Abbildung der vollkommenen schönheit. HOldseliges geschlecht / hör an / ich will dichs lehren / Wie es gestalt muß seyn / was man für schön soll ehren. Liß diese zeilen durch / so wird dir seyn bekant / Wodurch die Helena so trefflich schön genant. Der leib muß seine pracht erst von den farben haben / Von diesen müssen drey sich gleichen schwartzen raben / Drey müssen wie der schnee so weiß sein anzusehn / Drey die an röthe selbst den purpur übergehn. Drey andre müssen ruhm durch ihre kürtz' erlangen / Hingegen andre drey mit schöner länge prangen; Drey müssen seyn was dick / doch wohlgebildt dabey / Darneben müssen schmal und schlank seyn andre drey. Die weite muß man auch an eben so viel rühmen / Und andern gleicher zahl will eng zu seyn geziemen. Wenn man zu diesen fügt drey / welche zierlich klein / So kann die schönheit selbst nicht vollenkommner seyn. Die augen preiset man / die schwartzen kohlen gleichen / An strahlen aber doch der sonnen selbst nicht weichen; Und um dieselbe muß ein schwartzer bogen gehn / Dadurch diß sternen-paar kan überschattet stehn. Zum dritten muß der pusch / der jene höle decket / In welcher Venus selbst das ziel der brunst verstecket / Gantz eingehüllet seyn in schwartze dunckelheit / Weil Amor solch ein kind / das sich im dunckeln freut. Die haare müssen seyn so weiß / als reine seide / Der alabaster-halß / wie nie berührte kreide / Die zähne müssen recht / wie blanckes helffenbein / Wenn sie von tadel gantz entfernet sollen seyn. Der mund muß röther seyn als brennende rubinen / Soll sonst der lippen saum den rechten preiß verdienen. Die wangen / die nicht roth / sind nicht vollkommen schön / Und auf den brüsten selbst muß roth am gipfel stehn. Die zähne müssen kurtz nur seyn in ihren reihen / Derselben masse sich die füsse gleichfalls weihen. Diß einz'ge giebet auch den ohren ihren preiß / Daß man / wie andre theil / sie schön zu nennen weiß. Es muß ein schöner leib sich nach den g'raden fichten / Die wie die säulen stehn / in seiner länge richten. Die hände / die mit lust der liebe zügel führn / Muß / wenn sie zierlich sind / gewünschte länge ziern. Und soll dem Venus-sohn die liebes-jagt gelücken / Muß er aus langem haar ihm netz und sehnen stricken. Denn soll in sclaverey die freyheit seyn gebracht / So müssen fesseln seyn aus langem haar gemacht. Es ist ein solcher leib vor andern hoch zu preisen / An dem die hüfften sich in rechter dicke weisen. Auch das / was die natur zum sitz-platz ausersehn / Ist dadurch / wenn es dick und ausgefüllet / schön. Und drittens muß der ort / der unsre sinnen raubet / Wenn er mit schöner kräuß' als ein gebüsch belaubet / Seyn einem hügel gleich von bergen eingehüllt / So daß er eine hand mit seiner dicke füllt. Die finger / welche schmal und zierlich sich erstrecken / Die können / was sonst halb erstorben / aufferwecken / Und arme dieser art sind das gewünschte band / Wodurch man an das joch der liebe wird gespannt. Auch muß ein schönes kind seyn schmal und schlank von beinen / Daß / wenn die flammen sich im mittel-punct vereinen / Gantz umb das oberste das unterste sich schwenckt / Gleichwie Adonis ward von Venus eingeschränckt. Der weite lob kan man aus dreyen stücken lernen: An augenbrauen / die von ander sich entfernen / An lenden / die nicht gar zu nah beysammen stehn / Vornehmlich wenn man will in Amors irrgang gehn. Auch müssen weit entfernt sich zeigen jene hügel Der schwanen-gleichen brust / daß mit verhängtem zügel Die brunst / wenn sie genug mit küssen hat gespielt / Durch dieses thal kan gehn / wo sie wird abgekühlt. Drey enge müssen sich bey jenen dreyen weisen: Ein rosengleicher mund muß enge seyn zu preisen; Die seiten müssen eng und dicht zusammen seyn / Daß eine elle sie bey nah kan schließen ein. Vor allen aber muß die grufft da Venus lachet / Wo das / was stählern schien / wie wachs wird weich gemachet / Gantz enge seyn / damit wenn unsre brunst entsteht / Sie ein und wieder aus mit mehrerm kitzel geht. Und letztlich müssen drey seyn zierlich klein zu nennen: Die nase muß man erst deßwegen loben können; Die brüste gleichen falls / die eine hand spannt ein; Die gipffel müssen drauff gleich kleinen erdbeern seyn. Wann dann der Leib gebildt in solchem schönen wesen / So hat zum wohnplatz ihn die liebe selbst erlesen / Und wann an diesem auch bald diß bald jenes fehlt / So hat Cupido schon ein anders auserwehlt; Dann wenn die schönheit gleich nicht völlig ist zu finden / So kan die freundlichkeit doch alles überwinden: Der nun die schönheit nicht auf allen gliedern schwebt / Der rath' ich / daß sie sich durch freundlichkeit erhebt. Hie seht ihr / schönstes Volck / wodurch ihr schön zu nennen / Werdt ihr ins künfftige mir besser nachricht gönnen / Soll meine feder euch zum dienst seyn angewand / Wenn ihr dieselbe führt mit eurer schönen hand.