Anonym Nudidäten oder Fantasien auf der Venus-Geige Entsagung. Es war ein Abend wunderschön, Wie selten nur zu erleben: Ich sah einen Jüngling spazieren gehn, Sein Mädchen ging daneben. Die Natur war festlich ausgeschmückt Wie mit Claude Lorrain'schem Pinsel; Das Rauschen des Tages wurde erstickt Im schmachtenden Abendgewinsel Und Schwäne wiegten im Weiher sich, Die Vögel sangen Auberisch; Beim Jüngling regte es freier sich, Das Mädchen wurde fast närrisch. Sie zupfte am Busen hin und her, Er schritt ganz miserabel; Da kam der liebe Mond einher Und schien ihnen auf den Schnabel. Sie sprach von der Seelenvereinigung, Er wurde ganz ätherisch; Das Mädchen hatt' ihre Reinigung, Der Jüngling war venerisch. Anonym. Die schöne Nacht. Erhitzter Jüngling, höre du Mir jetzt mit deiner Phillis zu! Wie? Soll mich niemand weiter hören? Ihr alten Buhler, die, wer Mitleid fühlt, beklagt, Wenn euch, zum Opfer vor Cytheren, Die frostige Natur den besten Dienst versagt, Auch ihr gebt Acht, denn ich will dichten, Die Schwachen männlich aufzurichten. Ihr jungen Weiber horcht, denn euch steht mehr noch frei; Ihr alten auch, doch seufzet stets dabei, Daß ihr nicht mehr erfahrt, was ihr, in jungen Jahren Vielleicht genug, vielleicht auch nicht genug, erfahren. Ihr schönen Mädchen, fliehet nicht, Wenn's gleich der Vater sagt und auch die Mutter spricht: Der Eltern Neid will nicht, daß ihr den Ursprung wisset, Wie jeder Mensch aus Lust zur Lust entsprießet. Hier weis' ich euch der Liebe Werkstatt an; Verlaßt der kleinen Kinder Wahn. Ein Löwenbild ist nie auf euch gesprungen, Und das gemalte Meer hat keinen noch verschlungen. Flieht, wenn ihr fliehen wollt, vor allem, was euch quält, Doch nicht vor dem, der gäumelnd euch erzählt, Der Männer Pflicht, der Weiber Freuden, Was jene tun, was diese leiden. Die süße Nacht brach ein, auf die seit langer Zeit Sich Catulin geschont, sich Magdalis gefreut, Die sehnlich oft begehrte Nacht, Die Mann und Weib und Kinder macht; In der, trotz züchtigen und kläglichen Gebärden, Die Mädchen erst entzückt und dann entjungfert werden; Die Nacht, in der sich, mit der Eltern Segen, Die Töchter zu den Männern legen. Die holde Mutter gab jetzt den Gesetzen nach. Sie leuchtete voran, bis in das Schlafgemach. Die letzte Tyrannei noch liebreich auszuüben, Befahl sie ihrer Magdalis, Die schon mit Sittsamkeit die Kleider von sich schmiß, Durch Widerspenstigkeit den Mann nicht zu betrüben. Drauf drückte sie die Schlösser selber ab; Schloß wünschend noch die Türe zu, Von der sie, zu des muntern Paares Ruh, Durchs Schlüsselloch den letzten Segen gab; Und ließ, ihr Mütter, laßt es euch erbarmen, Ihr Kind, ihr einziges, in eines Mannes Armen. Was machte Catulin mit seiner Magdalis? Zum Weibe macht' er sie, dies wißt ihr schon gewiß, Und wenn ich hier nichts mehr zu sagen hätte, So sagt ich: Er und sie, sie legten sich zu Bette. Allein, er hatte längst die Wollust ausstudiert; Aus loser Zauberei, bei der man nichts verliert, Wollt' er nicht übereilt zum schönsten Werke schreiten. Nein, erst durch ein verliebtes Spiel, Bevor er glühend auf die schönste Beute fiel, Sie schöner noch zur Lust bereiten. Hier stellet euch ein halb entkleidet Mädchen vor, Das mit den Augen sich im Bette schon verlor, Den Busen halb entblößt, halb eingeschnürt verwahrte, Und schalkhaft, für die Männerhand, Der Schnürbrust harten Widerstand Zu kitzelnder Entkleidung sparte. Hier war, o könnt' es doch geschehn, Den Anblick noch einmal zu sehn! Damit ich euch recht abzuschildern wüßte, Ihr' nur zum Reiz verschnürten Brüste; Hier war der Becher voller Lüste Gefüllt, wie Eva oft den Freudenbecher häuft, Der, schweppernd voll, dennoch nicht überläuft, Ein dünnes Röckchen, das den kleinen Bauch umfing, Um den es mehr zur Lust, als zur Bekleidung hing, Das kaum verbarg, was es bedeckte, Zugleich verriet und auch versteckte, Kurz: Liebe, Reiz und Recht und Nacht ... Wozu wird nicht dadurch ein Catulin gebracht? Klug und beglückt ist, der es auch so macht! Jetzt küßt er sie, und küßt sie länger, als kurz vorher. Ein sanfter Biß Macht im voraus der schönen Magdalis Schon alles, was sie wünscht, gewiß. Jetzt wird's ihr um den Busen enger; Jetzt macht ihr selbst der Wollust Hoffnung bänger, Jetzt wehrt sie sich, jetzt stellt sie sich auf einmal strenger, Doch, weil er ihr nicht Zeit zu denken lassen muß, So gibt er ihr voll Feuer Kuß auf Kuß; Und küssend fängt er an, dürft' ich die Hand ihm führen! Den Leib, den schönsten Leib, begierig aufzuschnüren. Nur noch ein Knoten hält den Lauf Verwegner Männerfinger auf. Ein Knoten, den vielleicht der Mutter List erdachte, Ein Knoten, den vielleicht der Mutter Neid bedachte. Gewalt war hier der beste Rat, Drum riß auch Catulin, klug wie ein Alexander, Ich selber täte, was er tat, Den Senkel gleich entzwei, die Schnürbrust voneinander, Kurz, er empfing mit hohler Hand, Die kitzelnd sich gar bald noch tiefer wand, Den Busen, der sich wogend teilte, Und hüpfend ihm entgegeneilte. Wie emsig ward die schöne Brust durchwühlt, Wie heiß geküßt, wie oft befühlt, Wie wild erhitzt, wie sanft geknippen, Mit hungrigsaugenden, entbrannten Lippen, Geprüft, bezogen und bekriegt, Betriumphiert, noch eher, als besiegt. Jetzt sah ihn Magdalis die eine Hand verschwinden, Vielleicht das Röckchen aufzubinden? Noch nicht. Im Augenblicke war, Zu ihrer größten Lust, der Irrtum offenbar; Diesmal blieb es unaufgebunden. Denn, bei dem Bande selbst war seine Hand verschwunden. Verschwunden? Wie? Ihr Schönen bleibt in Ruh. Es ging hier ganz natürlich zu. Weg war die Hand, das heißt: sie war nicht mehr zu sehen, Was im Geheim mit ihr geschehen, Das sag' ich nicht; doch wenn ihr schärfer fragt, So merkt: Es war, was man viel lieber tut, als sagt; Was ihr viel lieber fühlt, als davon reden höret, Was auch die Keuschesten empöret. Das leichte Röckchen fiel herab, Und weil er seiner Hand noch größre Freiheit gab, So schmiegte sie sich bald an Hals und Busen fort, Bald gaukelte sie spielend um den Ort, Den wir stets in Gedanken meinen, So oft wir einer Schönen Hand Aus Ehrfurcht anzurühren scheinen, Den schönsten Ort, den noch ein Zärtlicher gekannt; Der Lieb' und Menschheit Vaterland, Nach welchem wir uns oft in aller Stille sehnen, Wenn wir die schweren Glieder dehnen. Seht, wie der Glühende, nun halb berauscht, Mit offnem und erhitztem Munde An seiner Schönen Busen lauscht. Gebt Acht! Nun ist sie ziemlich nah, Nun kommt sie gleich, nun ist sie da, Die mächtige, die große Stunde. Jetzt reißt sich Magdalis aus seinen Armen los, Jetzt springt sie auf, verläßt den buhlerischen Schoß; Sie eilt, sie flieht, jedoch nicht zu entfliehn, Sie eilt, sich länger nicht der Wollust zu entziehn. Verschmachtet fällt sie dort auf's weiße Lager nieder; Er folgt und kommt und küßt die allerschönsten Glieder, Betrachtet sie und küßt sie wieder. Jetzt sinkt er nach; die Schöne zieht ihn hin. Wie glücklich wird er nicht bezwungen! Sie hält den heißen Arm um ihn geschlungen. Nun spricht die stumme Rednerin, Die Wollust, durch die Tat: die Lippen und die Zungen Hat Liebe hier zum Küssen nur gedungen. Ihr Mädchen, horcht! Die Schöne stöhnt und ächzt. Der Jüngling kämpft und schnaubt und lechzt; Nichts hält ihn auf, er folget nur, Die ihn schon lange rief, der Stimme der Natur; Dem Drang des schäumenden, erhitzten Blutes, Dem Übermute seines Mutes, Und ... doch, ihr Schönen wollt, man soll euch alles sagen; Die noch mehr wissen will, Die zwinge sich und schweige still, Sie kann ja doch den Dichter heimlich fragen. J[ohann]. C[hristoph]. Rost. Der über uns. Hans Steffen stieg bei Dämmerung (und kaum Konnt' er vor Näschigkeit die Dämmerung erwarten) In seines Edelmannes Garten, Und plünderte den besten Apfelbaum. Johann und Hanne konnten kaum Vor Liebesglut die Dämmerung erwarten Und schlichen sich in eben diesem Garten Von ungefähr an eben diesen Apfelbaum. Hans Steffen, der im Winkel oben saß Und fleißig brach und aß, Ward mäuschenstill vor Wartung böser Dinge, Daß seine Näscherei ihm diesmal schlecht gelinge. Doch bald vernahm er unten Dinge, Worüber er der Furcht vergaß Und immer sachte weiter aß. Johann warf Hannen in das Gras. »O pfui«, rief Hanne, »welcher Spaß! Nicht doch, Johann! – Ei was? O, schäme dich! – Ein andermal – o laß – O, schäme dich! – Hier ist es naß.« »Naß oder nicht; was schadet das? Es ist ja reines Gras.« – Wie dies Gespräche weiter lief, Das weiß ich nicht. Wer braucht's zu wissen? Sie stunden wieder auf, und Hanne seufzte tief: »So, schöner Herr! heißt das blos küssen? Das Männerherz! Kein einz'ger hat Gewissen! Sie könnten es uns so versüßen! Wie grausam aber müssen Wir armen Mädchen öfters dafür büßen! Wenn nun auch mir ein Unglück widerfährt – Ein Kind – ich zittre! – Wer ernährt Mir dann das Kind? Kannst du es mir ernähren?« »Ich?«, sprach Johann, »die Zeit mag's lehren. Doch wird's auch nicht von mir ernährt, Der über uns wird's schon ernähren. Dem über uns vertrau!« Dem über uns! Dies hörte Steffen. Was, dacht' er, will das Pack mich äffen? Der über ihnen? Ei, wie schlau; »Nein!«, schrie er; »laßt Euch andre Hoffnung laben! Der über Euch ist nicht so toll! Wenn ich ein Bankbein nähren soll: So will ich es auch selbst gedrechselt haben!« Wer hier erschrak und aus dem Garten rann, Das waren Hanne und Johann. Doch gaben bei dem Edelmann Sie auch den Apfeldieb wohl an? Ich glaube nicht, daß sie's gethan. G[otthold] F. [= Ephraim] Leßing. An – – . Dein grauer Schatz, der arme Narr, Schläft jetzo, Dank sei dem Katarrh, Vom steten Husten matt, Drum komm, du weißt doch noch, wohin? Komm, liebes Weibchen; wiss', ich bin Des langen Wartens satt. Drei ew'ge Tage lässest du Mich Armen fasten; siehe zu! Denn ich gesteh' es frei: Das treuste Herz auf Gottes Welt, Das gar nichts hat, woran's sich hält, Wird endlich ungetreu. Drum komm, hilf meiner Treue nach! Dein harrt ein dämmerndes Gemach, Champagner, der moussiert, Und ein Fasan, wie Mönche fett, Und ein geräumig Ruhebett, Wo nicht gehustet wird. [Johann Baptist] von Alxinger. Collin und Juliette. Im süßen Duft der Rosen lag Schäfer Collinet und machte seiner losen Geliebten ein Bouquet und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? Fein züchtig, wie es Sitte, sprach er mit ihr, allein bald mischte, als der Dritte, sich Cypripor darein; und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? »Ich fühle deine Nähe, du kleiner Göttersohn, Dank, Amor, Dank – ich sehe, dein Zepter winkt mir schon, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? O Dank für diese Stunde! sie führet zum Genuß, verspricht von diesem Munde mir einen Wonnekuß und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen?« So dacht' er – naht dem Weibchen sich schnell – von Liebe warm, umfaßt das zarte Leibchen, den Alabasterarm, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? »Nimm diese Blumenkette!« rief er: – »ich flocht die dir; doch dafür, Juliette, gewähr' ein Mäulchen mir, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen?« Drauf legt' er sie geschwinde auf weichen Rasen hin, berührt dem lieben Kinde das anmuthsvolle Kinn, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? Sie widerstrebt, er ringet, siegt – eilet zum Genuß, in Rosenlippen dringet ein feuervoller Kuß und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? »O Collin!« rief entzücket die schöne Schäferin: »wie hast du mich beglücket, ich fühle Wonnesinn, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? Ach! meine Augen brechen vor lauter Seligkeit; wie groß, nicht auszusprechen ist deine Zärtlichkeit, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen?« Des Schäfers banges Sehnen ist nun gestillt – es floß ein Strom von Freudenthränen in der Geliebten Schooß, und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? Sie trieben Scherz und Possen, bis süßer Schlaf sie band, die Augen fest geschlossen, hielt eins des andern Hand und etwas anders noch, – ich wag' es nicht zu sagen, – und etwas anders noch; – wer wird nach allem fragen? G[ottfried] A[ugust] B[ürge]r. Der Mann, die Frau und der Nachbar. Kunzens Weib ist schon ein Bissen, Der mir in die Nase sticht; Eines nur thut mich verdrießen: Sie schläft immer, er fast nicht. Ob's mein alter Wein nicht zwinget? Will doch sehn, ob diese Nacht Er ihn nicht zum Schlafen bringet Und sein Weibchen munter macht. Unser Nachbar schwatzt mir immer Gar zu viel von seinem Wein. Ja, der Fuchs hält mich für dümmer, Als ich bin. Laß du's nur sein. Spröde darfst du dich nicht stellen! – Wenn er schön dann mit dir thut, Trink' ich – Füchse muß man prellen – Ihn um all sein Hab' und Gut. Liebes Männchen, mit Vergnügen Folg' ich sonst in allem dir; Doch den Nachbar zu betrügen, Ach! das fordre nicht von mir! Es wär' wieder mein Gewissen, Dich umsonst traktirt zu sehn: Wenn du trinkst, so werd' ich müssen Zu der Zeche mich verstehn. J[ohann] F[riedrich] Jünger. An Laura. Wie lang, o Thörin, ahmst du schwach die Lust geheimer Liebe nach? Ach, willst du stets die Glut von Küssen, wo Zung' auf Zunge heimlich trifft, den Balsamthau der Liebe missen? – stets fliehest du vor meinen Küssen, als flöss' von meinem Munde Gift. Gib einmal nach, laß nur einmal, beim Götterrausch erhitzter Sinnen, des Jünglings Kraft in deine Muschel rinnen, die allzu oft ein süßer Traum ihm stahl. Nur einmal schmecke diese Freuden, sie sind so zauberisch und süß, sind deiner werth, du wirst gewiß das lose Spiel der Finger meiden. Ich komme, wenn die Nacht erscheint, und will dich dann in schmachtendem Verlangen zum süßen Minnespiel umfangen, das uns im Rausch zu eins vereint. Ich komm', dein Mieder aufzuschnüren, lös' deine goldnen Locken los, bis meine Hände sich im Schooß bei schönern Locken sich verlieren. Ich wühle dann in deines Busens Schnee, bis daß wir unter Flammenküssen in trunkner Zärtlichkeit zerfließen und ich zum Ziel erhörter Liebe geh'. O welche Lust! Die kühne Hand löst erst der Kniee buntes Band und drückt die vollen Marmorwaden, die ihres seidnen Strumpfs entladen, wie Schnee so weiß, wie Stahl so fest, nach größrer Lust uns schmachten läßt. Nun schlüpf' ich mit beherzten Händen empor zu deinen weichen Lenden, das Röckchen fällt, das sie verhüllt, ich kann in deinen Locken wühlen, und zärtlich mit dem Kränzchen spielen, das sanfter als ein Pfirsich schwillt. Jetzt steht, des Kleiderschmucks entladen, Laurettchen hold vor meinen Augen da. – O lächle nur, daß ich so schön dich sah. Die Wollust glüht in deinen Mienen, du kämpfst mit mir den wonnevollsten Streit, erhitzest meine Zärtlichkeit, und lässest mich den Minnesold verdienen. Ein weiches Bett nimmt uns gefällig ein, ich sänge gern, wie wir uns dort erfreun, jedoch dein Bettchen hat Gardinen. Ung[enannt]. Das Piketspiel Eine Erzählung Die kleine muntre Galathee, ein Kind von funfzehn Jahren, mit rabenschwarzen Haaren, und einem Leib so weiß wie Schnee, so recht gebaut zum Paaren, und Franz, ein Knabe dick und fett, mit Augen voller Flammen; dies Pärchen nun saß einst beisammen und spielten, – was? – Piket! Das Spiel sah ziemlich mieslich aus, auch galt's nicht eben wenig, Franz hatte vierzehn König und Galathee drei Daus. Schnell ließ sie Hemd und Mieder und ihre Röckchen nieder, und stand wie Göttin Cypria auf Ida ohne Schleier da. Du hast dein Spiel verloren! rief sie mit losem Lächeln aus, denn sieh, hier ist das vierte Daus, Pikdaus mir angeboren. Gut, sprach drauf Franz, ich glaub' es dir, hier ist mein Geld, doch mußt du mir auch jetzt dafür versprechen, dies angeborne vierte Daus nur ganz allein zu spielen aus, ich will es dann schon stechen. Ung[enannt]. Eine Gesundheit, bei welcher alle vier Fakultäten anstoßen können. Es leben alle reinen Jungfern! für Die Herren Theologen, Weil sie die reine Lehre schier Allein in sich gesogen. Es leben alle schönen Wittwen um und um Für der Juristen Schaaren, Weil die ihr Patrimonium Durch Curatel bewahren. Es leben schwangre Weiber auch! Für unsern Mediziner-Orden, Weil nur die Sorge für den Bauch Sein Amtsberuf geworden. Es leben – hübsche junge Mägde! für Die Herren Philosophen: Philosophie ist, nach Gebühr, Die Magd der übrigen gelehrten Zofen. C[hristian] Fr[iedrich] Bahrdt. Die Nachtigal. Eine Erzählung. Vergebens wird bei Tag und Nacht Der Schönen goldnes Vlies bewacht. Dies ist verlorne Müh'. Sobald von Lust gerühret, Ein Mädchen erst geheimen Kitzel spüret, So glückt es einem Jüngling leicht, Der zu gefallen weiß, an Witz dem Jason gleicht, Die Schwierigkeiten zu besiegen Und Wacht und Drachen zu betrügen; Zumal wenn selbst des Mädchens List Und der erfahrne Gott der Liebe günstig ist! Der Zwang hat Schöne oft um ihren Kranz gebracht; Sie lieben heftiger, je mehr man sie bewacht; Ihr Herz läßt willig sie verführen Und hat die goldne Freiheit lieb: Der Wächter Hut und Gitter, Schloß und Thüren Sind ein zu schwacher Damm für junger Mädchen Trieb. Im zwölften Jahr sind Schönen schon verliebt; Was Wunder, wenn es jetzt nicht mehr Agnesen gibt? Denn jede sucht die Störer im Vergnügen, Die Argus ihrer Zucht zu listig zu betrügen. Ein wollustvoller Blick, gestärkt durch schlaue Tränen, Ein zärtlich Wort und Seufzen, Klagen, Sehnen, Ein schmeichelnd Lächeln und ein sanfter Druck der Hand, Dies alles wird dann angewandt, Sobald ein Mädchen sucht mit zärtlichem Bemühen Den Jüngling in ihr Netz zu ziehen. Doch, g'nug davon. Jetzt soll der Leser hören, Wie einst, o niemand zweifelt dran, Die junge Dorilis gethan; Und dann soll mich sein Urtheil lehren: Ob Schönen, die man zwingt, nicht Trieb zur Liebe fühlen? Doch Doris mag nun selbst die Rolle spielen, Und zeigen, wie der Vogel sie ergötzte, Den sie mit List in ihren Käfig setzte. In Welschland, oder doch nicht weit davon, Liegt eine Stadt, den Namen hab' ich nie erfahren; Vielleicht liegt diese Stadt gar in Utopia, Doch weiß ich's nicht. Genug, es lebte da Ein artig Kind von vierzehn Jahren. Ihr Vater nannte sich Herr Varambon; Wie ihre Mutter hieß, das will Boccaz nicht wissen; Wir können auch den Namen leicht vermissen, Die Tochter ward die junge Dorilis genannt, Bei der man alles reichlich fand, Was, nach der besten Kenner Lehren, Ein junges Mädchen braucht, des Jünglings Ruh' zu stören. Ihr Aug', ihr schöner Arm, des schönern Busens Pracht Schien, wie ihr Mund, zur Lust gemacht, Es blühten Lilien auf den Wangen, Und Rosen, die erst aufgegangen. Zwar ihren größten Reiz verbarg ein neidisch Kleid: Doch ihn verrieth die äußre Trefflichkeit. Bei so viel Werth kann's Schönen, zwar im Wählen, Doch nicht an jungen Buhlern fehlen. Auch Doris war zwar vieler Wünsche Ziel; Doch Richard war allein, der ihr gefiel; Durch Blicke, die noch mehr als Worte sagen, Durch Seufzer und verstellten Schmerz Erobert er in wenig Tagen Der schönen Doris jungen Herz. Sie liebten sich. Er fand in Doris Zügen, Und sie in ihm, ihr Glück und ihr Vergnügen; Bald aber schleichet sich ein schmachtendes Verlangen, Ein heißrer Wunsch bei ihren Küssen ein, Und beide, da sie kaum zu lieben angefangen, Verlangen mehr, als nur geküßt zu sein. Was denn? Das brauch' ich nicht zu sagen, Danach wird auch kein kluger Leser fragen: Wenn ein verliebtes Herz in solchem Alter schmachtet, So weiß man leicht, wonach es trachtet! Jedoch, ein Umstand war den Liebenden zuwider, Und schlug fast alle Hoffnung nieder. Die Schöne ward mit Sorgfalt auferzogen, Sie mußte stets bei ihrer Mutter sein, Die war der Tochter zu gewogen, Ließ Dorilis bei Tage nie allein; Bei Nachte schlief sie stets nah an der Mutter Bette. Die Tochter, die so gern allein geschlafen hätte, Wünscht heimlich sich von diesem Zwange frei, Und mindre Zärtlichkeit und mütterliche Treu'. Dergleichen Sorgfalt ist für Kinder nur, Für Mädchen nicht von vierzehn Jahren, Die, was der Mutter einst erfuhr, Voll Sehnsucht wünschen zu erfahren! Auch Doris ward es überdrüssig, Sie brachte alle Tage müßig Und ungeküßt und traurig zu. Der mütterliche Ernst stört der Verliebten Ruh'; Kein Augenblick ist abzubrechen, Sich mit dem Liebling zu besprechen. Zwar manchmal, wenn er seine Schöne fand, Drückt im Vorübergehn er ihre weiche Hand, Oft wird ihr auch ein sanfter Kuß geraubt, Doch weiter ist ihm nichts erlaubt! Wie viel blieb nicht bei diesem Mißgeschick, Für der Verliebten Wunsch zurück! Doch einst, im größten Schmerz, von Doris fern zu sein, Traf ihr vergnügter Freund die Doris ganz allein. Hier sprach er unbelauscht: »Was helfen meine Triebe? Was hilft mir selbst die höchste Gegenliebe? Das Glück verfolget mich zu scharf! Was hilft es, dich zu sehn, wenn ich nicht reden darf? Selbst wenn ich klagen will, dein Mitleid zu erwecken, So hindert mich der Zwang, mein Herz dir zu entdecken! Mußt du denn stets bei deiner Mutter sein? Weißt du denn nicht von ihr dich zu befrein? Du würdest leicht ein Mittel finden können, Allein du liebst mich nicht!« – »Ach! wär' ich falsch zu nennen, So würd' ich, den Verdacht zu rächen«, Sprach Doris, »härter mit dir sprechen. Doch ich bin dir zu gut, darum vergeb' ich dir. Entdecke mir nur selbst: was forderst du von mir?« Er sprach: »Mir fällt kein besser Mittel ein, Als dies: du mußt vor allen Dingen Dein Bette dort in jene Laube bringen! Da find' ich dann, wenn alles wird im Schlummer sein, Dich, meine Doris, ganz allein! Ich habe dir viel Wichtiges zu sagen, Doch darf ich nichts in andrer Beisein wagen.« Die Schöne lächelte. Ein Seufzer und ein Blick Gab die Bewilligung in ihres Richards Glück. Die Liebe, die selbst Spröde weiß zu zähmen, Gibt auch den Schönen oft Verstand. Durch sie glückt's Doris auch, daß sie ein Mittel fand, Sich Richards Wunsche zu bequemen. Es wird von ihr die nächste Nacht Aus Schalkheit schlaflos zugebracht. Sie seufzet, winselt, weint, sie wälzt sich hin und wieder, Klagt über Mattigkeit der Glieder, Und Varambon, der ihre Klage hört, Wird selbst in seinem Schlaf gestört. Sie wacht! Ist dies wohl wunderbar zu nennen? Ein Mädchen, das sich fühlt, wird selten schlafen können. Sobald der Tag nur angebrochen, Klagt sie, daß Mücken sie gestochen, Und sagt zur Mutter, die selbst nichts von Hitze weiß, Die Kammer sei ihr viel zu heiß! Ach dürft' ich«, spricht sie ganz bewegt, Mein Bette nicht in jene Laube bringen? Da ist es frisch! Da hör' ich auch den Sprosser singen, Der in der Dämmerung dort in der Hecke schlägt. – – In jene Laube? – – Ja, da wird es kühler sein. – – Gut, aber Varambon – – ich will ihn erst befragen, Indessen wird es dir von ihm gleich abgeschlagen, So willige doch ich darein! Der Alte wird gefragt, doch Väter seines Gleichen Sind gegen junge Töchter hart; Auch Varambon ist nicht durch Bitten zu erweichen, Ob Doris gleich nicht Kuß noch Thränen spart. Die Mutter, die zu unerfahren ist, Besorget keine Hinterlist Und hilft, allein umsonst, durch sanftes Backenstreicheln, Zu ihrer Tochter Ruh' dem klügern Alten schmeicheln! Der Männer Widerspruch erhitzt der Weiber Blut; Auch Doris Mutter nimmt die Zuflucht zu der Wuth; Umsonst sucht Varambon ihr noch zu widerstreben, Die Furcht vor ihrem Zorn befiehlt ihm nachzugeben: Zwei Worte spricht sie nur: Ich will! Und schüchtern schweigt der Alte still. Drauf folgt der Mutter Wink die Tochter willig nach Und ändert gleich ihr Schlafgemach. Dem Liebling wird die Nachricht gleich gebracht, Der dem Vergnügen künft'ger Nacht Voll Hoffnung schon entgegen lacht. Ein jeder Augenblick scheint Liebenden zu lang: Auch Richard seufzt, und wünscht der Sonne Untergang. Sobald die Nacht ihm läßt den schönsten Wunsch gelingen, Eilt er, als Nachtigal, der Schönen vorzusingen. Im weichen Bett trifft er sie schmachtend an; Doch was er da bei ihr gethan, Ihr Zeit und Schlummer zu vertreiben, Das braucht dies Blatt nicht zu beschreiben. G'nug, Doris war von vierzehn Jahren! Die Lust, die ihn bei ihr entzückt, Wird viel zu schwach hier ausgedrückt, Wer sie begreifen will, ist werth, sie zu erfahren. Fast durch die ganze Nacht sang ihr der Vogel vor Und reizte Doris lüstern Ohr! Sie selbst gestand: kein' Nachtigal in Sträuchen Sei diesem Sprosser zu vergleichen! Doch da zuletzt sein Ton zu oft erklang, Geschah es, daß er matt in Doris Arme sank. Sie selbst, die Schöne, ward, bei dem verliebten Liede, Des Hörens gar nicht satt, jedoch des Wachens müde. Kurz, beide schlafen ein, und Varambon erwacht! Sogleich wünscht er zu sehn, was seine Tochter macht; Er, den nicht mehr die Lust, die mich noch rührt, entzündet, Schleicht zu der Tochter hin, die er im Schlafe findet. Es trifft der alte Ehemann Die Tochter unbedeckt in Richards Armen an: O hätt' ich sie an seiner Statt erblicket, Wie hätte mich des Mädchens Reiz entzücket! Ihn rührt er auch, jedoch aus Eifer nur; So nackend, wie man uns, im Schatten junger Bäume, Die ersten Eltern malt, im Stande der Natur: So lag auch Doris hier, gewiegt durch sanfte Träume. Doch an des Apfels statt, den Eva dort gehalten, Hielt Doris, dies verdroß den Alten, Das, was noch oft mein Mädchen hält, Was heimlich Spröden selbst gefällt, Was Adam oft gebraucht, sein Evchen zu vergnügen; Und so wie Richard lag, so wünscht' ich selbst zu liegen! Kaum faßt der Alte sich vor Schrecken, So eilt er, gleich die Mutter aufzuwecken, Die Varambon noch schlafend fand. Kind, ruft er, denke doch, dem Mädchen ist's gelungen, Der Sprosser ist bestrickt, der hier so oft gesungen! Komm, Doris, die ihn fing, hält ihn noch in der Hand! Den Sprosser? Wie? Wer hätte das gedacht? Wie hat das Mädchen das gemacht? Er pflegte durch sein Lied, mich oft vom Schlaf zu wecken! Ist er denn groß? Wird er auch Junge hecken? – Vielleicht, sprach Varambon; allein nimm dich in Acht, Damit nicht dein Geschrei den Vogel schüchtern macht! Voll Neugier folgt sie drauf und sieht mit neid'schem Blick Den Sprosser, und in ihm der schlauen Tochter Glück. Als Weib will sie durch Schmäh'n den Schimpf der Tochter rächen: Du Schänder! ruft sie aus und will noch weiter sprechen; Allein der kluge Greis verweist sie zur Geduld, Und sagt: Was hilft dein Schmäh'n? Du selbst hast alle Schuld! Du weißt, ich wollte nicht der Tochter Wunsch gewähren, Doch du bewilligest ihr listiges Begehren. Dein Eifer ist zu spät, umsonst ist Zorn und Droh'n: Wir sehn in Richard jetzt den künft'gen Schwiegersohn! Kein Mittel weiß ich sonst, als, wie ich schon befohlen, Den Priester und Notar bei Zeiten herzuholen. Gleich kommt der Priester an, begleitet vom Notar, Und Richard wird ihr Mann, der ihr Geliebter war. Sobald sein Jawort ihn der Schönen zugesellt, So kehrt sich gleich in Lust der beiden Eltern Trauer. Der Alte ruft: »Nun ist die Nachtigal im Bauer, Sie singe nun, so lang' es ihr gefällt!« J[ohann] C[hristoph] Rost. Trinklied. (Nach bekannter Melodie.) Jungfer Lieschen, schönstes Schätzchen, Zeig' mir doch dein schwarzbraun Vi – Va – Federmüffchen, mir's gefällt, Weil es immer Farbe hält. Aller Welt sag' ich's zum Trotze: Du hast doch die beste Vi – Va – Vorteilhafteste Manier, Wenn ich conversier' mit dir. Fahr ich mit dir in der Chaise, Greif' ich gleich nach deiner Mi – Ma – Melodienreichem Mund; O, dann ist mein Herz gesund! Komm mit mir an jene Schanze, Spiele mir an meinem Schwi – Schwa – Schwachen Saitenspiele auf, Und der Zither oben drauf! Sollte mir's nicht einmal glücken, Daß ich dich noch werde fi – fa – Finden in den Garten gehn, Wo die schönen Blumen stehn? Ueber's Meer wollt' ich dann segeln, Könnt' ich dich nur einmal vi – va – Völlig überzeuget sein, Daß du wirst für ewig mein. Mädchen, seh' ich deine Fülle, O, so steht mir meine Ni – Na – Niedrigkeit vor Augen gleich, Und dann ist mein Herz so reich! Warum lachst du denn so wenig, Hast du etwa den rothen Ki – Ka – Köpfchen deine Lieb' versagt, Wenn man dich danach gefragt? Reichst du mir den Hoffnungsanker, O, so heilst du meinen Schi – Scha – Schaden, den mir hat gemacht Eine unglückvolle Nacht. Anonym. Auf drei Schwestern. Ein Kleeblatt sah ich jüngst, Trotz hartem Winterwetter, auf Leipzigs Flur die schönsten Blüthen streun, ach, wüchsen doch auf mir so liebenswürd'ge Blätter, wie würde sich der Stengel freun! Y. Klagen eines Geometers über den Verfall der Reize seiner Frau. O Zeit! du böser Circulus, du Feindin aller Ehen, ach, was du nur berührtest, muß in deiner Hand vergehen; du Reizverderberin, sag' an: was hat dir meine Frau gethan? Sie zeigt mir, ach, im Negligee, anstatt der Schönheit Spuren, jetzt lauter mathematische verzweifelte Figuren; ihr Leib ist eine Tabula der ganzen Mathematica. Ach, ihr Gesichtchen, sonst so reich an regulairen Zügen, der reizendsten Ellipsis gleich, gemacht, mich zu besiegen, ist iztz, besehen um und um, ein schreckliches Triangulum. Ihr Mündchen, sonst so parallel mit beiden Augenbogen, ist itzo, – Gott verzeih' mir's – scheel, und jämmerlich verzogen, und in dem Mund rollt jetzt herum ein mobile perpetuum. Wie schön war nicht ihr Wangenpaar vor kurzem noch formiret, ein herrliches Convexum, gar mit Rosen emailliret, und dies Convexum, – schade drum! ist leider jetzt ein Concavum. Ich weiß nicht, was dem Kinn geschah das ich so gern sonst drückte, ich dacht' an die Parabola, so oft ich es erblickte, und jetzt fällt mir dabei, o Pein! der Angulus acutus ein. Sonst hob und dehnt' ihr Busen sich in altum et in latum, jetzt ist er, o wie ärgert's mich, ein planum inclinatum; die beiden hemispheria sind nun zwei kleine pendula. Die Hüften, ach, sonst waren sie viel ründer und viel fetter, nun stehen sie hervor, als wie zwei harte dicke Bretter, sind mager, eckig und kurz um ein Parallelepipedum. Die Schenkel sind nicht mehr so schön, sie waren sonst viel ründer, und fühlten sich vordem wie zween elastische Cylinder, nun aber sehen sie, o Graus! als wie ein Polygonum aus. Und noch eins, o – zwo Linien, die sonst so schwer sich trennten, zu eng für meinen ehlichen gefürchteten Tangenten, verwandeln jetzt gar fürchterlich in einen weiten Rhombus sich. So muß ich leider merken, was die Mathematik lehret. Ja, zwischen Mann und Weib ist das Verhältniß umgekehret, erst war ich groß und sie war klein, nun wird sie groß, und ich schrumpf' ein. Ung[enannt]. (= Aloys Blumauer) Der Wirbel. Eine Erzählung. Hans war ein Kind von fünfzehn Jahren, noch ganz im Lieben unerfahren; doch sollt' er frei'n. Sein Vater gab ihm tausend Lehren, doch Hänschen konnte sie nur hören, sah aber sie nicht ein. Der Hochzeittag war nun erschienen, noch bat er mit der Einfalt Mienen: sagt, wenn ihr's recht versteht, sagt, Vater, sagt mir, was für Sachen muß man mit seinem Weibchen machen, wenn's nun zu Bette geht? Du mußt dich, hörst du, auf sie legen, und mußt dich immer sanft bewegen, die Braut hilft sachte nach. Ich will die Trommel dazu rühren, da wirst du nie den Takt verlieren, folg' nur dem Trommelschlag. Die Schäferstunde sank hernieder, das junge Pärchen legt sich nieder, der hoffnungsvolle Sohn gehorcht des Vaters weisen Lehren, die Trommel läßt sich wacker hören, und Hänschen folgt dem Ton. Doch viel zu langsam schlug der kalte, bejahrte, nervenschwache Alte. Drum ruft der Sohn ihm zu, indem sein Herz hochschwellend bebete, und hoch empor sein Mädchen schwebte: o nun den Wirbel nu! Ung[enannt]. An Elise. Du siehst so blaß, so krank, so bleich, siehst nur den weißen Lilien gleich, o komm und laß dich heilen, du dauerst mich in deiner Noth, ich will dir bald der Rose Roth durch einen Kuß ertheilen. Du schmachtest nach der Liebe Lust, tiefseufzend hebt sich deine Brust, nährt schmachtendes Verlangen, die Thräne, die der Wang' entrollt, gilt nur entbehrten Minnesold, du sollst ihn heut' empfangen. Ich will dein Arzt und Retter sein, auf deinen Altar Weihrauch streun, erst zärtlich mit dir spielen, und wann dein Aug' in Wollust bebt, sich heftiger dein Busen hebt, die Glut mit Balsam kühlen. Wie Efeuranken schling' ich mich im Göttertaumel dann um dich. Du schlingst an mich dich wieder, und wann dein Leib sich zitternd hebt, den Mund an meinen Lippen bebt, sinkst du geheilet nieder. Tagtäglich, Mädchen, denkst du dann, was nicht ein Jüngling helfen kann! o mehr, als tausend Alte. Du lad'st mich stets zum Küssen ein, schlürfst meine Jugendkräfte ein, bis ich auch einst erkalte. Nach jeder froh durchlebten Nacht, die wir im Opfern zugebracht, wirst du der Rose gleichen. Doch jede Nacht, die dich entzückt, und purpurn wie Aurora schmückt, wird mich zur Lilie bleichen. Doch werd' ich auch wie Lilien bleich, bin ich an solchen Nächten reich, will ich es gern ertragen. Ich opfre mich mit Freuden auf, zum Lohn wird Cypripor mich drauf im Schoß Cytherens tragen. Ung[enannt]. Dorilis. Die schlaue Dorilis hat Augen in dem Kopfe, so hat ein Luchs sie nicht; man denkt, sie sieht uns ins Gesicht, und sie sieht nach dem Hosenknopfe. G[otthold] E[phraim] Leßing. Das Geständniß Ja, Freund, mein Herz läßt sich zu leicht entflammen! Du klagst mich an, ich selbst muß mich verdammen, Beschönung wär' hier nicht recht am Ort, Ich weiß, ich fehl', und dennoch fehl' ich fort. Gleich einem Schiff, wenn wilde Stürme wüthen, Irr' ich umher, und kann mir nicht gebieten. Es reizet mich nicht ein Gesicht allein, Von Hunderten nimmt mich ein jedes ein. Wenn eine keusch nur auf den Boden blicket, So ist es Scham, was mich an ihr entzücket. Wenn eine frei liebäugelt, tändelt, lacht, So denk' ich: ha! du bist zur Lust gemacht! Die ist gelehrt, wer schätzt nicht große Geister? Die ist es nicht, ich würde gern ihr Meister. Bei der, die schmollt und immer spröde tut, Lächl' ich und denk': o sie verstellt sich gut! Will jene nichts von meinen Versen hören, So möcht' ich ihr in Prosa Liebe schwören; Doch preiset sie mein muntres Saitenspiel, O so gefällt mir sie, der ich gefiel. Die macht mein Herz durch Sanftmut ganz sich eigen. Die ist voll Stolz, süß wär' es, ihn zu beugen. Die singt ein Lied zu der Theorbe Klang, Ich küßte gern die Lippen voll Gesang. Die spielt Klavier, schnell wird mein Herz entzündet, Kunstreicher Arm, ruf' ich, und schön geründet! Die schwebet leicht im Reihentanz daher, Ich taumle nach und kenne mich nicht mehr; Wie sollt' ich auch auf Bällen mich bewahren? Schmilzt hier doch oft das Eis von sechzig Jahren; Das Sprichwort, daß, was klein ist, artig sei, Das fällt mir, seh' ich kleine Schöne, bei. Den großen kommt Andromache zu statten, An Größ' und Geist nicht ungleich ihrem Gatten. Ich finde schön die von der hohlen Hand Deckbare Brust, wie sie der Grieche fand; Großbusige darf das doch nicht verdrießen; Oft wünscht mein Haupt sich zwei so sanfte Kissen. Die Junge lockt mich durch Naivität, Die Reifere, weil sie den Spaß versteht; Wo blondes Haar um Lilienschultern spielet, Dort fühl' ich das, was Cephalus gefühlet. Schwarzhaarige seh' ich für Leden an, Und, unter uns, wär' allzu gern ihr Schwan! Weh mir, der schon durch tausendfache Ketten Gefesselt ist und nimmer mehr zu retten! Weil, wie man mir ein artig Mädchen nennt, Sogleich in sie mein Herz entbrennt. [Johann Baptist] von Alxinger. Die Kirchenvisitation. Der Pastor Kunz traf jüngst Veit's Hannchen auf der Wiese; Sie war nicht spröde, er verliebt, Und wie ein Wort das andre gibt, Er drückt ihr ein'ge heiße Küsse Auf Mund und Brust; that auch noch etwas mehr. – Veit kam just auch des Weges her: Ho ho, rief er, die Mädchen zu verführen, Steht das wohl einem Pfarrer an? Kunz macht sein Amtsgesicht und spricht: Ihr grober Mann, Wer will das Mädchen denn verführen? Ich will ja nur mein Kirchspiel visitiren! [Johann Friedrich] Jünger Ein Wunder. Als man dem Abälard ins Grab Der Heloise Leichnam gab, Streckt' er die Arme aus, sie liebend zu bedecken; Sonst hatt' er nichts mehr auszustrecken. [Abraham Gotthelf] Kästner. An eine ungetreue Geliebte. Nicht daß dein Herz für keinen Andern lodre, Behutsamkeit ist alles, was ich fodre, Zu schön zur Treu', brich sie bei Andrer Kuß, Nur so nicht, daß ich's immer wissen muß. Das Weib, das ihren Fehler schlau verhehlet, das läugnen kann, das hat auch nicht gefehlet. Doch welche Tollheit treibt dich, das Vergehn Der stillen Nacht bei Tage zu gestehn? Da die selbst, die den ersten besten küsset, Die Buhlerin, vorher die Thür verschließet. Muthwillig gibst du dich dem Schimpfe Preis, Und dein Mund ist's, durch den man alles weiß. O gib dir nur den Anschein einer Spröden, Ich will mich gern, du seist es, überreden. Thu', was du thust, nur Läugnen sei dir Pflicht, Nur schäme dich ehrbarer Reden nicht. Es ist ein Ort, bestimmt zu süßen Kriegen, Den fliehe Scham, den fülle nur Vergnügen; Doch außer ihm sei nie verbuhlt dein Blick, Stets bleib' im Bett die Lüsternheit zurück. Dort magst du jedes Röckchen von dir werfen, Durch hundert Gruppen Amors Stachel schärfen, Magst deinen Purpurmund zum Zungenspiel Dem Buhler bieten, süßer Wörtchen viel, Und dann ihm, unter wonnigem Erbeben Des lauten Betts, der Freuden Fülle geben! Doch ist's geschehn, und langst du nach dem Kleide So kleid' auch dein Gesicht in Ehrbarkeit. Die Welt und mich betrügst du leicht, nur wolle Ich spiele gern des gläub'gen Thoren Rolle: Was störst du mich hierin? Was siegelst du Vor mir verliebte Briefchen auf und zu? Dein Hals ist zähnewund, zerwühlt dein Bette, Dein Haar zerzaust, wie's nicht zerzauset hätte Der Schlaf allein, fast mir im Angesicht ... O schone mich, schonst du die Ehre nicht! Ach! wenn du oft mit nicht gefärbten Wangen Die Untreu', welche du an mir begangen, Mir selbst gestehst, dann starret, kalt wie Eis, Mein ganzer Leib, bedeckt mit Todesschweiß. O daß mich dann, mich, der so gern dich haßte, Und lieben muß, die Hand des Todes faßte! Doch dich zugleich, o du Verrätherin, Mit der und ohne die ich elend bin. Verbirg dein Laster, nie soll mich verlangen, Ihm nachzuspähn, es sei wie unbegangen. Nur läugne, wenn dich gleich auf frischer That Mein Aug' ergriff, und läugne den Verrath; Gern will ich dann mich einen Träumer schelten, Mehr als mein Auge soll dein Wort mir gelten, Ich weiß es, Lügen kosten dich nicht viel, Und Eine macht dir schon gewonnen Spiel; Denn ist gleich nicht das Recht in diesem Streite, So ist der Richter doch auf deiner Seite. [Johann Baptist] von Alxinger. Warnung an Dörtchen. Wie, Dörtchen, wie? Ein Kind von vierzehn Jahren ein Stutzerchen mit weichem Kinn, führt dich zum Born der Liebe hin, wie, Dörtchen, wie? Dies muß dein Herz erfahren? Für ihn willst du ein Kränzchen aufbewahren, nach dem ich längst so lüstern bin? – Kaum kann er, Kind, ein Blättchen knicken, ein solches Knäblein ist zu schwach, an Cythereens heil'gem Bach den Kranz der Jungferschaft zu pflücken. Er gibt allein für himmliches Entzücken die Sehnsucht, die er nicht erfüllt, und Täuschung für empörte Sinnen; sein Bach, der nur in Tropfen quillt, kann nie in Amors Grotte rinnen, die heiliges Gebüsch versteckt, und wo ein Heer von Amoretten, mit kleinen haargeflochtnen Ketten, die Weisheit der Platone neckt. Verscheuche doch den armen Wicht, er ist's nicht werth – so viel sein Mund auch spricht was hilft dir all sein todtes Schwatzen? – in Amors Heilthum zu gehn; nein, laß mich hübsch an seiner Stelle stehn; mir ward die Kraft verliebter Spatzen, ich lohne dich mit immer neuer Lust; mein feurig Sinken, zitternd Beben soll deiner weichen Marmorbrust noch nie gefühlte Freuden geben, bald wirst du glühend dich erheben, bald gibst du lässig wieder nach, bis meiner Liebe Balsambach die heil'ge Liebesgrotte netzet, und die entflammten Sinne letzet. Mein Pfeil trifft stets das rechte Ziel, und seine Spitze wagt bei Damen nie wahrer Wollust Hochgefühl mit Furcht und Zittern nachzuahmen, denn er vergißt das schwächre Ziel. Urplötzlich dringt die weiche Spitze tief in der Wollust heil'gem Sitze, bis Ohnmacht seine Kräfte nimmt, und durch den Strom, der ihm entflossen, und dunkles Haargebüsch begossen, die heiße Glut nur heimlich glimmt. Entsage doch dem schwachen Knaben und seinem unvollkommnen Spiel, du sollst ein göttlicher Gefühl durch meine Liebeskämpfe haben, und laß von mir, du Huldgöttin, dein Kränzlein knicken und begraben, für das ich ganz geschaffen bin. Erfüll' mein Fleh'n – o ein Versuch wird dich zu einem Gott erheben, ein einz'ger Kampf wird Lust genug für tausend stille Stunden geben, dein Auge wird in Thränen beben, dein Busen mächtiger sich blähn, dir Sprach' und Athem bald vergehn, und o dein Schooß sich zitternd heben. Ein einz'ger Augenblick Genuß lehrt dich den Knaben dann verachten, und nach dem wonnevollen Kuß von einem raschen Jüngling schmachten, der mit verliebter Spatzenart sich unaufhörlich mit dir paart. Ung[enannt]. Die beiden Ratten. In jener alten Zeit, wo noch die Thiere sprachen, wo noch manch Mädchen fleißig spann, hat sich die folgende Geschichte zugetragen, die man auf's Wort nicht glauben kann. – Ein junges Bäckerweibchen machte des Abends ihren Teig – es hüpft ein Floh herbei, der blutbegier'ge Bös'wicht brachte ihr einen Stich an jenem Orte bei, aus dem – wie Bruder Lucas wollte, und wie er es dem Mädchen auch versprach – ein Papst zum Vorschein kommen sollte. – Die Bäckerin, nicht faul, ließ eh'r nicht nach – bis sie ih fand, und – knicks den Hals ihm brach. Sie legte sich zu Bett, doch von dem Teige, der an den Händen kleben blieb, war an dem Rand des Orts, den ich verschweige, als sie den Floh daraus vertrieb, die Spur geblieben, und zwei Ratten mit feinen Näschen, die dies herrliche Gericht von weitem schon gerochen hatten, versäumten diese Mahlzeit nicht. Sie schlichen sich in's Bett und jede hielte sich brav dazu. – Der Mann der Bäckerin, der seinen Teig jetzt aufgegangen fühlte, macht sich bereit, um in den Ofen ihn zu schieben. – Als die beiden Ratten hörten, daß er sich regt, stürzt eine, ganz betäubt von Furcht, zuerst hinein; die andre bleibt nur noch dabei – und Angst und Schrecken mehrten sich jeden Augenblick. – Nach dem, was er gethan, legt sich der Mann nun wieder auf die Seite. – Zu der Gefangnen großen Freude, die, als sie sich in Freiheit sahn, sogleich hin auf den Boden eilten, der eigentlich ihr Wohnsitz war – wo sie, entgangen der Gefahr, von jedem Umstand Nachricht sich ertheilten. – Mir ist's gar sonderbar ergangen, – sagte die erste dann – durch eine Oeffnung kroch ich wo hinein, – ich weiß nicht, welch ein Loch das war, – versteckte mich und dachte mich sicher da – doch der verdammte Kerl von Bäcker stieß ganz über alle Maßen – wer weiß womit – es war ein dicker Querl – auf mich hinein, und war so ausgelassen, daß, wenn er mir ein wenig Raum jetzt ließ, ihm zu entfliehen und ich's wagte, er desto härter auf mich stieß, und mir gewalt'ge Schmerzen machte; mein armes Näschen fühlt's mehr als zu sehr – der Narr ward endlich doch der Possen müde, das lange Ding zog ab und ließ mir Friede, doch dies geschah nicht eh'r, bis es vorher verächtlich in's Gesicht mir spuckte; ich ward fast blind, doch nun entwischt' auch ich. – Ich, sprach die andre dann, war ganz bestürzt und duckte im Winkel eines Schenkels mich. Ich hielt mich da ganz stll, und sah dem tollen Spiele, von dem du sagst, sehr ungeduldig zu, denn während er mit seinem langen Stiele dich so zermalmt', hatt' ich auch keine Ruh'. Zwei Kugeln hatt' er dicht am Hintern, die wackelten stets hin und her, zerstießen mir – ich konnt' es nicht verhindern – mein Näschen auch nicht weniger. ***. Wie ich die Liebe kennen lernte. Ich war ein Knab' und ging allein in einen dichten Buchenhain, den Wohnsitz guter Hirten, wo viele hundert Tauben zart, durch Lieb'und Gegenlieb' gepaart, auf grünen Zweigen girrten. Da kam ein Mädchen wunderschön und lächelnd wie die Grazien, mit Rosen auf den Wangen, ihr Auge war voll Glanz und Licht und bläulich wie Vergißmeinnicht, g'rad' auf mich zugegangen. Noch wußt' ich nicht, was Liebe war, doch ward es mir so sonderbar, versteinert blieb ich stehen – ich sah ihr starr in's Angesicht und freute mich, und konnte nicht, mich satt genug d'ran sehen. Und als sie endlich zu mir sprach, da wurden Sinne plötzlich wach, die ich zuvor nicht kannte. Mein Herz schlug mir ohn' Unterlaß und in den Adern fühlt' ich was, das heiß wie Feuer brannte. Sie bat, ich möchte mit ihr gehn, dort wüchsen Beeren roth und schön, ich möcht' ihr welche pflücken. sie schlang sich schnell an meinen Arm, ihr Händchen war so weich und warm, ich fing es an zu drücken. Ich drückt' es ihr, und sie verstand den kleinen sanften Druck der Hand, und drückte sanft mich wieder, und sah mit holdem Lächeln dann mich halb verstohlen schmachtend an und dann am Busen nieder. Auch ich sah nach dem Busen hin, und sie ward roth bis an das Kinn, als sie den Blick entdeckte, und plötzlich zog sie einen Flor mit ungerechten Händen vor, der ihre Brust versteckte. Ich schwieg, doch kehrte stets mein Blick zu jenem Zauberritz zurück, der sanft sich hob und blähte, doch der vermaledeite Flor hing wie ein Nebel dicht davor, so sehr mein Aug' auch spähte. So gingen wir ein Weilchen fort und keines sprach ein einzig Wort, bis wir uns niedersetzten, und viel von himmlischem Gefühl und unbekanntem Minnespiel und Glück der Liebe schwätzten. Wir saßen hier auf weichem Moos, ich legte mich auf ihren Schooß; mit glühendem Verlangen hob ich mich leise dann empor, verschob geschwind den Busenflor und küßte Brust und Wangen. Sie sträubte sich, doch wenig nur, ich folgte dann der schönen Spur, ihr Mund, gebaut zum Küssen, war meiner Wünsche süßes Ziel, ließ mich der Wollust Vorgefühl in vollem Maaß genießen. Entflammter ward ich jetzt schon kühn, ich hing mich fest an ihren Knie'n, warf halb mich auf sie nieder. Verstohlen zupfte meine Hand schon an dem kleinen Strumpfenband und an dem leichten Mieder. Ihr Röckchen hob ich leicht empor, noch leichter wie den Busenflor; nun fuhr ich mit den Händen empor zum purpurfarb'nen Schooß, den braungelocktes Haar umfloß, und küßte Marmorlenden. Das Heiligtum von Amathunt, der rosenfarb'ne kleine Mund, den heilig Schilf beschirmet, ward bald von meinem Aug' entdeckt, mit tausend Küssen überdeckt, und siegreich dann bestürmet. Wie flog sie unter mir empor, als sich ihr Blick in Nacht verlor! wie bebten ihre Glieder! heiß drängte sich mein kochend Blut, hoch flog ich auf in Liebesglut, und sank dann heftig nieder. So lernt' ich, was man Liebe nennt, und o! seit dieser Stunde brennt, voll dürstendem Verlangen, ein Feuer mir in dieser Brust, um stets zu gleicher Liebeslust ein Mädchen zu umfangen. Kommt, Mädchen, die ihr lüstern seid, und schmeckt durch mich die Süßigkeit von Amors schönstem Spiele, die Glut, die euer Herz verzehrt, und euch erblaßt, ist's immer werth, daß sie ein Jüngling kühle. Ung[enannt]. Das Zeisignest. Eine Erzählung. Ein Greis von mehr als hundert Jahren War in Geschichten sehr erfahren. Ihm folgte stets ein Chor von jungen Hirten nach, Zu hören, was der alte Schäfer sprach. Er wußte rechte Wunderdinge, Und diese that sein unverdross'ner Mund Der unerfahrnen Jugend kund. Einst sprach er von dem Zauberringe, Durch dessen Kraft einmal ein Hirt, Wie jetzo noch erzählet wird, Sich, wenn er wollt', unsichtbar machte Und ein Geheimniß oft erfuhr, Das mancher Schäfer in der Flur Noch so geheim zu halten dachte. Dies höreten sie mit Verwund'rung an, Und jeder wünschte sich den Ring, der es gethan. Hier ging es eifrig an ein Fragen: Worinnen stak denn seine Kraft? Ein schlechter Ring hat nicht die Eigenschaft. Der alte Schäfer sprach: ich will euch alles sagen, Dies wirkte ganz allein Des Zauberringes selt'ner Stein. Wie manche Kunst ist uns versteckt, Und schlichten Thieren nur entdeckt! Der Zeisig baut ein Nest und flicht stets einen Stein Von dieser Wunderkraft in Reiß und Moos mit ein. Dies ist ihm von Natur gelehret, Damit man seine Brut nicht findet und nicht störet. Er baut in keinem Baum, als der am Wasser steht. Doch ist kein Nest zu sehen, Es müßte denn im Schatten dieses Baums geschehen. Nun sagt man, daß ein solcher Stein In jenem Ringe soll gewesen sein. Dies hört und merkte sich der junge Damaren. Ein Zeisignest einst zu entdecken, Kann, dacht' er, dir gar leicht von Statten gehn. Er ließ sich keine Mühe schrecken, Und weil sein Vorsatz wichtig war, So macht er ihn Niemandem offenbar: So, daß nur Chloris darum wußte, Die ihm oft suchen helfen mußte. Kein Ort, wo nur ein Baum am Wasser stand, War diesen beiden unbekannt. Sie red'ten ab, daß er im Schatten suchen wollte, Sie aber nach dem Neste steigen sollte. Einst sah er einen Baum, von dem ein Zeisig flog, Der in dem Bache sich den Kropf voll Wasser zog Und wieder auf den Baum zurücke kehrte, Wo er vielleicht die junge Brut ernährte. Hier, schrie er, muß das Nest von diesem Vogel sein! Sie steigt hinauf, und er sah in den Bach hinein. Doch wäre dies mit mir geschehen, So hätt' ich ganz gewiß wo anders hin gesehen. Im Schatten sah er was, das einem Neste glich, Und war bereits für Freuden außer sich. Greif, ruft er, und sie griff. Das Bild verschwand im Schatten. Weil sie drei Blätter traf, die es gezeuget hatten. Er aber meinete, sie hätte schon das Nest, D'rum lief er eilig zu und rufte: halt' es fest. Allein sie schwur bei allen Göttern, Es wäre weiter nichts, als ein Betrug von Blättern. Jedoch der Argwohn gab dem jungen Schäfer ein, Es könnte Chloris leicht zu eigennützig sein; Und aus Verlangen nach dem Steine Behielte sie wohl gar das Nest für sich alleine. D'rum gab er ihr aus Ungeduld Den allergrößten Undank schuld. Gut, sagt er, bist du so gesinnt? Ist dies der Lohn, den man von mir gewinnt? Werd' ich dir künftig wieder glauben, So fresse mir der Marder meine Tauben! So soll der Wolf mir gleich die halbe Heerde rauben! Die junge Schäferin, die ohne Falschheit war, Macht ihm durch einen Eid noch einmal offenbar, Daß er sie ohne Grund verdächte. Doch weil sie sah, daß dies ihm nur mehr Argwohn brächte, So wurde sie des Vorwurfs satt, Und fing aus Eifer an, die Nester zu verfluchen. Damit du siehst, ob dich mein Mund belogen hat, So kannst du selbst bei mir nach deinem Neste suchen. Den Vorschlag nahm der Schäfer an. Ich hätte dieses auch gethan, Und schwöre, wenn ich so die Nester suchen sollte, Daß ich sie hurtig finden wollte. Sie hielt den oft verweg'nen Händen still. Er suchte, doch umsonst, er kriegt kein Nest zu fassen. Ja, sprach er, darf ich auch wohl suchen, wo ich will? Die Unschuld konnte dies gar leicht geschehen lassen. Er griff, wohin? Die schönen Oerter Verlören ihren Werth durch die bekannten Wörter. Jedoch, damit ich's kurz erzähle, Wer dahin greift, wohin er griff, Der greift dem Mädchen an die Seele. Ob es der Chloris weh gethan, Das weiß ich nicht. Genug, sie fing zu lachen an. Dies Zeugniß hielt er für das größte, D'rum fühlt er noch einmal nach dem vermeinten Neste. Gelt! sprach er, endlich hat doch meine Hand entdeckt, Was Chloris mir mit so viel List versteckt? Das arme Mädchen schwur, daß es das Nest nicht wäre; Er aber sagte höhnisch: Nein, Ich will der Luft nicht würdig sein, Wenn ich mich länger noch an deine Worte kehre. Es wäre nicht das Nest? Du machest mir nichts weiß. Die Hand belügt mich nicht, ich fühle ja das Reiß. Mit Worten war er hier nicht abzuspeisen. Er drang darauf, ihm das, was er gefühlt, zu weisen. Was sollte Chloris tun? Mir fällt kein Mittel ein, Denn einmal mußte sie vom Argwohn sich befrein. Verzeiht es ihr darum, ihr Schönen, Sie wies es endlich Damarenen. Wie unaussprechlich war nicht dieses Schäfers Freude! Er schrie: o Wundernest! o seltsames Gebäude! Doch Chloris wandte wieder ein: Du irrst; wär' es das Nest, wie könnt' es sichtbar sein? Er aber sprach: Du hast den Stein, Weil du so freventlich geschworen, Aus Unvorsichtigkeit verloren. Auf einmal fing er an, die Augen zu verdrehn, Und vor dem Neste blieb er taumelnd kaum noch stehn. Ihr forschet, was ihm widerfahren? Wer's nicht erraten kann, dem will ich's offenbaren. Auf's Gold kann Midas selbst nicht so begierig sein, Als Damaren jetzt auf den Zeisigstein. Ihr Götter! seufzt er unbedächtig, Seid ihr, wie man es glaubt, so mächtig, So müßt' ihr meiner Hand die selt'ne Kraft verleihn, Ein jedes Ding, das ich ergreife, Verwandle sich und sei ein solcher Zauberstein. Hier mocht' er sich vielleicht wohin gegriffen haben, D'rum fühlt er ganz bestürzt der Götter schnelle Gaben. Er fühlte zwar, was er sonst auch gefühlt, Doch wer mit Zaubereien spielt, Der fürchtet sich, so wahr ich jetzt die Wahrheit schreibe, Sehr oft vor seinem eignen Leibe. Der arme Schäfer härmte sich Er schrie: Der Götter Zorn straft und versteinert mich. Die Angst gab seiner Schwachheit Stärke. Er eilete getrost mit seinem Wunderwerke Zum leeren Zeisigneste hin. Hier, Chloris, laß ich dir alleine, Rief er, das Nest mit sammt dem Steine. Doch, wo ich recht belehrtet bin, So sprach die Nymphe trotzig: Du! Und hielt mit ihrer Hand das kleine Nestchen zu. Wie aber ging es denn dem kranken Damaren? Ließ ihn die Schäferin ganz ohne Mitleid stehn? Kein Mensch soll seinen Feind in Noth und Elend hassen, Und ohne sie war Damaren verlassen. D'rum wollte sie nicht unbarmherzig heißen, Sie suchete vielmehr mit eigner Hand Dem Schäfer, der so kläglich vor ihr stand, Den Stein vom Leibe wegzureißen. Doch mußt' auch dies vergebens sein! Je mehr die Nymphe riß, je härter war der Stein. Zuletzt nahm sie sich recht des armen Schäfers an Und tat weit mehr an ihm, als eine Mutter kann. Kurz, diese Hilfe war die beste. Der Zauberstein verschwand nicht eher, als im Neste. Ich sollte zwar die Kunst der schönen Nymphe loben; Allein die Krankheit war nicht ganz und gar behoben; Wenn Damaren hernach nur seine Chloris sah, War die Versteinerung auch immer wieder da. J[ohann] C[hristoph] Rost. Stoßseufzer einer Jacobinerin. Gib, Himmel, gib, daß jede Bürg'rin frei, und jeder Bürger ohne Hosen sei. F.C.W. Mayer. Die fünfte Elegie des ersten Buchs aus dem Ovid von der Liebe. Freie Übersetzung. Auf weiche Kissen gestreckt – erschöpft von drückender Hitze, Sucht' ich erquickende Ruh' – Sol lenkte mit goldenen Zügeln Ueber die Häupter dahin die muthig schäumenden Rosse – Schwacher Schimmer des Lichts drang durch das halboffene Fenster Kaum bis zu mir – mein Lager umfloß ein heiliges Dunkel Sanft und mild, und ähnlich dem Dunkel in schattichten Hainen – Gleich der Dämmerung Schein, dem Glanze des fliehenden Phöbus, Wenn er im Ocean sinkt, der süßesten Ruhe zu pflegen – Gleich dem wonnigen Licht, das Aurorens rosige Finger, Klarheit und Helle verkündend, über die Erde verbreitet – Dieses Dunkel – es birgt des Mädchens erröthende Wange, Wenn die jungfräuliche Scham das große Opfer dem Jüngling Zitternd, willig doch, bringt – d'rum sucht's jedes liebende Mädchen – Siehe, Corinna erschien, im leichtgeschürzeten Röckchen, Kunstlos umwallte das Haar den alabasternen Busen – Also bestieg das Bett die schöne Semiramis, also, Wie das Gerücht uns lehrt, die von Buhlern umgebene Lais – Zwar das dünne Gewand entzog dem lüsternen Auge Nicht der Reize zu viel, d'rum riß ich das flatternde Röckchen Ihr noch herab – sie stritt, doch war ihr Streiten vergebens, Denn sie sträubte sich nur zum Schein und wollte besiegt sein, Und so ward sie gar leicht überwunden durch eignes Verschulden – Ha! wie verschlang mein Blick die ganz entblösete Schönheit! So vollkommen gebaut war nie ein weiblicher Körper, Nicht der mindeste Fehl beschimpfte die göttlichen Reize – Ich sah den schönsten Arm, berührte die blendende Schulter, Busenhügel so sanft, geformt zum Drucke der Liebe, Unter der knappen Brust des Leibes prachtvolle Eb'ne, Die sich Cypria's Sohn zu seinem Schlachtfeld erwählet, Hüften, so schlank, so zart und jugendlich kraftvolle Schenkel – Doch die Schönheiten all' – wer könnte sie würdig besingen? Jede verdiente mein Lob, Anbetung forderte jede, Und ich versagte sie nicht – umschlang das nackende Mädchen, Drückte sie fest an mich, berauscht von Wonne der Liebe – Wer räth das Uebrige nicht? Ermüdet vom süßesten Kampfe Ruhten wir beide dann aus, um neuen Kampf zu beginnen. Götter! gewährt mir noch oft den Genuß so fröhlicher Stunden! ***. Du und Ich. An Herrn von ***. Du gehst auf kriegerischem Pfad, mit Lorbeern dich zu gürten, ich aber bin der Lorbeern satt, und kränze mich mit Myrthen. Du schweigst? Dein Damascenerschwert raubt Tausenden das Leben, ich aber sitz' am warmen Heerd und trinke Saft der Reben. Du eilst auf wilder Feinde Schwarm, sie siegreich zu bekriegen, ich flieg' in holder Nymphen Arm, mit Cypripor zu siegen. Du welkst in deiner Jugend ab, ich werde stets gesünder, tagtäglich mäh'st du Menschen ab, und ich mach' täglich Kinder. Nun mußt du selbst gesteh'n, daß wir uns eben nicht sehr gleichen, doch ohne Gleichheit nenn' ich dir: wie lieben beide Leichen. Du Leichen, die den Schwert gemacht und zu dem Orkus schickte, ich Leichen, wann ich in der Nacht den Jungfernkranz zerpflückte. Ung[enannt]. Loth. Er trank und dann? – und dann? ward er verliebt, und dann? – und dann? ward er sein Tochtermann! Cr. Der Holzhauer. Eine Erzählung nach dem Grécourt. Hans fällte Holz mit seinem Beil, das Holz war hart, für Hans den schwachen Alten, kaum konnt' er's noch mit einem Keil und unter tiefem Aechzen spalten. Ein lautes H e m erscholl bei jedem Schlag; sein Weibchen hört's und fängt d'rauf an zu fragen: Mein Schatz, was will dies Hem denn sagen? – »Dies Hem, mein Kind, hilft stets dem Keile nach, er dringt weit tiefer in des Holzes Ritzen, und wär' es hart wie Stahl und Stein, o solch ein Hem kann öfters ungemein bei schweren Jungferschaften nützen.« Das Weibchen schwieg, es kam die Nacht heran, Hans schnarcht bereits in seinem Bette, indessen schmiegt sich fest wie eine Kette das junge Weib an den bejahrten Mann, und sucht durch Kitzeln und durch Necken, die Amors List für uns ersann, den alten Adam zu erwecken. Ihr Vorsatz glückt in kurzer Zeit, der Alte schmiegt mit beiden Händen sich fest an ihre Marmorlenden, und rüstet sich zum Liebesstreit, um all' die Kraft erhitzter Männlichkeit in ihrem Schooße zu verschwenden. Doch ach, Hans war zu alt und schwach, um ihre Lüsternheit zu stillen, nur tropfenweise rinnt ein Bach, und kann nicht mehr die Opferschale füllen. Von Glut empört, seufzt stets das Weibchen: ach! ach, Männchen, ach, um's heil'gen Stephans willen, sag' Hem! – es hilft vielleicht dir nach. Schweig, Thörin, schweig, dies ist des bösen Alten erzürnte Antwort: bist du klug? was soll dies Hem? – Ich will dich ja nicht spalten, denn leider bist du's schon genug! Ung[enannt]. An die Venus. Nimm mich auf in deinem Heiligthume, laß mich küssen die geweihte Blume, die ein lockichtes Gebüsch beschützt. Führe mich zur purpurfarb'nen Grotte, wo dem weltberühmten kleinen Gotte heiße Wollust still zur Seite sitzt. Reiche mir der Liebe Taumelschale, daß mein Lied dir meinen Dank bezahle, daß mein Opfer nur der Wahrheit treu, nicht der Abdruck thörischter Gefühle, nicht ein Traum vom süßen Minnespiele, nein, begeistertes Entzücken sei. Laß mich sterben in verliebten Küssen, und in Doris Armen mich zerfließen, wenn ihr Schooß nach meinem Thaue lechzt, Dunkel das erstarrte Aug' umhüllet, Lebensopfer meinem Pfeil entquillet, und aus ihrer Brust die Wollust ächzt. Dann so will ich deine Freuden singen, Opfer dir auf deinem Altar bringen, Opfer der entflammten Jugendkraft; täglich mich im Liebesrausch entzücken, täglich Mädchenkränze dir zerpflücken, kleine Kränze wahrer Jungferschaft. Locken, die von Lebenstropfen glänzen, sollen deinen Weihaltar bekränzen, wo sie Rosenquellen einst umlaubt. Mädchenblut soll ihn mit Purpur färben, und ich selbst will hier im Kämpfen sterben, wenn das Alter mir die Kräfte raubt. Ung[enannt]. (= Johann Gabriel Bernhard Büschel; 1758–1813) Der Mittag. Die Mittagsstunde schlug: matt von der Schwüle Streckt' ich zur Ruhe mich auf meine Pfühle: Durch's halbverhüllte Fenster kam ein Licht, Gleich dem, das zweifelhaft durch Haine bricht, Gleich dem, das dämmernd glimmt, wenn Phöbus sinket, Und morgens zwischen Nacht und Tage blinket. Dies Halblicht taugt für Mädchensittsamkeit; Die Scham, hier kühner, wünschet Dunkelheit, Sieh', Lina kommt mit aufgeschürztem Kleide, Den Hals umflattern Locken, fein wie Seide. So ging in's Wonnebett Semiramis, So Lais, die sich gern erbitten ließ. Ich riß, obwohl's zu dünn war zum Verstecken, Das Kleid ihr weg, doch rang sie, sich zu decken, Mit ihrem Kleid, und ward nach süßem Zwang, Indem sie nur als eine solche rang, Die selbst dem Feind nicht ungern unterlieget, Durch eigene Verrätherei besieget, Nackt stand sie nun wie die dem Meeresschooß Entstieg'ne Venus, glänzend, makellos. O Anblick, mich zu einem Gott erhebend! Welch eine Brust! wie voll, wie fest, wie strebend! Wie rund die Hüften! welche Symmetrie Der Schenkel! und wie reizend paßt an die Ein Hügel, der kaum merkbar sich erhoben! O alles, was ich sah, war hoch zu loben! Nun da mein Arm sich um die Nackte flicht, Beginn' ich ... aber still! das singt man nicht. Wir ruhten müde von dem süßen Spiele; O solcher Mittag', Amor! gib mir viele! [Johann Baptist] von Alxinger. Amors Waffen. Traut, Mädchen, Amorn nicht, er zieht Zwar auf als wie ein Krieger; Doch wenn man näher ihn besieht, Ist er nur ein Betrüger. An seinen Waffen, die er führt, Hat manche sich betrogen. Zu einer Angelruthe wird Nur allzuleicht der Bogen. Der Köcher, den ihr gern begafft, Ist nichts, als eine Falle Für's liebe Mäuschen Jungfrauschaft, Darin fängt er euch alle. Und wie, wenn man den Teufel bannt, Das Gold oft wird zu Kohlen, So wird der Pfeil in Amors Hand Zu Dolchen und Pistolen. Rupft ihr ihm dann die Flügel aus, So will ich mit euch wetten, Es werden lauter Flaumen d'raus Für euch zu Federbetten. Und aus der Binde des Gesichts, Die Venus ihm geliehen, Wird sicherlich am Ende nichts, Als – Windeln und Charpieen. [Aloys] Blumauer. Als Koch und Köchin sich heiratheten. Sie hatten Einen Heerd, Ein Feuer längst gemein, und wünschten nun, Ein Fleisch zu sein. Haug. Die gewissenhafte Schäferin. Es ist ein einzig Ding, dem an Gewalt nichts gleichet, Dem alle Welt gehorcht, die Weisheit selber weichet; Durch dieses Ding kommt oft der klügsten Schäferin, Zu ihren Schäfers Wunsch, der Beifall in den Sinn. Jedoch wer wollte sich wohl seiner Schwachheit freuen? Ein kluges Mädchen wird, was es verseh'n, bereuen. An Heloisen lobt noch selber Abälard, Daß sie aus Buß' und Reu' die frömmste Nonne ward. Allein ihr Schönen dürft nicht stets im Kloster büßen, Ein jedes Mädchen hat ein anderes Gewissen. Jetzt höret, was man einst von Amarillen sprach; Gefällt euch ihre Reu', so folgt der Nymphe nach. Mirtyll war oft bei Amarillen, Und ließ, um dieser Nymphe willen, Fast jeden Tag die Heerd' allein; Kaum sah man noch Den faulen Phylax Hirten sein. D'rum büßt' er manches Stück von seinen Schafen ein. Jedoch es war ihm nur um Amarillen, D'rum litt er den Verlust getrost um ihretwillen. Wo diese Nymphe war, war auch der Schäfer da. Er legt' es endlich ihr so nah, Daß, als er einst zu zärtlich klagte, Ihm Amarillis freundlich sagte: Er sollte ganz allein Der Schäfer, den sie liebte, sein. Doch mußt er ihr zugleich bei der Diana schwören, Was heutzutage noch den Mädchen wohlgefällt, Wenn man es schwört, und doch nicht hält. Jedoch die Götter, die dergleichen Schwüre hören, Belachen sie, dem Jupiter zu Ehren: Verliebten ist's erlaubt, bisweilen falsch zu schwören. Kaum hatt' er diesen Eid gethan, So fing sich schon der Meineid an, Daß oft die Schäferin die Göttin bitten mußte, Dem frechen Hirten zu verzeih'n, Und ihrer Unschuld Muth und Kräfte zu verleih'n. Doch da er selbst zu viel von seinen Göttern wußte, Und in der Flur schon etwas offenbar Von dem Endymeon und der Diana war; So dacht' er, was die Götter treiben, Wird auch an mir wohl ungestrafet bleiben. Man sagt, daß Jupiter hierüber selbst gelacht, Und oft aus Scherz hiermit Dianen roth gemacht. Zudem war selbst die Nymphe nicht von Stein. Man bilde sich einmal ein junges Mädchen ein, Das sich von fetter Milch die Backen rund gegessen, Das, wenn es oft allein gesessen, Der Ziege zugeseh'n, mit der der Bock gespielt, Und jedesmal sich selbst dabei gefühlt; Die Mutter oft behorcht, wenn sie bei später Nacht Die Tochter schlafen hieß, die ihr zu lang' gewacht; Kurz, zwo Personen von den Jahren, Wie Pyramus und Thisbe waren. Ich spreche sie aus Menschenlieb frei, Und jeder Schäfer stimmt mir bei; Sie ließ sich von Mrtyllen küssen, Und welcher wird das Uebrige nicht wissen? Wer seine Schöne küßt, und nicht das And're raubt, Der ist den Kuß nicht werth, den ihm ihr Mund erlaubt. Hiervon hat Naso längst in seiner Kunst zu lieben Im ersten Buche selbst geschrieben; Und welche sich in seinen Lehren üben, Die haben mir vertrut, daß sie dies oft getrieben, Und daß die Regel auch beständig wahr geblieben. Genug, daß dies Mirtyll verstund, Denn was uns Naso sagt, that ihm die Liebe kund, Auch den gewissen Punkt nahm er der Schäferin, Und Amarillis gab dem Räuber alles hin. Doch das Gewissen schläft nicht lange. Theils wurd' ihr um Mirtyllen bange, Der seinen Eid so schändlich brach; Theils um sich selbst, weil sie bedachte, Daß sie auch sich des Meineids schuldig machte. Dem allen sann sie nun mit wahrer Reue nach. Die Wolken durften kaum den Horizont bedecken, So meinte sie schon voller Schrecken, Jetzt würd' ein Blitz die Lüfte theilen, Und jetzt ein Donnerschlag nach ihrem Herzen eilen. Vor allen fürchtete sie nun die Opferzeit, Die Götter möchten sie bei der Gelegenheit Vielleicht vor Alt und Jung beschämen, Und zu beleidigt sein, ihr Opfer anzunehmen. Dies ließ der Nymphe keine Ruh'. Jedoch ihr Kummer nahm durch größ're Sorgen zu: Die Götter ließen auch ein Zeichen an ihr sehen, Wie an den Nymphen oft geschehen, Die es vorher zu schlecht bedacht, Daß jeder, der sie sieht, auch weiß, was sie gemacht. Im tiefsten Wasser wünscht sie plötzlich zu ersaufen, Doch wer ist stark genug, in seinen Tod zu laufen? Darum behielt noch der Verstand Bei Amarillen auch zuletzt die Oberhand. Ein kluges Mädchen wird sich in dergleichen Fällen Aus Ungeduld nicht ganz und gar verzweifelt stellen: Man trage seine Last, und ist sie noch so groß, Zuletzt macht uns die Zeit der schweren Bürde los. Dies rühmt man auch an Amarillen. Sie sanfte Nymphe ging gelassen zu Mirtyllen, Und sprach: Wir beide sind es wert, Daß uns die größte Strafe widerfährt. Für meine Schuld empfind' ich schon die Rache; Wer weiß, mit was für Noth Der Himmel dir, Mirtyll, schon droht, Auch meine That ist deine Sache. Die Thränen rollten hier von ihren Wangen ab. Sie stützte sich betrübt auf ihren Hirtenstab, Und sah Mirtyllen an, als ob sie sagen wollte, Daß er ihr wieder helfen sollte. Allein der listige Mirtyll, Ihr Schönen, wurde nicht gerühret. Er that das, was ich euch aus Freundschaft sagen will, Damit euch doch mein Mund mehr bessert, als verführet. Der Meineid, sprach er, geht mir deinetwegen nah; Jedoch noch ist ein Rath zu wahrer Reue da. Wer etwas stiehlt, kann niemals ruhig leben, Er müsse denn, was er gestohlen, wieder geben. Auch wir sind ohnedies nicht von der Marter frei, Die Reue bleibt bei allen Sündern einerlei; Hier hast du deine Küsse wieder. Und hiermit gab er nun der frommen Schäferin Die Küsse zehnfach wieder hin. Die Halbbekehrte warf sich hier aus Reue nieder, Und der betrügliche Mirtyll, Vor dessen Gleichen ich die Mädchen warnen will, Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung wieder, Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wann und wo ergötzte, Als er das erste Mal den Schweren Eid verletzte. Der Zweifel, sprach er, wird nun wohl gehoben sein. Doch Amarillis sagte: Nein; Noch ist's, als läg' auf mir der allergrößte Stein. Sie blieb mit herzlichem Vergnügen Aus Reue noch ein wenig liegen. Doch endlich sah der Schäfer klar, Daß ihr Gewissen leichter war, Und er und sie, kurz, alle beide Zerschmolzen für Gewissensfreude. J[ohann] C[hristian] Rost. An meine Gegner. Berauscht euch nur an Schwärmereien, verläugnet Menschheit und Natur, Mein Freund ist Aristipp, mein Liebling Epicur, ich will mich ihrer Weisheit weih'n, ich bete nur Cytherens Altar an, und ehre sie durch Opfer und durch Thaten, ich lass' euch gern, warum ich Xenokraten und Bettler nicht beneiden kann, die Trägheit stumpfer Alltagssinne, mein ist der Wein, mein ist die Minne, schlürft Wasser ihr, so viel ihr könnt, ihr seid in eurem Element, ich will in meinem bleiben, und wann ihr kalt und wäßrig schreibt, will ich berauscht mit Feuer schreiben, bis Charon uns an gleiche Ufer treibt. Ich schmäh' euch nicht, und will euch glauben, daß euch kein Saft gepreßter Trauben, daß euch kein Mädchenkuß entzückt, und daß ihr lieber noch in Folianten wühlet, als mit verliebten Nymphen spielet, und lieber in ein Buch voll Logarithmen blickt, als nach der Grazien Busen schielet, doch seid auch wiederum gerecht, und tadelt nicht, wenn ich weit lieber küsse, als griechisch les' und lieber Wein genieße, als Wasser, das die Nerven schwächt, wir werden dann uns immer gut vertragen, ich lass' euch die Philosophei, den kalten Blick, den leeren Magen und der Spartaner schwarzen Brei, die Eicheln und die Wasserquelle, und ihr räumt mir an deren Stelle die hübschen Mädchen und den Wein und all' des Lebens Freuden ein. Ung[enannt]. Der junge Hahn. In einem kleinen Hühnerstaate Lebt' einst ein Hahn, der sich durch manche Gascognade – Denn wo sind die nicht angebracht? – Durch seinen leeren Kopf, durch seine dünne Wade Als Lieblingsheld berühmt gemacht. Er war der Neid der andern Hähne, Der Wunsch – das sagt er selbst – so mancher jungen Schöne: Die allerkeuscheste, die tugendhaft'ste Henne Konnt' auch für ihn zu keusch, zu tugendhaft nicht sein. Die Männer sperrten ihre Weiber Vor diesem schönen Herzensräuber, Die Mütter ihre Töchter ein. »Fort!« schrie'n sie, »fort!« sobald sie ihn von weitem sah'n, »In's Hühnerhaus hinein! Dort kommt der junge Hahn!« Einst hob er an zu andern Hähnen: »Noch keine war so keusch von allen euren Schönen, Die ich unüberwindlich fand; Ich sage nur ein Wort, und, meinen Wunsch zu krönen, Thut keine Einz'ge Widerstand. Vor mir versperren zwar die Mütter ihre Töchter, Um meinetwillen setzt man jungen Weibern Wächter: Ich lache ihrer Wachsamkeit! Mich kann sie nicht an Siegen hindern, Ein kluger Kopf wie ich find't doch Gelegenheit; Und unter uns: von euren schönsten Kindern Ist mehr als eins die Frucht von meiner Zärtlichkeit.« Zwei ält're Hähne, die, Trotz seiner Dreustigkeit, Doch klüglich ein Bedenken trugen, Dem jungen Herrn so auf sein Wort zu trau'n, Entschlossen sich, das Ding zu untersuchen; Und – unser Held war – ein Kapaun. J[ohann] F[riedrich] Jünger. Die Christnacht. Eine Erzählung. Die Christnacht bringt fast allgemein den Kindern Spielwerk, Pfeffernüsse, nebst tausend andern Näscherei'n, und Mädchen oft verstohl'ne Küsse, die mehr als Marzipan erfreu'n. Frau Jobsten hatte einen Knaben, so ohngefähr von sieben Jahr, der kahler als Elias war, und doch war sie an rauhen Gaben an vielen Theilen ziemlich reich, und manchen Nonnen ziemlich gleich, die Mähnen statt der Locken haben. 1 Die Christnacht kam nun auch heran, Frau Jobsten lag bereits im Bette, und nun erst dachte sie daran, daß sie den kleinen kahlen Mann zuvor noch zu beschenken hätte; ganz nackend sprang sie aus dem Bette, hob's Hemdchen auf und füllt' es dann mit Nächerei'n und Spielwerk an, und ging d'rauf zu des Söhnchens Bette. Das Söhnchen aber war schon wach, und als er nun den Purpurbach, den Schilf von braunen Locken schmückte, in seiner ganzen Pracht erblickte, rief hastig der vergnügte Tropf, und fuhr an ihren Marmorlenden empor mit seinen kleinen Händen, ist die Perück' für meinen Kopf? Ung[enannt]. Fußnoten 1 Man sehe in den Gedichten im Geschmack des Grecourt: Das Zeichen am Leibe Moses der Jüd'. Ein Schwank. »Sohn, sprach der alte Abrah'm Sohr, Sohn Mauses, hier nimm diesen Louisd'or, geh' in die Welt, laß Weiber dich belehren, wie hie die Menschen sich vermehren, und dann befruchte meinen Stamm. Gut, sprach der Sohn: gut, Vater Abraham, das Ding wird traun! mir nicht entgehen, beim Tephillin, 's ist doch nicht gar zu schwer? Ich geh' – lebt wohl – auf glücklich Wiedersehen. Er ging – und kam von ohngefähr nicht weit von Haus an eine Brücke, da kam gehinkt an einer Krücke des alten Abrah'ms Mutter her. Du hier, rief sie, was soll denn das bedeuten? »O, rief der Knabe froh, zu recht gelegnen Zeiten treff' ich euch hier, seht diesen Louisd'or, er ist noch neu und blank, ich will ihn euch verehren, nur sagt mir auch, wie sich die Menschen mehren, und macht mir's hübsch durch Thaten vor:« Gebt her, dies kann ich euch gewähren! Sie nahm ihn d'rauf bei sich in's Kämmerlein, und wies ihn an, der Liebe sich zu freu'n, und er begriff der alten Jüdin Lehren. Er schied von ihr, und kam mit frohem Blick zum Vater Abraham zurück. »Wie ist es, Sohn?« – O welche Frage, es ist ja nicht des Lehrgelds werth, mich hat es gleich im ersten Tage schon eure Mutter – »Wie, gelehrt?« – Ja, Vater, ja. – »O du verfluchter Sohn, ich krieg' die schweire Rauth davon!« – Nu nu, gemach, was hilft das Fluchen, erwiedert der erschrock'ne Sohn, hobt ihr's mit meiner Memm' gethon, kün' ich's mit eurer ach versuchen. Ung[enannt]. Jettchen an Hänschen, als er ihr einen Blumenkranz zerrissen. Mein allerliebstes Kränzchen, dich hat mein Vetter Hänschen mit loser Hand zerpflückt. Er ist nur noch ein Knabe, doch ward ihm schon die Gabe, daß er die Kränzchen knickt. O wär' er nur erst größer, und küßt er nur erst besser, als jetzt sein Mündchen küßt, soll er ein Röschen knicken, soll er ein Kränzchen pflücken, das zehnmal schöner ist. Ung[enannt]. Die Theilung. An seiner Braut, Fräulein Christinchens, Seite Saß Junker Bogislav Dietrich Karl Ferdinand Von – sein Geschlecht bleibt ungenannt – Und that, wie alle seine Landesleute, Die Pommern, ganz abscheulich witzig und galant. Was schwatzte nicht für zuckersüße Schmeichelein Der Junker seinem Fräulein vor! Was raunte nicht für kühne Schelmereien Er ihr vertraut in's Ohr! Mund, Aug' und Nas' und Brust und Hände, Ein jedes Glied macht ihn entzückt. Bis er, entzückt auch über Hüft' und Lende, Den plumpen Arm um Hüft' und Lende drückt. Das Fräulein war geschnürt (vielleicht zum ersten Male). »Ha!« schrie der Junker, »wie geschlank! Ha, welch ein Leib! verdammt, daß ich nicht male! Als käm' er von der Drechselbank! So dünn! – Was braucht es viel zu sprechen? Ich wette gleich – was wetten wir? wie viel? Ich will ihn von einander brechen! Mit den zwei Fingern will ich ihn zerbrechen Wie einen Pfeilenstiel!« »Wie?« rief das Fräulein, »wie? zerbrechen? Zerbrechen« (rief sie nochmals) »mich? Sie könnten sich an meinem Latze stechen. Ich bitte, Sie verschonen sich.« »Bei'm Element! so will ich's wagen,« Schrie Junker Bogislav: »wohlan!« Und hatte schon die Hände kreuzweis angeschlagen Und packte schon heroisch an; Als schnell ein: »Bruder, Bruder halt!« Vom Ofen her aus einem Winkel schallt. In diesem Winkel saß, vergessen, nicht verloren, des Bräut'gams jüngster Bruder, Fritz. Fritz saß mit offnem Aug' und Ohren, Ein Kind voll Mutterwitz. »Halt!« schrie er, »Bruder! auf ein Wort!« Und zog den Bruder mit sich fort: »Zerbrichst du sie, die schöne Docke, So nimm die Oberhälfte dir! Die Hälfte mit dem Unterrocke, Die, lieber Bruder, schenke mir!« G[otthold] F. [= Ephraim) Lessing. Erinnerung. An Henrietten. Von dir getrennt und deinem Kuß, und all' dem seligen Genuß, der einst uns so beglückte, bleibt nichts zurück – der Myrthenkranz, der unsre Stirne schmückte, liegt blätterlos und ohne Glanz zerpflückt zu unsern Füßen. – O laß uns durch Erinnerung und durch den zauberischen Schwung der Phantasie ein Glück genießen, das allzu früh für uns entwich, und laß im Traum' uns wonniglich fest an einander schließen. Gedenk' der wonnevollen Zeit, als ich in süßer Trunkenheit dein weißes Knie entblößte, als ich mit kühner Jünglingshand den gold'nen Gürtel löste, und dann die Burg der Liebe fand. Gedenke dann an jenes Sträuben, an deine holde Schüchternheit, es möchte stets von unserm Streit die Spur auf jenen Lippen bleiben, die tausendmal mein Mund berührt, eh' du, zum Widersteh'n schon schwächer, den schärfsten Pfeil aus Amors Köcher in deine Grotte selbst geführt. Noch jetzt, berauscht von Phantasieen, fühl' ich die bleiche Wange glühen, von der das Roth der Jugend wich, noch jetzt beginnt ein Bach zu rinnen, der längst schon träg' und langsam schlich. O Mädchen, Mädchen, denk' ich dich, so kocht auf's Neu' in meinen Sinnen der Liebe Glut, von stiller Lust hebt mächtiger sich meine Brust, und wünscht auf's Neu' mit dir zu ringen und auf den purpurnen Altar dir neue Opfer darzubringen, der einst der Heerd für meinen Erstling war. O welch ein Rausch, geliebte Henriette, o welch ein Taumel nahm uns ein, als ich zuerst, mich dir zu weih'n, dich hin zu deinem weichen Bette mit liebevollen Armen trug, und meine Hand um deine Lenden schlug, und gern mich ganz in dich verloren hätte. Wie rollten uns're Augen nicht, es schwand vor unsern feuchten Blicken die ganze Welt, der Sonne Licht, ach alles, alles schwand – nur nicht dies wenige, dies göttliche Entzücken, das noch nach vielen Jahren bleibt, und jetzt das Blut in meinen Wangen in schnellern Kreisen heftig treibt, um wieder Freuden zu verlangen, die keine Gottheit geben kann, weil längst der Quell der Lebensfreuden nach unruhvollem trüben Scheiden in Träumerei'n der Nacht verrann. Noch denk' ich immer mir die Scene, wo ich zuerst die weiche Thräne der Wollust in den weichen Schooß des liebesiechen Mädchens goß. Auch du gedenkst gewiß der Stunden, wo ich dein Heiligthum entdeckt, und durch die schönste aller Wunden mit Purpur dein Gewand befleckt, wo du der Liebe Glück empfunden, wo deine weiche Lilienhand zuerst den Pfeil der Liebe fühlte, und mit der gold'nen Locke spielte, bis daß er schnell vor dir verschwand, und sich in deinem Schooß versteckte, und zärtlich von dem Rosenrand den Thau geheimer Liebe leckte. Vielleicht erscheint noch einst die Zeit, wo ich dich, Holde, wieder sehe, und jenen Kampf der Zärtlichkeit mit neuer Jüngslingskraft bestehe. Vielleicht, gewiß – gewiß – ich sehe dein Heiligthum im Traume schon, und ernte dort den Minnelohn, nach dem ich jetzt vergebens flehe. Ung[enannt]. Die Schäferstunde. Homer, Virgil, Lucan, und wer ihr alle seid, Dringt durch ein Heldenlied bis zur Unsterblichkeit! Singt göttlich, gebt sogar der Ewigkeit zu lesen, Daß eure Helden groß, ihr größer noch gewesen, Mir prägt kein stolzer Trieb dergleichen Lieder ein, Mein Ruhm mag immerhin, gleich mir, vergänglich sein: Ich ehr' euch ohne Neid, denn soll mein Lied erschallen, So such' ich nur dadurch den Mädchen zu gefallen. Was ich besingen will, ist größer, als der Held, Den jeder Dichter noch für schwer zu finden hält. Die Schäferstunde hat die Helden selbst bezwungen; Den größten Helden hat, wer sie besingt, besungen. Ihr Schönen zürnet nicht, Daß meine Muse stets mit euch von Schäfern spricht. Den Helden einen Stand zu wählen, Steht allemal dem Dichter frei; Fontaine nahm die Könige der Lombardei, von jungen Hirten läßt sich noch weit mehr erzählen. Amyntens Herz empfand schon längst den starken Trieb, Von dem der große Pan selbst nicht verschonet blieb. Den Trieb, der diesen Gott zu einem Schäfer machte; Den Trieb, der diesen Gott um seine Sirynx brachte. Amyntas war verliebt, der jungen Doris Blick Versprach ihm mit der Zeit das größte Schäferglück, Allein, so viel er auch der süßen Hoffnung glaubte, So fehlte jedes Mal, daß die Gelegenheit Noch seiner Zärtlichkeit Mehr als den bloßen Wunsch erlaubte. Den Wunsch, den er so oft gethan, Den sah er auch der Doris an, Ob sie denselben gleich vor ihm verbergen wollte; Vielleicht, damit Amynt nur stärker wünschen sollte. Sie liebten sich und wußten dies, Noch eh' sie sich's gesagt, gewiß, Doch eine Liebe will nicht nur die and're wissen. Die Sehnsucht nach den ungezählten Küssen, Die Wollust, sich auch da noch schmachtend anzuseh'n, Wenn der verlangte Wusch gescheh'n; Die Freiheit, sich das Zärtlichste zu sagen; Die Hoffnung, das, was man noch nie gewagt, zu wagen, Dies alles war an ihrer Ungeduld Nach mehrerer Erfahrung schuld. Doch in der Liebe kommt das Glücke Zwar meistentheils, nur nicht im ersten Augenblicke. Ihr Schönen, eilt mit mir nach jener Gegend hin, Und weil ich nun im Geiste gegenwärtig bin, So darf euch kein Bedenken quälen, Mich zum Begleiter zu erwählen. Ihr sollt Amynt bei seiner Schäferin In der gewünschten Stunde sehen. Was euer Blick hierbei zu fürchten hat, Wird im Gebüsche nur geschehen. Doch sollte hie und da ein Blatt Vom Zephyr weggewehet werden, So messet mir die Schuld nicht bei; Seht weg, seht hin, es steht euch alles frei. Ich kann den Winden nicht gebieten, Doch vor dem Zephyr hat man sich nicht sehr zu hüten. Einst trieb die Schäferin die Heerde weiter fort, Sie fand, und nicht umsonst, den angenehmsten Ort, Wo Blum' und Gras die schönsten Farben mischten. Das Wasser, das sich hier von steilen Felsen goß, Die es durch ihren Grund erfrischten, Wo es in einen Bach mit schnellem Rauschen floß; Das Volk verbuhlter Nachtigallen, Wo bald der Sprosser schmetternd rief, Und bald mit Steigen und mit Fallen Durch die verliebten Töne lief; Die Luft, die mit den Blättern spielte, Auf die erhitzte Fläche stieß, Und in den frischen Blumen spielte, Wovon sie den Geruch durch diese Gegend blies. Dies alles ließ die Schäferin nicht gehen, Sie blieb mit ihrer Heerde stehen. Sie warf sich auf die Wiese hin; Hier lag die schöne Schäferin. Sie dehnte sich, und sprach mit zärtlichem Verlangen: Ach! könnt' ich doch Amynten hier umfangen! Sprach sie nichts mehr? O ja, ein halb verschlucktes Ach! Ein matter Blick, der aus den blauen Augen brach, Ein Busen, welcher sich aus Ungeduld empörte, Die sagten dem genug, Der hier im Busche lag, und so verliebt, als klug, Ich weiß nicht, ob mehr sah, als hörte. Kurz, da die Schäferin sich dessen nicht versah, So stand auch schon Amynt vor ihren Augen da, Doch, wie er in den Busch gekommen, Hab' ich noch nie gefragt, und auch noch nie vernommen. Aus Schrecken glaubte dies die junge Doris kaum. Sie hielt den Anblick erst für einen leeren Traum. Sie dacht', ein Schlummer wollt' ihr diese Freude machen, D'rum fürchtete sie nichts, als plötzlich aufzuwachen. Ihr Schönen, hat euch nie von einer Lust geträumt, Die euer Mund oft dem mit Ungestüm versagte, Der es sie wachend zu erbitten wagte, Und die ihr ihm oft träumend eingeräumt? Ihr Schönen, habt ihr dies erfahren, So darf ich euch nichts mehr Von ihrer Lust zu träumen offenbaren. Was aber that Amynt? Ist dies wohl Fragens werth? Ein Schäfer, der den schönsten Augenblick begehrt, Bedienet sich der vortheilhaften Zeit Zur zärtlichsten Verwegenheit. Er sprach, sie sprach, und was? dies könnt ihr leicht errathen, Ich sag' euch jetzt nichts mehr, als was sie thaten. Ein halb gegebener und halb geraubter Kuß War des verliebten Schäfers Gruß. D'rauf folgten schon die zärtlichsten Geberden, Die leichter nachgemacht, als hier beschrieben werden; Sie sah Amynt mit Furcht und Schalkheit an, Mit Schalkheit, weil er ihr noch nichts gethan; Mit Furcht, damit er's auch nicht wagen sollte. Kurz, Doris wollte nicht, und wollte. Ihr Auge sprach mehr, als ihr Mund verschwieg; Er seufte nur, indem der schöne Busen stieg. Hier warf Amynt mit neuer Lust Die Finger auf die warme Brust, Worauf er, wie er zärtlich glaubte, Die Freiheit, mehr zu rauben, raubte. Sein Mund erwählte diesen Ort, Mit jedem Kusse ging ein lauter Seufzer fort; Mehr Schätze wurden hier entdeckt und ausgegraben, Als Erd' und Meer in ihren Gründen haben. Die kleine schöne Hand That zwar dem Schäfer Widerstand, Doch so, damit Amyntas fühlte, Daß ihr beredter Griff mehr spielte, Als ihm nach den verliebten Waffen zielte. Doch was Amynt bisher gethan, Dies sahe Doris noch für nicht gefährlich an. Allein jetzt hielt er sie an beiden Händen; Jetzt schlang er seinen Arm um die gewölbten Lenden; Jetzt macht er sich zu dem geschickt, Was keinem Schäfer leicht so hurtig glückt. Jedoch die Nymphe riß sich los, Ihr Eifer war so groß, Daß sie Amynten hieß aus ihren Augen gehen. Sie sagte dies, allein sie sagt es mit Verdruß. Jedoch ein kluger Schäfer muß Die Worte nicht, die Blicke nur verstehen. Er blieb und fing sogar das Werk verweg'ner an. Ihr Schönen fragt, wie er verweg'ner scherzen kann? Er scherzte so, damit sie merken sollte, Daß er im Ernst scherzen wollte. Kurz, er entblößte jetzt der jungen Doris Knie; Er sah es, doch mit so viel Lust, als Müh'. Ihr Mädchen, zürnet nicht, daß er ihr Knie gesehen, Sonst sag' ich nichts von dem, was mehr geschehen, Genug, daß Doris widerstritt, Und, was er that, erst überwunden litt. Allein er wußte sie mit hundert kleinen Sachen So lüstern, als erhitzt zu machen. Die Augen funkelten, die Zunge selbst ward schwer, Die Lippen zitterten, die volle Brust weit mehr. Aus Hitze glühten ihre Wangen, Sie rief: Amynt, ach geh! Sie schrie: Amynt, ach nein! Hier wurden ihr die Augen klein, Jetzt mangelte die Kraft zu widerstreben, D'rum mußte sie sich ganz ergeben. Doch eh' sie sich ergab, rief sie die Götter an: Thut mir anjetzt, was ihr den Nymphen oft gethan, Und laßt auch mich Die Wohlthat der Verwand'lung spüren. Verwandelt diesen Ort in einen finstern Wald. Doch schonet hier der menschlichen Gestalt. Denn diese mochte sie nicht gern verlieren. Ihr Bitten ward erhört. Ein dichter Rosenstrauch Wuchs neben ihr hervor, und der verbarg sie auch. Allein dies war kein Wald; jedoch ich muß nur lachen, Die Götter müßten ja Die Erde voller Wälder machen. Genug, sie wurden doch durch diesen Busch bedeckt, Ihr meint, sie lagen hier nun ganz und gar versteckt? Der Busch verbarg sie nur den neidischen Gesichtern, Doch aber nicht vor den verschwieg'nen Dichtern. Ihr Schönen, bleibet hier, Und waget noch den letzten Blick mit mir. Seht hin, ich sehe schon die leichten Blätter weichen, Ich seh' Amynt sein schönstes Glück erreichen; Sagt, ob ihr dieses sehen könnt? Ihr schweigt, doch mir ist mehr, als euch, zu seh'n vergönnt, Ihr blickt aus Vorwitz hin, d'rum kann es euch nicht glücken, Ihr könnet Doris nicht vor dem Amynt erblicken. J[ohann] C[hristian] Rost. Meine Philosophie. Der ist ein Thor, der sich vermählt, und sich ein einzig Mädchen wählt, ich schwärme gern von Lipp' zu Lippe, und hasse stetes Einerlei, ich folge meinem Aristippe, und wähl' von dreien Nymphen drei. Mich soll kein Joch der Ehe binden, ich bin ein Zögling der Natur, ich will von jeder Blumenflur für meine Locken Kränze winden, bis meiner Jugend Rose bleicht, das träge Alter mich beschleicht, kein Bach mehr quillt, der Fluren wässert, die lockichtes Gebüsch beschützt, mein Pfeil nicht mehr die Nymphen ritzt, und ihren Rosenmund vergrößert. Ich will mich meiner Jugend freu'n, nicht Sorgen stets auf Sorgen häufen, und meinen Gram in deutschen Wein im vollen Deckelglas ersäufen, bis sich die Erde mit mir dreht, sich mächtiger mein Busen bläht, und ich in Venus Armen sinke und dort an schleierloser Brust den Rausch beglückter Liebe trinke. Wenn ich, an deinen Arm geschmiegt, o Dorilis, in stillen Hainen walle, und von Cytherens Macht besiegt, berauscht in deine Arme falle, und sanft an deine Brust geschmiegt, das Heiligthum der Aphrodite, die purpurfarb'ne Rosenblüthe, die im geweihten Dunkel liegt, mit tausend Küssen überdecke, und deinen reichgelockten Schooß mit heißem Balsamthau beflecke, der meiner Männlichkeit entfloß, so fühl' ich ganz des Lebens Freuden, so fühl' ich, was die Liebe heißt, die heftig mich an deinen Busen reißt, und werde nie den kalten Weisen meiden, der mir von and'rer Liebe spricht, und von des Griechen Heldenthaten, denn solche Lieb' ist für Castraten, und für den raschen Jüngling nicht. Ich zähl' es mit zu meiner Pflicht die Lust des Jünglings zu genießen, und Amors heiligen Altar mit Opferströmen zu begießen, ihm bring' ich täglich Opfer dar. Heut' wagt' ich es, von schmachtenden Agnesen den keuschen Gürtel aufzulösen, der noch bis jetzt kaum aufzulösen war. Und morgen such' ich dann bei Phrynen den Minnesold mir zu verdienen, die schon die Kräfte der Natur im tausenfachen Spiel erfuhr. Doch still, es lauschen strenge Richter, die insgeheim wohl mehr noch thun, und hörten die's – dann weh dem armen Dichter, fürwahr, sie würden eh'r nicht ruh'n, bis daß er, baar von allem Ruhm und Ehre, wie Doktor B – des Land's verwiesen wäre. Ung[enannt]. Der Rechenmeister Amor. Der Tausendkünstler Amor ließ Sich bei der jungen Dorilis Zum Rechenmeister dingen, Und wußt' in einer Stunde da Die ganze Arithmetika Ihr spielend beizubringen. Im Rechnen und im Lieben sind Fünf Spezies, mein schönes Kind, Die will ich dir dociren: Ich küsse dich – ein – zwei – dreimal, Du zahlest diese Küßchen all' Und das heißt Numeriren. Zu meinen Küssen setzest du Dann auch die deinigen hinzu, So lernest du Addiren; Zählst du mir deine Küßchen her, Und findest dann um einen mehr, So kannst du Subtrahiren. Die vierte Spezies, mein Kind, Könnt' ich zwar eben so geschwind Dir praktisch expliciren: Allein das Einmaleins ist lang, Und jungen Mädchen wird oft bang' Vor dem Multipliciren. Dies, Mädchen, merke dir nur an: Wo Eins der Faktor ist, da kann Man nicht multipliciren; Doch käm' ein Nullchen noch hinzu – Auch noch so klein – so würdest du Gar bald ein Faktum spüren. D'rum laß in dieser Spezie Nicht früher dich, als in der Eh', Durch Hymen instruiren; Denn auf's Multipliciren kömmt, Was man sich auch dagegen stemmt, Von selbst das Dividiren. [Aloys] Blumauer. Die Marketenderin. Es ward einmal ein Marketenderweib rein ausgeplündert von Husaren – sie kam zurück in's Lager ohne Karren, nichts, als das Hemde auf dem Leib. – Zum Henker! rief der Mann, ist nichts geborgen, so sind wir ohne Rettung hin. – Ei nicht doch, sprach sie, sei nur ohne Sorgen, den Beutel mit dem Geld' hatt' ich verborgen – den fand man nicht. – ei! ei! wo hast du ihn? rief jetzt der Mann in vollen Freuden. – Wo? Je, das weißt du wohl, erwiedert sie bescheiden. Wenn das ist, sprach er nun, und warum stecktest du nicht Pferd und Karren auch dazu? ***. Die zwei Jungferschaften. Ein junges Kind, sehr artig, zum Entzücken gebaut, war einst im zärtlichsten Gespräch mit ihrem Freund, dies bahnte dann den Weg zum schönsten Unterricht. In süßen Augenblicken empfanden sie zuerst der Liebe Werth. Man hätte nie davon etwas erfahren, allein ein Freier kam, der sie begehrt, und sie war nun schon in den Jahren, wo man der Ehe Zweck erfüllen kann. – Dem Vater war der Eidam sehr willkommen, er rühmt ihm seine Tochter an. Herr, sprach er, wahrlich, sie bekommen der Schöpfung Meisterstück zum Weib. Sie ist, trotz ihrer zarten Jugend, ein Bild der Klugheit und der Tugend; für ihre Jungferschaft steh' ich mit Seel' und Leib. – Papa, rief sie dann aus, was Sie da eben sagen von Jungferschaft – nicht nur die meinige bekommt der Herr – nein, zwei, denn nur vor wenig Tagen gab Damis mir auch noch die seinige. ***. Das Allerheiligengemälde. Ein Maler, groß in seiner Kunst, obgleich für's Müßiggeh'n sehr eingenommen, spielt' einst den frommen Nönnchen einen Streich. Er hatt' es auf ihr Bitten unternommen, ein großes Stück der heiligen Glorie zu fertigen. Man war schon eins, bezahlte das Geld im Voraus ihm – doch dieses dauerte nicht lang', und unser Künstler malte noch immer nicht. Indeß war der Termin verstrichen; jede Nonne wähnte was Treffliches zu seh'n – man fragte ihn, ob er nun nicht sein Werk bald zeigen könnte? Drei Striche noch, so ist's gethan; sprach er mit unerschrock'nen Mienen, heut' Abend noch mach' ich mich d'ran, und morgen früh, Mesdames, bring' ch's Ihnen. – Er hatte kaum die Leinwand zubereitet, – was that er nun? Ein toller Einfall kam ihm in den Kopf, als er den Pinsel nahm. Er zeichnete, was keinen Ausdruck leidet – man mag's errathen, denn dem Dichter ist's nicht erlaubt, ein jedes Bild so frei zu zeichnen – ihn belauscht ein strenger Richter – der Künstler nur folgt seiner Phantasei. – Am Morgen d'rauf bracht' er das Bild, und that sehr ernsthaft, schwur, daß er in seinem Leben kein schön'res noch verfertigt hat. Indem die Nonnen ihn voll Neugier nun umgeben, kehrt er es endlich um und spricht: Hier sehen Sie. – Der Anblick war den Damen so sehr frappant, daß sie dabei sich seltsam nahmen. Der Frau Aebtissin stieg die Röthe in's Gesicht, Beatrix, Agnes, Claude hielten die Hände vor die Augen, schielten brav durch die Finger – jedes Schwesterchen braucht eine List, verstohlen hinzusehen. Zwar jede kennt seit langen Zeiten schon die Figur, weiß Namen und Gestalt – und die es noch nicht kennt, erräth es bald. – Doch fragten alle jetzt: Was soll das Ding bedeuten? Dies ist, sprach er, das Bild von allen Heiligen. Ich will euch das Geheimniß wohl erklären – wenn ich in diesen Raum die Herren hätt' alle malen können, wär's gescheh'n. Dies konnt' ich nicht, d'rum malt' ich gleich, wie ihr hier seht, den heil'gen Vater euch. U –. Das irdische Paradies. Eine römische gelehrte Dame war von einem Franzmann sehr entzückt; sie benahm sich, als sie ihm die Flamme ihres Herzens zeigt, sehr geschickt. – Wissen Sie, wo, nach der Meisten Sage, wohl das Paradies auf Erden war? Er, sehr weit entfernt, den Sinn der Frage zu vermuthen, brachte Gründe dar, stritt mit Macht, es läge in Chaldäa. – Lachend rief sie: Ei warum nicht gar? E nel mezzo poota mia! (In der Mitte meines Hafens.) U – . Die Liebenswürdige Einfalt. Climene ward durch zärtliche Gespräche, die ihrer Neigung schmeichelten, bewegt – geheime Glut ward rege – wer ließ wohl ungenutzt den schönen Rausch vergeh'n? Ihr Liebling drang in sie – und siegte. Kaum war sie zu sich selbst zurück; so fiel's ihr ein, daß sie die selt'nen Früchte der Liebe doch im süßen Augenblick, da er sie erntete, nicht g'nug vertheidigt hätte. Gleich deckt sie den entblößten Busen zu, und mit gesenktem Aug', mit sanfter Röthe auf ihren Wangen, die noch jeden Reiz erhöhte, sprach sie: Mein Gott, wie stark bist du! ***. Der Arzt der Gelbsucht Ein abgefeimter Schalk aus Niedernormandie nahm sich einst vor, ein Mädchen zu kurieren, er war ein Kenner, glaubte sie, zuerst in Paphos' Hain zu führen. – Sie war sehr bleich und gelb – dies hielt er für ein Zeichen der nie verletzten Ehrbarkeit, und um das Kleinod zu erschleichen, nach dem er lüsterte, verlor er keine Zeit. Er ging zu ihr – das Jüngferchen tat züchtig, die Röthe stieg ihr gar ein wenig in's Gesicht, als er im Anfang nur erst flüchtig, doch schmeichelhaft, von ihren Reizen spricht, dann kommt er auch auf ihre Blässe und Krankheit, die er sehr beklagt, rühmt ein Geheimnis, das er selbst besäße, von dessen Wirkung er viel Dinge sagt. Ein Inkarnat, noch schöner als von Rosen, soll stets auf ihren Wangen blüh'n, wenn sie dies Mittel braucht – und solcher großen Aufschneidereien mehr. – Wie wollt' ich mich bemüh'n, sprach sie, die Wohltat zu vergelten, gäb' jemand mir ein wenig nur davon! Man sollte mich nicht unerkenntlich schelten, was ich vermöchte, wär' sein Lohn. – Sie hielt auch Wort – der junge Herr curirte die gelbe Sucht und ward, eh' er's gedacht, belohnt – denn kurz darauf verspürte er das Geschenk, das sie ihn schon gemacht. ***. Das Glück kommt im Schlafe Sich vor der Glut des Sommertags zu bergen, warf sich Climene auf das Bett und schlief. Halb nackend lag sie da. Ja, ihre Reize! die strengste Keuschheit hätten sie verführt. Ihr Röckchen ließ in voller Freiheit sehen das schönste Kleinod – neidisch sonst bedeckt – den Mittelpunkt der Wollust und der Liebe – das Feu'r, das mich verzehrt, entspringt aus ihm. Ich sah sie hier, durchdrungen von Entzücken, die Furcht entfloh, Bescheidenheit verschwand, die schöne Schläferin umarmt' ihn feurig – und sie erwacht' bei diesem süßen Spiel. – Ha! rief sie aus, ha! wie bin ich so glücklich! ich mache, wie man spricht, mein Glück im Schlaf. * – P – *. Das Einpfropfen. Freund Morpheus! ewig preis' ich dich! du bist mir mehr, als alle Feen, du ließest meine Iris mich mit allen ihren Reizen sehen. So schön war Aphrodite nie, die Liebesgötter hatten Rosen und Lilien gepflückt, um sie zu schmücken und sie liebzukosen. Ich sah sie zitternd mir sich nah'n, ihr schönes Aug', wo Unschuld strahlte, sah nur auf mich – indeß ein Wahn von Schuld die Wangen höher malte. Mit abgemess'nen Schritten kam sie mit der ersten Morgenröthe fast nackt zu mir und schüchtern – nahm sie ihren Platz bei mir im Bette. Du weißt es, Lindor, sagte sie, daß Tugend mich und Unschuld leiten; ich schütze deinen Geist und sieh' – wärst du nicht artig und bescheiden, du würdest mir sehr wehe thun. – Sie hüllte sich in meine Tücher, gleich wie in Wolken ein, und nun glaubt' sie vor mir sich völlig sicher. – Wie gerne hätt' ich das Talent, hob sie dann an, mich auszudrücken, wie du – etwas, das man nicht nennt, läss'st du in deinen Reden blicken. Selbst die geringste Kleinigkeit wie groß in deinem Mund – man höret sie gern und glaubt dir allezeit, selbst dann, wenn uns dein Witz bethöret. O lehre mich die Kunst auch nur. – Gern, rief' ich, will ich dich erfreuen, zwar ist's die Gabe der Natur, doch kann ich sie dir auch verleihen. Gib mir auf einen Augenblick nur deine Zunge, daß die meine sie pfropft – und das verlangte Glück wirst du erhalten, liebe Kleine. Denn wenn man Zung' auf Zunge legt, wird diese Kunst inoculiret, und Iris, die nichts Arges hegt, ward so durch meine List verführet. Sie glaubte mir – ich pfropfte sie so gut, daß unbekannte Regung sie schnell durchströmt – die Phantasie setzt alle Nerven in Bewegung. Sie sprach nicht, doch befahl sie mir mit ihren seelenvollen Blicken aus dem gebroch'nen Auge, ihr das Propfreis tiefer einzudrücken. Sie lag wollüstig ausgestreckt, hielt fest und zitternd mich umschlungen – von Freuden, die sie nie geschmeckt, war itzt mein Mädchen ganz durchdrungen. So kam's, daß, eh' wir selbst gedacht, mich Amor mit der Myrthe krönte, die Liebende nur glücklich macht. – Dir, Königin von Paphos, tönte vereinigt unser Lob – du schienst, entzückt von unsem Dank, zu fodern, daß solche Opfer deinem Dienst auf deinem Altar immer lodern. Ha! weißt du noch? Als ich im Streit der Liebe just am stärksten kämpfte, sprach sie mit holder Frömmigkeit, die fast in mir das Feuer dämpfte: »Halt' ein, es blitzt!« Ja, weißt du noch? als sie – Ha! leider nur Chimäre ist all' mein Glück – ach wenn ich doch nur lieber nie erwachet wäre! Ich öffnete die Augen kaum, so war auch alles gleich verschwunden; was hatt' ich nun gethan? Im Traum, ach nur im Traum mein Glück gefunden. Der Sieger Lindor war nicht mehr, ein Träumer war's und ist die Klarheit vom Dunkel wohl verschiedener, als leere Träumerei von Wahrheit? X – Der Apotheker Am Markusplatz wohnt' eine schöne Dame – ein Apotheker ging vorbei: sie sah' s ihm an, daß er ein guter Schütze mit dem beliebten Bogen sei, von welchem nur ein Sinnbild Amors Bogen und weiter nichts. – Sie ruft ihm zu: Mein Freund, ich bin geplagt von einem Uebel, es läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh'. Bereitet mir doch ein Clystir und bringet, sobald Ihr könnt, es her zu mir. Er säumte nicht, der hübsche Apotheker, und fand zum Rendezvous bei ihr sich ein, jedoch sein gutes Glück nicht ahnend. Die Senatorin streckte sich Auf's Bette hin, und zwar in einer Lage, derjenigen ganz eigentlich entgegen, den der Dienst, den sie verlangte, erheischt – und als er stutzig ward, sprach lächelnd sie: ich nehme solche Mittel nie anders, als auf diese Art. Er faßte den Befehl, vollzog ihn pünktlich, und bracht' es ihr vortrefflich bei – denn diese Kunst bedarf wohl keines Lehrers. – Wie theuer dieses Mittel sei, fragt sie ihn nun. Es kostet einen halben Dukaten jedes. – O dafür hab' ich es ja gefunden – nimm den ganzen und gib sogleich noch eines mir. U[ngenannt]. Der Klosterarzt. Agathe kämpfte mit dem Tode; ihr Herz war zwar noch frisch, allein kein Saft im Körper mehr – es schwand die Lebenskraft dahin. – Ach, rief des Jammers Bote, ein Schüler Aesculaps – hier ist's gethan, das Uebel ist zu groß. – Zwar half der Mann, so gut er konnt' – und Cordiale, Decoct und Pillen, Minerale, nichts ward gespart – allein umsonst verschrieb er Medizin, Agathens Krankheit blieb. Man ließ zur Ader – man clistirte – vergebens. – Nun kann ich nichts weiter thun, sprach er, strich seinen Bart und führte sich plötzlich ab. – Ein and'rer folgt ihm nun, der war nicht klüger, als der erste; er sah der Krankheit wahren Grund nicht ein und schrieb Character auf. Das Mehreste, was er noch wissen mocht', war, im Latein fast jedes Uebel zu benennen, vielleicht auch, ohn' es selbst zu kennen. – Ein dritter kam, sehr kunsterfahren, sprach: Recipe den Lebensstamm, halt' ihn recht fest, man lass' ihn ja nicht fahren, und tu ihn dann – ihr wißt ja wohl – wohin – bis ihr genug von seinen Säften herausgezogen habt. Ihr werdet seh'n, dies wird euch Ueberfluß von Kräften verschaffen, und die Krankheit muß vergeh'n. – Wär' Aesculap – wär' unter allen den größten Aerzten einer wohl so klug? Agathe ließ sich's gern gefallen, zog Brustsaft aus dem Stamm – so viel genug, man wiederholt' es, und Agathe war bald geheilt. – Nach des Capitels Schluß und nach der Nonnen bestem Rathe ward unser Arzt dann Klostermedicus. ***. Der Domherr und die Magd. Ein Domherr ward bestürzt, als er bemerkte, daß seine Magd die Taille ganz verliert, die Rundung sichtbar sich verstärkte, und sie tagtäglich dicker wird. Er stieß sie ganz im Stillen aus dem Dienste, d'rauf bot sich ihm ein and'res Mädchen an, sie war noch jung und hübsch, und unser Mann fragt sie sogleich nach ihrer Wirthschaft Künste: Könnt ihr die Küche gut verseh'n? – Sehr wenig. – Waschen? – Nein. – Ihr trinkt vielleicht? – Bisweilen, doch man merkt's nicht leicht. – Doch Lesen, Schreiben werdet ihr versteh'n? – Nein. – Was verlangt ihr? – Hundert Thaler. – Sachte! Ihr seid bei meiner Treu' sehr fein; so ungeschickt, als eine nur kann sein, begehrt ihr den Gehalt – o sagt, wer machte Euch denn so klug? – denn auch die besten müssen mit zwanzig für das ganze Jahr sich gnügen. – Gut! allein Sie müssen wissen, mein Herr, ich bin auch unfruchtbar. ***. Die Schläferin Es harrte Thyrsis schon so lang' auf seines Schäferstündchens Schlagen, und er vermochte kaum den Drang, die Pein der Liebe mehr zu tragen. Zwar seiner Wünsche Gegenstand hatt' gleichen Hang zu süßen Freuden wie er, doch niemals überwand die Neigung die Bedenklichkeiten. Sie widersetzt sich ihm, weil sie befürchtet, daß sie ihn verlieret, da Strenge wohl die Untreu' nie, doch Nachsicht allzuoft gebieret. Indeß verzehret Tag und Nacht den armen Thyrsis die Begierde, er kann nicht widersteh'n und macht, damit er seinen Zweck vollführte, sich manchen Plan, er schlich zu ihr, fand sie auf ihrem Bettchen liegen, warf sich in ihren Arm und hier mit unaussprechlichem Vergnügen brach er das Röschen; und sie schlief, indem er dieses Opfer brachte, ganz ruhig fort – doch zornig rief sie endlich aus, als sie erwachte: O Thyrsis, hast du denn allein nur diese Lust genießen wollen? Du hättest nicht so sorglos sein und, eh' du's thatst, mich wecken sollen. U – . Der Irrthum. Drei Herren aus verschied'nen Ländern, aus Frankreich, aus Florenz und aus der Schweiz, befanden sich im Wirthshaus, allerseits etwas berauscht. – Nun war es nicht zu ändern, sie mußten alle drei mit einem Bett sich gnügen, denn eins war nur noch leer – man theilte sich darein – das Mittel nahm der Schweizer ein, und an den beiden Seiten liegen die andern. In der Nacht stößt den Franzosen der Schweizer fast zum Bett heraus. – Nicht seine Schuld, denn er ward selbst gestoßen. – So lieg' doch still, rief jener aus, ich kann mich länger kaum erhalten. – Sprecht nicht so laut, der Narr, mein Nachbar, hier, mag wohl für seine Frau mich halten; er hat im Traum jetzt seine Lust mit mir, ich lass' ihn seine Possen machen, er wird dadurch in seinem Wahn bestärkt; – wie wollen wir am Morgen beide lachen, wenn er dann seinen Irrthum merkt. ***. Die Schändung. Beim geistlichen Gerichte klagte einst einen alten Arzt ein Mädchen an, der ihr die Ehre, wie sie sagte, geraubt, und ihr Gewalt gethan. Sie bat, daß man ihn hängen sollte, wofern er sie nicht ehlichte. – Sie war ganz hübsch, stark, munter, jung und trollte so rasch einher, daß man sich wunderte, wie dieses möglich sei. – Ei! rief der Richter dann, habt Ihr Euch nicht gewehrt? – Wie konnt' er Euch bezwingen? Ihr seid so stark, er ein so schwacher Mann. Habt Ihr ihm nicht vor allen Dingen mit Euren Nägeln das Gesicht zerkratzt? – Mein Herr, sprach sie, zwar hab' ich Kräfte, wenn ich mich zanke, und bei ernsterem Geschäfte, doch wenn ich lache, nicht. G – r. Das garstige Ding. Die Schwester eines Pfarrers, fromm und züchtig, besorgte die Oekonomie für ihren Bruder. – Einst ging sie zu Markt, und sah – zwar anfangs flüchtig, doch lüstern bald, mit unverwandtem Aug' – dort einen Gegenstand, der sie frappirte, und dies war – eine Wurst – so schön geformt, daß auch die Tugend selbst ein Blick darauf verführte. – Sie sah sich um, ob Niemand es bemerkte, berührte dann mit einem Finger sie – die Scham stritt mit der Phantasie, allein der Reiz der Wurst verstärkte den Appetit nur immer mehr und mehr. Wenn sie nur etwas kleiner wär', sprach sie zu sich, ich muß mich schämen, ein solches Ding nur in die Hand zu nehmen, doch hätt' ich sie so gern. Was war zu thun? Sie nahte sich mit zweifelhaftem Schritte, nahm's Schnupftuch in die Hand, und nun packt sie sie muthig in der Mitte. Sie wagte nicht, die Augen aufzuschlagen, gab dem Verkäufer einen Wink, und frug mit Zittern und mit Zagen. wie theuer gebt Ihr denn das garst'ge Ding? O – . Der Trauring Der dicke Lucas stand mit Isabellen vor'm Pfarrer, der sie beide jetzt verband, und ihm befahl, nun seiner Schönen Hand das Kleinod, als das wahre Unterpfand des ehelichen Bandes zuzustellen. Er war auch gleich bereit, und holte auf der Stelle das Kleinod, das Natur ihm zugewandt, hervor, gab's seiner Braut, und Isabelle nahm es sehr züchtig in die Hand – denn Ehrbarkeit ist junger Mädchen Zierde – in diesem Augenblick schien Lucas sehr erfreut, doch dauerte sein Glück nur kurze Zeit. Der Pfarrer, den der Anblick sehr frappirte, rief zornig aus: wer sprach von diesem Kleinod da? den saubern Schatz mögt ihr nur gleich verstecken; seid nicht so dumm – den Trauring mein' ich ja, den sollt Ihr jetzt an ihren Finger stecken. – Nun war vielleicht der Schönen Finger zu dick, vielleicht der Ring zu klein, genug, es schien, als sollt's nicht sein, er stieß und stieß mit nicht geringer Bemühung, – doch umsonst, es ging an ihren Finger nicht der Ring. Auf einmal taumelt' er und wankte – da lag, eh' er sich's selbst versah, Freund Lucas sammt dem Ringe da, worauf der Pfarr'r von neuem zankte. O Tölpel, steckt man so ihn an? sprach er, nun macht ein Ende mit dem Dinge – die Galle steigt mir schon heran – welch ein verdammtes Zaudern mit dem Ringe. – Verzeihen Sie, sprach Lucas mit Erröthen, ich weiß es nicht, was mich verwirtt gemacht; ich sehe doppelt, doch die künft'ge Nacht steck' ich ihn blindlings an, d'rauf will ich wetten. U – . Der Triumph »So rührt dich nicht dein Freund, der zärtlich vor dir kniet? Soll er verschmachten – er, der doch für dich nur glüht? Soll er nur bloß der Liebe Marter fühlen Und nie das schönste Feu'r an deinem Busen kühlen? Erbarm' dich, Mädchen, doch, hör' auf zu widersteh'n, Der Zärtlichkeit Genuß macht dich gedoppelt schön. Versuch einmal den Rausch aus Amors Zauberbecher, Und find't dein Herz nachher nicht alle Wollust schwächer Als ihn, und schwimmt es nicht in nie empfundner Lust, So hüll' in dichten Flor stets deine Marmorbrust. O laß mich – laß mich doch der Wünsche Ziel erreichen, Laß mich in deinem Arm beglückt den Göttern gleichen. Wie lange bleibt nicht schon mein Bitten unerhört? Wie lang' hat nicht dein Nein der Hoffnung Glück gestört? Was hilft dir's, Göttliche, ein Kleinod zu besitzen, Ohn's nach der Schöpfung Zweck zu nützen? Umarme mich, komm und genieß' den Unterricht, Der Menschen macht und Lust noch mehr gibt, als verspricht. Sieh', wie dein Herzchen klopft, sein zärtliches Erbeben Mißbilligt Furcht und Zwang, es wünscht der Lust zu leben; Der Liebe Morgenglanz färbt deine Wangen roth, Und die Natur ruft laut: ›Gehorche dem Gebot, Das ich zum Glück euch gab.‹ – Laß nicht die Zeit verfließen, In meines Armes Schutz komm alles Glück genießen, Blüh, Rosenknöspchen, auf.« – In diesem Augenblick Schmolz Chloens Herz, sie sank in meinen Arm zurück. In halber Ohnmacht schön, von Liebe überwunden, Berauscht von einer Lust, die sie noch nie empfunden, Las ich ihr Ja im Aug', das naß, verschämt sich schloß, Als Kraft zum Widerstand wie Morgenthau verfloß. O könnt' ich doch wie Gleim, Catull und Wieland singen, Um Chloens Reizungen ein reizend Lied zu bringen! Was sah ich nicht, was hat nicht hier die Hand berührt, Eh' mich zu ihrem Werk die gold'ne Venus führt'! Ich hört' und sah ihr Herz durch's seid'ne Halstuch pochen, Und fühlte heiß'res Blut in allen Adern kochen. O Wollust! Liebe! Glück! o dreimal sel'ger Tag, Als Chloens ganzer Reiz in meinen Armen lag! Das blühendste Gesicht mit braunem Haar umzieret, Gebroch'ne Augen, und den Busen aufgeschnüret, Der schönste Arm und Fuß, ein Schenkel fleischig, zart, Im höchsten Ebenmaß mit einem Leib gepaart, Schön wie der Venus Leib, den Scopas ihr gegeben – Pygmalions Meisterstück, warm, voll Gefühl und Leben, Lag hier und war ganz mein. – An Chloens Lippen hing Die ganze Seele, die mit ihren Kuß empfing, Und lauter Wonne war: ich atmete geschwinder, Verhauchte Wollust, und doch ward das Feu'r nicht minder. In süßer Ohnmacht starb jetzt Chloe mir im Arm, Der Liebe milder Tau entfloß ihr sanft und warm; Bei sympathet'schem Schau'r, nicht mehr der Sinne Meister, Versammelten in Eins sich alle Lebensgeister, Die Augen brachen – wir erseufzten – und es floß Balsam in den entgürtelten Schooß. – – Des Knaben Wange färbt schon kindisches Entzücken, Wenn Mädchenfinger ihm vertraut sein Händchen drücken, Des Jünglings Götterlust, wenn nach dem süßen Zwist Die Muschel zuckend sich um ihren Liebling schließt – Auf Chloens heiße Brust halb schlummernd hingesunken, Durchsprühte mich ein Kuß mit neuen Wollustfunken, Und der gesunk'ne Speer, der in der weichen Hand Des Mädchens frische Kraft zu Streit und Siegen fand, Lief zu den Schranken dreust, bis Herz an Herz geschlossen, Vom Schlafe überrrascht, die Quellen nicht mehr flossen. Selbsthalterin fühlbarer Herzen, Urquelle süßer Lust und Schmerzen, Heil dir und Segen dem Altar! Dir, Göttin, der die Himmel singen Und Elemente Opfer bringen, Bring' ich mich selbst zum Opferdar. Wohl dir, wenn du mein Glück genossen, Als dich Adonis' Arm umschlossen, Und dein Arm ihn umschlossen hielt: Wohl ihm, wenn er die Wollust fühlte, Als er mit deinen Reizen spielte, Die ich in Chloens Schooß gefühlt. Mein Herz schlägt ewig dir erkenntlich; So wie die Wollust war, unendlich Dankt jede Nerve deiner Kraft: Du halfst mir Chloen überwinden, Du halfst der Wünsche Hafen finden, Dank sei dir für die Jungferschaft! Anonym [= Johann Georg Scheffner]. Erinnerung der Schäferstunden Die holde Glut, die selbst Cythere fühlte, Wenn ihren Hals Adonis' Arm umschlang, Wenn ihren Busen seine Küsse wärmten Und sein Reiz unter ihren Händen wuchs. Die Glut, von der die jungfräuliche Kälte Der jagenden Latonenstochter schmolz, Die ihr beim eingeschlaf'nen schönen Jüngling Sanft zurief: Wachend ist er schöner noch! Die Glut, die Amors stärkste Pfeile stählet, Oft auch zu kühn den Bogen spannt und sprengt, Die in den Myrtenkranz entzückter Liebe Das unschätzbarste Reischen steckt: Ha! möchte doch die Glut dies Lied begeistern! O Liebe! hör' des Jünglings heißes Fleh'n, Des Jünglings, der dich zehnfach mehr empfindet, Als einst Adonis und Endymion. Hör' mich, ich sing' die Freudenaugenblicke, Die ich an Chloris Busen schmachtend starb, Uns aus dem Springbrunn Aphroditens Ein Nektarstrahl in Chloris Grotte floß. Wie in dem Busen aufgeknospter Rosen Der Morgenthau, der an den Blättern hing, Zusammenfließt und dann im rothen Schooße Geschmolz'nen Perlen gleich ihr Roth erhöht: So hingen auch des fruchtbar'n Liebesthränen Hier um der Purpurmuschel weichen Rand, Und an dem seid'nen Moos, das sie umschattet, Und mehrten ihrer Farbe kostbar'n Reiz. Wohlthätige, lustreiche Augenblicke, Die Liebe und die Freude segne euch, Euch segnete die Unschuld, als mein Mädchen Aus ihrer Muschel mir die Perle gab. O Wollust, welch ein unaussprechlich Opfer Hat den Altar je reiner's Blut gefärbt? Stets denkt mein Herz der Unschuld sanfte Röthe, Ihr Zittern und des Opferstahles Kraft. O Chloris, bestes Mädchen, welch ein Opfer Bestürmt, erweicht durch meine Zärtlichkeit, Gabst du dein Kleinod hin. Ich brach das Röschen, Das jungfräulich im Schatten aufgeblüht. O feire mit mir, Mädchen, die Minute, Durch manches helle Thränchen theu'r erkauft! In ihr schlang Amors Hand den schönen Knoten, Der unser Wesen heiligt und vereint. Dem Tage Heil, am dem der kühne Amor Den ersten Pfeil in deinen Köcher schoß Und von dem selbstgezog'nen Stamme Ambrosia im Pfirsicherstling brach. Heil dir, o Tag, da ich den ganzen Umfang Von deiner Tugend sah, da mich dein Aug' Und seiner feinen Bogen selt'ne Schönheit Zu seufzen zwang: O wäre Chloris dein! Heil dir, o Tag, da ich zuerst dich küßte Und deines Busens Rosenknospen sah, Da ich des Heiligthums Altar berührte, Mit nie entweihten Locken tändelte. Heil dir, o Tag, da ich der Wangen Purpur Und Chloris Herz im Auge schmachten sah, Da bei der Zungen kitzelnder Berührung Aus Amors Traubenkelter Balsam floß. Heil dir, o Tag, sei Grazien und Musen, Cytheren selbst ein ewig Myrthenfest, Den Amor sang: Triumph! Triumph! und kränzte Sich sechsmal am Altar mit Siegeslaub. Feir', Mädchen, ihn, den Tag, da du aus Liebe Dich ganz zum Eigenthum mir zärtlich gabst. Er war des innigsten Vertrauens Ursprung, Sein Angedenken labt den Trennungsschmerz. O, Mädchen, ha! wie kochten meine Adern, Wenn deine weiche kleine Zauberhand Cupidens Scepter sanftverschämt berührte, Und er von Wollust wuchs und träufelte. O könnt' ich doch den kostbar'n Rausch beschreiben, Den ich zu deinen Füßen oft gefühlt, Wenn jeder neid'sche Vorhang aufgezogen, Und jeder Sinn entzückt befriedigt ward. Ha! welche Schätze blend'ten dann die Sinne! Der seid`nen lock'gen Haare Wohlgeruch, Der Milchsaft in der Muschel feinsten Falten, Wie Rosen unter Lilien gemischt. Wie zärtlich küßt' ich nicht die schöne Rose, Mein Mund sog Wollust für das Herz aus ihr; Wie freut' ich mich, wenn alles nach der Kelche, Nach balsamüberthauten Blättern roch! Wie dalt' ich nicht mit nachbarlichen Hügeln, Von Venus' Hand mit Atlas überkleid't, Die tausend buhlerischer Mädchen Busen An Farb' und Form und Glätte übergeh'n: Der Busenknospen Schattenbild, ein Purpurfleckchen, Sog ich zum neuen Schmuck einst jedem auf, Ihr Anblick schwängerte den Geist mit Wollust, Und ihr Berühren strömte Feu'r in's Blut. Fruchtbar bethaut von duft'gen Lebenssäften, Die über'n Rand der Muschel rieselten, Wuchs um das Grottchen der getheilten Kugeln Das Graswerk schattenreicher auf. An diese wollustreichen Edenshügel Gelehnt, erwart' ich dich, geliebter Schlaf. Besuche einst mich da, und bring' durch Träume Die wachend schon genoss'ne Lust zurück. Und wenn ich dann von dir gestärkt erwache, Dann küss' ich erst, mein Lieblingsnischchen, dich, Und wage dann, mit neuer Kraft gerüstet, Den Wettlauf um den Preis im Mädchenschooß. Dann, Mädchen, stell' dich dreust dem Speer entgegen, Mach seinen Sieg theilnehmend schön, Und lach' mich an, wenn nach des Streits Vollendung Du mich den Kampfplatz freundlich anschau'n siehst. Uns ich, ich trockne dann mit heißen Lippen Den Wollustreif vom heil'gen Haar dir ab, Und danke dir, wenn du den müden Liebling In Amors Wiege sich einschmiegen hilfst. O Liebe, immer neu und schön und mächtig, Wer spricht es aus dein unerschöpflich Glück! Wenn uns're Seelen in einander fließen, Sei jeder heiße Kuß dein Lobgesang. Anonym [= Johann Georg Scheffner]. Die Opferung. Du bist wie Paphia aus weißem Schaum geboren, Aus Muschelschalen stieg dein Leib so zart und fein, Die Perle aber ward aus ihrem Schooß erkoren, Des feinen Geistes jungfräulicher Stoff zu sein. Du gleichst Cytheren, wenn der Grazien Hand sie schmückte, Nur daß ihr Herz an Threu' lang' nicht dem deinen gleicht; Als ohne Gürtel sie dort Priam's Sohn erblickte, Ward ihr der Schönheit Preis im Apfel überreicht: Doch Paris hätt' ihn dir vor Cyprien gegeben, Hätt' er dich gürtellos, verschämt, wie ich, erblickt. Ein Kuß nach zärtlichem, unschuld'gen Widerstreben Auf Höhen, die ein rothes Beerchen schmückt, Ein Blick in's sanfte Thal, das diese Hügel schaffen, Und das an ein Gewölb' von Atlasglätte gränzt, Berauschen mich – ich fiel – da siegten Amors Waffen, Die er, des Siegs gewiß, mit Myrthen schon umkränzt. Da fing er mich im Netz, gewebt von jenen Bogen, Der Stirn' und Augen Schmuck, von lockigschwarzem Haar, Das duftend, weich, den Wollustthron umzogen, Und führt bezaubert mich zum heiligsten Altar; Aglaja hatte ihn mit selt'nem Fleiß erbauet, Und ihren Rosenmund beim Bau zum Riß gelieh'n, Nach zarter Lippen Roth, mit Nektar überthauet, Schuf sie kunstvoll den Rand, den Altar zu umzieh'n; Der Zunge, die der Witz beredtsam dort beweget, Glich hier ein Streif, der sich schmal und gefühlvoll bog: Dann winkt ein Vorgebirg', von Venus angeleget, Mit Moos bedeckt, das kraus sich um das Ufer zog. Am Fuß lag unentweiht die wunderthät'ge Grotte, Die Fleisch versteinern kann und Mark und Bein durchdringt, Wenn man in ihr dem Liebesgotte Das süß'ste Menschenopfer bringt. Ein Goldstrom rauscht aus ihr, der oft die Urne netzet, Wenn's Lachen kitzelnd sich zu inn'rer Lust gesellt, Ein Purpurbach, dem Fluth und Ebbe Luna setzet, Und dann der Thau, der nur in Schäferstunden fällt. »Hier,« sprach der Gott zu mir, »bist du bestimmt zu dienen.« Er sprach's und weihte mich zu seinem Priesterthum, Und Düfte, süßer als wie Lindenduft den Bienen, Entstiegen seinem Heiligthum. Nun fing ich an Altar und Grottwerk zu besehen, Kam an den schmalen Weg, vor dem ein Vorhang hing, Und stockte – selbst beim Wunsch, das Heil'ge durchzuspähen, Fiel schnell der Muth, mit dem ich erst zum Tempel ging. – »Verzagter, wie? kannst du dich nicht entschließen Zum Opfer? Jammert's dich?« schrie Amor voller Wuth – Da scheut' ich dann nicht mehr – der Vorhang ward zerrissen, Und aus dem Heiligthum, o Chloris, floß – dein Blut. Anonym. Ein lehrreicher Traum. Der Liebesgott, geschmückt mit allen Reizen, Erschien mir heut' im leichten Morgentraum, An seiner Hand ein loses braunes Mädchen: »Da«, sprach er, nimm die blühende Brünette, Küss' sie und drück' sie fest in deine Arme.« Ich that es, und wir sanken auf den Sopha. Wie schalkhaft lächelte der kleine Amor, Als er, gleich Wolken, die die Sonne decken, Den Kleidesvorhang von dem Sitz der Wollust hob. »Sieh her, dies ist der freudenreiche Becher, In den einst Bachus bei Ariadnen Den Nektar goß und einen Rausch sich trank: Betrachte dieses lockichte Gewebe; Der Venusgürtel ist von solchen Fäden, Betracht' des Laubwerks Kunst um diesen Becher, Und athme seine Balsamdüfte ein; So groß ist nicht die Kunst der heil'gen Schale, In welcher Hebe dort und Ganymed Uns Göttern des Olymps den Nektar reichen. Füll' den Pokal, den Grazien und Venus mit ihren Zauberflügeln schufen, Mit ihren Lieblingsfarben schmückten, Zum Labetrunk der Menschen weihten, Und den die Neuheit doppelt kostbar macht. Füll' ihn, wie Zeus ihn Danaen einst füllte, Als er im gold'nen Regen sie gewann, Und sei dabei entzückt wie Jupiter. Dies ist«, hier wies er seinen kleinen Scepter, Deß Allgewalt die Schäferin und Fürstin Erkennen, und der sie oft bis zur Ohnmacht rührt, »Dies ist der Heber, dessen wunderthät'ges Druckwerk Die Menschensaat zum Mutterschooße führt. Leg' ihn nur an den Rand der Nektarquelle, Ihr mildes Naß wird nie die Wege glätten, Und mischt sich gern mit seinem Lebensöl. Füll' lang' und fleißig Chloens Becher, Er öffne sich, wenn du dich durstig näherst, Wie Rosen, wenn sich West und Sonne nahen: Und wenn nach manchem Meisterzug aus ihm Ein kleiner Müdheitsschau'r dich überfällt, Dann küss' zur Stärkung Chloens Schwanenbusen, Schlürf etwas Wein aus ihrer Hand; Doch wenn vom Wein und diesem Stärkungskusse Die Lust zum Trunk aus meinem Lieblingsschälchen Nicht wiederkehrt, dann leg' dich hin und – schlaf.« Anonym [= Johann Georg Scheffner]. Denkzettelchen in Phyllis Schatzkästlein. Ohn' dir die weiche Hand, die weiße Brust zu küssen, Hab' ich dich, Phyllis, jüngst verlassen müssen! Für mich, o Mädchen, welch ein tiefer Schmerz; Auf deinen Lippen wohnt allein mein Leben, Wenn unter Küssen sich die Marmorhügel heben, Dann wallt vor Freude auch mein Herz – Bald werd' ich lange dich gar nicht mehr sehen, Dann wird vielleicht die Winterluft, Die dich zu Contretanz und Schlittenfahrten ruft, Die kleine Flamme ganz verwehen, Die Flamme, die zu meinem Glück In manchem schönen Augenblick Dein Herz noch wärmt – dann wird der Sommer meines Lebens Nur eine lange Klage sein, Dann blüht für mich der Lenz vergebens, Dann wird um mich ein ew'ger Winter sein! – Sieh, Phyllis, jene überschneiten Hügel, Sie luden uns, so lang' als Zephyrs Flügel Ihr grün Gebüsch durchwehte, zum Spaziergang ein. Doch jetzt umbrausen sie des Nordwinds Flügel, Die Büsche trauren blätterleer, Kein Sterblicher besucht sie mehr; Da steh'n sie jetzt verwaist die nachbarlichen Hügel – So werd' ich auch die Marmorhügel, Wo jetzt Empfindung wohnt und Rosenknospen blüh'n, Von weitem sehn, vor ihrer Kälte flieh'n. – O welch ein Gram für mich, wenn diese Busenhöhen Kein Lenz der Liebe mehr für mich umblüht, Wenn sie ein And'rer küßt, ganz ihren Reiz zu sehen, Den weißen Flor von ihren Schultern zieht! O Mädchen, laß doch nie von mir entfernt den Winter Dein Herz mit Eis für mich umzieh'n, Wenn du mich wiedersiehst, dann wall' dein Blut geschwinder, Und Liebe laß auf deinen Wangen glüh'n. Anonym. Billet an Dorchen. Wie lebst du Dorchen denn, du kleine Klosternonne, Hübsch fromm, und keusch, und still, und froh auf eig'ne Hand? Hat beim Spazierengeh'n dir nicht die Frühlingssonne Die weiße Haut schon sehr auf Stirn' und Hals verbrannt? Blüh'n deine Wangen noch wie junge Frühlingsrosen, In deren rothen Schooß kein Sonnenstrahl noch sah? Kommt auch kein Stutzerchen, vertraut dir liebzukosen, Mit gar zu freier Hand dem Busen gar zu nah? Hast du zur Einsamkeit dich ruhig schon bequemet? Bekommt die Landluft dir, macht dich das Landbrot fett? Hat Strick- und Nähzeug noch kein Fingerchen gelähmet, Und kräuselst du noch jetzt dein seid'nes Haar so nett? Wird auch der Busen dort so grausam eingeschnüret, Der Parasol, wie hier, nur bloß im Schrank bewahrt? Ist alles, was Natur an dir voll Reiz gruppiret, Und ich entzückt einst sah, noch fleischig, glatt und zart? Was macht das heil'ge Land, das jenes Thal beschattet, Um das sich Wohlgeruch, so wie um Ceylon gießt, Wo mit den Grazien der Liebesgott sich gattet, Und sicher, wie der Kern in Pfirschen, sich verschließt? O Dorchen, könnt' ich doch die süße Pfirsich küssen, Und in ihr Kämmerlein, wenn's tausendmal geküßt, Sein Pförtchen öffnet, gleich recht warm das Steinchen schließen, Das beim Gedank an dich nie kalt und dürre ist. O Dorchen, könnt' ich dich an dieses Herz jetzt drücken, An deinem Busen meines Glücks mich ganz erfreu'n – Wird auch kein And'rer je ein Pfirsichreischen pflücken? O laß doch Blüthe, Laub und Frucht für mich nur sein! Anonym. Trostgedicht. Bin ich dir denn nicht mehr, als eine ganze Welt, Als alles, was sich mit Grimassen Vertraut, und um dein Glück bekümmert stellt? So lang' die Liebe mir dein Herz erhält, Und deines sich in meinem Arm gefällt; So laß zu eig'nem Schimpf dich Thoren lästern, hassen: In ihren Adern fließt auch Menschenblut. Wie? hätten wir denn nur allein gesündigt, Und sie der Pflicht bei reicher'm Uebermuth Nie den Gehorsam aufgekündigt? Was meinst du, Mädchen? Spar' den Thränenbach, Aus Sehnsucht bloß nach mir laß deine Perlen fließen, Der Kummer macht das Herz nur doppelt schwach, Und läßt den Feind den Sieg zu leicht genießen. Bleib' heiter, wenn dich auch verstellte Lippen schmäh'n, Und dir dein kleines Glück beneiden. Daß Zephyrs Spiele dir die Haarfrisur verweh'n, Mußt du das nicht geduldig leiden? Allein dein Herz, das frag', ob es dich nicht verklagt, Ob da nicht Falschheit wohnt, ob da nicht Triebe lodern, Für die's dem sittlichen Gefühl entsagt, Und die nur Wollust zur Befried'gung fodern? Ob nicht der Wunsch, für jeden schön zu sein, Und jedem Jünglinge erorbernd zu gefallen, Sein Hauptwunsch ist? – O möcht' er's doch nicht sein! O möchte doch für mich allein dein Busen wallen! Gibt dir dein eig'nes Herz nur Recht, Und zwingt dich nicht, vor dir selbst zu erröthen; So wird der Neider schlangenartiges Geschlecht Sich einst mit eig'nem Gift zu deiner Rache tödten. Schwermuth macht nur die Rosenwangen blaß, Und welkt kernfeste Marmorhügel, Der Kummer und der Thränen salz'ges Naß Verdirbt der Augen Glanz, beschneid't des Geistes Flügel. Wein' nicht, denn Liebe war nie eine Frevelthat, Die Herzen ehrlos macht; nur dann entehrt sie Herzen, Wenn Unbestand und Leichtsinn und Verrath Mit ihren Flammen treulos scherzen; Wenn Lippen sprechen, was das Herz nicht fühlt, Wenn ihre Glut Entfernung tilget, Wenn buhlerisch zu frei das Auge spielt, Wenn jeder Kuß ihr Irrlichtfeuer kühlt, Sie jede Schmeichelei und jeden Handdruck bill'gt. Nur Eines Herzens Abgott sein, Nur Einen voll Gefühl ganz glücklich machen, Nur Einem jeden Raub der Zärtlichkeit verzeih'n, Der Wollust Altar selbst zu üppig nicht entweih'n, In Eines Armen nur die Welt verlachen; Das ist die Liebe, die die Welt umsonst beneid't, Die sie umsonst verläumdet und verschreit. Zwar lebt sie auch nicht ohne Zähren, Doch stets ist mild wie Balsam ihre Traurigkeit. Wenn deine Thränen doch auch solcher Balsam wären! Schmähsucht und Haß der Zeit sind keine Thränen werth, Laß keine mehr um sie den weißen Busen netzen, Stets glänz' die freie Stirne aufgeklärt, Sei stets vergnügt mit deinen Schätzen, Mit Schätzen, die dir die Natur, als sie dich schuf, Freigebig zugewandt; sei froh mit dem Beruf, Von mir geliebt zu sein, und mich zu lieben. Bloß die Idee, einst nicht mein Mädchen mir zu sein, Nur die muß deiner Freude Sonnenschein Mit einem Kummerwölkchen trüben. Denn der Gedank', nicht mehr von dir geliebt zu sein, Und mich vergessen, dich in fremdem Arm zu sehen, Der schreckliche Gedank' allein Reißt alle meine Freudenschlösser ein, Und kann jedweden Trost so leicht zerstreu'n, Wie Rosenblätterchen, wenn Stürme wehen. Kleine Wittwe, weine nicht, Und verhülle dein Gesicht Nicht so früh in des Kummers Schleier; Wenn des Lebens Morgen flieht, Und die Rose aufgeblüht, Dann verlöscht so der Freude Feuer. Sterben – freilich ist's wohl gut, Und wohl dem, der ewig ruht, Leben ist aber doch noch besser. Muth, mein Kind! denn Kampf und Streit Dämpft der Thoren Dreustigkeit, Und Geduld macht sie oft noch größer. Kleinmuth nur wünscht sich den Tod. Wider Haß, der jetzt dir droht, Mädchen, soll meine Glut dich schützen: Wenn dein Busen nicht mehr schlägt, Nichts mehr nach der Liebe frägt, Was kann da dir mein Beistand nützen? Anonym. Das Jahrfest des ersten Kusses. Schön, wie die blühende Natur jetzt ist, Da sie der Frühling lächelnd grüßt, So schön warst Du, mein Mädchen, an dem Tage, Als mir Dein Kuß auf meines Kusses Frage Die schönste Antwort gab – Dort schlägt die Nachtigal Im Weidenbusch im bachdurchschlung'nen Tal: Ihr unnachahmlich Lied singt Freude und Entzücken In's Herz, und doch dringt keiner Nachtigal Gesang So tief in's Herz, wie der Kuß drang. Verschämt, um einer Saat von Küssen auszuweichen, Bogst du, für mich zum größern Glück, Mit Mädchenheuchelei den Nacken schlau zurück – Doch konnten gleich den Mund die Küsse nicht erreichen, So fiel doch keiner auf ein undankbares Feld – Sie trafen in das Tal, wo Venus Courtag hält, Und auf die Hügel, die der Liebe Segen schwellt. Ein allgewaltiger's Entzücken Durchschau'rte mich, als ich in deinen Blicken Ein »auch ich lieb' dich« schmeichelnd las. Ha, Mädchen, deine Wangen blühten Roth, wie die Lippen, die vom Kusse glühten, Der Perlenreihen traf, die, wenn Dein Mund mir lacht, Und Amor dir in's Kinn ein Grübchen macht, Der Lippen Röthe herrlicher erheben Dem Lächeln neuen Reiz, den Küssen neu Kraft, Und deiner Huldgöttinnenschaft Das Meisterdrückchen der Vollendung geben. Schön ist der Mai in seinem Veilchenkranze, Wenn er für Grazien zum Reihentanze Gefilde schmückt, warm die mondhelle Nacht, Und liederreich den Morgen macht! Doch himmlischer, wenn er in Mädchenbusen Die Saat der Liebe streut, zum Keimen treibt, Und wenn des Jünglings Aug' an diesem Busen, So wie sein Herz gefesselt bleibt, Wenn er die weiße Brust dann wallen Und sympathetisch fühlen lehrt Und bei dem Brautgesang der Nachtigallen Des Jünglings Muth, des Mädchens Sehnsucht mehrt. – Hör', wie er träufeld rauscht, der Frühlingsregen, Sanft zittert unter ihm der Büsche neues Kleid; So, Mädchen, zittern deine Locken, wenn der Segen Entzückender wollüst`ger Zärtlichkeit Das Haargespinst des Rosenthals erfrischet, Und mit dem eig'nen Thau des Rosenthals sich mischet. Wenn mild der Wolken Schooß die Hügel übergießt, Dann wird der Rand der Thäler blumenreicher, Und auf dem Klee, der dichter sprießt, Ruht dann der Wanderer erquickender und weicher: Wenn auf den kleinen Höh`n in deines Thales Schooß Der Regen Amors fällt, so wächst das Moos Duftreicher, krauser um die heil'ge Grotte, Und wird zum netten Myrthenhain, Den nackte Grazien dem Liebesgotte Zum Vorhof seines Tempels weih'n; Und wo die ganze Schaar, wenn sie sich satt gegaukelt, Und wo Cytherens loser Sohn, Wenn ihn in seiner Mutter Phaeton Die muntern Spatzen müd' geschaukelt, Viel sanfter schläft und sich zum neuen Spiel Viel eh`r erholt, als auf dem federweichsten Pfühl. Himmelvolle Augenblicke, Wenn die Wärme heit'rer Blicke, Jüngling, deine Adern schwellt! Himmelvoll're, wenn der Segen Amors wie ein Perlenregen Auf's gespalt'ne Erdreich fällt. Wie aus dem tiefsten Schlaf und süß`stem Traumgesicht Des Jünglings Kuß sein Mädchen wecket, Wie dann, wenn's schönste Aug' halb Schlaf halb Wollust bricht, Er ihr den Arm sanft um den Nacken flicht, Das Nachtgewand verschiebt und Schönheiten entdecket, Die einst Romano' s Kunst so lebhaft traf; So küßt der Frühling auf den Winterschlaf Jetzt die Natur. Den dichten weißen Schleier Hat er ihr längst vom Busen abgestreift, Er athmet jetzt im blumichten Gewande freier: Der Mai, der sie mit Küssen überhäuft, Spielt mit dem Reiz, der ihm entgegen blühet, Und Zephyr, den ein gleich Gefühl Magnetischstark zur Blumengöttin ziehet, Mischt tändelnd sich mit in ihr Spiel. Steht denn der Natur und dem Mai Nur allein das Tändeln frei? Darf nur dies Paar zärtlich küssen, Busen sanft an Busen schließen, Und in Zärtlichkeit zerfließen? Mädchen, nein, die Tändelei Holder Glut steht uns auch frei, Auch wir dürfen zärtlich küssen, Busen sanft an Busen schließen, Und in Zärtlichkeit zerfließen. Hurtig komm in meinen Arm, Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder, Schleif sie auf die seid'nen Bänder, Komm und werd' in meinem Arm Wie die Sommerlüfte warm, Und laß uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen. Ich bin dein Lenz, ich bin dein Mai, Du mein Gefild' und meine Wunderblume1 1 , In Deinem Götterheiligthume, Auf Deinen Marmorhöh'n steht jede Tändelei Und jede Art des zärtlichsten Genusses Mir heut', am Fest des ersten Kusses, Unwidersprechlich frei. Hurtig komm in meinen Arm, Schlüpf sie ab, die Nachtgewänder, Schleif sie auf die seid'nen Bänder, Komm und werd' in meinem Arm Wie die Sommerlüfte warm, Und laß uns ganz in Zärtlichkeit zerfließen. Anonym [= Johann Georg Scheffner]. Fußnoten 1 Flos admirabilis von den Gärtnern genannt, hat weiße Blätter, den Kelchgrund dunkelroth, einen jasminähnlichen Geruch, und blüht nur gegen Abend auf. Sinngedicht aus dem Oven. Durch meinen muntern Fleiß gebar die Frau den Sohn, Und doch trägt jetzt ihr Mann den ganzen Ruhm davon: So wird der Honig nie der ems'gen Biene Lohn Ich ließ an meine Hand Chlorinden ehrbar trauen; Allein Amynt gewann die Liebe meiner Frauen: So pflegt der Vogel auch nicht sich das Nest zu bauen. Anonym. Die glücklich gehobene Besorgniß. Es war einmal ein Mädchen, aber wo, Das weiß ich nicht, der Ort ist längst incognito Vom Strom der Zeiten weggespület; Dies Mädchen, das man dort das schöne Fiekchen hieß, Hätt' man zu uns'rer Zeit gewiß Für Geld gezeigt, denn man bedenk' nur dies: Sie, die schon achtzehn Jahr' das schöne Fiekchen hieß, Hatt' noch kein Tröpfchen von dem Honigseim gefühlet, Den Adams Bienchen einst in Evens Zellchen trug; Und war dabei noch reich und klug, Und hatte Freier mehr als g'nug. »Wie ging's denn aber zu, war von den allen Kein Einziger gemacht, im Ernst ihr zu gefallen?« – Das nicht – allein weil sie mit aller Ehrbarkeit, Ohn' irgend an ein Aergernis zu denken, Jedweden, der sie bat, ihm Herz und Hand zu schenken, Treuherzig frug, wie groß der Finger sei, Der unentbehrlich ist zur Brautbetts-Nähterei? Und keiner, weil die Herr'n aus Freiers-Prahlerei Der Sache Maß und Ziel vergaßen, In ihren Fingerhut, den sie durchaus Nicht wollte weiten lassen, So recht nach ihrem Sinn wollt' passen, So wurde immer gar nichts d'raus. Wie wird nicht der Bedenklichkeit Manch sehr honettes Dämchen lachen, Das, salva fama jungfräulicher Schüchternheit, In solchem Fall wohl nie die mind'ste Bangigkeit Dem Bräut'gam merken läßt, ihn nicht timid zu machen. Doch Amor, der nicht eher ruht, Bis Mädchen Hand und Fingerhut Und alles ihm geopfert haben, Bracht' den Amynt auf eine List. Er meld'te sich Und sprach: »O Schöne, wähle mich. Dreifach hab' ich, was And're einfach haben, Und hoff' gewiß, die kleinste dieser Gaben Wird, wie für dich gemacht, so passend sein.« Sie nimmt die Zeichnungen in hohen Augenschein, Und wählt – hier hör' ich schon manch loses Mäulchen schrei'n: »Sie wählt Amynten, denn das Dreifach ist behäglich, Und solche Wahlgelegenheit nicht täglich.« Allein, Mesdames, mit Gunst gesagt, Nicht, weil das Dreifach ihr behagt, Nein, weil er fest ihr zugesagt, Sich ganz allein des kleinsten zu bedienen, Bloß aus der Ursach' wählt das gute Kind Sich ihn, und der gefällige Amynt Nahm auch den kleinsten nur von ihnen. Man fand ihn hübsch – der Fingerhut ward feucht, Und Fiekchen zischelte: » Den größeren – vielleicht, Paßt der wohl auch. « – Er nimmt den Mittelfinger, Und kitzelt frisch den Liebeszwinger; Und aus natürlicher Erkenntlichkeit Macht sich das Ringchen ziemlich weit. » Ach Bester! seufzt sie jetzt, dir kann ich nichts versagen, Wenn dir's gefällt, so magst du auch den größten wagen. « Kaum sprach sie es, so steckt' er schon im Ziel, Erregte aller Sinnen Mitgefühl, Drang eifrig durch bis fast zum Herzen, Und Wollust half die Mannsgewalt verschmerzen, Mit der er jeden Weg zum Innern auf sich schloß, Als sich sein Balsam, der wie Milch und Honig floß, In Fiekchens Rosenwunde goß. Das durch und durch gutherz'ge Kind zerfloß Und starb beinah' vor Lust; doch bald von neuen Flammen Erweckt, erweitert g'nug vom warmen Balsamstrahl, Und weil auch überdem die Wahl Nur selten glückt ohn' viele Qual, Sprach Fiekchen leise: » Ach, Amynth! ach! noch einmal, Und wenn du kannst, bind' alle drei zusammen. « Anonym. Der klügste Rath. Petron sah jüngst voll Lüsternheit Gewandlos Sylvien im Bade: Was sich ein Mädchen sonst zu zeigen scheut, Das lag da vor ihm en parade; Hals, Schultern, Busen, Wade Sah er; und wer das sieht, bekommt auch mehr zu seh'n, Und was er sah, war schön, zum Küssen schön. Nur aus Petrons vertieften Blicken Sprach Mißmuth und Verlegenheit, Er sah mit unentschloss'nen Blicken, Selbst bei dem sanft'sten Händedrücken, Bald rechts auf's Bein wie Schnee, bald links auf's weiße Knie. Für jedes fühlt' er Sympathie, Und doch nicht Kraft zur Wahl. – Mit heimlichen Entzücken Sah Sylvia Petronens innern Streit: » Was fehlt dir Kind? Wozu denn die Verlegenheit? Willst du «, sprach sie, » daß ich entscheide? So thu' das Sicherste, damit Keins Unrecht leide, Und leg' dich hurtig zwischen Beide. « Anonym [= Johann Georg Scheffner]. Die Schöpfung des Weibes. Des Weibes Schöpfung zu vollbringen Ist wahrlich keine Kleinigkeit, Dem Schöpfer selbst wollt's nicht gelingen, Es setzt ihn in Verlegenheit. Es wurden Preise ausgeschrieben, Für brave Künstler weit und breit; Da kamen bald der Meister sieben, Die waren wohl dazu bereit. Wer waren diese? Der Müller, weiß bestäubt die Kleider, Der Tischler, Gerber kamen an, Der Schlosser und der dürre Schneider, Der Fleischer und der Zimmermann. Das Werk ward fleißig nun betrieben, Und stand in kurzer Zeit vollbracht; Nun fragt es sich, we von den sieben Das Meisterstück daran gemacht? Der Müller? Er baute schlecht, denn in der Mitten Ist oft an Wasser große Noth, Bald fließt es dünn, trotz aller Bitten, Fließt es bald weiß und auch bald roth. Der Schneider? Er hat kein Knopfloch an der Falte, Und keinen Knopf daran genäht, So daß die vormals kleine Spalte Stets größer wird und offen steht. Der Zimmermann? Er hat das Lustschloß in der Mitte Dem Abtritt gar zu nah' postirt, So daß man gleich beim ersten Schritte Zur nächsten Thür sich leicht verirrt. Der Schlosser? Zwar künstlich ist sein Werk gediehen, Die Arbeit ist sehr zart und fein, Allein, was hilft denn sein Bemühen, Ein jeder Schlüssel paßt hinein. Der Fleischer? Er ist vor Allen anzuklagen, Denn er verstand das Salzen nicht, Weil in den heißen Sommertagen Das liebe Fleisch gar übel riecht! Der Tischler? Dies ist der Meister von den sieben, Er hobelte das Ding sehr fein, Gar oftmals kann hinein man schieben, Und reißt sich keinen Splitter ein! Seid Ihr schon fertig, sprach der Gerber, Und lachte höhnisch hinterdrein: Das Nöthigste ist ausgeblieben, Die Appretur wird nöthig sein. Die kann ich nur allein der Grotte Durch meine Gerberkunst verleih'n, Elastisch weicht sie nur dem Gotte, Gleich viel, ist groß er, oder klein. Jetzt ist das Dingchen ganz vollendet, Nun kann die Arbeit vor sich geh'n, Und wer den Lebenssaft verschwendet, Wird den Priap nicht ungern seh'n. Anonym. Die Frage. Was mag das für ein Ding wohl sein – Sprach Röschen einst im Kämmerlein – Was hier in dies Ding kommt hinein? Und mit der Finger zarter Hand Hob sie das zierliche Gewand, Bis sie entblößt am Bette stand. Sie fühlte forschend hin und her In ihrem kleinen Wonne-Meer, Sie fragte abermals und wieder, Sie legte zitternd sich danieder, Und wie vom Blitzes-Strahl gerührt, Als sie allein sich sah, verspürt' Sie plötzlich – ach – das Schönste aller Schönen Und rief erröthend und mit Sehnen: Wie kann die Zeit man schöner sich vertreiben, Ich will nun vor der Hand beim Fragen bleiben! Anonym. Die gute Diät. Charlotte hatte ihrem Arzt gesagt, Daß ihr das Liebeswerk des Morgens mehr behagt, Allein gesünder sei's, des Abends sich zu pflegen; Nun will sie aber mit Bedacht Es täglich zweimal thun: Des Morgens, weil's Vergnügen macht, Des Abends der Gesundheit wegen! Anonym. Der Wind. Ich ruhte einst in Lina's Lilienarmen, Sie duftete balsamisches Gewürz. Auf einmal, mag der Himmel sich erbarmen, Erschreckt' ich ihr Gemüth durch einen F – z. Drei Jahre floh'n, ich sah sie oft indessen, Sie blühte lieblich, wie der junge Mai, Ich bat sie immer: »ja nicht zu vergessen, Daß es ein Seufzer nur gewesen sei! Ein Seufzer, der mich schon im Herzen quälte, Als sie in meiner Seele Raum gewann, Und der vielleicht den rechten Weg verfehlte, Und sich nach hinten zu verirrte dann.« Mit Zittern hielt ich ihren Arm umschlossen, Sie blieb bei ihrem fürchterlichen »Nein! Du hast der Lieb' das Lebewohl geschossen, Und kannst nicht fernerhin mein Ritter sein.« Dies grämt mich tief, dies bringt mich noch zum Rasen, Dies wird der Nagel noch zu meinem Sarg, Die Liebesflamme ist wie ausgeblasen Von einem Wind! Das ist doch gar zu arg! Was war denn mein entsetzliches Verbrechen? Ich sprach die freie Stimme der Natur, – Dies kann der Bettler und der Fürst aussprechen – Warum mißfiel's der holden Schönheit nur? Galt ihr mein Herz, das liebende, zu wenig? Bin ich's allein – f – zt nicht die ganze Welt? Sowohl der Kaiser f – zt als auch der stolze König, Wie der Minister und der Kriegesheld. Läßt nicht der Bauer seine Winde knallen, So wie der Bürger und das edle Roß? Sie tönen selbst bei kleinen Nachtigallen, Und liegt vor meiner Pforte denn ein Schloß? So knüpft das Schicksal oft an Kleinigkeiten Ereignisse bedeutungsvoll und groß, Die allerwichtigsten Begebenheiten; Durch einen Wind bin ich mein Mädchen los! Anonym. Romanze. Abend war's, ein Jüngling ging spazieren An des Baches lieblich kühlem Strand. Sieh'! dort drüben, recht wie ihm zum Trotze, Winkt' ein Mädchen ihm mit ihrer Fi – Fa – Flötenstimme Und sein Herz entbrannt' im wilden Grimme, Weil er nirgends eine Brücke fand. Bat vergebens sie, den Weg zu zeigen Ihm zu ihrer dichtverwachs'nen Burg, Die ihm winkt in der Gebüsche Kranze; Doch kaum droht er ihr mit seinem Schwi – Schwa – Schwerte, Als sie gleich auf seine Worte hörte, Und sie führte freundlich ihn hindurch. Traulich kosend küßt' er voll Verlangen Ihren kleinen zarten Rosenmund, Freute sich des Minnelohns nicht wenig, Ach ach! sie hat den rothen Ki – Ka – Korb verloren, Ist der Himmel gegen sie verschworen? In dem Korbe war ihr Schlüsselbund. »Liebes Mädchen,« sprach er, »laß uns eilen, Leg' dich nieder auf den Blumenflor, Sieh' dort lauscht schon Amor mit dem Köcher.« Und sein Pfeil fliegt in der Schönen Li – La – liebeglühn'de Herzen. Aber ach! auch nicht ohn' herbe Schmerzen Zieht er aus der Wunde ihn hervor. Ach, so wahr, so wahr hast du gesprochen – Hob des Mädchens traurig Flüstern an – Mancher kam zu mir durch Schilf und Strüppen, Aber Manchen faßte auch der Dri – Dra – Dreizack der Tritonen, Die dort unten in der Tiefe wohnen, Und ihn reute schwer, was er gethan. Ach! gesund ist Mancher hergezogen, Schwer getroffen mied er diesen Strand, Doch, o Jüngling, du sollst mich beglücken, O so komm, ich lass' mich von dir fi – fa führen. Amors Schlüssel läßt sich nicht verlieren, – Und sie führt' ihn in's gelobte Land. Anonym. Prosaischer Theil. Die Preisbewerbung Die Preisbewerbung. Eine Kunstnovelle. Ein reicher Kaufmann in B. hinterließ drei Töchter, und bestimmte in seinem Testament, daß diejenige Universalerbin sein solle, welche nach Jahresfrist vor dem versammelten Rath die höchste Kunstfertigkeit an den Tag lege. Das Jahr verfloß und die drei Damen erschienen vor dem Rathe, der in plenibus membris versammelt war. Die erste derselben hatte das ganze Trauerjahr darauf verwendet, ihrem Urinstrahle eine kunstvolle und kräftige Richtung zu geben; – sie präsentirte mit großem Anstande eine Nähnadel mit einem unendlich feinem Oehre – und, o Wunder über Wunder! sie lenkte den sprudelnden Urin durch dieses Oehr vor Aller Augen mit solcher Gewandtheit, daß kein Tropfen weder rechts noch links vorbeilief. – Sodann ließ sie einen Tisch bringen, stellte diesen mitten in den Saal und sich darauf. Eben hatte sie bewiesen, was zarte Kunst vermag; aber jetzt, indem sie mit kräftigem Strahle die dicken Fensterscheiben zerschmetterte, und diese Feuchtigkeit fontaineartig über die Versammlung ergoß – da zeigte sie, was Ausdauer und Muskelkraft leisten können! Unter stürmischem Applaus trat sie ab. Die zweite der Schwestern hatte mit deutschem Eifer und wissenschaftlicher Tiefe danach gestrebt, ihre Winde nach Willkür und nach den Regeln der Kunst zu lenken. Fünf Haferkörner nahm sie, blies solche zur unglaublichen Höhe, schnappte sie wieder, und trieb lange das bezaubernde Spiel des kunstgeübtesten Jongleurs. Zum Schlusse blies sie (auch von hinten) mit außerordentlicher Präcision und mit tiefem Gefühle das alte Lied »Blühe liebes Veilchen«. Stürmisch wurde davon ein da Capo begehrt – und hingerissen intonirte die ganze Versammlung. Die dritte erschien und präsentirte eine dicke Lambertsnuß. Diese legte sie auf den schönen Leib, schnellte sie mit solchem in die Höhe, fing sie wieder, ließ sie tanzend nach vorn und hinten, nach oben und unten laufen – in der Grotte ruhen und in der Narbe weilen! – Lange trieb sie es so, bis sie endlich solche vorn knackte, den Kanal entlang nach hinten laufen ließ – und von diesem Punkte aus dem regierenden Bürgermeister mit Würde und Grazie überreichte. Nach langen Debatten wurde der letztern der Preis zuerkannt. Situation und Erstürmung der Festung Haarburg. Dieser weltberühmte Ort liegt im sogenannten Bauchthale zwischen zwei waldigen Hügeln in einer gar feuchten und morastigen Gegend, ist mit einem lebendigen Wassergraben versehen, welcher zuweilen einen röthlichen Schein hat. Das dabei liegende Hinter-Kastell ist mit allerlei Bomben, Granaten, Kunsträdern, Pallisaden und Schwärmern angefüllt, auch weiterhin durch eine Lehmgrube geschützt, so daß der Feind keine Lust haben kann, von dieser Seite zu approchiren oder zu stürmen. Die vielfach vorhandenen Plane über diesen Ort überheben uns der weitern Explication, und wir ertheilen hiermit die Disposition, wie es bei der Attaque der Festung Haarburg bis zu ihrer Uebergabe gehalten werden soll. §. 1. Das Obercommando übernimmt der Herr General-Lieutenant von Zebedäus, dessen Kriegserfahrung und Tapferkeit sich längst ehrend bewährt hat. §. 2. Zur vorläufigen Recogniscirung begibt sich der Major von Mund nach Kußdorf und erstattet dem Herrn General genauen Bericht über die starken und schwachen Partieen der Festung. §. 3. Bei befriedigendem Rapport begibt sich der Oberst Krabbel nach Piezendorf, Bauchberg und von da auf die Nabelschanze, untersucht mit Behutsamkeit die hintere Bastion und die in dieser Gegend gelegene Lehmgrube. Sodann recognoscirt derselbe die in der Nähe der Festung liegenden Moräste und tiraillirt mit seiner Mannschaft in dem diese Sümpfe umgebenden Laubholze. §. 4. Sodann avancirt der Herr General in Begleitung des Majors von Sack und zweier Vierundzwanzigpfünder nahe an die Festung. Der Major nimmt seine Stellung zwischen der Wind- und Wassermühle. §. 5. Nachdem der Herr General durch die Waldungen und Sümpfe gedrucngen ist, kommt der Oberst Krabbel über Nabelsdorf und Bauchberg mit fünf Bataillons leichter Infanterie zum Succurs und unterstützt den Herrn General mein weiteren Eindringen in die Außenwerke. §. 6. Da die durch diesen Angriff entstandene Bresche sehr enge ist, so muß Alles mit der größten Hitze und Geschwindigkeit ausgeführt werden, damit man sich nicht unverrichteter Sache zurückzuziehen braucht. §. 7. Sobald der Herr General den verdeckten Weg passirt hat und in die innern Werke eingerückt ist, gibt er eine Generalsalve, welche vermuthlich aus dem Innern der Festung und vielleicht auch aus der hintern Bastion beantwortet wird. Sodann setzt sich das ganze Corps in Bewegung, um den Gegenarbeiten des Feindes, der bei solcher Attaque das Aeußerste thut, die Spitze zu nehmen. §. 8. Nach glücklicher Einnahme wird die Festung mit Schonung behandelt. Dem Herrn General wird gestattet, kurze Zeit in derselben auszuruhen, – der Major von Sack zieht sich aus der Nähe der Wassermühle etwas abwärts in die Gegend der Windmühle und der gedachten Lehmgrube. (L.S.) Der General-Stab. Klagelied eines Verkannten Klagelied eines Verkannten (des Hintern). Obschon ich beständig unter Euch lebe, so bin ich doch nicht nach Würden von Euch erkannt, ich bin ein Opfer der Vorurtheile und des Undanks und seit meiner Geburt vom launenhaften Schicksal verfolgt. In meinen früheren Jahren, als ich mich noch öffentlich zeigte, erfuhr ich viele Mißhandlungen, nachher wurde ich verurtheilt, vor den Augen der Welt zu fliehen, und erscheine seit Jahren nie ohne Maske. Ich könnte mit dem Alter meines Geschlechtes prahlen, welches in's graue Alterthum hinaufreicht. Eine originelle Familienphysiognomie, die sanfte eigenthümliche Bauart meines Mundes documentiren die Aechtheit meiner Abstammung zuverlässiger, als der beste Stammbaum. Durch mich sitzen Könige auf dem Throne, – ich bin Zeuge jeder Schlacht, und wehe dem Heere, wo man mich dem Geschütze des Feindes Preis gibt. Ich bin das Organ, wodurch ehemals die Kriegsheere disciplinirt wurden und habe das Vorrecht, gleich den Granden erster Classe in Gegenwart des Königs bedeckt zu bleiben. An den höchsten Gerichten habe ich meine feste Stelle, und wenn auch bei den Abstimmungen (als Assessor sine voto ) keine Aeußerung von mir begehrt wird, so muß doch Jeder anerkennen, daß auf mir die ganze Sitzung beruht. Wohl weiß ich, daß mich Einige der Windmacherei beschuldigen, aber wer mich näher kennt, wird mir bezeugen, daß ich in dieser Hinsicht nur das Organ meiner Obern bin. Fern von Prahlerei und Eigenlob, ziehe ich es vor, wenn ich mich möglichst geräuschlos äußern kann, – ja ich liebe es selbst, wenn ich in diesem Falle der Kritik schnöder Recensenten entgehe. Prahlerei und Eigenlob stinkt, das war von jeher der Wahlspruch meiner Familie! Aber die Ungerechtigkeit der Welt zwingt mich, endlich die Bescheidenheit zu verletzen, – denn kaum sollte man es glauben, bei allen meinen Verdiensten schämt man sich meiner im öffentlichen Leben. Niemand kann läugnen, daß ich ein sehr angenehmer Gesellschafter bin, denn Jedermann würde mich entbehren, – und wenn ich auch, da mein Beruf von jeher ernst und häufig sauer ist, weniger durch Witz selbst glänze, so bin ich doch die Ursache, daß Andre witzig werden und häufig der Gegenstand der interessantesten Conversation. Ich bin der beste Kerl von der Welt, aber im Punkte der Ehre sehr kitzlich, und Niemand hat sich noch rühmen können, daß er mich bei der Nase herumgeführt habe. Ich bin im höchsten Grade verschwiegen, denn ohne davon zu reden, bin ich häufig Zeuge von stillen Freudenfesten, die in meiner Nachbarschaft gefeiert werden, und wovon ich weiter keinen Genuß habe, als daß man ab und zu liebkosend meine Wangen streichelt. Jeder Große geht, so lange ich mit ihm und seinem Diener allein bin, vertraulich mit mir um, und es wird dann sehr gut aufgenommen, wenn ich ein Wort frei von der Brust weg rede. Aber in Gegenwart eines Dritten bin ich zurückgesetzt, man kennt mich nicht, man hält es für unpassend, meinen Namen zu nennen, und rümpft die Nase, sobald ich meine Gegenwart nur leise merken lasse. Mit den größten Monarchen stehe ich in Verbindung, und doch hält sich der geringste Bettler für beleidigt, wenn ich ihn zu Gaste lade. Ich correspondire mit allen Gelehrten in der Welt, und doch war noch keiner so artig, mir ein Buch zu dediciren, obschon ich als Beförderer der Literatur auf sehr viele Journale subscribire, im Verlauf der Zeit mir aber fast alle aneigne. Wollte ich den Mund schließen, wo blieben unsre Morgen-, Moden-, Abend- und Amtsblätter, und vor Allem unsre Schöngeister, die von der Geburt an auf mich, ihren Pfleger, schauen? Die Welt stürbe aus, wenn ich nur vier Wochen meine Functionen einstellte. Ich begleite den Menschen von der Wiege bis zum Grabe und beweine oft mit blutigen Thränen die Thorheiten des männlichen Geschlechts, – trotz dem ist man ungerecht gegen mich – nur der Trost bleibt mir, daß selbst keiner meiner geheimsten, leisesten Seufzer ungerochen bleibt! Anonym. Unterthänigstes Bittschreiben Unterthänigstes Bittschreiben, wegen zu mir hinten lecken sagender und meiner Frau untern Rock gegriffener Injurienklage. Als ick verwichnen mit meiner weiblichen Hälfte vont Kindtofen welches die Jungfer Pifken gehalten, wo alleben die 18 Studenten die bei ihr nach un nach uf Schlafstelle gelegen, mit betheiligt waren, zu Hause jung, drückt mir ein Familienbedürfniß, von wegen einem in irgend einem, diesen Ort nicht zu verunreinigenden dusternden Kellerhalswinkel hinzusetzenden Wächter. Da ick nu diesem mir immer näher werdenden Gefühl als Maurerpolier trotz meinen neuen Lederhosen nicht länger widerstehen konnte, sage ick zu meiner Ollen: Hulda sag' ick: die saure Kaldaune und der Flaummermuß wollen sich mit de Weißhalbier nicht vertragen, ick krieg' Instanzen in'n Unterleib. Dadruf gibt mich Hulda eenen Kuß un sagt: Luderken halt an dir bis zu Hause, oder laaß eenen fahren, da wird dir lichter ums Herze werden. Hulda sag' ick: uf die Brücke tret' ich nich, erstens muß ick befürchten das ick mir meine neuen Lederhosen ledire, zweitens, muß ick nach dem eben mir gewordenenen Unterleibskniff gänzlich uf'n Durchfall gesammelt sind. Da gibt mich meine Hulda abermals een Kuß, des heeßt uf de Mütze, weil ick von wegen meinem Bedürfniß schon ganz krumm stand, un sie im Finstern meine Visage verfehlte, un sagt: Na denn Luderken zieh blank, ick were indeß sachte wegdämeln, un wer bei Treu und Nuglischens Ecke uf dir warten. Eene hochlöbl. Behörde wird am besten beurtheilen können, was das heeßt, wenn Enen scheißrich zu Muthe ist, ick renne also in meine Herzensangst an de Seite, setze mir unter ein Schild, wo gerade frische Wurscht druf stand, un wollte besagten mir angetroffnen unvermeidlichen Dinnschiß so sachte mir vom Leibe zu schnurzen suchen, als ick durch eene unwillkührliche A-backenwiedersetzungsdrängelei uf die freudige Vermuthung kam, daß es nich der von meiner Hulda vorhergefühlte Dünnschiß war, sondern ick mir ungeheuer dick zu dremeln schmeichelte. Eene hochlöbl. Behörde selbst würde diesen Ausdruck nicht beschreiben können, der mir in diesem Augenblick mein Herz un meine Seele, als Maurerpolier, mit dem schönen Bewußtsein alles für's Vaterland hingegeben zu haben, erleichterte. Noch war ick ganz in diese Dremelei versunken, bei mir selber denkend, »alles ist vergänglich, selbst saure Kaldaune!« bemerke ick in der Ferne een geiles Gemurmel, un mein geliebtes Weib »Schweinehund« schreien hörend, war das Werk eenes eenzigsten Monuments. Vorerst bezieh ick das Wort vor mir, an mich, als angehend für meine Person, daß ick meine, det se mir meint, un ruf noch freundlichst zu: Herzeken verzieh dir noch eene halbe Secunde, 's liegt blos noch an de Hosen. Als Hulda abermals schreit: Rupsack, was ist denn das für ein gemeines unterm Rock gegreife! Wie ick aber meiner Frau ihr rupsäckiges untern Rock gegreife höre, flieg' ick mit meinem Verhältnis als Maurerpolier, und ihr zu setzender Ehemann, hin an die von greifende schreiende Stelle, un sehe, weils stockfinster war, blos ein'ge dunkle Leute in braunen Ueberröcken, welche sich mit meiner Hulda befaßten. Ick trete rann un sage: Ew. Wohlgeb. haben 'n Dreck hier zu greifen! den Dreck verschluckt ick aber 'n bisken, det es nich gleich zu grob klung. Meine Hulda reißt nun ihre Schnauze ooch uf, un sagt: ach wat wirscht de da ville Cumplemente machen, laaß 'n Kerl aretiren; ick fass' ihm also bei de Brust un er faßt mich bei meine Nase; bei dieser Fassung wurde mich denn durch denn Geruch seiner Finger die vollkommenste Ueberzeugung, daß er meiner Hulda bis in das innerste ihres Geschlechts gegriffen hatte. Zu gleicher Zeit spürte ich ooch eenige unterirdische Haare in seine Faust, dadruf erst war es mein fester Wille ihm eine Ohrfeige zu leisten, worüber er mich aber zuvorkam un mich eene sendete. Der Nachtwächter Leckmus vom Schinkenplatz vermengemußt sich in diesen Wortwechsel, un was so 'nn Mann zu sagen hat, in de Nacht, daß weeß ick zu gut, um nich gleich Pech zu geben, aber ick konnte doch unmöglich meine Hulda stechen laaßen, welche Leckmus eben abführen wollte. Ick trete rann und sage ganz pastetisch zu Leckmusen. Edler Leckmus sage ick, ich weiß Sie sind unbestechlich, alleene aber hier sind 2 Silbergroschen, laaßen Sie Enen gehen, dadruff äußert Leckmus' blos 2 Silbergroschen dadervor kann ick nich, un wenn Sie mein Bruder wären, Sie globen woll, daß ick meine Arrestanten gestohlen habe. Nun bemeisterte mir als Geselle de Verzweiflung, un ick sage: Jut Leckmus verarrestiren Sie uns, denn nie werde ick zujeben des ick mit Hulda'n auseinanderseparirt werde, un so wurden wir in eener dustern Stimmung nach de neue Marktwache gebracht. Der wachthabende Officier, een edler Menschenfreund son Neffschandell, nahm erst Hulda'n ganz alleine vor, ick wurde gespunnt, un lag nu mit meinem Schmerz un meinen neuen Lederhosen uf eener darniedergebeugten Pritsche. Nach eener Zeitentfernung von 2 Stunden stand Hulda höchst angegriffen vor mich, un sagte: Luderken meine Flehung hast det zu verdanken, daß mich der Herr Neffschandell hat Gnade zufließen laaßen, erscht wollt' er mir ufbieten, alleene aber det wär der erschte Offcier mit dem ick nich fertig geworden wäre, wir können nun gehen un unser Recht weiter suchen. Dadruf jungen wir ab. Diese Begebenheit crepirte mir aber in mein Gemüth mehr wie ochsig, denn warum? 1) bin ick in meinem Verhältniß als Maurerpolier immer een Mann, der uf den Namen Mensch einen Anspruch sich schmeichelt, desselbigengleichen meine Frau ein Gegenstand ist, die was uf sich hält, wie ooch die ganze Wache beweisen kann; deshalb bitt ick ein wohllöbl. Pupillenkollegium um Rache, an diese Greiferei von meine Frau zu nehmen. Der greifende Theil ist ein Handschuhmacher-Gehülfe gewesen, welcher sich damit entschuldigt, indem er sagt: er hätte sehen wollen, ob sich meiner Frau ihre Contenance zu einem Fausthandschu umarbeiten laaße, daß is aber dehmlich von dem Menschen, denn wenn er ooch wirklich, was ick nich bestreiten will, 4 Finger vorne mit Bequemlichkeit rinn kriegt, wo will er denn den Daum laaßen, er müßten ihr gerade im Hintern stecken, welches ick' aber für unmöglich halte, und ener hohen Behörde selbst zu prüfen überlaaße. Uf diese Gründe schmeichle ick mir nu mit eenem baldigen Termin erster Instanz, un lege die Unschuld meiner Frau eenem wohllöbl. Kammergericht ans Herz. Sollte die Revolution günstig ausfallen, welches gewiß geschäh' wenn ick an Ihrer Stelle wär; so wollte ick gehorsamst anfragen, ob ick wohl mit meiner Ollen ein Freudenhaus, zu billigen aber festen Preisen anlegen dürfte, daß wir in diesem Fache gut vorstehen können, beweisen die besten polizeilichen Atteste meiner Frau, welche früher selbst 15 Jahre Hure gewesen ist, bis mir mein Genius ihr zeigte, un sie mir erblickte, un wir uns vereinigten. Ick selbst glaube sogar uf diesen Ruheposten Anspruch machen zu können, indem ick 13 un 14 bedeutend mitgemacht, un sehr durch die Franzosen gelitten habe. Ew Wohlgeb. sollen gewiß Ihre Freude drann genießen, ooch hat meine Frau die große Idee gefaßt, für die hiesige Garnison ein Abonnement einzuführen, wo denn een beischläfriger Umgang, den Grenadir uf 9 Pf. zu stehen käm, welches der ganzen Armee nur zum Vortheil gereichen kann. Ooch werde ick mich bemühen, bei jeder Spitzbüberei eener wohllöbl. Behörde aus dem Wege zu gehen, um derselben keene Unannehmlichkeiten zu verursachen. Bis dahin ersterbe ick in Demuth, un erwarte enen baldigen Ausschlag als treuer Unterthan, Maurerpolirer un Mann meiner nächtlich gemißhandelten Frau, Ludewig Radonsky, Nagelgasse Nr. 9. in der Feuerzeugfabrik. Anonym.