Blick auf Lene . Die stand stumm und sah mit großen Augen ßu . Wie war es nur möglich , daß Anna so mit Tante Lonny umging - als ob ßer 19 ogerichen wäre ! Lene begriff das nicht . Sie Jubelnd flog Annchen der Tante Lonny in die Arme . könnte nicht so ßärtlich sein , Gans rot wurde sie schon bei dem bloßen Gedanken ! Nein , Annas Verehrung für dies ideale Wesen konnte nicht so groß sein wie die ihre , sonst wäre diese Vertraulichkeit unmöglich . Wie die kecke Anna dies nur fertig brachte ? Lene schüttelte den Kopf . Leichtfuß Hasenherß war doch in allen Dingen so Gans , Gans anders wie sie . - - Dede ge " Bruder Jakob , schläfst du noch ? bim , bam , bum . Es läutet in die Schule . Bist ein träger Junge doch , - bim , bam , bum . sitzt auf dem letzten Stuhle . Der letzte Ton von dem reißenden Taubertischen - Kinderliede war verhallt . Annchen hatte es mit ihrer weichen , wenn auch ungeschulten Stimme den Kindern in der Klinik vorgesungen und sie damit in helles Entßücken versetzt . Leonie hatte die beiden Mädchen in den verflossenen Wochen mehrmals mitgenommen und ihnen heute ßum ersten Male die Aufsicht über die Kinder allein anvertraut . Darauf waren beide sehr stolß . Lene war freilich noch etwas steif und scheu , aber Annchen verstand es prächtig , mit den Kleinen umßugehen und sie ßu unterhalten . Neidlos erkannte Helene das an und gab sich redlich Mühe , es der Freundin gleichßutun . Leonie befand sich heute mit einer anderen Kinderschar im Garten in einem großen ßelt . Es war ein sehr wichtiger Tag für ihren besonderen Schütßling , die kleine Käthe , die ahnungslos mit den kleinen Gefährtinnen spielte . Ihr sollte die Binde von den Augen genommen werden ! Dann mußte sie erfahren , ob sie geheilt sei oder ob es ewige Nacht um sie bleiben sollte . Sie ahnte nicht , daß der von ihr so heißersehnte Augenblick so nahe sei ; sie freute sich , daß sie wieder im Garten sein und sich frei bewegen durfte . Heute war sie noch Gans besonders glücklich , sie hatte ja Tante Lonny auf ßwei lange Stunden und die Mutter wollte gegen sieben Uhr auch noch kommen . Was war das für ein herrlicher Tag für die kleine Käthe ! Voller Wehmut ruhten Leonies Blicke auf ihr . Wie würde das lebhafte Kind es aufnehmen , wenn es diese letzte Hoffnung aufgeben mußte ! Sie mochte sich den Jammer der Kleinen und den der armen Mutter nicht ausmalen . Inbrünstig bat sie Gott , dem armen Kinde dann Kraft ßu verleihen , sein schweres Geschick ßu ertragen . Da tauchte am Ende des Weges eine kleine , schmächtige Gestalt auf , ein blasses Gesicht mit ängstlichen blauen Augen blickte unter dem breitrandigen schwarßen Hut hervor . Es war Käthes Mutter . " Guten Tag , liebe Frau Wagner , " sagte Leonie , die ihr entgegengegangen war , häßlich , " wie wird Käthe sich freuen . " Ach , Fräulein , ich habe ' solche Angst ! So schreckliche Angst ! Knapp , daß ich so viel Luft habe , um Atem ßu holen . Ach , Fräulein , wie soll es wohl werden , wenn die Käthe - " die Stimme brach ihr in Schluchßen . " Still , still , liebe Frau , beruhigen Sie sich um Käthes Willen . Der liebe Gott wird Ihnen helfen , auch noch das Schwerste geduldig hinßunehmen . Wenn er es in seiner Weisheit so beschlossen hat , dann müssen wir glauben , daß es auch so am besten für Käthe ist . " Ach nee , Fräulein , wie sollte es das wohl sein ? Blind ! - Ach , ich kann es nicht ausdenken ! " Mutter - Mutter ! " Die anderen Kinder hatten es Käthe verraten , daß die Mutter da sei , mit vorgestreckten Händen und unsicheren Schritten kam sie daher . Von neuem stürßten der Frau Tränen über die blassen Wangen . " Wenn ich mir denke , daß es immer so mit ihr sein sollt ' , " flüsterte sie Leonie ßu . Die drückte ihr beruhigend die Hand und sie beßwang sich gewaltsam . Stumm schloß die Mutter ihr Kind in die Arme und strich ihm mit ßitternder Hand über das blonde Haar . " Ich soll dich auch grüßen von dem Fritße und der Guste und der hätte , sie freuen sich nun all , daß du nach Haus kommst , " sagte sie dann . " Nach Haus ? " Käthe hob den Kopf . " Sagen Sie_es ihr , Fräulein , " flüsterte die Frau Leonie bittend ßu . " Ja , Herßchen , " sagte diese und faßte Käthes Hand , " wenn nachher der Herr Professor kommt , will er dir die Binde abnehmen , dann darfst du vielleicht bald nach Hause , vielleicht schon heute . Eine helle Röte war in das blasse Kindergesicht gestiegen . " Will er mir die Binde abnehmen ? " fragte sie erregt , " gleich ? Kommt er schon ? Kann ich dann sehen , Tante Lonny ? Alles ? Dich und Mutter und den Himmel und die Blumen und die Sonne ? Ja , Tante Lonny ? " Atemlos horchte das Kind auf , ohne das leise Schluchßen der Mutter ßu beachten . " Wenn deine Augen besser sind , ja , Käthe , dann wirst du das alles sehen " - ßögernd hielt Leonie inne und legte einen Arm um des Kindes Nacken . " Wir wollen Gott bitten , Käthe , daß es so wird , " setzte sie ßögernd hinßu . Käthe hörte den Nachsatz nicht , helle Freude schimmerte aus dem kleinen mageren Gesicht . " Alles sehen , " sagte sie mit tiefem Atemßuge , " hast du_es gehört , Mutter ? " Ja , ja - ach , ich kann es noch nicht glauben . Das Glück wäre ßu groß ! Arme Leute wie wir haben kein Glück . Wenn es man so bleibt , wie_es war , dann müssen wir ja ßufrieden sein . Man bloß nicht blind , man bloß nicht blind , darum habe ich den lieben Gott schon so viel gebeten . Leonie tippte sie am Arm und ßeigte auf das Kind . Käthe beachtete die Klagen der Mutter , an die sie gewöhnt war , nicht weiter , glückselig fuhr sie fort , alles aufßußählen , was sie sehen würde . Leonie fühlte sich seltsam bewegt , sie wagte nicht , dem Kinde die Hoffnung ßu nehmen . Daß der Kleinen auch gar nicht der Gedanke an einen schlechten Ausgang kam ! Sie fürchtete längst , daß diese letzte Operation mißglückt war , da der Professor selbst wenig Hoffnung hatte . Da erschien eine Schwester , die Kleine ßu dem Professor ßu holen . In plötßlicher Angst klammerte sie sich an Leonie . " Du bleibst bei mir , Tante Lonny , ja ? " bat sie . So blieb die Schwester bei den Kindern und Leonie ging mit Mutter und Kind ins Haus . " Ach Gott , ach lieber Gott , " murmelte die Frau und blickte sehnsüchtig Leonie und der Kleinen nach , ehe sie in das Warteßimmer ging . " Tante Lonny , " flüsterte Käthe ängstlich , " ich werde ' doch sehen können , ja ? " Wenn Gott es will , mein Liebling , sonst müssen wir uns in seinen Willen fügen . Das Kind schwieg und drängte sich verschüchtert an sie , als sie in den Saal traten . Der erste angstvolle ßweifel war in die kleine Seele gedrungen . Außer dem Professor war nur die Oberin anwesend , welche der Kleinen häßlich entgegenkam . " Nun , kleine Käthe , " rief Professor Volkmar mit seiner frischen Stimme , die stets belebend auf seine Patienten wirkte , " jetzt wollen wir einmal sehen , was die Augen machen . " Er ergriff die Hand des Kindes und führte es mit sich ßu einem Stuhl , auf den er es setzte . " Tante Lonny , " rief das Kind ängstlich , " bleibe bei mir . Mutter - ist Mutter da ? " Nein , Käthe , Mutter ist unten geblieben . " " Tante Lonny , stelle dich so , daß ich dich gleich sehen kann , ja ? Tante Lonny - " sie faßte nach der weichen Hand und ein Lächeln huschte um die schmalen Lippen , " ich bin ßu neugierig , wie du aussiehst . " Wir alle wünschen von Herßen , daß du das feststellen kannst , kleine Käthe , " sagte Professor Volkmar und trat vor sie hin . Mit fester Hand löste er die Binde und nahm sie ab . Lautlose Stille herrschte in dem großen Saale , gespannt blickten alle auf das Kind . Das saß regungslos , heiße Röte freudiger Erwartung auf dem Gesichtchen . Jetzt öffneten sich die großen Augen weit , fest klammerte sich die kleine Hand an Leonie . " Tante Lonny - " Käthe stieß die Worte in heißer Angst hervor , " ich kann nichts sehen ! Ist es denn hier so dunkel ? Heiße Tränen stürßten Leonie über die Wangen , sie konnte kein Wort sprechen , schweigend drückte sie die bedauernswerte Kleine an sich . Die Oberin wechselte einige Worte mit dem Professor und ging dann , die beklagenswerte Mutter vorßubereiten . Professor Volkmar trat ßu Käthe , wandte ihr Antlitß dem vollen Tageslichte ßu und unterßog dann die Augen nochmals einer Gans genauen Untersuchung . Traurig schüttelte er den Kopf und fuhr mitleidig über der Kleinen Haar . " Armes Kind , " sagte er leise . " Nicht wahr , Herr Professor , Käthe darf heute Nacht ! sagte Leonie bittend . noch hier bleiben ? " " Das kommt auf des Kindes Mutter an , " entgegnete er und schritt auf die Frau ßu , die soeben eintrat und still vor sich hinweinte . " Tante Lonny , " flüsterte Käthe und schmiegte sich unruhig an sie , " weshalb kann ich nicht sehen ? Wenn ich die Nacht noch hier bleibe , sind meine Augen dann morgen besser ? Leonie setzte sich und ßog das Kind auf den Schoß . Sie hatte nicht den Mut , ihm jetzt schon die volle Wahrheit ßu sagen . " Das kann ich dir so genau nicht sagen , mein Liebling , " entgegnete sie sanft , " augenblicklich sind deine Augen noch sehr schwach ; da kannst du jetzt noch nicht sehen , wir müssen auf später hoffen . Tiefe Enttäuschung malte sich auf Käthes ßügen . " Also wieder später ? Wann ist das , Tante Lonny ? " Das weiß ich so genau nicht , Kind , wir müssen Gans geduldig sein . " Das kann ich nicht mehr , Tante Lonny , Gans gewiß nicht , ich bin_es schon so furchtbar lange gewesen . Ich will sehen , gleich ! Ich habe mich so schrecklich gefreut . Kann der gute Onkel Professor das nicht machen ? Leonie gab es einen Stich durch das Herß , als sie sah , wie große Tränen aus den blinden Augen stürßten . Mit Gewalt beßwang sie sich , als jetzt der Professor mit der Oberin und Käthes Mutter herankam . " Ja , am liebsten nehme ich sie mit mir , " sagte die arme Frau schmerßlich . " Es nützt ja doch nicht , daß sie noch hier bleibt . Ach du mein Heiland , wie soll das werden , ein blindes Kind und die drei anderen Würmer daßu und ich arme Witfrau . " Käthe , " sagte Leonie schnell , " möchtest du mit deiner Mutter nach Hause fahren ? " Heute schon ? Ich denke " Ja , ßum Besuch nur , Käthe . Denke , wie die Geschwister sich freuen werden . Wir nehmen uns eine Droschke und unterwegs steige ich aus und kaufe nette Sachen ein , die bringst du den Kleinen mit . Was meinst du , möchtest du mit Mutter nach Hause ? Käthe lachte glückselig und klatschte vor Vergnügen in die Hände . " Ei , das wird fein ! Mutter , wo bist du ? Ich komme mit dir , und Tante Lonny kauft schöne Sachen für die Kleinen . Und dann komme ich wieder und Onkel Professor macht meine Augen gesund . " Ach Gott , ach Gott ! " seufßte die Mutter unter neu hervorbrechenden Tränen . Leonie ßog sie beiseite und sagte eindringlich : " Lassen Sie Käthe vorläufig bei dem Glauben , die schreckliche Wahrheit erfährt sie noch früh genug . Ich werde morgen kommen und es ihr schonend sagen . " Ja , ja , Fräulein . Ach , das Unglück ! Es is rein , als ob es mich verfolgen täte . " Der liebe Gott hilft auch wieder , liebe Frau Wagner , verßweifeln Sie nur nicht . " " Das sagen Sie wohl , Fräulein , was soll ich arme Frau aber mit 'm blinden Kind anfangen , das nichts verdienen kann und ßu nichts nütze is ? " Sagen Sie das nicht , liebe Frau , und sagen Sie es vor allen Dingen nie ßu Käthe . Wer weiß auch , welcher Trost und welche Stütze Ihnen gerade dies Kind einmal noch wird . " Ach Fräulein , wie sollte das ßugehn ? Nee , nee , in blinder Mensch , das is 'n Elend und da is nichts nicht mit los . Aber mitnehmen möchte ich Käthe doch , hier nütßt's ja nichts mehr und ich bin doch immer die Mutter . Sie weinte still vor sich hin , wie jemand , der das Unglück gewohnt ist und sich darunter beugt , wie unter etwas Unabwendbares . Leonie bat den Professor , eine Droschke holen ßu lassen , und ging dann schnell in den Garten hinunter , wo sie Anna und Helene ihrer war- --1 ...o nieder gehen sah . Beide stürßten ihr entgegen und riefen wie aus einem Munde : " Wie steht_es mit Käthe ? " " Was war das Resultat ? Wie ist alles abgelaufen ? " Schlecht , Kinder . Käthe ist nun völlig blind . Stumm vor Schreck blickten die Mädchen sie an . " Wie schrecklich , " flüsterte dann Annchen , helle Tränen in den Augen , " kann nun gar nichts mehr für sie geschehen , Tante Lonny ? " Nein , Kind , nichts . Könnt ihr wohl ohne mich nach Hause fahren ? Ich habe einen Wagen kommen lassen , ich möchte Käthe und ihre Mutter begleiten . " Käthe geht nach Hause ? ßu ihrer Mutter ? Ach ! " Ja , sie geht heim . Also , ihr werdet ohne mich fertig : " Ja , Tante Lonny , Lene ist ja seit ihrem gestern gefeierten Geburtstag eine erwachsene junge Dame . " " Nun , dann will ich dich Lenes Würde mit anvertrauen . Adieu , Kinder , grüßt ßu Hause . Auf Wiedersehen ! " Sie nickte ihnen noch einmal ßu und ging ins Haus ßurück . Da fuhr auch schon die Droschke vor . Die beiden Mädchen blieben neugierig stehen . Bald darauf kam Leonie mit Käthe an der Hand , Frau Wagner schritt , noch immer leise weinend , hinterher . Alle drei stiegen in den Wagen . Am nächsten Morgen blieb die schrilltönende Klingel ßu Frau Wagners Wohnung in fortwährender Bewegung . In der Nachbarschaft hatte es sich schnell herumgesprochen , daß Wagners Käthe aus der Klinik ßurückgekehrt sei , nicht geheilt , sondern völlig erblindet . Das rief lebhafte Teilnahme hervor . Da konnte sich es niemand versagen , in den Keller ßu gehen , wenn es auch nur war , um für fünf Pfennige Suppengrün ßu holen . Jeder wollte Käthe sehen und ihr die Hand drücken , und vor allen Dingen seine Neugierde befriedigen . " Das arme Kind , " sagte eine dicke Schustersfrau , die mit sechs anderen Käuferinnen schwatßend im Laden stand . " Es ist doch gar ßu hart für eine arme Witfrau . Und was soll nur aus der Kleinen werden ? " Ja , es ist ein großes Unglück für die Wagnern . Arm wie eine Kirchenmaus und auch noch ein blindes Kind daßu , das ihr , statt helfen ßu können , nur eine Last sein wird . O , wie ist die Frau ßu bedauern ! Das unglückliche Kind aber saß schon seit Stunden ßwischen frischem Gemüse , Obst und Kartoffeln im Laden , ließ sich streicheln und beklagen , und beantwortete die unßähligen neugierigen Fragen . Die Kleine rührte sich kaum , ein gequälter , erwartungsvoller Ausdruck lag auf dem blassen Gesichtchen . Ein starres Entsetzen hatte des Kindes Seele ergriffen , seit es aus der Mutter Klagen und Jammern noch gestern abend erfahren hatte , daß es blind sei , völlig und für immer blind . Käthe konnte das nicht begreifen , sie glaubte es einfach nicht . Nun saß sie und wartete voll heißer Sehnsucht auf Tante Lonny , die ihr ja versprochen hatte , sie heute ßu besuchen . Die mußte es wissen , ob sie wirklich für immer blind bleiben sollte . So oft die alte Klingel schrillte , hob die Kleine lauschend den Kopf , ließ ihn aber jedesmal traurig wieder sinken , sobald sie eine fremde Stimme hörte . In Käthes Schoß lag Weißbrot und allerhand Naschwerk , das ihr diese und jene mitleidige Seele gebracht hatte , sie rührte aber nichts davon an , sondern litt es schweigend , daß die kleineren Geschwister es ihr fortnahmen und damit in dem kleinen , halbdunklen ßimmer hinter dem Laden verschwanden . Für die Kleinen war die blinde Schwester eine wichtige Persönlichkeit . Fast beneideten sie Käthe um die viele Freundlichkeit , die ihr ßu Teil wurde , und um das Aufsehen , das sie erregte . Kling-ling ! Immer wieder schrillte die alte Glocke durch den Keller , und immer wieder erschienen neue Käuferinnen . Frau Waaners kummervolles Gesicht hatte sich etwas erhellt . So gut , wie heute , war das Geschäft lange nicht gegangen , die blinde Käthe übte eine wunderbare Anßiehungskraft aus . Während die anwesenden Käuferinnen in lebhaftem Gespräche standen , das vorßugsweise der blinden Käthe galt , erschien eine schlanke Dame im Kellereingange , die jetzt die wenigen Stufen herunterstieg . " Guten Morgen , liebe Frau Wagner , " sagte die Dame ßur Begrüßung . Ein Schrei , so hell , daß die Weiber ßusammenfuhren , ein wahrer Erlösungsschrei , drang durch den dumpfen Raum . " Tante Lonny - Tante Lonny ! " In heißer Sehnsucht streckte Käthe , die den Schrei ausgestoßen hatte , die Arme nach ihr aus . Sofort eilte Leonie an Käthes Seite . " Mein Liebling , " sagte sie ßärtlich und ßog das ßitternde Kind in die Arme , dich konnte nicht früher kommen , nun will ich dir aber etwas sehr Schönes erßählen . Liebe Frau Wagner , ich kann wohl mit Käthe ins ßimmer gehen ? wandte sie sich freundlich an die Frau . Diensteifrig riß diese die Tür auf , hieß die Kinder auf die Straße gehen , und von Leonies Arm umschlungen , verließ Käthe den Laden . Kaum hatte sich die Tür geschlossen , so warf Käthe sich leidenschaftlich Leonie in die Arme und rief : " Muß ich wirklich blind bleiben ? Immer - solange ich lebe ? Sage du es mir , Tante Lonny ! " Fest drückte Leonie die kleine Gestalt an sich und sagte sanft : " Meine liebe , kleine Käthe , der liebe Gott will es so . Wir müssen uns ihm fügen , mein Liebling . Du hast ja gelernt , ihn ßu lieben und ihm ßu vertrauen , da glaube auch fest , daß er es dennoch gut mit dir meint . Käthe hatte den Kopf gesenkt , eine grenßenlose Hoffnungslosigkeit sprach aus dem kleinen , blassen Gesicht . " Nie sehen , nicht die Mutter , nicht den Himmel und die süßen Blumen und die kleinen Vögel - nicht dich , Tante Lonny ! Ich konnte es ja gar nicht abwarten , dich ßu erblicken ! Du mußt aussehen wie ein Engel . Warum sehe ich nicht wenigstens soviel wie früher ? Da wußte ich doch , ob es Tag war oder Nacht , und ob die Sonne schien oder nicht , und wenn ich mir etwas Gans dicht vor die Augen hielt , konnte ich sehen , ob es hell oder dunkelwahr . Tante Lonny , ich will so gern sehen , kannst du mir nicht helfen ? " Mein Herßblatt , wie gern , wenig nur könnte ! Was wollte " Muß ich wirklich blind bleiben ? Immer - solange ich lebe ? " ich geben , dir dein Augenlicht ßu erkaufen ! Aber leider bin ich Gans machtlos . " Tante Lonny - ach - Tante Lonny ! " In heiße Tränen ausbrechend , umklammerte das Kind sie , als hoffe es dennoch Hilfe von ihr . Erschüttert ßog Leonie sie fester in die Arme , liebkoste sie und sprach ihr leise ßu . Endlich wurde Käthe ruhiger und trocknete ihre Tränen . fragte sie . " Die Frauen sagten , ich sei für Mutter nur eine Last , es wäre dann doch gewiß besser , ich läge auf dem Kirchhof . " Nein , Kind , darüber sei nicht traurig , eine Last sollst du nie für deine Mutter werden , sondern ihr Trost und ihre Stütze , so hoffe ich von Herßen . Nun will ich dir aber sagen , weshalb ich heute ßu dir gekommen bin . Dein Augenlicht kann ich dir freilich nicht geben , mein armes Kind , ich will dir aber helfen , soviel in meiner Macht steht , daß es in deinem Herßen und auf deinem Lebenswege hell und Licht wird . " Leonie setzte sich au . das alte , wackelige Sofa und ßog Käthe an ihre Seite . Lange sprachen sie miteinander , und als die Ladenglocke nicht mehr fortwährend in Bewegung war , kam auch Frau Wagner ins Hintereßimme und nahm Teil an der Beratung . Unter Tränen gab sie ihre ßustimmung ßu allem , was Käthes Wohltäterin vorschlug , und als diese endlich die Kellerwohnung verließ , mußte die arme Frau sich eingestehen , daß sie Trotz allen Unglücks noch Glück habe . Käthe begleitete Leonie bis an die kleine Treppe und ein heller Freudenschein flog über das verweinte Gesichtchen , als die geliebte Stimme ihr ßurief : " Also auf morgen , kleine Käthe ! " Leonie fuhr mit dem ersten elektrischen Bahnwagen , den sie traf , nach Charlottenburg hinaus und ging ßu Geheimrat Stürßels . Ihr Kommen erregte große Freude . Annchen führte sie sofort in den Garten , wo die Mama mit Tante Werner und Helene saß . " Sie sehen blaß und abgespannt aus , liebes Fräulein , " bemerkte Frau Geheimrat nach der Begrüßung . " Das bin ich auch , liebe Frau Geheimrat . Es is schwül heute und ich komme von der kleinen Käthe . Nun will ich nur gleich mit meinem Anliegen ins Haus fallen : Könnt und mögt ihr beiden mich , natürnch nur , wenn eure Mamas einverstanden sind , auf sechs Wochen in der Klinik vertreten ? Ich will verreisen . " Ach ! " Weiter sagte Lene nichts , aber eine grenßenlose Enttäuschung sprach aus ihren , sowie aus Annchens Mienen . " Gerade jetzt - das hätte ich am wenigsten erwartet , " sagte Annchen . Belustigt blickte Leonie beide an . " Meine Bitte scheint euch nicht ßu gefallen , Kinder ? " " O doch , " rief Lene schnell , " ich gehe sehr gern in die Klinik . " Ich auch . Ich tue überhaupt alles gern für dich , Tante Lonny . Ich darf doch , ja , Mama ? " " Gewiß , Kind , ich freue mich , wenn du dich nützlich machen kannst . " Ich dachte , Annchen könnte gehen , wenn Sie , liebe Frau Regierungsrat , sich einmal nicht wohl genug fühlen sollten , um Lenchen entbehren ßu können . " O , mir geht es ja viel besser , liebes Fräulein , da kann Lenchen gern ßweimal in der Woche hingehen . " Ich danke Ihnen , meine Damen , daß Sie meiner Bitte so freundlich entgegenkommen . Es ist nämlich jetzt in der Reiseßeit großer Mangel an Helferinnen . Es kommen wohl Damen einige Male hin , sie wollen sich jedoch nicht für bestimmte Tage binden , aus Furcht , irgend ein Vergnügen aufgeben ßu müssen . Und dabei gibt es doch so viele Töchter wohlhabender Eltern , die ihre ßeit nicht hinßubringen wissen , und sich unglücklich und unbefriedigt fühlen . Könnten sie sich unserer armen Blinden nicht ein wenig annehmen ? Es würde kein Mädchen in ihrer Freiheit hindern , wenn sie sich verpflichtete , ein- oder ßweimal wöchentlich in einer Klinik oder irgend einer anderen Anstalt tätig ßu sein . " Tante Lonny ! " Hocherrötend sprang Annchen auf , lief ßu ihr hin und hockte sich neben ihr nieder , " ich schäme mich so schrecklich , Tante Lonny ! Darum wollte ich mich ja nicht verpflichten , weil ich fürchtete , mir könnte Mal irgend ein Vergnügen entgehen . Das war recht unschön von mir , ich sehe es nun so recht ein , ich begreife es jetzt selbst nicht , ich gehe doch so schrecklich gern mit dir und Lene hin . Aber allein für mich an bestimmten Tagen , so als Pflicht - siehst du , das wollte ich nicht . Tante Lonny , hast du mich nun noch lieb ? " Lächelnd streichelte ihr Lonny die heißen Wangen . " Gewiß , ebenso lieb wie bisher . Wie dir geht es sicher manchem jungen Mädchen . Vielleicht überwindest du dich aber für sechs Wochen mir ßuliebe und vertrittst mich recht nett ? " Furchtbar gern , Tante Lonny . Ich kann doch stets mit Lene gehen ? " Ihr könnt immerhin ßusammen hingehen , ihr werdet aber wohl verschiedene Säle bekommen . Weshalb so erschrockene Augen , kleine Lene ? " Wenn ich bloß allein fertig werde ! Könnte ich doch nur singen ! " Du nimmst dir ein nettes Geschichtenbuch mit und liest den Kindern vor , " riet Tante Geheimrat . " So , Lenchen , da weißt du gleich , wie du die kleine Gesellschaft beschäftigst . Nimm aber lieber auch ein Buch für Erwachsene mit , es könnte leicht sein , daß du einen anderen Saal bekommst . Stumm vor Entsetzen blickte Lene die ältere Freundin an . " Erwachsene ? ßu denen soll ich gehen ? Und sie gar beschäftigen - unterhalten ? Jedem ein passendes Wort sagen ? Das kann ich nicht ! Nein , das kann ich wirklich nicht . " " Kind , das lernt sich alles , wenn man nur ein Herß voll Liebe und Teilnahme mitbringt . Du mußt nicht immer an deine Unfähigkeit denken , Lenchen , sondern an die armen Blinden , dann kommen dir die Gedanken und Worte Gans von selbst . " Ja , Tante Lonny , dir wohl , mir aber nicht , " sagte Lene errötend . Es wurde ihr noch immer schwer , ihren Schwarm so anßureden . " Ei , wer wird so ßaghaft sein . Du mußt mehr Selbstvertrauen haben . " Ja , das sagst du wohl ! Aber schon die Einführung , wie soll ich das nur machen ! Alle lachten . " Darin hast du ja Übung , Lene , " rief Annchen neckend , " du ßählst gleich alle deine Ahnen auf , dann bist du für die erste Viertelstunde wohl versorgt . Hu , dies Gesicht ! Mache schnell ein anderes . Weißt du , Lene , wenn eine von uns die Kinderstation bekommt , will ich sie dir großmütig abtreten und ßu den Erwachsenen gehen . Ich bin freilich noch keine erwachsene junge Dame , wie gewisse Leute , und mein Hasenherß mag schrecklich klopfen , es mag mir Trotz alledem aber doch gelingen , mich leidlich bei ihnen einßuführen . " Willst du das wirklich , Annchen ? Ach , das wäre ßu nett von dir ! Weshalb seufßest du so , Mama ? Ist es dir nicht recht ? " Ich bedaure , Kind , daß meine Kränklichkeit mich so lange verhindert hat , dich ausßuführen , damit du dir etwas mehr gesellschaftliche Form angeeignet hättest . Wie sehr mußt du nun bei deinem scheuen Wesen darunter leiden . " Machen Sie sich deshalb keine Sorgen , liebe Frau Regierungsrat , " sagte Leonie und streichelte ihr die Hand , " lassen Sie Lene vorläufig nur , wie sie ist ; was ihr fehlt , lernt sie alles noch . Mir gefällst du gerade so wie du bist , Lene , ich möchte dich nicht anders haben . " Tante Lonny , wohin willst du reisen ? Nach der Schweiß ? " Nein , Annchen , nur an den Müggelsee , und ßwar Die kleine Käthe . nach dem Dörfchen Heindorf , das man von Grünau bequem mit einem Wagen erreichen kann . " Liebes Fräulein , fühlen Sie sich so elend , daß Sie sich so in die Einsamkeit ßurückßiehen wollen ? " fragte Frau Geheimrat besorgt . " O nein , gottlob , Frau Geheimrat , mir geht es gut , ich gehe aber Käthes wegen , das Kind bedarf dringend einer Erholung . " Ach , du Engelstantchen ! " Annchen eilte ßu ihr hin , sie ßu liebkosen , " ich wußte ja , daß du sie nicht im Stich lassen würdest . Wie froh bin ich , wie froh ! Wir waren beide gestern so enttäuscht , als du sie nach Hause brachtest . " Aha - also daher ist Lene heute so gemessen ! " Leonie lachte , Lene wurde dunkelrot . " Wissen Sie denn , ob Sie in Heindorf gutes Unterkommen finden , Fräulein Steinberg ? fragte Frau Regierungsrat . " O ja , ich habe mir das Dorf schon angesehen und gleich gestern abend geschrieben und das mir ßusagende Haus gemietet . Das wäre übrigens so recht etwas für Sie , liebe Frau Regierungsrat , wenn Sie den nächsten Sommer im Grünen verbringen wollen . Das Häuschen bietet die Aussicht auf den See und ist mitsamt dem kleinen Dorf von dem ausgedehnten Köpenicker Forst umgeben . Es liegt reißend , so recht geeignet , kranke Nerven ßu stärken . Ich denke , die herrliche Wald- und Seeluft soll meiner kleinen Käthe gut tun . " Wem gehört das Haus ? " " Einem Junggesellen , Frau Geheimrat . Er lebt im Auslande , das Haus ist ihm schon vor Jahren durch Erbschaft ßugefallen . Er läßt es durch ein altes Dienerpaar , das er soßusagen mitgeerbt hat , verwalten . Sobald sich eine passende Gelegenheit bietet , soll es verkauft werden . Das wird sich aber so leicht nicht machen , da das alte Paar nicht gern aus der behaglichen Ruhe hinaus möchte und den Verkaufe durchaus nicht betreibt . " " Tante Lonny , was soll mit Käthe werden , wenn du mit ihr ßurückkommst ? " erkundigte sich Annchen . " Dann bringe ich sie nach Steglitz in die Blindenanstalt . " Wirklich ? Das tust du ? " Diese enttäuschten Gesichter wieder ! Sehen Sie nur , meine Damen . Was habt ihr denn gedacht , Kinderchen ? Was habt ihr eigentlich von mir erwartet ? " " Wir glaubten , du würdest Käthe Gans ßu dir nehmen , sie nett erßiehen und ihr das Leben so angenehm wie möglich machen , " gestand Annchen . " Kindsköpfe , ihr ! Glaubt ihr , daß sie im Müßiggang ein glücklicher , in sich befriedigter Mensch werden würde ? Nein , Käthe soll den Segen und das Glück der Arbeit genießen , Trotz ihrer Erblindung . Frau Wagner ist mit allem einverstanden , und Käthe ist glücklich in dem Gedanken , ihrer Mutter nicht ßur Last ßu fallen . Während unseres Aufenthaltes auf dem Lande will ich Käthe unterrichten , damit sie , wenn sie Michaelis in die Anstalt tritt , schon die ersten Schwierigkeiten überwunden hat . Ist sie mit der Schule durch , soll sie das Korbflechten erlernen . Wird sie darin tüchtig , wie ich hoffe , so wird sie das Glück haben , sich selbst ernähren ßu können . " " Und das ist für das Kind wirklich ein Glück , " fiel Frau Geheimrat ihr lebhaft ins Wort , " ich bin Gans Ihrer Ansicht , liebes Fräulein . Sie erweisen dem Kinde die größte Wohltat , wenn Sie es auf die eigene Kraft hinweisen und es dementsprechend ausbilden lassen . Was ist der Frauenverein doch für ein Segen ! " " Tante Lonny , beßahlt der Frauenverein für Käthe ? " forschte Annchen . " Nein , kleine Maus . Vielleicht steige ich wieder etwas in eurer Achtung , wenn ich eingestehe , daß ich die Kosten übernommen habe . Für den Verein bleibt immer noch genug ßu tun , es gibt unßählige traurige Fälle , wo er hilfreich einspringen muß . Nun , seid ihr nicht mit mir ßufrieden ? Belustigt blickte sie die beiden Mädchen an . Lene sah , rot und verwirrt , nicht von ihrer Arbeit auf , Annchen aber beugte sich vor und küßte Lonny die Hand . " Du hast Gans recht , Lonny , Mama sagt es ja auch , aber - sei , bitte , nicht böse - wir hatten_es uns so reißend ausgemalt , wenn du Käthe als Nichte oder als Schwester ßu dir genommen hättest , nicht , Lene ? Die Kleine ist so hübsch und hat so köstliches krauses Blondhaar . Das hätte sie immer aufgelöst getragen und natürlich wäre sie immer in Weiß gegangen . Du hättest sie fein erßogen , gute Bücher mit ihr gelesen und wärst mit ihr an die See oder in die Wälder gegangen . Wir hatten es uns so fein ausgemalt , wenn du dann den Arm um sie gelegt hättest und mit ihr am Strande auf und ab gewandelt wärst - du selbst so entßückend , Tante Lonny , wie ein Gedicht , und die blonde , weißgekleidete Käthe neben dir - alle wären entßückt gewesen . Ach , ein Bild ßum Malen wäre es gewesen ! Und wie grenßenlos hätte Käthe dich geliebt , ihr guter Engel wärest du ja gewesen . Wir haben förmlich geschwelgt , als wir uns euer Leben ausmalten , und nun soll sie in die Blindenanstalt und Körbe flechten lernen ! Nimm es nicht übel , Tante Lonny , wir sind aber grenßenlos enttäuscht und aus all unseren Himmeln gestürßt . " Die drei Damen lachten häßlich . " Ihr seid wirklich Gans törichte Kindsköpfe , " sagte Frau Geheimrat kopfschüttelnd . " Ihr armen Mädchen , " rief Leonie bedauernd aus , " daß ich euch eine solche Enttäuschung bereiten muß ! Diese hartherßige Tante Lonny ! Anstatt rührende Posen mit dem blinden Schwesterchen einßustudieren , stößt sie das Kind in die rauhe Welt hinaus . Eine schreckliche Person ! Ich würde mit ihr brechen . " Sie erhob sich . " Wollen Sie schon gehen , liebes Fräulein ? " " Ich muß , Frau Geheimrat . Ich habe noch allerlei Vorbereitungen für die Reise ßu treffen , da ich auch meine alte Sophie mitnehme . Nun will ich noch einige einfache Kleider für mein " Schwesterchen einkaufen , sie warf den beiden Mädchen einen neckenden Blick ßu . " Ich hoffe , die Damen noch vor meiner Abreise ßu sehen . Nun und ihr , Kinderchen , ich hoffe , daß ihr die Enttäuschung überstehen werdet ! " Ach , Tante Lonny , " Anna fiel ihr stürmisch um den Hals , " sei uns nicht böse . Wir haben dich doch so schrecklich lieb . " " Freut mich ungemein . Wie wäre es , Kinder , wenn ihr mich draußen einmal in der Waldeinsamkeit besuchtet ? " " Ach - wundervoll ! Tante Lonny , so entßückend wie du ist doch kein Mensch auf der Welt ! Lonny lachte , reichte allen die Hand und ging . Cast ein Jahr war vergangen . Ruhe und Friede lag ( ) über dem Dörfchen Heindorf . Der kleine Ort umfaßte nur ungefähr ßwölf Häuser ; das Forstamt , eine Mühle , die Rosenvilla , ein Gasthaus , verschiedene kleinere Bauerngehöfte und einige Fischerhäuschen . Hell lag der Sonnenschein über dem sich lang hinstreckenden Dörfchen ; er ließ das klare Wasser des in heindork . weiten Sees hell glitßern und leuchtete goldig über den Kornfeldern und Wiesen , die sich hinter dem Dorfe bis an den Wald hinsogen . In der Veranda der Rosenvilla - so genannt wegen der vielen Provinßrosen , die in dem Garten gerade in voller Blüte standen - war eine ältliche Frau beschäftigt , einen Frühstückstisch ßu decken . Sie war klein und rundlich , hatte ein freundliches Gesicht mit fröhlichen blauen Augen und noch volles blondes Haar , auf das sie bei ihren ßweiundsechßig Jahren sehr stolß war . Sie trug ein dunkles Kattunkleid , eine große weiße Schürße und sah so sauber und appetitlich aus , daß sie eine gute Empfehlung für die Rosenvilla abgab . " Vater , " rief sie in den Garten hinunter , einem großen , hagern Alten ßu , der mit einer gefüllten Gießkanne von Rose ßu Rose ging , " schneide 'n paar recht schöne ab für unsere Jäste . " Jh wo - je wo - Rosen - für fremde Leute ! " Er drehte sich um und wendete ihr sein faltiges , vertrocknetes Runßelgesicht ßu . " Keine einßige kommt nicht auf_dem Tisch mit meine Bewilligung , " setzte er eifrig hinßu und richtete den krummen Rücken so gerade wie möglich . " Ei , du Jeißkragen , so kommen sie mit meine Bewilligung druf , " rief seine resolute Ehehälfte und lief , so schnell es ihre Körperfülle gestattete , die Treppe hinunter . Er vertrat ihr jedoch den Weg und fragte feierlich : " Mutter , kannst du wissen , ob die kranke Gnädige auch unsere Rosen richtig ästimieren tut ? " " Ach , Schnicksack , das Fräulein tut's , und das is jenug . " Ja , ja , das junge Fräulein , das unser Fräulein das Provinßröslein nennen tat - ja , ja , ein nettes hübsches Fräulein is's , aber 'n bisschen still . Ob sie sich wirklich was aus meine schönen Rosen machen tut , is mich nicht jewiß . Schade , daß das andere Fräulein , das kleine blonde , das vorig Jahr mit hier war , nicht mitkommt . Für Fräulein Annchen täte ich gleich meine schönsten Rosen abschneiden , und für uns' Fräulein Steinberg erst recht . Na je - das is auch 'ne Dame- " Ja , ja - das wissen wir , Vater . Nun höre aber auf ßu reden und schneide ßu , sonsten kommen die Herrschaften und es stehen nicht Mal 'n paar Rosen auf 'n Tisch . Herrjeh - du meine Jute - da kommt der Wagen all ! Das kommt von dein dämliches Jerede , das nun nicht alles fertig is . Sie stürßte ins Haus , während er bedächtig ßu seinen Rosen ging und ein Messer aus der Tasche ßog . " Möchte wissen , wer am meisten reden tut , " murmelte er dabei , " sie redet den ganßen Tag , und ich rede doch man bloß , wenn es nötig is , sie will man immer das letzte Wort behalten . Aber es das is mit die Frauensleute nicht anners . " In aller Seelenruhe schnitt er einen kleinen Strauß und trug ihn auf die Veranda , wo seine liebe Ehehälfte schon eine Vase bereitgestellt hatte . Da kam auch schon der Wagen . Nun eilte er doch , so schnell ihn seine Füße trugen , ßur Pforte , öffnete sie und blieb dann steif wie ein alter , im Dienst ergrauter Grenadier stehen , jeder ßoll ein herrschaftlicher Diener , bis der Wagen an ihm vorübergerollt war . Auf der Veranda erschien die kleine rundliche Frau Klausen - im Dorf unter der Benennung Mutter Klausen bekannt - die neuen Mieter in Empfang ßu nehmen . Hinter ihr tauchte ein frisches , kräftiges Dorfmädchen auf , das sie für diese ßeit gemietet hatte . Mutter Klausens blaue Augen weiteten sich vor Staunen , als sie einen jungen Mann erblickte , der den beiden erwarteten Damen gegenübersaß . " Willkommen , die Herrschaften ! " rief sie und knickste tief , " ich hoffe , es wird der jnäd'gen Frau bei uns in der Rosenfilla jefallen . Ehe die blonde Doris ßuspringen konnte , den Schlag ßu öffnen , war Vater Klausen schon ßur Stelle und Rudolf , der die Damen begleitete , sprang schnell aus dem Wagen , um Frau Regierungsrat behilflich ßu sein . Unwillkürlich faltete Mutter Klausen die dicken Hände und murmelte : " Det sich Gott erharm ! Der pußt ja det blanke Elend durch die Backen ! Na Lawise , da kriegst jut was ßu päppeln . Schwer auf des jungen Mannes Arm gestützt , wankte die Kranke ins Haus und sank in dem freundlichen Wohnßimmer in den nächsten Sessel . Sie sah erbärmlich aus . Die Aufregung und Unruhe der letzten Tage , die Angst vor der Fahrt hatten das Ihre getan , das bißchen Erholung und das bißchen mühsam errungene Willenskraft über den Haufen ßu werfen . Besorgt blickte Helene die Mutter an und bedauerte heimlich , Marie nicht mitgenommen ßu haben . Sie hatte es sich aber so köstlich gedacht , einmal Gans allein für die Mama ßu sorgen , daß sie diese überredet hatte , dem Mädchen während ihres hiesigen Aufenthaltes Ferien ßu geben . Ein wenig unsicher fühlte sie sich aber doch , nun sie Gans auf sich allein angewiesen war . " Kann ich in irgend einer Weise behilflich sein , Lenchen ? " fragte Rudolf , " vielleicht wäre ein Glas Wein gut ? " Nein , lieber einige Tropfen . Ist die kleine Tasche da ? " Rudolf reichte sie ihr und Helene gab der Mutter das gewohnte Beruhigungsmittel . " Ach , war das schrecklich ! " sagte die Kranke , als sie sich etwas erholt hatte . " Auf Reisen gehe ich nie wieder , Lenchen . Ich fürchte mich jetzt schon vor der Rückkehr nach Berlin . " du noch gar nicht denken . Bis dahin hast du dich gründlich erholt , es ist hier ja so still und schön . Wollen wir nun unser Frühstück essen , Mama ? Wie ich sehe , steht auf der Veranda alles schon bereit . " Ja , gehe nur hinaus , Rudolf wird auch hungrig sein . Eßt nur beide , mir kannst du eine Kleinigkeit hereinbringen , dann will ich mich ein Stündchen hinlegen . Laß mir nur die Frau Klausen nicht herein , sie sieht aus , als ob sie sehr geschwätßig wäre , sie gefällt mir gar nicht . Hätte ich nur Marie mitgenommen , ich fühle mich sehr unbehaglich ohne sie . " Du hast ja mich , Mama , ich will dir alles so gemütlich wie nur irgend möglich machen . " Ja , mein gutes Kind , das weiß ich . Morgen fühle ich mich hoffentlich wieder etwas besser . Nun laß aber Rudolf nicht länger warten , Lenchen , gehe lieber und laßt es euch schmecken . " Helene fand Rudolf im Garten mit Vater Klausen im Gespräch . Er kam , sobald er sie erblickte , auf sie ßu . " Das ist eine originelle Ausgabe von einem Diener , der Alte , " sagte er heiter . " Er hat mir gleich einen Vortrag über seine Rosen gehalten . Ah , dieser Frühstückstisch sieht ja äußerst einladend aus ! Ich muß gestehen , daß ich einen Riesenhunger habe . Kommt deine Mama nicht heraus , Lenchen ? " Nein , sie fühlt sich ßu abgespannt , ich will ihr ein Brötchen streichen und hineintragen . Wenn sie sich bloß hier erholt , und wenn sie sich nur vor allen Dingen hier glücklich und behaglich fühlt . " Lene faltete die Hände im Schoß und blickte den Freund ängstlich an . " In den ersten Tagen wird es damit wohl hapern , aber allmählich wird es schon kommen . Nur immer Kopf hoch und unverßagt , kleine Lene . Sie lächelte . " Ich bin so froh , daß du uns hergebracht hast , Rudi , ich wäre allein gar nicht fertig geworden mit Mama . " " Nun , das verstand sich doch von selbst , Kind . " " Ich freue mich nun schon auf Anna , in vierßehn Tagen will sie ja kommen und ein paar Wochen bei uns bleiben . " Während Helene nach dem Frühstück die Mutter ßur Ruhe brachte , ßündete sich Rudolf eine ßigarre an und schlenderte von Rosenstock ßu Rosenstock . Wie still es hier war . Kein anderer Laut als lustige Vogelstimmen . Wie ein Idyll lag das kleine weiße Haus , an dem hochgeßogene Provinßrosen emporwuchsen , in dem blühenden Garten . Es war einstöckig , an der Vorder- und Rückseite mit freundlichen Erkern , die je ßwei große ßimmer enthielten . Ja , schön und friedlich war es hier , dennoch beschlich Rudolf ein Gefühl des Mitleids mit Helene , die monatelang allein mit der kranken Mutter hier leben sollte . Da kam Lene langsam die Stufen herunter , ernst und nachdenklich . " Na , ist etwas nicht in Ordnung " Ach , ich habe doch vielleicht nicht recht getan , Marie nicht mitßunehmen . Mama ist ßu sehr an sie gewöhnt und glaubt nun etwas ßu entbehren , wenn es auch vielleicht gar nicht der Fall ist . " Das läßt sich ja jederßeit ändern . Will es gar nicht gehen , so läßt du einfach Marie kommen . " Ja , gewiß , aber weißt du , Rudolf , ich würde mich dadurch tief beschämt fühlen . " Wart's erst ab , Lene , nicht gleich die Flinte ins Korn werfen . Und nun komme in den Garten . Plaudernd schritten sie nebeneinander her . Helene kannte ja die Umgebung des Hauses schon vom vorigen Jahre her und freute sich , den Freund führen ßu können . An der Rückseite war noch eine große , Gans mit wildem Wein berankte Veranda . Auch hier befanden sich am Hause ennang proving Rosen , ebenso auf dem großen Rasenplatß , abwechselnd mit schönen Edeltannen , deren ernste Majestät sie wunderbar belebten . Dahinter befanden sich Gemüse und Kartoffelbeete , alles in musterhafter Ordnung . Eine kleine Tür führte direkt in den Forst , der an den Garten stieß . " Ein Stückchen können wir wohl gehen , was meinst du , Lene ? " " Ach ja . Mama wollte schlafen , die braucht mich jetzt nicht . Sie traten aus dem Garten in den Schatten des köstlichen Eichenwaldes , der sich nach allen Seiten erstreckte , und machten einen kleinen Spaßiergang . Gans heiter und erfrischt kam Lene ßurück . " Wem gehört denn der Garten , der da an euren stößt ? " fragte Rudolf . " Oberförster Runge . Siehst du das große Haus durch die Bäume schimmern ? Das ist die Oberförsterei , Tante Lonny war ja sehr befreundet mit den Leuten . " Alt oder jung ? Ist dort Verkehr für dich ? " " Wohl mehr für Mama . Übrigens ist eine Tochter da , die voriges Jahr in Pension war , vielleicht ist sie jetzt ßu Hause . " " Das wäre ja herrlich für dich . Und nun lebe wohl , kleine Lene , werde hier nicht schwermütig in der Einsamkeit , sondern denke immer , daß dieser Aufenthalt dich deinem köstlichen ßiele - der Genesung deiner Mutter - um vieles näher bringen soll . Er hatte ihre beiden Hände ergriffen und blickte ihr teilnehmend in das schmale Gesichtchen , über das eine helle Röte flog . " Rudi , " sagte sie ßögernd , " ich muß es dir doch sagen , daß er mir eine große Hilfe gewesen ist - der Psalm nämlich - du sagtest mir doch damals , ich soll ihn immer wieder lesen . Das habe ich getan , täglich Au ßug-*9 94. e5 mir geholfen . Ich habe mir ein Wort herausgesucht : " Die Liebe suchet nicht das Ihre " , das sage ich mir immer vor , wenn ich Mal ungeduldig und selbstsüchtig werden will , das hilft immer wunderbar . Manchmal freilich - wenn ich Gans besonders störrisch und verdrießlich bin , versagt es , aber das ist dann Gans allein meine Schuld , weil ich nicht ernstlich beten will . Das sind immer schreckliche Stunden , aber schließlich bewährt sich der Psalm immer wieder . Ich mußte dir das Einmalsagen . Wirhabennie wieder davon gesprochen und ich bin dir doch so viel " Rudi , ich muß es dir doch sagen , daß mir der Psalm Dankschuldig . rinne gronr Huse gewesen ist . " Liebe kleine Lene ! " Er drückte ihr warm die Hand . " Nun bin ich Gans ruhig und ohne Sorge um dich , du bist auf dem rechten Wege . Und , Lenchen , solltest du irgend etwas für dich oder deine Mama wünschen , so wende dich nur an mich , du weißt , ich bin dein guter Freund und stehe dir jederßeit ßur Verfügung . Wie eitel Sonnenschein flog es über Lenes Antlitß . " O Rudi , das ist ein schönes Wort : Freundschaft ist das köstlichste Gut auf Erden . " Wenigstens eins der köstlichsten , kleine Lene . Nun will ich noch schnell Vater und Mutter Klausen Addio sagen und dann meine Wanderung antreten . " Sie hatten beide nicht bemerkt , daß sie von der im Erdgeschoß liegenden Küche aus beobachtet worden waren . Dort stand das alte Paar am Fenster , er ein pfiffiges Lächeln auf dem Runßelgesicht , sie eitel Freude iff und Neugierde . " Siehst_du , Vater , wie er ihr die Hände schüttelt , " sagte sie und stieß ihn in die Seite , " wenn det nicht 'n Paar wird , will ich nicht Lawise heißen . Det habe ' ich mir jleich jedacht , als er mitkam . " Jh , Mutter , daß ihr Frauensleut ' das Heiratsstiften nicht lassen könnt . Das sieht mich noch nicht aus wie 'n richtiges Brautpaar . " Was nicht is , kann werden . Jck bin helle in Koppe , ich habe for so was Augen , det Weste , Peter . Nun mache , der junge Herr wird sich von uns verabschieden wollen . Sie traten beide gerade auf den Hausflur , als Rudolf in die Haustür kam . Beide begleiteten ihn auf die Veranda , Lene ging mit bis ßur Pforte . " Grüß deine Eltern und Annchen . Wenn sie doch recht bald käme . Ich glaube , ich bekomme hier schreckliche Sehnsucht nach euch , Rudolf . " Nur Mut , kleine Lene , ich komme in den nächsten Tagen Mal wieder . Soll ich auch Tante Lonny grüßen ? " Ja , ja , natürlich , Gans besonders häßlich . Verlauf dich auch nicht , Rudi . Er schwenkte lachend seine Mütße und ging . " Gott befohlen , Lenchen , " rief er , sich noch einmal umwendend , dann schritt er schnell davon . Sie blickte ihm nach , solange sie ihn sehen konnte , dann ließ sie die Blicke über den glitßernden See schweifen . Eine tiefe Ruhe lag über der sonnendurchleuchteten Landschaft , ihr ßauber wirkte jedoch nicht auf das junge Herß . Lene überkam ein Gefühl so großer Einsamkeit und Verlassenheit , daß ihr helle Tränen über die Wangen strömten . Aber fort damit , sie wollte ja stark , mutig und selbstlos sein . Hastig trocknete sie die nassen Augen und ging eilig ins Haus ßu der Mutter . In starrem Schreck blieb sie jedoch auf der Schwelle des Schlafßimmers stehen . Da saß die Mutter halb angekleidet auf einem Stuhle , totenblaß , mit bläulich schimmernden Lippen . " Mama ! " entsetzt stürßte Helene ßu ihr . " Mir ist so schlecht - " stieß die Kranke hervor - " ich konnte es unmöglich im Bett aushalten - ich hatte solche Angst - und bin aufgestanden - es geht aber nicht mehr - " Immer leiser wurde die Stimme ; nun sank der Kopf hintenüber , die Augen schlossen sich . Mit einem Schrei flog Helene ßur Tür hinaus . " Frau Klausen - Frau Klausen " Was jibt es denn , Freileinchen ? " Ihr rotes Gesicht tauchte auf der unteren Treppe auf . " Kommen Sie schnell , Frau Klausen , Mama stirbt . " Gott doch , sie wird doch nicht ! Doris , die Essigbuttel , " rief sie in die Küche hinunter . Mit einer großen Flasche bewaffnet schritt sie mit Lene in das Schlafßimmer und beugte sich über die Bewußtlose . Voll Todesangst beobachtete Lene sie . " Det is 'ne Ohnmacht , nix nicht weiter , ich kenne mir aus in so was , von meinen sel'jen Herrn her , sagte Frau Klausen dann , hob die Kranke auf wie ein Kind und legte sie auf das Bett . Mit Geschick und Umsicht begann die Frau ihre Belebungsversuche und war dabei so ßart und ruhig , daß Lene Vertrauen ßu ihr faßte . " Da , " flüsterte sie , als die Kranke einen tiefen Atemßug tat , " sie kommt wieder ßu sich . Nun sein Sie man nicht mehr bange , Freileinchen , det is bloß vom Reisen und die Aufregung jekommen , hier wollen wir die Jnäd' je schon wieder auf die Beine bringen . Sie muß man Ruhe haben und nicht viel reden . Da will ich Ihnen raten , Freilein , nehmen Sie sich vor meinen Ollen in acht , der is reine verpicht aufs Reden . Was ich bin , ich weiß mir ßu menagieren und verstehe mir ßu benehmen , aber was der feine Schliff is , den krieg ich meinen Ollen nicht mehr bei . Nun will ich aber jähen , brauchen Sie mir , so stehe ' ich Ihnen immer ßu Diensten . " Danke , Frau Klausen , ich danke Ihnen sehr . Lene war niedergekniet und legte den Arm leise um die Mutter . " Meine süße Mama , flüsterte sie ßärtlich , " ist dir nun wieder besser ? " Ja , Kind , nur sehr schwach fühle ich mich . Was war mir nur , Lenchen ? " Du bist ohnmächtig geworden , Mama , wahrscheinlich von der Unruhe und Aufregung . Hättest du doch nur geklingelt , als du vorhin aufstehen wolltest . " " Ich mag die dicke Frau nicht um mich haben und dich hatte ich ja in den Garten geschickt . Nicht wahr , Lenchen , wenn ich mich nicht gewöhne , läßt du Marie kommen ? " " Gewiß , Mama , sobald du es willst . Ich bin ja aber bei dir , Mama , und will alles , alles für dich tun , was ich nur kann und vielleicht gewöhnst du dich auch an Frau Klausen , sie war eben wirklich sehr nett . " " Ach , sie sieht so unheimlich dick und gesund aus ! Schon ihr Anblick fällt mir auf die Nerven , " entgegnete die Kranke klagend . " Ein Glück für uns beide , daß sie so gesund ist . " rief Lene lachend . " Was hätte ich Hering wohl allein mit dir anfangen sollen ? " Armes Kind , du hast es schwer mit deiner kranken Mutter . " Das mußt du nicht sagen , liebste Mama . Es ist ja meine schönste Lebensaufgabe , dich gesund ßu pflegen . " Mein Herßenskind ! Ich will auch das Meine daßu tun , um kräftiger ßu werden , das verspreche ich dir , Lenchen . Langsam verging beiden der Tag . Die Mutter blieb im Bette und Helene verließ sie nur , während sie schlief . Sie saß dann auf der Veranda . Hier konnte sie es deutlich hören , sobald die Mutter klingelte . Nun war der Abend herabgesunken . Helene stützte sich auf die Brüstung der Veranda und blickte auf das friedliche Landschaftsbild hinaus . In träumerischer Ruhe lag der See , das Mondlicht ßog silberne Streifen darüber hin . Leise säuselten die Buchen und Birken , die jenseits des Gartens die Hecke begrenßten , und der Abendwind spielte mit dem dunklen Haar des Mädchens . Der tiefe Frieden der Natur teilte sich auch dem jungen Herßen mit . Lene fühlte sich nicht mehr einsam und verlassen . Voll dankbarer Freude empfand sie das Glück ihrer köstlichen Aufgabe . Inbrünstig bat sie Gott um seine Hilfe , damit sie es nie an Liebe und Geduld fehlen ließe . Welch ein Gnadengeschenk Gottes wäre es , wenn er die Mutter hier gesunden ließe ! Da schreckte ein leises Geräusch sie auf . Unter ihr , aus dem Grün der Klematis , die die Veranda umrankte , tauchte ein freundliches gelbes Runßelgesicht auf und eine Stimme rief leise : " Nichts für ungut , Fräulein , ich wollte man bloß Mal fragen , wie_es der Gnädigen heute abend geht ? " Danke , Vater Klausen , es geht Mama besser . Hoffentlich erholt sie sich hier . Sie braucht hauptsächlich viel Ruhe , sie kann das viele Reden durchaus nicht vertragen . " " Ja , ja , das Reden ! " Der Alte lachte leise vor sich hin , machte ein pfiffiges Gesicht und sagte vertraulich : " Da will ich Ihnen was sagen , Fräuleinchen : da hüten Sie sich vor meiner Alten , die is reine weg aufs Reden . Na ja , Fräulein , was die geborenen Berliners sind , die haben das alle mit es Schnaken , da is nicht gegen anßukommen . Was ich bin , Fräulein , ich bin 'n herrschaftlicher Diener und weiß mit die Benehmigung Bescheid , aber meine Alte lernt es nicht mehr recht . Sonsten is sie gut , Fräulein . Die beste Frau , die_es auf 'n Erdboden gibt , und ins Kochen , da is ihr keine über , alles , was recht is . Und nun wünsche ' ich Ihnen und der gnäd'- gen Mama ' ne recht geruhsame Nacht , Fräulein , und wenn Sie den Peter Klausen brauchen tun , er is immer für Sie da . " Danke , Vater Klausen . Gute Nacht . " Belustigt blickte Lene dem Alten nach , wie er die Mütße auf das dünne graue Haar setzte und langsam durch den Garten schob . " Mama - Mama - Hurra ! " Einen Brief in der Hand schwenkend , stürmte Lene eines Morgens , hochrot , mit glänßenden Augen in das Schlafßimmer , wo die Mutternach dem Genuß des ersten Frühstücks noch ruhte . Hastig fuhr sie in die Höhe . " Lenchen - ich bitte dich - ich bin ßu Tode erschrocken , " stöhnte sie und sank schwach ßurück . " O Mama , seih ! Wie konnte ich nur so gedankenlos sein ! " Lene warf den Brief auf den nächsten Tisch und bemühte sich um die Mutter . " Es gibt sich schon wieder - ängstige dich nicht , Kind . Ich war wohl wieder etwas eingenickt . " Arme Mama ! Darf ich dir eine Tasse Tee bringen ? " " Ja , wenn du meinst , daß es mir gut tun würde ? " Lene eilte , das Getränk ßu holen , und die Mutter trank es langsam aus . " So , nun geht_es vorüber . Was hattest du denn , Lenchen ? " Etwas Köstliches , Mama ! Denke dir , meine beiden Gedichte sind angenommen ! " Von den Efeublättern ? Herßenskind , da wünsche ich dir Glück ! Voller Freude drückten sich Mutter und Tochter die Hände . " Und höre nur , was sie mir aus der Redaktion schreiben : " Sehr geehrtes Fräulein ! Wir erlauben uns , Ihnen mitzuteilen , daß wir Ihre beiden Gedichte : " Am See und " Sommerabend ' für unser Blatt angenommen haben , und beehren uns , Ihnen ein Honorar von ßehn Mark ßu übersenden . Weitere Einsendungen wären uns jederßeit willkommen . Mit vorßüglicher Hochachtung die Redaktion der Efeublätter . Was sagst du nun , Mama ? " Meine kleine Lene ! Ich bin Gans stolß auf dich , mein Liebling . Gans verklärt , die gefalteten Hände im Schoß , blickte Lene aus dem offenen Fenster ins Weite . " Weißt du , Mama , was ich mir vorgenommen habe ? Dies ist doch das erste Honorar , das ich bekomme , und du gibst mir ja so reichlich Toilettengeld , daß ich es nicht gebrauche . Da möchte ich alles , auch was ich in ßukunft noch einnehmen werde , in eine besondere Kasse tun und für arme Kinder in der Klinik verwenden . Was meinst du daßu , Mama ? " Gewiß , Kind , da dient es einem guten ßweck . Wenn wir ßum Herbst wieder nach Hause ßurückgehen , möchte ich auch , daß du als Helferin eintrittst . " Mama - wirklich ? " " Ja , Lenchen , ich weiß , daß es längst dein Herßenswunsch ist und du nur aus Rücksicht auf mich nichts davon gesagt hast . Ich will nun nicht länger hinter meiner Tochter ßurückstehen , " setzte sie lächelnd hinßu , " sondern mich auch in der Selbstüberwindung üben . " " Du liebe , gute Mama ! " Lene beugte sich nieder und küßte ihr die weiße Hand . " Was ist das für ein himmlischer Morgen ! Beinahe ist es ßuviel Glück auf einmal . Mir ist , als ob mir Flügel wüchsen ! Nun will ich dir aber erst mein Geld holen . " Sie lief ins Wohnßimmer und kehrte sofort ßurück . Rot vor Freude ßählte sie das Geld auf . " Mein erstes Honorar , Mama ! Sieh Mal , leuchtet es nicht Gans besonders ? " Gewiß , Lenchen , es ist der Glanß , den ihm der eigene Fleiß verleiht . Und nun laß mich aufstehen , Kind , und an den See hinuntergehen . Ich glaube , heute morgen kann ich es ; mir ist auch , als ob mir Gans kleine Flügelchen wachsen wollten . " O Mama , weißt du , wovon das kommt ? Das macht die Freude und die Hoffnung ! Du sollst sehen , hier wirst du gesund , Mama ! Wie glücklich werden wir dann sein . Etwas später schritten beide Arm in Arm an den See hinunter , freuten sich des schönen Morgens , der köstlichen Luft , der ländlichen Stille , Kurs über alles . " Heute ist mir viel wohler und frischer , " sagte Frau Regierungsrat und richtete ihre müde , ßusammengesunkene Gestalt höher auf . " Meinst du , daß wir hier unter dem Ahornbaum einen Augenblick Sitzen könnten , Lenchen ? Die Bank ist freilich sehr unbequem , aber einen Augenblick geht es schon . ßieht es hier ? " " Keine Spur , Mama . Ich habe übrigens ßum Glück Tücher mitgenommen . So , auf das eine kannst du dich setzen , das andere lege ich dir um . Geht es so ? " Danke , Kind , ja . Wie schön ist es hier doch , Lenchen ! Ich bin Fräulein Steinberg recht dankbar , daß sie uns auf dies stille Dorf aufmerksam machte . Weißt du , Kind , ich habe den Gedanken schon ernstlich erwogen , die Rosenvilla ßu kaufen . " Mama ! " Gans verstört blickte Lene die Mutter an . " Würdest du dich hier nicht heimisch fühlen können , Lenchen ? Ich habe mich allmählich so eingelebt , daß ich gar nicht mehr an die Heimkehr denken mag . Wie denkst du darüber , Kind ? Sprich dich offen aus . " Lene antwortete nicht gleich . Starr blickte sie über die glitßernde Wasserfläche , die strahlende Lebensfreude war plötzlich völlig aus ihren ßügen entschwunden . Ihre Lippen ßuckten , Röte und Blässe wechselten auf ihrem Antlitß , während sie aufgeregt hervorstieß : " Du sagtest doch vorhin noch , ich könne ßum Herbst als Helferin in der Klinik eintreten . Wie kann ich das , wenn du mit solchen Gedanken umgehst . Überhaupt - hier immer bleiben - so in der Einsamkeit " - sie sprang ungestüm auf - " nichts hören und sehen - keinen Verkehr haben - keinen Menschen bei sich sehen - den ganßen langen Winter allein - Mama - ich kann es nicht ! Das geht über meine Kraft . " Mit verschlungenen Händen und blassem Antlitß blieb sie vor der Mutter stehen . " Kind , " sagte diese Gans erschrocken , " Kind " Ich weiß , Mama , es ist Unrecht von mir , ich sollte ßuerst an dich , an deine Gesundheit , an dein Behagen denken - vielleicht überwinde ich mich auch , laß mir nur ßeit . " " Kind , du verstehst mich ja gänßlich falsch . Denkst du , daß ich so selbstsüchtig bin und deine Jugend hier vergraben will ? Meine kleine , törichte Lene , du kennst deine Mutter doch noch nicht Gans . Nein , nein , ich möchte das Häuschen nur kaufen , um Gans sicher ßu sein , daß es jeden Sommer ßu unserer Verfügung steht . Mit dem Herbst würden wir selbstverständlich stets nach Charlottenburg ßurückkehren . Die Farbe kam langsam in Lenes Wangen ßurück . " Das ist etwas anderes . Aber , Mama , weshalb jeden Sommer wieder hierhergehen ? Es gibt doch gewiß schönere Gegenden . Im Harß oder in Thüringen ßum Beispiel , da soll es ja himmlisch sein . " Ja , Lenchen , das ist es gewiß , aber für mich sind solche Reisen ßu angreifend . s6 " Du wirst mit jedem Jahre kräftiger werden , Mama . " Nur bis ßu einer gewissen Grenße , Kind , und die werde ich wohl bald erreicht haben . Meine eigentliche Lebenskraft ist erschöpft , ich will froh und dankbar sein , wenn ich jeden Sommer in dies friedliche Dörfchen reisen und mich hier an der schönen Natur erquicken darf . Das ist viel mehr , als ich vor einem Jahre ßu hoffen wagte . Helene schwieg . Sie setzte sich nieder und blickte trübselig über den stillen See . Jeden Sommer hierher reisen , immer wieder in diese Einöde ! Nichts von der köstlichen Welt da draußen sehen , nach der sie doch einen förmlichen Hunger hatte ! Nichts sehen und kennen lernen als dies armselige Dörfchen . Sommer auf Sommer hier am See Sitzen , immer von neuem , bis sie alt und schwach würde . Ihr schauderte . Es war nicht ausßudenken ! So ungestüm , daß die Kranke ßusammenfuhr , sprang sie auf und lief die kurße Strecke bis dicht an den See . Hier starrte sie in die klare Flut , als könne ihr von dort Hilfe kommen . Ein Glück , daß sie wenigstens den Winter stets in Charlottenburg verleben würden . Daran mußte sie sich in ßukunft halten , sich daran genügen lassen . Wie viele köstliche Träume begrub sie aber mit dem Gedanken . Wie herrlich hatte sie sich doch die ßukunft ausgemalt ! Sie schrak fast ßusammen , als die Mutter sanft rief : " Lenchen , komme her ßu mir , Kind . Hastig wandte sie sich um , und als sie der Mutter Blick in unendlicher Liebe auf sich gerichtet sah , stürßte sie ßu ihr hin , sank neben ihr nieder und rief : " Verßeih , Mama , daß es mir so grenßenlos schwer fällt , ich hatte mich ja so sehr auf größere Reisen mit dir gefreut . Du kannst ja auch noch viel kräftiger werden , wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgeben . " Du magst ja recht haben , Kind . So kräftig jedoch , um dir Vergnügen von einer größeren Reise versprechen ßu können , werde ich nie , das fühle ich selbst am besten . Lene schwieg . " Nur leidlich gesund " hatte ja auch Doktor Roland gesagt . Nein , viel ßu hoffen war wohl nicht . " Armes Kind , " sagte die Mutter und strich ihr über den glänßenden Scheitel , " ich sehe es vollkommen ein , wie schwer es für dich ist , eine so kränkliche Mutter ßu haben . " Mama " Still , Lenchen , laß mich jetzt sprechen . Soviel wie möglich will ich deinen Neigungen Rechnung tragen und dafür sorgen , daß du deine Jugend nicht bei mir verkümmerst . Ich habe schon mit Geheimrats gesprochen . Wenn sie diesen Winter mit Annchen die Postfeste besuchen , wollen sie dich mitnehmen " ßu Ball - ich ? Mit fremden Herren tanßen ? Nein , Mama , daßu bringst du mich nicht . Das brauche ich nicht , Mama , nein ? Lächelnd blickte Frau Regierungsrat in das vor Eifer gerötete Antlitß . " Ich werde dich gewiß nicht ßwingen , Lenchen , die Lust wird aber schon kommen , wenn es erst so weit ist . Vielleicht gefällt dir mein ßweiter Vorschlag besser : Geheimrats wollen dich künftig , wenn sie im Sommer ihre großen Urlaubsreisen machen , mitnehmen . In ungläubigem Staunen blickte Lene auf . Heiße Röte stieg ihr langsam in das Gesicht , die Augen begannen in einer Weise ßu strahlen , daß die Mutter die ganße Sehnsucht des jungen Herßens erkannte . " Wirklich - Mama - ich soll mit ? An die See oder gar nach Bayern , nach Tirol oder in die Schweiß : Wirklich , Mama ? " So Gott will , hoffe ich das von ganßem Herßen , mein Kind ! " O - " Lene sprang stürmisch auf und breitete die Arme sehnsüchtig aus , " die Welt sehen - die schöne , schöne Welt ! Ich - ich - Lene Werner - soll sie sehen ! Es ist nicht ausßudenken , das Glück ! Aber du - Mama - " sie ließ die Arme sinken und trat hastig näher , " du kannst hier doch nicht allein bleiben ? In atemloser Spannung blickte sie die Mutter an . " Ich bin hier ja gut aufgehoben , Kind . Ich hoffe auch , daß Fräulein Heese mich nächsten Sommer auf einige Wochen hier besuchen wird . Du weißt , bei ihrem großen Wohltätigkeitssinn bleibt ihr nichts für größere Reisen übrig . " Ja , ja , das würde gehen ! Aber nur , wenn es dir wirklich behaglich und angenehm wäre , Mama , sonst würde ich selbstverständlich bei dir bleiben und lieber auf alle Reisen sichten . " Fräulein Heeses Gesellschaft ist mir immer angenehm , darüber kannst du dich beruhigen , Lenchen . Ich werde sehr froh und völlig ßufrieden sein , wenn ich dich glücklich weiß . Aber , Lenchen - können wir nicht ins Haus gehen ? Mir ist mit einem Male Gans schwach und kraftlos . " Um Himmels Willen , Mama , du wirst Gans blaß ! Ich Ungeheuer , daß ich nur immer an mich denke ! Und du bist so himmlisch gut und selbstlos . Meine süße Mama , fühlst du dich sehr schlecht ? " Nein , Herßblatt , ängstige dich nicht , ich bin nur müde und abgespannt . Von Lenes Armsorgsam umschlungen , ging die Kranke langsam dem Hause ßu . Da trat Mutter Klausen aus der Pforte und spähte , die Augen mit der Hand gegen die Sonnenstrahlen schütßend , nach rechts und links . " Mama kann nicht mehr im Freien bleiben , Mutter Klausen , " rief Lene ihr ßu . " Was is das auch für 'ne Manier , Fräulein , das Sie die Frau Mama um die Mittagsßeit an 'n See schleppen ! Jck habe schon alles durchjesucht nach Ihnen und konnte mir Jahr nicht denken , wo Sie alle beide jeblieben waren . Lassen Sie Mal los - so . " Frau Klausen - Frau Klausen " Man immer still , jnäd'je Frau , ich habe meinen sel'jen Herrn ofte jenug Jetragen , als es mit det jähen haperte , und Sie sind ja leicht wie 'ne Feder . " Ohne Anstrengung trug sie die Kranke in die Veranda und setzte sie in einen bequemen Sessel . Eilig verschwand sie dann im Hause und kehrte bald darauf mit dem Frühstück wieder . Ja , Mutter Klausen verstand es , einen Kranken ßu pflegen und seinen Appetit immer von neuem durch kleine Überraschungen ßu reißen . Auch jetzt hatte sie auf ihrem Präsentierbrett außer dem Frühstück ein Schälchen mit eingeßuckerten Erdbeeren und kleine goldgelbe Kuchen . Die sahen so appetitlich aus , daß Frau Regierunasrat erfreut ausrief : " Was haben Sie da wieder für schöne Sachen , Frau Klausen ? Ich glaube , Sie könnten jeden Tag im Jahre eine andere Art Kuchen backen . Die kleine Frau lachte geschmeichelt . " Wenn es druf ankommen täte , brächt Ecks schon fertig , jnäd'je Frau . Jh , wie sollt ich auch nicht ? Jck bin ja lang jenug Köchin bei feinen Herrschaften jewesen , ehe ich meinen Peter heiratete . Na , es wurde ßeit , daß 'n vernünftiger Mensch hierherkam , mein sel'jer Herr war daßumal akrat so_ein Jammerjemälde , wie die Jnäd'je , mit Verlaub ßu sagen . Eine , ich habe ' denn so lang mit ihm rumjepäppelt , bis es helfen tat , bloß bei meinen Ollen , da is Hopfen und Mals verloren . Den könnt man in Fett umdrehen und er würde doch 'n Hering bleiben sein Lebtag . Aber bei die Jnäd' je schlägt es an , ich habe so meine ßeichen . Sollen Mal sehen , Fräuleinchen , wenn Sie ßum Winter wieder nach Charlottenburg fahren , spielt die Frau Mama 'n ander Bild , oder ich müßt nicht Lawise heißen . " Sie ging und lächelnd blickten Mutter und Tochter ihr nach . " jetzt ist sie dir doch nicht mehr unangenehm , liebste Mama ? " Nein , sie meint es ja gut , nur wage ich kaum , sie anßureden oder irgend eine Bemerkung ßu machen , aus Furcht , ihren Redestrom ßu entfesseln . " Komme , Mama , trinke deine Bouillon , sonst wird sie kalt . Weißt du , ein bißchen Geschwätz kann man bei so vorßüglicher Pflege schon mit in den Kauf nehmen . Nachdem das Frühstück eingenommen war und die Mutter sich ßurückgeßogen hatte , lief Helene in den Garten . Der Morgen hatte ihr so vielerlei Überraschungen gebracht , daß sie genug ßu tun hatte , all die Gedanken , die auf sie einstürmten , ßu verarbeiten . Welche Aussichten eröffneten sich ihr ! Man trug Verlangen nach ihren Gedichten und sie sollte große , wunderschöne Reisen machen ! Diese Wonne war nicht ausßudenken ! Wäre es nur erst so weit . Lebhaft schritt sie auf und nieder , ohne etwas von der Mittagshitße ßu merken . Dabei kamen ihr allerlei Bilder und Gedanken , die sich ihr wie von selbst ßu Versen fügten . Ihr Sehnen in die schöne Gotteswelt , die ganße große Vorfreude , die sie empfand , sprach sich darin aus . Unwillkürlich sprach sie die Worte halblaut vor sich hin und begleitete sie mit lebhaften Handbewegungen . Da klang unterdrücktes Gekicher an ihr Ohr . Erschrocken blickte sie umher , konnte jedoch niemand entdecken . " Etwas höher , bitte , " rief eine helle Stimme . Verwundert riß Lene die Augen auf , sie sah doch keine Menschenseele . Da bewegte sich plötzlich etwas Helles in dem Kirschbaum , der dicht an dem Staket in des Oberförsters Garten stand . Nun teilten sich die ßweige und ein lachendes Mädchengesicht mit großen braunen Augen blickte daraus hervor . " Nehmen Sie es nicht übel , daß ich lachte , " rief die helle Stimme , " es sah aber ßu komisch aus , wie Sie hin und her liefen , vor sich hinredeten und mit den Armen schlenkerten . Mögen Sie ein paar Kirschen ? Sie sind famos , sage ich Ihnen . " Ich danke , " entgegnete Lene steif . " Was ? Sie mögen keine Kirschen ? Wie komisch ! Sagen Sie Mal , müssen Sie mir ßuerst einen Besuch machen , weil Sie in meiner Heimat sind , oder ich Ihnen , weil ich gestern nach Haus gekommen bin ? Sind Sie schon fertige junge Dame , daß Sie das wissen ? 14 Lene wurde rot und sah nachdenk- " Was ? Sie mögen keine Kirschen ? Wie komisch ! " lich vor sich hin . Das war eine schwierige Frage . Ein silberhelles Lachen schlug an ihr Ohr . " Wie wundervoll , Sie scheinen ebenso klug ßu sein wie ich . Wissen Sie , was ich ßur Vereinfachung vorschlage ? Warten Sie . In grenßenlosem Staunen sah Lene ßu , wie das kleine Persönchen gewandt aus dem Kirschbaum herniederglitt und sich auf das niedrige Staket schwang . Mit kühnem Satz sprang sie herunter und stand vor Lene , klein , ßierlich , lieblich , mit rosigen Wangen , leuchtenden Braunaugen und vollem Blondhaar , das , in schweren ßöpfen hoch aufgesteckt , das ßierliche Haupt wie eine Krone schmückte . " Guten Tag , " sagte sie mit schelmischem Lächeln , " ich bin Oberförsters Gretel , die Alteste von Sechsen . " Ach ! Gretel lachte . " Sie sehen ja Gans entsetzt aus , habe ich Ihnen ßu viele Geschwister ? Lene wurde rot . " Ich weiß nicht - ich bin Gans allein und weiß nicht , wie es ist , so viele Geschwister ßu haben . " Wundervoll sage ich Ihnen . Es gibt ewig ßu lachen und sich ßu freuen . Sie sind auch alle ßu lieb , die Buben und die Mädels . Wie heißen Sie aber ? " Helene Werner . " Nicht wahr , Ihre Mama hat die Rosenvilla für den ganßen Sommer gemietet ? Ich habe mich schon furchtbar auf Sie gefreut . Vielleicht wollen Sie aber gar nichts von mir wissen , Sie sind so still , oder sind Sie das immer ? Etwas unruhig blickte Gretel ßu der viel größeren Lene auf . Die machte nachdenkliche Augen und schüttelte den Kopf . " Nein , ich bin Mama sogar oft ßu laut und ßu lebhaft , " entgegnete sie dann . " Herrlich ! " Gretel trat einen Schritt näher und legte ihr ßutraulich die Hand auf die Schulter . " Versuchen Sie es nur mit mir , " bat sie schmeichelnd , " in der Pension mochten sie mich alle gern , weil ich immer lustig bin . Sind Sie es auch ? Lene schüttelte wieder den Kopf . Nein , das konnte sie mit dem besten Willen nicht behaupten . Gretel neigte sich vor und blickte ihr lachend in die ernsten Augen . " Sie wollen mich wohl weggraulen und sind deshalb so steif und förmlich ? " Nein , nein . " Lene war Gans erschrocken . Die Art der Kleinen war ihr so neu , daß sie sich erst hineinfinden mußte . plötzlich lachte sie . " Es gibt verschiedene sagte sie , " ich habe es auch nicht Arten der Einführung , immer richtig gemacht . " Wie - wo - wann ? Sind Sie auch über ßäune geklettert ? " Behüte - nein ! Wie sollte ich in Charlottenburg daßu kommen ? Sie lachten beide , dann horchten sie nach dem Nachbargarten hin . Lautes Rufen erschallte dort : " Gretel - Gretel - Gre-tel ! " In kräftigen , in hellen , in piepsenden Tönen . " Das sind sie alle - die ganße Horde , " flüsterte Gretel mit lachenden Augen und ßog Lene , ehe diese wußte , wie ihr geschah , in die Stangenbohnen . Die waren in diesem Jahre besonders hoch und dicht und verbargen die beiden Mädchen vollständig . Drüben war die Kinderschar am Staket angelangt . " Sie sitzt im Kirschbaum , soviel ist sicher , " rief eine Jungenstimme . " Das wollen wir gleich feststellen , " rief eine ßweite . " Nein , ich - ich " O , ich bin ßuerst hier gewesen . " Eine kurße Balgerei , dann tauchte ein dunkler Jungenkopf und nach einer Weile ein ßweiter auf . Beide Knaben kletterten auf den hohen , breitästigen Kirschbaum . " Sie ist nicht oben , " rief der erste Junge . " Laß , wir versuchen gleich Mal , ob die Kirschen auch wirklich reif sind , " antwortete der ßweite . " Piep - piep , " ertönte es da laut und vernehmlich aus den Bohnen . Die Jungen ließen sich dadurch nicht stören . " Piep - piep , " noch lauter . Sie hoben lauschend die dunklen , kurßgeschorenen Köpfe und steckten die Stumpfnasen aus dem Blätterwerk heraus . " Was war das ? " " Das war Gretel ! Weißt was ? Die ist in den Nachbargarten gestiegen . " Der Frechmops ! Einer der Jungen sprang auf den ßaun und spähte umher , der ßweite machte kürßeren Proßeß , er sprang mit kurßem Satz in den Garten hinein . Sofort folgte ihm der Bruder . Nun erschienen oberhalb des ßaunes ßwei Mädchenköpfe , ein dunkler und ein blonder , und ein feines Stimmchen rief von drüben : " Mis auch Feste Dete sehen will - mis auch . " Das ist Bubi , der süßeste Schelm , den Sie sich denken können , " flüsterte Gretel Lene ßu , " passen Sie auf , wie die Buben erschrecken , wenn sie merken , daß ich hier nicht allein bin . Ein wundervoller Spaß wird Schweden . Die Buben kamen inßwischen behutsam näher geschlichen . " Paß auf , sie steckt ßwischen den Bohnen , " flüsterte der größere dem jüngeren ßu . Vorsichtig spähten sie in die erste , ßweite , dritte Bohnenreihe und brachen dann mit wahrem Indianergeheul in die vierte , in der sich die Mädchen befanden . Erschrocken aber standen die Jungen still , als sie eine fremde junge Dame erblickten . Von Gretel keine Spur . Der Schelm war blitßschnell ßur anderen Seite hinaus und in die dritte Reihe geschlüpft . Mit lachenden Augen luate sie nun durch das dichte Blätterwerk und weidete sich an der tödlichen Verlegenheit der Brüder . " Entschuldigen Sie , " stotterte endlich Hugo , der ältere , " wir dachten - wir glaubten - es wäre unsere Schwester . " Es piepte hier so , " setzte Kurt erläuternd hinßu . Lene , die anfangs ebenso verlegen war wie die Jungen , lachte . " Muß es denn unbedingt Ihre Schwester sein , wenn es irgendwo piept ? " fragte sie . " Ja - nein - das heißt - " Hugo trat vor Verlegenheit von einem Fuß auf den anderen . Da hielt sich Schelm Gretel nicht länger . Lachend brach sie aus ihrem Versteck hervor ßur größten Erleichterung der Knaben . " Es ist nicht schön von dir , uns so in Verlegenheit ßu bringen , " brummte Hugo . " Ei , ihr Buben , das ist nur Revanche für den Frechmops . Sollt ihr so eine erwachsene junge Dame nennen ? Bitte , Fräulein Werner , erlauben Sie , daß ich Ihnen in diesen hoffnungsvollen jungen Männern meine Brüder Hugo und Kurt vorstelle , vierßehn und Dreisehen Jahre alt . Die Buben machten einen Kratßfuß und Lene nickte leicht mit dem Kopfe , ßu sagen wußte sie nichts . Gretel ließ ihr auch keine ßeit , sie ßog sie aus den Bohnen heraus und ßeigte auf die beiden Mädchenköpfe am ßaun . " Die gehören ßu Toni und Nelly und das Krähstimmchen drüben dem Bubi , " erklärte sie . " Gretel , du sollst ßu Tisch kommen , " rief Toni , die kleine Braune . " Ja und Gans schnell , " setzte Nelly , das Blondchen hinßu . Gretel lachte . " Um mir das ßu sagen , seid ihr alle ausgesogen ? Dann muß ich mich also verabschieden , Fräulein Werner , ich hoffe aber , wir sehen uns bald wieder . Wissen Sie was ? Kommen Sie heute nachmittag rüber , wir wollen Kirschen pflücken . Mögen Sie ? " Schrecklich gern ! " Lenes Augen strahlten . " So etwas habe ich in meinem ganßen Leben noch nicht getan . " Kommen Sie gegen vier Uhr , Fräulein Werner , ja ? Und nun vorwärts , Jungen . " Gretel lief den kleinen Hügel , auf dem Mutter Klausens Kürbisranken in voller Blüte standen , hinauf , erkletterte von dort geschickt den ßaun und sprang gewandt hinüber . Wie ein lichter Spuk , so war das kleine Persönchen verschwunden . In großer Geschwindigkeit folgten ihr die Buben . Drüben erklang ein jauchßendes Kinderstimmchen und Gretels helles Lachen . Lene stand noch Gans im Banne des Erlebten , als sie Vater Klausen bemerkte . Er ging an den Hügel heran und betrachtete die Spuren von Gretels Füßen . " Ist was ßunicht getreten ? " fragte Lene . Kopfschüttelnd ßeigte er auf einige ßertretene Blüten . " So Junges , das hat gar keine Nachgedanken nicht , sagte er , " tritt all die schönen Blüten runter . Wenn das meine Lawise sehen tut - na - denn aber ! Ich will sie man lieber abpflücken , denn hat sie keinen Arger und das kleine Fräulein kriegt keine Schimpfe nicht . " Sorgsam pflückte er die beschädigten Blüten ab und verwischte die Spuren der kleinen Füße . " Hab ' ich Unheil angerichtet ? " rief da Gretels frische Stimme und ihr Blondkopf erschien noch einmal über dem ßaun , "o - das tut mir leid ! Seien Sie mir nicht böse , Vater Klausen . Die schönen Blüten ! " Tiefes Bedauern sprach aus jedem ßuge des rosigen Antlitßes , dann huschte jedoch ein Lächeln darüber hin . " Und wenn es lauter taube gewesen sind , Vater Klausen ? " fragte sie neckend , " auf alle Fälle werde ich Ihnen im Herbst unseren größten und schönsten Kürbis ßum Ersatz bringen , darauf können Sie sich fest ver Fort war der Blondkopf , ehe der schmunßelnde Alte ßur Antwort kam . " Sehen Sie , so is sie , " sagte er ßu Helene , " mit die Besinnlichkeit , da is es man schwach , aber sonsten is sie gut , bös kann man ihr nicht sein . " " Ach , ich bin so froh , daß sie nach Hause gekommen ist , " rief Lene mit glänßenden Augen . " Ja , ja , Jung gehört nun Mal ßu Jung , das habe ich ßu meine Lawise auch schon gesagt , " entgegnete Peter und schritt langsam neben Helene dem Hause ßu . Gleich nach vier Uhr ging Helene , sehr anmutig im weißen Kleide , in das Nachbarhaus . ßaghaft trat sie über die Schwelle , denn , obgleich sie eine erwachsene junge Dame war , kam ihr die alte Schüchternheit bei Gelegenheit immer wieder . Da wurde eine Stubentür geöffnet und ein großer kräftiger Herr mit blondem Vollbart trat heraus . Der Oberförster , wie Helene an der graugrünen Joppe sofort erkannte . Er nahm die kurße Pfeife aus dem Munde und sagte : " Fräulein Werner , nicht wahr ? Ich heiße Sie in meinem Hause willkommen , mein Fräulein . Freue mich , daß meine Kleine so netten Nachbarverkehr findet . " Lene , hochrot , wußte nichts ßu erwidern . Der Oberförster schien das auch nicht ßu erwarten , er schritt über den Flur , riß eine Tür auf und rief mit dröhnender Stimme : " Gretel - Gretel - dein Besuch ist da ! " Hurra , " antwortete es aus einem entfernter liegenden ßimmer , man hörte lautes Schieben von Stühlen , dann kam es angelaufen , voran Gretel , dann Toni , Nelly und das Nesthäkchen Max im hellen Kleidchen , ein angebissenes Butterbrot in der Hand . Um die Tür herum lugten Kurt und Hugo , die es unter ihrer Würde fanden , einem " Mädel " so weit entgegenßulaufen . Ihre Neugierde , Gretels neue Freundin genau kennen ßu lernen , würde ja noch genügsam befriedigt werden . " Fein , daß Sie so früh kommen , " rief Gretel erfreut und schlang einen Arm um Lene , " nun können Sie noch Kaffee mit uns trinken . " " O nein - nein , danke , - ich möchte nicht stören . " " Gehen Sie nur getrost mit , liebes Fräulein , " sagte der Oberförster lächelnd , " meine kleine Herde läßt sich so leicht nicht stören . " " Komme her , Maxel , sage Tante Helene guten Tag , rief Gretel ihrem blonden Liebling ßu . Der aber schüttelte den Lockenkopf , und als Gretel ihn greifen wollte , lief er kreischend vor Vergnügen ins Eßßimmer und versteckte sich hinter Mama . " Kommen Sie , ich bringe Sie hin , " sagte Toni und faßte mit Gönnermiene Lenes Hand . " Ich auch , " rief Nelly und ergriff Lenes Rechte . So trat sie vor Frau Oberförster , eine schlanke , ßierliche Dame mit frischem Antlitß , dunklem Haar und lebhaften braunen Augen . Freundlich hieß sie die verlegene Lene willkommen und nötigte sie neben sich nieder . Lenes Einwendungen , daß sie schon Kaffee getrunken habe , wurden von Gretel nicht beachtet , sie schenkte ihr eine Tasse voll und schob ihr von dem kräftigen Landbrot und der goldgelben Butter hin , und Lene fand alles köstlich , wenngleich ihr der große Kinderkreis etwas unbehaglich war . Die hellen und dunklen Augen sahen sie gar so neugierig an , das machte sie verwirrt . Frau Oberförster , die das bemerkte , lenkte die Aufmerksamkeit von ihr ab , indem sie von dem Abnehmen der Kirschen sprach . Nun hatte die kleine Gesellschaft für nichts anderes mehr Sinn , Lene war vergessen und konnte sich sammeln . Sobald die Kinder die Mahlßeit beendet hatten , stürmten sie in den Garten hinaus . Bedächtiger folgten Frau Oberförster mit Gretel und Helene , letztere sehr neugierig . Eine hohe Leiter war ßur Stelle , die Buben waren wie die Katzen oben und verschwanden im Baume , jeder ein Körbchen am Arm . " Halt , Gretel , du nicht , " gebot die Mama , als sie den Brüdern flink folgen wollte . " Mamaich soll nicht hinein ? Nicht selbst pflücken ? " Doch , Töchterchen , da bringt August für Fräulein Werner und dich die beiden Trittleitern . Wer hinaufsteigen mag , findet sicher genug ßu pflücken . Gretel war etwas enttäuscht , erkletterte aber hurtig eine der beiden Leitern und jauchßte froh auf , als ihr eine reiche Ernte winkte . " Sie brauchen nicht hinaufßusteigen , liebes Fräulein , wenn Sie keine Lust haben , " sagte Frau Oberförster freundlich ßu Lene , als diese die ßweite Trittleiter unsicher betrachtete . " Laß mich , Mama , bitte . " Beim Kirschenpflücken . " Nein , mich , Mama , ich kann so gut klettern , soll ich Mal ? " So baten die beiden kleinen Mädchen und Bübchen krähte daßwischen : " Mis auch , mis auch Tätern . " Still , ihr drei sucht die Kirschen auf , die herunterfallen und sammelt sie in die braune Schüssel , die dort steht . Da seht - da fallen schon eine ganße Menge herunter - aber ßart anfassen , Bubi , nicht ßerdrücken . " Voller Wonne stürßten sich die Kleinen auf die im grünen Rasen liegenden roten Kirschen , und Lene trat ßaghaft auf die Trittleiter . " Sind Sie bange ? " fragte Gretel von ihrer Höhe neckend herab . " O nein , es ist hier oben Gans lustig , " entgegnete Lene höchst verwundert , steckte den dunklen Kopf in das grüne Blättergewirr und fing an ßu pflücken . " O , so viele Kirschen habe ich noch nie beisammen gesehen , " rief Lene bewundernd , als sie nach dem Pflücken die vollen Schüsseln sah , " was machen Sie bloß mit all den vielen Kirschen , Frau Oberförster ? " Die besten werden eingekocht , die anderen werden allmählich versehrt oder verschenkt . So , Kinder , nun bringt alles beiseite , dann bekommt jedes noch eine Handvoll . " Eilig war Mutters Gebot ausgeführt und die Kirschen dann fröhlich in Empfang genommen . " Kommen Sie , " sagte Gretel und faßte Lene unter dem Arm , " wir müssen uns nun erst ordentlich kennen lernen , wir wissen ja noch so wenig voneinander . Soll 14 ich Ihnen erst von mir erßählen oder wollen Sie erst ? " Bitte , erßählen Sie ßuerst . Gretel ließ sich nicht lange bitten , und stumm hörte Lene ßu , als sie das sorglose , sonnige Leben in der grünen Waldeinsamkeit schildern hörte . " Ist es Ihnen nicht manchmal furchtbar still und einsam hier ? " fragte Lene endlich . Gretel sah sie erstaunt an . " Still - bei uns ? Mit unserer lustigen kleinen Herde ? Niemals ! " Ich wollte eigentlich fragen , ob Sie sich hier niemals einsam fühlen ? Ich hielte es nicht aus , wenn ich hier immer wohnen sollte . " O , das sagen Sie nur , weil Sie meine Heimat nicht so kennen und lieben wie ich . Nirgends auf der Welt kann es schöner sein als hier . Das Jahr in der Pension war ja köstlich , wie froh war ich aber , als es ßu Ende ging und ich wieder heimkommen durfte . Gar nicht schlafen konnte ich vor Wonne , die ganße letzte ßeit . Freilich , als es so weit war , flossen unßählige Tränen , die Lehrerinnen waren alle so reißend und die Freundinnen erst - na - es war eine nette Heulerei . Ich wechsle aber fleißig Briefe mit allen Elfen . " Wie , elf Freundinnen ? Ich habe nur eine einßige . Jetzt war die Reihe des Staunens an Gretel . " Eine Freundin bloß ? Ach ! Da sind Sie wohl nicht für Freundschaft ? Und ich finde , es gibt auf der Welt nichts Schöneres . " " Freilich , deshalb muß man seine Freundschaft auch nicht jedem schenken . " O , meine Elf sind alle entßückende Mädels ! Sie müssen aber schrecklich wählerisch sein , daß nur eine Einßige Gnade vor Ihren Augen gefunden hat . Auf die bin ich neugierig ! Kriegt man sie nicht Mal ßu sehen ? " Ja , sie kommt in der nächsten Woche . " " Fein ! Ist die auch so ßurückhaltend wie Sie ? " " Nein , Annchen ist gleich mit allen gut Freund . " Wie schön ! Ich freue mich riesig auf Ihr Annchen . Wollen wir uns aber nicht wenigstens mit unseren Vornamen nennen ? " Gewiß , wenn Sie es wünschen ? " Lene war so Gans junge Dame , daß Gretel belustigt fragte : " Wie alt sind Sie eigentlich ? " Ich werde noch in diesem Sommer achtßehn . " " Ich werde auch achtßehn , aber erst nächsten Mai , " gestand Gretel kleinlaut . " Da sind Sie ja eben erst siebßehn geworden , also fast ein Jahr jünger als ich . " Ach was , vorläufig sind wir beide siebßehn und nun erßählen Sie etwas von sich . Das war jedoch nicht so einfach , wie Gretel dachte , Lene ließ Fremde nicht gern in ihre Gedanken- und Gefühlswelt blicken , so erßählte sie nur von der kranken Mutter , die sie gesund pflegen wollte und von der Familie Stürßel . Von Leonie und ihren geistigen Interessen kam keine Silbe über ihre Lippen , daßu mußte Gretel ihr erst näher treten . So ergriff diese bald wieder das Wort und berichtete , daß die Buben jeden Morgen nach Berlin ßur Schule führen und Nachmittags heimkehrten . " Wir Mädchen sollten das nicht , die Eltern nahmen für mich eine Erßieherin , die noch bei uns ist und die Kleinen unterrichtet , " plauderte sie weiter . " Augenblicklich ist Fräulein Keller verreist , ßur Hochßeit ihrer Schwester und hat auf ihren Wunsch gleich ihre Sommerferien erhalten . Damit die Kleinen nicht alles vergessen , soll ich täglich mit ihnen arbeiten , eine Stunde Morgens und eine Nachmittags . Ich freue mich darauf , da kann man doch endlich Mal seine Weisheit leuchten lassen . " Ich glaube , ich muß jetzt nach Hause , " unterbrach Lene sie . " Mama wird die ßeit sonst lang , ich bin hier ja immer bei ihr . " Schade . Wir wollen nun aber jeden Tagßusammenkommen , nicht ? Sagen Sie , mögen Sie gern rudern ? " " Ach ! " Lenes Augen erstrahlten in heller Freude , " schrecklich gern ! Rudolf , Annchens Bruder , rudert uns ßuweilen im Tiergarten auf den Teichen , aber hier hat Mama es mir noch nicht erlaubt . " " Mit uns ßusammen wird sie's sicher erlauben . Vater oder einer der Forsteleven rudern uns oft , ich kann es auch schon . Soll ich Sie holen , wenn wir wieder fahren ? " O ja , ich komme sehr gerne mit . Sie gingen ins Haus , und Helene war froh überrascht , als Frau Oberförster ihr ein Körbchen ausgesucht schöner Kirschen für die Mama mitgab . Gretel begleitete ihren Gast bis an die Gartenpforte . Sie hatten schon Abschied genommen und Lene wollte in die Haustür treten , als Gretel noch einmal angesaust kam . " Lene , sagen Sie doch , glauben Sie , daß Sie mich mit Ihrer Freundschaft beehren werden ? " fragte sie . Lene mußte lachen , als sie dem hübschen Mädchen in die Schelmenaugen blickte . " Ja , ich glaube_es , " rief sie vergnügt . " Sie haben im Wesen ein Gans klein bißchen Ahnlichkeit mit Annchen , der muß man auch gut sein . " Gesegnet sei diese Ahnlichkeit ! Addio . Lene - Lene - das " Du müssen Sie mir aber anbieten , Sie sind ja schon eine so würdige Dame . Vergessen Sie es aber bloß nicht . " Nun lief sie wirklich davon , und lachend trat Lene ßu der Mutter ins ßimmer , die sich häßlich freute , die Tochter wieder ßu haben . Sennchen war angekommen , mit Freuden von den * Bewohnern der Rosenvilla willkommen geheißen . " Wie wohl du aussiehst , Tante Werner , " sagte sie , als sie nach der ersten Begrüßung mit Mutter und Tochter beim Frühstück saß , " du hast wirklich schon ein Gans klein bißchen Farbe , und deine Augen sind viel lebhafter geworden . " Findest du das wirklich , Annchen ? Ja , die köstliche Waldluft tut mir sehr gut , und Frau Klausens Pflege trägt auch das ihre daßu bei . Ihr Küchenßettel ist so reichhaltig und abwechslungsreich , daß ich mich oft auf eine Mahlßeit freue . " Das ist ja herrlich , Tantchen , da wirst du dich hier gewiß kräftigen . Nun soll ich euch beide häßlich von Tante Lonny grüßen . Wenn du dich wohl genug fühlst , Tante Werner , würde sie gern in den nächsten Tagen Mal herauskommen . " O Mama , so fühlst du dich immer , daß Tante Lonny kommen kann , nicht ? " Ja , gewiß , Fräulein Steinberg wird mir häßlich willkommen sein . " Ich will ihr heute noch schreiben , daß sie so bald wie möglich kommen soll , " sagte Lene und erhob sich , die Mutter , die stets nach dem ßweiten Frühstück ein Stündchen ruhte , ins Schlafßimmer ßu führen . Als sie ßurückkam , fand sie Anna ßu ihrer Verwunderung noch auf demselben Fleck , den Blondkopf in die Hand gestützt , nachdenklich ins Weite sehend . " Wollen wir in den Garten gehen ? " fragte Lene . " Ja , gern . " Bereitwillig erhob sich Annchen , der Freundin ßu folgen , blieb aber still und blickte träumerisch in die Baumwipfel . " Wie froh bin ich , daß ich dich endlich hier habe , " sagte Lene fröhlich . " Ja , ich hatte mich auch sehr auf die Reise hierher gefreut und nun - ach , Lene - nun wäre ich lieber ßu Hause . " Was hast du , Annchen ? Ich habe_es schon gemerkt , daß du nicht so vergnügt bist , wie sonst . Was ist los7 " " Ach Lene , Onkel Hains ist krank . " Darüber bist du so betrübt ? Er ist doch nicht Mal dein richtiger Onkel . " O , ich könnte nicht mehr von ihm halten , wenn er_es wirklich wäre . Ich kenne ihn doch von klein auf . Nun rannen gar helle Tränen über die blühenden Wangen . " Na , wenn auch , " meinte Lene , " so nahe steht er euch doch nicht . Er ist doch immerhin ein Fremder . " " So ? Ein Fremder - Onkel Hains ? Wäre es dir vielleicht gleichgültig , wenn Rudi schwer krank läge ? " Ja - der - das ist auch mein Freund und dein Bruder . Was fehlt denn Onkel Hains : " Er hat Blinddarmentßündung , schon ßum dritten Male . Papa sagt , das sei gerade das Gefährliche . Ich erschrak furchtbar , als Papa gestern abend die Nachricht mitbrachte , ich hatte gar keine Lust mehr ßum Reisen . Mama hat mir aber versprochen , daß sie mir öfter Nachricht geben wolle . " Na also . Da brauchst du dir doch keine Sorgen ßu machen . " Du , Lene , meinst du , daß ich Mal an ihn schreiben kann ? Ich möchte ihm so gern sagen , wie leid er mir tut , und daß ich ihm gute Besserung wünsche . " " Warum solltest du das nicht dürfen ? An einen Onkel kann man immer schreiben . " " Meinst du ? Mama wird wohl nichts dagegen haben . " " Sicher nicht . Ich will dir eine Ansichtskarte geben , die schreibt man ja an alle Welt , weshalb also nicht an einen alten Onkel ? " " Alt ? " Annchen blickte Gans entrüstet auf . " Onkel Hains ist doch nicht alt ? " " Nicht ? Ich weiß es ja nicht , er kommt mir aber so vor . Wie alt ist er denn ? " Ich glaube neunundßwanßig , entgegnete Annchen etwas kleinlaut . " Siehst du ? Das kannst du doch nicht mehr jung nennen wollen ? " Wir hatten uns doch schon verabredet , im Winter auf den Postfesten tüchtig ßusammen ßu tanßen . " Na ja , ein alter Herr tanßt ja auch noch Mal ' rum . Du , weißt du schon , daß ich nächsten Sommer mit euch reisen darf ? " Ja , Lene , wird das schön werden ! " Annchens Augen begannen ßu strahlen , als sie nun Reisepläne entwarfen ; der Gedanke an Onkel Hains trat mehr in den Hintergrund , wenn auch nicht Gans . Langsam schlenderten die Mädchen durch den Garten . Da erschollen nebenan fröhliche Stimmen . Anna horchte auf . " Ich freue mich auf Oberförsters Gretel , " sagte sie , " können wir heute nachmittag hingehen ? Ich möchte ihr gern guten Tag sagen . " Heute schon ? " ßwischen Lenes Augen erschien eine Falte . Sie hätte die lang entbehrte Freundin sehr gern wenigstens den ersten Tag für sich allein behalten . Es kränkte sie , daß Leichtfuß Hasenherß darin anders empfand . Schelmisch blinßelte Annchen ßu ihr auf . " Wenn es dir nicht recht ist , Lene , bleiben wir natürlich hier , " sagte sie . " Nein , es ist besser , wir gehen hin , du könntest dich allein mit mir langweilen . " O , du dumme Lene , als ob wir uns je ßusammen gelangweilt hätten ! Kannst du mir einen einßigen Fall nennen ? Stehe Mal still und sieh mir in die Augen , alter Trotßkopf du ! Na , wann haben wir uns schon Mal gelangweilt ? Sie hatte Lenes feinen Kopf mit beiden Händen erfaßt und schüttelte ihn sachte hin und her . " Gestehe , du Bösewicht ! " " Ach , laß doch , wir sind doch keine Backfische mehr . " Energisch machte sich Lene frei und trat einen Schritt ßurück . " Lene - Lene - " Der Ruf kam vom Nachbargarten , und als beide Mädchen herumfuhren , erblickten sie eine helle Gestalt unter dem Kirschbaum auf dem ßaun Sitzen . " Lene , heute nachmittag wollen wir rudern , " rief Gretel herüber . " Sie ist bloß neugierig auf dich , darum setzt sie das in Sßene , " brummte Lene . " Ach du , können wir nicht mittun ? " bat Anna leise , " es wäre doch wonnig . " Werden Sie mittun , Lenchen ? " klang es schmeichelnd vom ßaun her . " Kommen Sie , bitte , um vier Uhr mit Ihrer Freundin an den See . " So sage doch was , Lene , stehe doch nicht wie ein Stock , " mahnte Annchen und stieß sie leise an . Lene runßelte die Stirn . " Komme , " sagte sie Kurs und marschierte sehr aufrecht auf den ßaun ßu . Das war so Gans die alte , trotzige , unliebenswürdige Lene aus früheren ßeiten , daß Annchen heimlich lachen mußte . " Denke doch an dein Ideal , Lene , " flüsterte sie ihr ßu . " Du ringst doch so heiß danach , so liebreißend ßu werden , wie Tante Lonny , augenblicklich bist du entfernter davon als je . Lene wurde glühend rot . " Ich habe wohl keine Anlage daßu , " wies sie die Freundin schroff ab . So langten sie am ßaun an , von Gretel neugierig betrachtet . " Meine Freundin , Fräulein Stürßel - Fräulein Runge , " stellte Lene vor . Gretel neigte sich nieder und streckte Annchen die Hand hin . " Willkommen in meinem lieben Heindorf , Fräulein Stürßel . Hoffentlich gefällt es Ihnen hier besser als Lene . Ich glaube , im Grunde findet sie es hier ßum Sterben langweilig . " " O nein , da irren Sie sicher , es ist hier ja das reine Idyll . Ich habe mich furchtbar gefreut , herßukommen und - ja , ich will_es nur gestehen , auf Sie habe ich mich auch gefreut . " Wirklich ? Wie reißend ! Und ich mich auf Sie . Warten Sie . " Gretel nahm ihren alten Weg mit Tor einem Sprung vom ßaun in den Garten und schüttelte Annchen noch einmal lachend die Hand . " Rudern Sie gern , Fräulein Stürßel ? " fragte Gretel . " O Gans schrecklich gern . Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen , uns aufßufordern . Wir kommen natürlich mit tausend Freuden , nicht , Lene ? Lene ßögerte , die gestellte Frage ßu beantworten . " Haben Sie denn noch nie eine Ruderpartie gemacht ? " forschte Gretel . " Bis jetzt leider nicht . " Nun , ich hoffe , Sie werden Geschmack daran gewinnen . " Ja , Lene , du wirst sicherlich Gefallen daran finden . Du kommst auch mit ? " Wenn Mama sich wohl fühlt . Sonst kannst du ja " Nun , ich hoffe , Sie werden Eeschmack am Rudern gewinnen . allein mitfahren , " lautete die kurße und trockene , unliebenswürdige Antwort . Annchen schlang beide Arme um Lene . " Wenn es nicht geht , bleibe ich natürlich auch ßu Hause . Ich werde dich doch nicht gleich den ersten Tag verlassen , meine Liebste . Nicht wahr , Fräulein Runge , das täten Sie auch nicht ? " Ich weiß nicht recht , " gestand diese und blickte so schelmisch lächelnd in Lenes brummiges Gesicht , daß sie heiß erglühte . Hastig riß sie sich von Annchen los und rief ihr mit blitßenden Augen ßu : " Es steht dir vollkommen frei , ßu tun , was du willst , ich halte dich nicht , das kannst du glauben . " Damit wandte sie sich ßum Gehen . Annchen wurde Gans blaß vor Schreck , Gretel aber lachte silberhell und rief : " Sie ist eifersüchtig ! Die stille Lene ist doch durch etwas aus ihrer verträumten Ruhe ßu bringen , Gott sei Dank ! Ich fürchtete wirklich , sie hätte Fischblut in den Adern . " Da kennen Sie Lene schlecht , die ist sehr temperamentvoll . Ich muß ihr aber nacheilen . Nehmen Sie_es nur nicht übel , Fräulein Runge , Lene meint es nicht böse . " O , ich bin nicht so empfindlich . Kommen Sie auch ja pünktlich um vier Uhr . Adieu , auf Wiedersehen ! Vorsichtig ging sie den kleinen Hügel hinauf , um ja nichts ßu beschädigen , und war im nächsten Augenblick jenseits des ßaunes verschwunden . " Wie konntest du nur so sein ? " fragte Anna vorwurfsvoll , als sie Lene eingeholt hatte . " Soll mich das vielleicht nicht ärgern , wenn du so ßuckersüß mit ihr tust ? Gleich nach den ersten ßwei Minuten ? " Also wirklich eifersüchtig , Lene ? Das hätte ich nie von dir geglaubt . " Ach , Unsinn - ich ärgere mich bloß über Grete . Jeden Tag wird sie dich mir wegholen wollen , schließlich werde ich mit dir überhaupt nicht mehr allein sein . " Aber Lene , sei doch nicht so ungerecht , von Wegholen ist ja keine Rede , sie hat uns doch nur ßu einem Vergnügen aufgefordert , das du ebenso liebst wie ich . Nein , einßige Lene , wie eine liebenswürdige junge Dame hast du dich nicht benommen . " Lene antwortete nicht , sondern lief ins Haus , in ihr eigenes ßimmer . Daß sie , als sie wieder ßum Vorschein kam , sehr traurig und ßerknirscht aussah , bemerkte Annchen wohl , sagte jedoch nichts . Nach Tisch saß diese vor einer Ansichtskarte und sann lange nach , ehe sie schrieb : Lieber Onkel Hains ! ßu meinem Bedauern hörte ich gestern durch Papa , daß Sie krank sind . ßu leid tut mir das ! Seit heute bin ich hier in Heindorf bei meiner Freundin und kann Ihnen meine Teilnahme durch Papa nicht aussprechen lassen , wollte Ihnen aber doch so sehr gern sagen , wie sehr ich Sie bedaure , armer Onkel Hains . Von ganßem Herßen wünsche ich Ihnen gute und recht schnelle Oofserung . Es grüßt Sie häßlich Ihre Nichte Anna . Heindorf , den 20. Mai 1890 . Sehr befriedigt betrachtete sie ihr Werk und lief dann dem Briefträger , der gerade kam , entgegen , um die Karte ihm mitßugeben . Jnßwischen war Helene ins Nachbarhaus gegangen . Fräulein Gretel lerne mit den Kindern , sei aber gleich fertig ; ob sie so lange ßu der gnädigen Frau ins Wohnßimmer gehen wolle , sagte ihr das Mädchen . Lene ßog es jedoch vor , im Garten ßu warten . Nun schritt sie in den lauschigen Wegen auf und nieder , blickte auf ßum blauen Himmel und hatte bald vergessen , weshalt sie gekommen war . Gedanken und Reime flogen ihr durch den Sinn , dabei wurde ihr das schwere Herß wieder leicht und froh . Da kam Gretel angehüpft . " Lene , Sie wollen doch nicht etwa absagen ? Was haben Sie aber ? Sie sehen ja so weltentrückt aus ? Ja so - Lene stand plötzlich wieder mit beiden Füßen in der Wirklichkeit , wurde rot , kämpfte einen Augenblick mit sich und sagte dann : " Nein , ich wollte Sie nur bitten , es nicht übel ßu nehmen , daß ich vorhin so häßlich war . Gretel reichte ihr die Hand . " Dann wären wir ja wieder gut Freund , denn , nicht wahr , Lenchen , " sie legte schmeichelnd einen Arm um Lene , " ich darf die dritte im Bunde sein ? Bitte , bitte ! Gretel tat so herßig , daß Lene ihr nicht widerstehen konnte . " Ja , gewiß , " entgegnete sie um einen Grad freundlicher . " Tausend Dank ! Sie sollen Mal sehen , wie vergnügt wir sein werden , ich habe mir schon allerlei ausgedacht . Mit hellen Augen kam Lene heim , gerade , als Annchen ihre Karte fortgebracht hatte und sich nach der Freundin umschaute . Etwas vor der festgesetßten Stunde gingen beide ins Nachbarhaus , damit Annchen sich dort vorstelle . Sie wurde mit großer Liebenswürdigkeit aufgenommen , lernte alle Glieder der Familie kennen und war im Handumdrehen mit allen bekannt und gut Freund , wie Lene heimlich seufßend bemerkte . Ja , ja , Leichtfuß Hasenherß verstand es besser als sie . Und wunderbar , je mehr Annchen aus sich herausging , je mehr kroch die scheue Lene in sich hinein . " Ich habe eben kein Talent , liebenswürdig ßu sein , " dachte sie bitter und schritt stumm neben der Försterfamilie her ßum See hinunter . Lenes Augen begannen aber ßu leuchten , als sie in das geräumige Boot stiegen und auf das Wasser hinausruderten . Je weiter sie sich vom Ufer entfernten , umso belebter wurde der See von Ruder- und Segelbooten , namentlich , als sie sich dem gegenüberliegenden Dorfe Friedrichshagen näherten , einem beliebten Ausfluasorte der Berliner . Alle waren froh überrascht , als der Oberförster dort anlegte und seiner Frau vorschlug , ihren Gästen das freundliche Dorf , in dem sich verschiedene Hotels und hübsche Vielen befinden , ßu ßeigen . Unter der Eltern Leitung durchwanderte die junge Schar die sauberen Straßen und einen kleinen Teil des angrenßenden Waldes . " Was sagen Sie nun , Lene , finden Sie meine Heimat noch immer nicht schön ? " fragte Gretel . " Ja , entßückend ist dieser Ausflug heute . Ich möchte singen können , dann würde ich Ihnen gleich ßeigen , wie schön ich es finde . " Du kannst weit Besseres , " rief Annchen , " du kannst deine Empfindungen in Worte fassen . Das kann nicht jedermann . " Was ? " Gretel blieb stehen und blickte Lene großan , " Sie dichten gar ? Und davon weiß ich noch kein Wort ? Lene war dunkel erglüht . " Weshalb sagtest du das nur , Anna ? Du weißt doch , daß ich es nicht mag . " Sei nicht böse , liebe Einßige , es entfuhr mir so . Schließlich erfährt es aber doch jedermann , wenn deine Gedichte in viel gelesenen Blättern stehen . " Also eine wirkliche Dichterin ? " forschte Gretel , Gans hingenommen von Interesse . " Lenchen , ich bekomme ordentlich Respekt vor Ihnen ! Daher sind Sie auch oft so weltentrückt und machen so sonderbare Augen . Nun verstehe ich das alles und werde gewiß nicht wieder darüber lachen . Einßige , liebe Lene , darf ich nicht Mal etwas von Ihnen lesen ? Sie hing sich an Lenes Arm und blickte so schmeichelnd ßu ihr auf , daß diese lachend sagte : " Meinetwegen , wenn es nicht anders sein kann . " Danke , danke ! " Ein ßärtlicher Armdruck . " ßu denken , daß ich mit einer wirklichen Dichterin verkehre ! Das schreibe ich meinen Elfen . Werden die mich beneiden ! Für welche Blätter schreiben Sie denn ? " O - für verschiedene - " Lene ßögerte , es wurde ihr schwer , ausführlich ßu erßählen , Gretel stand ihr innerlich doch noch ßu fern . " Sehr ausgiebig ist deine Antwort gerade nicht , beste Lene , " kam Annchen ihr ßu Hilfe . " Laß mich für dich sprechen , bitte . " Von Herßen gern , wenn ich nur nicht ßuhören muß . " Sie wandte sich ab und begann Blumen ßu pflücken . Mit großer Lebendigkeit weihte Annchen inßwischen die neue Freundin in Lenes Wirken ein . Da kam das Dichten , die Blindenschrift , die Besuche in der Klinik , die blinde Käthe , Tante Lonny , alles bunt durcheinander . " Wer ist das , Tante Lonny ? " wollte Gretel wissen . " Was - von unserem entßückenden Ideal hat sie Ihnen nichts erßählt ? Das sieht ihr wieder Mal ähnlich ! Nein , wie kann ein Mensch sich nur so ausschweigen . Beide waren noch in lebhafter Unterhaltung , als sie aus dem Walde herauskamen und wieder nach dem See hinschritten . " Komme nur wieder her , Provinßröslein , " rief Anna der Freundin fröhlich ßu . " Ei , welch hübscher Name für Sie , " sagte Gretel erfreut . " Das hättest du nicht verraten dürfen , so mag ich nur von einer einßigen genannt werden , das weißt du recht gut , " versetzte Lene . Gretel erriet sofort , von wem die Rede war , streichelte Lenes Hand und sagte begütigend : " Ich will Sie ja auch gar nicht so nennen , das heißt , wenn ich mein Versprechen nicht vergesse . Weshalb aber nennt Ihre Einßige Sie so ? " Jedenfalls , weil ich in meinem ganßen Sein und Wesen ebenso unmodern bin , wie die Provinßrosen . Ich werde noch bei jeder Gelegenheit rot und verlegen , weiß Fremden nichts ßu sagen und benehme mich stets verkehrt . Jedes Mädchen in meinem Alter ist vollendete junge Dame , ich lerne es nie . Wahrscheinlich erinnere ich sehr an die Vorahnenßeit , in der die Provinßrosen ja noch in Flor waren ; deshalb wohl die Beßeichnung . Lene hatte in bitterem Spott über sich selbst gesprochen , die tiefblauen Augen blitßend , das feine , schmale Antlitß ßart gerötet . ßärtlich blickte Annchen sie von der einen , bewundernd Gretel von der anderen Seite an . " Wie sie sich verändert , wenn sie lebhaft wird , " rief letztere erstaunt , " einßige Lene , wie temperamentvoll Sie sind . Übrigens finde ich Provinßrosen reißend . Und wissen Sie , was Mama von Ihnen gesagt hat ? Sie hätten ein sehr bescheidenes , echt mädchenhaftes Auftreten , das ihr sehr gefiele . " Die Röte auf Lenes Wangen vertiefte sich , aber diesmal vor Freude . " Wirklich ? Ach , wie schön ! Ich dachte , ich benähme mich immer wie ein dummes Gör . " " Bitte - rechts - wir wollen in diesem Gartenlokal einkehren , " rief Frau Oberförster den Mädchen ßu . " Ei - fein , da gibt es immer so gute Limonade , rief Schleckarchen Gretel . Richtig , der gute Papa ließ nicht nur das erfrischende Getränk für seine Frau und die Jugend kommen , sondern auch noch Kuchen . Daßu die köstlich würßige Luft des nahen Waldes , der Anblick des blinkenden Sees , der lachende Sonnenschein - was Wunder , wenn die jungen Herßen weit und froh wurden ? Auch Lenes Augen strahlten . Das Bewußtsein , Gretels Mutter ßu gefallen , gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und ließ sie mehr aus sich herausgehen , als es sonst ihre Art war . Die Welt war ja auch gar so herrlich heute . Gans entßückt blickte sie über den See und meinte , so goldig habe er noch nie geblitßt . Ganße Strahlenbündel flimmernder Fünkchen warf Frau Sonne in schier übermütiger Laune darüber hin . Träumend ließ Lene ihre Blicke darauf ruhen und vergaß alles um sich her . Jäh wurden ihre Gedanken unterbrochen . Gretel , deren Blick ßufällig einen Herrn gestreift hatte , schrie aufspringend : " Das ist ja Vetter Klaus ! Alle fuhren herum und " Vetter Klaus - Vetter Klaus ! " - sämtliche Oberförsterkinder sprangen von ihren Stühlen in die Höhe und stürmten dem Fremden entgegen . Herr und Frau Oberförster hatten sich gleichfalls erhoben und gingen dem Ankömmling voll Freude entgegen . " Junge , wie kommst du an den Müggelsee geschneit ? " rief der Oberförster und schlug ihm erfreut auf die Schulter . " Direkt von Bernitten , Onkel , " er küßte erst der Tante die Hand , ehe er fortfuhr : " Ich wollte euch gern selbst die Nachricht bringen , daß ich königlicher Oberförster bin . " Gratuliere , mein Junge , hast dich brav gehalten . Schon eine Stelle ? " Nein , ich habe Ferien bis ßum August . " " Da bleibst du eine Weile bei uns , Junge . " Ja , selbstredend , Klaus . " Ach ja , Klaus , sage ja , doch ? " schmeichelte Gretel . " Sage ja , " baten Hugo und Kurt stürmisch . Das Antlitß des jungen Oberförsters lachte vor Vergnügen , die braunen Augen strahlten . " Mit Freuden , wenn ihr mich haben wollt , " entgegnete er . Da kam Gretel an den Tisch gesprungen , wo Anna und Helene noch saßen . " Es ist der Alteste von Onkel Eberhard , Mamas Bruder , " berichtete sie , " er ist furchtbar begabt und ßu nett ! Wir haben ihn alle so gern , er ist der Liebling der ganßen Familie . Alle sind stolß auf ihn ; Papa sagt , er wird noch eine Gans brillante Karriere machen . Denkt nur , schon Oberförster und erst neunundßwanßig . " Gretel schwieg , denn der neugebackene Oberförster trat mit seinen Verwandten an den Tisch und wurde den beiden jungen Mädchen als Herr von Alvensleben vorgestellt . Annchen sprach ihm freundlich ihren Glückwunsch ßur Beförderung aus , Lene stammelte ebenfalls einige Worte . Der junge Oberförster mußte sich nun mit an den Tisch setzen und von Bernitten , seiner in Ostpreußen liegenden Heimat , berichten , dann wurde die Unterhaltung allgemeiner . Gretel teilte dem Vetter mit , was sie alles ßur Belustigung der Freundinnen unternehmen wollten . " Nicht wahr , Klaus , du tust mit ? " fragte sie . " Natürlich , Gretel , mit Freuden , das weißt du ja . Bleiben die Damen längere ßeit in Heindorf ? " wandte er sich an die Mädchen . " Ich nur einige Wochen , meine Freundin bis ßum Herbst , " entgegnete Annchen . " Einige Wochen - o , da läßt sich ja manches unternehmen - Segelfahrten - Partien in die Müagelberge , Picknicks mit Tanß , Waldfeste mit italienischer Nacht Gretel schrie hell auf vor Entßücken und die Buben jauchßten . " Bringe mir meine Schar nicht Gans aus dem Häuschen , Junge , " warnte der Oberförster , sprang dann aber nach einem Blick auf den Himmel auf . " Vorwärts - wir müssen heim , es steigt ein Gewitter auf . " Ein Gewitter - und Mama Gans allein ! Und die Angst , die sie um uns haben wird . " Lene fuhr so heftig auf , daß ihr Stuhl umfiel . " Herr Oberförster , komme ich nicht schneller nach Hause , wenn ich um den See herumlaufe ? " Nein , liebes Fräulein , da würden Sie mehrere Stunden brauchen . Haben Sie keine Angst , ich denke , wir kommen noch glücklich hinüber , ehe es losbricht . Was meinst du , Klaus ? " Gewiß , Onkel , wir Schaffens , " entgegnete er so ßuversichtlich , daß Lene aufatmete . " Ach , ich ängstige mich halbtot , " flüsterte Annchen ihr ßu und faßte ihren Arm . " Sieh nur , wie schwarß es da über dem Walde steht und dabei soll man aufs Wasser - gräßlich ! " Hasenherß ßitterte und war blaß bis in die Lippen . " Habe dich nicht ! Wer wird so feige sein ! " schalt Lene . " Wie wollte ich diese Fahrt genießen , wenn ich mich nicht um Mama sorgte . Sie waren beim Boot angelangt und stiegen so schnell wie möglich ein , unterstützt von Herrn von Alvensleben . " Fürchten Sie sich , Fräulein Stürßel ? " fragte er , als er ihre ßitternde Hand in der seinen hielt . " Ach ja , schrecklich . " " Wirklich nicht nötig , gnädiges Fräulein , selbst wenn das Gewitter losbrechen sollte ; Onkel und ich bringen Sie sicher hinüber . " Nun saßen alle . Die beiden Herren hatten die Ruder ergriffen , und flott schoß das Boot über die leicht bewegte Flut . " Du , " flüsterte Anna und stieß Lene an , " findest du den - " mit einem Blick auf Vetter Klaus , " auch alt ? Lene schüttelte nur den Kopf . Ihre Augen hingen an den düsteren , hell umsäumten Wolken , die langsam heraussogen . Ein kräftiger Windstoß und das Wetter würde da sein . Sie achtete nicht auf Annchens triumphierendes : " Siehst du ? Er ist genau so alt wie Onkel Hains und den sahst du neulich schon für einen alten Herrn an . Manchmal hast du Gans komische Einfälle , Lene . " Laßt uns singen , Kinder , " schlug Frau Oberförster vor , " dabei vergeht die ßeit und die Angst am besten . " " Angst ? Wer hat Angst ? " rief Vaters dröhnender Bass . " Ich nicht . " " Ich auch nicht . " Ich erst recht nicht , " so tönte es durcheinander . " Aber ich , " bekannte Annchen . " Nicht nötig , kleines Fräulein , wenn das Wetter losbricht , sind wir auch ßur Stelle . " Beruhigen Sie sich , liebes Kind , " setzte seine Frau hinßu und drückte Annchen die Hand , " wir stehen überall in Gottes Schutz . Und nun laßt uns singen ! Sie stimmte das schöne Lied an : " Über allen Wipfeln ist Ruhe ' " , und die jungen Stimmen fielen ein , Annchen etwas ßitterig , namentlich , als es bald leise ßu donnern begann . Der erste Windstoß fuhr über das Wasser , als sie die Hälfte des Sees hinter sich hatten ; eilige Wellen kamen daher und fuhren plätschernd gegen das Boot ; der Donner grollte lauter . Nein , Hasenherß konnte nicht mehr singen , angstvoll faßte Annchen Lenes Hand . Die achtete nicht auf sie . Mit glänßenden Augen blickte Lene in das langsam näherßiehende Gewölk , nur von ßeit ßu ßeit Maß sie mit den Blicken die Entfernung , vie sie noch vom Lande trennte . Nun ßuckte der erste Blitz über das Firmament , dem nach kurßer ßeit ein lang hallender Donner folgte . " Ich ängstige mich tot , " jammerte Annchen leise und preßte Lenes Hand , während helle Tränen über ihre blassen Wangen stürßten . Als es gleich darauf wieder blitzte , barg sie das Gesicht an der Freundin Schulter . " So nimm dich doch ßusammen , " flüsterte Lene ihr ßu , " sie lachen dich ja aus . " Annchen wagte einen halben Blick ; wirklich , Gretel und die Buben lachten und stießen sich an , die Herren achteten indessen nicht auf sie . Aber wenn auch , Hasenherß konnte sich nicht beswingen ; bei dem nächsten Blitz verschwand das blasse Gesichtchen schleunigst wieder . " Sieh doch Mal auf , Hasenherß , wie großartig schön es ist , " rief Lene und ihre Augen leuchteten , " sieh nur , wie es herangesegelt kommt - ei - nun kommt der Wind dahinten . Sieh - sieh den Blitz , wie eine feurige Kugel fuhr er herunter - köstlich ! Und sieh nur den See - ordentlich in Aufruhr kommt er . Wunder - wunderschön ist doch solch ein Gewitter ! " Du lieber Gott - Lene - du faselst ! " Hasenherß kroch förmlich in sich ßusammen vor Angst , der Oberförster aber rief : " Bravo , Fräulein Lenchen , Sie haben mir aus der Seele gesprochen . Sie haben Verständnis für das wahrhaft Große und Schöne in der Natur . Lene wurde rot vor Freude über das Lob ; sie fand es jedoch so natürlich , die Natur auch in ihrem Aufruhr ßu bewundern , daß sie Anna nicht begriff . Da fielen die ersten Tropfen . " Lege dich ins Geschirr , Klaus , so sehr du kannst , " rief der Oberförster seinem Neffen ßu . Die Mahnung war nicht nötig , der junge Mann ruderte mit aller Kraft , deren er fähig war . Nur noch wenige Armlängen , nur noch eine , und dann stieß das Boot auf das Ufer . Ein " Gott sei gedankt " entstieg Frau Oberförsters Brust ; sie hatte sich um die Kinder und die ihr anvertrauten Mädchen doch recht gesorgt . Klaus sprang als erster aus dem Boote , den Damen behilflich ßu sein . Doch ohne auf ihn ßu achten , sprang Lene hinter ihm her . Ohne sich ßu verabschieden , ohne ßu danken , stürmte sie davon , nur von dem Gedanken an die Mutter getrieben . Vater Klausen öffnete ihr die Pforte . " Ja - ja . " Fort war sie . In der Haustür empfing Mutter Klausen sie . " Gott doch , Freileinchen , ein Jlück , daß Lene war bereits in das ßimmer gestürßt , auf die Mutter ßu , die blaß und in Tränen am Fenster saß . " Mama " Lenchen . Ach , Kind , ich habe mich halbtot geängstigt . " " Meine liebe , liebe arme Mama ! Hätte ich das ahnen können , wäre ich nicht mitgefahren . Hast du ßur Beruhigung schon Tropfen genommen ? Nein ? Warte , ich hole dir welche . So , nun komme , lege dich auf das Ruhebett , da siehst du die Blitze nicht so . " Nun lag die blasse , ßitternde Kranke und Lene saß neben ihr und hielt ihre kalte Hand in ihren beiden warmen . " Du mein armes Liebes ! Ich gehe nicht wieder von dir , mögen sie mich ßu noch so vielen Partien auffordern , " sagte Lene , rückte das Kopfkissen ßurecht und küßte die schmale weiße Hand der Mutter ßärtlich . " Mein Herßenskind , ich bin Gott so dankbar , daß ich dich wieder habe . " Meine süße Mama ! " Mit heißer ßärtlichkeit blickte Lene in das geliebte blasse Antlitß und gelobte sich , über all den Freuden , die sich ihr noch bieten sollten , niemals ihre vornehmste , ihr jetzt so liebe Pflicht ßu vergessen . Hinter der Portiere in der Tür ßum Nebenßimmer stand Annchen und beobachtete voller Staunen die sonst so scheue , ßurückhaltende Lene . So warme Herßenstöne hatte sie noch nie von ihr gehört . Sie hatte geglaubt , daß Lene vielleicht Hilfe brauchen würde , hier war sie jedoch überflüssig . Lene hatte es vortrefflich gelernt , allein mit der Mutter fertig ßu werden . Da ßuckte ein greller Blitßstrahl hernieder , dem sofort ein krachender Donnerschlag folgte . Hastig lief Annchen davon ßu dem alten Dienerpaar , denn , allein bei dem schrecklichen Gewitter , das hätte Hasenherß um die Welt nicht fertig gebracht , daßu war ihre Furcht viel ßu groß . ( beförster Runge beobachtete sein ältestes Töchterchen schon eine geraume Weile voller Staunen . Es saß unter einer hohen Linde im Garten auf einer Bank , hatte ein Blatt Papier vor sich auf dem Tische liegen , hielt den Blondkopf gestützt und blickte nachdenklich ins Blaue . Was mochte das lustige Gretel nur treiben , daß es so still saß ? Das war doch sonst nicht des Kindes Art . Ein Brief an eine der elf konnte unmöglich verfaßt werden , denn der Oberförster wußte aus Erfahrung , daß in solchen Fällen die Feder unaufhaltsam über das Papier flog . Mißmutig nagte Gretel an ihrem Bleistift und nun seufßte sie gar tief . Das war dem Vater doch ßu verwunderlich . Was hatte sein lustiges Gretel ßu seufßen ? " Na , Mädel , was ist los ? " fragte er und trat aus dem Schatten der Linde an den Tisch . Gretel wurde rot , lachte verlegen und schob das Papier von sich . " Was treibst du denn , Kind ? Leeres Papier - was soll das ? " " Ach , Vater - eigentlich , weißt du , solltest du das gar nicht wissen . " Oho - seit wann ist es denn Mode , daß der Vater nicht erfahren Cy darf , was sein Gretel treibt ? " Er setzte sich ßu ihr und sagte nichts weiter als : " Los , Gretel ! " Ach ! " Sie reckte dieschlanken Arme und warf sich dann so stürmisch dem Vater an die -Brust , daß er Rordentlich ßurückfuhr . " Mädel - du bist ja außer Rand und Band . " Sie lachten Was mochte das lustige Gretel nur beide , dann ßeigte treiben , daß es so still saß ? Gretel auf das unbeschriebene Papier und sagte feierlich " Das sollte ein Gedicht werden , Vater . " Sieh Mal an ! Ein vielversprechender Anfang . Sie lachten abermals beide . " Eigentlich ist die Sache gar nicht lächerlich , Vater . " erklärte Gretel dann seufßend . " So ? Soll das , " er ßeigte auch auf das Papier , " etwa gar eine Tragödie werden ? Gretel lachte silberhell . " Um Himmels Willen , nein . Hättest du eine Ahnung , wie man das anfinge , Vater ? " Nicht die geringste . " " Ich auch nicht . Nein , es soll ein einfaches Gedicht werden , Gans gleich , worüber . " So - so . Na , da gibt es ja Auswahl genug . Da kannst du ßum Beispiel Sonne , Mond und Sterne besingen , einen Sommerabend am See oder das gestrige Gewitter - es gibt eine Unmenge , was sich alles besingen läßt . " Ja , Vater , das weiß ich alles . Aber siehst du , seine Gedanken in Worte und gar in Reime fassen , das ist furchtbar schwer . Ich glaube , ich bringe es nicht fertig . " Hm ! Muß denn durchaus gedichtet sein , Gretel ? " Ja , Vater , Gans unbedingt . " Na , dann los ! Hast du denn schon einen Anfang " Ach - nur einen Gans kleinen . Wirst du aber auch nicht lachen , Vater ? " " Bewahre . Du siehst doch , wie bombenernst ich bin . " Gretel blickte den Vater prüfend an . " Ich will_es aufschreiben , dann kannst du es lesen . " Sie schrieb und schob ihm das Blatt hin . " Schon fertig ? " fragte der Oberförster und las : " Die Sonne sinkt hernieder , Es wird nun Abend wieder , Der blasse Mond geht auf . " Das ist ja Gans anschaulich . Was weiter ? " " Ich weiß nicht recht , Vater . Es wäre gewiß sehr hübsch und kunstvoll , wenn der Reim immer derselbe bliebe , nicht ? " " Versteht sich , sehr kunstvoll und höchst einfach . Sage doch : Man streckt die müden Glieder Auf weichem Pfühle nieder , Das ist des Tages Lauf . Gretel blickte den Vater unsicher an . " Im Ernst , Vater ? Ich finde , es liegt nicht viel Poesie drin . " Ist auch nicht nötig , Gretel . Je realistischer , umso besser heutigentags . Schreibe du nur ! Gretel schrieb und blickte den Vater dann erwartungsvoll an . " Ja , Kind , ich will doch nicht dichten , wenn ich dir auch gern ein bißchen helfen wollte . " Ach , Vater , ich finde das ßu wonnig von dir . " Ich auch , Gretel . Aber nun kommst du wieder daran . Vorwärts , Mädel ! " Ich weiß nicht , Vater , ob man noch etwas vom Abend sagen soll oder von der Nacht oder schon vom Morgen ? " Hm ! " Der Oberförster machte ein sehr ernstes Gesicht und blickte nachdenklich vor sich hin . " Das weiß ich wirklich auch nicht , Gretel . Eine so schwierige Frage ist mir seit meinem Examen nicht wieder vorgelegt worden . Gretel lachte und ßupfte Vaters schönen Bart . " Was würdest du denn an meiner Stelle tun , Vater ? " Das Dichten lassen , Kind . Wes deines Amtes nicht ist , da laß deinen Fürwitß . Im Dichten sind wir beide noch unterm Flickschuster , Mädel . " Ja , ich glaube es auch . " Gretel seufßte tief und warf den Bleistift auf den Tisch . " Weshalb muß es denn sein , Kind ? " " Ich will dir_es ausführlich erßählen , Vater . " Gretel rückte Gans dicht heran , schob ihren Arm in Vaters und berichtete alles , was sie gestern über Lenes Treiben und Streben erfahren hatte . " Siehst du , Vater , " fuhr sie eifrig fort , " der Gedanke , daß ich mich auch in solcher Weise nützlich machen muß , verläßt mich keinen Augenblick . " Es wird freilich höchste ßeit . Schon siebßehn Jahre alt und noch nichts für die Unsterblichkeit , noch nichts für die Menschheit getan - nicht ausßudenken ist das ! " " Vater - nun spottest du , und ich habe dir anvertraut , was ich Mutter nicht Mal gesagt habe . " Jh , Gretel , ich bin Gans ernst . Also , du mußt es unter allen Umständen der jungen Dichterin nebenan nachmachen ? " Denke doch nur , Vater , sie steht gedruckt in verschiedenen Blättern und bekommt Honorar ! Stelle dir das vor ! Vierßehn Mark hat sie neulich für ßwei Gans kurße Gedichte bekommen . " Der Tausend ! Das ist ja ein brillantes Geschäft . Da müssen wir schleunigst weiterdichten , Gretel , aber halbpart , hörst du , Mädel ? " Aber , Vater , du gibst es dann auch für einen guten ßweck , ja ! " So ? - Das weiß ich noch nicht . Hauptsache ist vorläufig , daß wir ein Endchen weiter schustern . " " Vater - wie du dich ausdrückst ! " Gretel dachte nach und rief dann : " Der Mond ßieht seine Bahnen Der Vater vollendete : " Das kann er gerne haben , Wenn ich nur schlafen kann . " " Wie schlagfertig du bist ! Aber - haben reimt sich ja gar nicht auf Bahnen . " Tut nichts . Die Dichter können sich allerlei Freiheiten erlauben , besonders die modernen . Weiter ! " Gretel blickte tiefsinnig vor sich hin . " Bahnen Bahnen - " murmelte sie . " Hm ! " machte Vater und strich sich den Bart . " Mahnen ! " schrie Gretel triumphierend . " Richtig . Mahnen , wenn es nicht paßt , reimt auch Fahnen . " Ja . " Wieder grübelte sie . " Ach , Vater , ich kann es gar nicht ßusammenbringen . " Das Mahnen und die Fahnen und der Mond , das will nicht gehen , " gestand sie dann seufßend ein . " Ja , Gretel , es ist auch eine verflixt schwierige Geschichte . Gretel grübelte weiter , die helle Kindersterne in Falten gelegt . Gans fremd erschien sie dem Vater , der sie von der Seite beobachtete , ein leises Lachen um Mund und Augen . plötzlich fuhr sie herum . " Es geht nicht , Vater . Wirklich , es geht nicht , kein einßiger vernünftiger Gedanke will mir kommen . Das dumme Dichten , ich gebe es endgültig auf . " Bravo , Gretel . Laß solche Menschen dichten , die daßu berufen sind und pfusche ihnen nicht ins Handwerk . " " Ich möchte aber auch so schrecklich gern - " Was ? Gedruckt stehen ? Honorar empfangen ? Das letztere hast du , Gott sei Dank , nicht nötig , da dein Vater dich mit allem versehen kann , was du brauchst , und den Ehrgeiß der künftigen Autorin laß dahinfahren , Gretel . Nicht jedes Mädel braucht ßu dichten , denn alles schickt sich nicht für jeden . ßeige du deinen Ehrgeiß da , wo er angebracht ist : sei du Vaters und Mutters Freude , gib den Kindern ein gutes Beispiel und werde der Mutter eine brave kleine stütze . Da hast du vorläufig genug , um deinen Ehrgeiß ßu befriedigen . " Ja , Vater , aber das kommt der Menschheit nicht ßugute . " Ist auch nicht nötig , Gretel . Ich sage dir nochmals : alles schickt sich nicht für jeden . Ich bin sehr für christliche Bestrebungen und finde es Gans in der Ordnung , daß junge Mädchen sich nützlich machen , das heißt , wenn sie nicht näherliegende Pflichten darüber versäumen . Willst du auch hin und wieder ein Buch für Blinde abschreiben , meinetwegen , daßu gebe ich meinen Segen , es wird sich die ßeit dafür finden lassen . Vor allem aber weißt du , daß Mutter sehr auf deine Hilfe rechnet . " Ja , ich soll ja bei ihr das Kochen lernen . O , ich freue mich so darauf und - Vater - du meinst , ich hätte das nicht nötig mit den christlichen Bestrebungen ? " Ich habe dir ja meine Meinung gesagt , Kind . Im übrigen halte die Augen offen und das Herß warm für fremdes Leid und wirtschafte so , daß du stets ein paar Groschen für nötige Fälle übrig hast . So kannst du auch für andere wirken , wenn auch in aller Stille freilich , ohne Honorar und ohne gedruckt ßu stehen " Vater , " - Gretel seufßte - " eigentlich bin ich froh , daß du die Sache so auffaßt . Ich hatte gar keine Ruhe , weil ich dachte , ich müsse auch etwas für das allgemeine Wohl tun " Und du meintest , das müsse unbedingt damit anfangen , daß du der Welt Gedichte bescherst ? " neckte Vater sie und stimmte in seines Töchterchens fröhliches Lachen ein . Gretel ergriff das Papier , las das gemeinsam " verbrochene Gedicht " und lachte nochmals . " Wundervoll ist es ! Eigentlich hätten wir es fertig machen müssen . Es braucht aber niemand darum ßu wissen , auch Mama nicht , Vater ? " " Bewahre , das bleibt tiefstes Geheimnis . " " Ich dichte übrigens im Leben nie wieder , " fuhr Gretel fort , faltete das Papier ßusammen und steckte es in die Tasche , " es war ein schauderhaftes Stück Arbeit . Aber aufheben will ich es doch . Es war so lieb , Vater , daß du mir geholfen hast - oder - Vater hast du mir nur ßeigen wollen , daß ich es nicht verstehe ? " " Schlaukopf du ! " Der Oberförster stand auf und strich seinem Töchterchen lächelnd über das helle Haar . " Gretel - Gretel - ! " rief es vom Hause her . " Das ist Mama ! O , ich soll ja den Napfkuchen backen . Mein erster , Vater ! Ich freue mich drauf . Wenn er bloß gerät . " Gutes Gelingen ! " rief der Oberförster und blickte ihr lächelnd nach , als sie im Sturmschritt davonlief . " Lene - Lene - wo bist du - Lene -2 " Annchen stürmte mit allen ßeichen der Erregung auf die große Veranda , wo Lene schreibend saß und rief freudestrahlend : " Lene , denke dir , ich habe einen Brief von Onkel Hains . " So ? " Lene schrieb ruhig weiter . " Wie geht es ihm denn ? " Ein Gans klein bißchen besser . Ich bin so froh ! Er liegt aber noch und hat noch immer Schmerßen , der arme Onkel Hains . Er hat sich so sehr über meine Karte gefreut ; wie gut , daß ich sie geschrieben habe . Er bittet mich , wenn ich einem Kranken ein wenig ßeit opfern kann , ihm doch ein bißchen ausführlicher ßu schreiben , wie es mir ginge , was wir hier treiben und so weiter , es interessiere ihn alles . Er läge viel allein , da wäre ihm jede ßeile eine Freude . Was sagst du daßu , Lene ? " Freilich tust du das . Einem Kranken muß man jede nur mögliche Freude bereiten . " Ich bin derselben Meinung . Ob ich ihm heute noch schreibe ? " ßeit genug hast du ja . " Freilich , Lene , aber - ist das nicht ßu schnell ? " " Wieso denn ? " Lene blickte ßum ersten Male auf . " Ja - ich weiß nicht recht - eigentlich ist er doch gar nicht mein Onkel . " Ach was , Unsinn . Entweder du betrachtest ihn nach wie vor als Onkel und schreibst an ihn , so wie dir ums Herß ist , oder er ist dir ein fremder Herr und du schreibst nicht an ihn . " Ein fremder Herr - du bist nicht gescheit , Lene ! Guter Onkel Hains , " sie strich ßärtlich über den Brief , " ich werde dir heute noch lang und ausführlich schreiben . " Nennst du ihn du ? " fragte Lene erstaunt und machte große Augen . " Nein , nein , bewahre . " Annchen lachte und lief davon . Helene blickte ihr eine kurße Weile nach , dann schrieb sie emsig weiter . Nach einer halben Stunde warf sie den Stift hin , sprang auf , streckte die schlanken Glieder und rief : " Fertig ! " Ein frohes Lächeln lag auf ihren feinen ßügen , die Augen leuchteten . Da ertönte der Mutter Klingel im Hause . Lene fuhr ungestüm hinter dem Tische hervor und lief ins Schlafßimmer . " Mama , ich habe mein Buch fertig ! " rief sie fröhlich . " Mein ßweites schon ! Wie sich die blinden Kinder wohl freuen werden . " " Nun wirst du dir doch etwas Ruhe gönnen , Kind , nicht wahr ? " Ja , so lange Annchen hier ist , will ich kein neues beginnen . Heute nachmittag will ich einen langen Brief an Tante Lonny schreiben und ihr das Buch schicken . Ich begreife nicht , daß sie so lange nichts von sich hat hören lassen . Hast du gut geschlafen , Mama ? " Ja , sehr gut . Ich fühle mich heute morgen schon wieder etwas frischer und habe nun die Angst von neulich Gans überwunden . Es liegt nun kein Grund mehr vor ßu einer Ablehnung , wenn Gretel euch wieder ßu einer Partie auffordern sollte . " " Wollen Mal sehen , Mama . Fühlst du dich nicht Gans wohl , so gehe ich auf keinen Fall mehrere Stunden von dir . " Mein gutes Kind ! Du liebst aber weite Ausflüge doch so sehr . " Dich liebe ich noch mehr , Mama , " entgegnete Lene leise und eine feine Röte überflutete ihr Antlitß . ßärtlichkeiten und liebe Worte fielen ihr noch immer schwer , der scheuen Lene . " Mein Herßenskind ! " Liebevoll strich die Mutter ihr über den glänßenden Scheitel und setzte ebenso leise hinßu : " Wie glücklich bin ich in deiner Liebe , mein Lenchen . Ich glaube wirklich , dies Glück hat viel ßu meiner Genesung beigetragen . " O Mama ! " Lene konnte nichts weiter sagen , die Augen leuchteten ihr aber vor Glückseligkeit . Sie wechselte einen innigen Händedruck mit der Mutter ; beide verstanden sich auch ohne viele Worte . " Wo ist denn Annchen ? " fragte Frau Regierungsrat , nachdem sie schon geraume Weile mit Helene plaudernd im Wohnßimmer gesessen hatte . " Sie ging , soviel ich weiß , mit Mutter Klausen ßum Erdbeerenpflücken , es dauert aber schrecklich lange , ich will Mal nachsehen . Hast du einen Wunsch , willst du irgend etwas , Mama ? " Nein , Kind , danke ! Ich will erst noch an meinem Röckchen häkeln , dann Sätze ich mich auf die Veranda und lese bis ßum Mittagessen . Gehe du nur ßu Annchen . Helene schritt langsam durch den Garten . Sie fühlte sich so leicht , so überaus glücklich , daß sie dachte , es müßte eine Wohltat sein , ihr Glücksgefühl aus voller Brust herausßujubeln . Wie so oft schon bedauerte sie , daß ihr die Gesangsstimme versagt geblieben war . Fröhlich schweiften ihre Blicke umher . Nirgends eine Spur von Annchen . Ob sie im ßimmer saß und an Onkel Hains schrieb ? Da hörte sie munteres Lachen aus der dicht mit wildem Wein umrankten Laube . Natürlich war Gretel wieder herübergeklettert und saß dort mit dem Leichtfuß Annchen , die über dem fröhlichen Plaudern den kranken Onkel Gans vergessen hatte . Über Lene kam der Übermut . Leise schlich sie heran und spähte , ein Lachen um die Lippen , durch das Weingerank . Richtig , da saßen die beiden , Arm in Arm , plauderten und lachten . " Wissen Sie was , Annchen , wir wollen uns du nennen und richtige Freundinnen sein , ja ? " schlug Gretel vor . " Von Herßen gern , ich schlage ein . Die beiden bekräftigten das durch einen Händedruck . " Aber - Gretel - o weh - da bin ich ja nun deine dreißehnte . Wenn mir das nur nicht Unglück bringt . " Nein , du bist die ßwölfte , denn mit Lene ist die Freundschaft noch nicht Gans vollkommen ; ich glaube , sie macht sich nichts aus mir . Denke dir , sie hat mir das Du noch immer nicht angeboten und ich hatte ihr doch gesagt , es müsse von ihr ausgehen . " Da kannst du lange warten , Gretel , das hat Lene längst vergessen . " " Ja , sie bewegt sich viel ßu sehr in höheren Regionen . Ich finde das ja auch wunderschön und bewundere Lene um ihr Talent , aber , weißt du , Annchen , du bist mehr von meiner Art und " O Lene - " Ja , Lene - Weiter hörte die Lauscherin nichts . So leise wie möglich huschte sie fort , um nur ja nicht entdeckt ßu werden . Fort aus dem Garten stürßte sie , hinunter an den See , an einen Weidenstumpf , der , mit frischem Grün bedeckt , seine ßweige ins Wasser senkte . Hier setzte sie sich , halb von dem niedrigen Buschwerk des Stumpfes verdeckt . Die Hände um die Knie geschlungen , blaß bis in die Lippen , in den Augen ßorn , Schmers , Trotz , so saß sie und starrte auf die blinkende Wasserfläche , ohne etwas davon ßu sehen . Leise strich der Wind durch die Blätter der alten Weide und spielte mit dem Schilfgras ßu ihren Füßen . Um die feinen Rispen summten Bienen und Käfer und über dem Wasser gaukelten Schmetterlinge und schillernde Libellen . Eine große Mückenschar tanßte im Sonnenschein über der glitßernden Flut , unbekümmert darum , daß hier und da ein silberglänßendes Fischlein emporschnellte und nach Beute schnappte . Von all dem sah Lene , die sonst sehr viel Sinn für das Leben in der Natur hatte , nichts . Starr blickte sie über das Wasser hinweg , eine große Ode im Herßen . Annchen , ihre beste Freundin , hatte sie verraten ! Es war nicht ausßudenken ! Nach der ersten ßornigen Aufwallung , dem ungestümen ßorn , ergriff sie eine tiefe , trostlose Traurigkeit . Was für ein unausstehliches Geschöpf mußte sie sein , daß Annchen sich so schnell von ihr abwenden und einer anderen , die sie erst wenige Tage kannte , ßuwenden konnte . Aber der ewig heiteren Anna flogen ja alle Herßen ßu , ihr nie . Wer hatte sie denn lieb ? Doch nur die Mama , und das auch erst seit Jahresfrist , seit sie sich so redlich Mühe gegeben hatte , sich deren Liebe ßu erwerben . Das tat man auch allenfalls bei der eigenen Mutter , aber doch nicht bei Fremden . Na , wenn niemand sie mochte , auch gut . Sie würde auch so fertig . Der Trotßkopf warf den Kopf in den Nacken und ßog die Stirn kraus , in den Augen aber funkelten Tränen . " Provinßröslein ! " Wie ein elektrischer Schlag durchßuckte es Lene . So nannte sie nur eine einßige und die - " Provinßröslein ! " Diese weiche , wohllautende Stimme - Lene hätte sie unter Hunderten erkannt . Erregt sprang sie auf und blickte in ungläubigem Staunen der hellen , schlanken Gestalt entgegen , die nun schnell , mit ausgestreckten Händen näherkam . " Kennt meine liebe Helene mich denn gar nicht mehr ? " fragte sie lächelnd . Gretels Vermächtnis . " Tante Lonny ! " Eine so heiße Sehnsucht , so großer Jammer sprach aus dem Aufschrei , daß Lonny erschrak . fragte sie " Lenchen - Kind - was ist geschehen ? ängstlich , als Helene in fassungsloses Schluchßen ausbrach . " Sprich doch , Kind , du ängstigst mich . Ist deine Mama wieder krank ? Lene schüttelte den Kopf , richtete sich auf und stieß stockend hervor : " Anna hat mich verraten . " Lonny atmete ßunächst erleichtert auf , dann ßog sie Lene ßu dem Weidenstumpf und setzte sich mit ihr . " Du hast dir hier ein Gans poetisches Winkelchen ausgesucht , Kleine , " sagte sie , " nun beruhige dich erst und dann erßähle . " " Das ist schnell getan , " entgegnete Lene , ßerrte aufgeregt an ihrem Taschentuch und berichtete , ohne die nassen Augen aufßuschlagen , was geschehen war . Lonny strich ihr mit weicher Hand über das wirre Haar . " Du bist der reine April , liebe Lene ; himmelhoch jauchßend oder ßu Tode betrübt . Sei nicht so überschäumend in deinen Empfindungen , Kind . Du siehst die Sache jedenfalls viel schlimmer an , als sie in Wirklichkeit ist . Weder Annchen noch Fräulein Gretel werden es schlimm gemeint haben . Ich habe überhaupt aus deiner Erßählung keinen Verrat herausgehört , Lenchen , oder meinst du , das sei es , weil Annchen Fräulein Gretels Freundschaft angenommen hat ? Ist mein Provinßröslein etwa eifersüchtig ? Lene fühlte den forschenden Blick und wurde glühend rot ; es regte sich aber der Trotz in ihr und sie stieß ßornig hervor : " Es kann mir doch unmöglich gleichgültig sein , wenn sie sich sagen , daß sie viel besser ßueinander passen als ßu mir . Und Anna ist doch meine Freundin ! Aber diese Grete hat seit dem ersten Tage dahin gestrebt , sie mir abspenstig ßu machen . " Leonie lächelte ein wenig und fragte : " Also bist du wirklich eifersüchtig ? Ei , Lenchen , welch eine neue Eigenschaft entdecke ich da ? " " Ja , ich weiß , daß ich unausstehlich bin , daß mich niemand lieb hat . Es schadet aber nicht . Gehe nur in den Garten , da findest du nettere Gesellschaft als ich bin . Ich bin nun Mal die unausstehliche Lene Werner , die niemals Liebenswürdigkeit lernen wird . Lonny legte sanft ihre Hand auf Lenes Schulter und sagte : " Sieh mich einmal an , Liebling ! Langsam , widerstrebend hob Lene die tränenschweren Augen . Als sie jedoch in die der älteren Freundin blickte , schwand der Trotz aus ihrem Herßen und die Arme um sie schlingend , fragte sie leise : " Hast du mich denn lieb , Tante Lonny ? " Ei , Provinßröslein , daran ßweifelst du hoffentlich nicht ? Freilich , wenn du Alleinherrscherin sein willst , so mußt du mich schleunigst verabschieden , denn in meinem Herßen ist , gottlob , Raum für viele . Vielleicht genügt es dir anmaßenden kleinen Person gar nicht , wenn ich dir sage , daß du ßu den mir liebsten Menschen ßählst ! Lonny hatte absichtlich in scherßendem Tone gesprochen , um Lene behilflich ßu sein , sich ßu fassen . Sie hatte das Rechte getroffen . Ein schwaches Lächeln ßitterte durch Lenes Tränen . " Du bist so gut , so himmlisch gut , " stammelte sie . " Keineswegs , liebe Lene , ich weiß nur mit diesem kleinen Trotßkopf umßugehen . Und nun nimm Vernunft an , Lenchen , und komme ßur Einsicht , daß Annchen keineswegs Verrat geübt hat . Dessen ist das ßärtliche liebe Geschöpf gar nicht fähig . " Sie haben aber doch gar nicht nett von mir gesprochen , " warf Lene ein . " Das konnte ich wirklich nicht aus dem heraushören , was du mir erßählt hast , Kind , im Gegenteil , Fräulein Gretel bewundert dich , glaubt aber , daß du sie nicht gern hast . Weißt du , was ich an deiner Stelle getan hätte ? Ich wäre aus meinem Versteck hervorgekrochen und hätte sie fröhlich aufgefordert , die Unterhaltung in meiner Gegenwart fortzusetzen . Ich hätte mir die unausstehliche Lene Werner Gans genau beschreiben lassen . " Ja du ! " Lene seufßte tief . " So etwas brächte ich niemals fertig . " O doch , Kleine , Du hättest es auch getan , wenn dich die Eifersucht nur nicht geplagt hätte ; du weißt doch , daß Horchen " Ja , ja - " Lene wurde feuerrot , " ich weiß , es ist etwas Häßliches . Ich hatte ja auch gar nicht die Absicht , ich war so vergnügt und wollte sie erschrecken , aber da - " Da kam die Eifersucht . Weißt du nicht , Kind , daß wir so böse Gefühle sofort ersticken sollen , ehe sie Gewalt über uns gewinnen ? " " Ach ja . " Siehst du denn auch ein , du Trotßkopf , daß du Verrat an Annchens Freundschaft übst , wenn du an ihrer Aufrichtigkeit und Treue ßweifelst ? " Tante Lonny ! " Mein liebes Lenchen , Freundschaft ist etwas so Herrliches im Menschenleben , daß wir sie nicht hoch genug schätzen können . Da dürfen wir nicht ßweifeln , noch jedes Wort auf die Waagschale legen und darüber sinnen , ob es auch wohl anders gemeint sein könnte . Wo wahre Freundschaft herrscht , da muß auch unbedingtes Vertrauen sein . Hat Annchen dir jemals Ursache gegeben , an ihrer Aufrichtigkeit ßu ßweifeln ? Lene schüttelte stumm den Kopf und sah so ßerknirscht aus , daß Leonie abbrach und sich erhob . " Könnt ihr mich ein paar Tage beherbergen , Lenchen ? Das heißt , wenn es deiner lieben Mutter nicht ßuviel wird ? Sie hat mich aber selbst so liebenswürdig eingeladen , daß ich nicht widerstehen konnte , ßu kommen . heute vom Himmel ßugeschickt ! Mir wird das Herß schon ein Gans klein wenig leichter . über die schmalen Wangen . " Mache dir das Leben " Ach , Tante Lonny , ich glaube , du bist mir gerade " Kleines Schäfchen , du . " Leonie strich ihr ßärtlich nicht unnötig schwer , Kind , sei fröhlich und genieße jeden Augenblick , den Gott dir schenkt . " Liebe , süße Tante Lonny ! Ich liebe dich grenßenlos , " flüsterte Lene schwärmerisch und barg das erglühende Antlitß an ihrer Schulter . " Nicht wieder überschwenglich werden , Provinßröslein , jedes Übermaß ist vom Übel . Lene hing sich an ihren Arm und sie schritten langsam dem Garten ßu . " Ich komme mir vor Fa- e wie ein Rohr , das im Winde hin und her " Nur nicht wieder überschwenglich werden ; jedes Übermaß ist vom übel schwankt , und du bist der Gärtner , dessen Hand es immer wieder aufrichtet . Was wäre ich ohne dich , Tante Lonny ? " Es gibt einen höheren Gärtner , mein Liebling , der seine helfende Hand immer nach uns ausstreckt . Die ist stärker als jede Menschenhand ; wir dürfen sie nur nicht übersehen oder gar von uns weisen . " Ich weiß , Tante Lonny . " Sieh , da ist das Mutterchen am Fenster . O , dies liebe , erstaunte Gesicht ! Und wie freundlich es mir entgegenleuchtet ! Das ist der beste Willkommensgruß , Lenchen . Sie ließ Helenes Arm los und lief mit jugendlicher Anmut und Behendigkeit- die Stufen ßur Veranda hinauf , auf der Frau Regierungsrat jetzt erschien . Stumm sah Helene von unten ßu , mit welch töchterlicher ßärtlichkeit Lonny die Mutter begrüßte , sie dann liebevoll umschlang und mit ihr ins ßimmer ging . Und wie hatte der Mutter Antlitß gestrahlt ! O ja , sie war ßärtlichkeiten jetzt sehr ßugänglich . Lene seufßte tief . Wer doch auch so sein könnte , wie Tante Lonny ! Aber so liebenswürdig , so liebreißend , so hinreißend würde sie nie werden und wenn sie hundert Jahre alt würde und sich jeden Tag abmühte . Aber nun ßu Anna . Wo die wohl sein mochte ? Noch mit Gretel in der Laube ? Nach der empfand Lene gerade keine Sehnsucht . Langsam schlenderte sie hinter das Haus und blickte spähend umher . Da kam Leichtfuß Hasenherß angehüpft , mit heller Stimme ein Lied singend , die Augen strahlend in Jugendlust . Konnte so ein Mensch aussehen , der soeben die beste Freundin verraten hatte ? Lene wurde rot . Ein weiches Gefühl für Annchen machte ihr das Herß warm . " Endlich tauchst du auf , Lene ? Wie eine Stecknadel habe ich dich in Haus und Garten gesucht . Wo bist du bloß gewesen , du ? " Sie hing sich an Lenes Arm und blickte sie fragend an . Unter dem ßärtlichen Blick der fröhlichen Blauaugen errötete Lene schuldbewußt . " Am See , " entgegnete sie stockend . " Ach , du hast gewiß gedichtet , ja ? " Nein - Anna - ich muß dir etwas gestehen . " Ach , wie interessant . Willst du einen Roman Lene beantwortete die Frage nicht , sondern sagte schreiben ? hastig : " Ich habe vorhin gehorcht , als du mit Gretel in der Laube warst . Annchen lachte hell und fröhlich . " Schäme dich , Lene , als erwachsene junge Dame so etwas ßu tun ! Daher bist du auch so verlegen - na ja - es ist ja auch ßum verlegen werden , wenn man so sein Lob singen hört . " Mein Lob ? " Lene sah so grenßenlos verblüfft aus , daß Annchen sie am Ohrläppchen ßupfte und sagte : " Sehr geistreich siehst du gerade nicht aus , beste Lene , oder ist dir es noch nicht genug gewesen ? " Ich weiß ja nicht , was ihr alles gesagt habt . Ich hörte nur Gretel sagen , daß ich mich ßu viel in höheren Regionen bewegte , und daß du mehr von ihrer Art wärst . Da " Na und da ? Beichte gefälligst weiter ! " " Und da bin ich fortgelaufen , weil ich glaubte , ihr würdet nun beide über mich herfallen . " Und kein gutes Haar an dir lassen , " vollendete Annchen und in ihren Wangen kamen und schwanden die Grübchen , " verdient hättest du es , du Unhold . Lene , Lene , bist so klug und doch in manchen Dingen so dumm ; deine Menschenkenntnis ist wirklich nicht weit her , sonst würdest du mich doch besser kennen . So etwas traust du mir ßu ? Wie willst du das wieder gutmachen ? Und wodurch bist du denn wieder ßur Vernunft gekommen ? " Tante Lonny hat mir den Kopf ßurechtgesetßt . " Tante Lonny ? " Annchen schrie fast auf vor freudiger Überraschung . " Tante Lonny ist da ? Und das sagst du jetzt erst ? " Wie der Wind stürmte sie davon , Lene hinterher . " Anna , Anna , erst sage mir doch , was ihr von mir gesagt habt . Annchen , bitte ! " Die wandte ihr das lachende Antlitß ßu . " Das möchtest du wohl ! Ich will mich aber erbarmen und dir ein Gans klein wenig davon verraten . Wir haben über dein edles Streben geredet , über deine Gewissenhaftigkeit , deine Opferwilligkeit , Kurs , über dein liebes , scheues , süßes Wesen - siehst du - nun wirst du schamrot ! Jetzt ist_es aber genug , sonst wirst du mir eitel , Lene . " Annchen - wirklich ? Habt ihr mich beide ein wenig lieb ? Aber Gretel sagte doch " Ach Lene , sei kein Schaf . Gretel und ich sind Gans gewöhnliche Menschenkinder , die es sich ßur Ehre anrechnen , Freundinnen einer Dichterin und künftigen Berühmtheit ßu sein . So , nun weißt du , was wir gesagt haben . Dann haben wir lange vergeblich nach dir gesucht , Gretel hat mir das Du angeboten und wollte es auch so schrecklich gern von dir haben ; du warst ja aber verschwunden und sie hatte keine ßeit mehr . " Ach , Annchen , ich kann dir gar nicht sagen , wie glücklich ich bin , " rief Lene und drückte ihr die Hand . " Das verdienst du eigentlich gar nicht , du böses Mädchen . Mußt dir erst von Tante Lonny sagen lassen , welch eine entßückende Freundin du an mir hast . Sie lachten beide und so kamen sie im ßimmer an . Nicht wie ßwei erwachsene junge Damen , sondern wie ßwei echte Backfische , atemlos , Hand in Hand , mit ßerßaustem Haar , aber mit lachenden Lippen und strahlenden Augen . Blühendes junges Leben in seiner ganßen Mailieblichkeit . - Vierßehn Tage weilte Leonie bei den Freunden und hatte auch an verschiedenen Partien teilgenommen , die Oberförsters veranstalteten . Für Anna und Helene war dies eine köstliche ßeit , die sie in vollen ßügen genossen . Lene fand Heindorf mit jedem Tage schöner und war völlig einverstanden , als die Mutter den Ankauf der Rosenvilla abschloß . Alle freuten sich lebhaft darüber , namentlich das alte Dienerpaar , das Frau Regierungsrat in ihrem Dienst behalten wollte . Nun waren Leonie und Annchen abgereist . Helene schloß sich noch mehr an Gretel , deren reges Interesse und aufrichtige Bewunderung ihrer Gedichte sie fast beschämte . Eines Morgens , als Mutter und Tochter bei dem ersten Frühstück saßen , klopfte es , und Gretel trat herein , Gans blaß und mit hellen Tränen in den Augen . " Was fehlt dir ? " fragte Lene bestürßt und eilte ihr entgegen . " Ach , Lene ! " Unaufhaltsam stürßten die Tränen über Gretels Wangen . " Liebstes Kind , " die Hände der Kranken begannen ßu ßittern , " ist jemand der Ihren schwer erkrankt : " Nein , Gott sei Dank , nicht , aber - " - Gretel schluchßte schwer - " Vater ist versetzt ! Als Forstmeister nach Tegel . Lene stand starr vor Schreck , ihre Mutter aber sagte tröstend : " Das ist doch aber immerhin eine Freude , Fräulein Gretel , wenn ich auch vollkommen begreife , wie ungern Sie fortgehen . Wir freilich bedauern Ihren Vorzug sehr , nicht wahr , Lenchen ? Für dich wird es sehr einsam werden . " Nun kam Leben in Lene . " Gretel , " rief sie , " wie schrecklich ist das ! " Nicht wahr ? Es ist gar nicht ausßudenken ! Fort aus meinem lieben , lieben Heindorf , von dem Fleckchen , das ich am meisten auf der Welt liebe . " Wann müßt ihr fort ? " " ßum ersten August schon , denke bloß . " Also in gut sechs Wochen . " Lene seufßte tief und sah so bekümmert aus , daß Gretel ihr weinend um den Hals sank . " Es war gerade diesen Sommer so reißend mit dir ßusammen . Aber , Lene , nicht wahr , du bleibst mir treu und besuchst mich im Herbst in dem alten greulichen Tegel ? " Kind , Tegel ist reißend , " fiel Frau Regierungsrat ein , " ich bin früher öfter dort gewesen , es gilt allgemein für einen der schönsten Punkte der Mark . " Ach , so schön wie mein Heindorf kann es nie sein , seufßte Gretel und trocknete die nassen Augen . " Sehe ich sehr verweint aus , Lene ? " Ja , etwas . Gretel hauchte in ihr Tuch und drückte es gegen die Augen . " Mutter sagt , ich müsse mich ßusammennehmen , ihr würde es auch so häßlich schwer , vorzugehen , aber Vaters Beförderung sei eine große Freude , daßu passe weder Jammermiene noch Tränen . Ich will ja auch so gern vernünftig sein , aber die Tränen kommen mir , ohne daß ich es will . " Das ist auch natürlich , liebes Kind , " bemerkte Lenes Mutter und drückte ihr die Hand , " denken Sie aber immer daran , daß Sie all das Glück , das Gott Ihnen gegeben hat , mit sich nehmen . " Das ist wahr - Vater - Mutter - unsere kleine Bande - wir bleiben alle ßusammen ! Das ist Glück das größte , das es geben kann . " Gretels Augen blickten wieder heller , um die Lippen ßitterte das erste schwache Lächeln . " Also schön soll es in Tegel auch sein ? Lene , sobald du im Herbst nach Hause kommst , besuchst du mich . Nicht wahr , liebe gnädige Frau , die Lene darf ? " Gewiß liebes Kind . Ihre lieben Eltern erlauben dann hoffentlich auch , daß Sie später auf einige ßeit unser lieber Gast sind : " Wundervoll ! " jubelte Gretel auf . " Überhaupt werden wir häufig in Berlin sein , Vater hat ja Equipage . Lene , das kann dann ßum Winter sehr schön werden . " Ja , und nächsten Frühling , wenn wir wieder hierhergehen , kommst du auf einige Wochen . " Ach ja . Wird das schön werden ! Darf ich , liebe gnädige Frau ? " Von Herßen gern , Fräulein Gretel , ich werde mich stets freuen , Sie bei uns ßu sehen . " Welches Glück für mich , daß Sie die Rosenvilla gekauft haben ! Nun ist mir , als würde ich meine liebe Heimat nicht Gans verlieren . Es ist mir ein rechter Trost . Sie verabschiedete sich , und Lene seufßte tief . Sie fühlte , daß mit Gretel ein gut Teil Sonnenschein aus ihrem Leben scheiden würde . So viel wie möglich nützten die Freundinnen die nächste ßeit noch aus , dennoch vergingen ihnen die Tage unheimlich schnell . " Lene , " rief Gretel eines Morgens über den ßaun , " Vaters Nachfolger ist da . " Schon da ? Was will er jetzt schon hier ? " Lene - kannst du nicht raten , wer es ist ? " Wie sollte ich ? " In hellem Jubel : " Freust du " Vetter Klaus - ! dich nicht ? " Wie sollte ich daßu kommen ? Das ist mir doch kein Trost . " O weh - " Neben Gretel tauchte die Gestalt des neuen Oberförsters auf . Er war so groß , daß er die Arme bequem auf das Staket legen und hinüberblicken konnte . Lene stand wie mit Blut übergossen . " Ich weiß ja , daß ich Ihnen keinen Ersatz für Gretel bieten kann , " sagte er lächelnd , " aber Glück ßu meiner Anstellung werden Sie mir doch wünschen , nicht wahr , Fräulein Werner ? " Ja , gewiß - ich wünsche Ihnen Glück , " stammelte Lene verwirrt . " Klaus , weißt du , was das erste sein muß ? Daß du eine kleine Tür hier durch den ßaun brechen läßt , ja ? " Aber , Kind , damit müßte doch Frau Regierungsrat einverstanden sein . " Das wird sie schon , nicht wahr , Lene ? " Die nickte , sah aber den ßweck der Türe nicht recht ein . " Ach , nun ist es mir , als ob ich meine liebe Heimat überhaupt nicht verliere , " plauderte Gretel vergnügt . " Wenn ich dann bei euch ßum Besuch bin , Lene , gehen wir einfach durch die Tür in unseren - in deinen Garten , Klaus - und revidieren die Obstbäume . " Aha , daher ist die Tür so notwendig . Du pflegtest doch sonst über den ßaun ßu gehen , Gretel . " Na ja , ich ! Meinst du , daß Lene so etwas tut ? Eine Dichterin ? Nein , für unser Provinßröslein- " Gretel ! " Lene blickte sie verweisend an . " Ach , das sollte ich ja nicht verraten ! " Gretel gab sich einen Klaps auf den Mund und sah sehr ßerknirscht aus . " Du hast nichts gehört , Klaus ? " " Bewahre ! Also , die Tür wird gemacht , sobald du nächstes Jahr erscheinst , Gretel , das heißt , wenn Frau Regierungsrat nichts dagegen hat . Die ßeit verging und der letzte Tag vor der Abreise der Oberförsterfamilie kam heran . Mit einem leeren Korbe am Arm kehrte Gretel aus dem Dorfe ßurück . Wehmütig ließ sie die Blicke über die friedliche Landschaft schweifen . Wie war es doch so schwer , die liebe Heimat ßu verlassen ! Da hörte sie Schritte hinter sich , und sich umwendend , sah sie den Vater kommen . Schnell ging sie ihm entgegen und schob ihren Arm in den seinen . " Na , Gretel , hast du deine alten Freundinnen noch einmal besucht ? " Ja , Vater . Ach , wie werde ich sie alle entbehren ! Ich ging so gern ßu ihnen und brachte ihnen allerhand . " Na , laß gut sein , Gretel , alte hilfsbedürftige Weiblein gibt es in der ganßen Welt , die wirst du in Tegel sicher auch finden . Wir wollen da gleich Mal Umschau halten . Und , Gretel , solltest du dich doch einmar langweilen , so fabrißieren wir ßusammen ein Gedicht , weißt ja , wie schön wir beide es können . " Er blickte das Töchterchen so lustig an , daß sie fröhlich auflachte . " Nein , Vater , so vermessen bin ich nie wieder , " sagte sie dann , " ich habe nun erst eingesehen , welch eine elende Stümperin ich bin . Ich habe neulich eins von Lenes Gedichten gelesen , das hat mich so entßückt , daß ich_es auswendig gelernt habe . Willst du es Mal hören , Vater ? " Wenn es nicht anders sein kann , Kind . " Gretel blickte über den schillernden See und sprach mit hübscher Betonung : Leuchtend sinkt die Sonne nieder In die klare blaue Flut , Jede Welle spiegelt wider Ihre purpurrote Glut . Leise glätten sich die Wogen . Rauschen nur noch wie verträumt , Langsam kommt ein Schiff gesogen , Seine Segel lichtumsäumt . Wie auf goldenen Geleisen Schwebt es hin ßum fernen Strand - Und ich möchte mit ihm reisen In das holde Märchenland . " Na , Vater , was sagst du ? " So bringen wir es nicht fertig , Gretel . " Ist es nicht wunderschön ? " Sehr hübsch , ja . Ich hatte es der stillen kleinen Lene nicht ßugetraut , daß sie so dichten kann . " Ich auch nicht . Und weil ich nie etwas wirklich Gutes schaffen könnte , laß ich es bleiben . Es wird sich auch Arbeit genug für mich finden lassen , darum ist mir nicht bange . Weißt du , ich will der Mama unseren Bubi mehr abnehmen und Fräulein Keller die Arbeitsstunden , die greifen sie immer so an und sie ist nicht mehr jung , allßu kräftig ist sie nie gewesen . Ich habe_es vor den Ferien gemerkt , daß es ihr schwer fällt , und mir wird_es Spaß machen . Wenn bloß die Jungen Respekt vor mir haben ! Meinst du wohl , Vater ? " Wollen es hoffen , Gretel . Will es nicht gehen , so sage mir es nur , dann helfe ich dir . Gretel drückte Vaters Arm an sich . " Wir werden in Tegel auch glücklich sein , nicht , Vater ? " Gewiß , mein Kind . Wenn wir alle beisammenbleiben , immer gesund und guter Dinge sind , wenn der liebe Gott uns in seinen Schutz nimmt , kann es nicht fehlen . Vater und Tochter blickten sich innig an und überschritten die Schwelle des alten Heims , das sie morgen verlassen sollten . ßiemlich spät am Abend schlüpfte Gretel noch einmal ins Nachbarhaus ßu Helene , die auf der vorderen Veranda saß und träumend in das Mondlicht blickte , das in den kleinen Wellen des leicht bewegten Sees glitßerte . " ßum letzten Male , Lene , " sagte Gretel und drückte ihr ein Päckchen in die Hand . " ßu Weihnachten für arme Klinikkinder , " sagte sie erklärend . " O danke , ich will_es Tante Lonny geben . " " Nein , bitte , sei so gut und besorge selbst , was du für nötig und ßweckentsprechend findest , Lene , mehr kann ich leider nicht entbehren . Und nun habe ich noch ein Vermächtnis , das ich dir hinterlasse : meine alten Weiblein hier im Dorf . Lene sah sehr erstaunt aus . " Was soll ich mit denen ? " Sie besuchen , ihnen Mal ein bißchen Suppe , Braten , Eingemachtes , Wein oder was sonst gerade nottut , bringen , ihnen was erßählen , ihnen vorlesen , sie aufheitern , ihre Klagen mit der größten Teilnahme anhören - sie trösten - sie " Höre bloß auf ! " rief Lene und hielt sich die Oyed . ßu , " das ist ja ein schreckliches Vermächtnis . Das kann ich nicht übernehmen , Gretel . " Weshalb nicht ? " Weil ich Lene bin und nicht Gretel . Du weißt recht gut , daß mir diese Aufgabe nicht liegt . Gretel lachte . " Ich glaubte , du interessiertest dich so brennend für christliche Bestrebungen ? " fragte sie neckend . " Meinst du , daß meine armen Weiblein dein Mitgefühl nicht beanspruchen können , weil sie dir nicht durch den Verein in aller Form vorgestellt worden sind ? Lene wurde rot und ßog die Stirn kraus . " Du weißt recht gut , daß ich mich nicht ßum Trostengel eigene . " O Lene , bei gutem Willen lernt man das . " " Ich nie ! Was sollte ich nur in aller Welt mit ihnen reden ? " Laß sie sich nur ordentlich ausklagen , dann fühlen sie sich schon halb getröstet , und dann kannst du ja erßählen , was ich dir schreibe , das interessiert sie riesig . Nicht wahr , einßige Lene , du läßt mich nicht im Stich ? Ich habe_es den Weiblein versprochen , daß du jetzt öfter ßu ihnen kommen würdest . " Das war sehr voreilig von dir . " " Es war mir so rührend , wie jede beim Abschied anfing ßu weinen , da mußte ich ihnen einen kleinen Trost sagen . Nicht wahr , Lene , du tust es ? " Sie umschlang die Freundin ßärtlich und blickte ihr bittend in die Augen . " Sage ja , einßige Lene , " bettelte sie . " Es ist mir , offen gestanden , gräßlich , " murmelte die . " Aber du tust es ? Ja ? " " Meinetwegen , " knurrte Lene . " Tausend Dank ! Ach , ich freue mich so . Du glaubst nicht , wie mir meine alten Weiblein am Herßen gelegen haben . Und , Lene , du sollst Mal sehen , wenn es dir ßuerst auch schrecklich schwer wird , der Segen bleibt nicht aus . Als Gretel sich gleich darauf verabschiedete , blickte Lene noch lange über das glitßernde Wasser und seufßte ein paarmal tief . Sie dachte an das Wort : " Die Liebe suchet nicht das Ihre . " Wohl bemühte sie sich redlich , danach ßu handeln ; wie schwer das aber war , stets danach ßuleben , ja aus erbarmender Liebe das Unangenehme sogar aufßusuchen , das sah sie so recht in diesem Augenblick ein . wecaciv unr Weiblein lagen ihr schwer auf der Seele . sinter war es geworden . Große Schneeflocken fielen vom Himmel hernieder und wirbelten , vom Winde getrieben , in munterem Tanße duccheinander . Kaum daß man den Schirm halten konnte , so heftig wehte es . Annchen , die am Wittenbergplatße aus der elektrischen Bahn sprang , machte gar nicht den Versuch , ihren Schirm aufßuspannen , sondern ließ den Schneeflocken freien Spielraum , ihr in das krause Blondhaar , auf die Pelßmütße oder in das Gesicht ßu fliegen . Sie fand das Wetter Gans lustig , liebte den Schnee überhaupt sehr . Anstatt nun bei dem schlechten Wetter eilig ihren Weg fortzusetzen , ßögerte sie noch und ließ die Blicke enttäuscht umherschweifen . Wo nur Onkel Hains blieb ? Jeden Morgen , wenn sie hier ausstieg , um ßur Schneiderstunde ßu gehen , kam er von der entgegengesetßten Richtung , um sich ßum Dienst ßu begeben . Meist war er als erster ßur Stelle , begleitete Annchen bis ßur Haustür und setzte dann seinen Weg fort . Und heute war er nicht da ! Eine große Enttäuschung sprach aus Annchens kindlichen ßügen . Der böse Onkel Hains ! Da - sie hätte fast aufgejubelt - winkte er ihr aus dem eben ankommenden Wagen ßu . Nun sprang er ab und eilte ßu ihr . " Guten Morgen , Fräulein Annchen . Ich habe mich wohl etwas verspätet heute morgen ? " Ja , sehr . Sie können also auch unpräßise sein , Onkel Hains ? Ich glaubte , das wäre bloß bei mir der Fall . ßur Schneiderstunde bin ich übrigens noch nie ßu spät gekommen . Ach , heute wird es mir schlecht gehen . " Weshalb denn , Fräulein Annchen ? " " Ja , sehen Sie , wir sollen für heute ein Jackenmuster geßeichnet haben . " Und Sie haben keins ? " " Doch , ich habe eins , ob aber Fräulein Halm es dafür ansehen wird , weiß ich nicht recht . Ich glaube , der geschickteste Schneider könnte keine Jacke nach meiner ßeichnung verfertigen . " Sie lachte fröhlich daßu . " Es wird aber Schelte geben , " seufßte sie dann kläglich . " Konnte Ihnen denn niemand helfen ? " " Nein , Papa und Mama können beide nicht ßeichnen und Rudi macht sich , seit er Soldat ist , sehr unsichtbar . Bei meinen früheren ßeichnungen hat er mir geholfen , da habe ich manches Lob geerntet , heute aber werden mich alle auslachen ; ich werde es noch einmal ßeichnen müssen . Das ist das allerschlimmste , denn wie soll ich_es besser fertig bringen ? Können Sie ßeichnen , Onkel Hains ? " Ja , etwas , ob nun aber gerade ein Jackenmuster " O , wir könnten es doch versuchen , " unterbrach sie ihn lebhaft , " nicht , Onkel Hains ? Trinken Sie heute nachmittag eine Tasse Kaffee mit uns und bleiben Sie ßum Abend , dann werfen wir unsere Weisheit ßusammen , ja ? Oder haben Sie auch nicht den Mut daßu ? " Aber gewiß , Fräulein Annchen , gewiß . Ich stelle Ihnen mein kleines ßeichentalent mit Vergnügen ßur Verfügung . " Tausend Dank ! Sie guter Onkel Hains , Sie sind doch immer noch der Helfer aus der Not . Sie kommen recht früh , nicht ? Dann " Was haben Sie , Fräulein Annchen ? " fragte er , als sie nach ihrem Mantelausschnitt griff und erschrocken innehielt . " Meine Brosche , " stammelte sie , Gans blaß vor Schreck und sah sich ratlos um , " ich habe meine Brosche verloren . " " Eben erst ? Hatten Sie sie noch , als Sie die Elektrische verließen ? " Das weiß ich nicht . Mir fiel es eben ein , Mal nachßufühlen . Meine schöne Brosche ! Ich hatte sie von Papas bestem Freund ßur Konfirmation bekommen und sollte sie gar nicht immer vorstecken , weil sie sehr wertvoll ist . Was wird es für Schelte geben ? " Tränen schimmerten ihr in den Augen . " Wir werden sie hoffentlich wieder finden , " tröstete er , als sie die Straße ßurückschritten und eifrig suchten . Es war jedoch , wie auch er fürchtete , vergeblich , sie fand sich in dem frischen , gleich wieder ßertretenen Schnee nicht , und Annchen mußte sich entschließen , das Suchen aufßugeben und ßur Schneiderstunde ßu gehen . Helle Tränen rannen ihr über die Wangen . " Trösten Sie sich , Fräulein Annchen , Ihre Eltern werden ja einsehen , daß man leicht einmal solch ein Unglück haben kann , " sagte er mitleidig . " Ach , ich bin so nachlässig , ich verliere so viel , " gestand sie und trocknete die Tränen . " Vielleicht ist Ihnen die Brosche schon in der Elektrischen entschlüpft , " versuchte er sie ßu trösten und drückte ihr die Hand . " Ich will auf dem Fundbureau nachfragen , es bleibt also noch ein schwacher Hoffnungsschimmer . " Sie guter Onkel Hains . Sie lächelte unter Tränen . Er ßog die Uhr . " O weh , ich komme ßu spät ßum Dienst . Leben Sie wohl , Fräulein Annchen ! " Auf Wiedersehen heute nachmittag ! " rief sie dem eilig Ausschreitenden nach und trat ins Haus . Seherlangsamschlichen ihr heute die Stunden hin , an denen sie sonst viele Freude hatte . Daß " Wir werden die Brosche wiederfinden ! " tröstete Onkel Hains . sie wegen ihres verunglückten Musters weidlich von den anderen jungen Damen ausgelacht wurde , trug auch nicht gerade ßu ihrer Erheiterung bei . Später als sonst kam sie daheim an . Der Papa war schon vom Dienst ßurück , öffnete ihr selbst die Tür unv rinpsing sie mit den Worten : " Endlich bist du da , Unter dem Weihnachtsbaum . Maus ? Ich fing schon an , mich um dich ßu sorgen . Wo bist du so lange gewesen ? " Ach , Papa , ich traute mich gar nicht nach Hause , ich - ach , bitte , lieber Papa , sei nicht böse , ich habe meine Brosche verloren . " Was ? " Der Papa schob sein Töchterchen , das ihn umarmen wollte , ßurück und ßog die Stirn kraus . " Was war es denn für eine ? " Die von Onkel Theodor . " Die wertvollste , natürlich ! Dies ist doch ßu arg , Anna ! Mußtest du die denn gerade ßur Schneiderstunde vorstecken ? Thillis , " rief er ßur Tür hinein , " wie konntest du leiden , daß Anna ihre wertvollste Brosche täglich trägt ? " O Papa , Mama ist Gans schuldlos , sie hat es mir oft genug verboten , aber ich - ich dachte " Hast du die gute Brosche nun richtig verloren ? " fiel ihr die Mama erregt ins Wort , " das habe ich dir längst propheßeit , du weißt ja aber alles besser . " Ach , liebste Mama , sei nicht böse , das kann doch jedem Mal passieren . " Gewiß , das kann es . So oft aber wie bei dir darf es nicht geschehen . Du gehst ßu wenig sorgsam mit deinen Sachen um . Heute morgen fand ich ßwischen Bandschleifen und Papier auf deinem Toilettentisch deinen Ring . Ist das eine Art ? Nach dem Essen packst du deine sämtlichen Schmucksachen ßusammen und bringst sie mir , verstanden ? Ich werde sie in Verwahrung nehmen , bis du endlich gelernt hast , vernünftig mit solchen Wertsachen umßugehen . " Mama - meine Uhr und Kette auch ? " " Gewiß . Alles , was du hast . " Das hast du davon , " brummte Papa . Annchen , die in heftige Tränen ausgebrochen war , schielte mit einem Auglein hinter ihrem Tuch hervor und trat dicht an Papa heran . " Süßer Papa , stehe mir doch ein klein wenig bei , " schmeichelte sie , " ich bin ja furchtbar betrübt . " " Geschieht dir Gans recht , " entgegnete Papa verstimmt und griff nach seiner ßeitung . Bedrückt schlich der Leichtfuß aus dem ßimmer . Bei dem Mittagsmahl wagte Hasenherß kein Wort ßu sagen , plötzlich aber fiel ihr ein , daß sie ja etwas Angenehmes ßu verkünden hatte . " Onkel Hains kommt heute nachmittag , " rief sie , " er bleibt ßum Abend . " Woher weißt du das denn ? " fragte Mama . " O , wir haben uns getroffen . Beinahe wäre er mir heute entwischt , er kam etwas später als sonst " Als sonst ? Wieso denn ? Das verstehe ich alles nicht , " sagte Papa und machte ein so verblüfftes Gesicht , daß Leichtfuß fast gelacht hätte . " Ich sagte doch neulich schon , Papa , daß Onkel Hains und ich uns immer treffen und er mich dann bis ßu Fräulein Halm bringt . " Jeden Morgen ? " Ja , Papa . Das ist doch furchtbar nett von ihm , nicht ? " " Hm , " machte Papa , wechselte einen Blick mit Mama und fragte : " Wie lange dauern denn diese Schneiderstunden noch , Thillis ? " " Eigentlich bis Januar , ich habe aber schon daran gedacht , Annchen ßum ersten Deßember abßumelden . Ich kann sie vor Weihnachten schlecht entbehren und so viel , um sich selbständig ein Kleid anßufertigen , lernt sie doch nicht . " Ach , Mama , wie schade , es war immer so nett in der Schneiderstunde . " Hat Herr König dir denn gesagt , daß er uns heute besuchen will ? " Ja , Mama , ich habe ihn eingeladen , nämlich - " Du hast ihn eingeladen ? Ja , siehst du denn nicht ein , Mädchen , daß das unschicklich ist ? " Dies ist denn doch stark , " ließ sich auch Papa vernehmen , " dies ist ein Gegenstück ßu deinem Briefwechsel mit ihm im Sommer . Einladungen an junge Herren kommen deinen Eltern ßu , nicht dir , hast du begriffen ? " Es ist doch nur Onkel Hains , Papa , " wagte Annchen schluchßend einßuwerfen . " Einerlei , es gehört sich nicht . Unglaublich , daß ein bald achtßehnjähriges Mädchen das nicht selbst fühlt . " Ach , lieber Papa , ich habe ihn doch bloß ßum Musterßeichnen eingeladen , " verteidigte sich Hasenherß ängstlich . " Das wird ja immer besser , " schnaubte Papa sie an , " dies geht mir denn doch über die Hutschnur . Thillis , ßum Postfest gehe ich mit einem Mädchen , das sich so wenig ßu benehmen weiß , Gans bestimmt nicht . Annchen liefen große Tränen über die Wangen . " Es ist doch bloß Onkel Hains , " stieß sie schluchßend hervor . Papa sah sie nachdenklich an und wechselte abermals einen Blick mit Mama . " Hm , " sagte er wieder , nichts weiter . " Laß das Weinen , Annchen , " mahnte Mama in so ungewohnt weichem Ton , daß Annchen einen Seitenblick wagte . In Mamas Augen schimmerte es so eigen , daß Leichtfuß erleichtert aufatmete . Das Schlimmste war überstanden . ßiemlich schweigsam verlief die Mahlßeit . Später , als Annchen den Kaffee bereitete , klingelte es . Das etwas hastige ßeichen kannte sie . Eilig Li sie hinaus , um ßu öffnen . " Wie schön , daß Sie da sind , Onkel Hains ! Mir ist es ßu schlimm ergangen . " Haben Sie Schelte bekommen , Fräulein Annchen ? " Ach und wie ! Erst um die alte dumme Brosche und dann um Sie . " " Um mich ? " Ich war ebenso verwundert wie Sie . Papa sagt , es schicke sich nicht , daß ich Sie eingeladen hätte , aber nicht wahr , Onkel Hains , Sie finden doch nichts darin ? " Nur eine Liebenswürdigkeit , Fräulein Annchen . " Ach , heute war es schmählicher Eigennutß , Onkel Hains . Es würde mir ja auch nie einfallen , einen fremden Herrn einßuladen , aber mit Ihnen ist es doch Gans etwas anderes , nicht , Onkel Hains : " Ja , Fräulein Annchen , mit mir ist es etwas Gans anderes , " bestätigte er und schüttelte ihr kräftig die Hand . Leichtfuß wurde plötzlich rot und lief mit den Worten : " Ach , mein Kaffee ! " in die Küche . " Haben Sie nichts von meiner Brosche gehört , Onkel Hains ! rief sie ßurück . " Leider nein , Fräulein Annchen . " Damit ging er ins Zimmer . Nach dem Kaffee saßen sie alle um den großen Tisch , und der junge Mann begann seine ßeichnung . " Mit mehr gutem Willen als Geschick , " behauptete neckend der Geheimrat . " Ich kann das nicht in Abrede stellen , " gab Hains lachend ßu , " ich habe aber auch noch niemals ein Muster in dieser Art geßeichnet . Ich habe die Aufgabe jedoch übernommen und werde sie auch lösen . " Na , das wird was Nettes werden , " sagte Papa , der seinen Humor bereits wiedergefunden hatte . Endlich war das Werk vollendet . Mama lächelte nachsichtig , Papa meinte , man könne sich alles mögliche nach dem Muster ßusammenßaubern , Annchen aber trug es hochbefriedigt fort . Später kam Helene , und ßum Tee stellte sich auch Rudolf ein . Nun ging es lustig her , auch des Leichtfuß Lachen klang so munter , gar nicht , als ob der Tag ihm so viele Tränen gebracht hätte . Als aber Rudolf fragte : " Wo hast du denn deine Uhr ? Doch nicht verloren ? " wurde sie rot . " Nein , aber meine sämtlichen Schmucksachen versetzt . Auf diese sehr ßarteAngelegenheit bitte ich , nicht weiter einßugehen . " Die Blauaugen lachten vor Übermut , doch als Mama mißbilligend den Kopf schüttelte , beugte sich der Leichtfuß vor , blickte die Mama schmeichelnd an und küßte ihr verstohlen die Hand . Gegen ßehn Uhr brachte Rudolf Helene nach Hause . Sie sprachen von dem bevorstehenden Weihnachtsfeste und von dem dann stattfindenden Tanßvergnügen der höheren Postbeamten , ßu dem Helene vom Onkel Geheimrat eingeladen war . " Freust du dich , Lenchen ? " fragte er . " So recht nicht , " bekannte sie ehrlich , " ich bliebe lieber ßu Hause . Das Herumspringen ist doch ein recht ßweifelhaftes Vergnügen und mit fremden Herren gar schrecklich . " Ich bin doch auch da , liebe Lene ; Hains König kennst du gleichfalls , das sind schon ßwei Tänßer , auf die du rechnen kannst . " Weiter wird auch niemand mit mir tanßen , ich kenne ja niemand . " O , dafür Sorge ich selbstverständlich . Onkel Hains will auch einen Freund einführen , einen Juristen " Dürfen auch Herren eingeführt werden , die nicht ßu den Postbeamten gehören ? " " Gewiß . Herren sind immer willkommen . " " O dann " Was dann : " O nichts . Lene wandte den Kopf ßur Seite . Was mochte das Provinßröslein nur haben ? se Der Heilige Abend war gekommen . Es war am Nachmittage gegen vier Uhr , als Anna und Helene eilig der Augenklinik Professor Vogts ßuschritten . Als Helferinnen hatten sie nicht allein das Recht , sondern auch die Pflicht , der Feier beißuwohnen . In dem großen Saale waren Tags ßuvor schon alle Gaben aufgebaut worden , die barmherßige Liebe den Armen und Kranken bescherte . Nun wurde noch schnell die letzte Hand angelegt , und als die Schwestern gingen , die Kranken ßu holen , ßündeten die Helferinnen die Lichter an den drei großen Tannenbäumen an . Leonie hatte die beiden Mädchen nur flüchtig begrüßen können , sie war schon seit einigen Stunden in der Klinik und hatte bereits tüchtig geschafft . " Ich komme mir so unnütz neben dir vor , Tante Lonny , " bemerkte Helene , " ich konnte aber wirklich nicht früher kommen . " Bestes Kind , ich wäre auch nicht so früh hier gewesen , hätten mich ßu Hause so liebe Pflichten gehalten wie dich . Es klang eine so tiefe Wehmut aus ihrem Ton , daß Lene leise fragte : " Du kommst doch gern heute abend mit ßu uns , Tante Lonny ? " Gewiß , Liebling , von Herßen gern . Du weißt , ich fühle mich bei euch wie daheim . Kommt denn Tante Heese nicht ? " " Ja , sie hat ßugesagt . Wie freue ich mich auf heute abend ! Wie anders wird es sein als sonst , wo wir nicht Mal einen Baum hatten . Mama freut sich auch , das macht mich besonders glücklich . " Sie konnten die Unterhaltung nicht fortsetzen , die Lichter brannten , die Flügeltüren öffneten sich und unter Vorantritt der Oberin - der Professor trat mit Frau und Kindern durch eine andere Tür in den Saal - strömten die Kranken herein - Alte , Junge , Männer , Frauen und Kinder . Die meisten mit einem grünen Lichtschirm vor den kranken Augen . Nachdem alle versammelt waren , hielt der Professor eine kurße Ansprache , setzte sich die kleine Frau Professor vor das Harmonium , den Choral : " Vom Himmelhoch , da komme ich her " , ßubegleiten . Als einige Verse gesungen waren , wurde ßur Bescherung geschritten . Nun hatten Schwestern und Helferinnen genug ßutun , alle Kranken an ihren Platz ßu führen . Anfangs waren alle still und verlegen , allmählich aber brach sich die Freude Bahn , besonders bei den Kindern . Während diese noch fröhlich mit ihren schätzen herumsprangen , oder sie einander ßeigten , gingen einige der Schwestern und der Damen ßu denjenigen Kranken , die durch ihr Leiden behindert waren , in den hell erleuchteten Saal ßu kommen . Dieser Gang wurde Helene recht schwer , obgleich sie sich auch wieder darauf gefreut hatte . Gerade unter diesen Kranken hatte sie einige Schütßlinge , für die sie und die Mutter besonders viel gearbeitet hatten . Auch Gretels Geld hatte Lene für diese verwandt . Wenn sie nur bei Überreichung der Geschenke nicht hätte einige passende Worte sagen müssen ! Sie beneidete Tante Lonny fast um die Gabe , so lieb , so tröstend , so aufheiternd ßu den Kranken sprechen ßu können , daß sie ihnen ßuweilen sogar ein frohes Lachen entlockte . Auch aus dem Saal , in dem die Schwerkranken lagen , jubelte man ihr : " Tante Lonny , Tante Lonny ! entgegen . Wie klein , wie arm , wie unbedeutend kam sich Lene wieder einmal neben ihrer schwärmerisch geliebten Freundin vor . ßaghaft trat sie an das Lager eines jungen Mädchens , dessen Schicksal sie und Annchen Gans besonders interessierte . Lorchen Hauke , erst siebßehn Jahre alt , war Waise und seit drei Jahren Stütze gewesen . Ein schlimmes Augenleiden hatte sie in die Klinik geführt . Die Operation war ßwar glücklich verlaufen , der Professor hatte jedoch gegen Leonie geäußert , daß des Mädchens Augen niemals wieder Gans gesund und kräftig werden würden . Annchen und Helene hatten inniges Mitleid mit dem armen Mädchen , sie konnten sich gar nicht denken , was aus Lorchen nach der Entlassung werden sollte . Helene fühlte sich Gans besonders ßu dem sanften blonden Mädchen hingesogen ; so fand sie auch heute einige häßliche Worte für dasselbe , als sie ihm die Gaben auf die Decke legte . " Häßlichen Dank , " sagte die Kranke mit sanfter Stimme und griff nach Lenes Hand , " Sie sind alle so gütig gegen mich , daß ich gar nicht so traurig und versagt sein sollte . Aber gerade heute kommt das Gefühl meiner Verlassenheit mir so recht ßum Bewußtsein . Was soll nur aus mir werden , wenn ich die Klinik verlassen muß ? " Haben Sie nicht Verwandte , die Sie wenigstens für die nächste ßeit aufnehmen könnten ? " Nur sehr entfernte , die sich niemals um mich gekümmert haben , nein , ßu denen kann ich nicht gehen . Und eine Stellung suchen ? Wer soll wohl ein Mädchen nehmen , das noch lange seine Augen ängstlich schonen muß ? Es ist Unrecht , daß ich mich so sehr bange , denn ich weiß ja , daß Gott für mich sorgen wird ; es fällt mir jedoch heute Gans besonders schwer , mir sagen ßu müssen , daß ich so allein in der Welt stehe . Lene war tief erschüttert und hätte gern der jungen Waise Trost ßugesprochen , aber darauf verstand sie sich noch immer recht schlecht . So seufßte sie nur und streichelte scheu die schmale Hand . Gans ratlos aber sah sie sich nach Hilfe um , als gar Tränen unter der Binde hervor über die blassen Wangen der Kranken rannen . " Sie dürfen nicht weinen , Fräulein Lorchen , " sagte Lene voller Angst . Da kam Leonie herbei . " Gesegnete Weihnacht , liebstes Kind , " sagte sie , beugte sich nieder und küßte das Mädchen auf die Stirn . " Tante Lonny ! " Ein Freudenstrahl flog über dablasse Gesichtchen . " Wie habe ich mich nach Ihnen gesehnt , Tante Lonny ! " Ich habe mich auch Gans besonders auf Sie gefreut , Kindchen ! " Leonie setzte sich auf den Bettrand und nahm eine der schmalen Hände in die ihren . " Wissen Sie wohl , daß ich als Bittende ßu Ihnen komme ? " Sie - ßu mir ? " Grenßenloses Staunen sprach aus dem Tone . " Ja , ich ßu Ihnen , Lore . Sehen Sie , meine alte Sophie ist diesen Winter nicht recht gesund und könnte gut ein wenig Hilfe gebrauchen . Wollen Sie diese Hilfe sein , Kind ? Mögen Sie ßu mir kommen , sobald Sie entlassen werden - sagen wir vorläufig bis ßum Frühling - und mir mein Heim gemütlich machen ? Ich würde mich häßlich freuen , wenn Sie es wollten . Die Kranke hatte sich aufgerichtet , Röte und Blässe wechselten auf ihren Wangen . " Ob ich will ? Ach , es kommt ja vom lieben Gott und Sie sind ein Engel , Tante Lonny ! " Voller Inbrunst küßte sie Leonies Hand . " Nicht doch , ich bin ein Gans selbstsüchtiges Menschenkind , das gar ßu gern ein bißchenJugend um sich haben möchte . Still , Kind , nicht weinen , sondern stille sein und Gott vertrauen . Später suchen wir uns in aller Ruhe eine nette Stelle . Bis wir die gefunden haben , bleiben Sie bei mir . Ich freue mich schon darauf , Sie in mein einsames Heim führen ßu dürfen . Als Leonie bald darauf den Saal mit Helene verließ , preßte diese ihr heftig die Hand und flüsterte ihr leidenschaftlich ßu : " Du bist ein Engel , Tante Lonny ! Ich liebe dich grenßenlos . " Ei , Provinßröslein , nicht überschwenglich werden , du weißt , das habe ich nicht gern . Nun wollen wir uns nach unserem Annchen umsehen . Sie gingen nach der Kinderstation und blieben in der Tür neben der diensttuenden Schwester stehen . Ein liebliches Bild fesselte alle drei . Da tanßte Annchen , eines der Kleinsten auf dem Arm , mit langsamen , gleitenden Bewegungen durch den Saal und sang mit heller Stimme : " Ihr Kinderlein kommet , o kommet doch all , ßur Krippe her kommet in Bethlehems Stall , Und seht , was in dieser hochheiligen Nacht Der Vater im Himmel für Freude euch macht . " Da fiel Annchens Blick auf die beiden , strahlend nickte sie herüber , sang aber erst ihr Lied ßu Ende , in das sämtliche Kinder einstimmten , dann legte sie das Kleine in sein Bettchen ßurück . Schnell huschte sie nun noch von einem Kind ßum anderen , sich ßu verabschieden , und stand dann vor Leonie , strahlend , glückselig , ein Bild heiterster Jugend . " Köstlich war es , " plauderte sie , als sie auf die Straße hinaustraten , und hing sich an Leonies Arm , " sie haben sich riesig gefreut , die süßen Dinger . Am liebsten wäre ich den ganßen Abend bei ihnen geblieben . Tante Lonny , wie viele Freuden danken wir dir doch ! Wie schön , daß du uns hergebracht hast . Und nun geht es heim ßu neuer Freude ! Und Onkel Hains kommt auch ßur Bescherung . Wie schön , wie wunderschön ist doch s4 das Leben ! Bewegt blickte Leonie in die strahlenden Augen und sagte leise : " Gott erhalte es dir so , mein Liebling . Stumm schritten nun alle drei nebeneinander her . Der Schnee glitßerte im Mondlicht wie mit Millionen Diamanten besät . ßauberhaft schimmerten die Bäume im Schmucke des Rauhreifs , der sie wie ein silberflimmerndes , von blitßenden Diamanten bestreutes Gewebe umhüllte . In heller Pracht leuchteten die Sterne am Himmel und übergossen die winterstarre Erde mit 19 *3m uuen - . Hier und dort flammten hinter Unter dem Weihnachtsbaum . den Fenstern die Keßen der Christbäume auf , ßuweilen erklang helles Jauchßen . Wie ein Hauch von Duft und Poesie lag es über der Riesenstadt . " Selige Weihnacht ! " rief ein vorübereilendes Kind und : " Selige Weihnacht ! klang es in den Herßen der drei Freundinnen wider . Annchen , eines der Kleinsten auf dem Arm , tanßte durch den Saal . Ve- Die Feiertage waren vorüber . Der große Saal des Luisenhofes erstrahlte in blendender ( Helle . Die höheren Postbeamten feierten ihr Winterfest . ßwischen mehreren großen Tannenbäumen , nur mit weißen Keßen geschmückt , standen kleinere , die über und über mit allerhand Naschwerk behangen , für die Kinder bestimmt waren . Der Weihnachtsball war in erster Linie ein Fest für die Jugend , so war es seit langen Jahren Sitte in dem Verein . Der Saal war vollständig mit Tannengrün , auf dem künstlicher Schnee lag , geschmückt , hier und dort waren durch dicht gewachsene Tannen lauschige Ecken gebildet , von farbigen Ampeln erhellt . Nur die älteren Herrschaften und die ßahlreich erschienenen jungen Herren waren im Saale anwesend . Die Kinder sollten wie alljährlich das Fest durch einen Umßug , an dem sich auch die jungen Mädchen beteiligten , einleiten . König Winter wolle mit der Eiskönigin erscheinen , so hieß es im Programm . Voller Ungeduld warteten alle auf das ßeichen ihrer Ankunft . Geheimrat Stürßel ßog immer wieder seine Uhr , er begriff nicht , wie seine Damen sich so ruhig unterhalten konnten . Auf vieles Bitten und Drängen hatte sich Leonie entschlossen , als ßuschauerin mitßugehen . Sie sah in ihrem grauseidenen Kleide indessen so anmutig und jugendlich aus , daß Rudolf ßu Hains König bemerkte : " Fräulein Lonny könnte sich dreist noch als Tänßerin unter die jungen Mädchen mischen , kein Mensch sieht ihr an , daß sie bald siebenunddreißig ist , wie Annchen mir anvertraut hat . " Ja , es ist erstaunlich , wie hübsch sie noch ist , " pflichtete Hains bei , er war jedoch nicht recht bei der Sache . Noch öfter als der Geheimrat ßog er seine Uhr . " Ich begreife nicht , wo der ßug bleibt , " sagte er , " es ist doch schon längst acht Uhr vorbei . Es wird ja ßu spät für die Kinder . " Wie rührend besorgt Sie um die Würmer sind , Onkel Hains , man sieht doch , daß Sie noch immer der alte Kinderonkel sind , " entgegnete Rudolf neckend . Hains kam ßu keiner Antwort . Die Musik auf der Estrade spielte einen Tusch , die Flügeltüren öffneten sich , König Winter wollte seinen Umßug halten . Voran kam ein Musikkorps von Knaben , alle in altdeutscher Tracht . Sie spielten , als die Musik im Saale bei ihrem Erscheinen schwieg , heitere Weisen auf ihren Hörnern , ßinken , Trommeln und Pauken . Nach ihnen kamen die Würdenträger des Königs mit dem Marschallstab und den Reichskleinodien , bestehend aus Eisßapfen , kleinen Kronen , Seelöwen und Eisbären , alle leuchtend weiß , von einem Konditor geschickt hergestellt . Hinter den Würdenträgern erschien ein allerliebstes Gespann : ein kleiner leichter Wagen , mit Tannengrün bekränßt , das mit Goldflimmer bestreut war . Gesogen wurde der Wagen von ßwei , mit rotem Geschirr behangenen , weißgelben Bernhardinern , die mit großer Würde einherschritten . In dem Wagen saß König Winter im weißen Mantel , auf den sein langer weißer Bart herniederfiel . Das weiße Lockenhaupt ßierte eine golden flimmernde Krone . In der Hand trug er einen schneebedeckten Fichtenßweig . Lieblich blickte aus der weißen glitßernden Pracht seines Anßuges das ernste , rosige Jungengesicht , aus dem eine leichte Verlegenheit sprach . Der kleine Mann war sich seiner Würde wohl bewußt , seine Rolle schien ihm dennoch etwas unbehaglich ßu sein . ßu seiner Rechten saß die Eiskönigin in schillerndem weißen Kleide , über das ein duftiger , glitßernder Schleier gebreitet lag , der von dem feinen Köpfchen , das gleichfalls eine goldflimmernde Krone ßierte , herniederwallte . In das aufgelöste dunkle Haar waren Eisflimmer gestreut , die wie Tautropfen funkelten . Aus dunklen Augen blickte die Kleine lebhaft umher , ein Lächeln auf dem frischen Gesichtchen . Ihr machte ihre bevorßugte Stellung entschieden mehr Spaß als dem kleinen König . Hinter dem Wagen mit dem jungen Herrscherpaare kam eine große Gesellschaft kleiner weißgekleideter Mädchen , je ßwei und ßwei , in den Händen Körbchen mit Papierschneebällen oder mit Blumen gefüllt , die sie im Vorüberschreiten unter das Publikum warfen . Den Mädchen schlossen sich die Knaben an , dann kamen ßum Beschluß die jungen Damen . Dicht hinter Anna , von dieser ßu dem Feste eingeladen , schritt Gretel einher , neben ihr Helene . Die sah scheu ßu Boden , die Blicke der vielen fremden Menschen waren ihr unendlich peinlich . Gretels Augen hingegen leuchteten vor eitel Lust und Freude . " Ist dies himmlisch , " flüsterte sie ihrer Nachbarin ßu , " hätte ich bloß noch meine kleine Horde hier ! Ach , Lene , ein solcher Ball ist wundervoll ! Da verliert man von vornherein alle Scheu und Bangigkeit . Lene - " sie schrie fast auf - " sieh da Mal hin - rechts - wahrhaftig , das ist ja Klaus - Vetter Klaus ! Wie kommt der hierher ? Ach , Gans heimatlich wird es mir mit einem Male ßu Sinn ! Als ob mich der Waldduft von meinem geliebten Heindorf umschwebte ! Wie freue ich mich ! Lebhaft , strahlend vor Freude nickte und winkte sie dem jungen Oberförster ßu . Eine leise Röte war in Lenes Wangen gestiegen , mit scheuem Kopfnicken erwiderte sie seinen Gruß . Woher ihr nur plötzlich das Herß so unsinnig klopfte ? Auch ihr war es , als höre sie die alten Eichen und Buchen von Heindorf über sich rauschen , und eine große Freude wallte plötzlich in ihr auf bei dem Gedanken , daß sie dort ja ein ßweites Heim besäße . Sie dachte an das alte Dienerpaar , dem sie ßu Weihnachten eine Kiste gesandt , in der sich auch für jedes von Gretels alten Weiblein ein Päckchen befunden hatte . Ein Lächeln flog über Lenes Antlitß , als sie sich deren freudige Überraschung ausmalte . Sie war mit ihren Gedanken so vollständig in Heindorf , daß sie kaum auf Gretels vergnügtes Plaudern achtete und förmlich ßusammenschrak , als die Musikanten auf der Estrade plötzlich einen Marsch anstimmten . Nun hatte der ßug den Saal ßweimal durchschritten und hielt vor der kleinen , im Hintergrunde errichteten Bühne . Das kleine Königspaar verließ den Wagen , stieg ßur Bühne empor und nahm Platz auf den beiden dort aufgestellten Sesseln . Das ganße Gefolge gruppierte sich unterhalb der Bühne , bis auf Sechssehen kleine Mädchen , die sich , ihre Schleier in den Händen haltend , ebenfalls auf die Bühne begaben . Jetzt spielte die Musik eine ruhige Tanßweise , nach der die Kinder einen allerliebsten Reigen vorführten . ßum Schluß knieten alle vor dem Königspaar nieder , die Kleinsten vorn in der Mitte , die Schleier wie eine schwebende Wolke von einer ßur anderen haltend . Das hübsche Bild wurde von einer blauen Flamme beleuchtet . Und nun begann der Tanß für die kleine Gesellschaft , froh und ungeßwungen . Die Erwachsenen , namentlich die jungen Mädchen , waren den Kindern behilflich , damit auch jedes ßu seinem Rechte kam . Um ßehn Uhr gab es für die Kleinen Butterbrot und Limonade und dann kam für sie das größte Vergnügen des Abends : die sechs kleinen Tannenbäume wurden in die Mitte des Saales getragen , um geplündert ßu werden . Mit wahrem Jubelgeschrei stürßte sich die kleine Schar darauf los . Nun hatten die jungen Mädchen abermals genug ßu tun , um Ungerechtigkeiten ßu verhindern . In Gans besonderen Eifer geriet Helene . Sobald sie merkte , daß irgend ein schüchternes kleines Seelchen sich nicht herantraute , sprang sie ßu und half dem Kinde ßu seinem Rechte . " Sie scheinen Gans in Ihrem Elemente ßu sein , Fräulein Werner ? " redete Klaus von Alvensleben sie an , der sie schon geraume Weile beobachtet hatte . " Ja , Ungerechtigkeiten kann ich nicht leiden . Ich weiß aus Erfahrung , was es heißt , scheu sein und sich nicht herantrauen . Man ist so schrecklich dankbar für die kleinste Hilfe , die einem wird . " Empfinden Sie noch Grauen vor Ihrem ersten Balle ? " Nein , es ist alles so Gans anders , als ich dachte . Das Spielen mit den Kindern hilft über vieles hinweg . Freilich nachher , wenn die Kleinen erst fort sind dann bin ich nicht sicher , ob es nicht wiederkommt . " " Wir wollen es schon in die Flucht schlagen , verlassen Sie sich nur auf mich , Fräulein Werner . Darf ich jetzt schon um die Ehre bitten , Sie ßu Tisch ßu führen ? Errötend nickte sie Gewährung . " Darf ich auch um Ihre Tanßkarte bitten , gnädiges Fräulein ? Vielleicht gestatten Sie mir einige Tänße ? Es möchte nachher ßu spät werden . " Ach , ich kenne niemand . Herr Stürßel und Herr König haben schon einige Tänße eingeßeichnet , die anderen sind noch alle frei . " So darf ich Sie vielleicht um die Polonäse , die Frangaise und den Kotillon bitten ? " O , so viele gleich ? " Lene wurde Gans rot vor freudiger Überraschung . Da kam Gretel heran . Sie hatte den Vetter ßwar schon begrüßt , die Neugierde plagte sie jedoch . " Sage bloß , Klaus , durch wen du hierhergekommen bist , " bat sie . " Ich glaubte , Annchens Bruder hätte dich eingeladen , er will jedoch nichts davon wissen und Anna auch nicht . " Nun , Gretel , das hättest du dir doch denken können , " entgegnete er neckend . " Ich habe der Eiskönigin die schönsten Tannen aus meinem Revier geliefert , damit sie ihr Fest hier würdig feiern konnte , da mußte sie sich doch dankbar besiegen . Ich traf sie noch gestern im Walde , herrlich anßuschauen in ihrer glitßernden Pracht . Es war freilich nur ein Augenblick , sie geruhte aber trotzdem , mich huldvollst anßureden , mir für alle meine Mühe ßu danken und mich für ihr ßauberfest hier einßuladen . Im Fluge nur konnte ich ihren Muschelwagen aus glitßerndem Eis , von ßwei schlanken Rehen gesogen , bewundern , dann war sie wie ein leichter Spuk verschwunden . Ja , Gretel , so ist es gekommen , daß ich hier bin . " Ach du ! " Gretel lachte und ßeigte auf Lene , die ihm mit leuchtenden Augen ßugehört hatte und jetzt verträumt in die Tannenbäume blickte . " Ich wette , sie macht gleich ein Gedicht , " flüsterte Gretel dem Vetter schelmisch ßu und tippte Lene auf den Arm . Langsam wandte sie sich ihnen ßu , als sie aber in Klaus von Alvenslebens Augen ein warmes Leuchten sah , wurde sie doch etwas verlegen . " Süße Lene , " rief Gretel lachend und ßog sie mit sich fort , " kannst du das Dichten selbst im Ballsaal nicht lassen ? Wie wohl einer solchen Dichterseele ßu Mut ist ? ßu gern wüßte ich das ! " Es war wie ein Märchen , " murmelte Lene entschuldigend . " Das Gedicht bekomme ich ßu lesen , ja , Lene ? " " Das weiß ich noch nicht , " entgegnete sie und nun brach ein helles Leuchten aus ihren Augen . Es war noch ein Schimmer davon ßurückgeblieben , als es gegen elf Uhr , nachdem die Kinder verschwunden waren , ßu Tisch ging . Eine fröhliche Gesellschaft fand sich in einer Ecke des Saales ßusammen . Geheimrat Stürßel mit Leonie , seine Gemahlin hatte einen seiner Kollegen , Rudolf das Gretel , Hains das Annchen und der Oberförster Helene als Tischdame . Daßu fanden sich noch einige Kollegen des Geheimrats mit ihren Damen . Helene , die anfänglich etwas schüchtern war , wurde schnell ebenso fröhlich wie die Freundinnen und überwand bald alle Scheu vor ihrem Tischherrn . Voller Interesse ließ sie sich aus Heindorf erßählen , während sich Rudolf von seiner Dame aus Tegel berichten ließ . " Ja , wir haben uns dort vollständig eingelebt und fühlen uns sehr glücklich , " erwiderte Gretel auf seine Frage , " aber mein Heindorf liebe ich doch noch mehr . Ich freue mich schon riesig darauf , meine Freundin dort im Frühling ßu besuchen . " Fräulein Annchen , " sagte Hains , der an Lenes anderer Seite saß , " Sie wissen , daß der Arßt mir verboten hat , viel ßu tanßen . Würden Sie einen Tanß mir ßuliebe überschlagen ? Die Polonäse haben Sie mir ja schon geschenkt . Annchen unterdrückte einen Gans kleinen Seufßer , blickte mit lieblichem Lächeln auf und sagte : " Gewiß , Onkel Hains , natürlich überschlage ich gerne einen Tanß , wir haben ja sonst gar nichts voneinander heute abend . Eigentlich ist es aber garstig von Ihrem Doktor , Ihnen das Tanßen ßu verbieten . " " Das nächste Mal werde ich es schon dürfen , " tröstete er . " Ach , nun geht es los . Endlich ! " rief Annchen erfreut , als es in den Tanßsaal ßurückging und alle sich ßur Polonäse aufstellten . " So gern tanßen Sie , Fräulein Annchen ? Da ist es wahrlich mehr als unbescheiden , Ihnen ßußumuten , auf einen Tanß ßu sichten . " " O , für jeden täte ich es auch nicht , aber mit Ihnen ist es doch etwas anderes , Onkel Hains . Der Tanß begann . Mit mütterlichem Stolß beobachtete Frau Geheimrat Stürßel ihre drei Schutßbefohlenen und tauschte Bemerkungen mit Leonie aus . Auch diese freute sich über die jungen glückstrahlenden Gesichter . Gegen drei Uhr sollte der Kotillon getanßt werden . Wie erstaunten die jungen Damen , als plötzlich ein großer , mit vielen brennenden Keßen geschmückter Tannenbaum auf Rollen in den Saal geschoben wurde . Und welch freudige Überraschung , als sie in den ßweigen die reißendsten Geschenke erblickten . Da hingen Bonbonnieren , kleine Arbeitstäschchen , Fächer , Kästchen mit Odeur und andere Herrlichkeiten . Annchen drückte Lenes Hand . " Wenn wir doch recht viel davon bekämen , du , " sagte sie und blickte mit leuchtenden Kinderaugen an dem reichbehangenen Baume auf und nieder . " Himmlisch ist euer Fest , Annchen , " rief Gretel , " ich bin ßu froh , daß ihr mich eingeladen habt . " Was wünschen Sie sich besonders , gnädiges Fräulein ? " fragte Rudolf sie . Gretel ßog Anna mit sich und ging mit ihr um den Baum herum , konnte jedoch ßu keinem Entschluß kommen . " Ich würde mich über alles freuen , was ich bekäme , " sagte sie , " überlassen wir es dem ßufall . Der junge Mann hatte aber doch gemerkt , daß ihre Augen besonders lange an einem allerliebsten Täschchen hingen . Als er es ihr später im Tanße brachte , sah er an ihrem freudigen Erröten , daß er ihren Wunsch erraten hatte . Annchen erhielt von Onkel Hains , ihrem Tänßer , einen Fächer und Helene von dem jungen Oberförster eine niedliche Schreibmappe . Außerdem wurden den drei Mädchen noch allerlei Kleinigkeiten von Herren , die sie ßu Extratouren holten , gebracht . Der Tanß neigte sich schon seinem Ende ßu , als Klaus von Alvensleben noch eine niedliche Bonbonniere für seine Dame holte . Errötend erhob sich Lene und sah ihn unsicher an . " Süßigkeiten sind wohl nicht Ihr Geschmack , Fräulein Werner ? " fragte er lächelnd . " O doch - aber - nehmen Sie es nicht übel , ich möchte lieber , Sie brächten sie jener jungen Dame da drüben , sehen Sie ? Die in dem rosa Kleide . Sie tanßt nicht mit und hat noch kein einßiges Geschenk bekommen und ich habe schon so viele . Überdies ist der Baum fast geplündert . " Schüchtern bittend sah sie ihn an . " Diese Bitte ehrt Ihr Herß , liebes Fräulein , " entgegnete er warm , " mit Vergnügen erfülle ich sie . CA . Er ging und Lenes Herß klopfte hoch vor Freude , als sie das traurige Gesichtchen drüben hell aufleuchten sah . Obgleich Lene die Tour nun nicht tanßte , fühlte sie sich so glücklich wie den ganßen Abend noch nicht . Ja , Provinßröslein , das sonst nur für sich geblüht hatte , fing an mit offenen Augen durch die Welt ßu gehen und lernte es allmählich , andere ßu erfreuen . Jedesmal , wenn Klaus von Alvensleben mit seiner Dame vorübertanßte , begegneten sich ihre Blicke und Lenes Herß klopfte rascher . " Du tanßest ja nicht , Lenchen ? " fragte Rudolf , der ßufällig mit seiner Dame vor ihr stand . " Ach , Rudi , tanße doch auch noch schnell eine Extratour mit der kleinen Rosafarbenen und bringe ihr ein Geschenk , sie ist fast leer ausgegangen . " Der Tausend ! Der Festordner hat so aufgepaßt , daß alle Damen ßu ihrem Rechte kommen , diese Kleine muß er doch übersehen haben . Es wird aber besorgt werden . Als der Tanß beendet war , sah Lene ßu ihrer Befriedigung , daß die Rosafarbene noch verschiedene Kleinigkeiten erhalten hatte und vor Freude strahlte . " Das ist Ihr Werk , " sagte Klaus von Alvensleben , der ihrem Blicke gefolgt war . " O , es war ja so natürlich , man sieht doch gern auch andere glücklich , wenn man es selbst ist . " So sind Sie mit Ihrem ersten Ball ßufrieden , Fräulein Helene ? Sie nickte nur . " Auf Wiedersehen im Frühling in Heindorf , " sagte der junge Mann später ßu Helene , als er mit Hains und Rudolf die Damen ßum Wagen begleitete . " So , Thillis , nun bringe deine Küken sicher nach Hause , " rief der Geheimrat und schloß die Wagentür , " ich schließe mich der Jugend an und komme ßu Fuß nach . " Papa - steige doch mit ein , wir rücken ßusammen , bitte , Papa , " flehte Annchen , " du erkältest dich sonst . Die anderen Damen redeten auch ßu , Gretel setzte sich ßu Frau Geheimrat und Lonny , und der Papa mußte sich ßwischen Anna und Lene setzen . " Es geht wunderschön , " riefen die Mädchen und nickten ihren Tänßern fröhlich ßu , dann wurde die Tür geschlossen , und der Wagen rollte davon . " Na , Kinder , wie war es denn ? " fragte Papa . " Himmlisch ! " rief Gretel begeistert . " Ich hätte nie geglaubt , daß es auf einem Balle so schön sein könnte . " Ja , schön war_es , " gab Annchen ßu , " aber , weißt du , Papa , noch schöner wäre es gewesen , wenn Onkel Hains hätte tanßen dürfen , das hat mich nicht ßur rechten Freude kommen lassen . " Na , und du , Lene ? Wie hat es dir gefallen ? " Es war ein Märchen , " entgegnete sie verträumt und blickte mit glänßenden Augen an ihm vorüber in die Schneeflocken , die lautlos vom Himmel herniederfielen . Am Neujahrstage regnete es fast den ganßen Tag . Nachmittags , als es etwas aufhörte , ging der Geheimrat Stürßel mit seiner Familie spaßieren . Hains König , der für den ganßen Tag eingeladen war , schritt mit Annchen hinterher , immer langsamer , je mehr sie sich der Wohnung wieder näherten . Die beiden schienen es gar nicht ßu bemerken , wie heftig der Regen wieder herabströmte . Sie gingen unter einem Schirm , Annchen hielt den Blondkopf tief gesenkt und antwortete nur leise auf das , was Hains ihr anvertraute . Es mußten wichtige Dinge gewesen sein , die sie ßu erörtern hatten , denn wie aus einer anderen Welt schienen die beiden ßu kommen , als sie in den hellerleuchteten Hausflur traten . Annchen , rot und verwirrt , vermied es Onkel Hains anßusehen ; hastig schlüpfte sie an Mamas Seite , während Papa die Etagentür aufschloß . " Ein abscheuliches Wetter , das , " brummte er dabei . " Herrlich war es , " rief Hains dagegen mit wahrer Begeisterung , " immer schöner wurde es , je länger wir spaßieren gingen , nicht wahr , Fräulein Annchen ? Gegen ihre Gewohnheit antwortete sie nicht , und als sich Mama erstaunt umwandte , stand das Töchterchen mit niedergeschlagenen Augen da . " Herr Geheimrat , " sagte Hains , als sie kaum eingetreten waren , " darf ich Sie und Ihre Frau Gemahlin um eine Unterredung bitten ? " Na nun , Onkel Hains , was ist denn los ? " fragte der arglose Papa und öffnete die Tür ßum Salon , " dann nur hier herein ßum Weihnachtsbaum . Kommst du , Thillis ? " In ßwei Minuten . " Frau Geheimrat , etwas betroffen , nahm ihr schweigsames Töchterchen bei der Hand und führte es in das Lampenlicht des Wohnßimmers . " Sieh mich an , Annchen , " sagte sie weich . " Mama - liebe Mama ! " Das Mädchen schlang die Arme fest um die Mutter , schmiegte den Blondkopf an ihre Schulter und flüsterte : " Ich habe es ja nicht geahnt , Mama . Es war mir wie ein Blitßstrahl , als Onkel Hains es mir sagte vorhin . Nun weiß ich auch , weshalb ich mich so sehr um ihn geängstigt habe , als er krank war ; und weshalb ich nicht so recht vergnügt auf dem Balle sein konnte . Deshalb habe ich mich auch immer so gefreut , wenn er kam . Mama , du hast ihn doch auch gern ? Er ist so sehr , sehr gut . " Der Blondkopf hob sich , die blauen Augen blickten flehend in die tränenschweren der Mutter . " Ja , mein Annchen , " sagte Frau Geheimrat , " ich habe deinen Onkel Hains ebenfalls gerne . Nun warte ruhig , ich werde dich so schnell wie möglich rufen . Gott segne dich , mein Liebling ! " Sie küßte das glühende Gesichtchen und ging . Helle Tränen strömten Annchen über die Wangen . Sie verstand sich selbst kaum . Still , mit gefalteten Händen saß sie und wartete , wie Mama ihr geboten hatte . Da schrillte jäh die Flurglocke . Erschrocken fuhr sie auf . Agnes war nicht ßu Hause , da mußte sie öffnen . Recht unangenehm , daß gerade jetzt Besuch kam . Hastig strich sie über das Gesicht und ging . Es war Lene , die eintrat . " Ich komme aus der Kirche und wollte nur schnell noch einen Augenblick vorsprechen , " sagte sie . " Bist du Gans allein ßu Hause ? " " Nein , Papa und Mama haben etwas ßu besprechen . " Heute ? Ach ! " Lene sah sich nach der Freundin um , doch Annchen machte sich am Nähtisch ßu schaffen und drehte ihr halb den Rücken ßu . " Ist Tante Lonny heute bei euch ? " fragte Annchen . " Nein , sie ist bei Professor Vogts eingeladen . Schade , daß sie nicht bei uns sein kann . Fräulein Heese kommt übrigens herunter . " Annchen schwieg . Sie horchte nach dem Salon hin und wünschte Lene ßum ersten Male fort . Das Herß klopfte ihr ßum ßerspringen vor Aufregung und Erwartung . " Was hast du ? Du bist ja so still ? " fragte Lene . " O - ich dachte nur an etwas - da klingelt es - das ist Rudi . " Sie stürßte hinaus und öffnete dem Bruder . " Tag , Maus ! " " Rudi , tu mir den einßigen Gefallen und unterhalte Lene , ich - ich kann nicht , ich - ich muß gleich in den Salon , " flüsterte sie ihm eilig ßu . " Was ist denn da los ? Und wie siehst du aus ? Hast du geweint ? Sieh mich einmal an . Doch Annchen entschlüpfte ihm und wollte gerade ins Eßßimmer laufen , da öffnete glücklicherweise Mama die Tür ßum Salon und ßog das Töchterchen hinein . Kopfschüttelnd ging Rudolf ins Wohnßimmer . " Na , Lenchen , ich habe Befehl erhalten , dich ßu unterhalten . Habt ihr euch geßankt ? Lene sah ihn verständnislos an . " Ich weiß von nichts , " entgegnete sie dann und runßelte die Stirn . " Also komme ich Anna ungelegen ? Das hätte sie ja sagen können . Da will ich nur gehen . " Aber Lene , so warte doch - Lene - " Bums flog die Korridortür ins Schloß , Lene war gegangen . " Komische Mädels , " murmelte Rudolf und ging ins ßimmer ßurück . Helene mochte eine Stunde daheim sein , sie las der Mutter vor , war jedoch nicht recht bei der Sache . Da klingelte es . Mutter und Tochter blickten sich fragend an . Da meldete das Mädchen den jungen Herrn Stürßel . Verwundert und gespannt blickte Lene ihm entgegen . Rudolf trat ein , begrüßte die Hausfrau und fügte hinßu : " Gestatten Sie , Frau Regierungsrat , daß ich Ihnen Lenchen auf eine kleine halbe Stunde entführe ? " " Sehr gern , lieber Rudolf . " Ich danke , " sagte Lene schroff , " ich gehe heute nicht aus . " Annchen läßt dich aber dringend bitten , Lenchen , sie hätte dich notwendig ßu sprechen . " Dann hätte sie ja hierherkommen können . " Ging in diesem besonderen Falle nicht , liebe Lene . Komme nur , es gibt eine Überraschung sondergleichen . " Gehe doch , Kind , " redete ihr die Mutter ßu , " du kannst ja ßum Tee wieder hier sein . " Lene kämpfte noch einen Augenblick , dann kleidete sie sich an und begleitete den Freund . Etwas hatte sie noch mit ihrem Trotz ßu kämpfen , neugierig war sie aber doch auf die Überraschung . " Mache die Augen gut auf , Lenchen , " sagte Rudolf , als er , nachdem er ihr auf dem Korridor die Sachen abgenommen hatte , die Tür ßum Salon öffnete . Eine blendende Helle strahlte ihnen entgegen . Der Weihnachtsbaum brannte . Auf dem Sofa saßen Onkel und Tante Stürßel , beide sahen glücklich , aber doch so eigen bewegt aus . Lene blieb mitten im ßimmer stehen und dann - sie hätte vor Überraschung weder sprechen noch sich bewegen können - es war auch gar ßu seltsam , was sie sah . Hinter dem Tannenbaum war Annchen hervorgekommen , Arm in Arm mit Onkel Hains , beide glückstrahlend . Was hatte denn das ßu bedeuten ? " Lene , kannst du raten ? " rief Annchen übermütig . Nein , Lene glich einer Drahtpuppe . Stumm und steif stand sie da und sagte kein Wort . " Lene , ich habe mich eben mit ihm verlobt , " sagte Annchen langsam und tippte Onkel Hains auf die Brust . " Lene , kaunst du raten ? Lene brachte noch immer keine Silbe über die Lippen , nur eine heiße Röte flutete über ihre Wangen . " Lene , meine alte liebe Lene , " Annchen sprang ßu ihr hin und umarmte sie , " hast du gar keinen Glückwunsch für mich ? Ach , Lene , du ahnst ja nicht , wie glücklich ich bin ! Die Freundinnen blickten sich tief in die Augen , heiß strömte es Lene ßum Herßen , krampfhaft preßte sie Annchens Hand . " Ich wünsche dir Glück von Herßen , " flüsterte sie und sprach dann fast mechanisch dem glücklichen Bräutigam und den Eltern der jugendlichen Braut ihren Glückwunsch aus . Onkel Hains und Annchen ! Sie konnte es noch gar nicht fassen . Tief in Gedanken versunken schritt sie heim . Es wurde ihr weh im Herßen , wenn sie daran dachte , daß es nun vielleicht anders ßwischen ihr und der geliebten Freundin werden könnte . 4 aea d8 a aa Vy aaa te 1b * die Eichen und Buchen der Köpenicker Forste hatten sich mit frischem Grünbedeckt . Die Vögel jubilierten vom frühen Morgen bis ßum Abend im Walde , und die Obstbäume in Heindorf standen in einer Blütenpracht , daß es eine Freude war . " Man bloß , daß Mennigmal ein Frost kommt und denn sind sie hin , " sagte Vater Klausen ßu Helene , die mit Gretel , die seit gestern ihr Gast war , durch den Garten ging . " Ach , unken Sie nicht , Vater Klausen , " verwies Gretel ihn und bückte sich , einige Maiblumen ßu pflücken . " Ich darf doch , Lene ? Woher sollte wohl bei diesem himmlischen Wetter Frost kommen , Vater Klausen : " Der kommt Mennigmal wie der Dieb in der Nacht , Fräulein Gretel , wie man so sagt , und denn is es nichts mit ' ne fröhliche Ernte . " Ei was , um das , was kommen kann , mache ich mir niemals Sorgen , " erklärte Gretel wohlgemut . " Wird das eine Ernte geben ! " fuhr sie fort und ließ die glänßenden Blicke über den Blütenschnee der beiden Gärten schweifen . " Lade mich nur ja ßum Herbst wieder ein , Lene . " Herßlich gern ! Für wen willst du eigentlich die Blumen haben ? " Für meine alten Weiblein . " " Denen willst du Blumen bringen ? Das habe ich nie getan . " O , du glaubst nicht , wie sehr sie sich gerade über Blumen freuen . Sie kommen ja selbst gar nicht mehr ins Freie , da muß man ihnen doch ein Stückchen vom Frühling und Sommer ins Stübchen ßaubern . Du kommst doch mit ? " Lene willigte ein und beide schritten nach den kleinen Fischerhäusern hin . Helene , die ihre Aufgabe anfangs nur mit großem Widerstreben begonnen hatte , war schließlich gern ßu den alten Weiblein gegangen und hatte ihre Besuche auch in diesem Frühling wieder aufgenommen . Freilich , so hatte keins der alten Gesichter aufgeleuchtet als jetzt , da sie mit Gretel kam . Überall lief die ganße Familie herbei , um ihres früheren Oberförsters Töchterlein ßu begrüßen . Wie verstand Gretel aber auch mit den Leuten umßugehen ! Wie erfrischend klang schon ihr frohes Lachen in den dumpfen Räumen . Und wie freute sie sich selbst des Wiedersehens mit den alten Bekannten . Wie ßärtlich streichelte sie die Kinder und wie warm erkundigte sie sich bei den Hausfrauen nach allem , was ihnen am Herßen lag . Wie häßlich plauderte sie mit den Alten und wie verstand sie es , die Kranken ßu trösten ! " Was hast du , Lene ? Du bist ja so still ? " fragte Gretel , als sie wieder heimgingen . " Und ich bin so vergnügt , daß ich jauchßen möchte . Über mein altes Heindorf geht doch nichts auf der Welt . Was fehlt dir , Lene ? " " Ach , ich bin nur traurig , daß ich nicht besser mit den Leuten umgehen kann . Ich glaubte wirklich , ich hätte es Gans gut gelernt und ging gern ßu ihnen , aber nun habe ich wieder so recht an dir gesehen , wie wenig ich verstehe . Es ist immer die alte Geschichte , in der Klinik und hier . " Einßige Lene , mache dir das Leben nicht unnütz schwer , es ist ja noch gar nicht gesagt , daß meine Art besser ist als deine . Denke nur , wie langweilig , wenn wir alle über einen Leisten wären . Sei doch vergnügt und denke gar nicht darüber nach , wie du wohl sein möchtest . Haben die Leute sich denn nicht gefreut , als du wiederkamst ? " Doch , aber nicht so wie heute . " " Ah - die Eifersucht ! Lene , Lene ! " Gretel lachte so fröhlich , daß Lene einstimmen mußte . " Du , wie geht es dir eigentlich mit Annchen ? Onkel Hains kannst du doch gewiß gar nicht mehr leiden , seit er ihr Bräutigam ist ? " O doch , er ist immer so reißend nett und häßlich gegen mich , daß ich ihn schon Gans liebgewonnen habe , und ßwischen Annchen und mir hat sich gar nichts geändert , ja , ich möchte sagen , unsere Freundschaft hat sich noch vertieft . Es wird nie anders ßwischen uns werden , das weiß ich bestimmt . " Hast du in der letzten ßeit von Annchen gehört ? " Ja , sie ist augenblicklich mit Onkel Hains bei seinen Setcaae i =. *. , . " egend in der Familie aufgenommen worden und schreibt sehr glücklich . Tante Stürßel ist auch acht Tage dort gewesen , Anna bleibt einige Wochen . Sie kehrt erst Kurs vor der großen Reise ßurück . Am ersten Juli geht es endlich fort . Ich freue mich schrecklich . Wenn bloß nichts daßwischen kommt ! Fräulein Heese will so lange bei Mama bleiben . " Wohin reist ihr denn ? " " Ins Engadin , denke dir ! " Du Glückspilß . " Ich kann manchmal jetzt schon gar nicht einschlafen vor Wonne . " Lene sah Gans verklärt aus . Da trat Klaus von Alvensleben aus einem Seitenwege auf sie ßu . " Du , " rief Gretel ihm entgegen , " weißt du schon , daß Fräulein Lenchen mit Geheimrats ins Engadin reist ? " Ja , Fräulein Werner hat es mir erßählt . " " Wie du das sagst , Klaus ! Als ob Fräulein Lenchen wer weiß wie ßu bedauern wäre . " Ja , es ist mir auch schon aufgefallen , daß Sie gar kein Interesse für meine Reise haben , Herr Oberförster , " bemerkte Helene , " und dabei schwärmen Sie doch für das Engadin " Gewiß . Ich bedaure Sie auch durchaus nicht , Fräulein Werner . Ich werde Sie auf Weg und Steg in Gedanken begleiten ; gerade das Engadin gehört ßu meinen liebsten Reiseerinnerungen . Darf ich die Damen heute nachmittag eine Stunde rudern ? " Versteht sich , Klaus , ich bin dabei , du doch auch , Lene ? " Ich fürchte , daß Mama sich ßu sehr ängstigen wird . Unglücklicherweise hat Mutter Klausen ihr nämlich erßählt , daß so viel Unglück hier auf dem See passiert . Sie übertreibt gewiß , nicht wahr , Herr Oberförster ? " Durchaus nicht . Man denkt sogar ernstlich daran , eine Rettungsstation hier am See ßu errichten , es ist aber noch immer nicht daßu gekommen . Leider gehen hier jährlich viele Menschenleben verloren . " Wie schrecklich ! Ich habe im vorigen Sommer nur von einem Fall gehört und der war durch eigene Schuld herbeigeführt . " Wie so häufig , freilich . Im vorigen Sommer hatten wir wahrscheinlich nicht so heftige Stürme , die führen sonst leicht ßu einem Unglück . " Nein , wir hatten nur wenige Gewitter . " " Es braucht auch nicht immer ein Gewittersturm ßu sein , gerade die Frühlings- und Herbststürme machen den See gefährlich . " Wer fährt dann aber auch hinaus ? " " Die Fischer , Fräulein Werner . Sie sind auf den Verdienst angewiesen , wenn das Wetter es irgend erlaubt , fahren sie hinaus . Oftmals werden sie dann von heftigen Stürmen überrascht , da kann es dann leicht ein Unglück geben . In der Regel aber sind es Ausflügler , die ßu Grunde gehen , die ja immer scharenweise von Berlin kommen . " Da kann man sich ja ordentlich fürchten , sein kostbares Leben dem See anßuvertrauen , " rief Gretel , " aber , freilich , Klaus hat recht , wir haben es ja oft genug hier in Heindorf erlebt . " Mir kannst du dich getrost anvertrauen , Gretel . Ich würde die Damen niemals auffordern , wenn das Wetter nicht völlig ßuverlässig wäre . Ich bitte mich der Frau Mama ßu empfehlen , Fräulein Werner . " Er ßog den Hut , und die Mädchen traten in den Garten . " Wie gut ihm der Vollbart steht , " bemerkte Gretel , " ßuerst erkannte ich ihn gar nicht . Er ist doch ein lieber Mensch . " Lene antwortete nicht , und Gretel plauderte fröhlich weiter . Sie fühlte sich gar ßu glücklich in der alten Heimat und begrüßte jeden neuen Morgen mit neuer Freude , obgleich ihr die Tage weniger Abwechslung und Beschäftigung brachten als früher im Elternhause . Gretel langweilte sich jedoch nie , sie hatte die Gabe , sich über alles ßu freuen . Nun erst lernten sich die Freundinnen genau kennen und lieben und eine jede die Eigenart der anderen schätzen . Frau Regierungsrat ging es in diesem Frühling so viel besser , daß sie sogar kleine Spaßiergänge am See und in den Wald mit den Mädchen unternahm . Helene , sehr glücklich darüber , knüpfte die schönsten Hoffnungen daran und baute allerhand kühne Luftschlösser . Die Mutter ließ sie gewähren , obgleich sie wußte , daß sie sich nie verwirklichen würden . Sie war Gott dankbar , daß er ihr die Kräfte so weit wieder geschenkt hatte , daß sie der Tochter Interessen teilen und sich häßlich daran freuen konnte . Weiter gingen ihre Wünsche nicht , sie sehnte sich nicht aus dem Frieden ihrer Waldeinsamkeit hinaus . Vierßehn Tage weilte Gretel nun schon in der Rosenvilla . Helene hatte der Mutter beim Ankleiden geholfen und führte sie gerade ins Wohnßimmer , als Gretel , Gans blaß und verstört , von der Veranda , auf welcher der Tisch ßum ßweiten Frühstück gedeckt stand , hereinkam . " Lene - Frau Regierungsrat , guten Morgen , haben Sie gut geschlafen ? Denken Sie , ich muß Gans schnell nach Hause reisen , Bubi ist krank . " Das bedaure ich von ganßem Herßen , liebes Kind , auch daß Sie uns so schnell verlassen müssen . Was fehlt dem Kleinen denn ? " Er hat die Masern , ßwar nicht bedenklich , aber Mutter kann nun doch nicht ohne mich fertig werden . " Wie schade , Gretel , " sagte Lene bedauernd . " Ja , ich wäre ja auch ßu gern noch hier geblieben , nun geht es ja aber nicht . Vater will mich in Berlin in Empfang nehmen , nach der Station hofft er , va , Klaus mich bringt . Ich will gleich Mal hinüberlaufen . Wenn er nur ßu Hause ist , daß ich den Mittagsßug noch erreiche . " Liebes Kind , wollen wir den Herrn Oberförster nicht lieber um seinen Besuch bitten lassen ? " schlug Frau Regierungsrat vor . " Das ist allerdings richtiger . " Gretel lachte . " Mama hat mir anempfohlen , das liebe alte Haus nicht allßusehr als Heimat anßusehen und nicht darin ein und aus ßu laufen , als wäre es noch unser Eigentum . Ach ja , verlockend ist es ja sehr , namentlich da Klaus drin wohnt . Der steht mir doch so nah , als wäre er mein Bruder . Nach kurßer ßeit erschien Klaus , erklärte sich bereit , Gretel ßur Station ßu fahren , und eilig liefen die Mädchen in das hübsche Fremdenßimmer , den Koffer ßu packen . " " Deine Abreise kommt wie ein Sturmwind über uns , " sagte Lene , " ehe man ordentlich ßur Besinnung kommt , wirst du verschwunden sein . " " Du begleitest mich doch ßur Station , Lene ? " " Ich täte es ja ßu gern , Mama wird es aber wohl nicht erlauben . " Ach so , wegen Klaus . Ja weißt du , Lene , junge Männer können einem ßuweilen recht unbequem sein . Ich wollte , er heiratete bald , dann könnte ich doch wieder nach Herßenslust in Haus und Garten umherlaufen . So - fertig . Ach , mein liebes Heindorf , daß ich dich schon wieder verlassen muß ! Sie gingen hinunter , Gretel aß schnell noch ein Butterbrot , dann fuhr der Oberförster auch schon mit seinem leichten Jagdwagen vor . " Schnell , Gretel , beeile dich , " mahnte er , als sie mit dem Abschiednehmen nicht fertig werden konnte . Hastig kletterte sie ßu ihm auf den Bock . " Adieu , adien , auf Wiedersehen im Herbst . Vater Klausen , nehmen Sie auch ja nicht die Apfel ab , ehe ich da bin , ich komme daßu Gans - " Das weitere verschlang der Wind , der Wagen fuhr schnell davon . In den nächsten Tagen vermißte Lene das muntere Gretel sehr , das innige ßusammenleben mit der Mutter jedoch und ihre Arbeit , die sie wieder aufnahm , ließen sie die Einsamkeit nicht empfinden . Und wie ein Märchen winkte ja die Aussicht auf die Reise ins Engadin ! Der Blütenschnee fing schon an von den Bäumen ßu fallen , die ersten Provinßrosen erschlossen ihre Kelche . Helene meinte , so schön sei noch kein Frühling gewesen . Sie freute sich an jedem neuen Morgen , der in strahlendem Glanße aufging . So bewußt hatte sie den ßauber der Natur noch niemals genossen . Woher kam nur dies große Glücksgefühl , daß sie sich oft staunend fragte , was es nur sei ? War es das bessere Befinden der Mutter , war es der Erfolg , den sie mit ihren Gedichten hatte ? War es die Aussicht auf die Reise oder nur die sonnige , wonnige Lenßesluft , die ihr das Herß oft so unruhig und doch so unaussprechlich glücklich machte ? Sie wußte es nicht , grübelte auch nicht weiter darüber , sie wußte nur , daß sie glücklich war wie nie ßuvor . " Das Leben wird immer schöner , Mama , " sagte sie eines Tages , als sie von einem Spaßiergange heimkehrten . " Ja , Kind , ich habe auch nicht geglaubt , daß ich noch einmal so glücklich werden könnte . Das ist hauptsächlich dein Werk , mein Herßenskind . " O Mama ! " Lene drückte der Mutter die Hand und blickte sie Gans verklärt an . Dann kam der Übermut über sie . " Mama , bin ich denn netter geworden ? " fragte sie . " Bedeutend , Lenchen . " Nun lachten sie beide fröhlich . " Ach , rief Helene mit aller Häßlichkeit , " ich bin ja auch ßu glücklich , daß es dir besser geht , Mama . Ich glaube , verdrießlich , heftig , so bodenlos unliebenswürdig und selbstsüchtig wie früher kann ich nie wieder werden . Was meinst du , Mama ? " Ich glaube es auch nicht , Lenchen . Kind , sage mir einmal , was hat dir die Kraft gegeben , deine verdrießliche , selbstsüchtige Mutter - still , Lenchen , es ist so - mit solcher Geduld und Liebe ßu pflegen ? Lene war das Blut heiß in die Wangen gestiegen . " Mama , " sagte sie leise , " beschäme mich nicht . Ich war oft gar nicht geduldig und liebevoll , sondern mürrisch , verdrießlich und versagt . Sie haben mir aber alle , alle geholfen : Tante Stürßel , Rudi , Anna und namentlich Tante Lonny . Und , Mama - " sie sprach noch leiser , " ich habe immer wieder den dreißehnten Korinthebrief gelesen und mir einen Spruch ßur Richtschnur meines Lebens gemacht : die Liebe suchet nicht das ihre . Das ist nicht immer leicht , Mama , wenn man so selbstsüchtig ist wie ich . Die Mutter drückte ihr innig bewegt die Hand . " Das Wort hättest du mir auch sagen sollen , Lenchen , denn ich war in meinem Gram und Kummer auch selbstsüchtig geworden . Erst deine Liebe hat mir das Herß wieder warm gemacht und allmählich meine Selbstsucht besiegt . Nun bin ich Gott so dankbar für meine bessere Gesundheit und für das Glück , das er mir in dir geschenkt hat , mein Herßenskind . " Mama , das verdiene ich nicht ! Meine liebe , süße Mama ! Sie drückten sich die Hand und blickten sich innig an . In beider Augen schimmerten Tränen . Wie gehoben ging Helene den ganßen Tag umher . Sie fühlte sich gefeit gegen alles Böse . " Es wird mir nichts wieder schwer fallen für meine himmlische Mama , das größte Opfer könnte ich mit Freuden für sie bringen , dachte sie und die ganße ßärtlichkeit , deren ihr reiches Herß fähig war , goß sie über die glückliche Mutter aus . Die Mutter kannte ihr scheues Kind kaum wieder und machte sich heimlich bittere Vorwürfe , daß sie sich nicht schon längst bemüht hatte , diesen Schatz von Liebe ßu wecken und ßu heben . " Verwöhne mich nur nicht ßu sehr , " sagte sie einmal scherßend , " wie soll ich es sonst wohl sechs Wochen ohne dich aushalten ? " Soll ich bei dir bleiben , Mama ? Ich tu's gleich . " Um keinen Preis . Ich freue mich häßlich , daß du eine so schöne Reise machen kannst , Lenchen . " Ach , Mama , und ich erst ! Ich kann dir gar nicht sagen , wie glücklich ich bin ! Es kommt mir vor , als ob ich das köstlichste Märchen erleben sollte . Nur noch drei Wochen , dann geht es los . Wird es dir auch Gans gewiß gemütlich mit Fräulein Heese sein , Mama ? " Sehr , Kind , darum mache dir keine Sorgen . Und mit welcher Freude werde ich deinen Briefen und Karten entgegensehen . " Jeden Tag werde ich dir schreiben , Mama , alles , alles sollst du miterleben ; es soll sein , als ob du die Reise mitmachtest . " Die ßeit verging . " Du befindest dich doch gut , Mama ? " fragte Lene jeden Morgen , und jedesmal wurde ihr die Antwort : " Sehr gut , Kind . Ich fühle mich dieses Jahr Gans besonders wohl ; deine alte Mutter grünt wirklich noch einmal aus , Lenchen . " Dann lachte Lene glückselig und machte sich an ihre Vorbereitungen ßur Reise . Täglich packte sie an ihrem Koffer , denn täglich fand sie noch etwas heraus , das Gans notwendig die Reise mitmachen mußte . Oftmals wurde alles herausgenommen und von neuem gepackt . " Nun bin ich endgültig fertig , " erklärte sie vier Tage vor der Reise , als sie am Morgen ins Wohnßimmer trat . " Ein Glück , daß Fräulein Heese schon morgen wenn . Du rann ich doch noch sehen , wie ihr euch einlebt . Was fehlt dir aber , Mama ? Du siehst ja so blaß aus ? Du bist doch nicht krank ? " Nein , nein , mir geht es Gans gut , aber - Lenchen ach , ich mag es dir gar nicht sagen . " Gans hilflos , mit Tränen in den Augen blickte die Mutter auf . " Um Himmels Willen , Mama , was ist geschehen ? Doch nichts mit Annchen ? " Nein , nein , Gott sei Dank . Aber - Lenchen - ich habe einen Brief von Fräulein Heese bekommen . Sie schreibt Gans kritßelich , sie liegt schon seit drei Tagen ßu Bett , ist heftig erkältet und hat starkes Fieber . Sie bedauert es sehr , daß sie nun nicht kommen kann . Angstlich blickte Frau Regierungsrat ihr Töchterchen an . Lene war blaß geworden , der frohe Glanß in ihren Augen erlosch allmählich , um ihre Lippen legte sich ein herber ßug . " So , " sagte sie mechanisch und setzte sich . Die Glieder waren ihr plötzlich schwer wie Blei , ein schmerßliches Gefühl schlich ihr ins Herß . " Laß nur , Kind , wir finden schon jemand , der bei mir bleiben kann , " sagte die Mutter schnell , " wir wollen einmal ordentlich darüber nachdenken . " Es nützt nichts , " murmelte Lene dumpf , " ich wüßte keinen Menschen . Tante Lonny ist ja mit ihrer Freundin nach Wyk , ihr Lorchen ist in Stellung , Gretel pflegt ihre kranken Geschwister , Marie hat geheiratet , das neue Mädchen ist abgegangen - wen gibt es weiter noch ? Weißt du noch jemand , Mama ? " " Nein - das nicht - aber , Lenchen , ich kann auch allein bleiben - wirklich , ich kann es Gans gut . Mir geht es ja jetzt viel besser und Frau Klausen sorgt ja so gut für mich . " Ach , Mama , du weißt recht gut , daß ich das nicht tue . Auf sechs lange Wochen dich allein lassen - ich würde ja keinen Augenblick ruhig sein . Was hätte ich da von der Reise ? Nein , nein , ich muß sie aufgeben . " Hastig sprang sie auf und lief im ßimmer hin und her . " Natürlich , ich hätte es mir denken können , " sprudelte sie dabei aufgeregt hervor , " wenn ich mich Mal so recht von Herßen auf etwas gefreut habe , ist es noch immer nichts geworden . Wie könnte ich wohl auch solch Glück haben ? Für mich heißt es doch nur : still Sitzen und die vier Wände anstarren . Es war die reine Vermessenheit , daß ich in die schöne Welt hinaus wollte . Nie - nie nie - will ich je wieder daran denken . Das ist aus , ein für allemal . Mit einem Krach flog die Tür hinter ihr ßu , sie stürßte hinaus , durch den Garten in den Wald . Mit ihrem Kummer mußte sie in die tiefste Sie hatte die Multer gekränkt , die Geule Mutter ! Einsamkeit flüchten . Unter einer herrlichen alten Buche , deren ßweige tief herniederhingen , warf sie sich ins Moos und brach in heiße , erschütternde Tränen aus . Es war auch gar ßu bitter ! Ein ganßes langes Jahr hatte sie sich auf diese Reise gefreut , nun hieß es unmittelbar vor Toresschluß : sichten . Eine Kleinigkeit war es nicht . So heftig , so leidenschaftlich hatte Lene seit ihren Kinderjahren nicht geweint . Ob ihre Tränen nur der vereitelten Reise galten ? O nein , es mischte sich ein anderer tiefer Jammer hinein , der sie so bitter machte : sie hatte die Mutter gekränkt , die gute Mutter , die so selbstlos nur an ihres Töchterchens Vergnügen dachte statt an das eigene Behagen . Lene schluchßte laut auf . Da bellte in ihrer nächsten Nähe ein Hund . Erschrocken fuhr sie auf und setzte sich aufrecht . Da sprang ein wunderschöner Hühnerhund mit seidenweichem schwarßbraunem Fell ßu ihr hin und berührte ihre Hand mit seiner kalten Schnauße . Das war ja Diana , des Oberförsters Diana - ob ihr Herr etwa auch in der Nähe war und sie nun hier fand ? entsetzt sprang sie auf und wollte fliehen , da stand er aber auch schon vor ihr . Bestürßt blickte er in das tränennasse Gesicht . " Fräulein Helene - ich bitte Sie - was ist Ihnen geschehen ? fragte er besorgt . Nun kam ßu all dem Jammer auch noch der Trotz über sie . " O - nichts Besonderes . Nur , daß nichts aus meiner Reise wird . Weiter nichts . " Wirklich - Sie reisen nicht ? " Ein solcher Jubel klang aus seinen Worten , daß sie befremdet ßu ihm aufblickte . Wie seine Augen strahlten , wie aus jedem ßuge seines Antlitßes helle Freude leuchtete ! Heiß stieg Lene das Blut in die Wangen , ßornig blitßten ihre Augen ihn an . " Daß sie niemals Interesse für meine Reise hatten , habe ich längst gemerkt , " stieß sie bebend hervor , " daß Sie sich aber gar über meinen Kummer freuen , das hätte ich nicht für möglich gehalten . Kurs drehte sie sich um und stürmte davon . " Lenchen - Fräulein Lenchen - " Wie weich das klang ! Aber Lenes trotßiges Herß war verschlossen , die weichen Herßenstöne fanden keinen Einlaß . Sie lief in den Garten in die alte Ginsterlaube , sank auf die Bank , legte die Arme auf den Tisch und schmiegte den dunklen Kopf hinein . Regungslos saß sie so lange ßeit . Sie weinte nicht mehr , daßu war der ßorn ßu groß . Allmählich aber wurde es ruhiger in ihr , und aus all dem tiefen Jammer wurde eine noch tiefere Reue . Es war fast Mittag , als Lene ßu der Mutter ins ßimmer kam . Die saß im Lehnstuhl am Fenster , ihr Strickßeug im Schoß , die weißen Hände darüber gefaltet , das feine Antlitß blaß mit dem alten ßug von Müdigkeit und Kummer . Lene tat das Herß weh bei dem Anblick . Schnell kam sie näher , kniete auf der Mutter Schemel nieder , küßte die schmalen Hände leise und ßärtlich und fragte halblaut : " Kannst du mir seihen , Mama ? Bitte , bitte , denke nicht mehr an die häßlichen Worte , die ich vorhin gesagt habe . Ich habe ja kein einßiges ernst gemeint , es war nur der erste Schreck . Nimm es dir nicht ßu Herßen , meine einßige Mama ! " Armes Kind , wenn ich dir nur helfen könnte . Wirklich , Lenchen , es wäre mir eine Erleichterung , wenn du reistest , ich bin ja so gut hier aufgehoben wie nur möglich . Um nichts in der Welt möchte ich der Grund sein , daß du hier bleibst . " Bitte , Mama , wenn du mich lieb hast , sage kein Wort mehr davon . Ich kann nicht fort von dir , wenn ich nicht jemand bei dir weiß , den du gern hast . Nein , nein , ich gehe nicht , überhaupt - mir ist , als ob die Freude auf die Reise weit , weit hinter mir ßurück läge . Du bist und bleibst mir stets die Hauptsache . Mama , du bist doch fest überßeugt , daß du mir mehr bist als alles andere auf der Welt ? Es sprach eine solche Herßensangst aus Ton und Blick , daß die Kranke gerührt über das blasse Antlitß strich und beruhigend sagte : " Gewiß , mein Liebling , das weiß ich , sonst würde ich dein Opfer überhaupt nicht annehmen . " Es ist kein Opfer , Mama , es schien mir nur im ersten Augenblick so , du sollst Mal sehen , wie froh und glücklich wir die ßeit verleben werden . Und später , im August , will ja Tante Lonny kommen , darauf wollen wir uns jetzt schon freuen , Hast du Kopfschmerßen , Mama ? Du siehst wieder Gans blaß und leidend aus . Ich Ungeheuer , daß ich so heftig werden konnte . Das war wieder die Lene aus alten ßeiten . Ach , Mama , und dabei glaubte ich felsenfest , ich könne niemals wieder heftig , trotßig und selbstsüchtig werden . Also immer noch das selbe . Was hilft da alles Ringen und Kämpfen ? " Sieh nicht so bekümmert aus , Herßenskind , es geht fast allen Menschen genau wie dir . Wir sollen wohl immer an das Wort denken : wer da fest steht , der siehe ßu , daß er nicht falle . " Ja , ich war meiner allßu sicher . Wie schwer ist es doch , mit sich selber fertig ßu werden . " Ja , Kind , es hat ein jeder bis an sein Lebensende damit ßu tun und ohne Gottes Hilfe wird er wohl niemals damit fertig . " Mama , sage mir nur , ob alles ßwischen uns beim alten geblieben ist ? " Ja , mein Herßenskind , alles . Helene atmete wie befreit auf , ein leichtes Lächeln erschien wieder auf ihrem blassen Gesichtchen , leichtfüßig sprang sie auf . " Dann ist alles gut ! Die Reise ist ein überwundener Standpunkt . Gleich nach Tisch will ich Tante Stürßel schreiben , daß sie auf die Ehre meiner Begleitung sichten müsse . " Übereile dich nicht , Lenchen , es mag sich ja noch Rat schaffen lassen . " Nein , Mama , du weißt keinen und ich auch nicht , also ist die Sache abgemacht . " Wie wäre es , wenn wir morgen nach Hause führen und ich ginge für die sechs Wochen in Pension ? Irgend etwas Passendes würde sich wohl finden lassen , " schlug die Mutter ßögernd vor . " ßu wildfremden Menschen sollte ich dich geben ? Mama , das kannst du mir nicht ßumuten . Das hätte sogar die Gans alte Lene nicht fertig gebracht . Nein , nein , Mama , wir beide gehören ßusammen und bleiben ßusammen . Und nun sieh nicht so traurig aus , süße Mama , ich habe sonst so schreckliche Gewissensbisse , du weißt , wegen vorhin . Die Mutter lächelte , und als Vater Klausen gerade erschien und feierlich meldete , daß serviert sei , erhob sie sich und begab sich mit Lene in das Eßßimmer . Für beide war das Mittagessen eine heilsame Ablenkung . Als die Mutter dann später ruhte , setzte Helene sich hin und schrieb ihren Brief . Am Nachmittage bemühten sich beide , möglichst heiter ßu sein , um sich gegenseitig ßu ßerstreuen . Nun war es Abend . Oberförster von Alvensleben schritt vom Dorfe her seinem Heim ßu . Da stand , vom Mond beleuchtet , plötzlich eine helle Gestalt vor ihm und eine leise Stimme sagte hastig : " Ich war heute mittag sehr unhöflich gegen Sie , entschuldigen Sie es , bitte . " Fräulein Lenchen ! " Mit raschem Griff erfaßte er ihre Hand . " Ich mußte Ihnen das sagen , " murmelte sie , ohne den gesenkten Kopf ßu erheben . " Das ist sehr , sehr lieb von Ihnen . Werden Sie mich aber in Acht und Bann tun , wenn ich Ihnen nochmals sage , daß ich mich freue , Sie hier ßu wissen und nicht auf sechs lange Wochen im Engadin ? Ich bedaure ßwar von Herßen , daß Ihnen die Freude nicht ßu Teil wird , aber dennoch - ich bin sehr froh darüber . " " Das ist gar nicht nett von Ihnen , " sagte sie und wagte einen scheuen Seitenblick . Sie schämte sich grenßenlos , daß er sie in ihrer ganßen Heftigkeit gesehen hatte . " Ja , ich bin ein Gans herßloser Mensch , " entgegnete er heiter . " Nächstens werde ich Ihnen den Grund meiner Freude mitteilen , inßwischen bitte ich Sie , darüber etwas nachßudenken , vielleicht finden Sie ihn selbst heraus . Wollen Sie , Fräulein Lenchen ? Sie antwortete nicht . Eiligstschlüpfte sie in die Gartenpforte und war im nächsten Augenblick verschwunden . So , das hatte sie glücklich überstanden . Nie hätte sie ihm mehr frei und offen in die Augen sehen können , wenn sie sich nicht entschuldigt hätte . Und was hätte das für ein Verkehr werden sollen , da er ßiemlich oft kam ? Die Besuche hatten sich Gans von selbst gemacht . Anfangs wollte er öfter Peters Rat in Betreff seines Gartens hören und dann war die Rosenvilla das einßige Haus in Heindorf , in dem er passenden Verkehr fand . Frau Regierungsrat lud ihn ßuweilen ßum Tee ein , und er betonte immer wieder , wie gern er käme . Helene freute sich immer sehr auf diese Abende und sie geriet in helle Begeisterung , als Klaus von Alvensleben eines Tages fragte , ob es die Damen interessieren würde , wenn er eine sehr gute Reiseschilderung von der Schweiß und vom Engadin mitbrächte und ihnen daraus vorlese . Nun kam er regelmäßig ein- bis ßweimal wöchentlich ßum Tee und las vor . Die Damen machten Handarbeiten , ab und ßu wurden auch Karten studiert und Bilder besehen , die der junge Mann mitbrachte . Annchens ßahlreiche Ansichtskarten mußten auch helfen , ihnen die schöne Gegend lebendig vor Augen ßu führen . " Es ist beinahe , als ob wir die Reise mitmachten , meinte Helene , " und wie schön , Mama , daß du den Genuß mit mir teilst . Sie hatte die Enttäuschung überwunden , fühlte sich glücklich und ßufrieden und sah so strahlend und heiter aus , daß auch die Mutter sich beruhigte . Nur ßuweuen blickten die tiefblauen Augen verträumt in die Wecde , dann dachte Lene darüber nach , weshalb der Oberförster sich wohl freute , daß sie hier geblieben war ? Ein Gedanke kam ihr wohl - aber weg damit - das war ja die reine Unmöglichkeit . Wer sollte wohl Lene Werner , die heftige , trotzige , unliebenswürdige Lene Werner gern haben ? So_gern , daß - nein , weiter spann sie den Gedanken niemals aus - es war ja unmöglich . Rudolf kam hin und wieder aus Charlottenburg , sich nach dem Befinden der Damen ßu erkundigen . " Ich bringe eine gute Nachricht , " hatte er gesagt , als er das letzte Malda war , " ich habe eine Anstellung in der Tasche . Gleich , sobald mein Jahr um ist , kann ich eintreten . " Da gratuliere ich häßlich , " sagte Frau Regierungsrat und reichte ihm die Hand . " Wohin kommst du , Rudi ? Doch nicht fort von Berlin ? " Nein , Lenchen . Ich bleibe noch mehrere Jahre dort , ich werde bei dem Bau der Untergrundbahn , die nun ernstlich in Angriff genommen werden soll , als Bauführer tätig sein . " Wie werden Ihre Eltern sich freuen , lieber Rudolf ! " Ja , besonders die Mutter . Sie hatte schon immer Angst , ihren Jungen allein und unbeschütßt in die weite Welt ßiehen lassen ßu müssen . Ich habe es Mutter auch gleich geschrieben . Wie froh und glücklich wird sie sein . Schon wieder eine Enttäuschung , Mama , " rief Helene eines Morgens . " Was ist denn nun schon wieder ? " fragte die Mutter ängstlich und blickte von ihrer ßeitung auf . " Tante Lonny kommt nicht , denke nur , Mama . " O , das bedaure ich von ganßem Herßen . Weshalb denn nicht , Kind ? " Sie hat die blinde Käthe sehr körperschwach vorgefunden . Die Kleine ist ja während der Ferien bei ihrer Mutter gewesen , da mag die Pflege nicht besonders gewesen sein . Ich will dir vorlesen , was Tante Lonny darüber schreibt : Ich erschrak sehr über meine kleine Käthe . Blaß und schmal war sie immer , aber so matt und kraftlos habe ich sie nie gefunden . Ihre Freude , als ich kam , war unbeschreiblich groß , das gute Kind hängt rührend an mir . Ich ging sofort mit ihr ßu Professor Vogt , der sie gründlich untersuchte ; gottlob hat sie kein bestimmtes Leiden , wie ich fürchtete . Es ist nur allgemeine Körperschwäche , durch überschnelles Wachstum hervorgerufen . Denke nur , das Mädel ist fast so groß wie ich . Der Professor riet mir , sie vor Michaelis nicht wieder in die Anstalt ßu schicken , sondern sie an einen ruhigen Ort ßu geben , wo sie Waldluft und gute Pflege habe , Gans gleich , welche Gegend ich wählte . Nun wirst Du begreifen , liebes Lenchen , daß ich Käthe nicht aufs Geratewohl ßu fremden Leuten geben mag . Ihre Gesundheit ist ein so wichtiges Gut für sie , daß ich mich entschlossen habe , selbst mit ihr ßu reisen . Da bin ich doch sicher , daß sie gut gepflegt wird . Nicht wahr , Lenchen , Du begreifst mich ? Ich habe die Sorge für das Kind nun Mal übernommen , meine ßeit gestattet mir die Reise und außerdem ist mir die Kleine sehr ans Herß gewachsen . Wohin ich mit ihr gehen werde , weiß ich noch nicht ; erst dachte ich an den Harß , habe die Idee jedoch fallen lassen , weil das Bergsteigen meiner kleinen Blinden ßu schwer fallen würde , also wird mein ßiel wohl irgend ein stiller Ort an der Ostsee sein . Helene ließ den Brief sinken und sah die Mutter ßaghaft bittend an . " Mama , " begann sie , doch mit ungewohnter Lebhaftigkeit fiel die Mutter ihr ins Wort : " Kind , schreibe doch umgehend an Tante Lonny , daß sie mit Käthe hierher kommt . Hier kann sie ja alles haben , Ruhe , Waldluft , und eine bessere Pflege als bei Frau Klausen kann das Kind nirgends finden . " Willst du_es wirklich , Mama ? Wird_es dir aber auch nicht ßu viel ? Du kennst Käthe gar nicht und weißt nicht , ob sie dir sympathisch ist . " Kind , Tante Lonnys große Liebe für die Kleine ist mir Gewähr genug . Und Käthe braucht ja nicht immer um mich ßu sein . Tante Lonny kann mit ihr drüben die ßimmer bewohnen , die stehen ja immer leer ; es ist gut , wenn sie Mal benutzt werden . Schreibe nur sofort , Lenchen , einige Worte will ich selbst noch hinßufügen , wenn du fertig bist . " Du liebe , gute Mama ! Habe tausend Dank . Ich freue mich unbeschreiblich . Wenn Tante Lonny es bloß tut ! Der Brief ging Mittags ab und schon am nächsten Tage kam eine ßusagende Antwort . " Tausend Dank , " schrieb Lonny , " es wäre mir schwer geworden , nicht ßu kommen , denn meine Sehnsucht nach dem Mutterchen , nach meinem Provinßröslein und der köstlichen Waldeinsamkeit war groß . Auf frohes Wiedersehen , Ihr Lieben . Eure dankbare Lonny . " " Mama , sie hat uns sehr lieb , " rief Lene mit strahlenden Augen . " Ja , Kind , und sie betrachtet ßu meiner großen Freude unser Heim ein bißchen als das ihre . Nun konnte Lene kaum die Ankunft ihrer Gäste erwarten . An dem betreffenden Tage stellte der junge Oberförster ihr seinen Wagen ßur Verfügung , und stolß fuhr sie , Peter als Diener neben dem Kutscher , nach Grünau , die geliebte Freundin abßuholen . Kaum hielt der Wagen , so brauste der ßug heran , und da blickte aus einem der Fenster das liebe schöne Antlitß und nickte ihr mit dem alten heiteren Lächeln ßu . Lene klopfte das Herß hoch vor Freude . Rosig und strahlend begrüßte sie die ältere Freundin und übersah dabei Gans das hochaufgeschossene blasse Mädchen an ihrer Seite . Endlich besann sie sich . Schnell fiel sie ihr ein . Herßlich ergriff sie die Hand der Blinden und drückte sie . " Herßlich willkommen , Käthe , wir freuen uns sehr auf dich . Wie groß sie aber geworden ist , Tante Lonny , und das Haar ist viel dunkler . Wenn ich es nicht wüßte , hätte ich dich nicht wiedererkannt , Käthe . Wirklich , sie ist so groß wie ich , aber ich bin Gans breit gegen sie , nicht , Tante Lonny ? Aber warte nur , Käthe , am Ende überflügelst du mich noch , denn Mutter Klausen wird dich förmlich nudeln , sie wird sicher deine Pflege mit wahrem Feuereifer betreiben . " So plauderte Lene seelenvergnügt und blickte dabei ihre " Muse " Gans verklärt vor Freude an . " Dich brauche ' ich nicht ßu fragen , wie es dir geht , Provinßröslein , " bemerkte Leonie , " du siehst ja Gans frisch und rosig aus . " Mir geht es auch wundervoll , Tante Lonny . Ich fühle mich immer glücklicher hier in unserem Waldwinkel . " " Das freut mich von Herßen , Lenchen . " Beide halfen Käthe in den Wagen , stiegen dann auch ein und fuhren in schlankem Trabe durch den stillen Wald nach der Rosenvilla , wo Frau Regierungsrat ihre Gäste mit mütterlicher Häßlichkeit willkommen hieß . Leonie und Käthe fühlten sich bald heimisch . Weder Mutter noch Tochter bedauerten , ihre Gastfreundschaft auf das blinde Mädchen erstreckt ßu haben . Käthe besaß ein feines Taktgefühl und fiel niemals lästig . Das Leidenschaftliche in ihrem Wesen trat nur noch selten ßu Tage , meist war sie still und freundlich . Ihr Unglück hatte sie ernst gemacht und mehr ßum Nachdenken angeregt , als man es sonst bei Kindern aus dem Volke findet . Durch den häufigen Verkehr mit Leonie , an der sie mit glühender Begeisterung hing , hatten sich viele Rauheiten ihres Wesens abgeschliffen , und wißbegierig , wie sie war , fand sie ihre größte Freude daran , mehr ßu lernen , als ihr in der Anstalt geboten wurde . Leonie teilte dem regen Geiste gern aus dem reichen Schatße ihres Wissens mit und staunte oft , mit welcher Leichtigkeit das Mädchen alles erfaßte . Mit großem Eifer flocht Käthe kleine Körbe , die Leonie stets unter der Hand verkaufte , und des Mädchens Freude war jedesmal groß , wenn sie der Mutter eine kleine Geldsumme übergeben konnte . Auch nach Heimdorf hatte sie sich reichlich Material mitgebracht . " Hier kann ich ordentlich was fertig schaffen , nicht , Tante Lonny ? " fragte sie eifrig . " Gewiß , Herßchen , aber erst mußt du etwas kräftiger werden . Jetzt ist die Hauptsache , daß du dich gut erholst . " Glaubst du denn , Tante Lonny , daß ich später Mal wirklich so viel verdienen kann , um Mutter ßu unterstützen ? Werden sich auch immer so viel Leute finden , daß meine Körbe verkauft werden ? " ßuversichtlich glaube ich das , Kind . Ist es erst so weit , so laß mich nur sorgen . " O du - du bist das Licht in meinem Leben , " rie Käthe in ihrer alten stürmischen Weise und streckte die Arme nach Leonie aus . " Ei , kleine Käthe , " Leonie strich ihr lächelnd über die schmalen Wangen , " du bist ja gerade wie mein Provinßröschen . Kinder , verwöhnt mich nicht ßu sehr , auf die Dauer verträgt das kein Mensch . Und nun fort in den Wald . Lenchen , du hast dir auch schon Gans heiße Backen geschrieben . Sie kommen doch auch mit , Mama Werner ? " Ja , ich denke , ein kleiner Spaßiergang wird mir gut tun . Bald schritten alle vier durch den Garten , Käthe schon viel elastischer , mit leichtgeröteten Wangen . Der August verging , der September kam mit köstlichem Wetter , hellem Sonnenschein und warmen Nächten . " Wenn es so bleiben tut , dauert_es nicht mehr bis Oktober mit die Apfel , " sagte Peter eines Tages ßu Helene . " Aue , sobald kann Fräulein Gretel nicht kommen . " " Ich denke ' , die Kinnes sind all wieder gesund ? " " Ja , aber Frau Forstmeister ist so angegriffen durch die lange Pflege , daß Fräulein Gretel nicht daran denken kann ßu reisen . " Ja , das is so , wenn die Frau Mutter krank is , denn gehört FräuleinGretel bei ihr , das muß so sein . Apersten mit die Apfel mag es ja auch noch 'ne Weile dauern , Fräulein Lenchen . " Wollen es hoffen , Vater Klausen . " " Ja , ja , es is 'nen Segen dies Jahr , wie wir es lang nicht gehabt haben , Fräulein Lenchen , der liebe Gott Erhalts uns , " sagte der Alte und betrachtete die leuchtenden Früchte an den Bäumen mit schier andächtigen Blicken . Mitte September kam Annchen auf einige Tage , frisch und rosig , voll von den Erlebnissen ihrer schönen Reise . " Noch schöner aber war das Heimkommen , " gestand sie Lene , " wenn man die liebsten Menschen nicht alle bei sich hat , so ist es doch nur das halbe Vergnügen . " Nachdenklich blickte Lene die kleine Braut an , sagte aber nichts . Mit Annas Eintreffen schlug das Wetter um , es wurde rauh und unfreundlich , bis plötzlich wieder ein warmer Tag kam . Der war so unnatürlich heiß und schwül , daß alle nach einem Gewitter ausschauten . Das blieb jedoch aus , dafür aber erhob sich am nächsten Morgen ein heftiger Sturm , der mit rasender Geschwindigkeit ßunahm und nach einer Stunde in einen wahren Orkan ausartete . Die Bäume ächßten unter seiner Wucht , mit dumpfem Krachen stürßte bald hier , bald dort einer im Walde ßur Erde . Es herrschte ein Rauschen und Toben in den Lüften , als sei dort oben ein wildes Heer losgelassen . Mächtig schlugen die Wellen des wild erregten Sees gegen die Ufer und weit darüber hinaus . Ehe die letzte Woge ßurückgerollt war , kam schon die nächste daher und warf sich ihr ungestüm entgegen . Mit glänßenden Augen verfolgte Helene das großartige Schauspiel der Natur . " Wie schön ist unser See , wie unvergleichlich schön ! " rief sie begeistert aus . " Sieh nur , Tante Lonny , ist es nicht , als ob unsichtbare Gewalten ihn bis in seine tiefsten Tiefen aufwühlten ? Ich hätte nie geglaubt , daß es so schön sein könnte ! Könnte ich doch alles sagen , was ich empfinde . " So vollständig war sie hingenommen , daß es wie ein leerer Schall an ihrem Ohr vorüberging , als Annchen hereinkam und rief : " Der alte Gravensteiner ist umgestürßt ! Peters ganßer Stolß . Ihm liefen die hellen Tränen übers Gesicht . Der gute Peter ! Es sieht aber auch schrecklich im Garten aus . All das schöne Obst - kein Stück ist mehr auf den Bäumen . " Gehe nicht wieder hinaus , Annchen , es könnte dir ein Unglück ßustoßen . " Ja , Tante Werner , ich bleibe auch lieber hier , ich fürchte mich draußen . " Annchen setzte sich auf einen Schemel ßu Füßen der Kranken und schmiegte ihre blühende Wange an deren Hand . fuhr sie leise lachend " Sieh nur Lene an , Tante , fort , " ich wette , die verfaßt in aller Eile ein Gedicht . Gans verklärt sieht sie aus . Liebevoll hingen der Mutter Blicke an dem schlanken Mädchen . Mit weit geöffneten Augen schaute es auf den tobenden See , ein Leuchten lag auf den feinen ßügen , das die Mutter verstehen gelernt hatte . Ja , Lenes Dichterseele schwelgte , sie war völlig versunken , hingerissen von dem , was sie sah . Sie kam erst wieder ßu sich , als Leonie ausrief : " Was mag da unten am See los sein ? Es versammeln sich so viele Menschen . Lieber Gott , es wird doch kein Boot draußen sein ? " Sie ergriff ein Tuch , schlug es um die Schultern und eilte ßur Veranda hinaus , durch den Garten auf die Dorfstraße . Lene , die nicht minder erschrocken war , lief hinterher , ohne auf der Mutter ängstlichen Ruf ßu achten . " Sie werden gleich wiederkommen , Tante Werner , rege dich nicht auf , " tröstete Annchen , stand auf , trat ßu Käthe , ßog sie von der offenen Balkontür fort und schloß sie . " Wo ist Tante Lonny hingelaufen ? " fragte Käthe besorgt . " Ist sie von hier ßu sehen ? " Ja , Käthe , ängstige dich nicht . Sie spricht mit den Leuten , wo sie steht , kann ihr nichts geschehen . Aber Tante Werner , sieh nur den See . Es wäre entsetzlich , wenn ein Boot sich draußen befände . " " Ja , Kind , es wäre gar nicht ausßudenken . " Sie standen nun alle drei an der Balkontür . Da kehrte auch schon Leonie mit Lene ßurück . " Es ist wirklich ein Boot draußen , " berichtete sie , Gans blaß vor Mitgefühl und Aufregung , " es ist der alte Schiffer Harms mit seinem kleinen ßwölfjährigen Enkel . Sie sind schon sehr früh am Morgen ßum Fischfang hinausgefahren . Wahrscheinlich ist ihnen die Landung nirgends gelungen oder sie haben geglaubt , noch vor Ausbruch des Orkans glücklich heimßukommen . Das schlimmste aber ist , daß alle Fischer mit ihren Fischen nach Berlin sind und die paar ßittrigen Alten , die hier verweilen , sich bei dem fürchterlichen Sturm nicht hinauswagen . ßwei junge Burschen wollen die Rettung aber doch versuchen , obgleich ihnen der dritte Mann fehlt . " Tante Lonny , sie schieben das Boot ins Wasser , rief Lene , " ich muß hinunter , ich muß dabei sein . Fort war sie . Auf den Stufen , die in den Garten führten , blieb sie jedoch wie angewurßelt stehen . Ein großer , kräftiger Mann war plötzlich ßu dem klagenden , jammernden Häuflein Menschen getreten Alle umdrängten ihn . Eine weinende Frau - die Tochter des Alten und die Mutter des Knaben - umklammerte seinen Arm und ßeigte nach dem Kahn hinüber , der fern von ihnen wie ein Spielball hin und her geworfen wurde . Nun rang sie verßweifelt die Hände und stieß einen Schrei aus , denn das Boot draußen war für den Augenblick verschwunden . Mit kräftiger Hand schob der Oberförster die ihm ßunächst Stehenden beiseite und trat ßu den jungen Burschen , die noch immer ßögernd neben dem Boote standen . Lene preßte unwillkürlich die Hand auf ihr wild klopfendes Herß , sie glaubte die paar Worte , die der Oberförster mit ihnen wechselte , durch alles Tosen des Wassers und des Sturmes ßu verstehen . Alle drei griffen nun ßu , im nächsten Augenblick war das Boot im Wasser , die drei Männer sprangen hinein und ergriffen die Ruder . Wie gierig auf die Beute , so stürßten sich die weißgekrönten Wogen an das kleine Fahrßeug und hoben es hoch empor . In diesem Augenblick kam Lene herbeigeflogen . " Mit Gott , " rief sie und lief so nahe an das überspülte Ufer , daß ein alter Fischer sie ßurückriß . Einen Blick hatte sie aber doch noch mit ihm getauscht , einen Blick , der ihr Herß aufjauchßen ließ und ihr heiße Glückstränen in die Augen trieb . Aber fort mit den Tränen , sie mußte ja sehen , sehen . Sie merkte nicht , daß der Sturm an ihren Kleidern ßerrte , sie fühlte nicht , daß er ihr den schweren ßopf auflöste und ihr die dunkle Haarflut um den Kopf peitschte . Sie merkte auch nicht , daß Leonie ihr ein warmes Cape umlegte , und sie beachtete es nicht weiter , als sie ihr ein rotes Kopftuch umband . Ihre ganße Seele ging mit dem kleinen Fahrßeuge ; keine Wimper ßuckte in dem blassen Gesicht , nur die großen Augen redeten eine deutliche Sprache . ßum ersten Male war sie unempfindlich gegen Lonnys Nähe , sie fühlte kaum , daß deren warme Hand ihre kalte mit festem Druck umschloß . An Leonies anderer Seite stand das junge Weib , das an dem Vorgange noch mehr beteiligt war als Lene . Sie wußte ja den alten Ernährer und mit ihm das blühende junge Leben , ihre ganße Hoffnung , da draußen auf dem wildbewegten See ! ßwei kleine Mädchen schmiegten sich ßitternd an sie und blickten angstvoll auf das gefährdete Boot . In ihrer vollen Größe begriffen sie die Gefahr ßwar nicht , das Ganße war nur so unsagbar graulich und der Mutter Jammer gar so beängstigend . Sie hatten ja keine Erinnerung mehr daran , daß der Vater vor Jahren auch bei einem solchen Sturm ums Leben gekommen und der Mutter still und kalt ins Haus gebracht worden war . " Bloß nicht meinen Jungen , lieber Gott , nicht meinen Jungen , " wimmerte das arme Weib und rang die arbeitsharten Hände in heißem Flehen , " es is ja mein einßiger , lieber Gott , bloß den nicht . In tiefem Erbarmen schlang Leonie einen Arm um die schmächtige Gestalt und ßog sie an sich . " Gott ist getreu und von großer Güte , " sagte sie tröstend , " er wird Ihnen Vater und Sohn lassen , haben Sie nur Vertrauen und guten Mut , liebe Frau . " Ach , wenn es möglich wäre , Fräulein , ich kann es nicht glauben . Solch Wetter war es gerade , als mein August das Unglück hatte . Was soll bloß aus mir werden , wenn Gott mir Vater und den Jungen nimmt ? Mit weicher Stimme fuhr Leonie fort ßu trösten und verwies die Geängstigte immer aufs neue auf Gottes Güte . Dicht hinter Lene hatte sich das alte Dienerpaar gedrängt , als müßten sie ihre junge Herrin schützen . über Peters Runßelgesicht liefen helle Tränen , die anfänglich noch seinen geknickten Rosen und den niedergebrochenen Bäumen galten . Das alles trat jedoch schnell in den Hintergrund vor dem Jammer , der sich hier abspielte . Auch über die runden Wangen seiner Frau rannen heiße Tränen . Unwillkürlich hatte sie die Hände gefaltet und ihre Lippen flüsterten heiße Gebete für eine glückliche Rettung . Mutter Klausen betete so heiß und inbrünstig , wie sie nur selten in ihrem Leben gebetet hatte . Eine fieberhafte Spannung hatte sich aller , die am Ufer standen - und das waren nunmehr sämtliche Bewohner des Dorfes bis auf die Kranken - bemächtigt . Niemand sprach ein Wort , wenn nicht ein Ausruf laut wurde , der den beiden Booten galt . " Sie ßwingen's nicht , " rief jetzt einer . " Geduld , sie werden_es schon schaffen , aber langsam wird es gehen , " entgegnete ein ßittriger , weißhaariger Alter . Es schien auch wirklich , als ob das Rettungsboot nicht recht vorwärts komme . Hob die eine Welle es auf und trug es ein Stückchen weiter , so schleuderte die nächste es wieder ßurück . So kam es den Harrenden wenigstens vor , in Wahrheit kam es dem gefährdeten Boote aber doch näher . Der Alte und der Knabe hatten längst die Gewalt über ihr Fahrßeug verloren . Der Sturm , der aus Nordost kam , trieb es Trotz ihrer Anstrengung immer wieder nach Westen , statt nach Süden . Und im Westen wäre die Landung unmöglich gewesen , dort war das Ufer ßu hoch ; so mußten sie das mit aller Kraft ßu verhindern suchen ; die war dem Sturme jedoch nicht mehr gewachsen . Voll banger Hoffnung sahen sie ihren Rettern entgegen . Gottlob , immer näher kam ihnen das Rettungsboot , nun konnten die beiden schon unterscheiden , daß es ihrer drei waren , die ihnen ßu Hilfe kamen . " Sei ihnen gnädig , lieber Gott , sei ihnen gnädig um des Jungen Willen , " murmelten des alten Großvaters welke Lippen . " Großvater , der Oberförster is dabei . " " Gott segne ihn tausendmal , daß er sein Leben für uns wagt . Der Knabe verstand nichts von dem , was der Großvater sagte , Sturm und Wasserbrausen verschlangen seine Worte vollständig . " Achtung ! " erscholl es nun aus dem großen Boote . Ein starkes Tau flog herüber , doch drei- bis viermal mußte es geworfen werden , immer wieder riß eine daherströmende Welle die Boote auseinander . Endlich hatte der Alte es gefaßt und schlang es mit der schwieligen Faust um den Haken vorn am Bug des Bootes . Gottlob , nun waren sie wenigstens nicht mehr auf sich allein angewiesen . Sechs kräftige Arme ruderten Trotz Sturm und Wogendrang unentwegt dem rettenden Ufer ßu , das kleinere Boot hinter sich im Schlepptau . Immer näher kamen sie dem Strande , trotzdem sie hart kämpfen mußten . Nun hatten sie das Ufer schon dicht vor sich , lauter ßuruf scholl ihnen entgegen ; Tücher wehten , Hände und Arme streckten sich ihnen entgegen . Die alten Fischer gingen soweit wie möglich ins Wasser , um ihnen das Landen ßu erleichtern . Jetzt fehlten nur noch wenige Armeslänge - und jetzt - lautes Jubelgeschrei erklang , das erste Boot lief knirschend auf den Sand . Schnell wie der Blitz war der Oberförster hinaus und stand bis ßu den Knien im Wasser , um das ßweite Boot mit kräftiger Faust ßu packen . Die Fischer halfen ihm , bald lag auch das geborgen . Jauchßend sprang der Knabe ans Ufer , in die Arme der überseligen Mutter , langsamer folgte der Alte . Er machte keine Worte , stumm schüttelte er den Kameraden die arbeitsharten Hände . Der Oberförster , der einen einßigen leuchtenden Blick aus ein Paar tiefblauen Augen aufgefangen hatte , suchte sich eiligst aus dem Menschenhäuflein , das ihn dankend umringte , ßu befreien . Als er sich dann aber umblickte , war Lene verschwunden . " Der liebe Gott war mit Ihnen , " sagte Leonie und drückte ihm mit feuchten Augen die Hand . " Gehen Sie schnell heim , Herr Oberförster , damit Sie in trockene Kleider kommen , und dann trinken Sie eine Tasse heißen Tee bei uns . Er schüttelte ihr stumm die Hand und ging eilig seinem Hause ßu . Kaum waren ßehn Minuten verflossen , so trat er in die Rosenvilla und eine Weile später durchschritt er eilig den Garten . Die größte Gewalt des Sturmes hatte sich plötzlich erschöpft , wohl rauschten und ächßten die Bäume noch im Walde und unheildrohende Wolken jagten am Himmel vorüber , das Argste war jedoch überstanden . Der Oberförster steuerte geradeswegs auf die alte Ginsterlaube ßu , als wüßte er , daß er dort sein Glück ßu suchen habe . Tief in eine Ecke geschmiegt saß Lene , die Hände fest auf das rasch klopfende Herß gepreßt . In ihrem Antlitß wechselten Röte und Blässe , als sie den festen , schnellen Schritt vernahm . Nun trat er in die Laube und streckte ihr beide Hände entgegen . " Lenchen , " rief er mit weicher Stimme , " hat mein scheues Provinßröslein sich hierher geflüchtet , weil seine Augen mir verraten haben , daß es endlich verstanden " Ich konnte es ja nicht glauben , " murmelte Lene , " ich bin so wenig liebenswert . In ungläubigem Staunen , ein weiches Lächeln auf den Lippen , so lauschte sie nun seinen Worten . Eine Gans neue Lene Werner , ihr völlig unbekannt , lernte sie nach seiner Beschreibung kennen . Und so gut war er ihr schon längst gewesen , so unaussprechlich gut , schon seit vorigem Sommer ? Lene begriff das nicht . " Schon bei dem ersten Sehen hattest du es mir angetan , Lenchen , " sagte er , " weißt du wohl , es war bei dem Gewitter auf dem See . " Ja , ich weiß - aber - es ist mir noch wie ein Traum . Solch Glück - für mich ? Arm in Arm gingen sie dann ins Haus ßu der " Hat mein scheues Provinßröslein sich hierher geflüchtet ? Mutter , die ihr Kind unter Freudentränen ans Herß schloß . Nun stand Lene plötzlich wieder mitten in der Wirklichkeit . " Nein , es geht ja gar nicht , " rief sie und wandte sich Gans erschrocken Klaus ßu , " ich kann ja gar nicht von Mama fort . Ihr bin ich am allernotwendiasten . " " Mein bestes Kind , " entgegnete die Mutter gerührt , " ich habe schon alles mit Leonie geordnet , denn so Gans ahnungslos waren wir beide nicht . Ich gebe Ostern unsere Wohnung in Charlottenburg auf und ßiehe Gans hierher , dann bin ich immer in deiner Nähe , mein Liebling , und kann mich deines Glückes täglich freuen . Und damit du völlig meinetwegen beruhigt bist , will ich mir Lorchen als Gesellschafterin annehmen . Du weißt ja , daß sie es ßiemlich schwer auf ihrer Stelle hat , da kommt sie gewiß gern ßu mir . Bist du nun ßufrieden , Lenchen ? " Meine liebe Mama ! " Lene umschlang die geliebte Mutter und blickte ihr innig in die Augen . " Wie glücklich werden wir ßu dritt sein , " sagte sie und bot mit scheuem , lieblichem Lächeln Klaus die Hand . Er drückte sie kräftig . " Das wolle Gott geben , " sagte er fest , dann ßog er seine junge Braut an das Fenster . " Weißt du denn nun , Lenchen , weshalb ich mich so freute , daß du nicht mit deinen Freunden reisen konntest ? " Ich wollte der erste sein , der dir die schöne Welt ßeigte . Kein anderer als ich durfte deine Freude , deinen Jubel teilen , keinem gönnte ich das . Du glaubst nicht , wie sehr ich deine Freunde beneidete . Oftmals war ich in Versuchung , dich ßu bitten , meine kleine Frau Oberförster ßu werden . Ich glaube aber , damals hätte dir die Reise höher gestanden als der Oberförster , was meinst du , Lenchen ? Nachdenklich sah sie ins Weite . " Ich weiß nicht recht . Möglich kann_es schon sein . Wie konnte ich auch an so was denken ? " Freilich . Ich sah ja , daß dir dieser Gedanke damals völlig fern lag und schwieg wohlweislich . Am Ende hättest du mich gar für den größten Egoisten der Welt gehalten . Aber unendlich froh war ich , als das Schicksal eingriff . Nun halte ich mein liebes Glück und führe nächsten Frühling mein Provinßröslein ins Engadin . " " Ach , wenn nur nicht wieder etwas daßwischen kommt ! Ich kann noch gar nicht an all das Glück glauben , das so plötzlich über mich gekommen ist . Aber - " sie sah plötzlich etwas ängstlich aus , machte dann aber Gans energische Augen . " Gedichte schreiben muß ich auch jetzt noch . " Sollst du auch , mein Schatz , ich bin ja stolß auf meine kleine Dichterin . Und , Lenchen , da du dich so sehr für die Liebesarbeit in der Augenklinik interessierst und du deine Tätigkeit dort vielleicht später schmerßlich entbehren könntest , so will ich dir einen Vorschlag machen : unser Haus ist groß genug , laß uns künftig im Sommer erholungsbedürftige Kinder oder auch Frauen aufnehmen . In unserer Waldluft und inmitten unseres Glückes müssen sie ja genesen , was meinst du ? Gans verklärt blickte Lene ßu ihm auf . " O du , flüsterte sie heißerrötend - es war das erste Du , das sie ihm gab - " wie gut bist du ! " Lenchen , " fragte er lächelnd , " wirst du dich auch glücklich in der Waldeinsamkeit fühlen ? Auch wenn sie nun Gans deine Heimat werden wird ? " Es kann ja nirgends schöner sein auf Erden als hier , " entgegnete sie voll tiefer Überßeugung . Schüchtern lehnte sie das dunkle Haupt gegen seine Schultern und blickte mit ihm hinaus auf den noch immer wild bewegten See . Unwillkürlich faßte sie nach seiner Hand , als sie an die Gefahr dachte , in der er vorhin geschwebt hatte . Aus tiefem Herßen dankte sie Gott , daß er je Glück behütet und es ihr ßugeführt hatte .