Klage 1798. Was wehst du, süße Himmelsluft, Um meine frischen Locken? Was streut ihr, Zweige, Balsamduft In weißen Blütenflocken? Was flötest du, o Nachtigall, Der Minne Freud' mit süßem Schall? Was klingt in frohen Wellen Ihr, kleine Murmelquellen? Die Rose blüht, das Wasser rauscht Im Frühlingsklange hinnen, Die Jugend spielt am Bach und lauscht Mit süßbetörten Sinnen – O holde Jugend, bald verbleicht Die Blum' am Bache, bald entfleucht Der Liebe Zauberkehle Den Büschen, Philomele. Der Pflüger mit dem Lerchensang Begrüßt den Tau der Frühe, Der Schnitter geht im Sensenklang Gebückt den Tag der Mühe; Dann schwellt ihm die beklommne Brust Erinnrung der entflohnen Lust, Er fühlt des Lebens Narben Und weint auf seine Garben. Des Lebens Schöne ist ein Traum. So klingt der Weisen Klage: Er spielet um der Wiege Flaum Mit goldnem Flügelschlage, Wird dann zum heißen Mittagswind, Daß Schweiß uns von der Stirne rinnt, Und stürmt zuletzt in Flocken Um unsre grauen Locken. Doch manche holde Blume sinkt Auch in dem Lenz der Tage, Des grausen Schnitters Sense blinkt Mit jedem Glockenschlage, Sie mäht den Jüngling und den Greis, Die Jungfrau mit dem Myrtenreis Und bleicht die zarten Züge Des Kindleins in der Wiege.