22. Lockst du mich, du Gottesfrieden, Zu den schönen Himmelsauen, Die wir Dunkle, ach! hienieden Nur in blassen Schatten schauen? Lockst du mich, o Sehnsucht, immer, Wie die Frommen Glockenläuten, Wieder hin zum Sternenschimmer? Wieder in die alten Zeiten? In die Zeiten, längst vergangen? In der Seelen Kindertage? Dahin schmachtest du, Verlangen? Dahin, Herz, mit jedem Schlage? Ja, der Funke will zur Sonne, Und die Seele will zum Himmel, Zu des stillen Lebens Wonne Aus dem tollen Erdgewimmel. Nein, es ist kein Wahn der Träume, Ist kein Irrlicht düstrer Nächte, Mein sind jene Sternenräume, Mein sind jene Götterrechte: Fremdling bin ich nur im Staube, Meine Heimat such' ich wieder, Meine grüne Himmelslaube, Meine Himmelsblumen wieder. Was soll ich hienieden streben Zwischen Kummer stets und Freude, In dem unruhvollen Leben Der Minuten schnelle Beute? Wie die Vöglein auf den Zweigen Wechselnd hin und wieder fliegen, Schwebt des Menschen Tun und Neigen, Schwebt sein Wünschen, sein Vergnügen. Wie soll ich hienieden finden, Was die heiße Liebe stillet, Wo die Unruh' wilder Sünden Aus der Erdenfreude quillet? Wo wir heute lassen müssen, Dem wir gestern angehangen? Wo Begierde und Gewissen Sind in stetem Krieg befangen? Was soll ich hienieden schaffen, Hier, wo nichts beständig bleibet? Wo vom Staub und Blut der Waffen Stets die wilde Rennbahn stäubet? Wo die Lüge auf dem Throne Gaukelnde Orakel singet Und mit blut' ger Dornenkrone Wahrheit kaum vernommen klinget? Fahre hin, du Land der Tränen! Hin, du Land der süßen Lügen! Damit wir uns hinnen sehnen, Darum mußt du viel betrügen; Damit wir das Feste wollen, Darum muß in dir nichts bleiben, Alles durcheinander rollen Und die Welle Welle treiben. Locke, stiller Gottesfrieden! Süße Sehnsucht, schweige nimmer! Werfet Himmelschein hienieden Auf der Nichtigkeiten Trümmer, Daß die Seelen innewerden Unter Zittern, unter Bangen: Wahres gibt es nicht auf Erden, Jenseits sollen wir erlangen.