Nelson und Meduse Vorrede Zogen tiefer die Geschicke, Wie die Wolken an dem Wald, Meint ich schon, es steige bald Gott vom Himmel und die Blicke Suchten in den schwarzen Räumen, Sich ein goldnes Glück zu träumen. Zogen weiter die Geschicke, Wie die Wolken hin zu dir, Wähnt ich, daß nichts über mir, Und wie leer sind dann die Blicke; Ohne Schmerzen, ohne Wunden Wurd ich krank und wollt gesunden. Also gehn zum Meerbad viele, Um im ew'gen Einerlei Nachzufühlen, was vorbei; Wie das Meer im Sand auch wühle, Alle Steine muß es runden, Es verwischen sich die Stunden. Wenig Ziegen auf den Dünen, Jeder Grashalm ist bekannt, Der im wellenförm'gen Sand Dörrt verschüttet, statt zu grünen, So des Meeres Langeweilen Die Verzweifelnden nur heilen. Daß der Sand was Neues trage, Macht der Badewagen Spur Einen Wechsel der Natur In dem Einerlei der Tage; Endlich sehnen sich die Kühnen Wieder nach des Staates Bühnen. Alles spricht von großen Dingen, Dieser schreibt schon einen Brief, Jener gar nicht ruhig schlief, Mit den Waffen soll's gelingen, Alle zeichnen Positionen In den Sand, ganz ohne Schonen. Viele schießen nach dem Ziele, Schneidern Uniformen schön Und der Trommel wild Getön Schmettert, daß es nicht zum Spiele; Und bei gutem Wein und Braten Will die Tapferkeit geraten. Heil'ger Gott, was ist geschehen, Seht am Strand ein Felsenstück! – Nein, ein Walfisch kam voll Tück Auf das Land, ihr müßt ihn sehen! – Ist er tot? – Er Hegt ja stille, Aus ist nun sein böser Wille. Sturm hat ihn ans Land geschmissen Und nun sitzt ein Schneider drauf, Sagt, daß er ihn fing zum Kauf, Manches Stück hat abgerissen; Doch den wirft ein andrer nieder, Alle sind gleich schwache Brüder. Welch Getümmel, welches Lachen, Jener Knabe ins Gesicht Schlägt ihn und ganz kühnlich spricht: »Seht ich steig in seinen Rachen!« Seht sie messen, seht sie steigen, Muß der Mensch so klein sich zeigen. Plötzlich springt aus seinen Nüstern Wasser, alles springt zurück! Letzter Atem, letzte Tück, Sorgsam nahn sie sich mit Flüstern, Sehen, daß er nun gestorben, Jeder hat nun was erworben. Fischbein sammeln sich die Frauen, Lampenöl die Schauspielleut, Rippen sind der Helden Beut, Sich ein Denkmal draus zu bauen, Von dem Kopfe bis zum Schwänze Ist verteilet nun das Ganze. Nun er also ist zerstücket, Fassen ihn die Herrn der Kunst, Spielen mit dem Kopf aus Gunst, Und ein Maskenspiel da glücket: Mit dem Kopfe, mit dem Schwanze Spielen sie im Sonnenglanze. Sie tragieren seine Taten, Die Bewundrung sich erhebt, Hätte er nur noch gelebt, War er nur nicht ausgebraten; Heil'ges Schicksal solch ein Ende Von gewalt'gen Menschen wende. Sollen sie herunter fallen, In den Staub zu anderm Staub, Nicht dem Schwachen sei's zum Raub, Nur dem Stärkern zu Gefallen; Und was groß, auch gräßlich ende, Daß die Lehre keinen schände. Nicht wo Tapfre sind gefallen, Stehl die Schwäche sich ihr Schild, Nein im Kampf zerschlagt es wild, Daß die Berge widerhallen, Laß die Stärke eines Schlechten Stärke wecken in dem Rechten. Denn was half's, nun scheun die Schwachen Sich zu baden stark im Meer, Weil der Walfisch kam daher Mit dem ungeheuren Rachen, Den die Seinen möchten rächen, Und der Schwachen Glieder brechen. Wie sie da so zagend stehen, Kommt ein schwarzer Elefant Übern Sand daher gerannt, Schier vor Schrecken sie vergehen, Keiner denkt ihn zu bezwingen. In das Meer die meisten springen. Wie er näher kommt gegangen, Sehen sie darauf ein Kind, Das ihn führte so gelind, Scham, die folget nun dem Bangen, Doch wo alle Leute fehlen, Braucht sich einer nicht zu quälen. Mit des Rüssels grauer Schlange Hob er nieder dieses Kind, Knieet dann so leicht geschwind, Ihr zu Füßen scheu und bange, Und das Kind ein schönes Singen Ließ vor allen nun erklingen. Erste Romanze Seht ihr wohl das Kriegsschiff ferne, Das aus Abend zu uns eilt, Wie's die Sonne hat geteilt, Seht nun steht's im Sonnenkerne; Seht wie es so glorreich brennet, Sieg wird es von uns genennet. Nelson führt's, und hat's geführet Fühlt mein Herz, wie sich das labt, Daß er drauf steht hochbegabt, Und daß er's im Wind regieret, Und daß ich's bis hieher fühle, In dem Winde heiß und kühle. Nelson ja, nun kannst du rasten, Takle ab dein schwimmend Haus, Denn der lange Krieg ist aus, Friedlich zieht ein Wald von Masten, Feinde werden Seegenossen, Die im Hafen er verschlossen. Wie das Meer die Welt umfließet, So beschloß das feste Land Seiner Schiffe Unbestand; Nelsons Hand die Kette schließet, Bis die Türme an den Küsten Sich mit weißen Fahnen rüsten. Lange Jahre, harte Lehre In des Schreckens Einerlei, Jugend ging ihm so vorbei; Doch für alles lohnt die Ehre, Und ein Herz, das frisch gezeuget Und ein Mut, der nie gebeuget. Zweite Romanze Nelson ist zur Hauptstadt kommen Aus dem lust'gen Ehrenport, Wo in jedes Liedes Wort Hell sein Ruhm ist angeglommen; Keiner kannt ihn in dem Wagen, Der ihn Morgens hergetragen. Ihn, der jahrlang rumgeschwommen, Kennt man nur vom Kupferstich, Doch er selbst erkennt nicht sich Als er in sein Zimmer kommen Und sich sieht mit goldnem Rahmen Schön verziert mit seinem Namen. Und sein Kriegskleid legt er nieder Geht ins nächste Kaffeehaus. Hört, da machen sich so kraus Junge Herren hin und wieder, Sprechen selig im Entzücken Von der Säng'rin schönen Blicken. Bei Medusen schwören alle Wie bei ihm der ganze Port, Und er meint, sie wäre dort, Was er war beim Schlachtenschalle Und sie muß das Land regieren, Wie er muß die Schiffe führen. Abends zu dem Bürgermeister Ladet ihn die Hauptstadt ein Und er tritt bei Lampenschein Zu der Menge schöner Geister; Er weiß wenig nur zu sprechen, Und die Leut den Stab ihm brechen. Die stets beim Kamine sitzen, Ihre Zeitung trocknen schnell Bei des Landes Ungefäll, Richten ihn mit klugen Witzen: »Glück, das hob den schönen Knaben, Nimmermehr des Geistes Gaben.« »Er ist herrlich!« sagen Frauen; »Doch kein hoher eigner Geist, Der sich durch das Unglück eist«, Sprechen, die durch Brillen schauen, Jener Haufen alter Jungen, Die noch keinen Feind bezwungen. Anspruchlos, sein selbst vergessen, Quält ihn, daß so wenig Lust Wo ein jeder trinken muß Zu dem grausam vielen Essen, Daß da keiner wollte schreien, Könnt er keinem mehr verzeihen. Als das Mahl so still geendet, Steigt auf einen Thron von Gold Eine Frau so götterhold, Daß er gleich den Blick gewendet, Um nicht in dem Strahlenmeere Zu versinken ohne Ehre. Doch sie singet seine Ehre In der Muse Silberkleid, Bei der goldnen Lyra Freud, Daß er alles wieder höre, Was im Sturme, was in Schlachten Seiner Heldenseele Trachten. »Deine Ruh ist in den Schlachten, Jovis Adler schläft erst ein, Sieht er deines Blitzes Schein In den Nächten, den durchwachten, Denn er weiß, daß alles Rechte Schon dein sichrer Geist verfechte. Denn sein Blitz, das ist dein Winken Und er gab dir Jovis Blitz, Schläft nun auf des Zepters Spitz, Läßt die müden Flügel sinken, Möcht nicht mehr da oben wohnen, Wollt ihn diese Ruh nicht lohnen.« Daß Meduse ihn besungen, Denket er mit Ernste still, Daß sie fast verzweifeln will, Wie kein Beifall laut erklungen, Doch viel schönre Huldigungen Hielten ihn schon fest bezwungen. Und sie nimmt den Kranz der Ehre, Nimmt das Schwert, schön damasciert, Blau und golden ausgeziert, Reicht's dem Sieger aller Meere, Und er sinkt auf seine Kniee, Daß ihn Stolz und Scham durchglühe. Auf des Südens helle Küsten, Die sein dunkles Schiff zerstört, Wirft ein Hauch ihn kaum gehört, Der mit seinen Zauberlüsten Atmet in des Nordens Plage, Südlich wolkenlose Tage. Dritte Romanze Als Columbus saß am Steuer Hoffnungslos verzweiflungsvoll, »Land!« vom höchsten Mast erscholl In der Sonne letztem Feuer, Eh' er noch hinaufgeklommen, Ist die Sonne ganz verglommen. Land ersah der Schifferknabe, Erstes Land der Neuen Welt, In das Meer, vom Mastkorb fällt: Und die Sonne sank zum Grabe, Seine Ungeduld zu kürzen, Mußte er hinunter stürzen. Doch Columbus muß noch warten, Daß er nicht zu glücklich sei, Ob nicht Täuschung dies Geschrei Von des Paradieses Garten, Den er wieder aufzufinden Fromm gestritten mit den Winden. Jede Stunde ein Jahrhundert, Ruhig fällt der Sand der Uhr, In dem Geiste treibt es nur Bis die Sonne steigt verwundert Über Menschenglück und Wehe, Zu der ruhig würd'gen Höhe. Nelson auf dem rauhen Meere Seit der zarten Knabenzeit, Sah die Schönheit nur von weit Als ein fernes Ziel der Ehre, Wie des Südens schöne Küsten, Sich mit Kraft davor zu rüsten. Und nun hat er sie gefunden, Ist mit ihr in keinem Krieg, Die gebracht den Kranz vom Sieg; O wie langsam sind die Stunden, Doch im Bilde vielgestaltig Sieht er sie, stets allgewaltig. Schlafen mocht er nicht, verwachte Er doch manche Nacht um nichts, Nimmer harrte er des Lichts Doch wie heute, wenn er dachte, Bei Aurorens Schwingenfeuchten Soll es ihn zur Schönen leuchten. Morgens schwerer als zu Schlachten Ging er zu der Säng'rin Tür, Daß er dankte nach Gebühr, Für den Ruhm, den gestern brachten Ihre kühlen weißen Hände, Ihrer Lippen Feuerbrände. Fest verschlossen ist die Türe, Alles schläft noch in dem Haus, Schimpfend sieht ein Mädchen raus, Daß er schon die Glocke rühre, Muß fünf Stunden sich noch fassen, Eh' er da wird eingelassen. Als er in das Haus gebeten, Sieht es ihm nicht festlich aus, Wie, wenn aus Versehn vom Schmaus Gäste in die Küche treten, Also liegt es da viel bunter, Alles singt und schreiet munter. Affen hüpfen da an Ketten, Papagein im Gitterhaus, Schreien, daß es ist ein Graus, Hunde springen von den Betten, Ein Herr Bruder auf der Flöten Quält sich durch mit allen Nöten. Klopfend treibt's in seinem Herzen, Langsam tritt er zu ihr ein, Und sie sitzet ganz allein, Und empfängt ihn leicht mit Scherzen, Spielet eben mit Juwelen, Zeigt ihm Steine, die noch fehlen. In dem weißen Morgenkleide Scheinet sie ihm heut so blaß, Doch sie ist so voller Spaß, Als ob sie so gar nichts leide, Rührend ist ihm ihre Blässe In der Schönheit froher Größe. Ob die Steine blendend glänzen, Haucht sie doch so sorglich drauf: Ach wär ich ein Stein zum Kauf! Denkt er, herrlich würd ich kränzen, So von ihrem Hauch erzogen, Ihrer Stirne hellen Bogen. Alle Steine muß er sehen, Hören, wo sie die erhielt, Was sie mühsam hat erspielt; Sie versucht, wie ihm würd stehen Ihre schönste Demantkrone, Trüg er einst ein Reich zum Lohne. Und da steht er vor Medusen, Als sie ihn umschlinget fast, Eine freie Lust ihn faßt; Und er küßt sie auf den Busen, Der so nah vor seinem Munde Woget in dem schönen Runde. Doch er hofft bestraft zu werden Für die kühne Freveltat, Als Meduse freundlich bat, Heute hätt sie viel Beschwerden, Vor der neuen Oper Bangen, Heute möcht er nichts verlangen. Nelson schwört bei Ritterehre, Daß er nicht gekommen ist, Um mit einer bösen List Ihrer Unschuld Lust zu stören, Das sei frei Matrosenwesen, Daß er also kühn gewesen. Wahrlich sie war rot geworden, Raubte nicht die Schminke scharf Holder Schämigkeit Bedarf, Diesen hellen Strahlenorden; Die Verwirrung zwischen beiden Kommt der Musiker zu scheiden. Seht der kommt hineingefallen, Wie ein alter Eichenbaum Auf zwei Liebende im Traum, Schreiend: »Es wird nicht gefallen Die Musik zum ersten Male, Stündlich wachset die Kabale. Alles schwört im Kaffeehause, Sie sind eine Zauberin, Und es wäre kein Gewinn So zu schwelgen in dem Grause; Der Signora tiefe Stimme Feure an zum Liebesgrimme.« Bittre Tränen er da weinet, Und sie küsset ihm die Hand, Nelson ist von Zorn entbrannt, Und voll Blut die Wange scheinet, Daß nicht alle sind durchdrungen Von den höchsten Huldigungen. Nelson schwört, nie woll er schiffen Auf des Meeres stolzer Pracht, Wenn in dieser Opernnacht Sie vom Volke ausgepfiffen, Und den ersten, den er höre, Opfre er der Künstlerehre. Vierte Romanze Knaben, Knaben, laßt euch warnen, Ihr verseht euch, seht ihr hin Auf den Fuß der Tänzerin, Künstlich kann sie euch umgarnen, Denn die Füße Netze stricken, Wo die bunten Lampen blicken. Zauberei müßt ihr nicht hören, Sinkt nicht in die Töne ein, In den weichen süßen Wein, Auch die Nachbarn müßt ihr stören, Denn nur Drängen, Witz und Lachen Striche durch die Rechnung machen. Laßt euch doch zurücke drängen Zu dem stillen Sternensaal Aus der lauten Opernqual; Aus des Stimmens magischen Klängen, Drängt euch nicht gewaltsam kühne In die Loge auf der Bühne. Stellt euch lieber in die Wogen In das flutende Parterre, Seht das Ganze scheint hieher, Dort hätt's einzeln euch gezogen, Sehet doch nur nicht Medusen In den Zauberkreis vom Busen. Seht doch lieber nach der Decke, Jenes heidnische Gewühl, Und wie zieht es hier so kühl, Blindes Gold an jeder Ecke, Und die Teppiche, die hangen, Flimmern all aus innerm Bangen. Seht die vielen Kronen schimmern, Die Kristalle wunderbar, Diese Farben sind so klar, Und wie gehn sie leicht zu Trümmern; So zerbrechlich ist was scheinet, So wird Schönheit bald beweinet. Häuft doch nicht die Sinnlichkeiten, Trinket nicht den Feuertrank, Den der Mann verkauft im Gang, Esset nicht die Süßigkeiten, Denn ihr findet Zaubersprüche Süß betäubende Gerüche. Ließ sich je ein Volk noch warnen, Lernt es je durch andrer Not, Ach ihr schönen Knaben rot, Ach wie wird sie euch umgarnen, Doch ich will im Netze reißen Und durch alle Töne pfeifen. Seht den rüst'gen, jungen Degen, Nelson unsern Schiffskaptän, Seht der Haare wilde Mahn! Seht dem Auge nicht entgegen, Seht den Rock, wie angegossen, Alles rings scheint unentschlossen. Doch er siehet nicht die Menge, Keiner, denkt er, seh auf ihn, Mut hat gar bescheidnen Sinn Und das Stimmen böse Klänge, Ließen sie nur diese Stimmung, Blieb er sicher bei Besinnung. Aber diese streit'gen Töne Reißen ihn ins Schlachtgewühl, Und sein Scheitel wird ihm kühl, Als wenn ihn der Lorbeer kröne; Und er stützt sich recht im Nacken, Sollten ihn die Kugeln packen. Und nun ordnen seine Blicke Alle Händ auf dem Verdeck, Doch der Wind liegt im Versteck, Langsam geht die Zeit zum Glücke Und er denkt, wie lang er diente, Eh' der Feind zur Schlacht erkühnte. Ach wie lange werd ich dienen, Lieben, fürchten allzugleich Ihrer Augen dunkles Reich, Süßes Ringeln ihrer Mienen, Ahnd ich fern ihr Stimmlein schallen, Mir wie Nektar Tropfen fallen. Hell wie Sterne stehn die Lichter Rings am ersten Logenkreis, Wie die Sternenbilder leis, Treten vor die Angesichter Holder Göttinnen des Himmels, Froh des ew'gen Lustgetümmels. Arme Knaben, kein Erbarmen, Alle Damen stehn schon auf, Wäre dieser Kreis zu Kauf Möchte jeder dran verarmen; Doch des Königs Stern ist kommen, Alle sehn auf ihn beklommen. »Heil dem König! Heil dem König!« Ruft das Volk, der König dankt, Schnell der rote Marschall wankt, Winkt mit goldnem Stab ein wenig, Gleich die Weihrauchbecken schwingen Und ich hör die Pfeife klingen. Alle muß ich jetzt belauschen, Denket Nelson, ob's gefällt, Trotzig bin ich hingestellt, Ihre Feinde listig rauschen; Mit der Hand am guten Degen Will ich all zu Boden legen. Fünfte Romanze Ceres wandelt auf der Bühne Und ihr Tritt so einsam schallt: »Kommt Proserpina nicht bald?« Seufzet laut vor sich der Kühne, Denn Meduse spielt die Rolle, Ceres hört er recht mit Grolle. »Hör, sie soll'ne Schlange tragen«, Spricht ein Mann dort, »Tag und Nacht, Die den kräft'gen Zauber macht, Mit dem Teufel soll sie's wagen, Ganz versteckt in ihrer Kammer Steht ein heilig Bild voll Jammer.« »Ja ich hab es selbst gesehen«, Spricht der andre, »dieses Bild, Das da lobet, das da schilt, Wenn's Medusen angesehen, Doch sie hat es oft vergessen, Und voll Staub hat es gesessen.« Nelson spricht: »Ihr lüget alle, Daß sie eine Zauberin, Weil sie nicht nach eurem Sinn Eurem Laster zu Gefallen, Euren Beifall zu erschleichen, Weder Hand, noch Mund mag reichen.« Beide schweigen ganz verlegen, Tun, als wenn sie nichts gesagt, Doch es sei hier Gott geklagt, Nein es ist kein frommer Segen, Der zu ihr die Jugend wendet, Die sie mit Verderben schändet. Ach wie klagt Musik in Tönen, Wendet ihr das Herz jetzt um, Ach warum ist doch so stumm Jenes Bild und läßt sich höhnen, Aber hier aus allen Geigen Scheint es jammervoll zu steigen. Nein, noch kann sie nicht verstoßen Dich, die Mutter gnadenklar, Hinterm Vorhang stehst du zwar, Doch du leuchtest durch verschlossen, Demant leuchtet fern vom Lichte, Nächtlich scheint des Bilds Gesichte. Weint Meduse bei dem Scheine, Beißt die Schlange an ihr Herz Und in diesem scharfen Schmerz Bleibet sie nicht gern alleine; Opfert diesem scharfen Zahne Andre in dem Sündenwahne. Gierig frißt der Zeiten Schlange Manchen Knaben jung und kühn, Und Meduse muß sie ziehn Durch den Tanz und im Gesange, Und so kann sie sich bewahren Jugendlich in ältern Jahren. Saugt dies Jugendblut die Schlange Wälzt sie sich im Becken hin, Nüchtern Wasser war darin, Doch nun zischt es grünlich bange; Dieses Schönheitwasser bringet, Daß sie wunderbarlich singet. Welch ein Leben, Angst in Sorgen Führt bei ihr die schöne Kunst, Daß sie noch der Schönheit Gunst Länger soll als Jugend borgen. Welche Vorsicht, welch Bedenken, Was die Schönheit könnte kränken. Ihre Amme sie regieret, Die nur suchet den Gewinn, Schuldlos ist die Sünderin, Jene ihr die Knaben führet, Und mit Tränen, Worten, Schlägen Weiß Medusen zu bewegen. Nelson glaubt nichts von dem allen, Denn er kennt nicht solche Kunst, Sie erscheint im heil'gen Dunst Von dem seligsten Gefallen, Doch sie kann nur Schrecken gatten, Wie des Giftbaums dunkler Schatten. Keinen will Meduse schonen, Nelson hat sie tief gerührt, Wüßt er, daß er so verführt, Würd er sich wohl höher lohnen, Als daß sie als Proserpine Seine Blumen zeigt der Bühne. Weh, was will Musik nun wieder, Was erwartet sie denn jetzt, Wo im Tau sich alles netzt, Lange strahlt die Sonne nieder, Ahndend kann er es schon fühlen, Kommt Meduse mit Gespielen. O wie ist sein Blick durchdrungen, Als er seine Blume sieht, Die an ihrem Busen glüht, Sie auf ihn kommt zugesprungen, Und von Nymphen weich umschlungen, Hat sie zu ihm hingesungen: »Ohne Ruhe laßt mich schweifen Immer näher hin zum Grün, Das am Berge jung und kühn Alle Augen will ergreifen, Mir zum Kranze will ich's binden, Daß ihr alle müßt verschwinden.« Fast beschämt von diesem Zeichen Tritt er in sich selbst zurück, Meint ein jeder seh das Glück, Das ihm lieber heimlich eigen, Doch so mancher meint, ihn labe Gleich wie ihn des Blickes Gabe. O ihr bangen Frühlingslüfte, Ahndet ihr dies Schrecken auch, Wie der Todespforte Hauch Rasend aufschlägt durch die Lüfte, Glühe Räder, schwarzer Wagen Jenen Gott der Schatten tragen. Strom der wallend goldnen Ähren Trocknet dich der Sommer aus, Kühle Winde ruhn im Haus, Ach du wirst nicht lange währen; Eh' wir deine Lust begraben, Nimm o Jungfrau sie als Gaben. Weißt du nicht, die Blumen stammen Alle aus der Unterwelt, Welche noch die Wurzel hält, In den Farben Höllenflammen Seht den Todesgott erscheinen, Seht sie bei den Blumen weinen. Pluto ist denn kein Erbarmen? Doch ihr Sang vermehrt die Lust, Die in seiner tiefen Brust; Und dies Jammern von der Armen, Dieses Ringen, dieses Singen, Muß mit Liebreiz ihn umschlingen. Edler Drang der Künstlerehre, Kühn Vergessen aller Welt, Ja der ist ein wahrer Held, Der die vollen Lebenschöre Kann erwecken und erhalten, Während er muß selbst erkalten. Also siegend überwunden Scheinet Proserpinens Kampf Aller Elemente Krampf, Alle gegen sie verbunden: Wie die bunten Schleier fallen, Tausend wilde Bravos schallen. Atemlos sind von Entzücken Ihre Feinde umgewandt, Von dem Klatschen brennt die Hand, Zieht Magnet in ihren Blicken? Und sie ringt und singet wieder, Bis sie kraftlos sinkt darnieder. Ihre Blumen fallen nieder, Und der Todesgott sie faßt, Und der Wagen rollt mit Hast, Schleifet fort die hellen Glieder In die rasselnd dunkle Pforte! – Schrecken, du hast keine Worte. Nun vom Todesgott umschlungen, Wahrheit wird ihr Blick und Glück, Nichts hält Nelson mehr zurück, Auf die Bühne ist er Sprüngen, Nur ein Sprung, da steht er oben, Darf mit allen Göttern toben. Ihrem Liebling in die Arme Stürzt sie hintern Vorhang kalt: »Aus ist meine Allgewalt, Habe nur mit mir Erbarmen, Hab zum letztenmal gesungen, Und mein Herz ist mir zersprungen.« Nichts von allen Beifallszeichen, Wie sie vorgerufen wird, Hin zu ihrem Ohre schwirrt: Letztes Mal und voll Erreichen! In dem Mantel eingeschlagen, Will er sie nach Hause tragen. Sechste Romanze Fort aus staub'ger, dunst'ger Hölle, Aus dem Magen aller Kunst, Aus dem Schein, der ohne Brunst, In der Nähe ohne Helle! Fort vom Musen-Lumpenneste, Durch die Leinewandpaläste! Von der Bühne schnell hernieder Er im blauen Mantel trägt Sie, die alle hat bewegt, Still und starr sind ihre Glieder, Durch die Reih galanter Leute Trägt er seine schönste Beute. Wagt nicht leis hinein zu schauen, Ob sie lebe, ob sie tot; Durch der Kutscher Drang und Not, Die auf ihre Pferde hauen, Pferd auf Pferd mit Deichseln jagen, Hat er sie nach Haus getragen. Nur ein schwacher kleiner Knabe Wagt es, ihm zu leuchten vor, Flügel hat der kleine Tor Und verlanget keine Gabe, Töricht nennt die Stadt den Kleinen, Er will stets wie Amor scheinen. Keiner denkt noch an Signora, Alle Diener sind noch aus, Als er tritt mit ihr ins Haus: »Sancta Maria pro nobis ora! Nimm dies Gold, gib die Laterne!« Und der Knabe gibt sie gerne. Nelson legt sie auf das Bette Wagt es, sie zu kleiden aus, Findet eine Schlang mit Graus Angelegt an eine Kette Ihr am wolkenweißen Busen, Himmelshügel aller Musen. Er zerhaut mit seinem Degen Diese Kette unbewußt, Und zu seiner größten Lust Fühlet er des Atems Regen, Das versteckte Bildchen scheinet Und Meduse heftig weinet. Wenn sich Frühling, Winter streiten Sich von einem hohen Fels Dieses wunderbaren Hells Heilig lichte Arme breiten, Also von dem heil'gen Bilde Kommen Blicke, tröstend milde. Wie verzückt von ihrem Bette Springt zum Bild die Sünderin, Nackt und bloß und ohne Sinn, Und sie singet eine Mette, Schlägt den Busen, ringt die Hände, Doch da ist der Andacht Ende. Die Gewohnheit sie bezwinget, Des verworfnen Lebens Macht Ihr im Herzen sehnlich lacht, Sie den frommen Held umschlinget Und es will sie recht ergötzen, Wie die Lust in dem Entsetzen. Aus des Todes dürren Armen, Aus des Krampfes hartem Streit, Will sie in der Lüsternheit Schnell an seiner Brust erwarmen, Und sie zieht ihn auf das Bette, Und es klinget ihre Kette. Tag der Tage, Nacht der Nächte, Wenn sich Licht und Dunkel mischt, Und der Blitzstrahl niederzischt, Und den Tag doch nimmer brächte; Schmerz und Freuden ganz ergeben Mag er nimmer halbes Leben. Ihre Hände suchen Freude, Ihre Lippen drängen ihn, Nelson sonst so keck und kühn, Wünscht es stürze das Gebäude, Sie so männlich, er so weiblich Scheint ihm in dem Streit unleidlich. Traurig winkt das Bild der Gnade Und er springt vom Lager auf, Doch sie hält ihn in dem Lauf; Ach es war um ihn doch schade! Fürchtet nichts, der Unschuld Kräfte Siegen über Zaubersäfte. »Wahr ist wahr, ist dies der Teufel, Der mich will bezwingen hier Ich steh fest und trotze dir, Was ich lieb, sei ohne Zweifel Rein aus Gottes Schoß geboren, In der Schande unverloren. Widerstand sei in dem Feinde, Scham in holder Frauen Gunst, Und in ihrer höchsten Brunst Noch versteckt, was uns vereinte, Ihr Verlangen sei die Schwäche, Und der Mann den Willen breche. In den Balken knistert Feuer, Schlangen ringeln durch die Luft, Fort aus dieser Mördergruft Zu der Sterne reiner Feier; Heilig Bild dich will ich retten Von der schnöden Schlange Ketten.« Mit dem Bilde vor den Augen Springet er aus aller Schand; Seinen Mantel in der Hand Sitzt sie starr und möchte taugen Zu dem Bilde, das versteinet Jeden, der's zu sehen meinet. Liebe in Medusens Herzen Wird zur Rache an der Lust, Sie bewaffnet ihre Brust Und sie trotzet allen Schmerzen, Und sie bricht des Weibes Schranken Mit entsetzlichen Gedanken. Siebente Romanze Aus dem Land ist sie gereiset Und das Opernhaus steht leer, Als wenn keiner übrig wär, Gleich als war Apoll verwaiset, Und als wären alle Musen Fortgezogen mit Medusen. Tief verwundet ohne Wunde Nelson liegt von Gram schwer krank, Immer tönt ihm ihr Gesang, Sehnsucht wächst mit jeder Stunde; In dem hellen Marmorbade Suchet er des Himmels Gnade. Heiß und kalte Röhren laufen, Wie gebeut sein Eigensinn, Doch er schwindet sichtbar hin, Will sich nun im Meere taufen, Das er sonst mit kühnem Geiste Nur beherrschte und bereiste. Denn des Meerbads Wundertaten Lösen manche alte Schuld, Unermeßlich ist die Huld Und das Baden anzuraten In dem Urquell aller Welten, Den die Geister Gottes schwellten. Achte Romanze Doch Meduse sich verkleidet Ganz als Mann am festen Land, Sie zerreißt das Friedensband Und die Völker wieder scheidet, Durch die Nachricht, daß erkranket Nelson hin zum Grabe wanket. Und sie eilen sich zu rächen, Wählen sie zum Führer gleich, Es steht auf das ganze Reich, Töricht sie den Frieden brechen, Denn noch lebt der alte Leue, Not belebet ihn aufs neue. Da erwacht sein Geist in Kräften Und durchlebt den Körper schnell, Wieder steigt er auf die Well, Kann des Mutes Blicke heften, Und gestärket sind die Zagen, Und vereinet, die was wagen. Ihn mit Waffen zu bestehen, Scheint Medusen allzukühn, Nein sie will im Sturme ziehn Auf das Land ganz ungesehen; Wachsam stets, im Sturm zu schlagen, Müßte Nelson endlich wagen. Sturm im Sturm, o Schlacht der Schlachten, Wo der Blitz Kanonen löst, Und der Sturm zusammenstößt Freund und Feinde ohn Beachten, Wenig Waffen sind zu brauchen, Doch die Menschen zornig hauchen. Und die von den Schiffen fallen, Fallen sich noch in die Haar, Eh' im Abgrund liegt die Schar, Ihre Augen sich auskrallen, Und sie fahren blind zur Hölle Mit der nächsten Sturmeswelle. Nelson nimmt drei Schiff der Feinde, Doch die überlegne Macht Ihn mit neuer Wut umkracht, Sturmes Schrecken sie vereinte, Ihre Macht ist überlegen, Doch ihm bleibt sein tapfrer Degen. Als sein Schiff im schnellen Sinken Entert er mit kluger List, Springt mit seinem Bild als Christ Aufs Verdeck, wo Feinde blinken Was Meduse hat gezieret Und mit blinder Rache führet. »Ist das Schiff uns eingefroren?« Ruft sie aus und kann nicht los, »Meiner Freunde ganzer Troß Springt hinein wie lust'ge Toren«, So hat er das Schiff genommen Und die Flagge überkommen. Neunte Romanze Tag der Tage nach dem Siege, Schwer verwundet hegt der Held, Überwunden liegt die Welt; Daß sie seine Fesseln trüge Ihm Meduse liegt zu Füßen, Wagt es nicht ihn zu begrüßen. »Tag der Tage, sieh mich wieder, Sieh Meduse war dein Feind, Dich zur Lieb zu zwingen Freund Wärmet ich die zarten Glieder; In dem Dunkel dich zu morden, Ist vom Schicksal mir geworden. Bin gefangen und verdammet, Herr vergib und sieh mich an, Sieh mich recht, ich bin kein Mann, Alles Unheil von mir stammet, Lieb und Rach hat mich genecket, Alle Feind hab ich erwecket.« Reich in Perlen steigt Meduse Aus der Waffen Muschelschal Und der Schlange alte Qual Sinkt zum Grund vom Meeresbusen; Schamrot sind die holden Wangen, Nun ist Wonn ihm aufgegangen. Fest mit seinen letzten Kräften, Mit der Freude Allgewalt, Drückt er nun die Lustgestalt, Will er an sein Herz sie heften; Ihr Verlangen ist nur Schwäche, Und ihr Wunsch sind Tränenbäche. Also beide sich begegnen, Sie voll Liebreiz, er voll Blut, Hohe Schönheit, hoher Mut Möchtet ihr so alle segnen, Daß bei ihren Liebeszeichen Ganzer Völker Kämpfe weichen. Auf das Land wird er getragen, Auf den Wagen lorbeergrün, Er nimmt mit das Mädchen kühn, Seinen Arm um sie geschlagen, Also ziehen diese beide In die Hauptstadt voller Freude. Seht der Sieger gibt die Flagge, Die er kühnlich nahm im Kampf, Schwarz vom lichten Pulverdampf Daß Meduse sie nun trage, Also ziehn sie durch die Straßen, Die voll schöner Frauen saßen. Gar mit herrlichen Tapeten War behangen jedes Haus Und aus jedem fiel ein Strauß, Auf den Dächern klangen Flöten; Also sie zur Kirche ziehen, Um zu lohnen ihre Mühen. Einen Ring von jener Kette, Die der Liebling kühn zerbrach, Schenkt sie ihm am Hochzeittag; Schöne Schuld, welch Ehrenbette, Selbst daß nun der Feind vernichtet, Hat die Liebe ausgerichtet. Knaben, Knaben bringet Myrten, Zündet Weihrauch vor dem Haus, Schönheit endet Winter-Graus, Löst in Frühling die Verwirrten, Gnade ist sie, schönes Wetter, Und ihr Liebling eurer Retter. Knaben, Knaben laßt uns toben Diese Nacht ums frohe Haus, Bringt ein Lebehoch hier aus, Daß sie in der Stille droben Für uns ruhen, für uns wirken In den bläulichen Bezirken. Denn so wie die Feier über, Sie umfaßt der blut'ge Held, Es vergeht ihm rings die Welt, Und er schwebet gleich hinüber, Wo erstorbner Helden Tugend Neu entsprießt in ew'ger Jugend. Keiner wagt sein Weib zu trennen, Starr und tot umschließt er sie, Und sie singt, so sang sie nie, Bis sie kann den Tag erkennen, Singt die Seele liebemüde Aus in einem sel'gen Liede. »Aber sagen Sie mir«, fragte die Kranke, »ist die Geschichte wirklich so ganz wahr?« – Wir lachten. – »Hat's mir nicht geträumt, so ist es wirklich wahr.« – »Träumen? Mein werter Geschichtschreiber, da fällt mir eben ein, worauf ich mich so lange besonnen, haben wir Sie nicht vor einigen Tagen Nachts beim Tore angetroffen, wo Sie mit einem Gedichte über die Träume Ihren verträumten Mantel auslösten.« – »Das bemerken Sie erst jetzt?« – »Sind Sie es wirklich?« fragten einige. – »Sie finden mich verändert, seit jener Nacht hat sich auch meine Lebensweise ganz verwandelt; einige Ahndungen überzeugen mich, daß in Europa nach ein paar Jahren dieser wunderbare Zustand ohne Gegenwart dauern wird, der uns jetzt ängstigt, ein Freund verspricht mir Gelegenheit um die Welt zu segeln. Komm ich wieder, so habe ich meine Zeit nach bester Kraft genutzt und trete schuldlos in die neue Zeit von Europa.« – »Lassen Sie uns wenigstens Ihren Namen zurück, daß wir Sie wieder erkennen, wenn der fremde Himmel Sie gebeizt hat.« – »Ariel ist mein Name!« –