69. Aus Cap. IIX. v. 5. Wer ist die, so herauff fährt aus der wüsten voll wollusts, und gesellet sich zu ihrem freund? Je mehr der seelen Geist sich regt und Gott tritt nach, Je mehr wird er mit Ihm durch Jesum eines heissen: Je einiger er ist, je größ're brunst ist da Durch feurige begierd, als ein erkaltes eisen Im feur erhitzt und schmeltzt, zerflossen gantz zu seyn In dieses liebes meer. Denn wächst er zusehns weiter An der vollkommenheit, an seines adels schein: Sein himmel wird nunmehr von Gottes umgang heiter. Wie von der sonn die welt. Doch kommt diß alles nicht Aus eignen kräfften her. O nein, er hat's gefunden In dem, darauff der Geist sich mit begierde richt, Nach dem, der sünd und tod und alles überwunden. Nun laßt uns den proceß nach dem geheimnis sehen, Das in der Dreyheit liegt, die unzertrennlich heist, Doch in dreyfalt'ger krafft pflegt würcklich auszugehen Von welcher jede selbst sich nach und nach im Geist Empfindlich offenbahrt. Der Vater, als das leben Ist starck, allmächtig, groß, verzehrend feures-krafft: Muß auch dem seelen-Geist, stärck, muth und mannheit geben, Die sieg und Majestät, und Geist und durchbruch schafft. Der Sohn ist als ein licht, sanfft, lieblich, mild und stille, Des Vaters hertz und lust, weil seiner weißheit glantz Des feures schärffe löscht, so bald der neue wille Ausgrünt und durch begierd' ins liebe-leben gantz Versenckt ist und versteckt. Dann geht der Geist von beyden Als Vater und Sohn aus, gebährend wonn und freud Durchs Paradis in uns nach langen sterbens-leiden Wie reiner einfalt nur diß wunder ist bereit. Hier will Sophia nun die Gottheit offenbahren, Die jene faßt in sich, und wie ihr spiegel ist, In reiner jungfrauschafft. Die weißheit kömmt gefahren Aus ew'gem ungrund her, der gleichsam heisset wüst, Weil da nichts ist, als GOTT, und keine creaturen Im ungegründten Nichts. Da sucht Sophiens lieb Sich näher zuzuthun, daß nun viel liebes-spuren Dem seelen-Geist sind kund. Wenn dieser nun verblieb Gehorsam, heilig, rein, so würde sie ihn küssen, Als ihren nächsten freund, und ihm zwar erstlich noch Mit ihrer scharffen zucht sehr bange machen müssen, Doch nur zur prob, ob er ihr sanfftes liebes-joch Auffnehmen willig wollt. Geschichts, so ist die freude Nicht zubeschreiben, wenn sie sich zu ihm gesellt. Ein jedes werd ihr treu, so wird man sie zur beute Hinnehmen samt dem schatz, der mehr ist als die Welt. Nach dieser zarten lieb, auff dieses lieb-vermählen Thut das Geheimnis sich der Dreyheit weiter auff. Der Vater, der die seel hat wollen ihm erwählen, Sendt seinen Sohn, im Geist zu enden seinen lauff Wie sonst im fleisch geschah. Der H. Geist erkläret Den Sohn, als weißheit-licht, in menschlicher natur, Die nun ihr himmlisch fleisch und blut zur speiß gewähret, Damit der neue mensch des Paradises spur Selbst in sich wieder find, die menschheit werd vereinet Mit Gottes wesen selbst. Und wenn der Sohn also In uns gestalt gewinnt, als GOTT und mensch erscheinet: So wird die seel im blick des ursprungs wieder froh. Sie darff nicht, wie vorhin, des Vaters zorn mehr scheuen, Versichert, daß er ihr nur lieb-erbarmung sey: Und daß sein schaffend wort die kleine welt erneuen, Erfreuen und vom fluch und straff will machen frey. Also erklärt der Sohn in uns den Vater wieder, Und bet't ihn in uns an, und führt das gantze werck Der wiederbringung aus. Der Vater läßt sich nieder Zur neuen creatur, vereinigt seine stärck Mit seines Sohnes lieb. Wenn also lieb und stärcke Im menschen einig sind, durchs band vom liebe-Geist. Ist noth, daß eine seel im tieffsten grund bemercke, Wie sie des Vaters, Sohns und Geistes wohnung heist. Hier wird der ewge Grund zur allmacht selbst geleget, Zu aller lieb und lust, zur weißheit höchsten schein: Unüberwindlich ist, was sich im innern reget, Es muß auch ungekränckt und unverlohren seyn. Wol dem, der alles läßt, was Gott nicht selbst ist, fahren, Und seine selbheit selbst ins ew'ge nichts versenckt: Der wird sein himmlisch-thun nicht nach den tod versparen, Ihm ist gewiß mit GOTT der himmel hier geschenckt!