Aischylos Die Orestie (Oresteia) Agamemnon Aischylos Agamemnon (Agamemnon) Personen. Wächter Klytaimestra Herold Agamemnon Kassandra Aigisthos Chor argivischer Greise Königspalast zu Argos. Auf dem flachen Dach der Wächter. Die Götter bitt ich um Erlösung dieser Mühn Der langen Jahreswache, die ich, lagernd hier Im Dach des Atreushauses wie ein Wächterhund, Der stillen Sterne Nachtverkehr mit angesehn, Und die den Menschen Winter bringen und Sommerzeit, Die hellen Führer, funkelnd durch des Äthers Raum. Und wieder späh ich nach des Flammenzeichens Schein, Dem Strahl des Feuers, das von Troja Kunde bringt Und Siegesnachricht; also, denk ich, hat es mir Geboten meiner Herrin männlich ratend Herz. Und halt ich so hier meine nachtgestörte Ruh, Vom Tau durchnäßt, nie mehr von Träumen aufgesucht, So steht ja statt des Schlafes neben mir die Furcht, Zufallen könnte gar im Schlaf mein Augenlid. Und wenn ich ein Lied mir singen oder pfeifen will, Den besten Schlaftrunk für den Wachestörer Schlaf, So wein ich seufzend über dieses Hauses Los, Das nicht, wie sonst wohl, allem Wetter glücklich trotzt. So käm erwünscht mir meiner Müh Erlösung jetzt, Erschien' des nächtgen, botenfrohen Feuers Schein. Auf den Bergen steigt eine Flamme auf. O sei gegrüßt mir, Licht der Nacht! Taghelle Lust Weckst du in mir, erweckst in Argos weit und breit Festchorgesänge, diesem Glück zum Dank geweiht! Hoiho, hoiho! Agamemnons Gattin will ich es laut verkündigen, Daß schnell ihr Lager sie verlasse, im Palast Den freudenhellsten Jubel diesem Feuerschein Entgegenjauchze, da die Troerfeste ja Gefallen ist, wie dort der Schein es hell erzählt! Dann will ich selbst beim Fest den Vortanz halten; mir Auch klecken soll's, daß meiner Herrschaft Würfel jetzt Gut fiel; die achtzehn Augen bringt mein Spähen mir. Nun aber will ich meines Fürsten liebe Hand, Des Heimgekehrten, schütteln hier mit dieser Hand; Vom andern schweig ich; mir verschließt ein golden Schloß Den Mund; das Haus selbst, wenn es sprechen könnte, würd Am besten ihm erzählen; denn der's weiß, mit dem Besprech ich gern; für den, der's nicht weiß, schweig ich gern. Wächter ab. Der Chor der Greise tritt auf. Zehn Jahre nun sind's, Seit Priamos' mächtiger Rechter, der Fürst Menelaos, mit ihm Agamemnon zugleich, Das erhabene Paar der Atriden, in Zeus' Zweithroniger Macht, Zweizeptergewalt, Der Argiver tausendschiffigen Zug Von jenem Gestad Fortführten, Genossen des Krieges. Voll Zornmut schrien sie gewaltigen Kampf, Wie der Weih des Gebirgs im verwilderten Schmerz Um die Brut hoch hin sein einsam Nest Unermüdlich umkreist, In der Fittiche ruhendem Ruder gewiegt; Der ins Nest bannenden, Für die Küchlein der Sorge verwaiset! Doch droben ein Gott, ist's Pan, ist's Zeus, Ist es Apollon, er vernimmt des Geschreis Weithallenden Schmerz um die fehlende Brut; Die Vergelterin schickt, Die Erinnys, er dem Verruchten! Also zum Gericht Alexanders hat Zeus, So des Gastrechts Hort, die Atriden gesandt; So läßt um das männerumbuhlete Weib Unablässigen, gliederzerschmetternden Kampf, Das ermattende Knie an den Boden gestemmt, In des Vorkampfs Tosen die Lanze zerschellt – So läßt er die Danaer kämpfen, Und die Troer zugleich! Mag's immer denn sein, Wie es sei; es erfüllt das Verhängte sich doch, Nicht Spend und Gebet, nicht Zauber beschwört, Nicht Tränen vertilgen den lauernden Zorn Der sühnevergessenen Gottheit! Doch wir, kraftlos mit gealtertem Leib, Die vom Zuge zurück man damals ließ, Wir weilen daheim, Die kindische Kraft mit dem Stabe gestützt, Denn das jugendlich rüstige Mark in der Brust, Das zur Tat anfacht, alt ist's; hier wohnt Nicht Kampflust mehr. Wer dem Alter erliegt, wem herbstlich die Stirn Sich entlaubet, er wankt dreifüßigen Gang, Nicht kräftiger mehr denn ein kraftlos Kind, Ein tagumwandelndes Traumbild! Aus der königlichen Pforte ist ein festlicher Zug Dienerinnen getreten. Dann erscheint die Königin Klytaimestra. Doch, Königin, sprich, Du des Tyndaros Kind, Klytaimestra, was ist? Was Neues geschah? Auf welches Gerücht, auf wessen Bericht Ist's, daß du die Opfer verteilest? Und den Göttern zumal, den Beschirmern der Stadt, Himmlischen, Unteren, Den Behütern des Markts, den Olympiern flammt's Von Geschenken auf jeglichem Altar! Und hüben und drüben zum Himmel empor Steigt flackernde Glut, Mit des heiligen Öls duftsüßem Getröpf, Wie mit arglos schmeichelndem Zauber getränkt, Mit dem Weihöl fürstlicher Habe! So sage davon, was kund mir zu tun Du vermagst und du willst! So werde du mir der Besorgnis Arzt! Was mich bang jetzt läßt in die Zukunft sehn, Jetzt heiter im Schein sich der Opfer erhellt, Dies Hoffen, die weitere Sorge verbeut's, Den geheim herznagenden Kummer! Das Opfer beginnt. Opfergesang Erste Strophe Ich darf singen der herrlichen, zeichenbegünstigten Fürsten Glückliche Fahrt – denn es haucht mir Vertraun zu den Göttern Dies Festlied ein, Kraft inwohnendes Alter –, Wie einst die zwiethronige Kraft der Achaier, der griechischen Jugend Einige Feldherrn, Fort mit Speer und mit rächendem Arme der Vogel des Mutes Sandte gen Troja, Der Luftkönig die Könge der See: Der im schwarzen Gefieder voran, der im schneeweißen Fittich Ihm nach zum Palast an der Lanzenseite; Auf weitschauendem Horste Saßen sie, weideten dort vom Geweide der tragenden Häsin, Im letzten Lauf zum Tod erhascht. Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege! Erste Gegenstrophe Und der erfahrene Seher, die zwei einmütigen, kühnen Fürsten erkennend, erkannte die Hasenverschlinger, Des Zugs Führer; Also sprach er die Deutung: »Wohl wird dereinst Priamos' Feste die Beute der Heerfahrt; Alle des Schlosses, Alle des Volkes gesammelte Schätze, sie wird mit Gewalt einst Rauben die Moira; So hat nimmer der Ewigen Neid Die gefährdeten Wälle mit Heeresgewalt so nie umnachtet! Die lautere Artemis zürnt dem Hause, Den Flugdienern des Vaters, Weil mit der Frucht sie die tragende, zagende Mutter geopfert; Sie haßt der Adler arges Mahl!« Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege! Epode »So treuen Sinns schirmt die Holde Des zürnenden Leun ungeborne Brut, Sorgt für alle des heidedurchfliehnden Wildes saugende Jungen! Enden wird sie, was Gunstreiches der Aare Zeichen zugleich so erfreuend, so dräuend verkündet! Dem Helfer will ich, dem Paian rufen, Daß sie den Danaern nimmer ermüdender, widriger Winde Fahrthemmung zusend, Lüstern nach anderem Opfer, geweiht mit Verstummen und Blutschuld, Heimlichen, keimenden Hasses Geburt, mannscheulos Freveln, da furchtbar Sein die empörte, mißehrte, Tückische Herrin im Haus, Schlaflos kindrächende Wut harrt!« Also geweissagt wurde von Kalchas zu freudigstem Glücke Böses aus fahrtvordeutendem Aar dem Hause der Fürsten. Diesem ein gleiches Ailinon, Ailinon rufet! Das Gute siege! Zweite Strophe Zeus, wer Zeus auch immer möge sein, ist er dieses Namens froh, Will ich gern ihn nennen so; Ihm vergleichen kann ich nichts, wenn ich alles auch erwäg, Außer ihm selbst – wenn des Denkens vergebliche Qualen Ich in Wahrheit bannen will! Zweite Gegenstrophe So, wer ehedem gewaltig war, allbewerten Trotzes hehr, Was er war, nicht gilt es mehr; Der darauf erstand, dem Allsieger unterlag auch der. Aber den Zeus im Gesange des Sieges zu preisen, Alles Denkens Frieden ist's! Dritte Strophe Ihn, der uns zum ernsten Nachsinnen leitet, uns in Leid Lernen läßt zu seiner Zeit; Drum weint auch im Traum im Herzen noch Kummer leideingedenk, und es keimt Wider Willen weiser Sinn. Wohl heißt streng und schonungslos der ewgen hochgethronten Götter Gunst! Dritte Gegenstrophe Gleiches hat des Griechenzugs ältrer Führer kummervoll, Seinem Seher sonder Groll, Ringsandräundem Kummer ernst bereit, Als in ruhmloser Rast fahrtgehemmt Schwierig schon das Griechenheer, An dem Aulisstrand gelagert, rückwärts Chalkis' Brandung strömen sah – Vierte Strophe Vom Strymon her wehten da die Winde Rastloser Rast, hafenlosen Treibens, Des Zugs Verzug, Für Tau und Kiel immer neu Gefährde; In trostlos langer Säumnis welkend, Schwand auch des Heers blühnde Jugend schon dahin; Und als ein Mittel nun, Ärger den Fürsten selbst als ärgster Verzug, der Seher, Artemis' Zorn deutend, erfand, und sie den Stab tief in den Sand Stießen und selbst Tränen sie nicht hemmten, des Atreus Söhne – Vierte Gegenstrophe Da also sprach dieses Wort der Ältre: »Ein hartes Los ist es, nicht zu folgen, Und hart, daß ich Soll schlachten mein Kind, des Hauses Kleinod, Am Altar tauchen meine Hand soll, Die Vaterhand, in der Tochter Opferblut! Was ist von Schmerzen frei? Soll ich das Heer verraten? Täuschen die Kampfgenossen? Daß sie das windstillende Sühnopfer, das jungfräuliche Blut Wilden Geschreis fordern, gerecht ist es; es stünde gut dann!« Fünfte Strophe Als er dem Joch so der Not sich beugte, Als er der unselgen Sinneswandlung Nachdachte, der arg unheilgen, da Ergriff er kühn allzukühnen Vorsatz! Denn so emporstachelt den Menschen ein erster Irrtum, den er begeht Sinnverstört. Sinnbetört trug er's nun, Sein Kind schlachten zu sehn für jenen weibstrafenden Krieg, der Meerfahrt Bräutliche Totenweihe! Fünfte Gegenstrophe Ihr Bitten nicht, nicht ihr »Vater« Rufen, Nicht ihre jungfräulich süße Jugend Erbarmte der Feldherrn wilden Mut; Der Vater sprach sein Gebet; er hieß sie Den Diener hoch auf dem heilgen Herd niederhalten, in das Gewand Tiefverhüllt, vorgebeugt, ziegengleich, Befahl streng zu bewachen ihren schönrosigen Mund, daß nicht sie Jammernd ihr Haus verfluche. Sechste Strophe Sie schwieg dem Machtwort in lautlosem Zwang; Ihr Safrankleid ließ sie niederfließen, Und sah mit wehmütgem Blick bang zu jedem bittend ihrer Opfrer, Als ob sie so mahnen wie ein stummes Bild Ihn jetztan sonst wollte, wo Im goldnen mahlreichen Vätersaal sie Jungfräulich blöd sang ihr Lied, in des Gesangs kindlich frommer Lust Des vielteuren Vaters dreimal seliges Los zu preisen. Sechste Gegenstrophe Was drauf geschah, sah ich nicht, sag ich nicht; Doch unerfüllt bleibet Kalchas' Wort nicht! Denn Dike wägt je für Leid auch Belehrung zu. Die Zukunft – Wer beugt ihr aus? – mag voraus ich nimmer schaun; Dem wär voraustrauern gleich; Denn klar dem Ausspruch entsprechend kommt sie! Was muß geschehn, wenden mag sich es zum Heil, falls es gönnen will, Der hier nächster Hort uns weilt, des apischen Landes Schirmherr! Ich nah in Ehrfurcht, Klytaimestra, deiner Macht; Das ist gerecht, zu ehren seines Königes Gemahlin, wenn verwaist ist seines Herrn der Thron. Doch ob du nun Glaubwürdges hörtest oder nicht, Daß du in botschaftsfroher Hoffnung opfertest, Das gern erführ ich; aber schweigst du, kränkt's mich nicht. Ein Evangelium, wie's im Sprichwort heißet, ward Das Morgenrot uns von der Mutter Nacht gesandt. Ja, Freude höret über alle Hoffnung groß: Die Achaier nahmen ein die Stadt des Priamos! Was ist? Das Wort entging mir aus Unglaublichkeit! In der Griechen Hand ist Troja! Sprach ich nun es klar? Es ergreift mich Freude, Tränen ruft sie mir hervor! Daß du es wohl meinst, zeigt dein Aug mir unverstellt. Sprich, hast du Zeugnis dessen, sicher und gewiß? Gewiß, was sonst denn? Wenn ein Gott mich nicht betrog. Du ehrst vielleicht ein überredend Traumgesicht? Nie würd ich Glauben schlafestrunkenem Sinne leihn. So macht ein schnellbeschwingt Gerücht dich wohl so froh? Als wär ich ein kindisch Mädchen, so verhöhnst du mich. Zu welcher Zeit war's, daß die Stadt vernichtet ward? In dieser Nacht war's, welche diesen Tag gebar. Doch welcher Bote mochte sich so schleunig nahn? Hephaistos, der vom Ida hellen Strahl gesandt! Denn hergeschickt hat in der Feuer Wechselpost Ein Brand den andern. Ida selbst zum Hermesfels In Lemnos; von der Insel her zum dritten nahm Den breiten Lichtstrahl auf des Zeus Athosgebirg. Hochleuchtend, daß der Wanderin Flamme mächtger Schein Weithin der Meerflut Rücken überflog, ein Brand Der Freude, ward goldstrahlend, einer Sonne gleich, Zur Warte von Makistos dann das Licht gesandt. Die schürte weiter, säumig nicht noch unbedacht Vom Schlaf bewältigt, ihren Botenteil hinaus. Und wieder fernhin eilend gen Euripos' Flut Rief auf der Strahl die Wächter auf Messapios. Die dann entbrannten und entsandten neuen Schein, Der Graias Haufen Heidekraut anzündete. Die rüstge Flamme, nicht ermüdet noch geschwächt, Sie eilte weithin über Asopos' Ebene, Gleich hellem Mondlicht, gen Kithairons Felsenstirn Und weckte schnell der Feuerboten Wechsel auf. Fernhin erkennbar neue Flamme schürte dort Die Wache; hoch schlug dann das hellste Feuer auf Und warf den Glanz weit über den Gorgopis-See. Auf Aigiplanktos' Scheitel treffend trieb es an, Des Fanales Lichtbahn nicht zu stören; schnell geschah's; Sie sandten glutanschürend zu wolkenglühndem Schein Den mächtgen Schweif der Flamme, daß er fernhinaus Die weite Spiegelfläche des saronischen Meerbusens leuchtend überstrahlte, bis er kam Zu Arachnaions Gipfel nah bei unsrer Stadt. Von dort ergoß dies Feuer sich in dieses Schloß Der Atriden, echter Enkel der idäischen Glut. So war die Ordnung dieses Fackellaufs bestimmt Und, so mit Flamme Flamme wechselnd, schnell erfüllt; Im Flammenlauf die erst und letzte hat den Preis. Ein solches Zeugnis, solches Zeichen nenn ich dir, Aus Troja mir voraus von meinem Mann gesandt. Die Götter, Herrin, preisen will ich sie demnächst; Doch anzuhören, zu bewundern jenes Wort Von neuem, möcht ich, daß von neuem du es sprächst. 's ist Ilion der Griechen Beute diesen Tag! Ich glaub, ein unvermischt Geschrei durchhallt die Stadt; Gießt Öl und Essig du in einen Krug, so siehst Du sie geschieden fort und fort und nicht vereint; So wird der Sieger, so der Besiegten Rufen dort Geschieden, so zwiefachen Loses Zeichen sein. Die einen tiefgebeuget bei den Leichen der Erschlagnen Männer, der Geschwister, und das Kind Beim greisen Vater, sie beklagen nimmermehr Mit freier Kehle dies Geschick der Teuersten. Die andern, nachtdurchirrend, hungermatte Gier Hat sie zum Imbiß, wie und wo die Stadt ihn beut, Verwildert, reihlos Reih und Glied, umherzerstreut; Wie jeder je das Los des Glückes sich gewann, So hausen sie in Trojas speererrungenen Palästen, für des freien Feldes Lagerplatz Und kalten Tau ein guter Tausch – die Glücklichen! Die ganze Nacht durch schlafen sie nun unbewacht. Und ehren jetzt sie jenes Landes, jener Stadt, Der Besiegten Götter und der Götter Tempel, dann Vielleicht erliegt der Sieger nicht dem eignen Sieg. Doch reize nicht Begier zu früh das Heer, besiegt Von schnöder Habsucht mehr zu wollen, als es darf; Es braucht zur Heimkehr noch zurück die zweite Fahrt, Bevor des Seezugs Doppelbahn vollendet ist. Und käme schuldlos auch den Göttern heim das Heer, Wach könnte dennoch werden der Erschlagnen Blut, Geschäh hinfort auch keine neue Freveltat. – Von mir, von einem Weibe, habe das gehört! Das Gute siege, jedem Blick unzweifelhaft! Mit teuren Opfern hab ich solchen Wunsch erkauft. Du sprachst, o Herrin, würdig eines würdgen Manns; Ich aber will den Göttern, da mich überzeugt Dein früher Zeugnis, singen meinen frohen Dank; Denn fromm erkannt sei's, wenn sich Mühe so belohnt. Allherrschender Zeus und du, freundliche Nacht, Du Spenderin leuchtenden Schmuckes, Die du fest anzogst um Ilions Burg Dein fangendes Garn, Und keiner entkam, nicht klein noch groß, Dem gewaltigen Netze der Dienstbarkeit, Dem alles erfassenden Unheil! Dich, gastlicher Zeus, hoch ehr ich auch dich, Der du das zu erfüllen an Priamos' Sohn Längst hieltest den Bogen der Rache gespannt, Daß weder zu früh noch ins Dunkel der Nacht Ein eitel Geschoß hinschwirrte! Erste Strophe Wie Zeus traf, wissen sie zu sagen; Auch das vermag man aufzuspüren: Er hat's vollbracht, zu enden! Meinet nicht, daß die Götter den Ihrer Sorg würdigen, Der unverletzbares Recht Zertrat – und der scheute's nicht! Beweis ward sein Geschlecht, Das tollkühn Kampf gewagt, Im Kriegsmut wilder denn gerecht war, Im Hochmut überstolzen Glückes, Im Übermaß schuldig! Sei mein Geschick niedrig, sei der Armut Reines Gewissen gnug mir! Schutz nicht bietet der Reichtum Dem, der, Glückes gesättigt, Frech zertrat der Gerechtigkeit Altar, gegen Vernichtung! Erste Gegenstrophe Gewaltsam treibt die arge Peitho, Betörend emsig Kind des Unheils; 's ist Rettung allvergeblich! Nie verglimmt, hell, ein lodernd Feuer, Grausig hell zeugt die Schuld! Gleich schlechter Goldmünze nützt Gebrauch und Zeit prüfend ab Den Goldschein, falsch gemünzt! Denn nachlief, knabenhaft Betört, der schnellbeschwingtem Vogel, Der Heimat bittrer Prüfung Anfang! Ihr Jammern hört keiner Der Götter an, sondern zürnend trifft er Jenen, des Frevels Anfang! Also Paris, der damals Gast im Haus der Atriden Frech den gastlichen Tisch entweiht, der die Gattin entführt hat. Zweite Strophe Dem Volk daheim ließ sie kriegsrüstgen Lärm Und Schildesklang, Speergedräng, Schiffsgeschrei am Strande, Nahm Ilions Verderben mit als Brautgeschenk; So floh sie durch die Pforte dahin, Verwegnes wagend. Und es schrien laut, Wehklagten laut ihres Hauses Seher: »O Haus! O Haus! Wehe, weh dir, Fürstenstamm! Weh, bräutlich Bett! Spuren toter Liebe, weh euch!« Dort er, beschimpft schweigend, sonder Zorn und Groll, Süßträumend, die er verlor, zu schauen, Er wähnt voll Sehnsucht, die Meerentflohne Walt' im Geist noch daheim im Hause; Alles heiligen Bildes Anmut ist ihm zuwider, Ihres Auges verlorne Lust aller Liebe Verlust ihm! Zweite Gegenstrophe Und traumverwebt, trauerreich umschweben Gestalten ihn, seines Grams wunderholdes Trugspiel. So trughaft, wenn du Liebstes wähnst zu schaun, So flüchtig deinen Händen entflohn Verfliegt, verschwindet dir mit leisem Flügel Dein Traumgesicht weit in Schlafes Weiten. Also der Gram an des Fürstenhauses Herd; Schon der so groß – und ein andrer größer noch! Denn wer aus griechischem Lande mitgezogen ist, Endloses Grämen weilt daheim In seinem Haus Tag und Nacht; Vieles nagt tief am tiefsten Herzen: Denn wen jeder dahingab, Weiß er; aber zurückkehrt Statt des Mannes in jeglich Haus sein Gewaffen und Asche. Dritte Strophe Ares, der Leichname Goldwechsler ist's, Im Kampf des Speers blutger Todeswäger, Von Troja heimsendet er den Lieben Ein kleines, trübselges Überbleibsel, An Mannes Statt mit Staub gefüllt schönverzierten Aschenkrug! Drum jammern sie, sie preisen ihn aller Schlachten Tapfersten, Sie rühmen, daß er herrlich fiel, kämpfend um fremden Mannes Weib! So in der Stille wird gemurrt, Und es beschleicht des Kampfes Urheber des Hasses Unheil. Aber wer in der Schlacht fiel, Ruht dort unter den Mauern, Ruht im troischen Grabe; fern deckt ihn feindlicher Boden! Dritte Gegenstrophe Gefährlich wächst Volkes Murren, grollgemischt, Zahlt zurück volkentpreßter Flüche Schuld; Zu hören bangt meine Sorg ein Ende Endloser Nacht! Unerspäht den Göttern Bleibt nimmermehr, wer Blut vergoß, und der Erinnyen schwarze Schar Quält den, der glücklich wider Recht ist, einst mit unglückselger Fristung Des Lebens tot; geknechtet, so späht er umsonst nach Schutz umher; Selbst in des Ruhmes Übermaß Brütet Gefahr; denn seinen Blitz schleudert des Donnrers Neidblick! Mein mag mäßiges Glück sein, Nicht als Städtezertrümmrer Möcht ich, aber in Feindes Hand auch mich nimmer erblicken! Epode Ein botenfroh Feuer ließ Durch unsere Stadt schnell Gerücht Eilen; aber ob es wahr, wer weiß es? Wahrheit wahrlich ist der Götter nur! Wer wird so kindergläubig, so verblendet sein, An dieses Scheins neuer Kunde sein Gemüt erst zu wärmen, dann, getäuscht, bittren Tausches Bild zu sein? Für Weibes Witz paßt es, eh sie offenbar, schon zu preisen Glückes Gunst! Leichtgläubig zu leicht verbreitet sich Frauengeschwätz, Wie Windeswehn; doch windverweht Versinkt zu Nichts weiberausposaunt Gerücht! – Bald offenbart sich's, ob der Botenfackellauf, Die Wachtfanale meiner Feuerwechselpost, Wahrhaftig waren oder wie ein Traumgesicht Mit süßer Täuschung meinen Sinn das Licht beschlich. Ich seh den Herold vom Gestade schon sich nahn, Das Haupt vom Ölzweig überschattet; schon bezeugt's Des Kotes Zwillingsbruder euch, der durstge Staub, Nicht werde lautlos, nicht von Feuern hochgeschürt In des Berges Waldung ferner Rauch euch Bote sein, Nein, klaren Worts bringt uns entweder sein Bericht Mehr Freude – was entgegen dem, verschweig ich gern, Auf daß dem nahnden Glücke glücklich sei der Gruß! Wer jenes andere diesem Lande gönnt und wünscht, Der ernte selbst einst seiner Mißgunst schnöden Wunsch! Ein Herold tritt auf. O meine Heimat, Argos, teures Vaterland! Mit des zehnten Jahres Sonne kehr ich wieder heim! Zwar mancher Hoffnung ärmer, doch in einer reich: Denn nimmer glaubt ich, daß in Argos' Erde noch Des liebsten Grabes Stätte mir beschieden sei. Nun sei gegrüßt, Land! Sei gegrüßt, du Sonnenlicht! Und du, des Landes Walter, Zeus! Du, pythischer Fürst, Mit feindlichem Bogen fürder uns nicht pfeilgewiß – Entgegen gnug erschienst du am Skamander uns –, Nun wieder sei uns Helfer, sei uns Streitgenoß, Du, Fürst Apollon! Euch, ihr kampfbeschirmenden Gottheiten, alle ruf ich, meinen Schützer auch, Den teuren Herold Hermes, der Herolde Zier! Und ihr, Heroen, die uns leitetet, gnädig wollt Das Heer empfangen, das der Lanzen Wut verschont! Du, meiner Fürsten Palast, vielgeliebtes Haus, Ihr heiligen Stätten, Götter ihr im Sonnenlicht, Wenn irgend je, empfanget heitren Auges jetzt Im Schmuck den König, unsren Herrn, nach langer Zeit; Denn heimgekehrt ist, euch und diesen allen Licht Nach trüber Nacht zu bringen, Agamemnons Macht! Ihr werdet festlich ihn empfahn, wie's dem gebührt, Der Ilion zerstörte mit des Rächers Zeus Gewaltger Grabscheit, die den Boden unterwirft. Der Götter Tempel und Altäre sind gestürzt Und allvernichtet alles Feldes Saat umher. Der solches Joch anschirrte Priams stolzer Stadt, Der hehre Fürst Atride, der allglückselge Held, Er kommt, vor allen höchster Ehre wert, soviel Jetzt leben. Paris noch die mitgestrafte Stadt Berühmen fürder größrer Tat als Buße sich; Denn er, des Raubes, der Entführung schuldig, fand Sich keinen Retter; sein zum Tod gezeitigter Ureingeborner Fürstenstamm, er riß ihn aus! So ward der Priamiden Doppelschuld gebüßt! Achaierherold, Freude dir! Sei froh begrüßt! Ja, Freud; ich stürbe gern jetzt; nichts verlang ich mehr! Verlangen wohl nach deiner Heimat quälte dich? So daß die Freude Tränen meinem Aug entlockt! Gekranket habt auch ihr an diesem süßen Weh? Auch ihr? Belehrt erst werd ich deines Wortes Herr! Getrauert voll Verlangen nach Verlangenden? Hat heim das Land sein heim sich sehnend Heer gesehnt? Drum hab ich oftmals tief geseufzt in trübem Sinn! Was ward dem Volke solches bösen Grames Schuld? Längst heißt mir Schweigen alles Grames einzger Arzt! Der Fürsten Fernsein, machte dich's vor Fremden bang? So daß mir dein »Jetzt stürb ich gern« gar schön erscheint! Ja, schön vollbracht ist's! Freilich in so langer Zeit, Mag einer sagen, fügt sich vieles günstig wohl, Doch andres wieder minder gut. Wer aber ist Nicht Gott und sonder Leiden all sein Lebelang? Wollt unsre Mühsal ich erzählen, schwere Wacht Und selten Ruhtag, schlechtes Lager, und des Tags, Wann je von Schiffsdienst und Gefährde wir befreit? Gar auf dem Festland kam dazu noch neue Not; Denn unsre Zelte lagen hart an Feindes Wall, Vom Himmel oben und vom Wiesengrund herauf Durchnäßte kalter Tau uns, sog verderbend sich In unsre Kleider, unser Haar verwildernd ein. Spräch ich vom Winter, jenem Vogeltöter, gar, Wie unerträglich den des Ida Schnee gebracht, Gar von der Hitze, wenn um Mittagszeit die See In wellenlos windstiller Ruh sich legend schlief – Doch wozu klag ich's? 's ist vorüber alle Müh, Vorüber nun auch denen, die gefallen sind, Und nimmermehr verlangt sie wieder aufzustehn. Was soll ich euch herzählen die Gebliebenen und Mich, der ich lebe, kränken um ihr traurig Los? Nein. Lebewohl sei allem bösen Tag gesagt! Denn uns, die wir vom Griechenheer noch übrig sind, Siegt der Gewinn doch, und ihn wiegt kein Leiden auf; Wer heimgezogen über Land und über Meer, Darf so sich rühmen vor der Sonne heilgem Licht: Troja erobert hat das Heer der Danaer, Geweiht den Göttern seine Beute, aufgehängt In allen Tempeln Griechenlands den teuren Schmuck! Die solches hören, preisen müssen sie das Volk Und seine Feldherrn; hochgelobt sei aber auch Zeus' Gnade, die's vollbrachte! Alles weißt du nun. Von deinem Wort bekenn ich gern mich überzeugt; Zum steten Lernen bleibet auch das Alter jung. Das Haus und Klytaimestra mag dafür zunächst Zu sorgen haben, aber wir uns mitzufreun. Laut aufgejauchzet hab ich längst in heller Lust, Als meines Feuers erster nächtger Bote kam, Daß eingenommen Troja und verwüstet sei. Zwar mancher sagte spottend: »Solchem Feuerschein Vertrauend, glaubst du, Ilion sei nun zerstört? Doch Weiberart ist's, außer sich gar bald zu sein!« Nach solcher Red erschien ich als ein töricht Weib; Jedennoch opfern ließ ich, und den Jubelruf Erhuben gellend Weiber, andre anderswo, In der Stadt umher froh lärmend, in der Götter Sitz Mit reichen Spenden duftges Feuer sänftigend. Und nun, was braucht's noch, daß du mir das weitre sagst? Die ganze Kunde hör ich bald vom Fürsten selbst; Drum eil ich, meinen erlauchten Herrn aufs herrlichste Bei seiner Ankunft hier zu empfahn. Was gäb es auch Für eine Gattin Süßeres, als den Tag zu schaun, Wo ihrem Mann, der glücklich heimkehrt aus dem Feld, Das Tor sie auftut! Also sprich zu meinem Herrn: Zu kommen mög er eilen, vielersehnt der Stadt; Treu fänd im Haus er sein Gemahl, wie er sie einst Verlassen habe als des Hauses Wächterin, Ihm edlen Sinnes, allen Bösgesinnten feind, In allem andern noch sich gleich, von ihrer Hand Kein Siegel drinnen während all der Zeit verletzt; Noch weiß von Wollust, von verbotner Heimlichkeit Mit fremdem Manne mehr ich denn vom Bad des Stahls! Klytaimestra ab. Ein solcher Selbstruhm, seiner Wahrheit voll und wert, Ist tadellos zu sprechen für ein edles Weib! Sie sagt es selbst dir, und du hörst es von ihr selbst, Vom besten Dolmetsch, durch ihr eignes klares Wort! Doch sag mir, Herold, ist Menelaos auch mit euch Heimwärts gesegelt, ist er wohlbehalten auch Zurückgekommen, unsres Landes lieber Herr? Nicht ist es möglich, daß ich frohe Kunde dir, Der du dich lange könntest freun, erheuchele! Wie träfst du auch das Wahre, wenn du Frohes sagst? Daß das sich ewig scheidet, leicht ist's einzusehn! Der Held, er ist verschollen im Hellenenheer, Er selbst und seine Schiffe. Falsches hörst du nicht! Und ging er vor euch noch von Troja aus in See? Verschlug ein Sturm ihn, euch und ihm zugleich verhängt? Recht trafst du wie ein wackrer Bogenschütz das Ziel Und sprachst ein langes Leiden aus mit kurzem Wort! Ob er selbst noch lebe, ob er umgekommen sei, Kam's durch Berichte fremder Schiffer nicht umher? Wohl keiner weiß es, der es nacherzählen kann, Als, der der Erde Lebenskraft nährt, Helios! Wie aber, sag uns, ist den Schiffen jener Sturm Gekommen und vollendet durch der Götter Zorn? Mit böser Botschaft sollte man den frohen Tag Niemals entweihen; des enthält sich Gottesfurcht; Bringt aber heim ein Bote der gefallenen Heerscharen unaussprechlich Leid, mit trüber Stirn Die Wunden heim, die eine des gesamten Volks Und andere viele, weil aus jedem Haus den Mann Hinausgepeitschet Ares' Doppelgeißel hat – Zweischneidges Unheil, blutge Gramverschwisterung –, Ja, wem ein solcher Jammer aufgebürdet ist, Den soll man nennen der Erinnyen Ehrenhold, Doch Freudenbote glücklich überstandner Not Den, welcher heimkehrt froh zur frohen Vaterstadt. Wie misch ich Liebes Bösem bei, wenn ich vom Sturm, Den Götter uns Achaiern zürnten, sprechen soll? Denn da verschwur sich, was sich sonst das Feindlichste, Meerflut und Feuer, sie bewährten ihren Bund, Vernichtend der Argiver unglückselges Heer. Es erhob zur Nachtzeit sich der empörten Fluten Sturz, Aneinander jagte die Schiffe wilder thrakischer Orkan; sie selbst im Ungestüm des Schloßensturms, Des typhoischen Wetters, wild vom Horn des Kiels zerfleischt, Verschwanden spurlos in des Treibers Kreiseltanz. Als dann das Frühlicht tagend endlich wieder schien, Da sahn wir rings des stillen Meeres Spiegel blühn Von Griechenleichen, von zerschellter Schiffe Wrack. Uns aber hat und unser unversehrtes Schiff Entwendet, glaub ich, oder bittend frei gemacht Ein Gott, ein Mensch nicht, der das Steuer uns gelenkt; Mitfahrend saß beim Ruder Tyche, Retterin, Daß nicht den Kiel am Ankerplatz noch böse Flut Bedrohte, noch am Klippenstrand er scheiterte. Also dem Hades des empörten Meers entflohn, Mißtrauten unsrem Glück wir auch am heitren Tag Und ließen weiden unsren Gram das neue Leid Des mühbeladnen, jammervoll zerstäubten Heers. Und freut von jenen einer noch des Atems sich, So redet auch von uns er wie von Toten; denn Wir wieder meinen, ihnen sei es so geschehn. So gut es kann, mag's werden; doch Menelaos nun, Der kommt zuerst wohl und vor allen noch zurück; Denn wenn ein Lichtblick irgend noch des Helios Ihn leben sieht und weben durch Zeus' ewgen Rat, Der sein Geschlecht doch nimmermehr vertilgen will, So bleibet Hoffnung, daß er einst noch wiederkehrt. – Soviel du hörtest, Wahres nur hast du gehört! Herold ab. Erste Strophe Wer erfand den Namen einst, Namen überall bewährt, Wenn nicht der, den keiner schaut, der voraus all Verhängnis überdenkt, Auch das Wort im Zufall lenkt – Helena deutungsvoll die vielstreitige, speererrungne nennend, Die, ein Elend allem Geschwader und Volk, aus des Gemahls Teppichumhülltem Lager floh, fahrend mit segelblähndem Westwind? Und des Kiels flutenverwehter Fährte nachjagten mit Schild und Speer die Jäger, Fern gen Simoeis' Uferland steuernd, dem laubumgrünten, Mit dem empörtesten Blutdurst! Erste Gegenstrophe Rechte Gramverschwägrung war's, Die den Troern Götterzorn, Endesinnend, hat gesandt, für des Gasttisches arge Schändung einst, Für des höchsten Hortes Schmach Buße vom Freudenfest, vom brautfeiernden Hymnos einzufordern, Von dem Hochzeitlied, das die Schwäger daheim sangen mit Stolz; Doch es verlernte solchen Sang bald die ergraute Priamsfeste; Und in Gramliedern beseufzend ihre Not, schrie sie, verfluchte sie Paris' Untat, Noch bevor sie das ganze graunvolle Geschick des Volkes sah In dem entsetzlichen Blutbad! Zweite Strophe Es zog also ein Mann einst, Ein Löwenjunges der Muttermilch raubend, selbst sich den Rächer; Denn es erschien im Anfang, Zahm mit den Kindern zu spielen, Treuer Begleiter der Alten, Ruhete oft in ihrem Arm, Wie ein gehegter Säugling pflegt, Sah hellblickend zur Hand herauf, an sich schmiegend vor Hunger. Zweite Gegenstrophe Gereift endlich enthüllte Die Art er seines Geschlechtes; denn, als der Pflege Vergeltung, Riß er sich ungeladen Schafe der Herde zum Mahle, Tünchte des Haus mit dem Blute rings – Für die Bewohner übergroß Unverwindbar bittres Leid; Gottgesandt dem Geschlecht erwuchs so ein Priester des Unheils. Dritte Strophe In gleicher Art kam gen Ilion, ich möchte sagen: Ein Sinn wie glanzheitre Meeresstille, Ein Kleinod wunderholden Reichtums, Lieblich geheimen Blickes Pfeil, Herzbetrübende Liebesblüte; Doch enttäuscht endlich, erfüllt' selbst sie das grambittere Ziel der Hochzeit, Die, hinweg Frieden und Lust scheuchend, in Priamos' Haus geflohn kam, Geschenk des gastlichen Zeus, Brautbeweinte Erinnys! Dritte Gegenstrophe Ein greises Wort, vielberühmt den Menschen, lautet also: Der große, volkreiche Glückessegen Gebiert, stirbt nimmer kinderlos; Und in des Glückes Garten wächst Unersättlicher Jammer wuchernd! Doch erkennt anders es mein Geist; denn des Menschen böser Wandel, Er erzeugt andere Untat, an des Vaters Zügen kenntlich! Doch frommen Häusern erblüht Kinderseliges Heil stets! Vierte Strophe Es zeuget gern Übermut alter Zeit Übermut fort und fort, Der im Leide grünt und reift – Sei's heut, sei's morgen, wenn nur erst die rechte Stunde kommt –, Den unüberwindlichen, den allverhaßten, den Abscheu des Sonnenlichts, in des Geschlechts Nachtdunkler Schuld göttervergeßne Frechheit, Wieder dem Vater ähnlich! Vierte Gegenstrophe Doch Dike strahlt unter armselgem, rauchschwarzem Dach, Ehret frommes Leben hoch; Wer aber goldgewirkte Pracht mit schmutzger Hand sich webt, Da flieht des Vaters hehre Tochter, den Blick abgewandt, des Reichtumes Gewalt, Von feilem Lob falsch gemünzt, verachtend; Jegliches probt am Ziel sie! Auf hohem Siegeswagen tritt Agamemnon auf; neben ihm sitzend Kassandra. Etwas später tritt Klytaimestra aus dem Palast. Mein König und Herr, Du des Atreus Sohn, der du Troja bezwangst, Wie red ich dich an, wie ehr ich dich jetzt Nicht überentzückt, nicht niedergedrückt Von der Freude des Tags? Wohl mancher versucht zu erheucheln den Schein, Überschreitend das Maß des Gerechten! Mit dem Unglückselgen zu klagen ist leicht Alljeder bereit; doch die Nadel des Grams Dringt dem niemals bis zum Herzen! Und Fröhlichen wieder erscheinet er froh Und zwingt nichtlachende Stirn, daß sie lacht. Doch wer wie ein wackerer Hirte des Volks Achtgibt, dem birgt solch Auge sich nicht, Das, ein treues Gemüt zu bekunden bemüht, Liebäugelt in wäßriger Freundschaft! Du dünktest mich einst, da du fort in den Krieg Um Helena zogst – nicht berg ich es dir –, Sehr töricht zu sein, und es blieb mir im Geist, Daß du nicht recht lenktest das Steuer des Sinns, Unwilligen Mut Für Kampf und Tod zu erzwingen. Jetzt aber erfreut mich im tiefsten Gemüt Die Gefahr, die glücklich vorbei euch zog; Du wirst mit der Zeit, wenn du nachforschst, sehn, Wer löblich und wer nicht, wie es sich ziemt, Von den Bürgern die Stadt dir bewahrt hat. Zuerst gebührt sich's, Argos und die heimischen Gottheiten fromm zu grüßen, die zur Wiederkehr, Zu meinem Recht mir halfen, das ich von Priams Stadt Gefordert habe. Sie, des Streites Richter nicht Nach Red und Gegenrede, warfen offenbar In des Blutes Urne Trojas männermordende, Des Todes Kugel; bei der andern, unberührt Von aller Hand noch, saß die Hoffnung kummervoll. Am Rauch erkennt man Trojas Trümmerstätte jetzt; Die Todeswolke lebt und weht, und sterbend haucht Des einstgen Reichtums schwülen Qualm die Asche noch. Dafür gebührt den Göttern vielgedenker Dank, Da auch die Tücke wutgeschürzter Schlingen wir Vergolten haben und des Weibes wegen jetzt Die Stadt in Staub trat das Argiver-Ungetüm, Des Rosses Nestling, unser schildgewandtes Volk, Das sich zum Fang hob um der Plejaden Untergang; Da übersprang den Wall es, ein blutdurstger Leu, Und leckte dürstend sich im Königsblute satt. Den Göttern hab ich diesen ersten Gruß gesagt; Zu deiner Meinung, der ich wohl gedenke, dies: Dasselbe sag ich und vertrete, was du sprachst; Denn wenig Menschen ist es angeborne Art, Den hochbeglückten Freund zu ehren sonder Neid; Denn in das Herz tief frißt sich ein des Neides Rost Und kränkt mit zweifach bösem Gram den Krankenden; Von eignem Leide nieder schon gedrückt, beseufzt Er's doppelt bitter, daß er andre glücklich sieht. Wohl nennen darf ich – denn ich hab es selbst erkannt In meines Lebens Spiegel – eines Schattens Bild Den Schein der Treue, den mir viele viel gezeigt; Und nur Odysseus, welcher ungern mit uns zog, Trug willig mit mir, unter gleiches Joch gebeugt! – Ob er der Toten einer, ob am Leben noch, Weiß Gott! – Das weitre für die Götter und die Stadt, In der Volksversammlung wird es nach gewohnter Art Erwogen werden; was sich gut und tüchtig zeigt, Für dessen Aufrechthaltung wird zu sorgen sein; Doch wo's des Arztes und der Arzenein bedarf, Da auch mit Schnitt und Feuer, doch voll Liebe werd Ich solchen Aussatz wegzutilgen mich bemühn. Und nun zum Palast und zum Herde heimgekehrt, Heb ich den Göttern betend meine Hand empor; Die fern hinaus mich sandte, die mich heimgeführt, Nike, die mir gefolget, sei mein immerdar! Argiver, Bürger, unsrer Stadt ehrwürdger Stolz! Nicht soll's mich schämen, wie ich liebe meinen Mann, Vor euch zu sagen; sondern auslischt uns die Zeit Die blöde Scheu vor Menschen. Eignen Grams belehrt, Will ich erzählen, wie ich still und kummervoll Fortlebte, während jener lag vor Ilion. Schon daß so weit von ihrem Mann getrennt ein Weib Einsam daheim sitzt, das ist unaussprechlich hart; Gerüchte hört sie, viele, widersprechende; Bald daß er komme, bald er bringe mit zurück, Was schlimmer als das Schlimmste sei, so heißt's im Haus. Und wenn ihm soviel Wunden dort geschlagen sind, Wie das Gerücht uns fort und fort zu Ohren kam, Sein Körper wäre wie ein vieldurchlöchert Netz; Und wär er stets gefallen, wenn gesagt es ward, Gleich einem zweiten dreigeleibten Geryon Könnt er im Leben – denn vom Tode red ich nicht – Gar manch ein dreifach Leichentuch zu haben schon Sich rühmen, einmal sterbend mit jedwedem Leib. Um solcher unglückselgen Kunde willen war's, Daß mancher Schlinge, hochgeknüpft um meinen Hals, Mich überrascht und wider Willen man entriß. Zu Agamemnon. Drum steht der Knabe nicht mir, wie es müßte sein, Er mein und deiner Liebe liebes Unterpfand, Orest mir nicht zur Seite; wundre drum dich nicht! Dein treuer Gastfreund zieht ihn dir wohlwollend auf, Der Phoker Strophios, der mir viel Bedenkliches Vorausgesagt hat, wie in Gefahr vor Ilion Du schwebtest, wie das herrscherlose Volk den Rat Leicht in Empörung stürzte, wie es angeborn Den Menschen sei, Gestürzten doppelt weh zu tun. Glaub nicht, es berge dies Entschuldgen dir Betrug! – Mir aber ist der Tränen ewig strömender Brunnquell versieget; drinnen ist kein Tropfen mehr; Mein spätentschlummernd Auge krankt und schmerzt mich sehr; Um dich zu weinen, saß ich Mitternächte durch, Von denen du nichts wußtest; wieder dann im Traum Erweckte früh mit schwirrend leisem Flügelschlag Mich eine Mücke, wann ich deiner Leiden mehr Sah, denn die Zeit begreifen konnte, die ich schlief. Nachdem ich alles das mit ungebeugtem Sinn Ertragen, nun begrüß ich dich des Hauses Hort, Ein allerrettend Ankertau, des hohen Dachs Grundfester Pfeiler, eines Vaters einzig Kind, Und Land, dem Schiffer wider Hoffnung aufgetaucht, Ein schönster Frühlingsmorgen nach dem Wintersturm, Dem müden, durstgen Wandersmann ein frischer Quell! So selig ist es, aller Not entflohn zu sein, Und solchen Grußes acht ich dich darum mir wert! Fern bleibe Mißgunst; haben wir doch Gram genug Zuvor erduldet! – Nun, o du mein teures Haupt, Steig mir von deinem Wagen; auf die Erde nicht Setz deinen Fuß, Herr, den Zertreter Ilions! Was säumt ihr, Mägde, da euch aufgetragen ist, Die Decken hinzubreiten über seinen Weg! So eilt, daß purpurüberdeckt ihm sei der Gang, Den wider Hoffnung Dike leitet seinen Fuß; Das andre wird mein Sorgen, das kein Schlaf bezwang, Gerecht, so Gott will, bald erfüllen, wie es muß! Die Sklavinnen breiten Purpurteppiche bis zum Palast. Du Tochter Ledas, meines Hauses Hüterin, Du sprachst der Zeit, die ich entfernt war, wohlgemäß In gleicher langer Rede; doch ein echtes Lob – Aus fremdem Mund muß kommen uns ein solch Geschenk. Auch wolle sonst nicht mit mir zärteln nach der Art Der Weiber noch am Boden liegend tief herauf, So wie's Barbaren tun, mir knechten deinen Gruß, Noch mache gar mit deinem Purpur meinen Weg Verhaßt: die Götter nur ist so zu ehren recht! Daß ich, ein Mensch, auf bunten Prachtgewanden soll Hinschreiten, mir ist's Grund zu mehr als eitler Furcht; Ich will geehrt als Menschen, nicht als Gott mich sehn; Auch ohne deiner Decken, deines Purpurs Stolz Erhebt der Ruf mich, und es ist, nicht argen Sinns Zu sein, der Götter größt Geschenk. Den mag beglückt Man preisen, der sein Leben schließt im lieben Glück; Wenn mir es stets so würde, hätt ich frohen Mut! O sage du nicht mir das wider meinen Wunsch! Den Wunsch bewahr ich, glaub mir, unveränderlich! Hast du gelobt aus Furcht, es irgend je zu tun? Wenn einer, hab ich meinen Entschluß wohl bedacht! Was, meinst du, täte Priamos wohl an deiner Statt? Ich glaube, der beträte deiner Decken Pracht! So habe nicht mehr vor der Menschen Tadel Scheu! Und doch gewichtig ist des Volkes Stimme stets! Wer unbeneidet, ist des Neides nimmer wert! Streit aufzusuchen ziemet für ein Weib sich nicht! Jedoch besiegt zu werden dem, der glücklich ist! So achte du auch meinen Sieg in diesem Streit! Gib nach, gewähre willig mir die Oberhand! Nun, wenn du gern willst, mag man schnell die Sohle mir Abbinden, meines Fußes treue Dienerin, Daß nicht mich fernher treffen mag, wenn ich in ihr Auf Purpur wandle, eines Gottes neidscher Blick: Denn ich fürchte sehr zu verderben meines Hauses Glück, Wann solchen Reichtum, solch Geweb mein Fuß verdirbt! Davon genug jetzt. Dieses fremde Mädchen führ Ins Haus mir freundlich; wer als Herr sich mild erzeigt, Auf den herab sieht mild und gnadenreich der Gott; Mit frohem Herzen trägt ja niemand Sklavenjoch. Aus vielen Beuten als die schönste Blume mir Vom Heer erlesen und geschenkt mir, kam sie mit. So will ich, da ich dir zu folgen über mich Gewann, ins Haus gehn, tretend auf des Purpurs Glanz! Geht in den Palast. Es ist ein Meer noch – und das Meer, wer schöpft es leer? –, Das vielen Purpurs silberaufgewägten Saft Erzeugt, den immerneusten, prachtkleidfärbenden, Davon, den Göttern dank es, Herr, dein Haus besitzt! Zu haben, nicht zu darben hat dein Haus gelernt. Und viele Decken hätt ich zum Zertreten gern Gelobt, wenn das mir ein Orakel angezeigt, Als Dank, daß heim dein Leben du mir hast gebracht. Denn lebt die Wurzel, so umgrünet Laub das Dach Und breitet Schatten vor dem heißen Sirius; Du, heimgekehrt mir an den heimatlichen Herd, Mir kündest Frühlingswärme du in Winterszeit; Und wieder, wenn in herber Traube Zeus den Wein Läßt reifen, lieber Kühle gleich weht's dann im Haus, Weil du vollendend wieder heimgekommen bist! – Zeus, Zeus Vollender, endlich ende mein Gebet; In deine Hände leg ich, was du enden mußt! Ab in den Palast. Erste Strophe Warum ist's, daß immerfort Jenes Zeichen meinem Blick, Meinem ahndungsvollen Geiste vorschwebt? Daß der Gesang ungelohnt, ungeboten mir weissagt? Warum nicht, vergessend sein, Sein wie eines dunklen Traums, Weilt auf meines Gemüts liebem Thron getroster Mut? Und doch: vorbei ist längst die Zeit, daß fern am Strand Heer und Schiffe man altern ließ, als zur See gen Ilion Unser Heer gezogen war! Erste Gegenstrophe Eigner Zeuge, eignen Augs Sah ich ihre Wiederkehr; Dennoch singet drinnen harfenlos mir, Willenlos mir den Trauergesang der Erinnys Meine Seele, ruhig nicht Durch der Hoffnung frohen Mut! Und dies Bangen, erwägt's kalter Ernst, so täuscht sich nicht Mein Herz, vom Strudel nahnder Erfüllung miterfaßt! Möcht es anders, wie ich's geahnt, möcht es ewig unerfüllt Als ein Nichts in Nichts vergehn! Zweite Strophe Denn es verzehrt, heimlich zerstört alle blühnde Gesundheit selbst sich; ihr Nachbar, Wohnt, Mauer an Mauer ihr, lauerndes Siechtum! Mitten in glücklicher Fahrt Treibet des Menschen Verhängnis Auf verborgene Scheiterklippen; Wirft Besorgnis einen Teil Dann hinab vom reichen Gut, Einen vollgemeßnen Wurf, Nicht versinkt sein Haus dann ganz, Grambelastet allzusehr, Noch verschlingt die See den Kiel; Wahrlich, reifende, reichliche Gabe des Zeus in den jährlichen grünenden Fluren Sättigt leicht den Hungernden! Zweite Gegenstrophe Doch in den Staub wenn das dahinsterbend dunkele Blut einmal sich gemischt hat, Wer ruft es mit Zauber zurück in das Leben? Welcher vor allen verstand Tote zu wecken, es zwang den Zeus, nicht schonend, zur Ruh des Todes. Aber wenn es kein Geschick Gottbeschieden hinderte, Längren Lebens froh zu sein, Eilen würde da mein Herz, Auszuströmen diesen Wunsch; Doch im Dunkel kummervoll Pocht es zagend, im Tiefsten verzagend, das Knäuel der Gedanken zu lösen, Wild umtost von dunkler Angst! – Klytaimestra tritt eilig aus dem Palast. So komm hinein doch! Du, Kassandra, bist gemeint; Nicht zürnte Zeus dir, daß er in unsrem Hause dich Am Opfer teil läßt nehmen, mit den übrigen Dienstboten hinzutreten an den heilgen Herd. So steig herab vom Wagen! Laß den eitlen Stolz! Denn auch Alkmenes Sohn, so sagt man, trug es einst, Verkauft zu leben und gezwungen Knecht zu sein. Wenn nun ein Schicksal dieser Art jemandem wird, So ist ein altbegütert Haus am leidlichsten; Doch die sich Reichtum unerwartet ernteten, Sind ihren Sklaven immer hart und ungerecht. So weißt du also, wie's bei uns gehalten wird. Sie hat zuletzt dir recht ein wahres Wort gesagt, Und bist du einmal im verhängten Netz, so folg, Da du ihr doch mußt folgen; oder folgst du nicht? Versteht sie nicht, gleich Schwalben, unverständliches Geschwätze der Barbaren nur, so rat ich ihr Mit klaren Worten, wohlverständlich, daß sie folgt! Geh mit! Sie rät das Beste, was dir übrig ist; Gehorche! Steig aus deinem Wagensitz herab! Nicht hab ich Muße, lange vor den Türen hier Zu weilen; denn in Hauses Mitten am Altar Steht unser Opfer schon am Feuer uns bereit, Die wir uns niemals solche Lust erwarteten. Willst du dabeisein, nun, so zögre länger nicht, Und kannst du unvernehmlich nicht mein Wort verstehn, So sag's mir statt mit Worten mit der Barbarenhand! Ein klarer Dolmetsch scheint der Fremden not zu sein, Sie ist so schüchtern wie ein neugefangen Wild. Nein, ist von Sinnen, hört nur ihrem argen Trotz, Daß sie entfernt von ihrer neugefangnen Stadt Herkam; dem Zügel sich zu fügen scheint ihr fremd, Eh nicht, gepeitscht, sie blutgen Schaum zu Boden trieft! Nicht weiter nutzlos sprech ich hier zur eignen Schmach! Eilig ab. Und ich – mich jammert deiner –, eifern will ich nicht! So komm, du Arme; deinen Wagen laß allein; Dem Zwange weichend, weih das neue Joch dir ein! Erste Strophe Ha, Götter! Oh! Apollon! Apollon! Was rufst du solch ein traurig Ach dem Loxias? Er ist der Gott nicht, dem des Grames Ruf gebührt! Erste Gegenstrophe Ha, Götter! Oh! Apollon! Apollon! Von neuem rief sie mit entweihndem Schrei den Gott, Dem nie gerecht ist, solchem Jammer nah zu sein! Zweite Strophe Apollon! O Apollon! Du Wegführer! O Abholder mir! Abhold verdirbst du gar mich ganz zum zweitenmal! Ihr eignes Unheil will sie wohl verkündigen; Des Gottes Geist weilt auch im Sklavensinne noch! Zweite Gegenstrophe Apollon! O Apollon! Du Wegführer! O Abholder mir! Wohin geführt hast du mich, ach, in welches Haus? Zum Hause der Atriden, wenn du nicht es weißt; Ich sag es gern dir, falsch erfindest du es nicht! Dritte Strophe Ha! Götterverhaßtes Haus! Du von unzählger Schuld Zeuge, von Strick, von Wechselmord, Von Mannes Opferbecken, Boden blutbespritzt! Scharfspürend scheint die Fremde, wie ein Jägerhund, Zu wittern, wessen Todesblut sie spüren mag! Dritte Gegenstrophe Ha! Diese belehren mich, deutliche Zeugen sind's, Weinende Kindlein, jäher Mord, Ihr Fleisch gebraten und vom Vater aufgezehrt! Wir haben sonst schon viel von deinem Seherruf Erfahren alle, suchen jetzt Wahrsager nicht! Vierte Strophe O Götter ihr! Weh, was ersinnt sie jetzt? Welch unerhörtes, neues Weh, Welch gräßlich Unheil drinnen beginnt die Wilde jetzt – Unsagbar, unsühnbar, ein Fluch allen! Ach, und Hilfe von keiner Seite! Mir unbegreiflich sprachst du dies Orakel aus; Klar war mir jenes; denn die ganze Stadt erzählt's! Vierte Gegenstrophe Unselge du! Wehe, du führst's hinaus! Der an der Seite dir geruht, Den du ins Bad lockst, deinen Herrn – wie sag ich's ganz? Denn gleich ist's erfüllt – frech hervor recket, ach! schon hastig sich Arm um Arm! Ich faß es nimmer, unerklärlich Rätsel birgt Mir deiner zukunftschwangren Worte dunkler Sinn! Fünfte Strophe Ach! ach! o schau! o schau! Wieder, was seh ich da? Ist's gar ein Netz des Todes? Die Schlinge Bettgenossin, Blutgenossin Des Mordes ist's! Jauchze, du wilder Haß Dieses Geschlechtes, jetzt diesem Blutopfer zu! Weh! Welchen Dämon rufst du auf, in diesem Haus Wild aufzujubeln? Fröhlich macht dein Wort mich nicht! Nein, in das Herz zurück stürzt mir in dumpfer Angst Das Blut totenbleich, wie der Verwundeten Brechendes Auge der Tod tief in Nacht hüllt; Verderben eilt gar zu schnell! Fünfte Gegenstrophe Ach! ach! o sieh! o sieh! Halt von der Kuh doch fern Den Stier! Im weiten Mantel Fängt sie den schwarzgehörnten ein mit arger List! Sie trifft – er sinkt, sieh, in des Beckens Flut! – Von dem Geschick in mordlistgem Bad hörtest du! Nicht großer Kunde rühm ich mich im Deuten von Orakelsprüchen; doch ein Unglück ahnd ich hier! Wo ist ein freundlich Wort von den Orakeln je Den Sterblichen gesandt? Im Leid selber erst Lassen verstehn die vieldeutigen Sprüche Die gottgeweissagte Furcht! Sechste Strophe O mein, der Armen, gar zu betrübtes Los! Denn um mein eigen Leid sing ich die Klage mit drein! Warum denn hierher hast mich Arme du gebracht? Doch einzig, daß ich mit dir stürbe! Wozu sonst? Dich hat ein Gott verwirrt, Dir das Gemüt verstört, daß unselgen Sang Du von dir wie die Nachtigall wehklagst, Die im betrübten Sinn, ach! des Rufs nimmer satt, Itys, o Itys! seufzt; ewiger Gram umblüht Ihr Wehklageleben! Sechste Gegenstrophe O selig Schicksal singender Nachtigall! In den beschwingten Leib kleideten Götter sie Und gaben süße, tränenlose Tage ihr; Doch meiner harret Mord von doppelscharfer Axt! Aber von wannen kam, Kam dir vom Gott gestürmt der Angst eitler Wahn, Daß du dir die Gefahr so tief wehklagst, Wider sie jammerlaut, hellen Schmerz gellend schreist? Wer hat das Ziel der weissagenden Klage dir, Das Fluchziel, gesetzt? Siebente Strophe Du Ehe, Paris' Ehe, weh! Die du den Freunden Tod gebracht! O du Skamandros, meiner Väter Trank! An dem Gestade dein lebte ich Arme wohl glückliche Tage sonst! Nun glaub ich, am Kokytos, an des Acheron Felsufern werd ich singen meine Sprüche bald! Wie du es uns mit dem Wort gar zu verständlich sagst! Und auch ein Kind verstünde dich; Mich schlägt, blutig schlägt nagender Kummer mich, Wie dein bittres Los wissend umsonst du beweinst, Wunder zu hören mir! Siebente Gegenstrophe Du Gram, o Gram du meiner Stadt, die du zumal dem Tod erlagst, Oh, meines Vaters fromme Opfer ihr, Prangender Herden Blut, unserer Stadt zum Heil; aber es gab kein Heil, Daß unsre Stadt nicht litte, was ihr jetzt geschehn! – Ich aber sinke bald im heißen Todeskampf! Wie du vorher, so sprichst wieder du gar zu klar! Sag, welcher schwererzürnte Gott Erfaßt überstark dich, stürmt wild dich empor, Daß Wehklage du, Jammer des Todes du singst? Wie wird das Ende sein? Es soll von nun an unter Schleiern nicht hervor Die Verheißung blicken gleich der neuvermählten Braut; Ein heller Frühwind, wird sie wach, dahinzuwehn Gen Sonnenaufgang, und es rauscht wie Meeresflut Bei dieser Blutschuld erstem Strahl gewaltiger Empor! Verkünden will ich nicht in Rätseln mehr! Und seid mir Zeuge, daß ich, jeder Spur gewiß, Des allverübten Frevels Fährte wittere. Denn dieses Haus läßt nimmermehr des Chors Gesang, Der, laut und doch mißlautig, Frohes nimmer singt. Denn, voll und trunken bis zum frechsten Übermut Vom Menschenblut, tobt durch das Haus ein Trinkgelag, Der Erinnyen schwergebannter, blutsverwandter Schwarm; Ihr gellend Trinklied singen sie, an den Herd geschart, Urerste Blutschuld, schmähen und verfluchen dann Des Bruders Ehbett, das den Schänder niederschlug! Verfehl ich's, treff ich's, wie die Jägerin ihr Wild? Und Lügenseherin, Bettelprophetin, sprich, bin ich's? So schwöre mir zu zeugen, daß ich klar gewußt Von dieses Hauses altgeerbter Frevelschuld! Wie mag des Schwures fromm geschlungen Band ein Heil Gewähren? Doch dich staun ich an, daß, über See Geboren, alles du uns Andersredenden Kannst nacherzählen, gleich als hättest du's gesehn! Es gab Apollon mir, der Seher, dieses Amt. Vielleicht, ein Gott er, dir in Liebe doch besiegt? Vor diesem hab ich mich geschämt, das zu gestehn. Zu zartgewöhnt sind freilich alle Glücklichen. Mein Buhle war er! Und er hat mich sehr geliebt! Und hat der Gott in seiner Liebe dich erkannt? Versprochen hatt ich's, und belog den Loxias! Da du der gotterfüllten Kunst schon mächtig warst? Ja; schon verhieß ich meinem Volke jedes Leid. Ließ ohne Strafe dich der Zorn des Loxias? Es glaubte niemand nichts mir, seit ich das getan! Uns wahrlich scheinst du gar zu wahr zu prophezein! O Gott! Weh! Qualen! Auf reißt mich wieder der Begeistrung wilder Schmerz! Im jähen Wirbel stürmen Sprüche wirr hervor! Ha! seht ihr die dort sitzen vor der Tür, so still, So jung, der Träume Truggestalten gleich zu schaun, Zween Knaben gleich, als hätten Freunde sie gewürgt, Die kleinen Hände mit des eignen Fleisches Kost, Der eignen Eingeweide jammervollem Mahl Gefüllt, davon der eigne Vater gessen hat? Um diese sinnt jetzt auf Vergeltung, sag ich dir, Ein Löwe Feigling, Hauses Hüter, seines Betts Nestling, Vergeltung. Wehe deinem teuren Herrn Und meinem – Sklavin bin ich ja und trag es auch! Der Schiffe König, Ilions Bewältiger, Nicht weiß er, wie ihr Willkommen ihm die Gleisnerin, Der scheußlichen Hündin Lippe, wie ein heimliches Verhängnis bald vollenden wird zum Gruß des Fluchs! Sie wagt's! Das Weib des eignen Mannes Mörderin! Welch scheußlich Untier leihet seinen Namen ihr, Der träfe? Nenne Drachen, nenne Skylla sie! In tiefer Klippenhöhle aller Schiffer Tod, Wahnwitzge Hadesmutter, die sühnlosen Fluch Den Lieben zustürmt! – Wie sie laut gejauchzet hat, Die Allverwegne, gleich als schlage sie den Feind, Sie nennt es Freude, daß er glücklich heimgekehrt! – Und ob es niemand glaube, nun gilt's gleich. Wie nicht? Es kommt die Zukunft; um ein kleines Zeuge selbst, Nennst du mich weinend allzuwahre Seherin! Das Mahl Thyestens von der eigenen Kinder Fleisch Erkannt ich, und mich schaudert; Furcht bewältigt mich, So wahr zu hören, was ich nicht mißdeuten kann; Doch für das andre, da verlier ich jede Bahn! Agamemnons Ende, sag ich, wirst du heute sehn! Kein böses Wort, Unselge, schweige deinen Mund! Und doch ersteht dir keiner, der dem Worte wehrt! Ja, wenn's geschehen ist; aber nimmermehr gescheh's! Du mögest beten! Jene sorgen für den Mord! Sprich, wessen Hand wird solche Freveltat begehn? Was ich geweissagt, überhört hast du es sehr! Nein, doch begreif ich des Vollbringers Ränke nicht! Und doch versteh ich der Hellenen Sprache wohl! So auch die Pythosprüche, dunkel sind sie doch! Ha! Welches Feuer! Brennend flammt's an mir empor! Ha, du, Lykeios Apollon! Wehe, weh mir! Ach! Da die, die Menschenlöwin, die geschlafen hat Beim Wolf, da fern der hochgeborne Löwe war, Mich Arme will sie töten, will zu ihrem Haß Ihm, ach! in den Gifttrank mischen auch den Lohn für mich; Sie wetzt das Messer ihrem Herrn, sie rühmt sich laut: Mord soll es rächen, daß er mich hat mitgebracht! Was hab ich länger mir zum Gespött den heilgen Schmuck, Den Zepter noch, den Seherkranz um meine Stirn? Fort! eh der Tod mich fasset, brech ich dich entzwei! Euch werf ich hin, verkommt ihr! So vergelt ich euch; Bringt einer andren eures Elends Bettelstolz! Sieh her, Apollon, der du mir mein Seherkleid Nun selber ausziehst, der auf mich du niedersahst, Als Freund und Feind mich auch in diesem deinen Schmuck Gar sehr verhöhnten, unverhohlen, wahnbetört! Gescholten Törin, Bettlerin, Lügenzauberweib, Wahnwitzig, elend, hungersüchtig – ich ertrug's! Nun hat der Seher mich, die Seherin, gestraft! Hat mich in dies Verhängnis, in den Tod geführt! Statt meiner Väter Altar harret mein der Block, Drauf blutig heißer, scharfer Mord bald mich erschlägt! Doch nein, ich sterbe nicht den Göttern ungerächt; Denn wieder wird einst unser Rächer nahe sein, Der Muttermörder, der des Vaters Mord vergilt; Ein irrer Flüchtling, kehrt er aus der Fremde heim Und setzt den Schlußstein aller Schuld der Seinigen. Geschworen also war den Göttern höchster Schwur, Sie nachzustürzen in des erschlagenen Vaters Sturz! – Warum erseufzet wieder mein, der Sklavin, Mund? Da ich zum ersten sah die Feste Ilion, Wie sie geendet, enden, meines Landes Volk Also hinweggetilget durch der Götter Spruch! – Ich geh, zu enden: leiden werd ich dort den Tod! Dich, Pforte, grüß ich, Pforte mir ins Schattenreich! Doch fleh ich eins, mich treffe gleich der Todesstreich, Auf daß, wenn mein sanftsterbend Blut zu Boden fließt, Sich ruhig ohne Todeskampf mein Auge schließt! O viel unselges, wieder auch viel weises Weib, Du sprachest reichlich. Aber wenn wahrhaftig du Dein eigen Schicksal weißest, warum gehst du, gleich Dem gottgetriebnen Stier, zum Altar festen Muts? Nicht gibt es Rettung, Freunde, nicht durch Zögern mehr! Doch wer der letzte zögernd bleibt, gewinnet schon. Nein, meine Stund ist kommen; Flucht frommt wenig mir! So wisse, leiden wirst du um so festen Mut! Begreifen kann das niemand von den Glücklichen! Ja, rühmlich sterben ist den Menschen süßer Trost. – Mein Vater! Über dich und deine Kinder, oh! Was ist dir? Welch Entsetzen schrecket dich hinweg? Weh, weh! Was will der Wehruf? Ist's ein Graun, das dich erfaßt? Mord haucht das Haus mir, blutumtrieften Mord mir zu! Nicht doch; der Weihrauch auf dem Herde duftet so! Es wehet Dunst mir wie aus einem Grabe zu! Kein syrisch Duftgepränge, das du rühmst dem Haus! So geh ich, so bewein ich noch im Hause mein Und Agamemnons Ende. Sei's des Lebens gnug! O Freunde! Nicht klagen will ich, wie der Vogel im Gebüsch, Furchtsam, vergebens. Mir, der Toten, zeuget einst, Wie das Weib an mein, des Weibes, Statt erschlagen liegt, An des Mannes Statt der fluchgefreite Mann erliegt! Mit diesem Gastgruß tritt hinein die Sterbende. Du jammerst, Arme, um den Tod mich, den du ahnst! Einmal noch sagen will ich letzten Spruch und Gram, Den eignen, meinen: dich beschwör ich, Helios, Beim letzten Lichte, fordern müsse, wer mich rächt, Von meinen Feinden, meinen Mördern gleichen Tod, Wie mich, die Sklavin, ihre Hand behend erschlug! O dieses Menschenleben! – wenn es glücklich ist, Ein Schatten stört es; ist es kummervoll, so tilgt Ein feuchter Schwamm dies Bild, und alle Welt vergißt's; Und mehr denn jenes schmerzt mich dies: vergessen ist's! – Ab in den Palast. Ein beglücktes Geschick, unersättlich im Gram, Ist's jedem, der lebt, und niemand wehrt Vom fingergezeigten Palast es zurück, Wenn er spräche: du nahe dich nimmer! Und diesem gewährt von den Seligen ward, Daß er Ilion nahm, In die Heimat kam, von den Göttern geehrt; Und soll der jetzt abbüßen das Blut Der Erschlagenen, soll mit dem eigenen Tod Der Getöteten Tod er entgelten, Wer rühmte sich noch, ihm bleibe gewiß Gramloses Geschick, wenn er das hört? Weh, bin verwundet! Todeswunde, die mich traf! Stille! Wer, zum Tod getroffen, ruft um seine Wunde laut? Weh mir noch einmal! Bin geschlagen wiederum! Ausgeführt schon scheint die Untat nach des Königs Weheruf! Lasset schnell uns überlegen, was zu tun am sichersten! So tu denn ich euch diese meine Meinung kund: Zum Palast her sogleich zu rufen alles Volk. Mir scheint es besser, einzudringen jetzt und gleich, Und schnell zu richten mit dem schnellgezückten Schwert. Auch ich, derselben Meinung zugetan wie du, Will, daß man handle; nicht zu säumen drängt die Zeit. Das sieht sich leicht ein; denn ein Vorspiel ist's, als ob Der Tyrannei Anzeichen uns man zeigen will. Wir zögern fort noch; aber die des Zögerns Ruhm Zu Boden treten, lassen nicht die Hände ruhn. Nicht weiß ich, welchen rechten Rat ich sagen soll, Doch um die Täter muß zuvor beraten sein. Derselben Meinung bin ich auch; nicht seh ich ein, Wie man mit Worten Tote wieder wecken will. Und sollten zur Gefahr des eignen Lebens wir Des Hauses Schändern weichen, künftig unsern Herrn? Nein, ich ertrag's nicht; nein, der Tod ist vorzuziehn, Da jedes Schicksal süßer ist denn Tyrannei. Doch sollten auf des Wehgeschreis Anzeige wir Schon überzeugt sein, daß der Fürst erschlagen ist? Erst wenn's gewiß ist, sollte man zu Rate gehn; Ein andres ist vermuten, andres klarzusehn. Dem beizustimmen bin ich überall geneigt, Daß man genau forscht, wie es steht um Atreus' Sohn. Aus der königlichen Pforte tritt Klytaimestra, das Beil über der Schulter; hinter ihr unter roten Decken Agamemnons und Kassandras Leichen. Wenn vieles sonst ich, wie die Zeit es heischte, sprach, So scheu ich jetzt das Gegenteil zu sagen nicht. Wie kann man anders, um den Feinden Feindliches, Die Freunde scheinen, anzutun, des Jammers Netz Klug stellen, höher, als ein leichter Sprung heraus? Mir brachte den Kampf, des ich lange schon gedacht, Der alte Hader; doch die Zeit erst reifte ihn. Hier steh ich nach dem Morde, wie ich ihn erschlug; Ich hab es so vollendet und bekenn es laut, Daß der dem Tod nicht wehren konnte noch entfliehn. Ich schlang ein endlos weit Geweb rings um ihn her, Gleich einem Fischnetz, falschen Glückes Prunkgewand; Ich schlag ihn zweimal, zweimal weherufend läßt Er matt die Glieder sinken; als er niederliegt, Geb ich den dritten Schlag ihm, für des Hades Zeus, Den Retter der Gestorbnen, frohgebotnen Dank. So fallend, hauchet er den Lebensatem aus Und trifft, des Blutes jähen Strahl ausröchelnd, mich Mit einem dunklen Tropfen feinen, blutgen Taus, Mir minder nicht zur Freude, als Zeus' Regenschaur Dem Acker, wenn in der Knospen Mutterschoß es schwillt. Um solchen Ausgang dürftet ihr, ehrwürdge Schar, Wohl freudig sein, wärt ihr es; ich frohlocke laut. Und war es Sitte, Spenden über Leichen auch Zu gießen, hier wär's wohl gerecht. Und ganz gerecht Hat er den Kelch so vieler fluchgemischten Schuld, Den er gefüllt, heimkehrend selber auch geleert. Wir staunen deiner Rede, wie du zungenfrech Noch solche Worte prahlest über dich und ihn! Mich prüfen wollt ihr als ein unbesonnen Weib! Ich aber sag euch sonder Furcht, was jeder selbst Hier sieht – ob loben du, ob du mich tadeln willst, Mir gilt es gleich: hier liegt Agamemnon, mein Gemahl, Und zwar als Leichnam, dieser meiner rechten Hand, Des gerechten Schlächters, Meisterstück! So steht es jetzt. Was für ein Gift, o Weib, Kostetest du, das dir zu essen die Erd, das dir des grauen Meers Tiefe zu trinken bot, Daß du dir solche Wut wecktest und Volkes Fluch? Die du ihn fingst, die du ihn schlugst, ja, dich verjagt die Stadt, Dich, den Bürgern ein Scheusal! Nun sagst du mir mein Urteil, aus der Stadt zu ziehn, Dem Volk ein Scheusal, von der Bürger Fluch verfolgt; Und hattest doch gar nichts zu sagen wider den, Der ohne weitres, gleich als wär es nur ein Lamm, Wie viele seiner reichen Herden Pracht ihm bot, Sein eigen Kind doch, meines Schoßes liebste Frucht, Ließ schlachten, thrakische Winde zu beschwichtigen. Und mußtest den du nicht verjagen aus dem Land, Den ungestraften Frevler? Nun, da du vernimmst, Was ich getan, bist du ein harter Richter. Doch Ich sag dir, und gerüstet bin ich, so zu drohn: In gleicher Art magst du mich, wenn du mich besiegst, Beherrschen; aber wenn ein Gott es anders fügt, So sollst du spät mir lernen, was verständig ist. Stolze, wie hoch du prahlst! Dreisteste du, wie du mir dräust! So frech von dem vergoßnen Blut Rast dir der Geist noch nach. Über dem Auge glänzt fett dir der Tropfen Blut, Noch ungerächt, doch es geschieht, daß du, von Freunden bar, Mord mit Mord noch entgeltest! Vernimm denn diesen meiner Schwüre heiligsten: So wahr mir Dike, meines Kindes Rächerin, Mir Ate und Erinnys, der ich ihn erschlug, Mag helfen, niemals hoff ich mich dem Haus der Furcht Zu nahn, solang auf meinem Herd das Feuer noch Aigisthos anschürt, wie bisher mir treugesinnt; Der wahrlich ist uns kein geringer Schild des Muts. – Da liegt er tot, der mein, des Weibes, Recht zertrat, Der Chryseiden Augenlust vor Ilion; Tot da die Lanzenbeute, Wunderseherin, Genossin seiner Nächte, Zukunftdeuterin, Die treue Buhle, die bei Ruderbank und Mast Mit ihm umherlag; trieben's doch nicht ungestraft! Da liegt er tot; und sie, die einem Schwane gleich Sich noch ein letztes Sterbelied gesungen hat, Tot neben ihrem Liebsten; meinen Nächten ist's Der süßen Wollust eine neue Würze mehr! Erste Strophe Ach, daß in Eile doch, ohne zu großen Schmerz, Ohne zögerndes Siechtum, Der Tod sich uns nahte, ewgen Schlaf, Nimmer geweckten, zu bringen. Tot liegt, Der uns der treuste Hüter war, Der vieles Weh um ein Weib duldete, Durch ein Weib nun des Lebens ward beraubt! Weh, Frevlerin dir, weh, Helena dir, Du allein hast viel, gar vielen entrafft Vor Ilion rüstiges Leben! Aber das Glorwürdigste, Rächerin, mörderisch tilgte sie es In wilder Blutschuld, Welche, haßempörter Haß, Mannes Mord, hier daheim im Haus blieb! Zweite Strophe Nicht wünsche das Los dir des Todes herbei, Hierüber betrübt, Noch werfe den Zorn auf Helenas Haupt, Als sei sie schuld, als habe nur sie So vielen Argivern das Leben entrafft Und endlos Weh dir erzeuget. Erste Gegenstrophe Dämon, der blitzesgleich du in des Tantalos Stamm und Doppelgezweig flammst, Gewalt, in gleich wilden Weibern rasend, Herz mir zerreißend, bewältigt hast du! Wie ein verhaßter Rabe steht Sie da an den Leichnamen, gedenkt widerlich Ihrem Haus herzujubeln ihren Sang! Zweite Gegenstrophe Nun sprach dein Mund wahrhafteren Spruch, Da den mächtigen du, Du den Dämon genannt hast unsres Geschlechts; Der nähret der Frucht in dem hoffenden Schoß Blutlechzende Gier; eh das alternde Weh Noch endet, erneut sich der Mord schon. Dritte Strophe Fürchterlich rühmst du des Hauses mächtigen haderempörten Dämon, Ach, traurigen Ruhm des grausen, unersättlichen Elends. Ach weh, ach Zeus, durch deinen Rat, Der alles fügt, der alles schafft; Denn was geschäh den Menschen ohne dich, Zeus? Was nicht wäre der Götter Schickung? Wie soll ich, ach, Mein König und Herr, wie weinen um dich, In der Liebe zu dir wie sprechen? Da liegst du verstrickt in der Spinne Geweb, Tot da, gottlos du erschlagen! Ach weh! weh! so unwürdige Ruhe dir! Von der doppelscharfen Axt Du mit der Hand wie ein Knecht erschlagen! Vierte Strophe Und rühmst du, daß dies mein Werk sei, So sage doch nicht, Ich sei Agamemnons Gattin auch; Denn dem Weibe des Leichnams dort an Gestalt Nur gleich, hat den des empörenden Mahls Alträchender, nimmer vergessener Fluch, Des Atreus wütender Rächer gestraft, Hinopfernd den Mann für die Knaben! Dritte Gegenstrophe Daß du an diesem Blut unschuldig, du Blutge, wer bezeugt's dir? Wer? Aber dir mochte beistehn seiner Väter Vergelter; In Strömen gleich entsprungnen Bluts Drängt fort und fort der öde Kampf; Er füllt, wohin er immer auch sich fortwälzt, Den Sumpf blutigen Kindermordes! Wie soll ich, ach, Mein König und Herr, wie weinen um dich, In der Liebe zu dir wie sprechen? Da liegst du verstrickt in der Spinne Geweb, Tot da, gottlos du erschlagen! Ach weh, weh! so unwürdige Ruhe dir! Von der doppelscharfen Axt Du mit der Hand wie ein Knecht erschlagen! Vierte Gegenstrophe 's ist nicht, glaub ich, unwürdiger Tod Dem worden zuteil; Hat denn er nicht blutige Tücke zuerst In das Haus mir gebracht? Nein, der mein Kind, Das von ihm ich empfing, das ich ewig bewein, Iphigenien mir unwürdig erschlug, Litt Würdiges jetzt; der beklage sich nicht In des Hades Reich, daß mordender Stahl Ihn strafte für das, was er anhub! Fünfte Strophe Ich sinn umsonst, jedes Rats entraten, Wie ich der Sorge Steuer Mir wenden soll, weil das Haus dahinstürzt; Ich fürcht des Unwetters wilden Schloßensturm, Den blutgen; aufhört's fortan zu tröpfeln! Es wetzt ein Recht zu andrer Buße sich Die Moira schon auf anderm Wetzstein. O Grab! o Nacht! o bedecktest du mich, Eh ihn ich geschaut, in den silbernen Sarg, In das Becken des Todes gebettet! Wer gräbt ihm ein Grab? Wer weinet ihm nach? Und willst denn noch du ihm, deinem Gemahl, Den du selber erschlugst, Grabfeier begehn? Für die Taten des Ruhms ihm ein schnödes Gepräng Lieblosester Liebe bereiten? Preisenden Feiergesang an dem Grabe, wer wird Den mit der Tränen Wahrheit Dem gottgleich hehren Helden singen? Sechste Strophe Nicht ziemt es sich dir, ihm solchen Gesang Zu begehn; durch mich Sank er und starb er, ich will ihn beerdigen, Nicht unter Gewein im Palast und Gemach; Iphigenia kommt, sein Töchterlein hold, Liebreich, wie sie muß, Ihm entgegen, dem Vater, zur schweigenden Fahrt Auf dem ächzenden Strom, Umhalset ihn zärtlich und küßt ihn! Fünfte Gegenstrophe Vorwurf erhebt sich rasch gegen Vorwurf. Und zu entscheiden, schwer ist's! Wer fällte, fällt; wiederbüßt der Mörder! Das aber doch währt, solang sich Zeus bewährt: Was jeder tat, leidet er; denn wer reißt Aus seinem Stamm die Gerte voll gerechten Fluchs? Verzweigt hat solch Genist das Schicksal! Sechste Gegenstrophe Eintraf auf den wahrhaftig der Spruch Der Orakel; doch ich, Bei dem Dämon im Pleistheniadengeschlecht Schwör ich's, selbst dies Unerträgliche bin Ich zu tragen bereit; nur möge fortan Er verlassen dies Haus und ein ander Geschlecht Heimsuchen mit wechselgemordetem Mord! Und hätt ich der Güter ein spärliches Teil, Ganz gnügte mir's doch, wenn des wechselnden Mords Wahnsinn aus dem Hause verschwände! Aigisthos kommt aus der Gastwohnung. O frohes Licht des Tages, der Gericht gebracht! Nun sag ich freudig, Rächer schaun den Sterblichen Die Götter hochher auf der Erde Missetat, Da den in den prachtgewebten Purpurdecken ich Der Erinnys, recht zur Lust mir, tot da liegen seh, Untat zu büßen, die des Vaters Hand beging. Denn einst hat Atreus, dieses Landes Fürst und Herr, Sein Vater, meinen Vater Thyestes, hör mich recht, Den eignen Bruder, der um das Reich mit ihm sich stritt, Hinausgestoßen aus der Stadt, aus seinem Haus; Heimkehrend drauf, am Herde hilfesuchend, kam Gramvoll Thyestes und erflehte Sicherheit, Daß er der Heimat Boden nicht mit seinem Blut Gemordet tränkte; doch zum Gastgeschenk gereicht Hat sein verruchter Vater Atreus, liebend nicht, Nein, schändlich meinem Vater, Festgelag und Schmaus Scheinbar bereitend, Kost von der eignen Kinder Fleisch; Er ließ die Füßlein und der Hände Fingerkamm Zu Kohlen brennen (über seines Herdes Glut Und gab vom andren meinem Vater, daß er aß;) Der, ohne daß er wußte, was er nehme, nahm Und aß vom Mahl, du siehst's, dem Fluchmahl des Geschlechts. Drauf als ihm klar wird dieser Tat Entsetzlichkeit, Da seufzt er, sinkt er nieder, speiet aus den Mord, Flucht den Pelopiden ungemeßnen Untergang, Häuft Graunverwünschung auf die Schmach des schnöden Mahls: Daß so der ganze Pleisthenidenstamm vergeh! Nach solchem Fluch kannst dort du den erschlagen sehn! Ich aber heiße seines Mords gerechter Schmied; Denn mich, den dritten zu den zween, trieb er fort Mit dem armen Vater, da ich klein in Windeln lag. Erwachsen führte Dike wieder mich zurück; Auch da ich fern war, hatt an ihn ich mich geknüpft, Geknüpft die ganze sichre Kunst heimtückscher List. So wäre selbst zu sterben jetzt mir leicht und lieb, Nachdem ich diesen in die Schlingen Dikes trieb! Aigisthos, Frechheit noch zum Frevel haß ich ganz; Du sagest, gern ermordet habest du den Mann, Allein ihm diesen jammervollen Tod gebracht – Ich sag dir, nicht wird im Gericht dein schuldig Haupt Des Volkes Flüchen und der Steinigung entgehn! Mir redest du das, der du der letzten Ruderbank Der Stadt gehörst, da unser noch das Steuer ist? So lern als Greis noch, wie in solchem Alter, Freund, Schwer ist zu lernen, daß man mäßge seinen Mund; Denn Ketten lehren und die Qual des Hungers selbst Das Alter, Wunderärzte, auserlesenste, Für jede Torheit. Bist du blind mit offnem Aug? Nicht wider den Stachel löcke, daß er nicht dich sticht! Weib, der du ins Haus schlichst, aufzulauern, wenn er heim Von Schlachten käme, und zugleich des Helden Bett Zu schänden, du sannst Tod dem Fürsten, meinem Herrn? Auch dieses Wort scharrt bittrer Tränen Quell dir auf! Du hast von Orpheus' Lippen ganz das Widerspiel: Der riß mit seiner Stimme Zauber alles fort, Empörend du mit deinem Schmähn die Mildesten, Wirst fortgerissen. Zahmer macht die Zucht dich bald! Und also du willst König nur in Argos sein, Der, als du Mord sannst, nicht einmal mit eigner Hand Hinauszuführen du gewagt hast deine Tat! Des Weibes war natürlich, ihn in List zu fahn; Ich aber schien verdächtig als ein alter Feind. Doch jetzt mit seinem reichen Schatz versuchen wir Das Volk zu knechten; wer mir nicht gehorchen wird, Ich will ihm schon aufpacken, bis ihn gutbejocht Der Hafer nicht mehr sticht; ihn wird des dunklen Lochs Langweilger Wirt, der Hunger, wohl noch ruhig sehn! Warum denn hast mit deiner feigen Seele du Nicht selber ihn ermordet, sondern ihn das Weib, Des Landes Abscheu und der Landesgötter Greul, Erwürgt? Orestes, lebte der noch irgendwo, Auf daß, zur Heimat einst in Tyches Schutz gekehrt, Er dieser zwei glorreicher Mörder möchte sein! Daß du also wagst zu sprechen und zu tun, du büßt es gleich! Auf denn, liebe Kampfgenossen, ferne nicht mehr ist der Kampf! (AIGISTHOS. Rüstet euch und stellt euch zu mir, macht zuschanden solchen Hohn!) Auf denn! Hab zum Kampf ein jeder sein entblößtes Schwert bereit! Mein entblößtes Schwert in Händen weigr ich mich dem Tode nicht! Was du vom Tod gesagt, es gelte! Mag das Glück denn Richter sein! Nimmermehr! O teure Männer, häufet nicht noch neues Weh! Nein, auch das noch einzumähen, allzublutge Ernte wär's! Nein, genug schon ist des Jammers; Blutvergießen wollet nicht! Geht, o Greise, geht nach Hause, eh in Wunden ihr der Tat Straf und Reue leidet; nehmen müßt ihr dies, wie wir's getan! Ja, wenn einem Leid zuteil ward, haben wir des wohl genug, Die wir schwerste Wunden leiden durch des Dämons harten Zorn. Dies ist mein, des Weibes, Meinung, wenn mir einer folgen will! Aber daß mit frecher Zunge diese mich verhöhneten, Daß sie solches Wort mir anspien, frech versuchten mit dem Gott, Jede Mäßigung vergaßen, sich empörten ihrem Herrn – Einem feigen Mann zu schmeicheln, nicht Argiver Sache wär's! Doch ich denk, in künftgen Tagen bin ich auch noch unter euch! Nimmer, wenn es fügt der Dämon, daß Orest zurückgekehrt! Ja, ich weiß, Vertriebne nähren sich mit solcher Hoffnung gern! Schalte, schwelge, mach zuschanden Fug und Recht, weil du es darfst! Glaub mir, büßen deine Torheit sollst du mir aufs bitterste! Prahle keck und kühn dem Hahn gleich, wenn er bei der Henne steht! Achte nicht ihr eitel Schwätzen weiter; ich und du, wir gehn, Machen alles uns im Hause, da wir Herr sind, wunderschön! Beide ab in den Palast, der Chor ab zur Stadt. Die Grabesspenderinnen Aischylos Die Grabesspenderinnen (Choephoroi) Personen. Orestes Pylades Elektra Klytaimestra Kilissa Aigisthos Knechte Chor der Mägde Königspalast zu Argos. In der Mitte der Bühne Agamemnos Grab. Orestes und Pylades kommen in Wanderstracht und gehn zum Grabe; Orestes steigt die Stufen hinauf. O Grabeshermes, der dir beschiednen Macht gedenk, Sei Retter, sei Mitkämpfer mir, dem Flehenden! In dieses Land gekommen bin ich, heimgekehrt, Und rufe meinen Vater hier am Grabesrand, Daß er mich anhört, meinen heilgen Schwur vernimmt! (Denn dich zu rächen, Vater, bin ich heimgekehrt, Dein Sohn Orestes, der ich im fernen Phokerland, Verwaist der Heimat, durch der Mutter arge List Verstoßen, aufwuchs, daß ich dir einst Rächer sei; Mich aber sendet Loxias' trugloser Spruch, Daß dir der Mörder wieder, dir die Mörderin, Dein Blut zu sühnen, fallen muß durch diese Hand. So hör mich, Vater, schaue gnädig auf mich her, Daß ich erfülle deines Blutes heilig Recht, Wie mir der Gott es, Loxias es mir gebeut! Ich aber weih dir ärmlich, trauerreich Geschenk, Des eignen Grames treuen Gruß auf deine Gruft; Zum ersten Male schnitt ich mir als Pflegedank) Die Scheitellocke für des Inachos Fluten ab, Zum zweitenmal jetzt meine Locke dir, (Daß sie dir Zeugnis gebe, deines Blutes Sohn Sei heimgekommen, Vater, in dein teures Haus, Die Missetat zu rächen, zu erwerben sein Und seiner Schwester lang entwöhntes Erb und Recht!) Aus der Tür der Frauenwohnung kommt der Chor, in schwarzen Kleidern und Trauerschleiern; in gleicher Mägdetracht Elektra. Was dort erblick ich? Was bedeutet jene Schar Von Weibern, schwarzverhüllten, die sich trauernd nahn? Auf welch Ereignis rat ich oder deut ich dies? Betraf ein neuer Todesfall vielleicht das Haus? Könnt ich vermuten, ihre Spenden brächten sie Für meinen Vater, für die Toten fromme Pflicht? Nicht anders ist es; denn Elektra, glaub ich, selbst Geht dort mit ihnen, meine Schwester, tief gebeugt Vor Kummer. O Zeus! gib zu sühnen mir den Tod Des Vaters, sei mir gern ein Helfer meiner Tat! – Laß uns zurückgehn, Pylades, damit ich klar Erkennen könne, was bedeute dieser Zug! Beide verbergen sich. Erste Strophe Entsandt dem Hause kam ich her, Geleit der Spende mit der Hände wildem Schlag! Die Wange blutet heiß in tiefen Rissen, Wiedergerissenen Nägelfurchen mir! Und rastlos, weh, an Wehklage weid ich meinen Sinn! Zu Fetzen reißt mein Kleid entzwei, Zu linnezerrißnen in meinem Gram! Mein schwarz Brusttuch, mein weitfaltiges Kleid Zerfetzt der ungewehrte Schmerz! Erste Gegenstrophe Denn furchtberedt, gesträubten Haars, Des Hauses Träumedeuter, aufgeschreckt im Schlaf Zu neuem Graun, hat mitternächtgen Angstschrei, Mordgeschrei an dem Herde geschrien, Zu uns ins Fraungemach taumelwild sich hineingestürzt. Des Traumes Deuter sprachen dann Und riefen zu Zeugen die Götter an: Sehr voll Ingrimm sei'n, sehr zornig die Toten, Ihren Mördern wildempört! Zweite Strophe Und diese Liebe liebelos, die sühnen soll die Schuld, Io, Erde, Erde! Spendet, sendet her das gottvergeßne Weib! Mich bangt's, auszustoßen dieses Wort! Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut? Io, du allbeweinter Herd! Io, du untergrabnes Haus! Ja, graungemieden, sonnenlos umhüllt tiefes Dunkel das Haus, Drin erschlagen der Herr ward! Zweite Gegenstrophe Ehrfurcht, versagt, verargt, gefährdet nimmer sonst, Dem Volk eingewohnt sonst Tief in Ohr und Herzen – jetzt empört sie sich! Voll Angst weiß ich eine! – Glücklich sein, Das gilt als Gott den Menschen und gilt mehr als Gott! Ein letzter Schlag versieht das Recht Urplötzlich dem am Tage noch, Dem stürzt er lauernd im streitgen Licht der Dämmrung heimtückisch hervor, Nacht fängt andre, die nie tagt! Dritte Strophe Das Blut, von seiner Amme, Erde, aufgefahn, Gerann zum Racheblutmahl, nie verfließt es mehr; Voll Tücke verschiebt Ata sie noch, daß, wer es tat, Seh seines Jammers Blütenpracht! Dritte Gegenstrophe Wer frech sich fremdes Brautgemach erbrach, gesühnt Wird nimmer der; und strömte aller Ströme Flut Allseits her, bluttriefenden Mord Hinwegzuspülen, doch umsonst strömten sie! Epode Doch ich – denn mir wiesen hier Magd zu sein Die Götter zu; fortgeschleppt vom Herd meiner Heimat Ward ich früh ins Los der Knechtschaft –, Ich muß, was recht, muß, was schlecht meine Herrschaft hat getan, Ich muß, da mich Gewalt zwingt, es preisen, Muß meines Herzens Haß vergessen! – Ins Gewand verhüllt, umsonst bewein ich Meines Königs Los, verstein ich Im verhaltnen Herzensgram! Ihr teuren Wärterinnen, vielgetreue Fraun, Mit mir gekommen seid ihr, dieses heilgen Zugs Geleiterinnen; drum so sagt mir euren Rat: Wenn auf das Grab ich gieße diesen Trauerguß, Wie soll ich freundlich sprechen? Wie zum Vater flehn? Sag ich, von seiner lieben Gattin sei ich ihm, Dem lieben Mann, von meiner Mutter ich gesandt? Dazu gebricht's an Mut mir; und nicht weiß ich, wie Ich beten könnte, wenn ich auf des Vaters Grab Dies spende. Oder sag ich nach dem heilgen Brauch: Vergelten mög er denen, die ihm diesen Kranz Gesandt, vergelten auch der Bösen bös Geschenk? Soll schweigend, schmachvoll, so wie einst mein Vater fiel, Ich gießen dieser Spende grabgetrunknen Guß, Die Schale dann, als wär sie unrein, gottverflucht, Wegschleudern abgewandten Blicks und wieder gehn? So wollt mir raten, Teure, was ich möge tun; Ist uns gemeinsam doch der Haß in jenem Haus! Nicht bergt's in eurem Herzen, irgendwie besorgt; Denn sein Verhängnis harrt des Freien ebenso Wie des von fremden Siegers Hand geknechteten. So sprich, wenn du mir Beßres weißt, als ich gesagt! Gleich einem Altar ehrend dir des Vaters Grab, Sag ich, du willst es, was ich im tiefsten Herzen denk. So sag mir, wie wohl ehrtest du des Vaters Gruft? Zur Spende segne, die ihm treu gesinnet sind. Wen aber von den Seinen darf ich nennen so? Zuerst dich selbst und jeden, der Aigisthos haßt. Für mich und dich denn sag den Segen ich zuerst? Vergiß Orest nicht, weilt er auch im fremden Land. Vor allem; du gemahnst mich an das Teuerste! Und dann den Tätern, wann du an den Mord gedenkst – Was dann? Belehr mich, sag es mir, ich weiß es nicht! Sag, ihnen kommen werd ein Gott einst oder Mensch – Meinst du, der sie richten oder der ihn rächen wird? Du sprichst es einfach: der den Mord mit Mord vergilt! Doch ist es fromm auch, von den Göttern das zu flehn? Warum denn nicht soll büßen seine Schuld der Feind? Du höchster Herold hier im Licht, im Hades dort, O Grabeshermes, hör mich und erwecke mir Des Schattenreichs Gottheiten, daß sie hören mein Gebet, die Hüter über meines Vaters Blick, Und auch die Erde, die gebieret alles Ding, Und was sie aufzog, wieder dessen Keim empfängt; Ich gieße diese Spenden für die Toten aus Und rufe dich, mein Vater, mein erbarme dich Und deines Sohns Orestes. Herrschten wir im Haus! Denn sieh, verstoßen leben wir und wie verkauft Von unsrer Mutter; den Aigisthos hat sie sich Zum Mann erlesen, der dich mit erschlagen hat; Und einer Magd gleich hält sie mich; Orestes ist Verjagt aus seinem Erbe, während sie in Prunk Und eitler Wollust deines Schweißes Frucht vertun! Daß heim Orestes gottgeleitet kehren mag, Drum fleh ich dich an, Vater, du erhöre mich! Mir aber gib du, daß ich tugendhafter sei Denn meine Mutter, reinen Wandels, reiner Hand! Für uns gebetet hab ich dies; den Feinden nun Erscheint, ich weiß es, einer, der dich, Vater, rächt, Auf daß die Mörder wieder morde ihr Gericht; Und sei mir laut bezeuget, wie für bösen Fluch Ich ihnen wiederfluche diesen bösen Fluch! Du aber send uns alles Heil empor, mit dir Die Götter und die Erd und Dike Siegerin! Für diese Bitte spend ich diesen heilgen Guß; Ihr aber flechtet eurer Klage Totenkranz Und weihet meinem Vater frommen Grabesgruß! Weinet die Träne, die rieselnde, sterbende, Ihm, der starb, unsrem Herrn, Zu dieser Spende Born, Der Bösen nichtiger, schnöder Beschwichtigung Wider der Edlen Zorn! Höre du, mich höre du, O Herr und Fürst, in deiner grabstillen Ruh! Wehe ruf ich jammernd aus! Wehe, welcher Speeresheld Wird Befreier diesem Haus? Der Skythe, dem in des Kampfes wilder Hast Schwirrenden Pfeiles Flug Vom rückschnellenden Bogen blinkt, Der griffgefaßt sein nacktes Schwert blutig schwingt? Mein Vater hat nun seinen erdgetrunknen Guß – Doch sieh! Zu diesem neuen Wunder ratet mir! O sprich! Es fliegt mein Herz im Busen mir vor Angst! Hier seh ich eine Locke auf das Grab geweiht! Von welchem Manne, welchem hochgeschürzten Weib? Deutbar zu jedem ist sie, wenn du deuten willst! So laß mich Ältre lernen von der Jüngeren. Ich wüßte niemand außer mir, der's weihete! 's ist feind, für wen sich sonst die Trauerlocke ziemt! Und dennoch wahrlich ist so ganz sie wieder gleich – Sag, wessen Haaren? Hören möcht ich das von dir! Ganz meinen eignen ähnlich ist sie anzusehn! Wär's von Orestes selber heimlich ein Geschenk? Mit dessen Locken scheint sie in der Tat mir gleich! Wie hätte der hierherzukommen sich gewagt? Gesandt dem Vater hat er seiner Locke Gruß! – Was du gesagt, nicht minder wein ich bitter drum, Wenn dieses Land doch nimmermehr sein Fuß betritt! Auch mir ins Herz gießt brandend sich der Galle Flut; Es schmerzt, als hätte mich ein schneller Pfeil durchbohrt; Aus meinen Wimpern stürzt mir trocken, ungewehrt Unsäglicher Tränen bittre Brandung wild hervor, Da ich diese Locke sehe! Denn wie hofft ich wohl, Daß einer unsrer Bürger sonst ihr Herr sich nennt? Und nimmermehr gab dieses Haar die Mörderin, Nein, meine Mutter nimmer, die stiefmütterlich Und gottvergessen ihren Kindern ist gesinnt; Und wieder, daß ich freudig soll gestehn, es sei Mir dies ein Kleinod von dem Liebsten auf der Welt, Sei von Orestes – nein, mich täuscht der eigne Wunsch! Ach! – Daß freundlich sie mir sprechen könnte, botengleich, Damit der Zweifel nicht mich jagte her und hin! Und doch, gewiß, ich hätte dies Haar angespien, Wär's abgeschnitten je von eines Feindes Haupt; Wenn's mir verwandt ist, durft es mit mir trauern auch Des Vaters Totenfeier und den Grabesgruß! – Zu den Göttern laßt uns rufen, den Allwissenden, In welchen Kreiselstürmen gleich den Schiffern wir Verirrt sind. Dennoch, wenn uns Rettung werden soll, Da wächst von kleinem Samen auch ein großer Stamm! – Sie steigt die Stufen zum Grab hinab. Und da, die Tritte, sieh, ein zweites Zeichen ist's Von gleichen Füßen, ähnlich ganz den meinigen; Ja, sieh, von zween eingezeichnet ist die Spur, Hier von ihm selber, da von dem, der mit ihm kam; Der Sohlen Abdruck und der Fersen, meß ich sie, Zusammentreffen sie genau mit meinem Fuß! – Angst übermannt mich; aller Sinn ist mir verrückt! Orestes tritt ihr entgegen. Du bete zu den Göttern enderflehnd Gebet, Daß auch das andre dir beschieden möge sein! Was wär's, das jetzt schon mir gewährt der Götter Gunst? Dein Auge sieht nun, drum du lange betetest! Und wen der Menschen weißt du, daß ich gerufen hab? Ich weiß, Orestes hast du oft und heiß ersehnt! Und wo und wie denn wär erfüllt jetzt mein Gebet? Ich bin es, such dir keinen, der dir teurer ist! Du betrügst mich, Fremdling, du umgarnest mich mit List. So schling und strick ich selber um mich selbst Betrug! Und lachen willst du über mich und meinen Gram! Auch über mich und meinen Gram, wenn über dich! Zu dir, Orestes, hätt ich alles dies gesagt? Da du mich selbst siehst, jetzt erkennest du mich nicht; Und da du diese Locke sahst des Trauerhaars, Die Locke deines Bruders, deinem Haupte gleich, Und deinen Fuß einfügend maßest meine Spur, Da flogst du hoch auf, und du meintest mich zu sehn! Sieh, diese Locke lag an diesem Schnitt des Haars, Sieh dies Gewand an, deiner eignen Hände Werk, Des Weberschiffleins Marken hier, der Tiere Bild – Sei ruhig, gib die Vorsicht nicht der Freude preis; Uns beiden, weiß ich, sind die Liebsten bitterfeind! O letzte, liebste Sorge für des Vaters Haus! Beweinte Sehnsucht nach der Rettung letztem Reis! Kraft deines Armes nimm zurück dein Vaterhaus! O süßes Auge! Dein gehört vierfacher Teil In meinem Herzen; sieh doch, nennen muß ich dich Nun meinen Vater; meiner Mutter Liebe kommt – Denn ganz gerecht haß ich sie selbst –, dir kommt sie zu, Dir auch der Schwester Liebe, der Geopferten; Und dann mein Bruder bist du, der mich wiederehrt! Nun möge Kraft mir, möge mir Gerechtigkeit Beistehn und Zeus zum dritten, der allergrößeste! Zeus, Zeus, auf mein Beginnen schaue du herab! Sieh meines Vaters, sieh des Adlers arm Geschlecht, Der selbst den Schlingen, dem Umzüngeln unterlag Der argen Schlange; aber die verwaiste Brut Quält nüchtrer Hunger; ihnen fehlt es noch an Kraft, Des Vaters Beute heimzutragen in das Nest; So tief bekümmert, so verwaiset siehst du uns, Mich und Elektra, uns Geschwister vaterlos, In gleicher Flucht verstoßen unsrem Vaterhaus! Und hast du dann des Vaters Kinder, der dich fromm, Der dich mit Opfern ehrte, einst hinweggetilgt, Wer reicht dir dann noch gleicher Hände vollen Dank? Nicht bleibt dir, wenn das Geschlecht des Adlers du vertilgst, Zu senden glaubhaft Zeichen an die Sterblichen, Noch opfert dieser Königsstamm, so ganz verdorrt, Auf deinem Altar dir am Feststieropfertag! Sei unser Hort! Vom Boden richt ein hoch Geschlecht Empor, das jetzt gar tief dahingesunken scheint! O Kinder, o Erretter eurem Vaterherd, Seid still, daß niemand sonst es, o ihr Lieben, hört Und vielgeschwätzig alles dies euch nacherzählt Bei meiner Herrschaft, die ich hier hinsterben noch In der Flammen pechgetränktem Qualm einst möchte sehn! Nicht mich verraten wird der allgewaltge Spruch Des Loxias, der dieses Wagnis mir gebeut, Der laut mich aufrief, Qualen, sturmgegeißelte, In meinem heißdurchglühten Herzen mir verhieß, Wenn ich meines Vaters Mörder nicht verfolgete, Zur Rache sie zu morden mit demselben Mord; Zerstört von seinen Strafen, nicht an Hab und Gut, Nein, an der lieben Seele, sprach er, würd ich dann Drum leiden vieles, unerträglich bittres Leid; Denn als der Hassenden Sühne hat er allem Volk Mißwachs verheißen, schwere Krankheit aber mir, Aussatz, der tief ins Fleisch sich frißt mit grimmem Zahn, Der mir hinwegnagt meiner Sehnen alte Kraft, Mit greisem Haare meiner Locken Schmuck vertauscht! Und andre Qualen nannte der Erinnyen, Aus meines Vaters ungerächtem Blut erzeugt, Der Gott, der hellsieht, dessen Aug die Nacht durchschaut; Denn auch der nächtig dunkle Pfeil der Unteren, Die umgebracht sind durch der Verwandten Missetat, Wahnsinn, Entsetzen, nächtger Träume hohle Furcht, Treibt mich, verstört mich und verfolgt aus aller Stadt Mit eherner Geißel meinen gottverfluchten Leib! Wer so gebrandmarkt, nimmer an der Becher Lust Sei dem ein Anteil, noch an heilger Spende Guß; Man scheuch ihn von den Altären, den lebendgen Zorn Des Vaters, niemand gönn ihm gastlich Tisch und Bad; Verarmet, ehrlos, ohne Freund, so sterb ich einst Elend im Siechtum, ausgedörrt bis in den Tod! Solch einem Ausspruch muß man glauben und vertraun; Und traut ich minder, dennoch muß die Tat geschehn; Vielfacher Antrieb strömt vereint auf mich herein, Des Gottes Auftrag, meines Vaters große Schmach, Des eignen Lebens Dürftigkeit, das alles läßt Mich meine Bürger, aller Zeit berühmteste, Die Überwinder Ilions in Heldenkraft, Nicht länger untertänig zween Weibern sehn; Denn weibisch ist sein Mut; wenn nicht, bald sehen wir's! Ihr gewaltigen Moiren, mit Zeus' Beistand Werd so es vollbracht, Wie das Recht mitwandelnd den Pfad zeigt! »Für feindliches Wort sei feindliches Wort!« Also ruft Dike, die lautere, laut, Wenn die Buße des Hasses sie eintreibt! »Für blutigen Mord sei blutiger Mord! Wer tat, muß leiden!« So heißt das Gesetz In den heiligen Sprüchen der Väter! Erste Strophe Vater, du armer Vater, was bringen dir, sagen dir kann ich, Das tief reichte zu dir hinab, wo du in Grabes Nacht ruhst? Gleich wechseln sich Licht und Nacht; also erschall zugleich Freude, Klage dir feierlich, Hort du in Atreus' Haus sonst! Zweite Strophe O Kind, bewältigt Wird des Toten Gedanke nicht durch den blendenden Zahn der Glut; Spät einst zeigt er des Zorns Macht! Und bejammert wird der Tote, Und erkannt wird, der ihn totschlug; Des Erzeugers Todesfluch will, Der gerechte Zorn des Toten, Sein Recht will er, empört verlangt er's! Erste Gegenstrophe Höre du, Vater, nun meinen Gram, meinen, den tränenreichen! Die zwei Kinder an deinem Grab jammern den Klagegesang dir! Schutzflehende müssen wir, landesverjagt, wir hier stehn! Ist denn recht das? Und ist's nicht schlecht? Oder erliegt die Schuld nie? Doch ein Gott kann einst dafür, wenn er will, Euch froheres Lied noch zu singen verleihn, Statt des Klagegesangs, den am Grab ihr weint, In der Königsburg, in der Väter Palast, Ein neues, ein freudiges Festlied! Dritte Strophe Wärst du vor Ilion Unter lykischen Speeren, Mein Vater, sterbend hingesunken, Du hättest Ruhm deinem Haus gelassen, Den Lebenspfad schön und gut vorgebahnt deinen Kindern; Ein gehügeltes Grab ragte drüben am Seegestad dir, Ehrte daheim die Deinen! Zweite Gegenstrophe Der Freund bei Freunden Lägest du, die im Heldenkampf fielen, unter der Erde noch Ihr machtheiliger Führer, Ein Gefährte du im Hades Der gewaltgen Totenfürsten; Denn hienieden warst du König, In der Hand das höchste Los dir, Der Macht menschengebietend Zepter! Dritte Gegenstrophe Nein, vor den Ilischen Mauern mußtest du, Vater, nicht Vom Speer gleich andrem Volk erschlagen, Begraben nicht bei Skamanders Flut sein; Nein, mußtest ehr die daheim, welche dich so erschlugen, Von dem Tode gemäht, selber fern, in der Ferne hören, Alle das Leid nicht leiden! Was du sagst, Kind, kostbarer denn Gold, Glückseliger ist's als seligstes Glück, Hyperboräisches Glück; denn du klagest! Doch der doppelten Geißel entsetzend Getös, Schon nahet es sich; Denn die Toten, sie sind ja zum Beistand nah, Und der Lebenden Hände, sie sind nicht rein Von verruchtester Schuld Und der doppelten Schuld an den Kindern! Vierte Strophe Dringt mir das Wort doch ins Ohr Scharf wie ein schneidender Pfeil! Zeus! Zeus! der du empor ein spätstrafend Gericht des Schicksals Der allfrevelnden, frechen Hand schickst, Gleiches erfülle du unsern Eltern! Fünfte Strophe Ein Festlied singen möcht ich einst, hell aufjubeln zum Schein der Fackeln Über das Blut des Mannes, Über das Blut des Weibes! Bergen wozu, wie die Hoffnung Hoch fliegt! Treibt doch scharfwehender Zorn in schneller Fahrt, In vorauseilender Hast Gramempörter Haß mich fort! Vierte Gegenstrophe Trifft der gewaltige Gott Einst sie mit flammender Hand, Weh, weh, zerschmettert er sie, dann geschieht dem Lande das Seine; Und Recht fleh ich für freches Unrecht! Höret, ihr Unteren, mich zur Rache! Und es ist ein Gesetz, daß sterbend der Strom Des vergossenen Bluts Blut wieder verlangt, Und es fordert, es schreit die Erinnys Tod Für jeden, der je umkam, Unheil, Das heraufführt anderes Unheil! Sechste Strophe Wo weilt nun ihr, der Nacht Gewalten, wo? Schauet doch ihr, der Erschlagnen allmächtige Flüche! Ihr sehet uns, letztes Reis des Atreusstammes, Ohn Rat und Schutz, ehrentblößt Und heimatlos! Zeus, wohin uns wenden? Fünfte Gegenstrophe Emporkocht wieder mir des Herzens Blut, hör ich dich also jammern! Jegliche Hoffnung flieht! Es nachtet in meinem Busen, hör ich auf deine Klage! Doch dann wieder scheucht sichrer Mut kühnen Blicks Hinweg jeglichen Gram, Daß ich es freundlich tagen seh! Sechste Gegenstrophe Welch Wort denn trifft's? Verzeihlich sei zumal, Was wir geduldet von der, die geboren uns! Doch nimmermehr lischt sich auch das andre fort – Nein, gleich dem blutdürstgen Wolf, Nie satt noch müd sei der Mutter mein Haß! Siebente Strophe Mit wildem Totschlag traf sie ihn, der kissischen Blutlechzenden Waffendirne gleich; Weitausgeschwungen im wilden Wechsel jagte sich Hinabgeschmettert ihres Armes hastger Schlag Hoch nieder, jäh herab! Im Echo widerhallte Mein jammerschlaggetroffen, mein unselig Haupt! Achte Strophe Weh dir, ruchloses Weib! Weh dir, Mutter! Wie der Feind den Feind verscharrt, Den König so, ungeehrt, So sonder Wehklage hast Du tränenlos deinen Herrn begraben! Neunte Strophe O nenne das Schmach und Schande. Weh mir! Doch büßen soll meines Vaters Schmach sie! Auf Gottes Kraft bau ich fest! Auf meine Hand trau ich fest! Erschlag ich sie, sterben will ich gern dann! Neunte Gegenstrophe Dann ward sein Leichnam, o denk, verstümmelt, Begraben schmachvoll wie erschlagen! Und schnöde List sann sie dir, Ersann für dein Leben Tod! Siebente Gegenstrophe Des Vaters furchtbar schmacherfüllt Geschick weißest du, Weißt deines Vaters schnöden Tod! Mich selber schob man weg, Unwürdig, schmachvoll, ehrentblößt; Hinausgestoßen vom Palast wie ein reudger Hund, Vergaß ich das Lachen, brach ich in bittre Tränen aus, Froh, wenn ich verhehlte meines Grames nassen Blick! Was du vernommen, Bruder, schreib es dir ins Herz, Achte Gegenstrophe Durchs Ohr bohre tief sich dieses Wort dir Ein in des Herzens stillen Grund! Das alles war wahrlich so! Das andre frag deinen Zorn! Du mußt mit furchtloser Kraft genaht sein! Zehnte Strophe Ich rufe dich, Vater, sei den Deinen nah! Mit ruf ich dich, Vater, bitterweinend dich! Wir allzumal stimmen lauten Rufes ein! Erhör uns, steig ans Licht empor, Wider die Feinde hilf du! Zehnte Gegenstrophe So kämpfe Macht gegen Macht, Recht gegen Recht! O Götter, jetzt endet unser Recht gerecht! Mich überströmt Zittern, hör ich euer Flehn! Das Gottverhängte harret längst; Flehet ihr drum, heraufsteigt's! Elfte Strophe O des verwandten Wehs! O des verhängten Mordes schneidender blutger Mißlaut! Weh, weh! Gräßliche Blutverwandtschaft! Weh, weh! nimmergestillter Jammer! Elfte Gegenstrophe Rettung erscheint dem Haus Nicht von Entfernten, nicht von Fremden, von ihnen selbst nur, In bluttriefenden Haders Fortgang; Und das sing ich den Göttern drunten! Ihr drunten, vernehmt, ihr Selgen der Nacht, Hört dieses Gebet! Beistand und Kraft Schickt gnädig zum Siege den Kindern! Orestes und Elektra setzen sich auf die Stufen des Grabes. Mein Vater, der du nicht königlichen Todes starbst, Du gib die Herrschaft deines Hauses mir zurück! Auch ich, o Vater, bete dies Gebet zu dir; Du hilf mir, wenn ich Aigisthos' Los mit enden helf! Es würden dann Festmahle von den Menschen dir Geweiht; wenn aber nicht, so bleibst beim Totenfest Von deines Landes Opferbrand du ungeehrt! Und Spenden will ich dir von meinem Erbe dann Bei meiner Hochzeit bringen aus dem Vaterhaus, Will fromm vor allem andern schmücken dir das Grab! O Gaia, send mir meinen Vater, den Kampf zu schaun! O Persephassa, du gewähr uns frohen Sieg! Gedenk des Bades, Vater, drin du umgebracht. Gedenk des Garnes, drin du eingefangen wardst! In eisenlose Banden, Vater, schlug man dich! Schmachvoll in listig umgeschlungnem Prunkgewirk! Wirst du nicht wach, o Vater, über solche Schmach? Hebst nicht empor, mein Vater, dein geliebtes Haupt? So send den Deinen Dike zur Mitkämpferin, Laß zur Vergeltung jene büßen gleiches Leid, Wenn du, der einst Bezwungne, wieder siegen willst! Vernimm, o Vater, diesen meinen letzten Ruf! Sieh deine Küchlein sitzen hier an deinem Grab! Erbarme deines Mädchens, deines Sohnes dich; Der Pelopiden edlen Stamm, vertilg ihn nicht! Dann bist du nicht tot, ob du auch gestorben seist; Den toten Vätern sind die Kinder rettender Nachruhm; dem Kork gleich führen sie, des Fadens Zug Aus tiefem Meergrund treu bewahrend, Garn und Netz. Hör mich, um dich ja sag ich laut all meinen Gram, Du rettest dich ja, wenn du ehrest dies Gebet! – Sie steht auf. Und nun – denn reichlich spann ich meine Rede fort, Das Grab zu ehren, das beweint sonst keiner hat – Das andre magst du, da du im Geist gerüstet bist, Zur Tat vollenden, magst versuchen deinen Gott! Ich will's! Doch abwärts liegt es nicht zu fragen noch, Weshalb die Spenden sie gesandt, um welches Wort Sie spät geehrt hat dieses unsühnbare Weh; Dem Toten, der das nimmer achtet, sendet sie Den feigen Grabgruß; nicht zu deuten weiß ich dies Geschenk, das weit bleibt hinter ihrer Freveltat. Denn wer die Blutschuld auszusühnen alles auch Hingösse, nutzlos ist die Müh; so ist's und gilt's. Darum erzähl's auf meinen Wunsch, wenn du es weißt. Ich weiß es, Kind, stand selbst dabei; von einem Traum, Von nachtgestörten Grauenbildern aufgeschreckt, Hat diese Spenden her das arge Weib gesandt. Erfuhrt den Traum ihr, daß ihr ihn erzählen könnt? Sie sagt, ihr war's, als ob einen Drachen sie gebar. Wie hat gewendet und geendet sich das Wort? Er wand sich einem Kind in seinen Windeln gleich. Nach welcher Nahrung langte die junge Drachenbrut? Sie reichte selbst ihm ihre Brust, so träumte sie. Ließ jenes Untier unverwundet ihre Brust? Nein, mit der Milch aussog es dickgeronnen Blut. Nicht eitel Ding ist wahrlich eines Menschen Traum. Sie aber schrie hell vor Entsetzen auf im Schlaf; Viel Fackelschein, erloschen mit der tiefen Nacht, Erhellte schnell die Hallen für die Königin; Dann sandte diese Trauerspenden sie zum Grab, Wie sie gedachte, besten Schutz vor ihrer Angst. Ich aber fleh dich, Erde, Vaters Gruft, dich an, Ausgangentsprechend werde mir dies Traumgesicht; Ich deut es wahrlich, daß es wohl eintreffen muß: Denn wenn demselben Schoße jener Drach entsprang, Aus dem ich selbst, in gleiche Windeln lag gehüllt, Dieselbe Brust scharfleckend, die mich stillte, sog, Der lieben Milch einmischte frischgeronnen Blut, Sie selbst entsetzt vor solchem Weh aufjammerte, Da muß sie furchtbar, wie sie die grause Brut gebar, So auch den Tod erleiden; drachenwild empört Will ich sie morden, wie der Traum ihr kundgetan. Zum Wunderzeugen wähl ich dich für diesen Traum! Also gescheh's! Doch weiter sag uns Freunden nun, Wen willst du mit dir tätig, wen du müßig sehn? Ich sag es kurz euch: du, Elektra, gehst hinein, Doch mußt du sehr verbergen diesen meinen Plan, Daß, wie sie mit List umbrachten den erhabnen Mann, Mit gleicher List sie durch dasselbe Todesnetz Gefangen sterben, wie's der Seher Loxias Gebot, der stets noch ohne Trug erfundene. Gleich einem Fremdling und in vollem Reisezeug Komm ich und Pylades an des hohen Hauses Tor Als alter Gastfreund und des Hauses Waffenfreund; Wir beide sprechen des Parnassos Sprache dann, Der Phoker Mundart fremde Laute täuschend nach; Doch wird der Torwart freundlich uns wohl eben nicht Empfangen, weil das ganze Haus in Freveln rast; So werden wir da warten, bis wir einen sehn, Der dort vorbeigegangen kommt, und fragen ihn: Was läßt Aigisthos vor der Tür den Flehenden Ausschließen, da, anwesend selbst, er doch es weiß? Wenn ich dann des Schloßtors Schwellen überschritten hab Und jenen find auf meines Vaters teurem Thron, Er dann herabsteigt, nah sich vor mein Angesicht Hinstellt und spricht und, glaub mir, mich mit dem Blick verhöhnt – Noch eh er fragt: »Von wannen, Fremdling, kommst du?« tot Streck ich ihn nieder mit des Schwertes heißem Schlag. So wird Erinnys, nie des Mordes noch verarmt, Zum dritten Trunk dann trinken ungemischtes Blut! Du aber, Schwester, wach im Hause mußt du sein, Daß alles das mir gut zusammentreffen mag; Auch euch ermahn und bitt ich, wahret euren Mund, Schweigt, wo es not ist, sprechet, was sich ziemt und frommt! Das andre laß ich diesem Gott befohlen sein, Der diesen Blutkampf meines Schwertes mir gebeut. Orestes, Pylades und Elektra ab. Erste Strophe Erde wohl nähret manch riesengrausig Ungeheur, Tief in Meeres dunklem Grund wimmelt wohl Manch Knäul menschengierger Scheusale, Und durch die Abenddämmrung hin Schweift des Meteores Schein, Schweift das Geflügel der Lüfte, das Wild in der Waldung Und der Windsbraut Wolkenjagd! Erste Gegenstrophe Aber wer nennt des Manns freche Stirn mit Namen je, Wer die scheulose Wut je des Weibs, Dies allfrechste, lüstre Lustbuhlen, Den Menschen alles Jammers Kost! Solcher Ehe, solches Paars Weibergeherrschtes, verworfenes Lieben erreicht nichts Ungeheures, Menschliches! Zweite Strophe Hört ihr, so ihr nicht mit Flattersinn Eitlen Spiels forschet, Was einst Thestias, was die Kindesmörderin arg ersann, Jenen Brand geheimen Mordes! Sie hat verbrannt ihres Sohnes Lebensfackel, die mit ihm war, Seit ihr Schoß ihn geboren, Mit ihm währte sein Lebelang, Bis sein Ende gekommen. Zweite Gegenstrophe Ihr gleich sei in aller Mund verhaßt Skylla bluttriefend; Sie hat Feindes halb einen, der ihr teuer war, umgebracht! Mit goldgeflochtnem Kreterhalsband, Mit Minos' Brautgabe bestochen, Schnitt das Haar der Unsterblichkeit Sie dem schlafenden Nisos, Die Schamlose, dem Vater ab; Doch einholte sie Hermes. Dritte Strophe Gedacht ich so unerweichbar grauser Wut, So ist es unzeitig, noch der schnöden Eh, noch dem Greul in diesem Haus, Den weiberarglistgen Ränken wider ihn, Den Mann im Kriegswaffenschmuck, Den Mann, des Ruhm aller Feinde Schrecken war – Ehrfurcht noch da diesem ausgebrannten Herd, Dem ohnmachtfeigen Weib zu hegen! Dritte Gegenstrophe Vor allen Untaten ragt die lemnische; Als ganz verrucht wird in aller Sage sie nachgeklagt; doch dieses Greul, Wohl wird's mit Recht dem von Lemnos gleich genannt! Durch gottverabscheute Schuld Versinkt, entweiht seiner Ehren, dies Geschlecht; Denn keiner ehrt fürder, was der Gott verwarf. Ist eins hier, was ich nicht gerecht zeih? Vierte Strophe Das auf die Brust gesetzte Schwert, Hinein bohrt's tief bitterscharfen Mord unter Dikes Hand; denn Todsünde tritt Nimmer niemand in den Staub; die alle Furcht Vor Zeus hinwegwerfen, sind des Todes! Vierte Gegenstrophe Auf festem Grund steht Dikes Macht; Ihr Richtschwert wetzt Aisa schon, die Schwertfegerin; es bringt den Sohn heim ins Haus, Alten Hauses ältre Schuld zu züchtigen, Die wache, listkundge Nachterinnys! – Orestes und Pylades mit einigen Begleitern, alle als Wanderer gekleidet. an die Tür der Gastwohnung pochend. He, Bursch! Du hörst, man pocht hier an der Außentür! Ist keiner da? Bursch! heda, Hausbursch! öffne doch! Zum dritten Male ruf ich dich, mir aufzutun, Wenn bei Aigisthos' Zeiten ihr noch gastlich seid! Ja doch, ich höre! Freund, wer bist du und woher? Der hohen Herrschaft deines Hauses hier bestell, Zu ihnen käm ich, brächte Neuigkeiten mit. Mach schnell; es fährt in ihrem dunklen Wagen schon Die Nacht herauf; Zeit wird es, daß ein Wandersmann In seinem Gasthaus Anker wirft, sich auszuruhn. Es komme jemand, der Gewalt hier hat, die Frau Etwa des Hauses, doch der Mann ist schicklicher; Denn wenn Verlegenheit das Wort nimmt, Freund, so tappt Die Red im Dunkeln, aber dreister spricht der Mann Zum Mann, und Zeugnis sagt er deutlich und genau. Bursche ab. Klytaimestra tritt mit Elektra und einigem Gesinde auf. Fremdlinge, sagt, was ihr bedürft; euch steht bereit, Was irgend unsrem Fürstenhause ziemen wird, Ein warmes Bad und, aller Müdigkeit Entgelt, Ein weiches Lager, biedrer Wirte Gegenwart; Und wäre weitres euch mit mehr Bedacht zu tun, So ist's der Männer Sache; wir berichten's gleich. Fremd kam ich her, aus Phokis bin ich, ein Daulier; Als ich, mein eigen Bündel auf den Schultern, her Gen Argos wandre, wo ich übernachten wollt, Traf unbekannt mich Unbekannten einer an Und sprach, nachdem er meinen Weg von mir gehört – Der Phoker Strophios war es, hört ich im Gespräch –: »Wenn du denn sonst auch, Freund, gen Argos gehen mußt, So sage doch den Eltern, die du leicht erfragst, Orestes sei gestorben, und vergiß es nicht; Ob dann die Seinen ihn zurückgebracht zu sehn, Ob ihn im Ausland und für alle Zeiten fern Begraben wünschen, solchen Wunsch sag mir zurück; Denn einer erzgetriebnen Urne Raum verschließt Des vielbeweinten, teuren Mannes Asche jetzt.« Was ich gehört hab, sag ich nach; ob ich es nun Den Rechten, die es hören müssen, sage, nicht Weiß ich's, erfahren aber muß sein Vater es. Weh mir! Von Grund aus werden jetzt wir hingestürzt! Du, dieses Hauses unbezwinglich grauser Fluch, Wie vieles Nah und Fernes, das uns glücklich stand, Zerstörst du fernher zielgewiß mit deinem Pfeil! All meiner Lieben machst du mich ganz Arme arm; Nun auch Orestes, welcher wohlberaten war, Daß fern den Fuß er aus des Verderbens Sumpf gelenkt, Er, unsre Hoffnung, er, dem schönen Taumelrausch Ein letzter Arzt, sie nennet jetzt ihn – nah und da! O wär ich doch Gastfreunden, die so reich und hoch, Durch gute Botschaft, die ich brächte, heut bekannt Geworden und als Freund begrüßt. Was Liebres kann, Als solch ein Gastfreund, einem in der Fremde sein? Doch mir im Geist erschien es als Gottlosigkeit, Den Angehörgen solchen Bericht nicht kundzutun, Da ich's versprochen und als Freund hier ward begrüßt. Nicht minder soll dir werden, was dein würdig ist, Noch wirst du weniger gelten drum als Hauses Freund; Dasselbe hätt ein andrer doch uns hinterbracht. Doch ist es Zeit jetzt, daß den Fremden, die den Tag Hindurch gewandert, was bequem ist, werd geschafft; Zu einem der Diener. Ihn selber führ zum gastlich offnen Männersaal, Und wenn du zurückkommst, seine Reisegefährten auch, Damit sie dort sich finden, was für sie bequem. Dein ist der Auftrag, und du haftest mir dafür. Wir aber werden dies dem Herrn des Hauses treu Mitteilen und mit unsern Freunden insgesamt Wohl überlegen, was in diesem Fall zu tun. Alle ab. Auf, teuere Schar! Auf, Mägde vom Haus! Wie geben wir kund Für Orestes unsres Gebets Wunsch? Du heiliger Herd, du der Gruft heiliger Erdhügel, der jetzt du des Meerfeldherrn, Des gewaltigen, Königsleichnam birgst, Nun hör uns, nun sei hilfreich! In den Kampf des Betrugs geht Peitho jetzt, Und der Gruft Hermes, mit hinein tret er, Und der Nacht Hermes, er begleite dich treu Zum vertilgenden Kampfe des Schwertes! Kilissa, die Amme, kommt. Der fremde Mann hat, scheint es, Böses mitgebracht; Denn weinend seh ich dort Orestes' Amme nahn. Wohin, Kilissa, gehst du aus des Hauses Tor? Und mit dir kommt ja unbezahlte Traurigkeit! Aigisthos, sagt die Herrin, soll ich ungesäumt Den Fremden herbescheiden, daß er deutlicher, Der Mann von Männern, ihre Neuigkeiten mag Mit eignen Ohren hören. Vor dem Gesinde zwar Verbirgt in finstern Augen sie geflissentlich Ihr Lachen; denn nun ist geschehn das Freudigste Für sie, fürs Haus steht's aber ganz und gar betrübt Seit dieser Nachricht von den fremden Wanderern! Und freilich, er wird herzlich sich darüber freun, Wenn er die Zeitung höret! O ich arme Frau! Ist doch von alten Zeiten her schon vielerlei Unsäglich Unglück hier in Atreus' altem Haus Bis heut geschehn, das mir das Herz im Leib zerreißt; Doch solchen Kummer hab ich niemals noch erlebt! All andres Leid trug ich geduldig bis ans End; Daß aber mein Orestes, meiner Seelen Lust, Den aus der Mutter Schoß ich nahm und auferzog Mit aller Unruh nächtens, wenn das Kindchen schrie, Und all den vielen Plagen, die ich vergebens nun Ertrug – denn Kinder ohne Nachgedanken muß Wie's liebe Vieh man ziehn, nicht wahr? mit viel Verstand; Da kann es denn nicht sprechen, solch ein Windelkind, Ob's Hunger, ob es Durst hat oder pinkeln will, Der kleine Magen macht, was je nach seiner Not; Das muß voraus man merken, und, glaub mir, man irrt Sich auch und wäscht dem Kinde dann die Windeln rein, Versieht zugleich der Wäscherin und Amme Dienst; Und ich versah die beiderlei Geschäfte selbst Und nahm Orestes, für den Vater aufzuziehn –, Nun muß ich Arme hören, daß er gestorben ist, Muß nun zum Herrn gehn, der geschändet unser Haus Und meine Zeitung frohen Sinnes hören wird! In welcher Weise will sie, daß er kommen soll? Wie welcher? Sag noch einmal, daß ich's recht versteh! Ob seine Wache mit ihm oder er allein? Umringt von Lanzenknechten will sie, daß er kommt. Das aber sag dem Herren, den du ja hassest, nicht; Allein erscheinen mög er, hören ohne Furcht. Das geh und meld ihm ungesäumt und freue dich; Bei mancher Botschaft nützet ein verheimlicht Wort! Bist gar du froh noch über solche Neuigkeit? Abwenden wird Zeus' Willen einst noch allen Gram! Wie das? Orestes, unsres Hauses Hoffnung, starb! Nicht doch; ein schlechter Seher schon erkennte das! Was sagst du? Weißt du andres, als berichtet ward? Geh hin und melde! Mach es, wie ich's dir gesagt; In Gottes Hand liegt, was geschehen muß und wird! Ich geh und führ es ganz nach deinem Willen aus; O daß es glücklich ende durch der Götter Rat! Kilissa ab. Erste Strophe Höre jetzt mein Gebet, du der hochselgen Götter Vater, Zeus! Laß erlosen mich ein Los, unverrückt Das Weise treu forschenden Sinns zu schaun! Sprach ich all mein Gebet Dir doch gerecht, Zeus, du nimm's in Obhut! Zeus! Zeus! Doch Gewalt über die Todfeinde gewähr dem im Palast, den du doch großzogst! Doppelte Buße laß Und dreifältige dir gefallen! Erste Gegenstrophe Denk es wohl, unsres vielteuren Herrn Waise ward ins Leidenjoch Eingeschirrt; gib ein Maß seinem Lauf! Wer hielte leicht, läuft er in diesem Feld, Richtig Maß, sichres Ziel, Wenn er des Unheils Bahn dahinstürmt? (Zeus! Zeus! Doch Gewalt über die Todfeinde gewähr dem im Palast, den du doch großzogst! Doppelte Buße laß Und dreifältige dir gefallen!) Zweite Strophe Götter ihr, die ihr der vielreichen Schatzkammer wachet im Palast, Götter, hört mich gnädig an! Auf denn! Einst verübter Freveltat Blutschuld sühnet durch ein neu Gericht; Der greise Mord zeuge weiter nicht im Haus! Diesen, der mordet mit Recht, Herr, du in tiefkündender Kluft, Lasse zum Heil du ihn des Vaters Haus sehn! Lasse du frei ihn und hell Mit seinem teueren Aug durch der grausigen Frevel Nacht schaun! Zweite Gegenstrophe Allgerecht helfen mag Maias Sohn, rasch in rascher Förderung Kühne Tat gern endigen! Unausforschlich forscht er fernstes Ziel, Gießt Nacht, gießet Dunkel vor das Aug, Am hellen Tag heller nicht noch kenntlicher! (Diesen, der mordet mit Recht, Herr, du in tiefkündender Kluft, Lasse zum Heil du ihn des Vaters Haus sehn! Lasse du frei ihn und hell Mit seinem teueren Aug durch der grausigen Frevel Nacht schaun!) Dritte Strophe Vieler Sang, sühnender, Soll dem teuren Hause dann, Weiblich fromm gesungener Zur Zither, alle Schuld zu bannen, Tönen durch die Stadt. – Geschäh's! Mein, ja mein blüht dann allen Glücks Gewinn, Und Ata weicht den Teuren fern! Sohn! Sohn! Dann im Mut stark, wenn du hintrittst und es ausführst und dazu nennst Vaters Namen Und sie »Kind!« dich ruft, So doch ende das Graunverhängnis! Dritte Gegenstrophe Dann hinwegblickend, Sohn, Dann wie Perseus, unerschreckt, Mußt den Deinen, die das Grab deckt, Du den Deinen hienieden erfüllen Der Liebe grambittern Haß! Führe so drinnen aus dein blutig Amt, Den Mord der Mordesschuldigen! (Sohn! Sohn! Dann im Mut stark, wenn du hintrittst und es ausführst und dazu nennst Vaters Namen Und sie »Kind!« dich ruft, So doch ende das Graunverhängnis!) Aigisthos tritt ohne Gefolge auf. Nicht ungerufen komm ich; Boten sandte man; Denn fremde Männer, hör ich, kamen, brachten uns Viel Neuigkeiten, aber nicht erfreuliche, Den Tod Orestens. Würde das im Hause kund, Entsetzentriefend Grausen weckt' es leicht im Haus, Das noch an alten Wunden krankt und altem Schmerz. Soll ich es wahr, lebendig nennen? Oder ist's Ein weiberhaftes, furchtgebornes Truggeschwätz, Das durch die Luft hin eitel fliegt und eitel stirbt? Weißt du vielleicht mir irgend drüber Sicheres? Wir hörten's freilich; aber drinnen frage selbst Die fremden Männer; wenig Wert hat Botenwort, Da du selbst von ihnen selber alles hören kannst. Selbst sehn und fragen will ich denn den fremden Mann, Ob er bei seinem Tod gewesen oder nur Aus dunklen Reden so erfuhr und weiterspricht; Denn meines Geistes scharfen Blick betrügt man nicht. Ab in den Palast. Zeus, Zeus, was sag, was nenn ich zuerst Im heißen Gebet, im brünstigen Wunsch? Wie sprech ich es aus, Daß es gleichkommt unserer Treue? Jetzt muß es geschehn, daß des mordenden Schwerts Kühnwagende, blutig begonnene Tat Entweder hinweg von der Erde vertilgt Das teure Geschlecht Agamemnons – Oder er selbst schürt Lustfeuer uns bald An dem Freiheitsfest und gewinnet der Stadt Herrschaft, sein väterlich Erbteil! Schon tritt er allein zwei Feinden zugleich Entgegen zum Kampf, der göttliche Held Orestes; geschah es zum Siege! hinter der Szene. Ach! Weh mir, wehe! Horch doch! weh, o horch! Weh! was ist? Was geschieht im Palast? Laßt uns hinweggehn, denn das Werk wird nun vollbracht, Auf daß wir schuldlos scheinen mögen dieser Tat; Denn bald erreicht ist dieses Kampfes Ziel und Schluß. Der Chor setzt sich auf die Stufen des Grabes. aus dem Palast stürzend. O weh des Mordes! Totgeschlagen ist der Herr! O weh noch einmal! Und zum dritten Male weh! Aigisthos ist nicht mehr! O öffnet, öffnet doch! Pocht an die Tür des Frauenhauses. So schnell wie möglich! Schließet, brecht die Riegel auf Im Weiberhause; ja es braucht da große Kraft, Nicht ihm zu helfen, der ist tot. Was ist es mehr! Ho! hoiho! Wiederholtes Pochen. Zu Tauben schrei ich, und zu eitel Schlafenden Umsonst. Wo ist Klytaimestra? Auf! Was säumt sie noch? Nun scheint's, daß um ein kleines von des Henkers Schwert Ihr eigner Nacken im Gericht hinsinken wird! tritt heraus. Was ist geschehn, sprich? Welch Geschrei tobst du ins Haus? Die Toten, sag ich, morden die Lebendigen! Weh mir! Im Rätsel auch versteh dein Wort ich wohl! List fänget uns jetzt, gleich wie wir einst mordeten! Mein altes Mordbeil gib mir eilig jetzt hervor; Knecht ab. Laß sehen, ob wir siegen werden, ob besiegt! Dahin gekommen ist es nun in meinem Leid! Orestes und Pylades treten aus dem Palast. Ich suche dich auch! Er erhielt sein volles Teil! Weh mir! Erschlagen du, Aigisthos' teure Kraft? Du liebst den Mann? So liege denn in einem Grab Mit ihm; verrat du doch den Toten nimmermehr! Halt ein, o Sohn! Nein, scheue diese Brust, o Kind, Die Mutterbrust, an welcher du einschlummernd oft Mit deinen Lippen sogst die süße Muttermilch! Was tu ich, Pylades? Scheu ich meiner Mutter Blut? Wo bleiben dann die andren Gottverheißungen Des Pythotempels, wo der eignen Eide Band? Hab alle lieber als die Götter dir zu Feind! 's ist wahr, du siegest und gemahnst ans Rechte mich! So folg mir, töten will ich neben jenem dich. Im Leben war vor meinem Vater der dir wert, Du sollst im Tod auch bei ihm schlafen; denn du liebst Den Menschen; den du lieben mußtest, hassest du! Ich zog dich groß, Kind, altern mit dir will ich auch! Du mit mir wohnen, meines Vaters Mörderin? Es ist die Moira, liebes Kind, all dessen schuld! So hat die Moira auch verschuldet diesen Mord! O Sohn, und scheust du deiner Mutter Flüche nicht? Die du mich gebarst, verstoßen hast du mich ins Weh! Dich nicht verstoßen hab ich in des Freundes Haus! Zwiefach verkauft ward ich, des freien Vaters Sohn! Wo ist der Kaufpreis, den ich je für dich empfing? Die Scham verbeut mir, auszusprechen deinen Schimpf. O nein! Doch sag auch, was getan dein Vater hat! Wenn du daheim bliebst, richte nicht mit dem, der kämpft! Vom Gatten fern sein, Kind, es schmerzt die Gattin sehr! Des Mannes Mühsal nährt die still Heimsitzende! So willst du mich umbringen, deine Mutter, Sohn? Mitnichten ich; nein, du ermordest selbst dich selbst! Du! vor der Mutter grimmen Hunden hüte dich! Die meines Vaters, laß ich dich, wie meid ich die? So wein ich lebend an dem Grabe denn umsonst? Des Vaters Schicksal stürmet auf dich diesen Tod! Weh, diesen Drachen, den ich geboren und genährt! Ein rechter Seher war dir deines Traumes Angst! Du erschlugst, den du nicht mußtest; gleiches leide jetzt! Beide ab. Der Chor nähert sich ängstlich. Laßt uns beweinen beider doppelt Mißgeschick; Und weil Orestes traurig jetzt zum Gipfel führt Die viele Blutschuld, lasset beten uns zugleich, Daß dieses Hauses Auge nicht ganz brechen mag! Erste Strophe Des Bluts Rächerin den Priamiden kam, Die strafwilde Poina; Das Blut rächend, kam in Agamemnons Haus Ein Löwenpaar, ein Arespaar; Blutig errang sein Ziel Der gottgesandte Flüchtige, Der auf des Gottes Rat hierher wanderte. Jauchzet, o jauchzet laut, daß das erlauchte Haus Rein der Beschimpfung ward, daß von der reichen Habe nicht Geudet und schwelgt das Frevlerpaar, Ein fluchwürdger Hohn! Erste Gegenstrophe Längst Vorsorgerin heimlichen Kampfes kam Die listsinnge Poina; Und Hand angelegt hat in dem Kampf des Zeus Wahrhaftes Kind: Gerechtigkeit Rufen wir Menschen sie Und nennen recht ihren Namen, Die mit Verderbens Wut den Feind niederstürmt! (Jauchzet, o jauchzet laut, daß das erlauchte Haus Rein der Beschimpfung ward, daß von der reichen Habe nicht Geudet und schwelgt das Frevlerpaar, Ein fluchwürdger Hohn!) Zweite Strophe Also hat der parnassische Loxias, Welcher die tiefe Kluft inne der Erden hat, Mit truglosem Trug sich jetzt genaht, Der spätstrafende! Die Gottheit überwindet! Wohl gebührt's, Fromm zu scheun der Himmlischen Gericht; Wieder erscheinet Licht! Seines gewaltgen Jochs seh ich das Haus befreit! Wiederersteh, du Haus, das du so lange Zeit Im Staub gestürzt darniederlagst! Zweite Gegenstrophe Und einzieht die Allenderin bald, die Zeit, In des Palastes Tor, wenn von dem heilgen Herd Gescheucht jegliche Schuld Durch reinigende Sühne des Verderbens ist. Das Glück, liebe Ruh im Antlitz, Uns Zitternden froh zu schaun, Die ins Haus sich eingenistet, hat's gestürzt! Wieder erscheinet Licht! (Seines gewaltgen Jochs seh ich das Haus befreit! Wiederersteh, du Haus, das du so lange Zeit Im Staub gestürzt darniederlagst!) Aus der königlichen Pforte tritt Orestes mit bluttriefenden Händen; Pylades, Gefolge; auf einer Bahre werden die Leichen von Aigisthos und Klytaimestra herausgetragen. Da seht ihr dieses Landes Doppeltyrannei, Die Vatermörder, die Zerstörer meines Stamms! In stolzer Hoheit saßen sonst sie auf dem Thron, Und jetzt vereint sie Liebe noch, wie dort ihr Los Es zeigt, und treu bleibt altem Schwure noch ihr Bund. Vereint den Vater umzubringen schwuren sie, Vereint zu sterben; nun geschah's nach ihrem Schwur. Ihr aber alle, dieser Leiden Zeugen, seht Dies Truggewirk an, meines armen Vaters Garn, Die Fessel seiner Hände, seiner Füße Zwang! Spannt ihr es weit aus, zeigt im Kreise ringsumher Des Helden Fangnetz, daß es sehn der Vater mag – Nicht meiner, sondern Helios, der alles dies, Der meiner Mutter gottverfluchte Taten schaut', Auf daß er einst mir im Gericht kann Zeuge sein, Wie ganz gerecht ich diesem Morde nachgejagt Der Mutter; denn Aigisthos' Tod ist tadelfrei; Er fand, des heilgen Rechts Verletzer, sein Gericht. Doch wenn ein Weib so argen Haß sann ihrem Mann, Von dem sie Kinder doch im eignen Schoße trug, Einst teure Last, jetzt offenkundig ärgsten Feind – Was meinst du? Giftaal, Viper wurde sie erzeugt, Daß, wen sie anrührt, ungebissen der verfault Ob ihrer Frechheit, ihres Sinns Ruchlosigkeit. Deutet auf das Netz. Wie nenn ich das gar, daß der Name treffend sei? Fangzeug des Wildes, fußumschlingend Leichentuch, Des Beckens Mordgezelte, nenn's ein Jägernetz, Heimtückisch Stellgarn, fußverfangend Fluchgewirk! Ein Straßenräuber finde sich desgleichen aus, Der seinen Gastfreund tückisch fängt, in Raub und Mord Sein Leben hinbringt; viele dann mit solcher List Zu morden, das sei seines Lebens rechte Lust! Mir aber werde solche Hausgenossin nie, Ehr wollt mich, Götter, sterben lassen kinderlos! Weh, weh! Weh, weh der entsetzlichen Tat! Wie gräßlichen Todes du umkamst! Weh, weh! Weh, weh! Weh blüht auch dem, der zurückbleibt! Hat er's vollendet oder nicht? Dort das Gewand Gibt mir ein Zeugnis, daß es trank Aigisthos' Blut; Des Mordes Färbung aber eint sich mit der Zeit, Hinwegzutilgen, all des Purpurs Farbenpracht! Nun preis ich mich, nun jammr ich laut auf, hierzustehn Und anzureden meines Vaters Mordgespinst; Es quält mich meine Tat, mein Leid, all mein Geschlecht, Mit dieses Sieges reicher Schuld verflucht zu sein! Kein Sterblicher ist's, der das Leben in Ruh Hinbringt und jeglicher Schuld frei! O Sohn, Trübsal Kommt bald dem, anderen später! Ein andrer sieht's einst, wo das Ziel – ich weiß es nicht; Gleichwie mit Rossen aus der fliegenden Wagen Bahn Ras ich hinaus; fort reißt mich zügellos der Geist, Unwiderstehlich. Meines Herzens Entsetzen will Sein Lied beginnen, seinen Tanz zum Schall der Wut! – Solang Bewußtsein mir noch bleibt, hört, Freunde, mich! Die eigne Mutter schlug ich tot mit Fug und Recht, Die Gottverhaßte, mir um Vatermord verflucht; Und meiner Kühnheit Liebestrank, ihn mischte mir Der Pythoseher Loxias durch seinen Spruch: Daß, wenn ich's täte, sonder Schuld ich sollte sein, Wenn ich es ließe – meine Strafe nenn ich nicht; Mit keinem Pfeil reicht keiner ab ein solches Leid! Und jetzt, ihr seht mich, wie ich will, fromm angetan Mit diesem Ölzweig, diesem Kranze, bittend ziehn Zum Heiligtum der Mitten, Loxias' Gefild, Zum Licht der Flamme, die die ewge wird genannt, Verwandter Blutschuld zu entfliehn; denn Loxias Gebot mir, keinem andren Herde mich zu nahn. Ich aber sag euch, die Argiver allzumal Bezeugen einst mir, welches Leid mir ward erfüllt; Doch ich, der Heimat flüchtig, irr in fremdem Land; Leb ich und sterb ich, diesen Ruhm laß ich zurück. Du tatst es schön so; drum zu bösem Worte nicht Schließ deinen Mund auf noch ein schlimmes Zeichen sprich; Du gabst der Freiheit unsre ganze Stadt zurück, Da beide Drachen mächtig du zu Boden schlugst! Ach! Getreue Frauen, seht sie dort, Gorgonen gleich, Die faltig Schwarzverhüllten, Haardurchflochtenen Mit dichten Schlangen; bleiben nicht mehr kann ich hier! Was für ein Wahnbild, du des Vaters liebstes Kind, Scheucht dich empor? Bleib, fürchte nichts, Siegreicher du! Nicht ist's ein Wahnbild, was mich dräuend dort entsetzt, Nein, meiner Mutter wutempörte Hunde sind's! 's ist frisches Blut dir, Kind, an deinen Händen noch, Daraus Verwirrung deinen Geist dir überfällt. O Fürst Apollon! Wuchernd mehrt sich ihre Schar! Aus ihren Augen triefen sie grausenhaftes Blut! Es gibt Entsühnung! Wenn du Loxias berührst, So wird er huldreich dieser Qualen dich befrein! Ihr freilich seht sie nicht; ich aber sehe sie! Mich jagt's von hinnen! Bleiben nicht mehr kann ich hier! – Stürzt hinaus. All Glück geleit dich; gnädig möge schaun auf dich Ein Gott und dich bewahren vor Gefahr und Tod! So ward dem Geschlecht denn der Könige nun Dreimaliger Sturm, In das Haus hintobend, geendet! Zum ersten begann kindfressendes Greul Die entsetzliche Schuld; Zum zweiten des Herrn unköniglich Los; Denn im Becken erwürgt kam um der Achair Kriegsherrlicher Fürst; Zum dritten erschien – nenn Heiland ich, Nenn Mörder ich ihn? Wo endet es je? Wo findet noch Ruh Die besänftigte Macht des Verderbens? Die Eumeniden Aischylos Die Eumeniden (Eumenides) Personen. Die pythische Seherin Apollon Orestes Klytaimestras Schatten Chor der Eumeniden Athene Geleitende Schar Tempel des Apollon zu Delphi; aus den Hallen tritt die pythische Seherin zum Frühgebet. Mit erstem Anruf ehr ich aus der Götter Zahl Die Urprophetin Gaia; Themis dann, ihr Kind, Die nach den Sagen hier am Seherherde saß, Die zweite nach der Mutter; dann zum dritten ward Mit ihrem Willen, nicht von fremder Macht bestimmt, Ein andres Kind der Gaia Herrin dieses Orts, Titanis Phoibe. Zum Geburtsgeschenke gab Die ihn dem Phoibos, der sich drum nach Phoibe nennt. Das Klippeneiland Delos ließ er und die See, Zu Pallas' meerfahrtoffnem Strande zog er dann Und kam in dies Land zu des Parnassos Heiligtum; Und ihn geleiten, frommen Dienstes ehren ihn Als Wegebahner des Hephaistos Kinder, die Des Landes Wildnis seinem Zug entwilderten. Drauf als er einzog, festlich wallt' entgegen ihm Das Volk und Delphos, dieser Gegend hehrer Fürst; Zeus aber gab ihm ewgen Rates Wissenschaft, Den vierten Seher, setzt' er ihn auf diesen Thron, Und seines Vaters Zeus Prophet ist Loxias. Zu diesen Göttern bitt und bet ich feierlich! – Dem Gruß die erste mag Pronaia Pallas sein, Gruß auch den Nymphen drüben, wo Korykis' Fels, Hohl, vogelheimisch und der Götter Ruheplatz; 's ist Bromios jener Gegend Herr, des denk ich wohl, Seitdem die Bakchen siegend hergeführt der Gott Und Tod dem Pentheus einem Häslein gleich gewirkt, Auch Pleistos' Quellen grüß ich und die heilge Kraft Poseidons und zum letzten dich, allhöchster Zeus! Nun setz ich mich Prophetin auf den heilgen Thron; Huldreich gesegnen mögen sie vor jedem je Mir diesen Eingang. Sind Hellenen hier zur Stund, So nahn sie nach den Losen altem Brauch gemäß; Denn ich verkünde, wie der Gott es mir gebeut! Sie öffnet den Tempel und geht hinein; nach kurzer Pause wankt sie entsetzt zurück. Graunvoll zu nennen, anzuschauen grausenvoll! Mich jagt es rückwärts aus dem Tempel Loxias', So daß die Sohle kaum mich trägt, sich kaum bewegt; Die Hände laufen, nicht des Fußes nichtge Hast! Ohnmächtig bin ich zitternd Weib, gleich einem Kind! Zum vielbekränzten Heiligtume ging ich ein, Und sitzen seh ich einen gottverfluchten Mann Am Erdennabel, schutzgewärtig, frisch von Blut Die Hände triefend, noch das entblößte Schwert zur Hand, Zugleich des Ölbaums einen hochentsproßnen Zweig Mit breitgewundner Flocke rings sorgsam bekränzt Der weißen Wolle; so genau sprech ich es aus. Um diesen Mann her eine wunderbare Schar Von Weibern schlafend auf die Sessel hingestreckt; Doch nicht von Weibern – nein, Gorgonen nenn ich sie, Und wieder nicht den Bildern der Gorgonen gleich; Einst sah ich die gemalet, wie sie mit Phineus' Mahl Von dannen fliegen; aber ungeflügelt sind Die dort und schwarz und gar entsetzlich anzuschaun; Sie schnarchen unnahbaren Odems lauten Hauch, Aus ihren Augen trieft es, quillt es grausenhaft, Ihr Putz, zu scheußlich ist er, um den Göttern je, Der Menschen Wohnung traulich jemals sich zu nahn. Nie hab ich solch Gelage solcher Schar gesehn, Noch rühmt sich jemals irgendein Land, dies Geschlecht Gramlos zu nähren, ohn es schwer zu büßen einst. Das weitre sei dem Herren dieses Heiligtums, Dem Loxias, befohlen, dem großmächtigen; Denn Seherheiland ist er, Zeichenkündiger, Und allem Hause jeder Schuld Entsündiger. Ab in die Halle; aus dem Tempel treten Apollon und Hermes; zwischen beiden Orestes. Dich werd ich nicht verraten; allzeit Hüter dir, Ob ich dir nah bin oder weit von dir entfernt, Nie werd ich deinen Feinden freund und gnädig sein! Also gefangen siehst du diese Dirnen jetzt, Vom Schlaf bewältigt, eine gottverhaßte Brut, Ergraute Mädchen, greise Kinder, welche nie Der Götter einer, nie ein Mensch noch Tier umarmt; Des Bösen wegen sind sie da, sie hausen drum Im bösen Dunkel unten tief im Tartaros, Der Menschen Abscheu und der Götter im Olymp. Dennoch entflieh du und vergiß der lieben Ruh; Dann jagen durch das weite Festland dir sie nach, Solang du hineilst über irrdurchflüchtet Land, Dir über Meer und meerumrauschte Inseln nach. Und nicht zu früh ermüde, weit umhergescheucht In solcher Mühsal. Ziehe dann gen Pallas' Stadt, Setz an ihr altes Bild dich und umschling es fromm. Und dort, wo Richter solcher Schuld und sühnend Wort Für uns bereit sind, werden Wege wir erspähn, Daß frei und los du werdest aller dieser Mühn; Denn ich gebot's, daß deine Mutter du erschlugst! Du weißt, o Fürst Apollon, Unrecht nie zu tun; Unrecht mich leiden nicht zu lassen wisse jetzt; Daß du's betätgen kannst, verbürgt mir deine Kraft! Vertrau, damit nicht Furcht bewältge deinen Geist! – Du meines Blutes Bruder, Gleichgezeugter mir, Hermes, behüt ihn, deinem eignen Namen treu, Sei sein Geleiter, führe wie ein treuer Hirt Mir meinen Schützling – ehrt doch Zeus selbst diese Pflicht, Wenn froher Wandrung Zeichen er den Menschen schickt. Hermes und Orestes ab, Apollon geht in den Tempel zurück. Das Innere des Tempels wird sichtbar. Man erblickt die schlafenden Erinnyen; der Schatten Klytaimestras steigt empor. Ihr schlafet? Ho! auf! Was bedarf's der Schlafenden? Und ich, die also vor den andern Toten all Mißachtet ganz von euch bin, weil ich mordete Und solcher Vorwurf nimmer stirbt im Totenreich, Umirr ich schmachvoll! Aber wißt, ich sag es euch, Die größte Ursach hab ich wider jene doch; Denn ich, die so Furchtbares von den Liebsten litt, Von allen Göttern keiner ist für mich erzürnt, Da Muttermörders Hände mich doch umgebracht! Da, seht im Herzen diese meine Wunden an! Denn Schlaf im Auge, bleibt der Sinn euch hell und wach, Doch über Tag ist Menschenjagen euer Los! Habt ihr bereits doch vieles schon von mir empfahn, Weinlose Spenden, nüchtren, hilfeflehnden Gruß Und mitternächtig stilles Mahl am Herd der Glut In eurer Stunde, keinem Gott mit euch gemein. Das alles, seh ich, schnöd in den Staub getreten wird's – Und er entrinnt euch, flüchtig, einer Hindin gleich, Und gar aus eures Garnes Mitten ist er leicht Entsprungen, blickt hohnlachend nun auf euch zurück! Vernehmt, was ich von meinem Geist zu euch gesagt, Bedenkt es wohl, Göttinnen ihr des Totenreichs! Es ist das Traumbild Klytaimestra, die euch ruft! Stöhnen des Chors. Wohl stöhnt ihr; euch entflieht er fern und ferner schon, Mir Mißgesinnten, schutzgewärtig geht er hin! Stöhnen des Chors. Du schläfst so fest noch, dich erbarmt nicht meine Qual, Und mein, der Mutter, Mörder Orestes, er entkommt! Geheul des Chors. Du heulst? du schläfst noch? Raffst dich eilig nicht empor? Was sonst ist dein Amt, wenn du Jammer nicht verhängst? Geheul des Chors. Schlafsucht und Mühsal, schnöde Bundverschworene, Euch grausen Drachen haben sie die Kraft gelähmt? Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Hetz! Im Traum verfolgst du dein Gewild, schlägst wie ein Hund Laut an, der niemals seines Dienstes Sorge läßt! Du säumst? Empor spring! Mühe mach dich nimmer feig; Auch das vergiß nicht, welchen Schaden Schlaf dir schafft! Mit gerechter Reue geißle deine Nieren wund, In heißem Antrieb stachle selbst dich wieder auf! Auf! Deines Mundes jähen Bluthauch stürm ihm nach, Hindörr in Glut ihn, in der Eingeweide Brand, Nach jag ihm, hetz in wiederholter Jagd ihn tot! Verschwindet. wild durcheinander. Erweck, erwecke diese du, ich wieder dich. Schläfst du? Erheb dich! Stoß den Schlaf von dir hinweg! Nachsehen laßt uns, ob ihr Reden uns betrog! Sie stürzen aus dem Tempel hervor. Erste Strophe Hohu! wehe! ho! Müssen es leiden, o! Und vieles schon erlitt ich, und ich litt umsonst! Müssen erleiden hie Schmähliches! Leiden o Ein unsäglich Weh. Aus sichrem Garn entsprungen, flieht mein Wild hinweg! Vom Schlaf erdrückt, büß ich ein meinen Fang! Erste Gegenstrophe Hohu! Sohn des Zeus! Bist ein verschmitzter Dieb! Uns greise Götter überrennst du, junger Gott! Daß du den Flüchtling ehrst, Schuldigen! Ihn beschützt, Den schamlosen Sohn! Den Muttermörder stahlst du uns, und bist ein Gott! Wer sagte, das sei gerecht je getan? Zweite Strophe Es hat der Vorwurf, den der Traum ins Ohr mir schrie, Dem Roßlenker gleich mich aufgepeitscht, Blutigen Geißelhieb in Herz und Mark gepeitscht! Der Marterknecht meiner Reu, Wie er mich trifft, wie er mich stäupt, Durchschauert mich Grausen, entsetzliches, mich! Zweite Gegenstrophe Und das bereiten jene neuen Götter uns, Die Macht üben über alles Recht! Mordesbespritzter Sitz, zu Haupt und Fuß bespritzt Ist jetzt der Erdnabel dort; Blutige Schuld, schuldiges Blut – Das verruchteste nahm ja beschützend er auf! Dritte Strophe Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend, Weil du die Menschen ehrst wider der Götter Recht, Der Moiren Macht, der uralten, brichst! Dritte Gegenstrophe Mir wirst verhaßt du und erlösest den doch nie! Flöh er zum Hades auch, nimmer doch wird er uns los! Wie er den Mord beging, also dem Rächer auch Fällt er mit seinem Haupt dort anheim! aus dem Tempel tretend. Hinaus! befehl ich; dieses Tempelhaus verlaßt Sogleich, hinwegzieht aus des Sehers Heiligtum, Eh diese zischende schnellbeschwingte Schlange dich Von meines Bogens goldgeflochtner Senne trifft, Vor Schmerz du ausströmst schwarzen menschentsognen Schaum, Geronnen Blut ausspeiest, das du bei Mord geleckt! Fort! Meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein! Nein, da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes Gericht, wo Totschlag, wo der Knab in geiler Lust Verspritzt den eitlen Samen, wo Entmannete, Steintodverdammte, unter qualvoll wildem Schmerz Rückgratdurchspießte jammern! Habt ihr nun gehört, Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt Den Göttern ihr seid? Gleiches zeigt auch euer Leib; Denn solche Scheusal' müssen in des blutleckenden Leun Höhle hausen, nicht in diesem Heiligtum Der Gottorakel weilen, solch entweihend Greul! So zieht hinaus, weitschwärmend, hirtenlos zerstreut; Denn solcher Herd' ist keiner hold der Himmlischen. Du, Fürst Apollon, höre nun auch wieder mich! Wohl bist du nicht zu nennen als Mitschuldiger, Nein, du allein tatst alles, du Allschuldiger! Wie das? So lang noch sei zu reden dir vergönnt! Du allein gebotst dem Fremdling seiner Mutter Mord! Ich gebot ihm seines Vaters Rache. Weiter dann! Die frische Blutschuld wieder nahmst du über dich! In meines Tempels Schutz zu fliehn, befahl ich ihm. Und uns verschmähst du, die ja doch ihn geleiteten! Euch kommt es nicht zu, meiner Wohnung euch zu nahn. Und dennoch aufgetragen ward uns diese Pflicht. Welch eine Pflicht denn? Rühme doch dein schönes Amt! Den Muttermörder treiben wir aus Haus und Hof! Auch den des Weibes, die den Gatten umgebracht? Nicht soll der ruchlos blutverwandte Mord geschehn! So ganz mißehrt wird und geringgeschätzt von dir Der großen Hera und des Zeus eidheilger Bund, Mißehrt auch Kypris und beschimpft mit solchem Wort, Von der doch alles Liebste kommt den Sterblichen! Geeint vom Schicksal wird des Mann und Weibes Bund Von diesem Rechte heilger, als durch Schwur bewacht. Wenn nun du mild bist jenen Wechselmordenden, Nicht ihnen nachjagst, nicht sie suchst mit wildem Zorn, So sag ich, nicht treibst du gerecht Orestes fort: Dies eine, weiß ich, willst du und verlangst du ganz, Des andren denkst du offenbar saumseliger. Pallas Athene wird erforschen beider Recht. Von jenem Mörder laß ich nun und nimmermehr! Magst ihn verfolgen, dir zu mehren deine Müh! Nicht kränk an meinen Ehren mich mit solchem Wort! Böt man sie mir, als Schande wies' ich sie zurück! Ein Mächtger freilich wirst an Zeus' Thron du genannt! Ich aber – forttreibt Mutterblut mich, zum Gericht Nacheil ich ihm, nachspür ich seinem fliehnden Fuß! Der Chor ab. Ich aber will ihm Retter und Beschützer sein; Denn vielgewaltig ist bei Mensch und Gott der Zorn Des Schutzbefohlnen, wenn ich treulos ihn verriet. – Ab in den Tempel. Tempel der Pallas Athene zu Athen; vor demselben ein Altar mit dem Bilde der Göttin. Orestes kommt ohne Hermes, setzt sich an den Altar der Göttin und umfaßt ihr Bild. Herrin Athene, auf des Loxias Geheiß Komm ich; so nimm du gnädig auf mich Schuldigen, Nicht mordbefleckt mehr, nicht mit ungesühnter Hand, Nein, abgestumpft schon, weit umhergetrieben schon Auf allen Wegen und in fremder Menschen Haus. So über Land hin, über See umhergeflohn, Folgsam der Weisung, die mir Loxias beschied, Komm ich in dein Haus, Göttin, und zu deinem Bild; Hier will ich weilen, warten auf des Gerichtes Schluß! Der Chor tritt auf, zerstreut, suchend. Nur weiter! Dies ist seine Fährte offenbar; Nachspürt dem stummen Rate der Verrätrin Spur! Ja, wie der Spürhund einem angeschoßnen Reh, So wittern, seinem Schweiß und Blut nach, wir ihn aus! Mir keucht die Brust von diesen menschenpirschenden Mühn; Denn abgetrieben ist der Erde ganz Revier! Und über Meer hin setzt ich flügellosen Flugs Ihm nach, und nach blieb hinter mir ein segelnd Schiff! Jetzt muß er hier gesetzt sich haben irgendwo; Der Duft von frischem Menschenblute lacht mich an! So such ihn, such ihn nur! Spürt genau alles durch, daß nicht heimlich noch Der Muttermörder entkommt! Da schau! Da sitzt er wieder unter gutem Schutz! Der Göttin Bild dicht umfaßt, Will er erwarten seiner Blutschuld Gericht! Niemals geschieht das! Mutterblut, zur Erde rann's! Unwiederrettbares Blut, Lebend hinabgeströmt, tot in den toten Staub! Du sollst es jetzt lebendig abbüßen! Ich saug dir aus den Adern das rote Geblüt! Satt mich von dir zu schlürfen, lechz ich, blutgen Mißtrunkes satt! Abzehr ich dich, den Lebendgen, jag dich so hinab! Sollst mir im Jammer abbüßen den Muttermord! Sollst schauen dort, wer andrem Menschen mißgetan, Frevel geübt an Gott oder Gast, Frevel am Elternhaupt – Jedweden, wie ihm verdienter Lohn gerichtet ward! Denn aller Menschen Richter ist der große Tod, Unter der Erde tief! Alles erkennt er in des Gedächtnisses Schrift! Ich weiß, in meiner Leiden Übermaß belehrt, Von vieler Sühnung, weiß auch, wo zu reden recht Und wo zu schweigen. Aber wie sich jetzt es fügt, Zu sprechen trug mir da ein weiser Lehrer auf; Nun schläft die Blutschuld meiner Hand und trocknet auf; Hinweggewaschen ist des Muttermordes Greul; Auf Phoibos' Altar ward das Blut, noch war es frisch, Von mir genommen durch der Opferferkel Blut. Viel Worte braucht ich, wenn ich alle nennete, Die mir Gemeinschaft unbeschadet schon gegönnt; Es macht die Zeit mitalternd uns von allem rein. Nun aber ruf ich lautren, freudigen Mundes an Die Herrin dieses Landes Athenaia; sie Nah mir zum Beistand, und sie wird dann sonder Kampf Zu Freunden, kampfverbundnen, treu bewähreten, Mich selbst gewinnen, meine Stadt und Argos' Volk. Drum ob im fernen Uferlande Libyas Am Busen Tritons, ihrer väterlichen Flut, Den Fuß sie beuget oder hochhinschreitend eilt Zum Schirm der Ihren oder ob sie Phlegras Feld Gleich rüstgem Feldherrn scharenordnend überschaut, Sie komme – fern auch hört mich doch der Göttin Huld –, Auf daß sie von mir nehme diese letzte Schuld! Nicht kann Apollon, nicht Athenes heilge Kraft Dich schützen, daß du nicht, von meiner Wut verfolgt, Verkommst, vergissest, wo im Herzen Freude weilt – Du meine Weide, Blutes leer, ein Schatten du! Nichts widersprichst du, du verabscheust alles Wort, Der mir du gefüttert, mir anheimgefallen bist? Lebendig mußt du mich laben, nicht geopfert erst! Hör unsren Reigen, dich zu fesseln und zu fahn! So beginnet und schlinget den Reigen um ihn; Denn es ist an der Zeit, Ihm den grausen Gesang zu erheben! Zu verkünden den Teil in der Menschen Geschick, Den unsere Schar austeilt und bewacht, Und gerecht zu entscheiden erfreut uns! Denn welcher die Hand schuldrein sich bewahrt, Auf den niemals stürzt unsere Wut; Gramlos durchwallt er sein Leben. Wer aber, wie der dort, frevelbewußt Die blutige Hand uns sucht zu entziehn, Da treten wir laut als Zeugen der Schuld Den Erschlagenen auf und erweisen ihm uns Graunvoll als Rächer der Blutschuld! Erste Strophe Mutter, die du mich gebarst, Nacht du, Mutter der Qualen dem Blinden, Sehnden, oh! hör uns! Sieh, es schuf Letos Sohn Spott und Hohn, Schimpf und Schmach uns, Raubet uns unsren Fang, Muttermordschuldig Wild, das mit Blut gemarket ist! Drum um den Mordtriefenden dort schlingt den Gesang, Taumelbetört, grausenverstört bis zum Wahnsinn! Schlingt Erinnyenfestgesang, Harfenlos, den Sinn zu fahn, welk zu dörren Menschenkraft! Erste Gegenstrophe Solches Los hat mir die grausame Moira gesponnen, daß ich es treu stets wahre: Wessen Haupt selbst sich gottlosen Blutfrevel auflud, Solchem nach jagen wir, Bis ihn Nacht birgt, und frei laß ich auch im Tod ihn nicht! Drum um den Mordtriefenden dort schlingt den Gesang, Taumelbetört, grausenverstört bis zum Wahnsinn! Schlingt Erinnyenfestgesang, Harfenlos, den Sinn zu fahn, welk zu dörren Menschenkraft! Zweite Strophe Als wir geboren, da wurde befohlen uns dies Amt, Aber zugleich, den Unsterblichen nimmer zu nahen. Ihr Mahl teilen wir niemals; Und weißglänzend Gewand, Mir ist es versaget, gemißgönnt! Untergang gehöret mein, Wenn im Geschlecht, das ihn genährt, Ares dahinmordet den Freund; Hinter ihm her fliegen wir schwer; Wie er in Kraft auch blüht, wir vertilgen ihn blutig. Zweite Gegenstrophe Aber es sehnt mich, daß einer mir endige dies Amt, Rechte der Seligen meinem Verlangen gewähre, Eh ich muß zu Gericht gehn! Denn uns blutige Schar, Uns scheußliche, bannete Zeus, fern Seiner Nähe stets zu sein! (Untergang gehöret mein, Wenn im Geschlecht, das ihn genährt, Ares dahinmordet den Freund; Hinter ihm her fliegen wir schwer; Wie er in Kraft auch blüht, wir vertilgen ihn blutig!) Dritte Strophe Menschenruhm, wie herrlich man droben ihn preise, Bis in die Gruft hin verkümmert, verödet er elend Unserer schattengewandigen Beutegier, Unsrer Sohle neideswildem Tanz! Wieder darum jag ich hinab Stürmenden Sprungs, nieder zum Staub Reiß ich den schwerstürzenden Fuß, Daß er die Flucht versagt – unaussprechliches Elend! Dritte Gegenstrophe Stürzt er dann, nicht sieht er's in blinder Zerrüttung; Also im Dunkel umschwärmt ihn ein gieriges Hassen; Und unermeßlichen Nebel, umnachtenden, Gießt vielschreinder Schmerz um sein Geschlecht! (Wieder darum jag ich hinab Stürmenden Sprungs, wieder zum Staub Reiß ich den schwerstürzenden Fuß, Daß er die Flucht versagt – unaussprechliches Elend!) Vierte Strophe Er weilt! Doch wir, listenreich und endesstark, eingedenk der Schuld, wir Graunvollen, Den Menschen unerbittlich, unerfreuliches Geschäft Lieget uns ob, ein ehrlos gottverwiesnes, sonnenlichtfliehndes, Schwer zu erklimmen mit sehenden Augen, Gar dem blöden Blicke schwer! Vierte Gegenstrophe Wo ist ein Mensch, welcher nicht entsetzte, nicht bangte, wann er mein Gesetz anhört? Das, gottbeschieden, Moira mir zu endigen gebot; Doch es gehören alte Würden mein, ich gelte nicht ehrlos, Ward mir auch unter der Erden die Heimat, Tief in sonnenleerer Nacht! Athene kommt durch die Luft daher mit Schild und Lanze. Fernher vernommen hab ich einer Stimme Ruf, Da ich Besitz nahm von Skamandros' Uferland, Das dort die Fürsten der Achaier und Mächtige Mit ihrer Speere Beuten einem reichen Teil, Mit Baum und Grashalm mir geweiht auf immerdar, Den Kindern Theseus' zum erlesenen Eigentum. Von dort mit nimmermüdem Fuße flog ich her Ohn Flügel, meiner Ägis Schoß weit aufgesaust, Jungkräftge Rosse diesem Wagen vorgeschirrt. Doch nun, da den Besuch ich seh in meiner Stadt, So macht's mich bang nicht, aber wundernimmt's den Blick. Wer seid ihr? Beide red ich euch mit einem an, Dich, fremder Flüchtling, der du sitzt an meinem Bild, Und euch, Gebornen keines seienden Stammes gleich, Göttinnen weder, wie des Gottes Blick sie schaut, Noch auch vergleichbar mit der Gestalt der Sterblichen. Doch Schmähn des Nächsten wegen Mißgestalt, es ist Gerechtem Sinn fremd und der guten Sitte fern. Erfahre du, Zeus' Tochter, alles kurzgedrängt: Wir sind die Kinder der geheimnisvollen Nacht, Die Flüche heißt man unten uns im Schattenreich. Ich kenne deines Namens Sinn und dein Geschlecht. Von meinen Ehren auch vernimm und meinem Amt! So laß mich hören und erklär es deutlich mir. Die Menschenmörder treiben wir aus Haus und Hof. Und wo erreicht der Mörder seiner Flucht ein Ziel? Wo keine Stätte keiner Freude wird gegönnt! Und gleiche Flucht schreist heisren Rufs du diesem nach? Ja, seiner Mutter Mörder wählte der zu sein! War keine Pflicht sonst, deren Zorn er fürchtete? Wo ist ein Stachel, mächtig bis zum Muttermord? Zwei sind zu hören; deinen Teil vernahm ich jetzt. Doch keinen Eid ablegen wird er noch empfahn! Gerecht genannt sein willst du lieber als es sein? Wie das? Belehr mich; denn an Weisheit bist du reich. Durch Eide sieget nimmermehr, was nicht gerecht. So forsche selbst nach und gerecht entscheide dann. Mir übergeben also ist des Streites Spruch? Jawohl, ich ehre würdig dich mit Würdigem. Was willst du, Fremdling, dem erwidern deinerseits? Nenn deine Heimat, dein Geschlecht, dein Mißgeschick, Sodann entferne solcher Schuld Vorwurf von dir, Und ob vertrauend deinem Recht an meinem Bild Du sitzt und wachest meinem heilgen Herde nah Als Schutzgewärtger, heilig, wie Ixion einst. So gib mir Antwort und erklär es deutlich mir! Herrin Athene, aus dem letzten, was du sprachst, Laß mich zuerst fortwischen eine große Sorg. Nicht schuldbefleckt mehr sitz ich hier, nicht haftet Blut An dieser Hand mehr, die an deinem Bilde lehnt; Ein großes Zeugnis dessen will ich kund dir tun: Brauch ist's, daß stumm bleibt, wer die Hand in Blut getaucht, Bis daß ein andrer, ihn der Schuld zu reinigen, Ein saugend Tier ihm opfertötend bluten läßt; Und so gesühnet ward in fremden Häusern ich Bereits mit blutgem Opfer und mit heilgem Guß. So scheuch ich diese Frage fort aus deinem Sinn. Nun meine Heimat höre noch und mein Geschlecht: Aus Argos bin ich, meinen Vater kennst du wohl, Agamemnon, jener Seegeschwader König einst, Mit dem du Trojas stolze Feste niederwarfst; Bei seiner Heimkehr aber kam er traurig um, Denn meine Mutter, die verderbensinnende, Hat ihn erschlagen unter buntgewirktem Netz, Drin sie ihn einfing; Mordes Zeuge war das Bad. Drauf als ich heimkam, denn zuvor war ich verbannt, Erschlug ich, die mich geboren, leugnen will ich's nicht, Des teuren Vaters Mord mit Mord zu züchtigen. Und alles dessen trägt Apollon mit die Schuld, Der herzzergeißelnd Leiden mir verkündete, Wenn ich es nicht vollbrächte an den Schuldigen. Du woll entscheiden, ob gerecht ich oder nicht; In deine Hand geb ich mich ganz; du richte mich! Das Urteil ist zu schwierig, daß es könnt ein Mensch Zu fällen meinen; nicht einmal mir steht es zu, Zu schlichten dieses zornempörten Mordes Streit, Zumal da du mir, ob du schon die Tat begingst, Als Flehnder nahst, schon rein, gefahrlos meinem Haus. Doch jene wurden schwer entfernbar einst gezeugt, Und wenn der Richtspruch ihnen nicht Sieg zuerkennt, So bringt der Giftschaum, den ihr Haß zu Boden trieft, Einst unsrer Landschaft unerträglich grause Pest. Und doch, dich Tadellosen wähl ich meiner Stadt. So mag es denn geschehen – blieben beide hier! Doch ihn hinwegzuweisen, mir unmöglich fällt's! – Da nun sich hierher eure Sache hat gedrängt, So wähl ich Richter über Mord, eidpflichtige, Und diese Satzung gelte fort in aller Zeit; Ihr aber schafft euch Zeugen und Beweis herbei Zu eurem Beistand, und die Schwüre eures Rechts. Ich geh, zu küren meiner Bürger edelste, Und kehre dann, wahrhaft zu enden diesen Streit Nach streng bewahrtem Eide und dem Recht getreu. Ab. Erste Strophe Alles niederstürzen wird neuer Brauch, Wenn des gottlosen Muttermörders Schuld Vor Gericht siegen darf! Allzumal stimmt die Menschen dieser Tat leichtes Spiel zu gleicher Tat, Wahrlich, und es bedroht die Eltern Von den Erzeugten Gram und Tod, Mord dann um Mord von Kind zu Kind! Erste Gegenstrophe Wird doch fürder meine Wut nimmermehr Menschenschuldspähend solchem Frevel nahn; Allen Mord laß ich frei! Hören wird's jeder jeden Orts, voraussagen seines Nächsten Weh; Kümmerlich der Gefahr zu wehren, Sich zu behüten wird der Gramkundige lehren, doch umsonst! Zweite Strophe Jammernd rufe keiner mehr, schwergetroffen schweren Wehs, Fürder keiner solchen Ruf: »O Gericht! o Erinnyen, heilge Schar!« Also wird ein Vater bald, Eine Mutter, der von dem Sohn Leid geschehn ist, jammernd schrein, weil zerbricht der Herd des Rechts! Zweite Gegenstrophe Sonst geschah's, daß unsre Furcht tief im Herzen hütend saß Und zum Frommen ängstigte! Wohl ist's gut, ernst und fromm in Tränen sein! Aber wer, der keine Furcht Nährt im sonnenheitren Gemüt, Welcher Mensch noch, welche Stadt wird das Heilge fürder scheun? Dritte Strophe Weder drum unbeherrscht, Noch gewaltgeknechtet sein Lobe du! Jeglicher Mitte beschieden die Himmlischen Herrlichkeit; jedes hütet des andren; Und so sag ich gleichen Spruch: Frevler Sinn zeuget empörenden Stolz in der Tat, Doch der Gesinnung Reinheit den allteuren, allsehnlich erflehten Segen! Dritte Gegenstrophe Doch zumeist rühm ich dies: Scheu den Altar stets des Rechts! Nimmermehr Tritt ihn, Gewinn zu erspähen, mit frevelndem Fuß! Denn Poina erfaßt dich, Sichres Ende wartet dein. Jeglicher ehre die Eltern mit heiliger Scheu, Und die Gemeinschaft Am Tisch des Gastfreundes sei jeglichem hoch und heilig! Vierte Strophe Und welcher so sonder Zwang gerecht sich zeigt, Des wird reicher Lohn sein; Zugrunde gehn soll er nun und nimmer! Doch sag ich laut: Übertreter, Trotzes frech, Die alles wild vermischen sonder Fug und Recht, Gewaltsam werden die versinken Einst, wenn die Segel Bruch und Sturz Faßt der zerschellten Masten! Vierte Gegenstrophe Er ruft und fleht, aber keiner höret ihn Tief im wilden Strudel; Und sein, des Trotzglühnden, lacht die Gottheit, Ihn so zu sehn, der sich rühmte, nimmer sei Gefahr ein Zwang, noch (nie) das hohe Meer befuhr; Doch spät jetzt strandet er mit allem Gut Gegen das Felsenriff des Rechts; Keiner beweint, vermißt ihn! Aus der Stadt kommt, von einem Herold geführt, ein Zug athenischer Greise; Athene tritt aus ihrem Tempel. Verkünde, Herold, daß du Ruhe schaffst im Volk! Laß durch den Himmel schmetternd die tyrrhenische Trompete, deines tiefgeschöpften Hauches voll, Mit übertönendem Rufe strahlen durch das Volk! Denn da bereits sich füllet dieses Tribunal, So muß es still sein, daß für alle ferne Zeit Jetzt mein Gesetz vernehmen mag die ganze Stadt Und ihr, damit das Urteil werde recht gefällt! Heroldsruf; Apollon tritt an Orestes' Seite. Du, Fürst Apollon, was dein eigen ist, versieh! Doch welchen Anteil hast an diesem Streit du? Sprich! Sowohl zu zeugen kam ich her – denn dieser Mann Ist meines Tempels Schützling, meines Tempels Herd- Genosse; ich hab seines Mordes ihn entsühnt –, Dann selber mitzurechten, denn ich habe Schuld Am Morde seiner Mutter. Doch du leit es ein, Wie du es weißest, zu entscheiden diesen Streit! Das Wort ist euer – also leit ich ein den Streit. Der Kläger also, dem zuerst das Wort gebührt, Mag uns den Hergang schlecht und recht zu wissen tun. Zwar viele sind wir, doch berichten wir gedrängt. Du gib die Antwort deines Teils uns Wort um Wort! Sag denn zum ersten, ob du die Mutter umgebracht? Umbracht ich meine Mutter, und ich leugne's nicht. Das wäre ein Kampf von den drei'n der Siegenden! Doch fiel ich nicht schon, daß du also prahlen darfst! Angeben mußt du weiter, wie du umgebracht. Ich sag's: den Nacken schnitt ich durch mit meinem Schwert. Von wem veranlaßt warst du und durch wessen Rat? Durch dieses Gottes heilgen Spruch; er selbst bezeugt's. Dich hat der Seher angeführt zum Muttermord? Und noch bis jetzt nicht schalt ich über mein Geschick. Doch faßt der Spruch dich, anders sprechen wirst du bald! Ich glaub's; doch Beistand schickt mein Vater aus dem Grab. Hoff auf die Toten, der du die Mutter tötetest! Zwiefachen Frevel lud sie auf ihr schuldig Haupt. Wie das? Belehre dessen dort die Richtenden. Den Mann erschlug sie und erschlug den Vater mir. Du aber lebst noch, während sie den Mord gebüßt. Warum denn hast im Leben du sie nicht verfolgt? Sie war dem Mann nicht blutsverwandt, den sie erschlug. Ich aber, sagst du, bin von meiner Mutter Blut? Trug denn, du Blutger, unter ihrem Herzen sie Dich nicht? Verschwörst du deiner Mutter teures Blut? Nun wollest du mir Zeugnis geben, lehren du Mich nun, Apollon, ob ich mit Recht sie mordete. Denn schuldig dieser Tat zu sein, nicht leugnen wir's; Doch ob gerecht du oder nicht dies Blut erklärst, Das woll entscheiden, daß ich's ihnen sagen kann! So sag denn ich es Athenaias großem Rat: Gerecht, und täusch ihn, ich, der Seher, nimmermehr. Niemals geweissagt hab ich auf dem Seherthron, Für Mann und Weib, für Stadt und Volk verheißen nichts, Was Zeus, der Vater im Olympos, nicht befahl. Zu lernen trachtet dieses Recht, wie hoch es gilt, Und nachzukommen meines Vaters ewgem Rat; Denn nicht des Eides Heiligkeit gilt mehr denn Zeus! Zeus hat, so sagst du, dir geboten solchen Spruch, Daß du Orestes rietest, seines Vaters Mord Zu rächen – sollte der Mutter Ehrfurcht nichts ihm sein? Gar anders ist es, wenn ein hochgeborner Mann, Mit gottbeschiednem Zepter heilger Macht belehnt, Umkommt von einem Weibe, nicht etwa im Kampf Von einer Amazone ferngeschoßnem Pfeil, Nein, Pallas, daß du's hörest, und die mit dir sind, Mit ihren Stimmen zu entscheiden diesen Streit: Als er vom Feldzug endlich wieder heimgekehrt, Den Wohlgesinnten hochgerühmt, da bot sie ihm Ein Bad, daß er ins Becken ging', in seinen Tod; Sie zeltet drüber einen Mantel, fängt ihn ein Im künstlich unendlichen Gewirk und schlägt ihn tot! Wie ich erzählt, so war des Helden Untergang, Des allerhabnen Seegeschwaderköniges; Sie stell ich so dar, daß es empören muß den Rat, Dem übertragen dieses Streits Entscheidung ist! Vorzieht das Los des Vaters Zeus nach deinem Wort Und band doch seinen greisen Vater Kronos selbst! Sagst dies du nicht mit jenem klar im Widerspruch? Ihr aber hört es und bedenkt's, beschwör ich euch! Ihr ganz verhaßten, gottverfluchten Ungeheur! Erzbanden kann man lösen, da ist Hilfe noch, Da zur Befreiung viele Mittel vieler Art; Doch wenn des Mannes Blut der Staub getrunken hat – Einmal gestorben, und es kommt kein Auferstehn: Dafür erfand mein Vater keinen Spruch noch Kunst, Der sonst doch alles allzumal hinab, hinauf Verkehrend umstürzt, ohne daß sein Atem schwillt! Versuche, wie du jenen zu befrein erreichst! Der seiner Mutter blutverwandtes Blut vergoß, Des sollt in Argos fürder sein das Vaterhaus? Zu welchen Volksaltären wird er opfernd nahn, Bei welchem Weihguß seinem Stamm willkommen sein? Drauf sag ich also, mein gerechtes Wort vernimm: Nicht ist die Mutter ihres Kindes Zeugerin, Sie hegt und trägt den eingesäten Samen nur; Es zeugt der Vater, aber sie bewahrt das Pfand, Dem Freund die Freundin, wenn ein Gott es nicht verletzt. Mit sichrem Zeugnis will ich das bestätigen: Denn Vater kann man ohne Mutter sein – Beweis Ist dort die eigne Tochter des Olympiers Zeus, Die nimmer eines Mutterschoßes Dunkel barg, Und dennoch kein Gott zeugte je ein edler Kind. Ich aber, Pallas, werde, wie ich's kann und weiß, Groß machen dein Volk, deine Stadt zu aller Zeit. So sandt ich diesen her in deines Tempels Schutz, Auf daß er treu dir würde jetzt und immerdar, Daß du dir, Göttin, ihn gewännst zum Bundesfreund Und alle nach ihm, und es bleibe ewiglich, Daß treu dem Bund sei'n alle Nachgeborenen! Und so gebiet ich, werft nach eurem Sinn den Stein Gerechten Urteils; denn des Wortes ist genug! Wir selber haben abgeschossen jeden Pfeil; Zu hören harr ich, wie der Kampf gerichtet wird! Wie soll ich's fügen, daß ich euch sei tadellos? Ihr hörtet, was ihr mußtet; jetzt in tiefer Brust Erwägt das Urteil, Freunde, eures Schwurs gedenk! Hört mein Gesetz nun, Männer, Volk von Attika, Der ersten Klage Richter um vergossen Blut! Es soll des Aigeus Bürgern dieses Tribunal Für alle Zukunft fürder bleiben und bestehn. Denn dieser Areshügel, der Amazonen Ort Und Lager, als sie gegen Theseus neidempört Zu Felde zogen, unsrer neugebauten Stadt, Der hochgetürmten, gegentürmten ihre Burg Und sie dem Ares weihten, dessen Namen nun Der Berg Areiospagos trägt – hier soll des Volks Ehrwürdigkeit und eingeborne, fromme Scheu Dem Frevel wehren, beides nächtens und am Tag, Wenn nicht die Bürger selbst verletzen mein Gesetz. Wer klares Wasser trübet mit unwürdigem Zuguß und Schmutz, der schöpft sich fürder keinen Trunk. Nicht unregiert und nicht gewaltbeherrscht zu sein, Das sei dem Volk, fürsorgend rat ich's, hoch und wert! Und nicht entfernt euch alles Mächtge aus der Stadt; Denn welcher Mensch bleibt, wenn er nichts mehr scheut, gerecht? Und scheut gerecht ihr dieses Rats Ehrwürdigkeit, Des Landes Bollwerk, eures Staates Kraft und Heil, So nennt ihr euer, was der Menschen keiner hat, Der Skythe weder noch des Pelops nahes Land. Goldunbestechlich hab ich dieses Tribunal, Unschuldvertretend, zornesschnell, den Schlafenden Zur immerwachen Hut des Landes eingesetzt. Nach dieser Weisung, die für alle Zeit hinaus Gegeben meinem Volke sei, erhebet euch, Nehmt euer Steinchen und entscheidet diesen Streit, Des Schwurs in Ehrfurcht denkend. Alles wißt ihr nun! Doch nehmt den Rat an, nimmer unsre grause Schar Aus eurem Lande fortzuweisen schmachverdammt! Und ich gebiet euch, ehrt und fürchtet wohl des Zeus Und mein Orakel und beraubt es nicht der Frucht! Ins Amt des Blutes mischst du unberufen dich! Nicht lauter mehr weissagen kannst du, wenn du weilst! Mein Vater hat wohl auch gefehlt in seinem Rat, Als er Ixion ersten Mordes reinigte? Du sagst es! Und wird unser Recht uns nicht zuteil, Heimsuchen furchtbar werden dann wir dieses Land! Doch unter allen jung und alten Göttern giltst Du ewig ehrlos; mein gehören wird der Sieg! Desselbengleichen tatest du in Pheres' Haus: Du zwangst die Moira, daß sie die Toten wiedergab! So wär es nicht recht, wohlzutun dem, der mich ehrt, Vor allem aber, wenn des Beistands er bedarf? Darnieder stürzest du die Mächte grauer Zeit, Uralten Göttern stiehlst du, stiehlst uns unser Mahl! Du, bald des Siegs verlustig in des Streites Spruch, Speist Geifer, deinen Feinden nicht entsetzlich mehr! Wenn du, der Jüngling, mich, die Greise, niederrennst, So will ich doch zu hören warten ihren Spruch, Selbst unentschlossen, Zorn zu hegen dieser Stadt. als letzte zur Urne tretend. Mein ist es, abzugeben einen letzten Spruch, Und für Orestes leg ich diesen Stein hinein. Denn keine Mutter wurde mir, die mich gebar, Nein, vollen Herzens lob ich alles Männliche, Bis auf die Ehe; denn des Vaters bin ich ganz. Darum des Weibes Los begünstgen werd ich nie, Die umgebracht hat ihren Mann, des Hauses Hort. Es sieg Orestes auch bei stimmengleichem Spruch! – So schüttet denn die Steinchen aus den Urnen hin, Wieviel von euch, ihr Richter, dieses Amt versehn! Phoibos Apollon, wie entschieden wird es sein? O Mutter, schwarze Nacht, und siehst du, was geschieht? Nun Tod von Henkershänden oder Freud und Licht! Für uns Versinken oder Ehren alle Zeit! Sorgfältig, Freunde, zählet beider Steine Zahl Und alles Unrecht scheuet bei der Sonderung; Wenn eine Stimme fehlet, bringt es großen Gram, Und wieder ein Stein hebt ein tiefgestürztes Haus! Du bist, Orestes, frei erkannt im Blutgericht, Denn gleich in beiden Urnen ist der Steine Zahl! O Pallas, o du meines Hauses Retterin! Und mich, der Heimat ganz Verwaisten, Göttin du, Heimführest du mich! Die Hellenen sagen nun: Argiver ist er wieder, wieder wohnet er Im Haus des Vaters, Pallas gab's und Loxias Ihm wieder und der dritte allvollendende Erretter, der, vielehrend meines Vaters Los, Wohl sieht der Mutter Vertreter dort, doch mich bewahrt! Ich aber, deinem Lande, deinem teuren Volk, Für aller Zukunft unerkennbar ferne Zeit Schwör euch ich Treue! So zur Heimat will ich ziehn, Und nimmermehr soll diesem Land aus jenem Land Ein König mit geschärftem Speer kriegsrüstig nahn, Nein, ich in meinem Grabe dann, ich selber will Die Übertreter dieses meines heilgen Schwurs Mit unentfliehbar schwerem Elend züchtigen, Will ihre Heerfahrt, zeichentraurig ihren Weg Verkümmern, bis sie selbst gereuet, was sie tun! Doch wenn sie recht tun, wenn sie diese teure Stadt Der Pallas hoch stets ehren mit getreuem Speer, So werden gnädig ihnen wir und günstig sein! Heil dir, Athene! Heil dir, Volk in dieser Stadt, Unüberwindlich sei im Kampfe jedem Feind Und allerrettend euer Speer und siegesstark! Orestes und Apollon ab. Erste Strophe O neue Götter, alt Gesetz und uraltes Recht, Ihr rennt sie nieder, reißt sie fort aus meiner Hand! Und ich Unselge, schmachbeladen, bitterempört, Zur Erde nieder, oh! Ohu! hohu! Rächend zu Boden hier trief ich des Herzens Gifttropfensaat, Grausige, draus hervor ein blattlos, fruchtlos Wuchernd Genist, o Schmach! über die Fluren gerankt, Pestbeulen, todesgiftige, durch das Land verstreut! Ich wehklage? Was will ich? Was soll ich? Die Schmach litt vom Volk ich und du, Die geschickgroßen, unselgen Nachtkinder, entehrungstraurig! Folgt meinem Wort; schmerzseufzend tragt nicht, was geschehn; Denn nicht verurteilt seid ihr, sondern stimmengleich Entschied der Richtspruch, wahrlich nicht für euch zur Schmach! Jedoch von Zeus selbst trat ein Zeugnis leuchtend auf, Und der's geboten, eben der bezeugete, Es sei Orestes für die Tat der Strafe frei. Ihr aber wollt nicht schweren Haß auf dieses Land Ausschütten, nicht so zürnen, nicht Fruchtlosigkeit Verhängen, Giftschaum niederspeiend, scheußlichen, Der grünen Saat zerfressenden schonungslosen Mord! Denn ich gelob euch und verspreche feierlich, Daß ihr an rechter Stätte Sitz und Heiligtum, An Gaben reich zu thronen auf geweihtem Herd, Euch sollt gewinnen, meinen Bürgern fromm verehrt! Erste Gegenstrophe O neue Götter, alt Gesetz und uraltes Recht, Ihr rennt sie nieder, reißt sie fort aus meiner Hand! Und ich Unselge, schmachbeladen, bitterempört, Zur Erde nieder, oh! Ohu! hohu! Rächend zu Boden hier trief ich des Herzens Gifttropfensaat, Grausige, draus hervor ein blattlos, fruchtlos Wuchernd Genist, o Schmach! über die Fluren gerankt, Pestbeulen, todesgiftige, durch das Land verstreut! Ich wehklage? Was will ich? Was soll ich? Die Schmach litt vom Volk ich und du, Die geschickgroßen, unselgen Nachtkinder, entehrungstraurig! Nicht seid entehrt ihr, drum so macht nicht zu erzürnt, Göttinnen ihr, den Menschen unwirtbar ihr Land! Auf Zeus vertrau ich; was bedarf's der Worte dann? Von den Göttern ich nur weiß den Schlüssel jener Burg, In dem der Blitzstrahl siegeleingeschlossen ruht. Doch dessen braucht's nicht, aber folge willig mir; Schütt auf das Land nicht deines Mundes taube Saat Hinab, die nichts als alles Unwillkommne trägt; Bring deines Ingrimms schwarzen Wogensturz in Ruh, Du Heilighehre, die du mit mir wohnen wirst. Und wenn dir einst Erstlinge dieser weiten Au, Dir Opfer für der Kinder, für der Ehen Heil Geweihet werden, loben wirst mein Wort du dann! Zweite Strophe Ich das erdulden, oh! Unter der Erden ich mich verbergen, die Urweise? Ich da ein Greul, o entehrt! Hinab schäum ich Wut und jegliches Gehäß! Hohu, Land, oh! Wie sich der Schmerz mir tief einnagt in die Brust! Höre du den Gram, Mutter Nacht, schnöd beraubet, ach! hat meiner Ehren mich, Nimmerersetzlich mich beraubt Göttertrug! Den Zorn verzeih ich, denn du bist die Ältere; Jedoch wie sehr viel weiser du auch seist denn ich, Vergessen nicht hat Zeus mich mit Verständigkeit. Wenn ihr hinauszieht fern in ferner Menschen Land, Ihr werdet doch sehr wieder herverlangen; denn In Ehren herrlich wird die Welle nächster Zeit Mein Volk empor mir heben. Ja, in ehrender Wohnung, Erechtheus' Tempel nah, wirst du dereinst Von Männern hochgefeiert und von Weibern sein, Wie dir in andren Ländern nimmer ward zuteil! Nun aber schleudre nicht in meinem Land umher Den blutgewetzten Hader, Haßverwilderung Ins Herz der Jugend, trunken in weinloser Wut, Noch gleich der Hähne Herzen, wechselkampfempört, Weih du zur Stätte je dem Ares meine Stadt, Dem Kampf der Stammverbundnen, Stammvernichtenden! Im Fernen sei'n die Kriege, doch nicht allzu fern, In denen aufwacht edlen Heldenruhmes Lust – Desselben Hofs Geflügel kenne keinen Streit! Das nun zu wählen laß von mir dich lehren, daß Wohltuend, wohlempfangend, wohlgeehrt du teil An meinem Lande nehmst, dem gottgeliebtesten! Zweite Gegenstrophe Ich das erdulden, oh! Unter der Erden ich mich verbergen, die Urweise? Ich da ein Greul, o entehrt! Hinab schäum ich Wut und jegliches Gehäß! Hohu, Land, oh! Wie sich der Schmerz mir tief einwühlt in die Brust! Höre du den Gram, Mutter Nacht! Schnöd beraubet, ach! hat meiner Ehren mich, Nimmerersetzlich mich beraubt Göttertrug! Nicht müde werd ich, dir zu sagen besten Rat, Damit du nie meinst, du, die alte Göttin, seist Von mir, der jüngren, und vom Volke meiner Stadt Ehrlos und gastlos fortgejagt aus diesem Land. Nein, wenn der Peitho Heiligkeit dir heilig ist, Dir meiner Rede Sänftigung und süße Kunst, So würdest hier du bleiben. Aber bleibst du nicht, So ist es unrecht, daß du diese Stadt bedräust Mit deiner Wut, mit deinem Zorn und großer Not, Da dir doch freisteht, hier im vielglückselgen Land Zu weilen hochehrwürdig stets und hochgeehrt! Herrin Athene, wie versprichst du die Stätte mir? Befreit von jedem Kummer; nimm sie willig an! Wenn ich sie nähme, was für Ehren würden mir? Daß fürder kein Haus ohne dich je soll gedeihn! Willst du erwirken, daß ich also viel vermag? Ja, wer dir fromm dient, des Geschick will ich erhöhn! Und willst du Bürgschaft geben mir für alle Zeit? Ich sage niemals, was ich nicht zu enden weiß! Du überzeugst mich, meines Zorns vergeß ich schon! Einheimisch hier gewinnst du manchen dir zum Freund! Und nun, wie sagst du, daß ich segne dieses Land? Was Segen immer solchem kummerlosen Sieg Entkeimet aus der Erden, aus dem Tau der See, Dem hohen Himmel und dem sonnigkühlen Wehn Der Winde, wünsche alles das du unserm Land, Und aller Herden, aller Fluren froh Gedeihn, Dem Volk zum Wohlstand, daß es nimmer darben mag, Gedeihn der lieben Hoffnung auch im Mutterschoß. Nichtgottesfürchtgen aber sei zwiefach erzürnt, Denn vollgenug ist nach des treuen Gärtners Art Mir an der Gerechten frohem Blühn; des sorge du! Ich aber, stets zum schlachtenkühnen Kampf des Ruhms Gegürtet, will nicht ruhen, eh nicht alle Welt In höchsten Ehren meine Stadt des Sieges hält! Erste Strophe Haus und Dienst neben Pallas nehm ich gern; Nicht verschmähn will ich die Stadt, Die so Zeus der Allbewältger, so Ares ehrt als Götterburg, Als der Griechen altarschirmend Götterlieblingshaus; Ihr den Segen sag ich gern, Ihr verkünd ich gnadenmild: In stetem Blühn des Lebens Glück, ein reich Gedeihn Soll aus der Erde Schoß Schmeicheln heitrer Sonnenschein! Ich bereitete wohl vorsorgend dem Volk, Daß ich euch, Göttinnen, in unsere Stadt, Die gewaltigen, schwerzuversöhnenden, nahm. Denn es heischt ihr Amt, all menschliches Tun Zum Gericht zu erspähn; Wer den Zürnenden dann zufällt, weiß nicht, Von wannen der Schlag ihn des Todes erzielt; Denn in ihre Gewalt hin gibt ihn die Schuld, Die er einst nicht mied; und ein lautlos End, Ob er laut auch ruft, Es vergräbt ihn in grauser Vernichtung! Erste Gegenstrophe Wehen soll waldverwüstend Wetter nie! Das ist mein Geschenk dem Land, Und nie pflanzenaugesengender Brand heimsuchen dieses Landes Aun; Nie ersticke Mißwachs jammervoll der Saaten Blühn; Schafe, froh in Sattigkeit, Zwillingslämmer um sie her, Ernähr zu seiner Zeit der jungen Erde Grün, Der Grasung lieber Ort, Steter Göttergabe reich! Ihr habt es gehört, Obhüter der Stadt, Was euch sie verheißt! Denn der hehren Erinnys Wort, es vermag Bei den Himmlischen viel, bei den Göttern der Nacht; Und der Menschen Geschick, sie führen es klar, Kraftvoll es hinaus, Dem frohen Gesang, dem heimlichen Gram Des in Tränen verkümmernden Daseins! Zweite Strophe Menschenblutlüstres, unselges Amt, ich werf es fort; Doch den Mädchen lieb und hold Rüstet die bräutlichen Freuden – die des ihr Gewalt habt, Ihr Urgöttinnen, Muhmen des Schicksals, Mächte der friedlichen Ruh, Jeglichem Bunde Vertraute, Jeglicher Stunde gewärtig, heilger Pflichten Schutz zu sein, Allzeit aller Götter Teuerste! Daß dieses dem Land huldreich sich erfüllt, Mich erfreut's schon jetzt; Wohl lob ich den Blick mir der Peitho sehr, Die so hold mir das Wort und die Lippe gelenkt, Daß ich sie erweicht, die unerweicht sonst; Doch gesiegt hat Zeus, der Beredenden Hort; So siege fortan Stets unser Bemühn für das Gute! Zweite Gegenstrophe Mag des Aufruhres blutungesättigt Wüten nie Stätte finden hier im Land, Nimmer der Staub mit dem Blute der Bürger sich tränken, Nie Rachgier, wechselmordender Schuld lüstern, Blutig zerrütten die Stadt! Freude belohne, gemeinsam Gleiches mit allen zu lieben, allen gleich zu hassen auch, Das heilt vielen Gram der Sterblichen! So findet ihr euch wohlwollend den Pfad Des erfreulichen Worts! Von der furchtbaren Schar der Erinnyen seh Ich erblühen dem Volk vielteuren Gewinn! Wenn die freundlichen ihr mit freundlichem Sinn Stets fromm hochehrt, So werdet ihr Stadt und Gebiet allzeit Euch schmücken im Ruhm des Gerechten! Dritte Strophe Freue dich, freu dich im heiteren Glück des Reichtums! Freue dich, Volk der teuren Stadt, Nah zu sein dem höchsten Zeus, Lieb der lieben Parthenos, Ratbedacht zur rechten Zeit. Wen Athenes Flügel deckt, den erhöht ihr Vater gern! Heil wieder auch euch! Doch ich muß vorgehn, Zum geweiheten Sitz euch zeigen den Weg; Mit dem heiligen Schein des geleitenden Zugs Zieht hin; und hinab führ unter die Erd Euch heilige Spende, daß all Unheil Ihr dem Land abwehrt, daß jegliches Heil Ihr empor zum Siege der Stadt schickt! So geleitet denn selbst sie, o Kinder der Stadt, Ihr, Kranaos' Stamm, daß sie wohnen bei euch! Stets wahre dem Volk Für das Rechte sich rechtes Erkenntnis! Dritte Gegenstrophe Freue dich, freue dich wieder, du Volk Athenes, In der Stadt ihr allzumal, Götter, Menschen, freuet euch, Daß ihr Pallas' Stadt bewohnt! Wenn ihr mich, die mit euch wohnt, Fromm verehrt, so sollt ihr nie schelten eures Lebens Los! Ich lobe dein Wort, deines Segens treuen Wunsch; Mit strahlendheller Fackeln Licht geleit ich dich Hinab zum Hades, zu der Toten dunklem Reich Mit Tempeldienerinnen, die in heilger Hut Mein Bild bewachen. Komme denn, du liebstes Aug Des Theseidenlandes, fromme Mädchenschar, Ihr treuen Frauen, du der greisen Mütter Zug, Mit eurer Purpurfestgewande Pracht geschmückt; In frommer Ehrfurcht traget vor der Fackeln Glanz, Daß diese Mitherrinnen eures Vaterlands Im Heil des Volks sich gnädig zeigen immerdar! Chor der Geleiterinnen Erste Strophe Wandert nach Haus, ihr Gewaltigen, Hehren, Kindlose Kinder der Nacht, im getreuleitenden Festzug! Festruf feiert, o Freundinnen! Erste Gegenstrophe Unter der Erd in ogygischen Tiefen Sollt Ehr und Opfer und Festfeuer empfahn ihr! Festruf feire, du Volk, mit uns! Zweite Strophe Huldvoll, unserem Land vielgewogen, Kommet, ihr Hochhehren, und freut euch Mit an der lodernden Fackel im Zug! Wir jauchzen und jubeln zum Festlied! Zweite Gegenstrophe Weihtrank, fackelbestrahlt, bleibe dein stets! Zeus ja, der Allschauer, und Moira Einten im Volk der Athene sich froh! Wir jauchzen und jubeln zum Festlied! –