Jens Baggesen Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer Ein dramatisches Gedicht in drei Abtheilungen Erster Theil [Motto] »Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer, Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction, Mit trefflichen pragmatischen Maximen –« Faust der ältere. Personen Personen des Vorspiels. Lüthard, Herzog von Romanien. Herzogin, dessen Gemahlin. Graf von Strafmichgott, Generalfeldmarschall. Prinz von Kotbus. Prinz von Ellenbogen. General von Wirbelzopf. Festungscommandant. Obristwachtmeister. Julchen, eine kleine Hofdame. Madame Dauphin. (Frau von Stael.) Opitz, Baron von Boberfeld. (Göthe.) Werder, Hofburgrath. (Wieland.) Jordan Bruno, reisender Gelehrter. (Fichte.) St. Preux. (Jean Paul.) Doctor Stirn. ( Dr . Gall.) Doctor Schädlein. Tollhausinspector. Kammerherr. Adjutant des Herzogs. Keit. Ein anderer Toller. Eine Wahnsinnige. Ein Unbekannter. Mehrere Schriftsteller. Mehrere Hofdamen. Mehrere Stabsofficiere. Wirthin in Jauer. Bediente. Romanische Soldaten. Kalmucken, Tataren und Samojeden. Marketenderin. Courriere. Eine Philisterarmee von fünf- bis sechshunderttausend Mann. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Der Herzog Lüthard und der Generalfeldmarschall Strafmichgott sitzen an einem kleinen Tisch und spielen Schach. Kammerherr steht neben der Thür und zupft an seiner Cravatte. Ich nehme Seinen Thurm – in sein Spiel vertieft. Dann nimmt der Herzog Den Thurm, und ich – rochir' – Ich nehm' ihn, sag' ich, Wenn Er nicht deckt. laut. Es ist in meinem Plan. Der Herzog nimmt den Thurm. Und jetzt rochir' ich. Eure Hoheit dachten Wohl nicht an diese Wendung? Jetzo steht Das Spiel gerade so, wie zwanzig Züge Vorher ich es berechnet, straf mich Gott! Das wäre! Laß mal sehn! Indem er zieht. Nach meiner Meinung Ist Seine Königin nicht mehr zu retten. Zum Beispiel – Schach! Auch darauf war ich längst Gefaßt. Er bedenkt sich lange, unterdessen wird die Thür geöffnet, und der Kammerherr naht sich dem Herzog. Der Polizeiminister! Sag' ihm, Er müsse warten. Mitten jetzt im Schach – Es scheint, er habe was entdeckt – Entdeckt? Ist er sehr stark bepackt? Wie nie! Er schwitzt. Was meint Er, Generalfeldmarschall? Soll ich Herein ihn lassen? zerstreut. Wen? Den Polizei- Minister? halb vor sich. Jetzt! wo's Spiel gerade ... Laut. Geben Sich Eure Hoheit überwunden? Wie? Mich überwunden? Nimmermehr! Mein Spiel Steht besser als das Seine. Zum Kammerherrn. Kammerherr! Bitt' er den Baron Hinketeufel , außen Ein'n Augenblick zu warten! Zu Strafmichgott. Sput' Er sich, Feldmarschall! denn mein Frühstück wird mir kalt. sein Spiel betrachtend. So , straf mich Gott! – Laut. Es haben Eure Hoheit Ja schon gefrühstückt! Körperlich. Mein Geist Ist immer noch des Morgens völlig nüchtern, Bevor ich, was des Nachts passirt, gehört – Die Polizeiberichte. Seit die Hauptstadt Vom Feind genommen, bin ich Directeur Der Polizei, so viel ich weiß – Der großen ; Der kleinen aber nicht. Regierungskunst Steckt ganz in der geheimen Polizei – Das hab' ich Ihm so oft gesagt – und diese Besorg' ich durch den Hinketeufel selber; Der ist mein Auge nur; und nicht einmal: – Im Grunde nur mein Augenglas. Ich halte Den Generalstab hoch; doch 's Militair Kann überall nicht seyn – zumal wenn Alles Im Lager ist. Wo's fehlt, ist ja des Feindes , Eu'r Hoheit! Das muß man den Vandaln lassen: Die Polizei verstehn sie. Wo sie sind, Ist sicher gar kein Aufstand zu befürchten – Das Gute hat der Krieg auf jeden Fall. Er vertieft sich wieder in sein Spiel. Der arme Hinketeufel ! Zum Kammerherrn. Frag' Er doch, Ihm leis' in's Ohr. Ob er was Neues bringt von dem bewußten Hebammen-Pikenik, wo die Maitresse Des Prinz von Ell .... Genug! Er wird verstehn! Kammerherr aus, und wieder herein. dem Herzog leis' in's Ohr. Noch heute nicht, Eu'r Hoheit. Nun – das andre – Sag' ihm, ich sey beschäftigt jetzt – er mög' Ihm Die Portefeuillen geben. Werde sie Nachher durchsehn. – Zum Generalfeldmarschall, während der Kammerherr aus-, und wieder eintritt. Ich habe Schach gesagt. Thut nichts. Was sagen aber Eure Hoheit Zu diesem Zug? betrachtet genau das Spiel, und zieht. Ich sage Schach, und – Matt! Matt – matt! – Schach-matt – was? sagen Eure Hoheit Matt? was? wo? wie? – Ja! straf mich – Matt! Ist's möglich? Es muß wohl, weil es wirklich ist. Feldmarschall! Fatale Vorbedeutung! Spielt er nicht Das große Schachspiel bald im Felde besser, Dann wehe meinem Herzogthum! aufstehend. Gerade Das Gegentheil, erlauben Eure Hoheit! Sehr gute, straf mich! gute Vorbedeutung. Ich habe nämlich meinen Plan verfolgt, Den Regeln der bejahrten Taktik treu, Und Eure Hoheit haben's Spiel gewonnen. ebenfalls aufstehend. Genug vom Spiel! Jetzt zu was Ernsterem. Er meint denn also, Generalfeldmarschall, Man müsse nur anrücken lassen? Unstreitig, Eure Hoheit, straf mich Gott! Werd' ich sie Alle schlagen – und je mehr Je besser. – Darum möcht' ich eben Sie All', im Lande hier, auf einen Fleck Zusammenhaben. Denn zusammenhaben Und sie zusammenhauen, Allzusammen, Das ist mir allzusammen Eins, so wahr Ich lebe, straf mich Gott! Die Generale, Zumal der Tatarn und der Samojeden, Sind alle ganz verschiedner Meinung. Alle Sind eingekommen mit Gesuchen – haben Hier vor mir, Einer nach dem Andern, gar Auf ihren Knien geweint, geschluchzt, gefleht, Ich möcht' es nicht darauf ankommen lassen, Nicht warten, bis der Feind uns, überlegen An Zahl, vielleicht umflügle; sondern gleich Den Vordertrupp angreifen, und sein Heer So nach und nach aufreiben. Nach und nach? – Auf einmal müssen, straf mich! alle Heere Vernichtet werden, ganz, daß auch kein Flüchtling Am Leben bleibt. – Was ich am meisten fürchte Vom Feind, ist seine Flucht. Und schlügen wir Das erste Heer, so flöhen gleich die andern. Doch sind dreihunderttausend Mann schon da. Vierhunderttausend schon, so straf mich Gott! Die Reiterei noch ausgenommen, und Es nahn schon hunderttausend andre. Donner! Thut nichts, Eu'r Hoheit, straf mich Gott! Was giebt Ihm eigentlich die Zuversicht, Feldmarschall, Die übergroße Zuversicht? auf seinen Kopf deutend. Das hier, Das grau geworden in der alten Taktik – Die Festung Dummliz, die unüberwindlich – Und dieser Stock – Er macht einen Schwung damit. Sein Stock da? Ja, mein Stock, Die Seele der Armee, – der Disciplin Erfuchtler und Erhalter, tausendfach In meiner Korporale Marschallstäben Verkörpert. – Dies von Seiten unsrer! Und Von Feindes Seiten? Die Grünschnäblerei Der Führer, und der Plunder der Geführten! Was sind's am Ende? Winz'ge Zwerghalunken, Kaum fünf Fuß hoch! nur Lumpenkerls, Gesindel Aus allen Ständen, Bauerlümmel, Bettler, Worunter Juden, und Studenten gar, Perrückenmacher, Schneider und Gelehrte; Gelehrte, hat man mir gesagt – bedenken Doch Eure Hoheit! – selbst Gelehrte! Was Bedeutet all' das Zeug? Laß zehnmal stärker An Zahl sie seyn – mit einem einzigen Gehörig durchgefuchtelten Grebiner Schlag' ich zweitausend lange Hosenträger Todt – mausetodt, so straf mich Gott! Sie sind Jetzt auch disciplinirt. Kein' Ahnung! Nichts! Kein Stock wird noch gebraucht. Und ohne Stock Ist Disciplin so wenig möglich, als Bewährte Taktik ohne graue Haare, Und ächter Korporalschnitt ohne Zopf. Doch sie gehorchen ihren Führern, und Die Führer, grüne Schnäbel, wie sie sind, Verstehen's, wie es scheint. Verstehen – was? Die Taktik, wie gesagt, verstehn sie nicht, Und also nicht den Krieg. Sie waren doch Bis jetzt beständig Sieger. Freut mich eben! Die Ehr' ist um so größer, sie zu schlagen. Ich habe zwanzig Jahre drauf gelauert – Jetzt ist mein Wunsch erfullt. Man klopft außen an der Thür. Kamemrherr geht hinaus, und kömmt wieder herein – sich gegen den Herzog verbeugend. Courrier aus Pilzach, Mit wichtigen Depeschen, die er selbst Muß Euer Hoheit übergeben, sagt er. zum Generalfeldmarschall. Des Baron Schnüffelbrenner's ganz gewiß! 'S st hohe Zeit. – Zum Kammerherrn. Herein! Ich – Bleib' Er nur! Wir lesen sie zusammen gleich. – Er muß Vor Allen wissen, wie es steht da draußen. Kammerherr ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. tritt herein und übergiebt dem Herzog die Depeschen. Wenn gnädigst – erbricht den Brief. Wart' Er nur! Fängt an zu lesen. »Durchlauchtigster, Erhabenster, unüberwindlichster Monarch, mein gnäd'ger Fürst und Herr!« – Nun kömmt's – Was Teufel? Alles ist chiffrirt! Das muß Verflucht geheim und wichtig seyn! Zum Courrier. Hör' Er! Versteht Er's dechiffriren? empfindlich. Gnäd'ger Herr! Ich bin Gesandschaftsheimlicher – Das heißt? Der Secretair der Legation. Das freut mich; So komm' Er her, und les' uns das! empfängt die Depeschen und liest. »Gehorsamst, Pflichtschuldigst, nach dreivierteljähr'gem Tragen, Antragen und H'rumtragen, eifervoll Für meines Fürsten Ehr' und Zwischenseyn In jeder Zufallsfügung« – unterbrechend. Halt' Er da! – Was heißt das Alles, kurz gefaßt! Ganz kurz: nach neunmonatlichem Bestreben. Wozu denn das Uebrige? Sag' Er von mir dem Baron Schnüffelbrenner, er solle sich künftighin kürzer fassen und deutsch ausdrücken. Denn ich will verstehen, was man mir schreibt. Nun weiter! »Umsichtsvoll zugleich und tiefdurchdrungen vom Bedarf der Aufrechthaltung eines erst im Keim aufstrebenden Vereins; das Zwischenseyn« – unterbrechend. Was sagt Er? Euer Hoheit Zwischenseyn – Feldmarschall! versteht Er das? Habe noch kein Wort verstanden. Bitt' um Verzeihung! Zwischenseyn heißt so viel als Interesse . Teufelsdonner! Was ist das für eine Sprache? Kömmt Er mir noch ein einzig Mal mit so 'nem Wort, so sind ihm dreißig sicher, rechn' Er drauf! Nun weiter! aber kurz, hört Er? deutsch und kurz! fortlesend. »Das Interesse der Majestät beständig vor Augen, hab' ich endlich herausgebracht, warum der Harzgesandte die Prise, die der Fichtelberger ihm auffallend höflich bot, und die er lächelnd, auch scheinbar artig, annahm, fallen ließ. Das hübsche Fräulein Schmieder, das nun wirklich Hofdame bei der Kurfürstin geworden, wo der Kurprinz sie alle Wochen sieht, und bisweilen spricht, sagt man, steckt dahinter.« – zum Generalfeldmarschall. Der Schnüffelbrenner, das muß man ihm lassen, hat eine feine Nase. Bravo! das also hat er am Ende herausgerochen! Was geht uns aber – schnell einfallend. Das sag' Er nicht! Alles, auch das Kleinste, ist bedeutend. Das sind Cabinetsverkehre, worauf Er sich, wie überhaupt im Ganzen auf Staatsraisons, nicht versteht. Auch braucht Er's nicht, als Feldherr. Er hat nur auf das Große zu sehen. Ich seh' auf den Kamaschendienst – Da hat Er recht. Mir aber ist auch das Kleine wichtig, denn es liegt das Große im Kleinen, wie der Staat mit allem Räderwerk von Krieg und Frieden in meinem Kopfe. Zum Courrier. Les' Er nur weiter, Gesandtschaftssecretair! fortlesend. »Auf diese Spur einmal gebracht, hab' ich mich unverzüglich bei'm Mundkoch Seiner Excellenz, wo das Begebt-Euch des urkundlichen Körpers, –« Wessen Körpers? sich corrigirend. Des corps diplomatique « – Was hat das bei'm Koch zu thun? Da ist das Rendez-vous seit mehr als einem Monat. Gut! – Weiter! fortlesend. ... »einführen lassen, und die hübsche Tochter desselben, der sie Alle den Hof machen, und die mir, ohne mich zu rühmen, besonders gut scheint, – sie hat viel Geist, und weiß von Allem – steckt mir, was Seine Excellenz ihrem Vater Wichtiges vertraut. Auf diese Weise vernahm ich schon gestern, daß auf eine Weise von mir gesprochen worden, die mich hoffen läßt, noch ehe das Jahr um ist, vorgelassen zu werden. – Was man übrigens hier mit uns vorhat, ist mir bis jetzt auszuspüren unmöglich gewesen. So viel scheint indessen gewiß, daß vor dem Herbste schwerlich die Armee, wohin es auch sey, beweglich werde. Das verbürg' ich Euer Hoheit, daß auch, was uns betrifft, sich Keiner rühmen wird, aus mir in irgend etwas je klug geworden zu seyn. – In der tiefsten Demuth – Genug! Der Brief hat noch eine Nachschrift, Gnädigster – schnell. Laß hören! lesend. »Während ich beschäftigt bin, diese Depesche zu chiffriren, wird ganz unvermuthet der Armee der Befehl zum Aufbruch gegen uns ertheilt. Während ich selber ihm auf der Ferse nachfolge, sende ich auf gut Glück den Gesandtschaftssecretair als Courrier. Möge er nur früher eintreffen als der feindliche Trompeter!« Courrier verbeugt sich und geht ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Was sagt Er nun dazu, Feldmarschall? der, an's Fenster gelehnt, eingeschlafen war, auffahrend. Straf mich – Hat Alles nichts zu sagen. Hunderttausend – Und zehnmalhunderttausend – Alles Eins! Man warte nur ganz ruhig! Marschall! Marschall! Ich fürcht', Er spielt zu hoch das Spiel, und ich Bezahl's am Ende. – Doch ich wag' es drauf! Es ist mir gnug, daß Alle gegen Ihn. Man soll nicht sagen, daß sich Herzog Lüthard Hat rathen lassen. Ist sein Zögern doch Zum mindsten gegen allen Rath! Nur That Ist meine Sach', und meines Herzogs Wille Mein einziges Gesetz, so straf mich Gott! Ich weiß, daß auszurotten die Vandalen Des Herzogs Wille ist – In Bund und Grund. an der Thür. Courrier! Herein! 4. Auftritt Vierter Auftritt. tritt auf. Die Philister stehen schon auf dem großen Jauerfelde nahe bei Dummliz; nur zwei Meilen von hier. Laß sie stehen! – Wie stark sind sie? Fünfhunderttausend Mann stark. Und sechshunderttausend, sagt man, seyen nicht weit hinter ihnen her im Anzug. Gut! Eilbote watschelt ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Wahrhaftig, Herr Generalfeldmarschall, Er flößt Einem Muth und Vertrauen ein mit seiner Ruhe. Aber sag' Er: Was Teufels hat Er da für Feldcourriere? Der Kerl ist ja nichts als Bauch! Der Bote? Ja, der Courrier eben. Watschelt er nicht daher wie eine trächtige Kuh? der dickste Fettwanst im ganzen Reich! lächelnd. Ich habe ihn selber zu dem Posten ausersehen. Alles mit Vorbedacht, Eure Hoheit! Im Felde ist nichts gefährlicher als Uebereilung. Langsam, sag' ich immer, nur langsam! an der Thür. Noch ein Bote kömmt. Herein! 6. Auftritt Sechster Auftritt. stürzt athemlos herein. Die siebenhunderttausend Mann, die im Anzug sind – Langsam! geb' Er sich nur Zeit! – Nun, was sind sie? Sind zu den Andern schon gestoßen. Schön! Nichts zu befehlen weiter, Herr General – – Nichts. Zweiter Eilbote ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Wir werden morgen, oder übermorgen aufbrechen; denn sie werden nach so schnellen Märschen ausruhen müssen. Generalfeldmarschall! Nur ruhig, Majestät! Lassen sie unterdessen die Lustbarkeiten, wie sie hier in Jauer etwa zu haben sind, beginnen. Denn die Schlacht ist, straf mich Gott! schon gewonnen. Uebermorgen findet kein Philister-Esel mehr Futter in ganz Romanien. Das gebe Gott! öffnet die Thür. Die Herzogin! 8. Auftritt Achter Auftritt. Herzog. Generalfeldmarschall. Kammerherr . Die Herzogin , von Hofdamen begleitet, die sich zu beiden Seiten stellen, nähert sich dem Herzog, ihn unruhig anblickend. Wie steht es, Lieber? – Ist Dir nicht wohl? Hast Du nicht gut geschlafen? Ist etwas vorgefallen? Du siehst so ernsthaft aus. Das Ding wird auch ernsthaft. Elf- bis zwölfhunderttausend bisher unüberwindliche Krabaten stehen gegenwärtig nur noch ein paar Meilen von Jauer. zu dem Generalfeldmarschall sich wendend. Und Sie, Herr Feldmarschall, stehen noch hier? Und Riemand rührt sich? Freilich, es ist grausam von mir, so lange zu warten, doch Schonung wäre Schwäche, Hochverrath, ja wahre Sünde, Hoheit! Straf mich Gott! zum Herzog. Was meint er damit? Was will er sagen? Daß er mitleidslos sie Alle auf einmal morgen oder übermorgen gräßlich zusammenhauen werde. Gott sey Dank! Aber ist das gewiß? Ist das gewiß? Ist das gewiß? gewiß? gewiß? – Gewisser als gewiß! Unfehlbar! straf mich Gott! zum Herzog. Dann bleiben wir, nicht wahr, bis übermorgen hier? Natürlich. Denn vorwärts können wir nicht, und ich werde in meinem Leben niemals rückwärts gehen. Das Wirthshaus hier ist aber ganz erbärmlich, und es fehlt gänzlich an Platz, zumal da es voll von Fremden ist. zur Herzogin. Was für Fremde? sind's notable Personen? Sehr notable. Ich wünschte herzlich, zu einer andern Zeit, die Einen kennen zu lernen, die Andern fürstlich zu bewirthen. Erstlich ist da der gute alte Werder . Lebt der noch? Pfui, schämen Sie sich, Herr Generalfeldmarschall! solches nicht zu wissen. Burgrath, glaub' ich – Pah! Dann Bruno, der berühmte Jordan Bruno aus Nola. O! den wünschten wirken nen zu lernen. Warum gerade Den? Nur um zu wissen, wie ein Atheist aussieht. auf den Feldmarschall zeigend. Da sehen Sie nur Den an, nicht Bruno. Straf mich Gott! Die Hoheit belieben zu scherzen. Hab' an Theismus in meinem Leben nie gedacht. Und dann Saint-Preux! vor Freude hüpfend. Saint- Preux! Saint-Preux! O könnt' ich nur die Spitze seines kleinen Fingers sehen! O mein Saint- Preux! Wer ist das? Ein Franzos? Dem Namen nach; aber der Sprache nach ein Deutscher, und übrigens ein Mensch – Mehr als ein Mensch – Ein Blumengenius – Ein Engel – Ein Geist! – Dann endlich, den Parnaß zu krönen, unser Opitz . Der große Opitz! göttlich, göttlich! Der Herr von Boberfeld? ein artiger Mann, und – straf mich Gott! sehr gescheut. Sie kennen also – Den Herrn von Boberfeld? Gar sehr. Doch schwerlich den Opitz. Allerdings sind das notable Personen; vielleicht die notabelsten, die ich in meinen Staaten besitze. Möchte sie gerne einmal um mich versammeln. Willst Du, mein Bester? Es kann geschehen; wir laden sie zu Mittag! hüpfend. Dann haben wir fruchtbringende Gesellschaft. Ist aber was zu haben hier? Sie werden schwerlich mehr essen, als die sieben Obristen, die heute nicht kommen, und auf die man doch gerechnet hatte. Saint-Preux ißt nichts. Woher weißt Du das, mein Julchen? Er lebt von Maienthau? Närrchen! glaubst Du das? Gewiß! ein wenig Honig vielleicht, und dann und wann ein Bischen Salz dazu – wenigstens hab' ich ihn mir beständig so vorgestellt. Sie trinken aber. Nur Rheinwein. Den hab' ich leider nicht. Ist unser Rheinwein alle? Ich fürchte. Bier trank Opitz vor Zeiten gern, ächtdeutsches Bier. Solches ist hier vortrefflich zu haben. Aber – öffnet die Thür, ein Bedienter tritt herein, und flüstert ihm etwas in's Ohr. Der Doctor Stirn steigt eben ab in diesem Wirthshaus. Alle, außer dem Herzog und der Herzogin, laufen an die Fenster. Der ist es! Der ist es! Der mit dem großen Schädel. Himmel! was ist das? Ich glaube, er hat sich einen Todtenkopf zum Reisen aufgesetzt. Wahrhaftig! ich möchte aber gern seinen eigenen Kopf sehn. Der liegt noch im Koffer. Was schwatzt Ihr da für Zeug? Seyd Ihr toll, Ihr Mädchen? Straf mich Gott! ich glaube selbst, es ist nur ein Reisekopf. Ein Bedienter öffnet wieder die Thür. Frau Dauphin ist angekommen. Madame Dauphin! Dauphine! Gott! Delphine! zum Herzog. Ich muß gestehen, Du thätest mir einen großen Gefallen, mein Gemahl! wenn Du mir erlauben würdest, sie alle heute zur Tafel einzuladen. Die Hofdamen hüpfen. In Gottes Namen! – Hätten wir nur mehr Local! In diesem jämmerlichen Wirthshause kann man sich ja kaum rühren. – Sind es doch allesammt solche Namen, die zur Hälfte die halbe Welt erfüllen! Gerade solche brauchen wenig Platz. Es schickt sich noch weniger, Andere so einzuengen, als uns selbst. – Man rufe den Wirth! indem er die Thür öffnet, und einem Bedienten Ordre giebt. Es ist eine Wirthin, Eure Hoheit. Gleichviel. Zum Generalfeldmarschall. Ist aber nicht noch ein anderes größeres Gebäude hier? Das Tollhaus. Ist Er toll? Das Tollhaus – straf mich Gott! ein hübsch Gebäude: geräumig, Hof und Garten. Man jagt die Tollen heraus sammt dem Inspector. Die Tollen loslassen! Ist Er toll? frag' ich noch einmal. Sie würden ja gleich das Dorf anzünden, oder – So schlage man sie todt, um Unglück zu verhüten. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Kammerherr öffnet die Thür. Die Wirthin tritt herein mit vielen Knixen. Höre Sie, Frau Wirthin! ist hier in Jauer nicht eine Art von Schloß? Das Tollhaus – Ihro Hoheit aufzuwarten! Habe mich schon gewundert, daß Ihro Hoheit nicht sogleich darnach gefragt haben. Es war vor Zeiten das Stammschloß – blieb lang verfallen – bis etwa vor sechzig oder siebenzig Jahren es ganz reparirt und aufgeputzt wurde vom seligen Herzog – Gott erhalt' ihn selig, lang, in seinem Grabe! Er war ein gar guter Herr! Wischt sich die Augen mit der Schürze. Wir bekommen schwerlich – doch – Ihro Hoheit sind ja sein Herr Sohn! was sag' ich denn? – Das Haus ist werth, gesehen zu werden. Es haben es auch alle hohe Reisende bis jetzt besichtigt, und waren sehr zufrieden damit. Hat einen großen Garten – schön umgeben mit hohen Mauern, aufzuwarten! Und Keller, Hof und Wagenschaur und Stall, und einen Blitzableiter auf dem Dach seit Ostern. – Die kleine Hoheit da Auf Julchen zeigend. hat es schon von der Küche aus gesehen – und dann ist der Inspector – wie heißt er doch? – Verzeihen Ihro Hoheit! ich kann mir den curiosen Namen nie recht behalten – genug, der Herr Inspector, der Tollinspector ist ein Herr, der lebt wie Ihro Hoheit fast – ein Tisch, wie ehmals bei meinem alten Herrn, dem Superintendenten, – Gott hab' ihn selig! – alle Tage Braten, Geflügel und Pasteten, und den besten Johannisberger, der nicht mehr zu haben – Gott sey's geklagt! – übrigens ein ganz natürlicher, gemeiner Herr, der gar nicht stolz, nein, gar nicht vornehm, auch im Schlosse bei'm ganzen Regiment sehr beliebt ist – obgleich sie sämmtlich – Gott behüte einen jeden guten Christen! und uns Alle! – Sie prickelt sich auf die Stirn. hier rappeln – Ihro Hoheit aufzuwarten! Ist Sie fertig? Der Herr Inspector – zupft sie bei'm Rock. Schweigt doch, schweigt, Wenn Ihr mit Seiner Hoheit sprecht! Ja so! Laßt den Inspector rufen! geht zur Thür, die Wirthin mitziehend. Ihro Hoheit! – Aufzuwarten! Knixend ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Ich will allein seyn. mit den Hofdamen abgehend. Also mein Gemahl? Ich hab's bewilligt – also bleibt's dabei. Indem sie Alle herausgehen, ruft noch der. Der Prinz von Ellenbogen! mit der Hand abschlagend. Nicht doch! Niemand. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Tollhausinspector , und Doctor Stirn , der eben angekommen, gehen im Gespräch mit einander auf und ab. Bruno unterhält sich mit einem Narren auf der einen, und St. Preux mit einer Närrin auf der anderen Seite. Sie sehn, Herr Doctor, daß für frische Luft Gesorgt ist. Ueberhaupt, ich schmeichle mir, Daß ( ohne mich zu rühmen ) schwerlich je Sich irgendwo zweckvoller eingerichtet, Vollständiger im Innern, wie im Aeußern, Und reichsverfassungsmäßiger in Allem Ein Irrhaus finden wird. Auch, Gott sey Dank, Fehlt's nicht, seit meiner Obhut hier, an Zufluß Von allen Orten her. Man strömt, man drängt sich Um Plätze – vollends seit den letzten Oster- Und Michaelismessen. Das Gebäude Glücklicherweis' ist sehr geräumig, weit Das größt' im ganzen heilg'en röm'schen Reich. Das freut mich. In der That, nach dem, was alles Ich hier gesehen, wäre sehr zu wünschen, Daß alle Institute gleicher Art Von der Zweckmäßigkeit – Da fehlt wohl viel? Ich habe nie gereist. Was Inneres Betrifft, da fand ich solches ungefähr In allen Instituten ganz dasselbe; Im Aeußern aber fehlet allerdings Gar viel, daß irgend eins mit diesem sich Vergleichen könn' – es möchte höchstens etwa Das heutige Taubstummeninstitut Der Freiheit in Paris Ausnahme machen. Sind die Mitglieder alle hier bekreuzt Zum Beispiel? Wie, Herr Doctor, meinen Sie? Ich mein': ob sie ein äußres Zeichen haben, Damit man sie von Pflegern, Wärtern, Wächtern, Und sonstigen Beamten, leicht und schnell Und unzweideutig unterscheiden könne? Ein Kreuz, zum Beispiel, wär's auch etwa bloß Von rother Kreide, wie das Schlächterkreuz Pikardischer Marktschafe? Nein, bis Dato Sind sie bloß numerirt gewesen. Doch – (Ich bin für die Bemerkung Ihnen sehr Verbunden, werthester Herr Doctor) – nächstens Werd' ich auch Sorge tragen, daß daneben Sie decorirt noch werden. Wüßt' ich nur, Wo solches Zeichen ihnen anzubringen, Und wie ? Denn weit die mehrsten reißen alle Bedeckung von sich ab. Nicht bloß die Nonnen, Auch selbst die Brüder Einsiedler (so nennen Wir die, so hier im Garten innerhalb Des Hauptgebäudes ihre Zellen haben) Gehn oft – und zwar am liebsten – splitternackt. Dann – malen Sie es ihnen auf die Brust – Noch besser an die Stirn – am allerbesten (Ich thät's an Ihrer Stelle) an den Hintern – Da lassen Sie's einbrennen! Ihre Haut Ist zarter nicht, als die der übrigen Geschor'nen Wollenthier' – Es wird sogar Recht angenehm sie kitzeln. Denn so sind Die Menschen einmal: fast bei keinem Thiere Fehlt das Organ für Außenwürde gänzlich. Sie unterscheiden wenig, wie es scheint, Das Zweibein von dem Vierbein, die Vernunft Vom Sinninstinct, Herr Doctor? Wenig? – Gar nicht! Der Mensch ist ein durch Sprache, Priesterthum, Und Staatsverfassung tollgeword'nes Thier. – Sie haben einen guten Arzt? Ich kann Noch nicht urtheilen. Doch ich glaub'. Er ist So eben angekommen. Der vorher'ge (Der auch Magnetiseur noch war) – erhielt 'nen Ruf nach – Ding – als Universitätsarzt. Wir haben viel an ihm verlor'n; er kannte Die Tollen alle, hatte sie studirt, Und nichts als sie. Er wußt' um so viel besser Mit ihnen umzugehn, als er auch selber Ganz richtig nicht im Kopfe war. Indessen Kann dieser ebenfalls sehr brav noch werden. Er hat, so jung er ist, schon viel Empirik, Und ist ein halber Schüler des berühmten Hirndoctor Stirn . Der bin ich eben. nimmt den Hut ab. Ist's möglich! Freut unendlich mich, Herr Doctor, Die Ehre, einen Mann – Verzeihen Sie, Ich hatte Dero werthen Namen falsch Gehört. 'S ist unverzeihlich – hätt' an Ihrer Stirne Gleich lesen sollen – Sie sind gar zu gütig, Herr Tollinspector! – Sagen Sie mir doch, Weil ich nun einmal hier bin, lassen sich Die Zöglinge die Köpfe gern befühlen? Nicht alle, werthester Herr Doctor. Ein'ge Hab' ich, als ihr Herr Schüler ankam, mit Gewalt In rings mit Eisen stark beschlag'ne Tonnen Festrammeln müssen, um sie etwas still Bei dem Versuch zu halten. Apropos! Es stecken drin ein Paar noch. Wenn's gefällig, So wollen wir sogleich in's Innere Des Kern-Psychlogikums – Psychlogikum? Ist das der Hörsaal? lächelnd. Nein, so nennt Herr Schädlein Das hies'ge Hirn-Laboratorium. Dort treffen wir ihn auch; er wird sich freun – Wenn Sie belieben also jetzt – Recht gern. Sie gehen zusammen nach den innern Zellen. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. zu einem Tollen an der rechten Seite. Man hat Ihn also, wie es scheint, mit Unrecht Hieher gebracht? Abscheulich! Giebt es Recht Im heutigen Zeitalter? Er hat Recht! Gab man denn gar nichts an, auch als Prätext? Prätext? Mehr als genug! Was? Meine Lehre: Ichlehr' – Urlehr' – Alllehr' – Einfachheitslehre – Mein Allerhöchstichselbstichheitssystem. Hat eine Einheitslehre Er geschrieben? Ein'? – o! mein armes Publicum! – nicht eine; Drei – neune – neunmalneunzig – neunmal alle – Geschrieben, längst gesetzt, gedruckt, geboten – Hör'! hat Er Ohren? hör' einmal! Zuerst Jordan's ; dann Jordan Bruno's ; dann Jordanus Bruno di Nola's ; dann unzählige Schlechthin alleinselbstseligmachende Einfachheitslehren, die gesammt aus jener Mithin, schlechthin, selbsthin, urselbstschlechthin Im logischstrengsten Widerspruche fließen. Jetzt hab' ich gnug. Sein Diener! Warte! warte! Ich will Ihm sie vom Anfang bis zum Ende, Das heißt, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Ganz kurz in einem Privatissimo Hier öffentlich für ein geringes Ehrgeld Gratis vorlesen. A – Spar' Er sich nur Die Müh'! Ich weiß schon alles, lieber Freund. Er kehrt sich weg. Den Teufel mag er wissen! Ist ein Esel! Kein Anderer weiß etwas, als das Ich; Und ich bin's Ich. Hör' Er nur, Monsieur Nicht-Ich! Ich werd' Ihn zum Verstehn schon zwingen: A – vor sich. Mir wird vor'm A in diesem Munde bange; Sein Ich macht meines schaudern – A – A – A – Bruno eilt zu einer entfernteren Zelle. 3. Auftritt Dritter Auftritt. PREUX zu einer Tollen an der linken Seite. Si e glauben denn an keinen Gott, Mamsell? Es ist kein Gott! PREUX. Wie kommen Sie darauf? Christus hat's selbst gesagt. PREUX. Ich steh' versteint – Wo hat er das gesagt? Wann hat er das Gesagt? Wem hat er das gesagt? Mir! mir! Mir selbst hat er's gesagt – und laut, laut, laut – Die Todten hörten's – und die Lebenden, Sie starben, als er's sagte – außer ich, Die todt zwar, aber nicht gestorben bin. Denn, sieht Er, mein jungfräulich dünner Leib Ist eine durchgebohrte Seifenblase, Und mein' ätherisch drin entpuppte Seele Der Traum im Traume. Sage, kann Er mir Im Sonnenschein aus weggeschmolz'nem Schnee Ein tüchtig Petermännchen machen? Was? Es ist kein Gott in aufgeklärten Zeiten – Auch giebt es keine Wonne mehr. Dahin! Dahin! Dahin! PREUX vor sich. Entsetzlich! Laut. Haben Sie Die Bibel nie gelesen? Darin stand Mit großen schwarzen glühenden Buchstaben Geschrieben – Sie sinnt nach. Weh mir! ach! ich hab's vergessen – Die Worte sind erlöscht; die Kohlen aber Geblieben – lauter Kohlen! Sie sinnt wieder nach. Jetzt erinnr' ich's! Es steht im Buche Richter , bei Johannes Am Schluß des Briefes vom Apostel Paul , Die sämmtlich abgebrannte Himmelsbürger Zu Hof im Vogtland sind. Kann Er Fractur Mit bloßen Augen lesen, starrer Blicker? Da steht's noch deutlich an der hellen Wand Mit meinem eignen Blute roth copirt – Schrieb ein Postscriptum drunter noch mit Thränen – Mit Thränen – aber die erst sichtbar werden Um Mitternacht. PREUX vor sich. Mir fährt's durch Mark und Bein! Laut. Sie glauben aber doch an den St. Paul ? Wie sollt' ich nicht! Er glaubt ja auch an mich. Ich bin, als Jungfrau, seine sel'ge Mutter, Die schmerzensreiche! Warum betet Er Sein Ave Magdalena nicht, und wirft Sich vor mir auf die Kniee nieder, wie Der Papst, und alle die gekrönten Sünder? PREUX weint. Ich halt' es nicht mehr aus. Unsel'ges Mädchen! Vielleicht hat Dir mein unvorsicht'ger Traum – Ach! Wein vertragen kaum die schwachen Nerven, Geschweige Weingeist, vollends Alkohol In Quintessenz. Der schönen Seelen Nektar Hab' ich, befürcht' ich – selbst davon berauscht – Zu Gift rectificirt. Was schwatzt Er da? Warum doch weint Er? Laß die Thränen mir! Ich will mich bis zur Seele ganz entblößen; Ich will mein'n Schawl von Abendroth abwerfen; Mein himmelblaues Hemd von Aether ausziehn, Und mein Nachthäubchen von Gestirnen gerne Wegschmeißen, wenn Er will – Was hat Er doch, Daß wie 'ne Hopfenstang' Er auf und ab Da steht, und's Mäulchen hängen läßt? PREUX lacht, indem er sich wegkehrt. Ich kann's Unmöglich lassen, trotz der inn'gen Rührung! Der Himmel weint' und lachte laut zugleich, Als ich empfangen wurde. Schmerz und Scherz Heiratheten einander in dem Stern, Worunter ich geboren. – Laut. Lebe wohl, Wahnsinn'ge Heil'ge! Gute Nacht, Freund Hain! PREUX geht nach einer andern Zelle, und schreibt, murmelnd, in seine Tafel. Der Schawl von Abendroth – das Hemd von Aether – Die Haube von Gestirnen – wenn hinzu Den Gürtel noch, den brennenden, ich füge – Von Mutter Erde welch ein Jungfraubild! Ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Doctor Stirn ohne den Inspector kommt zurück mit dem Arzt. All mein' Ideen! Es kann niemals fehlen! Sie stecken überall. Doch – finden Sie Nicht diese Kettentolle völlig heillos? Mein Lieber! unter uns gesagt, ich finde Die ganz Gesperrten noch gescheiter, als Die halb Gesperrten – und sie alle wen'ger Verrückt, als die, so gar nicht eingesperrt. Wie meinen Sie, Hochwürdigster? Mich irren Vernunftgrimassen nicht. Mit einem Wort: Ich halte fixe Tollheit der Ideen Für viel ersprießlicher als vage . Tief, Und umfangsvoll bemerkt! – Es halb schon ahnend, Bemüht' ich mich, die eigenen Ideen Nach Ihrem Hirnsystem mir zu fixiren. Es wird Sie nicht gereun! kömmt von der Zelle im Hintergrunde zurück und naht dem Doctor Stirn. Herr Doctor! hier Dicht neben Ihnen sitzt, in Nummer Neun, Ein Erznarr – wollten Sie die Güte haben, Den Kopf ihm zu befühlen? Herzlich gern! – Zu Schädlein. Doch, läßt er sich's gefallen? Hat bisweilen Nichts lieber – nur, weil er sich fühlt – Ich weiß schon. indem er Bruno gewahr wird. Dacht's wohl, daß Er bald wiederkommen würde Mitsammt den andern Eseln. Guten Morgen, Langohrig deutsches Publicum! leise zu Schädlein. Ein Hirn Voll negativer Höflichkeit, wie's scheint? ebenfalls leise. Bisweilen kaum zwei Linien entfernt Von positiver Grobheit. laut, zum Tollen. Kratzen Sie Sich einmal auch mit meiner Hand den Kopf, Ehrwürdigster! Gesetzt, ich thät's, was dann? ihm den Kopf befühlend. Dann werden Sie sich Ihre eignen Finger Nicht schmuzig machen! für sich. Merke mir's! – Er weiß, Wie man mit Tollen sprechen muß! nachdem er jenem hinlänglich den Kopf befühlt, zu Bruno. Sie wollen Mir gütigst auch erlauben, Herr Professor? nimmt den Hut ab. Sehr gern! – Wenn mein Kopf irgend Aehnlichkeit Mit einem solchen hat, ist mein System, Und nicht das Ihrige grundfalsch. Was sprecht Ihr Da von Systemen. Mein System ist jetzt Das einzig mögliche. Steht still! ich werd' Euch Das sel'ge Leben schon einbläuen: A – Er ballt die Faust durch das Gitter. schiebt den Gitterladen vor. Wir würden sonst das eigne Wort nicht hören; Denn wenn er einmal anfängt mit dem A, Läßt er's bei'm B nicht bleiben. Pah! ich wette, Er hört nicht einmal mit dem X auf. Das Ist die Natur der höchsten Ueberlage. aufmerkend. Was nennen Eu'r Hochwürden Ueberlage ? Das ist was Tiefes wieder! Ueberlage Nenn' ich ein' über die Schneelinie Des Fixen aller hohen Lagen weit Protuberirende Anlage . indem er in seine Tafel schreibt. Scharf! der indessen Bruno den Kopf umfingert hat. Der Fall ist einzig! – Zu Bruno. Doch – erlauben Sie Gefälligst, jetzt nur noch ein einzig Mal! wieder mit entblößtem Haupte. Dreimal! neunmal! so oft Sie wollen! Wenn, Wie schon gesagt, mein Kopf mit jenes Schädel Die mindste Aehnlichkeit hat, ist entweder Mein, oder Ihr System grundfalsch – Die Schädellehre Ist unfehlbar! Wenn das ist, und Sie dennoch Aehnlichkeit finden, so erlaub' ich Ihnen, Den Kopf mir abzuschlagen – Sonderbar! Der Tolle hat gerade ... Er hält inne. ungehalten. Reden Sie! Was hat er? – Wenn Sie kein Marktschreier sind, Beb' ich vor keinem Ausspruch; sind Sie's aber, Noch weniger; denn dann veracht' ich Sie! St. Preux naht sich ihnen. Nun gut! Der Tolle hat die sämmtlichen Protuberanzen, welche Sie ... äußerst aufgebracht. Sie lügen! gelassen. So hören Sie mich aus doch, Herr Professor! Er hat die sämmtlichen Protuberanzen, Die Sie nach außen haben, innwärts . Dies Ist einzig – ist ein höchst merkwürd'ger Fall. – Es wird dadurch vollkommen mir bestätigt, Was ich vermuthete, daß das Gehirn, Wie der Handschuh-Polyp, sich kehren läßt – Daß Weisheit , demzufolge, streng genommen, Nichts andres sey, als ganz verkehrte Tollheit . Wenn's so ist, mußte sich der Kerl einbilden, Ein Vielfachspinsel, ein Nicolaït, Ein Nicht-Ich-Klecks zu seyn. Ganz umgekehrt, Verehrtester! Er muß sich schlechterdings Einbilden, Sie zu seyn. Auch wett' ich drauf, Sein hypophysisch leerer Kopf hat diese Stoffgas-Idee fixirt. PREUX der aufmerksam zugehört hat. Das scheint mir klar. Er muß sich wähnen, ein Onurb zu seyn, Ein Bruno stehend auf dem Kopf – ein Nadroj – Ein von der Mündung bis zur Quelle rückwärts- Fließender Jordan – kurz, Ihr Gegenpol – Verehrungswürdigster! das Nadir Ihres Zeniths – Ihr Ich im Spiegel, das dem Ihr'gen Zwar gegenüber steht, doch auf ein Haar Demselben gleicht, wie, fallend, der Erz-Engel Dem steigenden Ur-Teufel ähnlich sieht – Ihr einziges Object, wenn sie im Weltnichts Das einzige Subject sind – wenigstens Ihr, wenn Sie vorwärts, Rückwärtsgehender, Nur im Indifferenzpunkt beider Rücken Mit Ihnen fester Zwillingsgegenfüßler – Der linke Bogen Ihres größten Cirkels – Die hintre Seite, Bester! Ihres Mondes – Die von der Erde weggekehrt bisher – Mit einem Wort: das Ich-Posterius Von Ihrem A-prior'-Ich . Mich erfreut's Den Hauptbegriff von negativer Größe Auf einmal so befriedigend und klar In die Philosophie versetzt zu sehen. Mir scheint es völlig evident. Entgegen- Gesetzt mag er mir seyn – die ganze Welt Ist mir entgegen ohnehin; allein Entgegen heißt nicht ähnlich , heißt nicht gleich . PREUX. Davon auch ist ja nicht die Rede, Theurer! Der Doctor, ganz neutral, behauptet nur Polarische Identität . Ich hoffe, Wir sind doch all' in der Philosophie, Seit Ostern, hoch genug emporgestiegen, Um einig über einen Punkt zu seyn, Den nämlich: daß (von Allem abgesehn) Die Tugend und das Laster, Gut- und Böses , Dem Einblick absolut identisch sind. ruft aus einer der nächsten Zellen. Echo! An sich ist allerdings darin Gar nichts zu unterscheiden. PREUX immer zu Bruno. Daher auch Das Uebel, wie Sie wissen, Selbstgesetzter! Durch diese höchst fatale Unterscheidung Des Nichtzuunterscheidenden entstand. Daß man vom Bösen unterschied das Gute, Drin grade ja bestand der Sündenfall. Es ist unstreitig, daß Indifferenz Das ein'ge Höchste sey. Das alles sind Bombastische Nach-Sätze, die mit meinen Vor-Sätzen nichts gemein, als Sylben haben – Pausback-Ausfüllungen des magren Nichts! PREUX. Sie ziehen rein' Ausleerungen des Fetten In Allem vor. Plus-Minus! – Bombast-Bruno – Zwei leidner Flaschen, beide spinozistisch Geladen! abbrechend. Wo doch blieb der Herr Inspector? Er ist zum Herzog abgerufen worden, Und läßt sich sehr entschuld'gen. Echo! Echo! PREUX. Was ruft der dort? noch lauter. Hei! Echo! Echo! PREUX horchend. Laß hören doch einmal, was jener ruft! Verfluchtes Echo! schweige bis ich rufe! geht zur Zelle hin, und streichelt dem Tollen die Backen. Was giebt's, mein armer Keit? wo fehlt's? Mich däucht, ich hört' ein Echo, das der Stimme Voranlief. So was duld' ich nicht; es ist Impertinent! Unstreitig! Sey nur ruhig! Und lerne Deine Rolle gut! Er giebt ihm ein Stück Honigkuchen. Ich möchte lieber 'Ne geräucherte Heuschreckenkeule Jetzt fressen. Die sollst Du zu Mittag haben, Wenn Du dich in der Probe nicht verplapperst. PREUX nachdenkend. Novalis hat doch Recht: Dichtkunst und Wahnsinn Sind nah verwandt! Zu Bruno. Sie haben doch gehört? »Ein Echo, das der Stimme kühn voranläuft!« Mir scheint dergleichen Unsinn mehr, als Wahnsinn. PREUX. Weil Ihre productive Phantasie Durchaus nur negativ ist. Mir hingegen, Der eine höchst indifferente hat, Ist's gleich, was Witz betrifft, ob er den Weg Um's Vorgebirg der guten Hoffnung, oder Um das Cap Horn nimmt, wenn er nur die Linie Passirt, und zu den fernsten Antipoden Des platten Sinns gelangt. Zu Doctor Stirn. Doch, apropos, Thun Sie mir den Gefallen, jenem blassen, Höchst schwärmerischen Mädchen dort den Kopf Ein wenig zu befühlen. Mit Vergnügen. PREUX. Ich werde mich so, hinter Ihnen, stellen, Daß sie mich nicht gewahr wird; denn es scheint, Ich wirke zu magnetisch auf sie. Stille! Sie nahen sich alle Vier. Was? naht sich dort der Berg des Todes selbst? Noch niemals sah ich Golgatha in Schuhen Und seidnen Strümpfen. Todesfels, du kömmst Zum Tanz mich einzuladen! Welch Geruch! PREUX leise, hinter Doctor Stirn. Sie wittert schon die Schädellehre! Stille! – Ich komm' von Osten her, Dich anzubeten Und zu umarmen, heilige Westnymphe. Ist Er der vierte von den heiligen Drei Königen? Ich bin der Mohr daneben. Er befühlt ihr den Kopf. leise zu den Andern. Bewundrungswerth, wie der Herr Doctor weiß Zu sprechen mit den Tollen – vollends mit Den Damen! Denn ich habe drinnen schon Die delicatesten Conversationen Gehört. PREUX leise. Er ist in Wienn gebildet worden. Kein Wunder! – Es giebt freilich nur ein Wienn! zu Dr. Stirn. Du bist sehr weiß für einen Mohrenkopf. Natürlich, Schatz! Du weißt, ich bin ein Weiser Aus Mohrenland. Hofirst mir, wie ein Narr! Wär' ich die Gnadenmutter, gäb' ich Dir Ein' Ohrfeig' – schiebt voll Unwillen den Gitterladen vor. Es ist unter aller Würde Der Menschheit, lange sich in einem solchen Zerrspiegel zu betrachten! PREUX drückt Bruno die Hand. Ernsthaft Edler! Sie haben Recht. Die beiden Herrn sind Aerzte – Leise ihm in's Ohr. Das heißt soviel als Cyniker – Mag seyn; Wir sind es aber nicht. PREUX laut zu Stirn. Was fanden Sie, Herr Doctor? Nichts außer der besonderen Structur Gewöhnlicher kathol'scher Nonnenköpfe. Sie sind dies Jahr, selbst in Berlin, nicht selten. Sie ist noch auszuhalten. Aber Gretchen – Das Gretchen – Ja, das Gretchen! zu St. Preux. Gretchen nämlich Wird eine hies'ge Clausnerin genannt, Weil sie sich einbild't, die vom sel'gen Faust Verführte Margaretha selbst zu seyn – PREUX. Ist sie noch rührender als diese? Oh! Oh! Oh!! PREUX. Dann will ich sie nicht sehn! Schnell zu Schädlein, ihn bei Seite führend, und seine Hand ergreifend. Herr Doctor! Empfangen Sie, beim Abschied hier, in Gold, Mein letztes Honorar zur Pflege beider Unglücklichen – und sorgen Sie dafür, Daß täglich werd' in was dadurch versüßt Ihr Schicksal. Er steckt ihm eine Rolle in die Tasche. Nur Geheimniß bitt' ich mir Von Ihnen aus. Ich bau' auf ihr Gewissen. Zu Stirn und Bruno Empfehle mich auf's beste, meine Herrn! Er eilt davon. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Die Vorigen , außer St. Preux . zu Schädlein. Sie kannten schon den Herrn, der eben wegging? Es ist ein großer Dichter – leicht Romaniens – Mithin Europas und der Erde – größter. Vielleicht noch größer, hätt' er wen'ger Witz. Ich gebe zu, er hat zuviel; doch hat er Noch mehr Gefühl, und noch mehr Phantasie – Mich sprach er überaus phantastisch an. Sein anerkannter Vorzug ist sehr glänzend! Sein anerkannter Fehler ebenfalls. Nur Mängel hat er keine – Lücken aber Hab' ich ihm abgemerkt. Für jede Lücke Hat er zehn Lückenbüßer. Das ist möglich. Ein Kopf wie seiner scheint mir eine Hölle. Mir auch. Doch ist der ganze Himmel drin – Und vollends nun sein Herz. Es thut mir leid, Daß mir verboten ist, es zu beweisen. Mich soll's von Herzen freun, wenn ich mich irre – Die Sach' ist nicht abstract. – Doch apropos! Wenn ich recht hörte, sagten Sie vorher Zu einem Tollen, dem Sie Kuchen gaben: »Er solle seine Rolle gut studiren« – Was meinten Sie damit? lacht. Ja, das errathen Sie schwerlich! Denken Sie einmal, wir haben Theater hier! Worauf die Tollen spielen? Gerade sie. Das wundert mich gar nicht. Und ordentliche Stücke? Ja, so, so, Wie deutsche sind – nicht eben nach den Regeln Des Aristoteles. Von Kotze ... unterbrechend. Nein! So ganz gemeines Zeug doch nicht. Zwar möchten Die Schwächling' und Blödsinnigen sie lieber. Ist's möglich, daß die Tollen andre Stücke, Wenn schlecht auch, spielen können? Warum nicht? Sie haben viel Gedächtniß – an poet'scher Einbildungskraft fehlt's ihnen nicht – sie bleiben Auch immer ihrem Selbstcharakter treu. Ja – doch nur dem bestimmten ihrer Tollheit. Drum aber nimmt mich Wunder, daß sie sich In andre sollten hinversetzen können. Man sorgt dafür natürlich, daß sie immer Nur eigne Rollen spielen – oder richt'ger: Sie sorgen selbst für solches. Welche Stücke Denn spielen sie? Sie haben den Alarcos Nicht übel – ein Paar Acte Genovefa's Recht sehr gut – und den ganzen Octavianus Unübertrefflich schon gegeben. Aber Sie spielen selbst originale Sachen Mitunter auch. Was heißt: originale , Wenn jene nicht es sind? Selbsteig'ne Stücke Von ihrer eignen Composition. lachend. Die werden genialisch seyn! Herr Doctor, Sehr genialisch, ich versichre Sie! Sie würden selbst erstaunen – Ich? Gar nicht! Es ist das Alles mir nichts Wunderbares. Ich möchte gern doch einmal eine solche Komödie, zumal der eig'nen, sehn. Es wird gerade diesen Abend eine Zum erstenmal gegeben – und worauf In einer Stunde Probe wird gehalten. Sie haben einen ganzen Monat dran Geschwitzt, um sie sich recht einzustudiren. Sie scheint mir ihr bisher'ges Meisterstück. Nur, leider! ist der Zutritt allen Fremden Versagt. Zuschauer haben sie denn keine? Verzeihen Sie – den Herrn Inspector selbst, Seine Familie – die Tollhauswärter – Und sonst'ge Tollbeamte (wenn sie nicht Als Sing-Choristen, oder Tanz-Statisten Auftreten) – mich – und unter ihnen selbst Die nicht wahnsinnig gnug, um mitagiren Zu können. Also haben sie Orchester, Decorationen, und dergleichen? Alles! Der Herr Inspector liebt das deutsche Schauspiel Mit Leidenschaft; und hat seit zwanzig Jahren Ausschließend für die Bühne nur gesorgt. Es ist auch in der That uns allen hier An einem Ort, wo sonst gar kein' Ergötzung, Wohlthätige Zerstreuung. Thut mir leid, Daß ... Zu Doctor Stirn. Sie, Herr Doctor, glaub' ich, könnten schon, Als Obertollgeheiminspector .... Frage Gar nichts darnach. Ich seh' am liebsten Hunde- Komödien. Zu Bruno. Wenn Ihnen, Herr Professor, Indessen dran gelegen ist, vermöcht' ich Bei dem Inspector wohl es auszurichten, Daß er uns zuließ' heut – Ich muß gestehn, Mir ward längst die halb tolle Welt zum Ekel; Ich möcht' einmal auch die ganz tolle sehn. Wenn mir nur die Philister nicht dazwischen Bald kommen – die ich fliehe, wie die Pest. Sie sollen, wie ich höre, nur vier Stunden Von hier seyn – und ich baue nicht sehr viel Auf die hochweise Langsamkeit, die wir Der tollen Schnelligkeit entgegensetzen. Alle Drei nahen sich dem Ausgang. Wir leben offenbar in schwier'gen Zeiten! Das Aequinoctium des Mordorgans Bringt's mit sich – vollends um die Zeit des Vollmonds. Sehr treffend, und befriedigend bemerkt! Im Zeitenschwalle der Sündhaftigkeit. War's jemals anders? wird's je anders werden? Sonst möcht' ich nie gewesen seyn, noch werden! Alle ab. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Madame Dauphin in Reisetracht auf einem Koffer sitzend. Den ganzen Boden beinahe nimmt eine große Bache ein, worauf der Prinz v. Ellenbogen, Herr v. Boberfeld, St. Preux , und einige berühmte Jauersche Schriftsteller sich gelagert haben. Bedienter geht herum und präsentirt Chocolade. V. ELLENBOGEN halb auf den Knieen. Euer Gnaden sind uns Deutschen also doch ein wenig hold? DAUPHIN. Ich lieb' und ich verehre die Deutschen sehr. V. ELLENBOGEN. Aufrichtig? ganz aufrichtig gesprochen? Was finden Sie Verehrungswürdiges an uns Hermannsenkeln? DAUPHIN. Unter anderm den gänzlichen Mangel an Nationalcharakter. V. ELLENBOGEN. Das halten wir gerade für unsern größten Fehler. DAUPHIN. Mit Unrecht. Völker, die solchen haben, sind reif – und das ist wohl in diesem Fall gleichbedeutend mit faul. V. ELLENBOGEN. Ich mag fast lieber faule, als grüne Maulbeeren. DAUPHIN. Maulbeeren sind die deutschen Beeren nicht, so viel ich weiß. SAINT-PREUX. Eher Winteräpfel. V. ELLENBOGEN. Ich meine, die Deutschen sollten doch deutsch seyn, wie die Engländer Engländer, und die Franzosen Franzosen. SAINT-PREUX. Und die Juden selbst, trotz Judäamangel, Juden. DAUPHIN. Vielleicht ist es gut, daß irgendwo noch Menschen übrig bleiben. Ich halte viel auf Bürgerthum, aber die Menschheit ist mir doch noch lieber. Es muß auch einen geistigen Staat auf Erden geben, und ein solcher kann – fang' ich jetzt an zu glauben – mit keinem bürgerlichen mehr bestehen. Das giebt dem germanischen Körper, leider! nur wenig Trost. DAUPHIN. Ich will auch den Geist nur trösten. Die Thür wird geöffnet und Bruno mit dem Dr. Stirn treten herein. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. betroffen. Bitt' um Verzeihung! – ich habe, wie ich sehe, mein Zimmer verfehlt. Er will wieder hinausgehen. V. ELLENBOGEN aufspringend. Erlauben Sie – daß ich den berühmten Doctor Stirn, den Kopf der Physiker – ebenfalls aufstehend, und Bruno vorführend. Und ich den Herrn Professor Bruno, das Haupt der Metaphysiker, Ihnen vorstelle. DAUPHIN. Wie glücklich! Sehr willkommen, meine Herren! Doch verzeihen Sie, alle zusammen, daß ich hier den romanischen Parnaß so schlecht empfange. Verbeugungen. V. ELLENBOGEN. Wo die Göttin sich zeigt, da ist der Olymp. Dergleichen fühlt man, und schweigt. halb vor sich. Ich möchte Midasohren haben, wenn lange besser, als kurze, hörten. mit einem Hörrohr. Ich höre deutlich jedes Wort – zumal Vormittags. Er setzt das Horn an. V. ELLENBOGEN nachdem sich Stirn und Bruno gesetzt haben. Wir sprachen eben von unserm armen, unglücklichen Romanien. Zu Bruno. Aus Ihren Schriften hab' ich viel gelernt. Zu Stirn. Den Türkenschädel habe ich zu Hause jetzt. Zu Madame Dauphin. Sie lieben uns? Ach, liebenswürdig sind die rohen Germanen wohl nicht! DAUPHIN. Wie können Sie das sagen? Sind sie denn nicht unglücklich? V. ELLENBOGEN küßt ihr die Hand. Herz wie Geist! Was halten wohl Euer Gnaden von der Literatur im Reich? DAUPHIN. Das darf ich wohl in diesem Kreise nicht sagen. mit dem Hörrohr. Wir lieben wohl motivirten Tadel, gründliche Kritik gar sehr – zumal von einer Philologin wie Euer Gnaden. Er steht auf und herbeugt sich tief. Habe mit unendlichem Vergnügen Dero vortreffliche Version des Homer, vorzüglich der Noten wegen, durchstudirt. DAUPHIN. Sie scheinen in einem Irrthum zu seyn, Herr Professor! Alle die Anderen sehen ihn mit großen Augen an. Habe ich die Ehre nicht, die weltberühmte Madame Dacier – Einige lachen. DAUPHIN. Es thut mir leid, diese Ehre mir und Ihnen, Herr Professor, entziehen zu müssen – ich bin nur Frau von – unterbrechend. Oh! Eure Gnaden brauchen Dero werthen Namen mir nicht auf Deutsch zu übersetzen! Also zwei Mesdames Dacier ? Ich wußte nicht, daß mehr als Eine in der Literatur berühmt geworden. DAUPHIN lachend. Sehe ich denn so schrecklich großmutteralt aus, Herr Professor? – Ich weiß wohl – allein es giebt ja französische Damen, die niemals altern, wie zum Beispiel die berühmte gelehrte Ninon de l'Enclos. Da dacht' ich, es wäre mit Euer Gnaden auch der Fall. V. ELLENBOGEN lachend. Gestehen Sie – gestehen Sie, meine Gnädige! sich wieder setzend. Wußt' es wohl. Er setzt sein Horn wieder an. PREUX zu Madame Dauphin. Sie sind und bleiben die Repräsentantin der französischen Literatur, man mag es wenden, wie man will. Der Irrthum auch, der es verfehlt, verkennt Sie doch nicht. Artig genug! Die Uebersetzerin Homer's wird, wenn man sie in's Deutsche übersetzt, Original. PREUX. Der schönste Sieg der deutschen Sprache über die französische. Denn wer gäbe nicht gern zwölf Mesdames Dacier für eine halbe Sie? – unterbrechend. Es hat, wie ich bemerke, der Faden des Gesprächs sich verloren. Wenn ich nicht irre, so war von der Reichsliteratur die Rede. Euer Gnaden wollten Dero Meinung nicht in diesem Kreise sagen. Doch erführen wir gerne die Kritik. DAUPHIN. Die überlasse ich Ihnen. Was Dichtkunst und Philosophie betrifft, Romaniens einheimische Producte, so möchte ich vielleicht nur ein gar zu enthusiastisches Lob aus voller Seele darbringen – und – vertraulich. Geniren Sie sich nicht! das horen wir noch lieber, meine Gnädige! DAUPHIN. Ich glaubte, die Romantiker wären in Allem verschieden von den Philistern. Freilich die Dichter an der Seine – Dichter? – Also Dichter haben Sie wirklich in Frankreich? V. ELLENBOGEN. Zu Hause schwerlich, denn die Muse ist ja davongegangen. DAUPHIN. Zu den Musageten. V. ELLENBOGEN klatschend zu Opitz. Was sagen Sie dazu? Ich höre. V. ELLENBOGEN zu Dr. Stirn. Und Sie? Ich sehe. V. ELLENBOGEN zu Bruno. Und Sie, mein werthester Professor? Ich denke. PREUX vor sich. Mir bleibt nichts übrig, als zu fühlen – und allenfalls zu schreiben. Leider genirt mich die Gesellschaft. Trinkt seine Tasse Chocolade. V. ELLENBOGEN unterhält flüsternd Madame Dauphin. Die Gelehren Paar und Paar sprechen leise mit einander. Der Bediente stolpert mit Tassen über die Bache bei'm Herausgehen. DAUPHIN. Apropos! Wie kömmt es, daß der Hof hier in dem Wirthshause logirt, und nicht im großen alten Schlosse, das zwar entsetzlich gothisch aussieht, das aber doch bewohnbar zu seyn scheint. Der Hof mag in diesem Augenblick nicht gerne viel Aufsehen machen, der Herzog liebt die Pracht nicht – und ohnehin ist jenes große Schloß das hiesige Tollhaus. DAUPHIN. Was sagen Sie? Ist hier im Lande der Weisheit, der Dichtkunst und der Wissenschaft ein Tollhaus? Ich wüßte kaum – die Wahrheit zu sagen – daß hier in Jauer etwas Anderes wäre. Allein, mit Verlaub, Tollhaus und Tollhaus sind zweierlei, wie Schule und Schule. Eine hohe Schule nennt man eine Universität, und ein hohes Tollhaus eine Irrenanstalt, Herr Baron! Verzeihen Sie, wenn ich dem Palladium des Ortes zu nahe trat. Ich meinte es nicht so böse. Denn ich hege viel Respect für's Institut, Herr Irren-Anstalts-Bibliothekar! Es ist die größte Anstalt dieser Art in Europa. Das ist unstreitig. Und ohne sie möchte ich wohl wissen, was aus allen unsern übrigen Anstalten wohl werden sollte. PREUX. Nur gar zu wahr! DAUPHIN. Sie machen mich höchst neugierig. voll Eifer. Madame! hören Sie! Es ist der Stolz Romaniens. Sie haben nichts Aehnliches auf Ihren Reisen noch gesehen. Was irgend Fleiß, was achte Kunst und wahre Wissenschaft, durch landesväterliche Gnade und Fürsorge gehörig unterstützt, nur immer leisten können, das ist an der hiesigen, ächt nationalen Anstalt verschwendet worden, ohne es zu verschwenden. Sie müssen es sehen, meine Gnädige! sonst glauben Sie es nicht. Der Büchersaal allein schon hat seines Gleichen nicht. Es ist eine Welt im Kleinen; ich möchte fast sagen, im Großen. Bin eben da gewesen, hab' es gesehen. Ich auch. PREUX. Ich auch. DAUPHIN zu Doctor Stirn. Und nun, was sagen Sie davon? Sie sind ja ein Kenner, Herr Hirninspector! Der Herr Bibliothekar sagt nicht zu viel. DAUPHIN. Ich werde, fürchte ich, selber verwirrt vor Erstaunen und Neugier. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Die Vorigen. Bedienter tritt herein. Des Herzogs und der Herzogin Hoheiten lassen gnädigst die Frau Baronesse , mit Seiner Durchlaucht dem Prinzen von Ellenbogen , dem Herrn Geheimenrath von Boberfeld , dem Herrn Hofburgrath Wer der , dem Herrn Professor Bruno und Herrn von Saint-Preux , nebst Herrn Doctor Stirn und Herrn Tollhausbibliothekar von Zeu sel – für heute Mittag zur Tafel einladen. DAUPHIN. Ist Herr Burgrath Werder hier? Allerdings. DAUPHIN zum Bedienten. Geh hin – Er schläft noch, hat mir sein Bedienter gesagt. DAUPHIN. Nun, so denn, wenn's Tag wird – V. ELLENBOGEN lächelnd. Ein kleiner Gallicismus, meine Gnädige! DAUPHIN. Ich werde mich bemühen dergleichen in Germanismen umzuwechseln. Zum Be dienten . Wenn er also aufgestanden seyn wird, gehe hin – Euer Gnaden! Der Kammerbote – DAUPHIN. Was denn – Er wartet auf Antwort draußen. DAUPHIN. Das thun alle Boten. Zu der Gesellschaft. Ich hoffe, meine Herren! also wieder bei Tafel das Vergnügen zu haben – Ich vergaß – um zwei Uhr ganz präcis. DAUPHIN aufstehend, zu den Herren. Verzeihen Sie – ich habe noch nicht ausgepackt. Zum Bedienten , indem sie Alle aufstehen. Ich werde die Ehre haben zu kommen. Werden unterthänigst die Ehre haben. V. ELLENBOGEN sich empfehlend zu Madame Dauphin. Kommen Sie nur so – im Reisekleid – ohne alle Toilette, ganz wie Sie sind. Der Hof ist gar nicht ceremoniös; und wir sind, so zu sagen, seit der Feind die Hauptstadt inne hat, und fast das ganze Land dazu, bis auf die Festung Dummlitz, Alle auf der Reise. Alle ab, mit vielen Verbeugungen. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Der Herzog vor einem kleinen Tische sitzend. Der Tollhausinspector neben ihm stehend. Wie viel Wahnsinn'ge sind denn wohl zur Zeit Hier unter Seiner Aufsicht, Herr Inspector? Zwölf Jauersche Studenten, Eure Hoheit, Aus Fichtelberg, worunter drei Magistri Legentes – ein schwabmünchner Apotheker – Ein fränk'scher Kohlenbrenner – drei Reichsjuden – Ein böhm'scher Schuster – ein hannöverscher Ex-Postillion – ein nürembergscher Maler – Ein hallischer Trompeter – und ein Schock Einsiedler – die für ganz unheilbar heillos Gehalten werden – dann ein Dutzend tolle Sonst art'ge Mädchen, wovon drei zum Binden – Zweihundertsechzig Andre noch, die meistens Blutjunge, kaum angehende Gelehrte, Von denen man nur wenig Hoffnung hat – Nebst einem einzigen Gescheiten . Macht In Allem just dreihundertfünfundsechzig, So viel als Tag' im Jahr; und Alle sämmtlich Gebor'ne Landeskinder Eurer Hoheit! Er verbeugt sich. notirt in ein auf dem Tische liegendes Etui. Sie sind mir alle theuer – Herr Inspector, Als Fürst und Landesvater; denn es ist Jetzt ungefähr die Hälfte meiner eignen Getreuen Unterthanen, die seit letztem Vandalenkrieg noch übrig. Zwar das halbe Roman'sche Reich gehört mir heute noch, Doch steht es auf dem Spiel – obgleich mein Feldherr Die beste Hoffnung giebt. Drum möcht' ich sie Der Reihe nach genauer kennen lernen: Wo möglich im Detail. Ich unterrichte Mich gern in höchster eigener Person Von jeder Kleinigkeit in meinen Staaten. So thaten's alle großen Landesväter Im glücklichen Romanien von jeher! Eur Hoheit ist bekannt als das Plus-ultra Der allerhöchsten Jauerfürsten Weisheit. bietet dem Inspector eine Prise Tabak. Schweig davon, Herr Inspector! Was ich kann, Das thu' ich, trotz den Besten; aber ungern Hör' ich mich loben. nachdem er ehrfurchtsvoll die Prise genommen. Weisester! ihm die Dose zuschiebend. Behalt' Er nur Die Dose! gerührt. Gnädigster! Laß gut seyn! Merk' Er's Sich wohl! kein Lobspruch mehr! Ich will nur Wahrheit. O, was ist wahrer als das Lob des größten Des weisesten, des besten aller Fürsten Des glücklichen Romaniens! Ich sag' Ihm, Herr Oberhofinspector! nichts davon! Nichts mehr davon! Ich werde böse. Großer, Unendlich guter Fürst! Sie nannten mich – Geruhten mich zu nennen – Ober – hof – Inspector – darf ich allerunterthänigst Mich unterstehn, zu wähnen – Hab' ich Ihn Genannt, so ist Er's. wirft sich zu des Herzogs Füßen. Sprachlos – – ihm die Hand reichend. Steh Er auf! Ich bin Ihm sehr affectionirt. Doch jetzt Erzähl' Er mir nur weiter von den Tollen: Freimüthig, ohne Scheu! Der braucht es nicht! In Eurer Hoheit Deroselbstregierten Glücksel'gen Staaten läßt sich gar kein Elend Berichten, woran die Regierung Schuld. steht auf, geht zu einer Commode und zieht eine Schublade heraus. Ich setze meine Schlafmütz' auf. Er setzt die Schlafmütze, die er aus der Commode genommen, auf den Kopf, und setzt sich wieder. Nun sprech' Er Mit mir, als wär' ich Seinesgleichen, als Wär' ich der Aeltre nur und Er der Jüngre, Vertraulich, ungenirt. Auf diese Weise Wird Er berichten unverblüfft, und ruht Auch meine Majestät ein wenig aus, Die von dem ew'gen Imponiren müde. die Mütze anblickend. Ach, Eure Hoheit imponiren so Nur imposanter noch! die Majestät Des Blicks, des Tons, der Miene, der Gestalt Verbirgt dem treuen Diener keine Mütze. Die Herzogskrone macht den Herzog nicht – Das Herz, das große, gute, macht den Herzog! Hol' Er sich einen Stuhl und setz' Er sich! Der Tollhausinspector holt einen Stuhl. Hier! näher! – hier! ganz nah'! Und sprech' Er nur Rein von der Leber weg! Wir sind ja doch, Wenn Herzog ich, Er Oberhofinspector, Im Grunde beide Menschen. Lass' Er sich Durch meine Fürstenmiene gar nicht stören! Der Tollhausinspector setzt sich dicht neben den Herzog . Er nannte, däucht mich, unter den dreihundert Und fünfundsechzig Tollen einen Klugen ? Wie kommt das? Wer ist der? Wie geht das zu? Warum hat man den eingesperrt? Er ist Der ält'ste Sohn vom Hause Berlichingen; Die Mutter, eine Weißlingen vom Rhein, Heirathete nach seines Vaters Tode Den böhm'schen Grafen Strafmichgott, mit dem Sie Zwillinge sogleich bekam. Die Söhne Der ersten Ehe sind im Türkenkrieg Geblieben. Dieser ward unsel'gerweise Nur leicht verwundet, und, gleich nach der Schlacht, Auf Cabinetsbefehl hieher geschickt. Es hieß, er sey im Hirn erschüttert worden, Und müss', als völlig rasend, gleich in Ketten Geschlossen werden – was denn auch geschah. Ich schloß ihn selber ein; versichre aber In tiefster Ehrfurcht Euer Hochdurchlauchten, Der junge Mann ist so gescheit, gesund, Und unverletzt, als ich – und übrigens Ein durchaus sittlicher und sanfter Mensch. Doch, wenn ich unterthänigst bitten darf, Nicht meine Worte wieder; denn der Graf, Sein Stiefpapa, der Herr von Strafmichgott, Soll ein sehr mächt'ger Mann bei Hofe seyn. Was, Donnerblitz! erzählet Er mir da Für 'ne Sappermentsgeschichte? – Strafmichgott ? Es ist mein Generalfeldmarschall eben, Mein rechter Arm, mein treuster Unterthan. Bitt' allerunterthänigst um Verzeihung Eur Hoheit, daß der Graf, Sein' Excellenz, Der Generalfeldmarschall – – Welch ein Bock! 'S ist ja nicht seine Schuld, daß er es ist. Ich werd' es untersuchen. Notirt in das Etui. Und die zwölf Studenten, unter welchen drei Magistri Legentes , wenn ich richtig mich besinne – Worin – sag' Er nur frei und offenherzig, Und ohne Rückhalt, keck – worin besteht Ihr Irrthum? Welches Schlags ist ihre Tollheit? Sie ist dreifach, Eur hochfürstlichen Hoheit, Und doch, einfach zugleich, rein philosophisch – Theils metaphysisch, theils poetisch, theils, Wie mir hauptsächlich auffällt: chronologisch . Zwei, drei von ihnen bilden fest sich ein, Gewunderhörnt zu seyn – obgleich an Stirne So glatt wie neugeborne Kälber, und Dazu noch Junggesellen. Andre haben Sich in den Kopf gesetzt, daß sie steinreiche Gemüthsbesitzer sey'n, und sowohl Schafzucht, Als Schweinerein, in's Große treiben können. Die Meisten halten sich für Etwas, oder Für Alles gar; nur immer für was Andres, Als was sie sind. Der Erste glaubt, Spinoza – Der Zweite, Fichte (der mir übrigens Historisch unbekannt) – der Dritte, Plato – Der Vierte, Shakspear selbst zu seyn. Der Fünfte Erklärt sich für den Vater des berühmten Professor Kant in Königsberg. Der Sechste Verdammt sich drauf, er sey der Theophrastus- Bombastus-Paracelsus- und was weiß ich?- Von Hohenheim – und ist vielleicht es auch; Denn er ist wirklich unter diesem Namen Hier aufgenommen worden. notirt. Bombast heißt er? Ja, Bombast , Eure Hoheit – B, o, m, Bom – B, ast, Bast . corrigirend, mit Lächeln. B, a, s, t! muß Er sagen – Schreibt. So richtig! – Und der bild't sich, sagt Er, ein, Sich selbst zu seyn? So scheint's, mein gnäd'ger Fürst! Der Himmel weiß – Und jetzt der Apotheker? Bild't ebenfalls sich ein, Bombast zu seyn – Was macht, daß sie einander in die Haare Gerathen – und das giebt oft blut'ge Nasen. Das glaub' ich! Aber welcher ist der wahre? Ich weiß nicht, Eure Hoheit, ob sie beide Sich irren, oder ob sie beide recht – Nur zwei der Tollsten sind's in jedem Falle. Heißt denn der Apotheker Bombast auch? Nein, gnäd'ger Herr! sein wahrer Nam' ist Höchner . notirt. Der also irrt sich. halb vor sich. Himmel, welch ein Blick! Was sagt Er? Ich bewundre still' in mir Bei jedem Fall, wo schwer ist zu entscheiden, Wie Eure Hoheit, selbst im Kleinsten, gleich Den rechten Fleck im Mittelpunkte treffen, Und was mir, der ich doch in diesem Wirrwarr Zu Hause, dunkel ist, den Augenblick, Als wär's Höchstdero tägliches Geschäft, In's Reine bringen. Ohne solchen Blick In's Kleine wär's wohl sicher auch unmöglich, Das Große zu regieren! Hofinspector! Ich kann nicht Lob vertragen; doch hier trifft Er Gerade das, was ich vertragen kann, Weil ich's vielleicht verdiene. So 'nen Blick (Man nennt's coup d'oeil trau' ich mir zu; und 's freut mich, Daß Er mir's abgemerkt; denn es verbürgt mir, Er sey nicht selber ohne. Könnte blind seyn, Mein gnäd'ger Fürst, und doch, was mir die Augen Durchbohrt, vernehmen! Höchner heißt mir also Der Apotheker. Und der Kohlenbrenner? Heißt Keit , und der ist ganz und gar verkehrt. Er bild't sich ein, katholisch werden wollen, Und der altfränk'sche König Ludovic Der Heilige zu seyn. Nebst dem gemeinen Modernen Trieb nach gothischen Antiken Hat er noch die besondre Leidenschaft Für alte schwäbische Nachtwächterlieder In böhm'scher Tonart. Mir kommt wenigstens, Was alles er in Es- und Bemoll singt, Als lauter böhm'sche Dörfer vor. Die andern, So toll sie sind, gebehrden sich verständig, Mit ihm verglichen. Bei dem Kohlenbrennen Soll er in Jakob Böhm's berühmten Schriften Ganz toll studirt sich haben – und ist jetzt Nicht bloß wahnsinnig, sondern übersinnig, Unsinnig, widersinnig, tiefblödsinnig, Und gar dabei halbsinnig auch. – Er beißt. Blitz Donnerwetter! Beißt er? Und sein Biß Ist tödtlich, wird man sehn, Herr Hofinspector! Das doch nicht, Eure Hoheit; man wird nur Allmälig toll davon. Er hat schon Ein'ge, die Nur halb unsinnig waren, angebissen, Und die sind allerdings ganz rasend worden. Das ist ein Teufelskerl! Wie nennt Er ihn? Keit, Eure Hoheit! notirt. Richtig, Keit! – Zum Teufel! Er scheint mir eine wahre Pest zu seyn – Im Institut. Er muß heraus, Inspector! Herr Oberhofinspector! sag' ich! h'raus! Wie viele hat er toll gebissen? Sechzig Bis Dato nur. Das ist genug. Er muß Heraus! Er beißt mir sonst die übrigen Zweihundert alle vollends toll. Dreihundert – will die Hoheit sagen. – Doch Ich bitte für den armen Kauz. Er meint's Mit allem dem nicht bös'. Es ist unmöglich, So sehr er beißt, ihm nicht recht gut zu seyn. Das Beißen ist meschant; das leid' ich nicht. 'S hat was Satyrisches – und so ein Kerl Ist boshaft, sag' ich Ihm Nicht immer, großer Und guter Fürst! Ich bitt' auf meinen Knieen, Ihn uns zu lassen. Er ergötzt uns alle Mit seiner Engelslaune; wär' er nicht, Das Haus verginge ganz vor Langerweile – Selbst die von ihm Gebissenen sind froh, Daß er sie toll geküßt, und kosen ihm. Das Herz ihm also sitzt am rechten Fleck? Das ist es, Eure Hoheit! Legt seine Finger auf die Stirn. Hier nur ist's Verkehrt. Nicht daß der Kopf nicht auch vortrefflich; Allein, ich weiß nicht wie – Wer ist vollkommen? Wer hat nicht hier zu wenig, oder dort Zu viel? Das ist was Andres! Hätt' Er mir Das gleich gesagt. » Wenn's Herz nur schwarz ist «, sag' ich Mit dem kulörten Küster. Gott und ich, Wir sehn auf's Herz, und nicht auf schwarze Hosen. Dann werd' ich selig hier und dort, trotz meinen Beinkleidern voll hellrothem Sammt, Eur' Hoheit! lacht. Das hat er gut gesagt. – Der Gute bleibt Denn also trotz dem Beißen. – Zu den Juden ! Was machen sie? Die Zellen schmuzig – glauben Sich Christen übrigens – der größte Wahnsinn, In welchen Juden fallen können. – Nur Der Aelteste von ihnen macht sonst was. Die Thür geht auf. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Kammerherr tritt herein. unwillig. Hab' ich geklingelt? Eure Hoheit halten Zu Gnaden! Der Feldmarschall wünschte gleich – Was gleich! Ich habe wichtige Geschäfte – Sag' Er, er solle warten – Vor sich. hab' ich doch Oft gnug auf ihn gewartet! – bis ich klingle. Kammerherr ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Wo blieben wir? Bei'm Juden – Recht! – und der? Heißt Isaak Mendel , Gnädigster! und steht, Trotz seinem Christenthum, im festen Wahn, Er sey der alte Heidengott Homerus. Er ist stockblind und macht sehr kauderwälsche Reimlose Hexameter. Hexenmetre – Was nennt Er Hexenmetre? – Mackbethsverse? Verzeihen, Eure Hoheit! Nein. Es sind Sechsfüß'ge Verse – die sechs Pedes haben. Man nennt sie auch Sechsfüßler – lachend. Juden-Verse – Ja, ja! die Juden sind ein schmuzig Volk. nachlächelnd. Bald sind die sechs Versfüße nur Spondäen, Dann kriechen sie; sind's aber Dactylen, Dann hüpfen sie. Das sind mir droll'ge Verse! Dergleichen sind mir nie noch vorgekommen; Der Burgrath Werder, der doch viel gereimt, Hat keine solche. Die sind wohl gemein – Zu pöbelhaft, um sich am Hof zu zeigen – Poetisch bettelhaftes Zeug – nicht wahr? Was Elendes und Bettelhaftes scheint Des Mendel's anzuhängen allerdings; Doch wenn sie gut sind, ächthomerisch, vossisch, Heißt wohl von ihnen, was im Nathan steht: »Der wahre Bettler ist der wahre König.« mit Nachdruck. Darin hat Nathan Recht! Das ist mein Spruch: » Der wahre Bettler ist der wahre König !« halblächelnd. Dann wären, so zu sagen, Eure Hoheit Der Bettler Bettler. Was ich heut nicht bin, Das kann ich übermorgen werden. Die Thür geht wieder auf. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Kammerherr tritt ängstlich ein. zornig. Was? Er untersteht sich – Der Finanzminister – Verzeihen Eure Hoheit – schreit da draußen, Er müsse vor – es sey'n schon alle Kassen, Bis auf die Kriegs- und Witwen-Kasse – leer. Da seh' er zu! das ist ja seine Sache – Bin ich Finanzminister? – he? Er sagt, Er könn' es nicht mehr seyn, wenn Eure Hoheit Nicht gnädigst einen neuen Plan vielleicht – ungeduldig. Sag' Er ihm nur von mir, er solle neue Banknoten machen. Hoffentlich sind doch Im Lande Lumpen gnug! – Kammerherr ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. seine Schlafmütze, die wegen der Finanzen in Unordnung gerathen, zurecht drehend. Wo blieben wir? Bei'm Juden , Eure Hoheit! Recht! bei'm Juden, Der Hexenverse macht. – Bei'm Reich, dies Tollhaus Interessirt mich! Weiß Er wohl, Herr Toll- – Herr Oberhofinspector, wollt' ich sagen – Daß mix sein Referat ganz ungemein Gefällt. Ich wollt', Er wäre mein Minister Des Innern – und des Aeußeren zugleich – Sein Vortrag ist präcis, und doch daneben Zerstreuend, unterhaltend, munter – kurz, Nach meinem Herzen. sich krümmend. Weil ich mich erkühne, Wohl kennend meines Herzogs Herzog-Herz, Ein Echo seiner muntern Bonhommie, – Wenn auch ein schwaches nur – zu seyn. lächelnd. Nicht wahr? Je suis bon homme? n'est-ce pas? Verstehe Französisch, leider! nicht genug. Was? sprach ich Französisch? Curios! wie die Erziehung Selbst über die Natur geht! – Wollte sagen: Ich bin ein guter Mann, so recht ein biedrer Kreuzbraver Kerl, der mit sich spaßen läßt. Zur Zeit, versteht sich, nicht zur Unzeit! – Und Das hat Er nicht verstanden? – Hab's gefühlt, Ohn' zu verstehn, mein guter, gnäd'ger Herzog! Doch jetzt zu unsern Tollen wieder! – Also Der Betteljude macht nur laus'ge Verse – Hex – Hexenmetre – war's nicht so? Lacht. Ha, ha! Das werd' ich Werdern heut' erzählen! – Jetzt Im Etui nachsehend. Kömmt unser böhm'scher Schuster . Was macht der ? Nur Schuh für die Versfüße höchstens – aber Ganz mystische. Sein Nam' ist Jakob Pilz ; Er war vorher Schuhflicker lang' in Pilsen, Und nährte redlich sich mit Frau und Kind; Bis eines Sonntags in die kleine Werkstatt Der Blitz einschlug, so wie er saß und sohlte, In Jakob Böhm vorlesend. Seit der Zeit Glaubt er sich selber Jakob Böhm zu seyn. Da fällt mir auf, der Jakob Böhm – der hat Mir schon den Guten – den der beißt – wie hieß er – Keit – Toll gemacht. – Lebt der verruchte Kerl In meinen Staaten? Er ist lange todt. schnell. Warum verbietet man nicht seine Bücher Im Meßcatalogus? Sie werden, glaub' ich, Sogar darin befohlen – wenigstens Empfohlen werden sie bei jeder Messe. Das soll man bleiben lassen! – Will mir's merken! Notirt. Und der nürnberger Maler, wie heißt der? Pinsel , Eur' Hoheit! Ich weiß eben nicht, Worin gerade seine Tollheit steckt, Wenn nicht im Malen. Ein erbärmlicher Strohpinsel ist er allerdings. Und jetzt Der kurhannöversche Ex-Postillon? Heißt Dietrich – sonst der dicke Faust genannt – Ein ganz unbändig grober Kerl – vierschrötig, Steinplump, und baumstark, wie ein Auerochs. Er flucht beständig, und muß immer eine Knallpeitsche haben in der rechten Faust, Sonst ist er ganz und gar nicht zu regieren. Er hat sich in den Kopf gesetzt, er sey Der Kubus des Barons von Boberfeld, Der, dreimal mit sich selbst multiplicirt, Sein Facit, als vollkommner Opitz , macht – Den übrigens er Faust nennt, und nicht selten Mit dem reichsfürstlichen Correspondenten Und Superintendenten Fust verwechselt, Wie mehrmals ich bemerkt. Die Sach' ist die (Nach allem, was bis jetzt ich schließen kann): Die Pferde sind ihm einmal in der Haide Bei Schafstall durchgegangen, und seitdem Hat er den Koller selbst bekommen – wähnend, Der Herr Geheimerath von Foßt zu seyn, Für den er fuhr – und der, nach viel gelehrten Nachspürungen in allen deutschen Blättern Des Herren Tollhausbibliothekars, Ein mecklenburgischer Stallmeister Fotsch , Der etwas über edle Pferdezucht Geschrieben hat, gewesen seyn soll. Alle Die andern Tollen halten ihn doch meistens Für einen Bastard des berühmten alten Schwarzkünstlers, oder wenigstens für Opitz – Drei, vier Studenten etwa ausgenommen, Die den unsterblichen Geheimenheimlicher In Breslau oft mit eignen Augen selbst Gesehen haben sollen. Dieser scheint Mir vollends der verrückteste von allen, Und der impertinenteste zu seyn. Ist er gefesselt? Alle diese sind In eisernen Schloßketten, Eure Hoheit – Doch so, daß jeder Arme, Bein' und Zunge An Sonn'- und andern Feiertagen frei Bewegen darf. Papier, und Dint' und Feder Muß ich indeß tagtäglich Allen lassen, Sonst würde gar zu wüthend ihre Wuth. Es ist doch, hör' Er, eine kurr'ge Sache Mit der Schreibfreiheit! Wäre diese nicht, So gäb' ich meinen Unterthanen gern Die Preßfreiheit, wonach sie alle schrein. Ja freilich, Eure Hoheit. Nur den Tollen Muß man durchaus doch diese höchst gefährliche Schreibfreiheit lassen – wenn sie nicht noch toller Als toll am Ende werden sollen. Also das Besänftigt sie? Sie gießen dann die Wuth In ungenirter genial'scher Hülle Bald lyrisch, bald dramatisch, stets romantisch- Barbarisch auf's Papier. Denn an Genie Fehlt's den Krabaten nicht; es sind fast lauter Höchstseltne Köpfe – würden auch im Durchschnitt Unsäglich viel Verstand drin haben, wenn sie Ihn nicht verloren hätten. Jetzt, zum Beispiel, Arbeiten sie – und zwar die allertollsten, Hauptsächlich, im Verein an einem großen Lust-Trauerspiel in Versen. lächelnd. Gar in Versen? In Hexenmetern – in den Bettelversen – Nicht wahr? Das werden königliche seyn! Bitt' um Verzeihung, Gnädigster! die hassen Sie vielmehr. Reime halten sie weit höher. Die mag ich auch am liebsten – nächst der Prosa. Ich reime selbst bisweilen was sub rosa . Doch reden Eure Hoheit meist in Jamben, Wie unterthänigst ich bisher bemerkt. Da weiß ich nichts von. Sind sie gut? Was nennt Er Injamben? Ganz vortrefflich, Eure Hoheit! Sind kurz' und lange Fuße. Das muß hinken Doch, mein' ich, etwas? begeistert. Ja, wie Tamerlan Und Alexander hinkten. Alle Helden Und große Fürsten: Göthe's, Schiller's Helden, Und selbst der weise Nathan hinkten so. – – Jetzt sprach ich auch in Jamben, Eure Hoheit! halbverdrießlich. Das klang recht gut. Doch mag ich lieber, wenn Er ganz in Prosa spricht. Man giebt sich doch In Jamben – wie Er's nennt – so einen Ton – Ich mag's vornehme Wesen nicht. Ich bin Kein Held – will auch nicht, daß man mir trompete. Doch à propos , der hallische Trompeter – Die Thür wird geöffnet. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Kammerherr tritt zitternd herein. aufgebracht. Hab' ich geklingelt? – Donner schwere Noth! Wie wagt Er unaufhörlich – Gnäd'ger Herr! Der Generalfeldmarschall dringt, der Obrist Der Garde, sechs Courriere – Schick' Er sie Zu dem Minister der auswärtigen Affairen! – Wozu halt' ich Den ? Soll ich Denn einzig Alles, Alles, Alles thun? Fort, sag' ich Ihm – ich habe hier Geschäfte Des Innern, welche doch – zum Teufel! – wohl Den äußern vorgehn. – Zum Minister! fort! Kammerherr ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. sich in den Stuhl zurückwerfend. Da sieht Er, Hofinspector! meine Muße, Und was es heißt, regieren Land und Staat. Wünsch' Er sich's nicht! O Himmel! nur mein Tollhaus Giebt mir genug zu schaffen. Dennoch ist Das kaum wie eine Grafschaft – denk' Er sich Ein ganzes Reich. Schon der Gedanke macht, Wer nicht dazu geboren, toll. Ein Mann Wie Er sieht so was ein; doch leider! nicht Die Herren Philosophen, die da glauben 'S Regieren sey so leicht, als Bücherschreiben. lächelnd und die Achsel zuckend. Weil, gnäd'ger Herr, die Meisten dafür halten, Die Welt besteh' aus Dinte. lacht. Nimmt Er mir's Doch gleichsam von den Lippen weg! Nun also Zurück zum hallischen Trompeter! Er sieht auf die Pendeluhr. Blitz! Die Glock' ist schon halb zwölf! – Und der Trompeter! – Vor dem würd' oft mir selber bange werden, Wär' er nicht ein Coujon im Grund'. Er ist Der überschwenglich tollste, Eure Hoheit. Er giebt ein' Ohrfeig jedem, der ihn nicht Eur Allerhöchstgeboren nennt. Genie Hört er am liebsten sich betiteln; nämlich So nennt er auch am häufigsten sich selbst. Er spricht von nichts als seinen eignen Werken, Und seiner tragisch-göttlichen Natur – Sein wahrer Nam' ist Pausback , sagt man, aber Sie nennen Till ihn. Er ist pudeldrollig In guter Laun', und hat unläugbar viel Von unsrem seligen Till Eulenspiegel . Tell Eulenspiegel! will Er sagen. Schiller Hat den beschrieben. – Wilhelm hieß er auch – Hat einst dem guten alten Hause Oestreich Viel Schabernack gethan! – Er war ein Schweizer. Der Till, von dem ich spreche, Eure Hoheit, Macht freilich Schabernack genug – allein – Weiß wohl; Er spricht nur von dem tollen Tell; Er ist hochmüthig, sagt Er, aufgeblasen? Das kömmt von dem Trompeten! Mag das nicht. Gar Niemand mag's, mein gnäd'ger Fürst. Es hassen Ihn alle, selber die Blödsinnigen, Auch prügelt oft ihn weidlich ab der Faust , Zumal, wenn er zu laut von der Erkennung Des Donnergotts in seinen Locken spricht, Und zu verstehen giebt, er sey geheimer Papa von allen öffentlichen Kindern. Was bildet sich der dumme Prahlhans ein! Wer ist er seiner eignen Meinung nach? All', Eure Hoheit. Das ist, seit er ankam, Der ewige Streitapfel in dem Garten. Er bild't sich ein, zu seyn, wofür die Andren Sich halten. Er ist Keit – er ist Bombastus (Und beide zwar, der rechte, wie der linke), Ist Shakspear, Daus , und Meister Opitz selbst. Dem armen Juden macht er den Homer Gar streitig, und behauptet fest, Er könnte Ganz andre Hexameter machen, wollt' er Von seiner Höh' so tief herab sich lassen. Das meint er? Er ist also doch Poet – Nur ein Trompeter ist er – 'ne Trompete Noch eigentlicher, die sich selber bläst. Ich mag ihn gar nicht. Ist er lange toll? Wie? lang, Eur' Hoheit? Er ist toll geboren! Kann man denn toll geboren werden auch? Es halten viele Hirnphysiologen Dafür, mein gnäd'ger Fürst, daß ächte Tollheit Durch keine bloße Kunst erschwungen werde. Daß, wer's zur Meisterschaft darin will bringen, Vor der Geburt im Mutterleibe rappeln müsse. Ich werde heute den Hirndoctor Stirn Bei Tisch darüber fragen. Notirt. Aber, sag' Er, Mein Oberhofinspector, alle diese Verrückten Kerls – sie scheinen mir, nach Seiner Beschreibung, alle tücht'ge starke Pursche. Könnt' ich nicht die Armee, die theils durch Frieden Und theils durch Krieg, bis auf den Generalstab, Fast eingeschmolzen, damit recrutiren? Wie? ließen sie sich gegen die Vandalen Nicht schicken? Freilich müßten sie ein Jahr Vorher gehörig exercirt noch werden. – verlegen. Der Plan, großmächt'ger Fürst, ist ganz der tiefen Reichsweisheit des romanischen Gebieters Im höchsten Grade würdig. – Keiner ist Zweckmäßiger, und keiner könnte je Politischer ersonnen werden. – Nur Ist leider die Ausführung ganz unmöglich. Warum denn? Lassen sich die Kerls denn nicht Discipliniren? Sind's ja doch Discipel Im Grunde nur, und Schüler, und dergleichen! Ganz sicher, Eure Hoheit! aber dennoch – Sie arbeiten zusammen, sagt Er mir, An einem großen Trauerspiel. Sie lassen Sich also doch in Reih' und Glieder stellen – Das allerdings, mein gnäd'ger Herr; allein – ungeduldig. Gehorchen sie nicht Ihm? Ich will Ihn selber Zum General des ganzen Corps ernennen. Sie können doch, zum Teufel! wenigstens Marschiren, oder stille stehn, und tapfer, Wie andre Corps, sich schlagen lassen. Freilich Eur hochfürstlichen Durchlaucht – aber – aber – mit steigender Ungeduld. Was will Er denn mit seinem Aber? Blitz! Ich mag kein Aber mir, muß ich Ihm sagen. Zu meinem Hofinspector hab' ich Ihn Ernannt; doch das ist immer unter der Bedingung, Daß Er nicht inspectire, sondern auch Hübsch respectire, was ich Ihm zu sagen. steht betroffen auf. Bitt' in der tiefsten Demuth um Verzeihung, Eur allerhöchsten Hoheit! ach! ich wollte Ganz allerunterthänigst nur anmerken – kurz. Das soll Er bleiben lassen. Merke mir Schon alles selber an. zitternd. Sie sollen also, Bewaffnet, exercirt, und commandirt Von mir, in's Feuer, gegen die Vandalen – heftig. Das sollen sie. Dem allergnädigsten Befehl gehorch' ich allerunterthänigst – Da thut Er wohl daran. Ich rath' es Ihm. Obgleich sie mich zuerst todtschlagen werden – Er holt einen langen Seufzer. Warum das? Weil sie, leider! alle feindlich Gesinnt sind. erstaunt. Schwerenoth! was sagt Er mir? Vandalisch sind sie? Doppelt, ach! und dreifach Vandalisch sind sie – noch vandalischer Als die Vandalen. Wie? Was hör' ich? Woher vermuthet – woraus schließt Er das? Aus allen ihren lauten Aeußerungen, Mein gnäd'ger Fürst. Erst sind sie jakobböhmisch- Ist das dasselbe wohl als jakobinisch ? Nein, aber noch viel ärger, Eure Hoheit! etwas beruhigt. Das gab Ihm Gott ein. Wenn's dasselbe wäre, Wär's aus mit Ihm, daß Er mir solches längst Nicht angegeben. – Was denn Aergers sind sie? Mehr als republikanisch, ohnehosig, Barbarisch, ganz zigeunrisch, mehr als türkisch. Sie machen gar viel aus dem Attila , Der Weltzerstörung wegen, die just ihnen Ganz recht ist. Ferner sind sie ganz unbändig, Ganz unbeschreiblich frech, und stehn, als Ritter, Incognito in sarazen'schem Solde. Dann endlich sind sie ganz und gar altfränkisch, Altindisch, provenzalisch, burigundisch, Nachtgallisch, madrigallisch, drudegallisch, Kurz gallischer als alle Gallogallier. Die eine g'rad' Idee, worin die queren Zusammenlaufen, und in welcher Alle Durch Widerspruch ganz einig sind, ist die: Daß gänzlich die bisherige Vernunftwelt Zerstört muß werden – das Vandalenland Zwar auch, sammt allen cultivirten Ländern – Doch förderlichst vor allen erst ihr eignes Allzu gebildetes, aristokrat'sches, Und nicht genug barbar'sches Vaterland. Wenn das ist, müssen sie noch heute Alle Gehangen werden. So toll hätt' ich mir Sie nicht gedacht, bei weitem nicht. Ich hatte Sie mir verrückt – daß heißt, noch raisonnabel- Wahnsinnig – nur vermuthet: ungefähr Wie alle Philosophen sind, im Durchschnitt, Zumal Poeten; – aber diese Tollheit Geht über alle deutsche Grenzen gar. Ich lasse sie noch heute hängen – Alle! demuthsvoll eindringlich. Bedenkt jetzt aber meines Herzogs Herz, Des Vaters – o des Vaters! denn ich kenn' es – Daß Höchstdieselben dadurch einen Theil – Und einen Kerntheil zwar – des einz'gen kleinen Kostbaren Ueberrests von Dero treuen Allzeit ergeb'nen Unterthanen streng Des Tods, des schmählichsten, krepiren lassen? Es war vor Zeiten, hab' ich sagen hören, Ein König Johann ohne Land – und heute .... lächelnd. Vielleicht ein Herzog Lüthard ohne Leute: Sagt Er? niedergeschlagen. Das sag' ich nicht. noch lächelnder. Ich sag' es aber. Und es ist etwas grade von dem Besten, Sprichwörtlichsten und Drolligsten, was ich In meinem Leben je gesagt. heiter. Die Nachwelt Wird's einst aufzeichnen, und die Ewigkeit Auswendig lernen, um sich todt zu lachen – Unendlich großer, guter Fürst! laut lachend. Das hoff' ich. seine Brieftasche hervorziehend. O dürft' ich allerunterthänigst es vorher Aufschreiben? Halblaut. Göttlich! göttlich! o wie war's doch? O wenn ich lachen dürfte! mit sichtbarem Wohlgefallen. Lach' Er nur! Ich will es Ihm dictiren, und zugleich Mir's selbst aufschreiden – denn ich seh', Inspector, Er hat Gefühl für's Groß', und offnen Sinn Für ächten, königlichen Mutterwitz. Dictirt und schreibt zugleich. »Einst König Johann ohne Land, und heute »Vielleicht der Herzog Lüthard ohne Leute!« Der Tollhausinspector hält sich den Bauch, und lacht zum Ersticken. Es ist ein Einfall, sieht Er, auf den Fall – vor Lachen stammelnd. O! 's ist ein Einfall über alle Fälle! Ein wenig zu sich kommend. Wie hoch muß über allem Hohen stehn, Der auf das Höchste selbst so tief herabsieht, Und lacht, wo Millionen weinen! sehr munter. Ja! – Setz' er sich wieder doch – dem Einfall kann Er jetzt mit allen seinen Jakobböhmern Das Leben danken; denn er hat mir ganz Die gute Laune wieder aufgeweckt. – Mein größter Stolz, mein höchster, ist und bleibt, Daß, als gemeiner Mensch und Bürger, ich So groß seyn würde, größer noch vielleicht, Als auf dem Thron. innig. Ich bet' in meinem Herzog, Seitdem ich das erhab'ne Glück gehabt, Persönlich ihn zu kennen, mehr den Dorfschulz, Als den gekrönten Landesfürsten an. ihm auf die Schulter klopfend. Er ist ein braver Mann, mein Hofinspector! Er hat was Offenes, was Jovial'sches, Wie mir's gerade recht; und scheint mir auch Viel Welt- und Menschenkenntniß zu besitzen. Bin zwanzig Jahre lang Tollhausinspector Gewesen, Eure Hoheit. ernst. Zwanzig Jahre Hab' ich nun auch Romanien regiert. Ich bin sein sehr affectionirter Herzog. Auch will ich heute, zum Beweis, wie hoch Er bei mir steht, mit meinem ganzen Hof, Und allen meinen Gästen, unter welchen Die Frau Dauphin , der Doctor Stirn , der Prinz Von Ellenbogen , und noch andre mehr Notable sind, zu Mittag bei Ihm speisen, Ganz sans façon . verwundert. Im Tollhaus, Eure Hoheit? In Seinem Hause, ja – wo, wie ich höre, Von Alters her ein großer Speisesaal, Und auch ein Garten seyn soll. verlegen. Ich ersterbe Vor Dankbarkeit, ganz einziger Regent! Doch ach! wie werd' ich – Hat Er guten Rheinwein? schnell. Den besten, Eure Hoheit! Gut! und Platz – Das ist genug – das Andre wird gebracht. Auch hab' ich sonst noch Dies und Jenes, das Vielleicht so hohen Gästen hier in diesem Entblößten Ort nicht unwillkommen – Tafel- Musik, zum Beispiel – Ei! was sagt Er? schön! Nicht meinet- nur der Gäste wegen. Und Nach Tafel Schauspiel – freilich deutsches nur, Doch nicht einfältig eben. Blitz! was sagt Er? Hat man ein Schauspiel hier? Im Tollhaus eben. Das Trauerspiel, wovon ich sprach, wird heute Zum ersten Mal gegeben. Von den Tollen Gespielt? Von ihnen selbst, mein Herzog! Das wird was Drolliges wohl seyn? Sehr drollig. Das lieb' ich eben. – Weiß Er was, mein Lieber! Sein Tollhaus, nach dem Allem, und nach dem, Was sonst man mir davon gesagt, gefällt mir. Der Name nur chokirt mich. Könnt' Er nicht Ihm einen andern Namen geben – wie Zum Beispiel: Institut – Museum , oder Lyceum, Athenäum – wie sie heißen, Die Schulcollegien – Hochschule , oder So etwas? Das können Eure Hoheit nur. steht auf – der Tollhausinspector fliegt von seinem Stuhle. Da fällt mir ein: Er ist nicht länger Toll-, Ist Oberhofinspector jetzt – wie wär' es? Ja, ja, das geht! Ich will es – also heiße Das Haus vom heut'gen Tag' an, ohne weitres, Der Obertollhof ! – Ist Er's so zufrieden? außer sich. Ich küsse dankbar Eurer Hoheit Hand In meinem und des Obertollhofs Namen. Bis drei Uhr mach' Er also fertig Alles, Uns zu empfangen. Ich ertheile jetzt Dem Hofmarschall die Ordre, sich sogleich, Mit sammt dem Koch und übrigen Bedienten, Hin nach dem Obertollhof zu begeben. Er nimmt die Schlafmütze wieder ab. Der Tollhausinspector geht rücklings, unter tiefen Verbeugungen, hinaus. 8. Auftritt Achter Auftritt. allein. Das ist doch noch ein Kerl, will's Gott, auf den Ich bauen kann. Gerade, schlicht, natürlich, Gutlaunig; gar nicht dumm dabei! vielmehr Gescheit. Lang sucht' ich einen solchen. Hätte Mein erster Staatsminister nur die Hälfte Von seiner Einsicht! Zwar, der meint's auch gut; Doch ist er überadelig bornirt, Und weiß vom Staat so viel, – als meine Mütze. Klingelt. Ist Niemand da? 9. Auftritt Neunter Auftritt. springt herein. Das ganze Ministerium – Soll warten! Der Generalfeldmarschall, und – Soll warten! Der Baron Schnüffelbrenner – finster. Sollen warten – Sag' ich Ihm ein für allemal. Es geht Mein Dienst wohl allem andern vor noch, hoff' ich. Der Hofmarschall muß sich sogleich zum Tollhaus Verfügen. – Meld' Er auch der Herzogin, Daß dort wir bei dem Oberhofinspector, Dem Oberhofinspector ! merk' Er sich's, Der eben von mir wegging, nebst den Gästen, Die eingeladen, heute speisen werden, Zu Mittag, und – daß Abends dort auch Schauspiel. Kammerherr ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. allein. Was sie doch sagen werden All' heut Abend Zu meinem Schauspiel! Bin auch selbst begierig. Sieht auf die Pendeluhr und klingelt. Ach! jetzo muß ich, leider! wieder anziehn Den Herzog; und mich steif frisiren lassen. Klingelt wieder. Jetzt sind sie Alle fort! Klingelt sehr stark. Vermuthlich stecken Sie mit dem Marschall alle schon im Tollhaus. Da Niemand kömmt, so geht der Herzog selber in ein Nebenzimmer. Der Vorhang fällt . 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. im Zelt. Es lebe hoch der Herzog! Hoch! dem Herzog! Commandant der Festung stößt an mit dem neben ihm sitzenden grauen Mantel. im Zelte, zechend. Der große, gute Herzog Lüthard lebe! außen. Hoch! hoch! Hoch! hoch! Hoch! hoch! Hoch! hoch! in und außer dem Zelt. Hoch! hoch! innen. Schon seh' ich seine jüngste That, wie brausend Ein Flug von Fersen vor ihm weht; Er aber seinen Gang durch vier-, fünfhunderttausend Zertret'ne Bäuche geht. Der Generalfeldmarschall lebe! Romanier, Kalmucken und Kosaken murren. außen. Hoch! im Zelt. Die tapfern Jauern hör' ich, ihre Lieder, Ihr Fest bei jedem Freudenmahl Ist Er, der wider alle Vandeln flucht, und wider Philister ohne Zahl. anstoßend. Hört! wie er wider alle Vandeln flucht und wider Philister ohne Zahl! vom vandalischen Vorposten herüberschallend. Foutre ! Der Mann im grauen Mantel lacht. auf dem Boden neben ihren Erbsentöpfen. Sie wollen Futter dort. Es sind die Pferde. im Zelt. Die Festung Dummliz auch soll leben! stößt an mit den Festungscommandanten. Leben! Verwandelt in Verwünschungen die Lieder Bei diesem Siegesmahl! Stoßt an mit hunderttausend Brennerflüchen wider Vandalen ohne Zahl! Alle fluchen und trinken. vom vandalischen Lager, lauter. Foutre ! Wer ruft? Die Feinde dort. Was rufen sie? Nach Futter rufen sie. innen. Krepiren schon Vor Hunger! Grauer Mantel neben dem Commandanten lacht. Futter! Futter! Schwerenoth! Geduldet Euch bis Morgen, Esel! Dann Wird Euch das Maul mit Schrot und Koth gestopft. klatschen. Brav! Unser General soll leben! Brav! Stoßt an! sehr laut. Futter! Futter! Futter! Teufels Donner! Schocksapperment! Sie röcheln, glaub' ich, schon. Der graue Mantel lacht überlaut. Das Schrein nach Futter ist ein böses Zeichen. zu seinem Nachbar. Was lachen Sie so überlaut? Ich muß wohl. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Ein Eilbote dringt vor. im Zelt. Wer da? Der Feldcourrier. zugleich. Was bringt er uns Vom Generalfeldmarschall. Kömmt er? Nein. Soldaten murren. Was läßt er mir denn sagen? »Uebermorgen Find' kein Philister-Esel Futter mehr In ganz Romanien?« Es sagte mir Der Kammerherr bei'm Weggehn, dieses seyn Des Generalfeldmarschalls eigne Worte. Der Herzog übrigens ist mit dem Hofe Ganz ruhig – Schwerenoth! das kann er wohl; Wir sind ja hier! Grauer Mantel lacht in den Bart. Kalmucken murren. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Ein zweiter Eilbote dringt vor. Wer da? Courrier vom Hofe. in's Zelt hinein. Courrier vom Hof! stöhnend. Der Generalfeldmarschall Hat nichts zu sagen. erstaunt. Wie? Nichts zu befehlen – »Schön!« sagt er, »Alles gut!« Sonst weiter nichts? Es ist aber heute großes Schauspiel In Jauer. Schauspiel? Hundeschauspiel oder Concert von Katzen – so was. Richtig! das vergaß ich. Es sind viele Fremde da: Die Frau Dauphin, der Doctor Stirn, und Andre. Man giebt ein großes Fest, und ein Tedeum, Tedeum , glaub' ich, nannten sie's. Geschwätz! Laß mich ausreden! Ich bin unterrichtet Von Allem, weiß die Sach', ich hab's vom Koch. Der ganze Hof mit allen hohen Gästen Und niedrigen (denn es sind Todtengräber Darunter, sagt der Koch) geht in das Tollhaus, Wo Hofkomödie wird aufgeführt und Bal En domino . Der Tollhauswärter ist Zum Oberhofmarschall, und ich weiß nicht Wie viele Tolle Hosenträger-Ritter – corrigirend. Ritter vom Hosenbande – Schweig! ich bin Der letztens Abgereiste. War ich doch Selbst mit dem Leibkoch in der Tollhausküche, Wo's drüber jetzt und drunter geht. Bei'm Teufel! Da muß ich hin. Ich auch – die Festung läuft Ja nicht davon. Ich auch – wir haben Zeit – Wir auch. Die Wache haben, müssen bleiben. Versteht sich, ja! Versteht sich, nein! ernst. Der Prinz Von Kotbus hat die Wach'. Ich weiß – allein Er giebt sie einem Andern – und als Prinz – bestimmt. Prinz hin, Prinz her! – er bleibt. Was, Schwerenoth! Wer hat hier zu befehlen? Ich! lacht. Man sattle Die Pferde des gesammten Generalstabs! Auch die des Prinzen, gleich! steht vom Tisch auf, zur Wache. Herbei! verhaftet Den General! fährt auf vom Tisch, zieht. Schockdonner Schwerenoth! zum Obristwachtmeister. Nur nieder mit dem Hundsfott! Grauer Mantel reibt sich die Hände. Wache eilt herbei. Alle springen vom Tisch auf. zieht ebenfalls. Bin fertig! Sie fechten. Allgemeiner Tumult im Zelt, Lärm und Geschrei. Die Einen laufen gegen die Anderen mit gezücktem Degen, fluchen und toben. Der Obristwachtmeister wird verwundet. Die Pferde werden indessen außen vorgeführt. Der Prinz von Kotbus springt durch die Mitte der Fechtenden über den Tisch, schwingt sich auf seinen Schimmel, und sprengt davon. Die Meisten, etwas schwer von Wein, fallen im blinden Gefecht mehr oder weniger verwundet zu Boden. Die romanischen Soldaten, Tataren, Kalmucken, Kosaken springen von ihren Erbsentöpfen auf, und ergreifen ihre Gewehre. Die Zigeuner schreien Zetermordio. Die Marketenderin läuft wie eine Furie mit fliegenden Haaren um das Zelt. Die Trommeln werden gerührt. Das Futter-Rufen im Hintergrunde bringt von Zeit zu Zeit vernehmlich durch den Tumult im Vordergrunde. Man hört endlich eine Stimme , von der linken Seite des Zeltes her, rufen: Still! Im Namen Seiner Hoheit Des Herzogs! Hört ihn! Hört ihn nicht! Er kömmt Vom Generalfeldmarschall. meldend. Adjutant! draußen. Des Herzogs eigner Adjutant! Respect! 4. Auftritt Vierter Auftritt. zu Pferde, reitet vor. Der Herzog ladet durch den General- Feldmarschall, der mich abgeschickt, die Herren Stabsofficiere sämmtlich, von dem Ersten Bis zu dem Letzten, welche mit dem Orden Des goldnen Jauerkreuzes decorirt, Zum Schauspiel ein, im Hauptquartier zu Jau'r Heut Abend, doch mit Vorbefehl, daß Alle Vor Mitternacht zurück in's Lager kehren. Trompetenstoß. zum Festungscommandanten. Ein Mann wie Sie, nicht decorirt! nicht Ritter! Lautes Murren. in eine Gruppe zusammentretend. Hoch! hoch dem Herzog! – hurtig unsre Pferde! Sie sitzen Alle auf, der General von Wirbelzopf an der Spitze, und jagen davon. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Allgemeine Stille. Die zurückgebliebenen Officiere sehen einander an. blutend. Laß ziehn die Narren! Fort mit ihnen, auch Nach Mitternacht! Es lebe hoch der Obrist- Wachtmeister! hoch! Zum Teufel mit den Andern! Die Sonne geht unter. Wir sind nur Hunde! Alle versammeln sich um den blutenden Alten. laut. Warum lassen wir Uns von den Knaben hetzen? Rufen wir Den Obristwachtmeister zum General Der hies'gen Truppen aus! Es liebt das Heer ihn. Wir sind die Stärksten hier! Der General Wachtmeister lebe! Ziehn die Degen. präsentirt. Hoch! Er commandir' uns! Und sitze vor sogleich am Tisch! Es sind Noch sechzig Flaschen ungeleert – Und hundert Bouteillen liegen draußen noch im Sand, Die Wirbelzopf für morgen aufbehalten. Man theile sie sogleich den Corporalen Im Lager aus! vorne. Ein ächter Generals- Befehl! In aller Corporale Namen: Hoch unserm General! Hoch! hoch! eilt vom Zelt und spricht leise mit den ringsum versammelten Soldaten. Laut. Um Mitternacht! ROMANIER, TATAREN, KALMUCKEN, KOSAKEN, KROATEN UND ZIGEUNER. Es lebe hoch der General-Wachtmeister! Der Generalfeldmarschall und der Herzog! zu den Soldaten. Jetzt, Cameraden, kommt und sauft! Und wir – Vollenden wir das frohe Siegesmahl, Bevor der Sieg uns überrascht! Alle setzen sich wieder um den Tisch, der Obristwachtmeister oben in der Mitte. sein Glas nehmend, während der Feldchirurgus ihn verbindet. Dem Siege! anstoßend. Dem Sieg! das Glas in der Hand. Dem Sieg! ebenso. Dem Sieg! mit dem Festungscommandanten anstoßend. Dem Wohlbewußten! Sie trinken Alle, mit jedem neuen Glase eine neue Gesundheit bringend – des neuen Generals – des neuen Oberhofmarschalls im Tollhause – der Armee – der romanischen Mädchen – der Herzogin – der Festung Dummliz – des jauerschen Tollhauses sogar; bis sie unter Gläserklirren und Trompetenstößen allmälig Alle einnicken. Der Festungscommandant und der Graue Mantel stehen auf, und treten im leisen Gespräch mit einander aus dem Zelt. halblaut. Es wäre jetzo Zeit – links – zu dem dicken Eilboten, der sich bei ihnen gelagert. Wird also morgen Wohl aufgebrochen? Freilich! zu dem gelagerten Haufen. Cameraden! Entfernt Euch einen Augenblick! murrend. Er braucht Viel Platz zum – brummend. Donner! – Niemals Ruhe! stößt ihn mit dem Kolben auf den Hintern. He! Platz da für den Commandanten! Der Haufe verliert sich allmälig, und der Festungscommandant bleibt allein im Vorgrund zur Linken mit dem Mann im grauen Mantel . 6. Auftritt Sechster Auftritt. Aber Was bürgt mir denn – sieht sich nach allen Seiten um. Chut! Chut! Wir sind allein – Und – ohnehin bin ich nur ausgesetzt; Sie haben nichts zu fürchten. schlägt den Mantel zurück. betroffen. Tod und Teufel! Vandal'sche Uniform! sich wieder einhüllend. Nur still! – Für wen Denn haben Sie bis jetzo mich gehalten? Für einen Fichtelberger. Nein, mein Herr! Ihr Glück ist sicherer als so. Reicht ihm ein Papier. Hier hunderttausend – Und gleich bei'm Einziehn in die Festung morgen Dreihunderttausend! Nur um Blut zu sparen – das Papier einsteckend. Und Pulver – Blut und Pulver! Folgen Sie! Er geht mit dem Graumantel fort. Sie verschwinden Beide im Hintergrunde. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. zur Rechten des Zelts eingeschlafen, ruft im Traum. Wer da? zur Linken, erwachend. Wer da? lachend. Gut Freund! Schlaf wohl! gähnend. Ich schlafe. von der Seite herkommend. Ein Gläschen noch vom Guten! Schenkt dem Kroaten ein. fern im Hintergrunde. Futter! im Zelt, gähnend. Hoch! innen, etwas heiser und schläfrig. Des Lebens Aengsten, er wirft sie weg; Hat nichts mehr zu fürchten, zu sorgen. Er schlummert dem Schicksal entgegen keck; Weckt's heute nicht, weckt es wohl morgen. Und weckt es morgen, so laßt uns heut Noch schlürfen die Neige der schlafenden Zeit! Und weckt es uns morgen, so laßt uns heut Noch schlürfen die Neige der schlafenden Zeit! Sie schlafen Alle, wie der Chor ausgesungen hat, ein. Der Vorhang fällt. Zweiter Theil Erste Abtheilung [Motto] – »Was ihr den Geist der Zeiten nennt, »Das ist im Grund der Herren eigner Geist, »In dem die Zeiten sich bespiegeln.« Faust der ältere. Personen Personen des Stücks. Handelnde. Faust. Satan. Mephistopheles. Keit, der Kohlenbrenner. Klingel. Flecht. Schrelling. Einbein. Poz. Peter Droll. Trompeter Till, Philosophen und Minnesänger des neunzehnten Jahrhunderts. Bombastus, Naturphilosoph. Höchener, der Apotheker. Pinsel, der Maler. Pilz, der Schuhflicker. Mendel, ein blinder Jude. Baron von Wicht, angehender Genialist. Attila, der Hunnenkönig. (Im Stück König Ezel genannt.) Chrimhilde, dessen Königin. Rüdiger, dessen Kämmerer. Volk, dessen Hofnarr. Schwämmelein. Fiedelare. Werbelein. Fiedelare. Die zwölf Könige am Hofe Attila's, Personen des Stücks im Stücke. Die Mutter Satans. Grethe, stumme Person, die nicht gesehen wird. Barbara. Kätchen. Lucinde, Geliebte. Hans Wurst. Prologus. Echo. Sieben Todtengräber. Zwölf Knaben mit Posthörnern. Mehrere Recken vom 5ten Jahrhundert. Die Romanze. Ein Zicklein. Ein Lindwurm. Recensent. Heuschrecken, Fledermäuse, Holzwürmer, und mehrere nicht vorkommende Thiere. Zuschauende. Lüthard, Herzog von Romanien. Herzogin, dessen Gemahlin. Graf von Strafmichgott, Generalfeldmarschall. Prinz von Kotbus. Prinz von Ellenbogen. Madame Dauphin. Opitz, Baron von Boberfeld. Werder, Hofburgrath. Jordan Bruno, reisender Gelehrter. St.-Preux. Doctor Stirn. Tollhausinspector. Julchen, eine kleine Hofdame. Mehrere andere Hofdamen. Chöre. Chor von Königen und Recken. Chor von Weinenden und Zähneklappernden. Chor von Teufeln. Chor von Halbtollen. Chor von Blödsinnigen. Chor von Zuschauern. Prologus Prologus. Offener Platz vor dem Tollhause, von einer hohen Mauer umgeben. Im Vorgrund ein Balcon, mit einer Thür zur Linken, worauf die Hoheiten mit ihren Gästen so sitzen, daß man über sie wegsehen kann. Der offene Platz, oder die eigentliche Bühne, stellt einen Park voll Pappeln und Acazien vor, in dessen Hintergrunde ein Apollotempel. Zu beiden Seiten Büsten, und in der Mitte eine Platane, mit einer Bank darunter. (Trompetenstöße.) Die Hoheiten sitzen schon; die Andern setzen sich; nur der Tollhausinspector und der Kammerherr neben der Thür bleiben stehen. tritt auf als Ankündiger. Werden die Ehre haben, und der hohen Gesellschaft die Ehr' erweisen, aufzuführen: » Hol's der Teufel! oder der vollendete Faust « – Declamirend. 'Ne plunderwitzige Wohl wunderspitzige, Sehr minneliebliche, Doch sinnetriebliche, Natürlichmagische, Recht lustigtragische, Halb girrerührende, Halb irreführende, Theils schief poetische, Theils tief prophetische, Zwar sehr erweckliche, Doch mehr erschreckliche, Hanssachsisch sehre gothische, Ganz shakspearsch schwerenothische, Nichts weniger als neualt griechisch-römische, Allein vollkommen altneu tieckisch-böhmische Tragöthico-Komödia ( Ad modum der Mysteria) In allerlei Aufzügen und Auftritten, Nach Art der allerneusten alten Sitten, Mit Echo, Chören, Teufeln und Prologen, Hans Wurst, und Satanas, und Epilogen, Nebst allem Zubehör, nicht gänzlich ohne Zoten, Im kräftigen Geschmack der neuen alten Gothen. Mehr göttlich, Als göthisch; Mehr spöttlich, Als spöttisch; Mehr dünstlich, Als künstlich, Gerichtet, Geschlichtet, Gedichtet Von den sieben Weisen allhier. Hans Wurst athemlos ab. auf dem Balcon. Das wird ganz höllisch tolles Zeug noch werden. Hm! Herr Collega, sagen Sie das nicht! Mir däucht, Ihr Faust – verzeihen Sie mir doch – War schon, nach meiner Meinung, so zu sagen, Gewissermaßen höllisch toll genug! Doch nur gewissermaßen! Allerdings! Obgleich doch immer auf der andern Seite Nun eben, wie Sie wissen – O! ich weiß schon Doch, lieber Herr Collega, laßt uns jetzt Die andre Seit' auch sehen! Freilich kann man In diesem kreuz- und quer-vielfachen Leben 'Ne Sache nimmer von zu vielen Seiten Betrachten. Das war stets auch unmaßgeblich Von jeher, wie Sie wissen, die Maxime, Die niemals ich geändert – Bleiben Sie Jetzt einen Augenblick dabei, Herr Burgrath! In Gottes Namen. Da doch die Hoheiten So närrisch sind, ein so erztolles Ding Mit anzuhören, kann ich endlich auch Zu dieser wahren Abderit-Ergötzung Herab mich lassen. Doch, verzeihen Sie, Wenn ich einschlafen sollte! Ganz von Herzen! zu Werder'n. O! sprechen Sie doch lauter, lieber Hofrath! Damit wir Andern von der Unterhaltung Auch etwas mitgenießen! in der Person der Barbara, mit einer goldpapiernen Glorie um's Haupt, tritt auf, und declamirt. Mir ist ganz kannibalisch wohl, Als wie zwölfhundert Säuen – Hält inne. auf dem Balcon. Schwerenoth! Das fängt jetzt kräftig an! – Reine Natur! Schweine-Natur doch – wollen Sie wohl sagen. Ich gebe mich mit der Metaphysik Als Arzt nicht ab. Natur ist mir Natur – Die ein' ist mir so rein, als nur die andre. lauter. Mir ist ganz kannibalisch wohl, Als wie dreihundert Säuen – Hält wieder inne. DAUPHIN zu Opitz. Was sagt die Himmlische? Ich habe nicht Verstanden – Nicht? Sie würden's übersetzen: Je suis extrêmement charmée . DAUPHIN. Ah! so! Mir ist ganz kalibanisch wohl, Als wie – (Läuft nach der Coulisse, und frägt laut hinein. Wie viel doch Schweine sind's? ich hab's vergessen. Fünfhundert! Aber das ist erst im Chor; Du mußt den Prologus hersagen, Barb'ra! Ich hab' den Prologus vergessen. indem eine Hand ihr ein Stück Papier hinreicht. Da! Lies ihn vom Blatte! Das thut nichts. Zum Henker! Kann ja nicht lesen! Ist es denn gedruckt? auf dem Balcon. Das Stück geräth in's Stocken, wie es scheint. Es fing auch gar zu kräftig an. KOTBUS. Erbärmlich! Stell' Dich nur hin, und thu' als wenn Du sprächest! Mach schöne hochpathetische Geberden, Du weißt wohl, und ich werde laut die Worte Für Dich hersagen. gesticulirt, während die Stimme hinter den Coulissen spricht. Ihr habt nun Alle mit Lust und Grauen Können vernehmen, und fühlen, und schauen In dieser Ergänzung des Opitz-Fragments Die hunnische Wendung, und goth'sche Tendenz – Die goth'sche Tendenz, und die hunnische Wendung; Die breite Dehnung und lange Sequenz – Die lange Sequenz und die breite Dehnung – Es entsteht ein Geräusch hinter den Coulissen. Halt – halt! halt! Sapperment! Die Hand streckt sich wieder aus der Coulisse hervor, und winkt dem noch immer fortgesticulirenden Prologus, inne zu halten. Halt inne, sag' ich. Der Narr sagt, es sey der Epilog; ich habe das unrechte Papier genommen. Aber warte nur ein wenig, und mache keine Geberden, damit Du nicht wie eine Windmühle da stehst, die ohne Wind geht – wir werden gleich das rechte finden. – Pause. DAUPHIN. Das Stück hat Mühe In Gang zu kommen. Hab' ich's nicht gesagt? Anfang ist schwer, wie Ende, Herr Collega. Den Tollen wäre, meint' ich, jeder Anfang Gerade leicht? Als Tolle fangen sie Ja toll genug das Stück an, Eure Hoheit. Es ist nicht auszuhalten; es ist ganz Unmenschlich toll! Ja! meiner Meinung nach, Ist dieser Anfang gänzlich unter aller Vernünftigen Kritik. Es thut mir leid – Daß Tolle nicht gescheit sind? Mich hingegen Ergötzt es; und der Anfang, wenn das Ende Nur hält, was er verspricht – DAUPHIN. Sie werden, hoff' ich, Das ganze Stück von hinten rückwärts spielen. Das, leider, wird der Narr verhindern. DAUPHIN. Wer? Wer ist der Narr? Der, welcher den Hans Wurst macht, Der arme sehr gescheite junge Mann, Mit dem wir heut am Eingang sprachen. Stille! Die Hand der Stimme winkt; 's fängt wieder an. Jetzt, Barbara! ich hab's – agire weiter! fängt an heftiger zu gesticuliren. Ihr seht in mir, und nicht im Bilde nur, Die Urkraft der unendlichen Natur, Das Mutterrad der heut'gen Weltenuhr, Die Tilgerin der zeitlichen Cultur, Der Zukunft und der Gegenwärtigkeit Erzeugerin – kurz, die Vergangenheit – Die Stimme holt Athem und räuspert sich. -PREUX. Das nenn' ich uranfangen a priori ! Die Gottgebärerin, die Poesie – – Sie! Der allerneuesten Philosophie – – Fie! zum Tollhausinspector. Wer macht das Echo? Der Hans Wurst, Eur' Hoheit! Mit einem Wort, das heil'ge Kontrafei Der hochehrwürd'gen alten Barbarei: Die Niebelungen und das Heldenbuch In einem einz'gen großen Widerspruch – Hei! hei! Das Mittelalter betete mich an, Als Mutter Gottes; das war wohlgethan! Denn wer ist Gottes Mutter, ist es nicht Die Sprache, die sich selber widerspricht? Hei! hei! hei! Stimme, du verplapperst Dich – Der Sprache Widerspruch – das Mutter-Ich – Das All im Nichts – die Welt – versteht ihr mich? Die Gottheit – das Genie – die Wissenschaft Der Kunst-Natur – die leere, volle Kraft – Das Unaussprechliche – das Groß' und Klein' – Liegt in dem Widerspruch der Sprach' allein. Läufst irre, Prologus! Lenk' wieder ein! Versteht Ihr meiner Dichtung Ja und Nein? – Nein! Dringt ihr in meiner Weisheit Tief' hinein? – Nein! Denn in der Sprache Spaltung legt ihr Ei Die Allgebärerin, die Phantasei – Was nicht sich widerspricht, ist platt und schlicht; Gemeine Dichtung widerspricht sich nicht. – Die Stimme holt wieder Athem. halblaut. Ich kann mit meinem Winken und Souffliren Der Prologinne Stimme nicht regieren. Zum Vorleser. Such' auf dem Blatt: »Ich war, als Mutter Gottes!« Pause. Mir ist, als wenn ich alle die Poeten Und Philosophen sämmtlich, auf einmal In Luft und Wasser krähn und quaken hörte. Thut nichts! Laß immer laufen! Klingt recht gut. Ein bischen Widerspruch nicht übel thut – zu Bruno. Verstehen Sie es, Herr Professor? Nein! So wenig als die Sprache meiner Schüler. Ich war, als Mutter Gottes, also ja – – Ja! Vor Ops , und selbst vor Vater Opitz da – – Da! -PREUX zu Opitz. Das Mädchen zeigt auf Sie – Gar zu viel Ehre! Vor aller Dichtung und Philosophie War das poetische Naturgenie – Vor Kirch', Altar, und Papst, und Klerisei War die Gebärerin, die Barbarei – Nach jenen Allen werd' ich auch bestehn! Ihr werdet's sehn, ihr Herrn! ihr werdet's sehn! Es sprechen Sieben hier aus meinem Mund, Euch dies, als Prologus, zu machen kund. Denn sieben sind die neuen Lichter, Die großen Dichter, Die diesen Faust mit Macht Hervorgebracht, Zum Zeichen, Daß ihren Kräften alle Kräfte weichen. Gebt Acht! Ich rede jetzt in lauter Melodie, Als ächt poetische gewes'ne Poesie, Die kommen wird, in ihrem Namen – Amen! Im alten, wohlbekannten Fauste Hauste Maurig, Wie das Käuzchen in der Kirchenmauer – Sauste Schaurig, Wie das Hexlein durch den Schornsteinschauer – Brauste Traurig, Wie die Orgel zu Schön Gretchens Trauer, Etwas von dem mittelalten Ur- Sprung – Etwas von dem neuesten Cultur- Schwung Unsrer kirchenmaurig – Unsrer uhuschaurig – Unsrer orgeltraurig – Maurig-schaurig-traurigen Natur. Leise Tritte, gleichsam ohne Spur, So zu sagen, in den Lücken nur . Manches tiefe Quellchen Quoll; Manches breite Wellchen Schwoll; Manches hohe Bellchen Boll – Leis' ankündend unsre tiefren Quellen, Unsre längren, breitren, weitren Wellen, Unser überlautes hohes Bellen; Aber – nur in ausgelaßnen Stellen. Haben solch' auch immer unsr' Estime, So wie mancher in dem Schakspear auch, Wenn der Rüpel spricht, der droll'ge Gauch (Sonderlich in Stücken nicht von ihme.) – Denn – bis unsre letzten sieben Wochen – Haben, seit der Monden Anbeginn, Von der Dichtkunst wahrem Sinn Sieben nur – in allem – was gerochen: Shakspear, Dant', Hans Sachs , und viere noch, Unter welchen Opitz wohl das Meiste roch – Doch gleichsam nur im Vorübergehen – Wir aber blieben dabei nicht stehen; Rochen und witterten nicht allein, Sondern steckten die Nasen hinein. Drum haben wir jetzo gefüllt die Lücken In unseren Schau-, Bruch- und Meister-Stücken, Lassend das gar zu Gedachte darin, Das allenfalls ging für den ersten Beginn, Und hebend im Ganzen aus dem Fragmente Nur die gewaltige Haupttendenz Und die gediegene Quintessenz, Die Opitz bis Dato behielt in mente : Jede Scene, Notabene , Die er schuldig uns geblieben, Und bisher, und nimmer, nie geschrieben. Denn das Tiefste spricht nur aus sein Schweigen, Und das Höchste malt sein leeres Blatt; Was er dem hinzugesetzt, ist matt – Alles Tiefst' und Höchste bleibt uns eigen. So sprechen durch mein zartes Mündlein klein Die sieben großen Dichterlein. Jetzt muß ich fort von meinem Posten gahn, Und darf, als Prologus, nicht länger stahn – Doch, unter uns gesagt, ich kumme Bald wieder umme – Ich spiel' im Stück noch andre Rollen fein, Gar züchtig, wie ein Engelein – Und wenn das Stück ist aus, wer mehr will wissen, Bericht' ich's gar zu gern dort hinter den Coulissen – – Die Stimme schweigt. – Prologus macht eine naive Reverenz, und läuft davon. -PREUX. Ein ächt romantischer Prolog! Recht nett! Ich habe nur den Schluß davon verstanden. Und ich gar nichts. Ich ebenfalls gar nichts. Wer weiß, ob die Verfasser auch verstanden Gerade wollten seyn? DAUPHIN. Ich ahne was. tritt wieder auf. Verzeiht, Ihr Herrn! ich muß Als Epiprologus Noch Eins verkünden: Es fängt jetzt an der zweite Act; Der erste wird nachher gemacht, Aus guten Gründen. Die Hauptperson, der Faust, der nun auftreten sollte, Muß, wegen plötzlicher Kolik, Abtreten einen Augenblick – Ich kann's nicht ändern jetzt, so gern ich wollte. Versich're übrigens bei meiner Ehr', Daß gar der Gang des Stücks dabei nicht leidet sehr. Hans Wurst klettert auf die Platane in der Mitte der Bühne, wo er während des ganzen Acts sitzen bleibt. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Klingel und Flecht treten auf. Du bringst mich auf unendliche Gedanken, Mein theurer Flecht! auf neue, niegedachte, Die längst ich selber oft gehabt. Die Welt, So wie sie ist, die wirkliche, die jetzige, Gemeinvernünftige – wie soll ich sagen – Zum Ekel sittliche, durch Luther vollends Verhunzte Welt muß untergehn, muß rein Vernichtet werden. Hab's gesagt. Es steht Geschrieben! Sag' es noch, und schreib' es wieder Schlechthin. Ihr könnt's ja hören, könnt's ja lesen. Was geht's mich weiter an? Die Welt muß rein Vernichtet werden! Punctum! Soll ich denn Es ewig wiederholen? oder – Esel! Versteht Ihr gar kein Deutsch? Die Welt muß rein Vernichtet werden! Wie gesagt, das war Von jeher meine Meinung auch – Was, Meinung? Ich meine nicht; ich weiß. Nachplappern könnt Ihr, Ich kenn' euch schon. Von hinten faßt ihr alles, Von vorne nichts. Du zielst doch, hoff' ich, nicht Mit diesem Pfeil auf mich? Er trifft wohl sonst – Seyd alle miteinander Esel! Freilich! Alle – Das sag' ich auch; nur bitt' ich Eins mir aus: Ich bin es nicht; denn Ich bin Ich, wie Du. Kann seyn – beweis' es! giebt ihm eine tüchtige Ohrfeige. Da! von vorne! da! versetzt ihm einen entsetzlichen Nasenstüber. Da! vorner noch, Du Hund! mit blutender Nase. O, Kraft und Kraft! Du bist ein Philosoph, ich ein Poet – Grobgöttlich, göttlichgrob, Ich-Helden beide. Genie ward jedem, einziges, die Welt Entsetzendes Genie. O! laß uns nicht Das Göttliche verschwenden gegen uns! Vereinigen wir lieber unser Höchstes Und Einziges im Kampfe gegen Alle! Laß jen' Ohrfeige, diesen Nasenstüber Das Ich vom Ich nicht trennen! Sey's vielmehr Ein inniger, verhängnißvoller Bund! – desänftigt. Wohlan, ich sage Topp! – Es werde Fleisch Das Wort! Die kalte Wissenschaft erscheine Nun auch in heißer Dichtung! Sie umarmen einander. Doch was thun Vereint wir nun zu unserm großen Zwecke? Wie kommen wir zum Ziel? sein Nasenbluten mit dem Schnupftuche stillend. Die Barbarei Muß wieder eingeführet werden, und Die Schulen alle, die von griechischer Und römischer Cultur verpestet sind, Rein abgeschafft – bis auf die unsre! Gut! Und weiter? Alles sonst, was Wissenschaft Und Kunst bisher geschienen, muß zerstört Und ausgerottet werden. Hier in Jauer Muß angefangen werden, hier im Kern Romaniens: dann fällt von selbst das Andre. Ganz recht! Doch welche Mittel haben wir Zur physischen Zerstörung – der Gebäude, Der Gärten, der Gemälde, der Gebilde, Der Professoren, der Bibliotheken – Des Musentempels hier, zum Beispiel, und Der Büsten, und dergleichen? Unsre Fäuste, Wenn wir nur einig sind. Was wird uns einig Wohl machen können? Hassen wir im Grunde Doch all' einander brüderlich! Wer wird uns Wohl zwingen, Eins zu werden je? Der Stärkste. Wer ist's? Der dreimal stark ist: ich, und Du, Mit einem Dritten! Und es helfen uns Zum Ueberfluß die herrlichen Vandalen Bei'm Niederreißen schon. Wir fangen heute Das Werk schon an! Bist Du's zufrieden? reicht ihm die Hand. In meinem Namen! einschlagend. Heil'ger, sel'ger Bund Der Denkkraft und der Dichtkunst! – Das Gemüth, Das Wohl- und Weh-erfüllte, sangbegabte, Nur fehlt uns noch. Man hört hinter den Coulissen etwas leise trampen. Da kömmt es schon! nach der Seite blickend. Bist du gewiß auch, jener sey der Dritte, Der unserm Bunde Noth? Trügst Du Dich nicht? – Er sieht mir etwas läppisch aus. Ein Geist Hat immer wenig Körperschein. Er ist's! Ich bin's gewiß – ich kenn' ihn durch und durch – Er ist ganz nur Gemüth! immer nach den Coulissen blickend, wo das Trampen zunimmt. Kenn' ich ihn nicht? Wie heißt er? Schwerlich kennst Du ihn persönlich; Denn niemals war er in Collegien Bis jetzt; auch ist er nicht so sehr Student, Als Kohlenbrenner eigentlich. Er haust Im Walde stets – auch auf den Gottesäckern, Gewissermaßen halb begraben schon. Die Meisten sehn ihn an für ein Gespenst; Doch frißt er Eicheln wenigstens. Sein Nam' Ist Keit . Das Trampen wird immer näher gehört, mit Schellengeklingel vermischt. Woran erkennst Du aber, – sag' In Eile mir in's Ohr – daß er der wahre Gediegne Geist der Wunder ist, und würdig, Von meinem Ich und Deinem auszugehn? dem Flecht in's Ohr. Er findet göttlich mich, und göttlich Dich. Das zeichnet freilich ihn zu seinem Vortheil Gar sehr von allen Andern aus. Er singt? Natürlich! Geister sprechen selten. Still! Er sieht uns nicht. Wir wollen ihn belauschen Hier hinter diesem Baum. Du wirst schon merken Aus dem Gesang, wie ganz Gemüth er ist! Sie verstecken sich hinter den Baum. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. KEIT, DER KOHLENBRENNER mit ellenlangen Schnabelschuhen, an deren Spitzen kleine Glöckchen angebracht sind, ganz altfränkisch gekleidet, mit einer Kette um den Hals, und einem Jägerhorn an der Schulter, tritt stampfend auf, und singt. Mit Ahnsinn Wahnsinn, lächelndweinend, Einend – Mit schiefe Tiefe, dunkelmeinend, Scheinend – Der Enge Läng' entflammt in weiten Breiten, Muß licht der Dichter durch die Zeiten gleiten. Ein Zwitter von Gewitter, bebend, Schwebend – In Luft und Kluft, dem Tode lebend, Webend – Bald himmelschwimmel, bald am Grabe Rabe, Bringt Licht er dicht, und Matten Schatten abe. Im Dunkeln funkeln seine spitzen Blitze – Daß er das Herz im Scherz mit Witzen Ritze – Er sprengt mit Macht zur Nacht der Moore Thore, Daß er in's Herz den Schmerz durch's Ohre bohre. Doch muß als Kuß er auch bisweilen Eilen – Von Mund zu Mund, und trotz dem Eilen Weilen – Wenn Mäulchen-Knäulchen, zartumschlingend, zwingen Den Wetter-Schmetterling, deß Schwingen ringen. Von fernen Sternen kommen süße Grüße – Und Rosen sprossen in der Wonne Sonne – Die Lippen nippen ihm der Küsse Süße; Das Knäulchen-Mäulchen schlürft der Sonne Wonne. Zerfließend, sich ergießend, windet – bindet Der Gruß den Kuß, der Kuß den Gruß im Gusse; Es fällt die Welt; doch wenn sie schwindet, findet Er bieder wieder sie als Nuß im Kusse. – Flecht und Klingel treten hervor. O Witz! Blitz! Wonne! Sonne! – – Er wird sie gewahr, und hält plötzlich inne mit dem Gesang, verdrießlich murmelnd: Teufelsdreck! zu Flecht. Ist das nicht Poesie? Hast je gehört Was Höheres, was Tieferes? Ich staune! Wenn mit dem Kuß die Freiheit er versteht, Das Ich, das Absolute – mehr, weit mehr Als Poesie! Schlechthingesungne Selbstich- heits lehre! Sollte meinen. zu Keit, der ein schiefes Maul macht und stampft. Ich zum Gruß! Ich hab's gesagt, geschrieben, und gedruckt – Wir sind schon alte Freund' im neuen Ich; Schlag' ein! Der Geist erkennt den Geist sogleich Bei'm ersten Blick. Du kennst mich. Ich bin Ich. höhnisch. Ich ebenfalls. sich die Hände reibend. Ich ebenfalls. Macht Eins ! Macht Alles! Wie gesagt, es steht geschrieben. Zu Keit. Nicht wahr, Dein Kuß ist A gleich A ? Die Nuß Ist die Vernunft, die Wissenschaft – spuckt aus. Der Teufel Mag's seyn und nicht mein Kuß! Was geht Dein A Mich an, Dein Ich, der ganze Plunder von Vernunft und Wissenschaft? Ich hasse die Philosophie. Mein Weg geht weit von ihr, Von Deinem Wege, Setzer ! – Er reißt aus; Klingel will ihn halten – Laß mich! Laß mich! Er läuft davon. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Klingel grimmig anblickend. Das hab' ich Dir zu danken. Was? Ei was? Daß jener tolle Tropf mich so beschimpft – Ich möchte rasend werden, daß ich ihm Die Hand gereicht, die mit drei Fingerstrichen Drei Millionen seinesgleichen rein Zernichtet! Höre mich! Der Pudelnarr! Der Wicht! Der Schwanz vom Unding! Der Kolai – Der Lai von Nikolai! Höre mich! Es ist ein unbedeutend Mißverständniß! Er hat nicht Dich beleidigt. Merkt' ich's doch Den Augenblick. Er nahm für Bruno Dich; Und diesen haßt er, wie das Leben, grimmig. Und warum nahm der Esel mich für Bruno? Du hast von ihm im Aeußern manchen Zug – Das heißt, der Bruno hat 'nen Zug von mir. Gleichviel! Ihr seyd im Ton und in Geberden Einander ähnlich. – Warum sieht der Schuft Nicht auf das innre Wesen? Weil er blind, Halb von Natur, und halb durch freie Kunst. Er sieht nicht scharf, zumal bei Tag; und stößt Ihm etwas auf, macht er die Augen zu. Das ist es grade, was mir ihn zum ersten Der Weltanschauer macht, nächst mir und Dir. Er hat was Indisches, was Weltentferntes, Was Uranfängliches im höchsten Grade: Er hört, sieht, fühlt, und riecht, und kostet nicht – Er ahnet alles. Und nicht mich ? Es war Ganz Deine eigne Schuld! Du kamst ihm mit Vernunst und Wissenschaft – ich selber stutzte – Was wolltest Du damit? Ich gebe zu, Das hätt' ich können bleiben lassen. Doch Ich blieb aus Schonung bei der alten Sprache, Nicht träumend, daß ein Dritter, neben mir Und Dir, darüber weg – Das ist er sehr – Selbst über Dein' und Mein' ist jener weg – Weg über alle Sprache . Grade drum Ist er geschickt, uns, die wir beide noch Gar zu sprachrichtig sind, zu offenbaren. Gestehen wir's nur immer! Die Cultur Hat viel an uns verdorben; manche Kenntniß Hängt uns noch an, Orthographie, zum Beispiel. Du hast den Ficht' studirt, und ich den Lessing, Jacobi beid' – Er nicht nur nichts, sogar Unendlich weniger als nichts! Begreifst Du jetzt Sein edles Zürnen? Allerdings! Das ist Was Andres; wenn dem so ist, ganz was Andres! Er hatte völlig recht. – Doch sage, wie Das wieder gut zu machen? Denn wir müssen Zumal, um's Niederreißen anzufangen, Durchaus ihn haben. – Aber wie nunmehr? Er wähnt mich seinen Feind – und ach! zum Unglück Ist's nur ein Wahn, der uns getrennt! Denn sieh, Ich habe mir den Kerl schon construirt – Und wünschte, daß er nicht sich irrte; denn Er kehrte so viel leichter um. Gewiß! – Doch sey nicht bang! Ich weiß ein Mittel, wieder Ihn zu gewinnen. Kennst Du den verrückten Schuhflicker Jakob Pilz ? Wie sollt' ich nicht? Er hat mir diese Stiefel jüngst besohlt. Sind sie bezahlt? Noch nicht. Bezahle sie! Und gieb ihm doppelt Trinkgeld; allenfalls Ein tüchtig Glas Ratafia dazu – Du hast Ratafia – nicht wahr? Ich trinke Des Morgens nur Ratafia. Doch, sprich, Wozu das Alles? – Unsern Geist zu fangen. Du weißt, der Pilz, der schon verrückt, sobald Er nur ein Glas zu viel getrunken, wird Ganz jakobböhmisch, und sein Wahn, er sey Der große Schuster, bis zur Täuschung, Wahrheit. Ich bring' ihn mit dem Keit zusammen, der Ihn nie gesehn; und diese wird gewiß Für Jakob Böhm ihn nehmen, wie er Dich Für Bruno nahm. Weil eben Du die Sohlen Ihm rund bezahlt, wird er von Dir mit Lob Unfehlbar sprechen, und es giebt von selbst Das Weitre sich. – Geh jetzt nach Deiner Wohnung; Ich schicke Dir den Pilz. Wo treffen wir Uns wieder? Bist Du heute nicht bei Faust Auch eingeladen, wo das große Werk Beginnen soll, im Auerbach'schen Keller Wenn alle trunken? Eben. Also dort. Doch apropos von Faust – der Bursch fängt an Bedenklich mir zu werden. Niemand weiß, Was er im Schilde führt. Begreifst Du ihn? Mir ist unheimlich oft bei ihm zu Muthe. Er ist's hauptsächlich, der mich zwingt, ein Ich Noch außer meinem anzunehmen – So Geht's eben auch mir selbst. Er trinkt mich oft Ganz unter'n Tisch – und im Duell Besteht ihn Keiner, seit er aus der Hand Mir hundert Fuß weit meinen Degen schlug – Er säuft Dir Gloria, wie Wasser – und Es ist ein Ungeheuer (unter uns) Von Kraft! Ein schaffendes Genie – Zugleich Ein tilgendes, befürcht' ich. Esel nennen – Wir Alle, die nicht Wir. – Er prügelt aber Als Esel Alle, die nicht Er. – Wir schimpfen zwar Auf die Aufklärer – was thut aber er? Er schlägt sie todt! Doch nur die Leiber! Das Will nicht viel sagen. Vor sich seufzend. Greth' ! ich habe Dir Die Seele todtgeschlagen! als ich Dich, Unschuldige, verführte! – ohne zu hören. Haben sie Denn mehr? – Und nun sein Tisch! sein Wein! sein Brenz! Wodurch er alle Dirnen, alle Bursche, Sogar uns selbst, in seinen Strudel zieht! O Jammer! wenn er wirklich mehr als bloß Ein Traumbild unsrer kräft'gen Phantasie, Die schöpferisch ihr Ideal vom Ich Sich ausgebildet, und nun außer sich, Als militairischen Studenten, wirft. Ich hoff', er ist nicht da – ganz unerträglich Ist mir der Zweifel bloß an seinem Nichtseyn. nachdenkend. Er ist nicht da. Sey ruhig, sag' ich Dir – Denn – wär' er da, unmöglich wären wir. Die Gottheit kann die Gottheit nicht verletzen; Das Größte kann das Größere nicht setzen. Das gebe Gott! Will sagen, Ich! Versteht sich. Das hindert aber nicht, daß wir noch heute Zusammen trinken seinen guten Wein. Was neben uns, ist Wir; was unter, unsre Beute; Was gegen uns, ein Nichts; was über uns, ein Schein. – Beide ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Pinsel und Poz gehen neben einander über die Scene. Wie ich Dir sag', es kömmt das Meist', und Alles Auf den Gesichtspunkt an. Du thätest besser Doch, selbst als Maler, glaub' ich, hier zu bleiben. Was willst Du in Italien? Es ist Nichts Nordisches ja dort. kehrt rechts um. Nichts Nordisches? Und waren denn die Cimbrer, Hunnen, Gothen, Und Longobarden nord'sche Völker nicht? kehrt mit ihm. Sie sind ja, leider! nicht mehr da. Doch wohl Zum mind'sten ihre Spuren. Welches Land Hat mehr gelitten von dem Norden wohl Als grad' Italien? Was sind am Ende Die weltberühmten herrlichen Ruinen Wohl anders als noch sprechende Denkmäler Der kräft'gen nord'schen Barbarei? – Was sind Die Wunder aller Steinbildkünste gegen Den Torso, diesen wahren Marmor-Faust! Und was ist dieser göttliche wohl anders Als ein gemeiner griech'scher Herkules, Woran die kühne gothische Gewalt Die letzte Hand gelegt hat? Du frappirst mich! Mir leuchtet's ein. Im Grunde haben wir Dem Mittelalter Alles doch zu danken. kehrt links um. Was gut ist, Alles – in der Malerei Nun vollends Alles. Es ist Schade nur, Daß es nicht länger dauerte. Es hörte Mit Pietro Perugino auf, der schon Halb zu modernisiren anfing. – Denn, Nach meiner heiligsten Kunstüberzeugung, Hat Raphael der wahren Malerei Den Todesstoß gegeben. kehrt mit ihm. Sollt' er das? Nicht anders! Unter uns gesagt, es ist, Die Werke seiner Kindheit ausgenommen, Kein einzigs unter allen seinen Stücken, Kein einzigs, das ich hätte malen mögen. So schlecht ist es? Erbärmlich! Wie ich sage, Der Raphael ist nichts als der Virgil Der Maler mir. Er spuckt im Vorbeigehen auf Virgil's Büste. Damit ist Alles freilich Gesagt; dann ist er allerdings auch mir Ein jämmerlicher Pinsel. Spuckt auch. Aber wenn ich Nicht irre, hab' ich dennoch öfters Keit Ihn rühmen hören stark. kehrt rechts um. Er meint es nicht; Hat ohnedem gar nichts von ihm gesehen. Wär' er, wie ich, im Louvreschen Museum Gewesen, würd' er sicher uns von ihm Ein andres Lied gesungen haben. – Nur Im Umriß, und im Colorite hat Er was von Holbein – aber dies auch nur In seinen ersten Stücken. – kehrt mit ihm. Aber was Willst Du denn in Italien wohl malen? Landschaften – nichts als nur Landschaften. Das Hat schon so Mancher längst gethan; und Du Willst ja nichts thun, was irgend je ein Andrer Vor Dir gethan. Es geht ja jeder Pfuscher Nach Süden, um Landschaften zu studiren. – Nicht in den Städten, wie ich's werde thun. 'S kömmt Alles auf die Ansicht an. Was hat Man aber in den Städten von Landschaften, Das werth – Den Thurm von Pisa zum Exempel. Davon hat man aus Zeichnungen bisher Noch keinen Schatten von Begriff; und doch Ist's eins der allerkühnsten Kunstproducte Der gothischen Romantik. Weder Römer Noch Griechen haben je was Aehnliches Von Baukunst aufzuweisen. Steht er nicht Ganz schief, schräg über seine Basis hängend, Als wenn er fiele? wieder umkehrend. Freilich! mit ihm, und so die ganze Scene durch. So gerade Hab' ich ihn selbst im Kupferstich – ganz schief – lächelnd. Ja schief genug! Das ist's. Ich will ihn aber Darstellen von der Seite, wo er ganz Gerade aussieht. Und in Rom nun vollends – Was giebt's nicht da für plastische Natur! Dantische – buonarottische Natur! Die Kuppel – das Portal – das Innere Der Peterskirche – Das ist doch nicht gothisch So eigentlich. Wie man's bisher genommen. Die Kuppel werd' ich aber erst von oben Anschaulich machen. Doch das Innere Hat man auf alle Weise, selbst sogar In Panoramen ja – Nur nicht von außen . Zum wenigsten ist das Portal – Von vorne; Ich will's von hinten zeichnen. Das ist wahr – An diese Ansicht dacht' ich nicht. Du bist Ein Teufelskerl! Wie ich Dir sag', es kömmt Auf den Gesichtspunkt Alles an. Die Welt, Und jeder Theil davon, aus neunundneunzig Betrachtet, ist gemein, prosaisch, wirklich, Zweckmäßig, endlich, nützlich, und wie sonst Das Zeug heißt – nur aus einem einz'gen großen Gesichtspunkt angeschaut: original, Poetisch, täuschend, malerisch, unendlich, Ganz zwecklos, unnütz, göttlich – diesen trifft Nur das Genie. – Aus diesem ist mir auch Sogar die Sünde heilig, ja der Teufel Ein Gott, und selbst ein Himmel jede Hölle. Es ist der Mittelpunkt poetischer Philosophie – der indische Gesichtspunkt Gemüthlicher Romantik. Könntest Du Nicht aus demselben auch Dein Hier-in-Jauer- Verweilen als 'ne Reise nach Italien Betrachten? Das Genie wählt frei; ich ziehe Den vor, die Reise dort als ein Hierbleiben Gemüthlich anzusehn. Du kömmst doch heute Zum Schmaus bei Faust auf jeden Fall? Ich weiß nicht. Er hat die ganze Welt ja eingeladen. Im Gegentheil, nur die Ausnahmen, uns, Die genialischen, die plastischen, Romantischen Naturen – die Platonen, Shakspeare, Danten, Michelangeln, Und Holbein' unsrer Universität. 'S wird eine wahre Einsamkeit da seyn; Denn so was kann man nicht Gesellschaft nennen. Ich hasse sie so gut wie Du. Es kömmt Kein einziger Professor; aber ein'ge Von ihren Frauen, sagt man. Also werd' ich Das Nackte dort studiren! Vor sich. Gretchen's Formen Werd' ich nun freilich nicht da finden! Laut. Gut! Ich werde kommen. Bringe Dein Portrait Von Faustens Schatten mit! Es sind da Viele, Die's nicht gesehen haben. Wohl! ich bring' es. Beide zu verschiedenen Seiten ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Bombastus und Höchener treten auf. im überredenden Tone. Du würdest, däucht mir, viel dabei gewinnen, Und könntest dann zur Rechten und zur Linken Auf zweien Niederschlägen der Vernunft, Mit beiden Füßen, so zu sagen, ruhen. sich auf seinen Knotenstock lehnend. Ich ruh' auf nichts als auf mir selbst. Allein Gebührt's dem absoluten Selbst, zu seyn. – Unstreitig; ich behaupte nur – Du nimmst Doch außer Dir was an? Gar nichts! Heißt Alles! Mir, wie gesagt, ist Alles Nichts. Mir auch; Doch so, daß Nichts mir alles ist – Subject- Object. Ich bin Object-Subject. Nun wohl! Gar groß ist die Verschiedenheit wohl nicht – Identisch – Allerdings; doch nur in Mir Liegt der Identität unendlich All, Das Welt-Ich. Um mich her ist Alles leer, Und nichtig ganz und gar. So geht's mir auch Gewissermaßen. Doch in diesem Nichts-All, In diesem All-Nichts, nimmst Du doch Tendenzen, Intelligenzen, Sensibilitäten, Und gar Spontanibilitäten an? In mir – zu mir – für mich. In mir doch auch – Wenn nur mit deinem Mir Du Mich verstehst – Und überhaupt, als Urnatur, an sich? An sich ist Alles mein Residuum. ärgerlich. Auch ich hab' etwas abgesetzt, vielleicht So viel als Du! Zum Teufel, Du bist nicht Der einz'ge Gott, der ordentlichen Stuhlgang Des ewigen Verdauens seiner Selbst Im Raume hat; obgleich ich gar nicht läugne, Daß Du unendlich viel, als Hypotheker, In der Chymie gethan. Was brummst Du da Von Hypothek, armsel'ger Apotheker? Dein' Apothek' ist meine Hypothek – Gehört mir – bis Du alles mir bezahlt, Was Du mir schuldig. Nichts bin ich Dir schuldig, Als ein'ge Loth gefrorener Musik, Und ein paar Tropfen aufgethauter Baukunst, Die nicht viel nütz', und lange schon verflogen. Denn die krystallisirte Poesie Hab' ich Dir längst mit gallischen Organen, In Kupfer, baar bezahlt. – Elender Wicht! Mir gar nichts schuldig sonst? Und meine Thaler Von Platina? Brauch' ich nicht mehr. Stecknadeln, Westknöpfe, Flaschenpfröpfe, Hosenschnallen, Kartoffeln, Pfeffernüsse schwingen auch Polarisch. Und das Schwingen selbst? Hätt' ich Auch ohne Dich erzwungen. Und die Thiere Des negativen Pols? Mach' ich nun selber So gut wie Du. Und jenes Arsenik, Das nicht nur Ratten, sondern Geister tödtet, Und Ungeweihten gleich Bauchgrimmen giebt Bei'm bloßen Anblick? – und der Teufelsdreck Von potenzirtem Stickstoff, den ich Selbstgeruch, Auto-Zibetha, nannte? Freilich der Gehört Dir ganz; ich mußt' ihn aber gleich Wegwerfen; denn er stank mir gar zu sehr. Ich habe meinen ganzen Sauerstoff Verbraucht, die Luft darnach im Haus zu rein'gen; Und dennoch stinkt's noch immer so entsetzlich, Daß nicht bloß meine Nachbarn, sondern selbst Auch meine Gegenfüßler sich die Nasen Zuhalten müssen. Und die Kraftmixtur Von frischem Wasser aus dem Flusse Jordan, Und Schlamm aus jenem faulen See, worein Sich die beseßnen Gergesener-Schweine Gestürzt? – Und jenes kleine theure Stück Von dem gestohlnen markerfüllten Knochen Kielmaier's , woraus tausend Armensuppen Wir schon gekocht, und Millionen noch Zu kochen denken? – Und die Quintessenz Von allen Süd- und Nord-Marktschreiereien, Und allen Ost- und West-Impertinenzen? Die hatt' ich schon von meinem Freunde Pregel . So? – Hast von ihm wohl auch den Bodensatz Von Fichtenbier? den großen halben Schinken Geräuchertes Gedankenfleisch von Göthe? – Das äußerst seltne Nebelpetrefact Von Herder's vorsündfluthlichen Ideen? Den neuen Phosphorus von Benedikt's Und Friedrich Heinrich's, erst durch mich gegangner, Filtrirter und vergeisterter Essenz? Die angebißne Logik? die verzehrte Physik? und den gefressenen Begriff Von dem Unendlichen ? O nec-plus-ultra Von ganz entstimmtem grobem Bombastiren! Das bin ich schuldig Dir? Gestehst in einem Athem, Der Bierstein sey von Ficht', und 's Fleisch von Göthe, Das Andre von Spinoza und Jacobi, Und schreibst's auf Deine Rechnung? Die Gefreßnen Wissenschaften (unter welchen Auch der Begriff von dem Unendlichen) Gehören Novălis, genannt Novālis, Nicht Dir! O Mittelpunkt, und Süd- und Nordpol Nichtsvoller aufgedunsner Höchnerei! Willst Du mir auch ablügen das Skelett Der Ewigkeit nach außen, das ich Dir Auf vierzehn Tage lieh – und jenes Knäuel (So groß fast wie mein Kopf) Bewegungszwirn, Das, eingewickelt, ist der Raum, und, auf- Gewunden, ist die Zeit – und's große Stück Vom dickgeronnenen Milchstraßen-Schatten Des Nebenmonds? Du lügst! Den Zwirn zwar hab' ich, Und auch's Skelett; allein den dicken Schatten Hab' ich, bei meiner Seele, nicht; den hast Du niemals mir gegeben; hab' ihn nie Sogar gesehn. Auch, wenn ich's recht bedenke, Kann er – so gern ich auch ihn haben möchte – Niemals gefunden werden; denn es können Ja, grade wenn der Mond am Himmel ist, Milchstraßen-Sterne keinen Schatten werfen, Am wenigsten des Monds. Du Kothbegriff! Des Nebenmonds , hab' ich gesagt, der noch Am Horizont kann stehn, wenn schon der andre Herunter. – betroffen. Hast Du noch von diesem Schatten Vorräthig was? wegwerfend. Voll eine Butte! außer sich. Gott! – Ich nenne Gott Dich gern – will Alles seyn – Will Nichts seyn, sag' ich – wenn Du mir davon Nur einen Löffel voll willst schenken. besänftigt. 'S sey! Ich bring' ihn Dir bei Faust. O schön! – Doch so, Daß Niemand's sieht? – Auch das! Nur nenne Gott mich Bei Fausten! und gestehe mir, der Flecht Ist ganz ein jämmerlicher Schuft, ein Nichts, Noch weniger als Nichts sogar! Wie alle Die Andern! Dennoch müssen wir bis weiter, Des Pöbels wegen, treu zusammenhalten. Man trennt nachher sich, wenn der Zweck erreicht; Und tilgt sich dann einander ganz vielleicht! Sie verschwinden unter den Bäumen. 6. Auftritt Sechster Auftritt. (Eigentlich Anfang des ersten Acts.) Faust im Schlafrock, mit einer Knallpeitsche in der Hand, tritt auf. – Poz folgt ihm. – trotz allen Winken von Hans Wurst, setzt sich auf die Bank unter dem Platanus, streckt die Beine weit aus einander, dehnt sich, und gähnt, während Poz ehrfurchtsvoll neben ihm stehen bleibt. Hans Wurst ruft ihm herunter: » Es ist noch nicht an Dir, Faust !« Er thut aber, als wenn er's nicht hörte, und fängt ruhig an. Habe, Gottlob! weder Philosophie, Juristerei, noch Medicin, Noch viel weniger Theologie, Noch sonst was studirt mit großem Bemühn! Bin deswegen kein armer Thor, Der dann wäre so klug wie zuvor. Hab' auch fast keine Bücher gelesen; Denn das ist alles erbärmlich Wesen; Schlage mir auf ein einzigs nur, Nämlich die genial'sche Natur Meines eigenen großen Ichs – Such' ich etwas, da findet sich's. Alles was strahlt im Himmel, auf Erden, Was in der Höll' entdeckt mag werden, Jegliche weiß' und schwarze Magie, Find' ich in meinem allmächt'gen Genie. Knallt mit der Peitsche. Wo mehr als Alles ist, da find't sich Alles – Du kannst unmöglich Deine Größe so Wie ich empfinden – wenigstens unmöglich Sie so bewundern: Zehnmal mehr! Es faßt Mich Keiner, wie ich selbst mich fasse. Freilich! Allein man kann doch fühlen tief – zum Sterben Sogar, was man nicht faßt! – Ich zweifle sehr. Der Berg zerschmettert eine Maus im Fallen – Noch sicherer ein Haus; und sichrer noch Ein Schloß; am allersichersten sich selbst. Du kannst Dich wenigstens nicht selbst beneiden. Wen sonst? Mich – um die Wollust, die ich fühle, Dich anzubeten! Wollust nennst Du das? Qual aller Qualen wär' es mir, wenn etwas Ich außer mir anbeten müßte. Freilich, Dem Gott ist Schande, was dem Menschen Ehre! Ein jedes Wort aus Deinem Mund' ist Gold, Wofür sich Ballen von gedruckten Wörtern Einwechseln lassen. Man sieht Jemand zwischen den Bäumen nahen. Sieh! da kömmt schon einer, Den sicher Deine Gottesgegenwart Hiehergezogen! Der will etwas auch Von den Goldkörnern, die Dir aus dem Munde Beständig fallen, haschen. im Baume, halblaut. Schwerenoth! Ich muß es gehen lassen. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. tritt vor Faust hin mit einer adeligen Verbeugung. Irr' ich mich? Ist's nicht der große Faust, den ich zu Hause Gesucht, und den man in dem Parke mir Zu treffen Hoffnung gab, der große Faust, Deß Kraftgenie die Welt erfüllt? ohne aufzustehen. Ich bin's. Es ist nicht leicht mich zu verfehlen. Was Ist Ihr Gesuch, mein Werther? Kurz und gut; – Denn Umweg' hass' ich sehr – Ich auch. Ich komme, Sie zu bewundern. Das thun Alle. – Nichts Besondres sonst? Was nennen Sie Besondres? Indem ich Sie bewundre, Blick in Blick, Wort gegen Wort, mich, so zu sagen, reibe, Ganz nah', an Ihrem mächtigen Genie, Hoff' ich, daß mit dem meinen es zum Durchbruch Auch endlich kommen wird. Wenn etwas da ist, Wird's so zum Durchbruch kommen, oder nie. Doch – sind Sie sicher, daß was da ist? Ziemlich! Was sag' ich? – ganz gewiß! Denn haben will ich's, Es koste was es wolle. So ganz rasend Erpicht auf genialisches Genie, Wie ich, war sicher Niemand, seit's dergleichen Auf Erden gab. Ich hab' es also schon In diesem Theil des Kopfs, den man den Willen Benennt; nur möcht' ich's in den andern Theilen Auch haben – ja, wo möglich, gar in allen, Bis im Gedächtniß, das ich sonst verachte. Mit einem Wort: ich wünschte mein Genie Nicht bloß mir selber, sondern Andern auch Handgreiflich – Ich verstehe – wollten gern Für ein Genie passiren? Man passirt Ja sonst gar nicht. Wie viel sind Sie gesonnen Darauf zu wenden? Auf ein drei, vier tausend Goldfriedrichs kömmt es mir nicht an, wenn erst Ich sicher wäre des vollkommnen Durchbruchs; Denn ich bin teufelmäßig reich. Allein Gewiß auch müßt' es seyn. Ihr werther Name? Baron Franz Alexander Karl von Wicht. Der Nam' ist gut. Ich halte zwar gewöhnlich Für Freunde nur ein Privatissimum In Genialität. – Doch, wenn ich wüßte, Daß es der Mühe – hurtig. Hundert Friedrichsd'or Für jede Stunde! Meine Stunden sind Für Gold allein zu haben nicht. Laß sehen! Antworten Sie mir recht gewissenhaft Auf ein'ge Fragen. Haben Sie Talente? mit Zuversicht. Gar keine. Schlechterdings gar kein Talent Zu irgend etwas? bestimmt. Nicht das mindeste! Zwar meine Feinde sagen, daß zum Drechseln – Ist aber die absurdeste Verläumdung. Ich wäre nicht so unverschämt gewesen, Mich einem Genius, wie Faust, zu nähern, Hätt' ich das mindeste Talent. Nun, freilich, Das wäre nicht das beste Zeichen. Kenntniß Ist auch wohl nicht der Schuh, der sehr Sie drückt? Gottlob! nichts weniger. Bin in der Schule Niemals gewesen; habe nichts gelernt. Mein Informator war ein Halbgenie; Das heißt, er hatte g'nug, um der Natur mich, Und meinem eignen Sinn, zu überlassen. Unwissend bin ich wie ein Vieh. Schon was! Wie finden Sie sich sonst im Durchschnitt? Dumm – Wenn anders dumm das Widerspiel von witzig; Denn, ohne Prahlerei, so ganz entblößt Von allem Witz war schwerlich je ein Mensch. Nicht bloß, wie heißt er doch? der die Pücelle Geschmiert: ein amsterdamer Ladendiener Hat, glaub' ich, mehr. Ich werde läppisch, flach, Erbärmlich, abgeschmackt (Sie glauben's nicht), Zum Ekel platt, sobald ich witzig seyn will. Das sagen Alle, die mich kennen; auch Ist dieses fast mein größter Stolz. Sehr gut; Doch noch nicht Alles. Haben Sie Geschmack? empfindlich. Wofür denn sehen Sie mich an? Ich schäme Der Frage mich, die Zweifel ja voraussetzt. Mit Ernst. Mein Vater hatte die Manie der Schweine- Stallfütterungen. Niemals kam ein Schwein Aus seines Kobens Koth heraus; sie lebten Und starben unbekannt mit Feld und Wald, Sogar mit Hofabtritten – konnten also Sich wenig bilden, wenig Eleganz, Urbanität, und Zartgefühl (das alles Nur außerstalls zu holen ist) erwerben. Nun gut; ich sage nicht zu viel, wenn ich Behaupte kühn, daß keins von diesen Schweinen, Sogar das blindgeborne nicht, entfernter Von aller Bildung und Geschmack, als ich. Ich lebte viel mit ihnen, und mit Pferden, Stallknechten, Kutschern, Hunden, und dergleichen. Was von Cultur ich hab', ist Stallcultur, Die fast natürlicher und roher ist Als die Natur. – Ich trotze jedem Jaurer In völliger Geschmackeslosigkeit. – Ich sehe, noch ist nichts verdorben. Haben Sie was im Werk? Studiren Sie bisweilen? Was nennen Sie studiren ? Ein Student seyn? Collegien schwänzen, Landesvater singen, Bier saufen, Hoch' und Pereate bringen, Und duelliren? Das nun freilich auch; Vorzüglich mein' ich aber: was erkennen Zu streben. Mich studir' ich also selber Fast unaufhörlich; denn ich strebe recht Gewaltig, zu erkennen, was für Kraft In mir verborgen liegt. Deswegen komm' ich Grad' hieher, damit Sie drin mir helfen. Sie sind auf gutem Wege. Haben also Schon angefangen, Ihre Kraft zu prüfen? Was haben Sie sich anerkannt, das nach Genie besonders riecht? Zuerst, wie schon Gesagt, totalen Mangel alles Andern – Ist, glauben Sie, das nicht genug? Nein, lieber Herr Baron! Sie müssen auch Was Positives haben, das sich äußert! Sie wollen, sagen Sie, Genie; Sie wünschen's Ganz rasend; kurz, es treibt Sie: – spüren Sie Gar keine Triebe sonst in sich? Potztausend! Ja! einen Trieb besonders ganz unbändig! Kein Weib ist vor mir sicher – und ich weiß – Das ist ein starkes Zeichen. Ohne Zweifel! Mit wenig Zusatz gar die Sache selbst. Ich habe große Hoffnung – mehr als Hoffnung – Nur noch ein kleines Fräglein: Kostet's Ihnen Viel Mühe, grob und unverschämt zu seyn? Ganz umgekehrt! Es kostet mir Anstrengung, Nicht immer es zu seyn. Es ist mir Spaß, Auf Professoren Koth zu werfen, und Haargrauen Rednern laut »Halt's Maul!« zu sagen. Mein' allerletzte Frage! Schreiben Sie Grammatikalisch? Orthographisch? oder – Wie meinen Sie? Die Frag' ist mir genug. Sie haben höllisch viel Tendenz, mein Lieber! Zur Genialität – ich würde sagen Genie sogar – wenn erst – doch das wird kommen. Knallt ihm um die Ohren mit der Peitsche. Ich lade Sie, mit meinen Freunden, ein, Zum Schmaus im Auerbach'schen Keller. Gut! Das Schmausen lieb' ich. Haben Sie ein Mädchen, So bringen Sie es mit! Knallt mit der Peitsche. Bin erst in Jauer Seit einer Stunde; doch das find't sich wohl. nickt mit dem Kopfe. Auf Wiedersehn! Schlag sieben! – Suchen Sie Ein hübsches sich! sich verbeugend. Empfehle mich unendlich Dem großen Genius der Zeit. – Schlag sieben! Ab. 8. Auftritt Achter Auftritt. zu Faust, der sich streckt, gähnt, und von der Bank aufsteht. Ein ganz gottvoller Kerl! nicht wahr? gähnend. Ein Esel! Ich meine, gottvoll in der Eselei. Mit viel Tendenz – Unendlich viel – Und Ansatz Zum Stallschweinigel. – Allerdings. abgehend. Wie hat Er Dir gefallen? verlegen. Mir? – Vollkommen so! mit der Peitsche ihm um die Ohren knallend. O du lebendiges Bewundrungs-O! Beide ab. Zwischenspiel Zwischenspiel. steigt von dem Platanus herunter, zieht aus der Tasche ein Stück Brot und ein in ein Papier gewickeltes Rebhuhn, und spricht zu den Zuschauern. Bin müde, habe zu lange gesessen, Zu viel soufflirt, und zu wenig gegessen. Will jetzt hier stehen, um auszuruhn, Und essen mein gebratenes Huhn. Er ißt. auf dem Balcon zum Herzog. Ich hab's ihm von der Tafel hingeschickt, Mit Bitt', es auf der Bühne selbst zu essen, Damit 'ne Art von Handlung gleich da sey. Ich sehe für mein Leben gern was essen Im Schauspiel. DAUPHIN. Mir giebt's immer Appetit. leise. Mir giebt das Stück unendlich Langeweile. Es ist viel wen'ger Phantasie darin, Als ich erwartet. Es wird nur geschwatzt – Das, Eure Hoheit! rührt nur davon her, Daß sie noch nicht so recht im Athem sind. essend. Auch die Gesellschaft zu recreiren, Möcht' ich ein wenig philosophiren, Und über der hiesigen Weisheit Thun, Gleichsam als Chorus, reflectiren. Zuerst denn thu' ich zu wissen kund, (Nur bitt' ich, zu halten reinen Mund) Daß alle die mächtigen All-Regenten, Die hier man über die Bühne gehn, Als Dichter und Philosophen, gesehn, Nichts sind als Jauersche junge Studenten . Auch, die noch ferner an diesem Ort Erscheinen werden, bald hier, bald dort, Das Universum zu ruiniren, Sind lauter Studenten, die nicht studiren . Den Schuster, den Maler, den Juden, den Sohn Des Gretchens, den hannöverschen Postillon, Den Apotheker und den Trompeter, Den langen Poz und den kleinen Peter – Nur ausgenommen, die, neun an der Zahl, Auch gar Studenten nicht sind einmal – Obgleich von der neuesten Weisheit voll, Gleich jenen über die Maßen toll. Dies Alles – nebst Drei'n, die sie nennen Göttinnen, Die durch Verführung kamen von Sinnen – Ist eingeschlossen von einer Mauer, Die weit sich dehnt um das innre Jauer, Und stellt drin dar – wie's Euch gefällt – Dramatisch das heutige Streben der Welt , In fixen Ideen, ganz ungenirt, Wie solches der Kraft des Genies gebührt. Nachdem er das Huhn aufgegessen. Ich sag' Euch vorher, es wird schrecklich kommen! Ihr habt nur das Flüstern bisher vernommen Vom genialischen Sturm und Drang, Wobei in Kurzem Ihr werdet zittern, Wenn Alles was hier nur noch intra schwärmt, Ganz extra und ultra begeistert lärmt, Wie bei drei tausend Schock Ungewittern. Doch werdet indessen nicht gar zu bang! Es kann Euch keiner von diesen verwunden; Denn alle sind tüchtig mit Eisen gebunden, Ich selber sogar – Er zeigt die Kette an seinem Arm. und es freut mich sehr; Denn bin ich nicht toll, so kann ich's werden; Vor solchem ist sicher hienieden auf Erden Kein Mensch, der unter den Weisen lebt, Und den beständig ihr Geist umschwebt. Ich spüre sogar, wie sehr ich auch fühle Das närrische Nichts in dem tollen Gewühle, Beständig verhöhnt als ein Nicht-Genie, Zu Zeiten die Lust, es zu machen wie Sie. – Hans Wurst! Hans Wurst! da! lies! Eine Hand reicht ihm ein großes Heft in Quarto. verwundert. Was ist's? Laut! deutlich! Daß nicht allein die Logen, das Parterre, Die Galerie, das ganze Schauspielhaus, Wir selber – sondern auch, wenn's möglich ist, Die draußen sind, es hören! das Heft nehmend. Gut! – was ist's? Die Recension von unserm Stück! Von diesem? Natürlich! Sackerlot! ist die schon fertig? Nicht fertig nur – vollendet – ganz vortrefflich! Ein Meisterstück – ein Muster – mehr noch werth (Und dreimal größer auch) als selbst das Stück – Nicht eine Recension so sehr, als eine Charakteristik, Allgemeinisirung, Herleitung, Construction, und Uebersicht Der ganzen Poesie! erstaunt. Von wem ist sie? Wer wär' im Stande, solch' ein Werk zu liefern? Niemand! Von Niemand ist sie? Von uns selbst. vor sich. Wie, Teufel! sind sie damit fertig worden? Laut. Allein, wär's besser nicht, zu warten, bis Das Stück erst ausgespielt? Das ganze Stück Ist vorn mit abcopirt; lies das zuerst! – Läßt sich wohl zweimal hören – Allerdings! Allein – ungeduldig. Mach' keine Schwierigkeit, Hans Wurst! Sonst setzen wir Dich ab. Die Recension, Als Zwischenspiel gelesen! Pfeift man aus Das Stück, so sieht das Publicum doch, was Es auspfiff. das dicke Heft durchblätternd. Es ist aber gar zu lang; Das Spiel wird dadurch aufgeschoben. Auf- Geschoben ist nicht aufgehoben! Morgen Wird auch gespielt! Die Ewigkeit ist lang. während die geballten Fäuste vordringen. Die Recension, Hans Wurst! Die Recension! Wir sind begierig! Solltest selbst heißhungrig Danach seyn, däucht mir. vor sich. Bin es auch, weiß Gott! – Laut. Darf ich doch wenigstens nicht überspringen Das Stück? Ja! Ja! Die Recension nur! gleich! Wir sind ganz ungeduldig. Man hört die Ketten rasseln. macht wehmüthige Geberden gegen die Zuschauer. Ach! ruft vom Balcon. Die Recension! Die Recension! Die Recension, Hans Wurst! Hörst Du? hörst Du? Das wußten wir im Voraus, Sie würde Sensation erregen! Opitz anblickend. Also – In Opitz' Namen ! Liest. » Hol's der Teufel! oder –« – Et cetera – » Faust. Jauer, ohne Druckort –« Vor sich. (Das glaub' ich! ist's doch noch nicht ausgeschrieben!) Laut. » Fünfhundertfunfzig Seiten in Octavo , Mit gothischen Fracturen, und mit Kupfern Von Pinsel, all' in Holzschnitt . Erstes – Erstes – Erstes Sonett :« Hans Wurst lacht laut. W'rum lachst Du? lachend. In Sonetten Ist die Recension? Natürlich! Was Giebt's da zu lachen? Und in wunderschönen – Wie Du bald sehen wirst – die eingefaßt In Hexametern sind, wie Turmaline In Quarz. Lies weiter nur! liest. »Der Welt Darstellung ist die Kunst; die Welt Darstellung der Natur; und die Natur ist Darstellung dessen, das nicht dargestellt Bisher ist worden, weil's unmöglich pur ist. Dem Blinden selbst die Wahrheit draus erhellt, Daß wahre Poesie Darstellung nur ist Des Darstellbaren, das nicht dargestellt In Welt, Natur, und künstlicher Cultur ist. Denn wahre Poesie stellt einzig dar, Was über Kunst, Natur, und Welt erhaben, Nicht hörbar, nicht zu fühlen, nicht zu sehen; Es ist durch sie, was niemals wird, noch war; In ihr allein ist jener Schein zu haben, Woraus Natur und Welt und Kunst bestehen.« Klatschen hinter den Coulissen. »Was sagt Novălis, öfters genannt Novālis, in seinen Leider! verlorenen Schriften – das heißt: was lassen ihn Tieck und Schlegel im zweiten Theil Unübertreffliches sagen? Undarstellbares stellet uns dar der wirkliche Dichter; Sieht, was unsichtbar ist, und fühlt, was gänzlich unfühlbar; Ist allwissend zumal; hat Sinn auch für Mysticismus, Wahrhaft sinnenberaubt. Dafür kömmt Alles ihm vor auch. Nahe verwandt ist sein Sinn mit dem religiösen des Wahnsinns. Kurz: was ist Poesie? Poesie ! Des Scheinenden Urschein!« Lautes Klatschen hinter den Coulissen. zum Tollhausinspector. Bis Dato ist mir Alles noch zu hoch, Herr Oberhofinspector! Eure Hoheit! Es wird schon sinken mit der Zeit! Geruhten Nur Höchstdieselben, gnädigst mit Geduld, Ein wenig noch zu warten. Jetzo steigt Sehr hoch die Fluth – die Ebbe kann nicht fern seyn. blättert und schlägt um. »Zweiundzwanzigstes Sonett. Des Scheins Kritik ist wieder Poesie. Durch die Zerlegung todtgeschlagner Theile Erfährt sie nur das Was, und nicht das Wie – Der Pfeil' Erprobungen sind neue Pfeile. Die Massen neu zusammensetzet sie. Was dort der Dichter bildete mit Eile: Das Ganz' in aller Glieder Harmonie – Das bildet die Kritik nur um, mit Weile. Schön, wenn Gemachtes so wird neu gemacht, Und Dargestelltes wieder so gestellet, Daß durch die Krise kömmt der Strauß als Strauß; Doch schöner noch, wenn in verjüngter Pracht, Und glänzender vom Probelicht erhellet, Es kömmt ein Vogel Phönix gar heraus!« Klatschen hinter den Coulissen. »Was sagt Friederich Schlegel vom fünften Buche des Meisters? ›Ein' Annäherung, nicht gar selten,‹ sagt er, ›zum Wahnsinn Scheint die Lieblingsbeziehung zu seyn; und der Ton in dem Ganzen; Und es steigt die Verwirrung darin am höchsten.‹ – Wodurch wohl? Durch die Beleuchtung der Wunderkritik, die neu es gestaltet!« Hans Wurst schlägt wieder um. »Dreiunddreißigstes Sonett. »Demnach behauptet Recensent, Kritiken Erfodern mehr Genie zum wahren Dichten (Wenn sie erfüllen sollen alle Pflichten Der neuesten erhabnen Aesthetiken – Weit über jene Charakteristiken Als selbst die Meisterstücke wahrer Dichtung, Die, nach genauer bildender Besichtung, Nur alte Schuhe sind, die neu sie flicken. Indem sie nämlich solche gänzlich kehren, Entstehen draus Wallfische – da Genieen (Nach Claudius) dergleichen Meerpersonen –, Die umgekehrte Schuhe sind. Verehren Wir also genial'sche Poesieen; Doch mehr noch genial'sche Recensionen! Klatschen hinter den Coulissen. Aller Schuh' unendlichster, ganz dem poetischen Weltfuß Recht, von Rhinocerosleder gemacht, ist das hiesige Schauspiel, Faust, der vollendete . Kehren wir ihn, wird schwerlich ein Wallfisch Je sich mit unsrer Kritik an Größ' hinführo vergleichen.« Hans Wurst schlägt um. »Vierundvierzigstes Sonett. »Der Recensent gesteht, der Organismus Ist erst in diesem Drama, so zu sagen, Entsprechend der Physik in unsern Tagen, Ein dickgeronnener Idealismus. Der Hauptcharakter ist der Despotismus; Die Peitsche darf darin das Meiste wagen. Auch wird darin gehörig vorgetragen Gall's große Lehr', und der Radicalismus. Drauf zeigt es unsrer Zeiten größte Thaten: Jedwede Seite flucht und tobt und kollert; – Von Menschenblut wird jedes Blatt geröthet; Das Stück vom Anfang bis zum Ende tollert; – Dreitausend Seelen werden drin gebraten, Und dreimalhunderttausend drin getödtet. Ungemeines Klatschen hinter den Coulissen. Meisterlich spricht sich darin die politische ganze Natur aus, Kömmt in jeder Person, und in jeder Scene zum Durchbruch – Nicht in Maximen allein, in Thaten – in kräftiger Handlung, Alles zerstörend, und selber sich selbst am Ende, wie's seyn soll.« Hans Wurst schlägt um. »Hundertundfünftes Sonett. »Wie wimmelt es von glänzenden Kriterien Des unbehos'ten Ultra-Terrorismus! Wie herrscht darin ein kräftiger Cynismus! Auch fehlt es nicht an Wundern und Mysterien. Der Ezelhof stellt dar den Barbarismus, Die kalte Wuth des Kriegs in Friedensferien, Und andre viele herrliche Materien, Mit wahrem genial'schem Priapismus. Doch was am meisten Recensent bewundert, Ist nicht die ganze Rüstung Melpomene's, Das Komische, der Wortspielgeist, der Ahnsinn, Das Fluchen, und die Zoten, die zu hundert – Es ist nicht Das, und Das, und Dies und Jenes; Es ist das ganze Wunderwerk von Wahnsinn.« Der Balcon klatscht. Hans Wurst verbeugt sich, und fährt fort zu lesen. Denn, was zuvor Annäherung nur zum lange Gesuchten War, erscheinet uns hier im Scheitelpunkte des höchsten Ueberschwenglichen Flugs aufwärts zum schwindlichten Gipfel Aller Tendenzen. – Es setzt die Kritik dem Werke die Kron' auf.« »Hundertundsechstes Sonett. »So wird gebaut die wundervolle Brücke Von Pol zum Pol der höchsten Hypothetik In der Kritik von diesem Stück der Stücke Durch genialische Naturgenetik. Es findet sich im neuen Faust, zum Glücke, Gefüllt das alte Loch in der Poetik; Und diese Recension erfüllt die Lücke Zugleich in kritisirender Aesthetik. – Das Künft'ge wird gesetzt als schon vergangen; Vergangnes Künftiges wird gegenwärtig; Anfang und End' umarmen sich im Breiten – Gestillt wird jedes höhere Verlangen; Das Chaos ist entwirrt, die Welt ist fertig: Vollendet ist das Meisterwerk der Zeiten.« Der Balcon klatscht. sich verbeugend. Die Recension ist aus! Für sich. Das glückte mir! Du hast viel übersprungen – hast das Beste Rein weggelassen – Keine Titel – Wie denn? Die Recension hielt zehnmal zehn Sonette, Außer den Hexametern, und enthielt Noch viel mehr Lob, als Du gelesen hast. Ganz umgekehrt! ich habe viel bei'm Lesen Hinzugefügt, zum Beispiel: sechs Sonette, Kommata, Puncta, Kolons, Semikolons, Und Uebergänge, die ja gänzlich fehlten. So mußt Du höllisch schnell gelesen haben. Ihr hörtet's ja, und klatschtet selbst dabei – Wir hörten nichts; wir klatschten aber, weil Wir recht gut wußten, was darin enthalten. Der Hof-Balcon hat aber auch geklatscht. Ja! das ist wahr. Du mußt mit allem dem Abscheulich schnell gelesen haben. Freilich Hab' ich sie nicht langsam herbuchstabirt. Ich las zwanzig Sonett' in der Minute, Macht drei Secunden per Sonett – absichtlich; Denn eine Recension – wie warmer Punsch – Muß schnell geschöpft und heiß getrunken werden. Sie ist moussirendem Champagner gleich, Den man, dieweil er siedet, braust und schäumt, In größter Eil' hinunterstürzen muß, Damit nicht mit dem Schaum der Geist verfliege. Nun vollends eine Recension wie diese, So fließend, und zugleich so inhaltsschwer, Schien mir noch ähnlicher geschmolznem Blei, Das man wohl nie herunterbringen würde, Wenn man's kalt werden ließe. Dünkt Euch nicht? FAUST'S STIMME H. D. COUL. Hans Wurst hat Recht! Hast Recht, Hans Wurst, hast Recht! Wir sind zufrieden. Wollen also jetzt Den dritten Act tragieren. FAUST'S STIMME. Aber noch Ist Keit nicht da. Wart' einen Augenblick! Hans Wurst, hörst Du! Mach wiederum den Narren. Laß nicht die Bühne leer! Ersinne was! Sag' einen Schwank zum Lachen, bis wir fertig! sich an die Zuschauer wendend, und Opitz anblickend. Die Erd' ist gänzlich, wie ich seh', Bedeckt mit neugefallnem Schnee. Im schönen klaren Mondenschein, Wer schreitet einher darüber drein? Der große Kepler (betrügt mich nicht Mein nicht gar scharfes Hans-Wurst-Gesicht), Den Blick, wie gewöhnlich, gen Himmel gericht't, Anblickend den Mond und auch die Sterne Dort oben in der gewölbten Ferne, Gar wenig achtend, worauf er geht: Den schimmernden Schnee, der so leicht verthaut, Und den das gemeinste Thier beschaut. – Doch sieh! jetzt plötzlich er stille steht – Und denkt, und – sinnt, und – weiter geht. – – Das ließ in dem Schnee nun gelbe Spuren, Einige grad', und die meisten krumm, Ganz geometrische Figuren – Er kümmert sich aber gar nicht darum; Macht das so hin, ganz ohne Bedacht, Wie etwa Opitz ein Schauspiel macht. – Er denkt wohl höchstens: es drängt' ihn so; Und ist, daß er's quitt, recht herzlich froh. Da kommen nun aber (betrügt mich nicht Mein nicht gar scharfes Hans-Wurst-Gesicht), Den Blick, wie gewöhnlich, nach unten gericht't, Die lieben Schüler darüber her – Und sehn die Figuren, die kreuz und quer. »Ei!« schreien sie laut, »gebt Acht! gebt Acht! Da liegt das System in der ganzen Pracht! Da seht ihr die praktische Theorie Von unsrer neuen Astronomie! Seht ihr die Bahnen hier der Planeten? Und hier die schieferen der Cometen? Wie der Meister das künstlich herausgedacht, Und recht anschaulich uns hier gemacht!« Fangen denn an, die Figuren zu messen; Möchten den Schnee vor Bewunderung fressen. Ist hier oder dort ein Strich zu fein (Sonderlich bei dem Mondenschein), Werden mit Augen deß nicht gewärtig, Stecken sie gar die Nasen hinein – Und riechen sich das System so fertig . Zu den Coulissen sich wendend. Was sagt Ihr zu diesem kleinen Schwank, Ihr Recensenten? hinter den Coulissen. Wir sagen Dank! Ueber Astronomie, und dergleichen Sachen, Magst Du dich immer nur lustig machen; Ist nur Gelahrtheit, und gar nichts mehr – Und die verachten wir selber sehr. durch die Bäume hinsehend. Da kömmt schon der alte besoffene Schuster – Halblaut. Der neuesten Weisen erhabenes Muster! Zu dem Balcon. Ich muß, als Theaterdirecteur, Als Echo, Regisseur und Souffleur, Hinauf in meinen Baum zurück, Daß nicht gar zu toll uns werde das Stück. Er klettert in die Platane wieder hinauf. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Hans Wurst im Baume. Schuster Pilz ungesehen hinter einem andern Baume. Feierliche Stille . auf dem Balcon. Hans Wurst ist ein ganz köstlich kluger Kerl! Er wird der tollste noch von Allen werden. Das sollte leid mir thun; denn mein's Erachtens Hat er viel Aehnlichkeit mit meinem sel'gen Freund Jonathan . Drum eben! Wie ging's ihm? hinter dem Baume. A – von der Platane herab. Ah ! – Pause. DAUPHIN zu Opitz. Verzeihen Sie mir, Herr von Boberfeld! Ich glaube nicht, daß er toll werden wird. U – ECHO Uh ! – Pause. zu Mad. Dauphin. Und was wird, meinen Sie, den Armen sichern Vor seines Aufenthaltes Pest? DAUPHIN. Sein Herz! Die Freude drüber, daß er, wie die andern, Gebunden sey, scheint mir ein liebenswürd'ger Charakterzug. Er hat mich tief gerührt. Und wie er sie erträgt! – Ich werde weinen, Wenn er auch toll wird. R – ECHO Herr ! – Pause. Güte schützt vor Tollheit Gewiß nicht! DAUPHIN. Doch gewiß Bescheidenheit! O – Oh ! – Pause. Ich fürchte, wir sind hier nicht gar zu sicher Vor diesem rappelnden Poetenspuk – Mir schaudert fast mitunter. – Diese Pausen! O! wären wir so sicher gegen jene Prosaischen Vandalen nur! – Hans Wurst Beruhigt mich viel mehr – als Sie, Feldmarschall! R – Herr ! – Pause. zum Tollhausinspector. Ich muß gestehen, ich fürchte halb den Faust. Er hat 'nen Tigerschädel, wie ich keinen Noch außerhalb des Kaiserthums gesehn. Seyn Sie nur ruhig, werthester Herr Doctor! A – Ah ! – Pause. zu St. -Preux. Wer ruft dort unten? -PREUX. Räthselhaft genug – Es ist die Stimme wohl des alten Schusters. Ich fürcht', es ist sein Geist. hinter dem Baume lauter. Au – Auh ! – Pause. Was es auch sey, 'S ist eine schauerliche Stimme. Heiser, Und rauh nur klingt sie mir. Ja, schauerlich! -PREUX. Und roh zumal! Sie scheint mir inspirirt. Ro – Roh ! Pause. zum Tollhausinspector. Was ruft der Schuster hinter'm Baum? Eur Hoheit, Er buchstabirt Aurora. Und das Echo? Betet ihn an! DAUPHIN. Die Scen' ist äußerst mystisch! -PREUX. Ha! jetzt wird's losgehn! Da kömmt durch die Bäume Der Kohlenbrenner rechts – der Schuster links. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. ohne den Schuster zu sehen, zwischen den Bäumen hervortretend, singt. Zerfließend, sich ergießend, windet, bindet – – Bindet – noch immer hinter dem Baume. Au – horchend. Der Gruß den Kuß, der Kuß den Gruß, im Gusse. – Gusse – Ro – überall umblickend. Es fällt die Welt; doch wenn sie schwindet, findet – – findet – Ra – erstaunt. Er bieder wieder sie, als Nuß im Kusse. – Kusse. sehr laut. Aurora! entzückt. Aurora! Wonne! Sonne! Himmelschwimmel! Karfunkel! Dunkel! Dichterstrom der Ströme! O Gruß! o Kuß! Gewimmel aller Himmel! O Welt, die fällt! o Nuß im Kuß! o Böhme! Wo bist Du? im Baume. Oben! unten! hier, und dort – Im Tanzsaal jener Siedelei, wo Leben Den Tod begabt, mit alten Zwillingen, Die nie geboren werden, eh' sie sterben – Wo die Prinzessin Fisch in Diamanten Und Gold gehüllt, ein langes Herzogthum An jedem Ohr, in Ketten betteln geht – Wo jede Werkelwoch' ist Fastnacht – wo An jedem dichterischen Montag, Dienstag, Mittwoche, Donnerstag, Sonnabend, Sonntag, Man feiert der Vernunft Charfreitag, – auch Den Freitag selbst nicht ausgenommen; – wo Die Wurzeln aufwärts wachsen, und die Stämme Hinabwärts – und wo jeder arme Mensch, Der ohne Rufer was Geheimes flüstert, An Gott ein wenig glaubt, ein bischen Tugend Verstohlen übt, und Hosen trägt, zum Tode Verdammt wird – in dem Land, wo zwei und zwei Waldeselinnen neun Göttinnen machen – Im Reich der lichten Schatten! außer sich. Heil'ges Land! Holdselig Land! o wundersüßes Land! Land aller Länder, wo mein Jakob wohnt, Und wo vermuthlich die Romanze thront! Ist's weit von hier? Kann man dahin zu Fuß; Und ohne Flügel, da die Siedler alle, Einsiedler sicher, dort wohl schweben nur? Schwärmerisch versunken. Wie sehnt sich mein Gemüth dahin, von hinnen, Mit allem Schmachten, Trachten, Minnen, Sinnen! Zu der Stimme. O sage mir noch mehr davon! Vollende Das große Bild! und ohne Maß und Ende Die Züge, die so wunderseltsam, häufe, Daß ganz sich meine Seele drin ersäufe! im Baume, singt. Kennst Du das Land, wo die Caldron'chen blühn, An jedem Baum Turlin-Orangen glühn, Ein rauher Nord aus Süden laulich weht, Der Mohn die Füll', und hoch das Tollkraut steht? Kennst Du es wohl? Dahin! Dahin Möcht' ich mit Dir, o mein Geliebter, ziehn! Kennst Du den Berg mit seinem luft'gen Steg? Das Hexlein sucht auf Besen seinen Weg. Bring Wasser! ruft des Meisters junge Brut; Der Besen stürzt – und über ihn die Fluth. Nicht übel! Kennst Du es wohl? Dahin! Dahin Möcht' ich mit Dir, o mein Geliebter, ziehn! Kennst Du das Haus – ein Loch in jedem Fach – Es flucht der Saal, es wimmelt das Gemach – Die frommen Nonnen nackt in Fesseln stehn – Was ist mit Dir, o süße Maid! geschehn? Capital! Kennst Du es wohl? mit unaussprechlicher Wehmuth. Dahin! Dahin Geht unser Weg! o Vater! laß uns ziehn! 3. Auftritt Dritter Auftritt. springt auf, tritt hervor, und steckt seine Aurora in die Tasche. Wir sind schon da! eilt zu ihm hin. O Vater! laß mich jetzt Dich hier anbeten! – Sieh auf mich hernieder! Gieb Deinen Segen mir! o nimm mich an Als Flickerjunge! Sieh! die ganze Welt, Brot, Ehre, Glück, Verstand, und Weib, und Kind, Geb' ich dahin, mit Dir auf einem Brett, Zu Deinen Füßen nur, die Beine quer Gekreuzt, zu sitzen – Dir den Zwirn zu wichsen In stiller Andacht. O! verstoß mich nicht Des bischen Logiks wegen, das mir Sünder Vielleicht noch anzuhaften scheint! O sieh' In Gnad' auf meine Wehmuth, Demuth, Dummuth – Die ohne Grenzen, noch im Wachsen sind! O! schlage mich mit Deinem heil'gen Riemen Zum Ritter Deines Kreuzes! Er stürzt zu seinen Füßen. Warum nicht? Von Herzen gern, Gelbschnabel! Da! Fegt ihn tüchtig mit dem Riemen. knieend. Ja wohl, Gelbschnabel bin ich gegen Deinen Goldmund! Doch Gelb wird Gold, und Schnabel Mund, wenn Du Das erste um -, das zweite segnend berührst! Was brummst Du da von um und be ? Sprich derber, Wenn ich Dich fassen soll! Ich spei' auf alle Gelehrsamkeit, Gelahrtheit, und Geleertheit – Ich auch, so viel ich kann, aus aller Macht. Schon gut! – Aurora – hörst Du mich? Aurora – Ich höre. Au – gieb Acht! Ich bin ganz Achtung. Aurum ist Gold, und Ora Mund: Aurora ! Von hinten nun sprich nach! Arorua! Arorua! Kehr' um die ersten drei: Ora! Ora! ora! ora! – Halt's Maul! Halt's Maul, und bete! Falte Deine Hände! Rua! ruf dreimal an den Geist! ruf Rua! Ruah! Ruah! Ruah! Jetzt küsse mir Den Vordermund! küßt ihn mit Inbrunst. So gut! – Jetzt küsse mir Mit Andacht auch – noch inbrünstiger. O heiliges Mysterium! Der Vorhang fällt; geht aber gleich wieder auf. Bist eingeweiht nunmehro musterrecht. Empfang den Segen nun als Schusterknecht! Und merke Dir dabei die gute Lehr', Es wird Dir wohl gedeihen immer mehr. Ueb' Dich in meiner kräft'gen Art zu sprechen, Und thu die Zähn' weit aus einander brechen! Mach gegen schiefen Mund ein schiefes Maul! Vor allem sey zum Fratzenziehn nicht faul! Bist dennoch allzusehr verdrossen, Und steckst voll dummer ird'scher Possen; So steck die Nas' in ein gutes Buch, Damit Du werdest gesund und klug. Ich habe Dir eben ein solches erschlossen, Wovon den Titel Du schon genossen; Da mach' Dich drüber und spinne Dich ein, In Poeterei recht heimisch zu seyn. Ueb' dann im Ernst das Volle, Tolle, Tüchtige, Und auch im Scherz das Hilde, Wilde, Flüchtige! Erwärm' Dein Herzelein in alter Lieb', Erweck' in Dir den wohlbekannten Trieb! Sey schnickisch und schnackisch! sey tippisch und täppisch, Altfränkisch, katholisch, und kindisch und läppisch! Laß gellen die Schellen! und zürnt man darob, Sey derber als derbe, sey gröber als grob! aufstehend. Dafür bin ich, fürcht' ich, zu gut erzogen – Halt's Maul, Gelbschnabel! das ist erlogen. demüthig. Ich halte das Maul; und werde mir sehr Vom Herzen in's Herz einprägen die Lehr'. Es fehlt mir noch an hundert Ecken; Doch hoff' ich, es werde mir bald erklecken. Ich werde mich setzen auf meinen Anus, Und schreiben einen längeren Octavianus. Das wird Dir immer nützlich seyn. Auch will ich mich darüber freun, Wenn Du zu Stande bringst was Tüchtiges, Was mehr als gewöhnlich Großes und Wichtiges. Er zieht einen Stiefelknecht aus dem Busen hervor. Da bringe vorher diesen Stiefelknecht, Zu dem A der Aurora, dem göttlichen Flecht! erstaunt. Was, Flecht? dem entfiederten, trocknen Vernunftspecht? Dem Setzer, dem Logiker! Bist nur ein Zunftknecht – Zunftmeister ist Er – im Kreise der Muster Der hiesigen himmelerbauenden Schuster. (Er hat mich bezahlt und tractiret galant!) Sein derbes Gemüth ist mir nahe verwandt. betroffen. Will's wieder gut machen! – Ich hab' ihn verkannt. Ist also der nicht, der die Wissenschaftslehre – Nimmt den Stiefelknecht. Zum Teufel! dergleichen verbitt't er sich sehre. Hat von Wissen und Lehren und trockner Vernunft Nicht mehr als die übrige Schusterzunft. fröhlich. Dann werd' ich mit Thaten, mit Worten und Mienen, Wie Dir, o mein göttlicher Meister, ihm dienen. Sobald Du mir Botschaft von Flechten gebracht, Werd' ich mich Dir zeigen in all meiner Pracht! Er verschwindet unter den Pappeln. Wo treff' ich Dich wieder, o Meister groß? vom Baume herab. Im Feur – auf'm Meer – in der Erde Schooß! 4. Auftritt Vierter Auftritt. allein, mit dem Stiefelknecht. Ist's möglich? darf ich es mir ganz gestehn? Ich habe den großen Jakob Böhm gesehn! Ihn selbst, den tief verkannten Helden, Der in sich trug die beiden Welten! Hab seinen heil'gen unentweihten Mund, Der aller Geister Tiefe machte kund, Geküßt! und seinen Ruf gehört erschallen Mit diesen Augen, Ohren, Sinnen allen! Gewiß? Er war's? im Baume. Er war's! Er war's! o Himmel! Ich zweifle nimmer! Zweifle nicht! die Stimme für die eines Engels haltend. Nein, nein! Ich zweifle nicht, holdselig Engelein! – Vor Seligkeit bin ich ganz überschwimmel! Der ganze Himmel stürzt in mich hinein. Er war's! – So Schuster ganz! so derb und bieder! So ächt ursprünglich grob, so schlecht und recht, So deutsch (und deutscher noch) als meine Lieder – So unpolirt wie dieser Stiefelknecht! Ganz wie ich mir gedacht den Himmelsflicker; Nur etwas schmutz'ger noch, und etwas dicker! Er geräth in immer böhmischere Begeisterung. O! wie die Gluth ich fühle mich entzunden! Die Poesie sich regt in dem Gemüthe. Gluth brenne! dufte Duft! und blühe Blüthe! Mein volles Herz will sich der Welt verkunden. als Stimme von oben. – Verkunde! Hör' Echo, Du im Baume droben! – Oben! Ihr Bäche dort im Thale drunten! – Unten! Die alte Zeit kommt jetzt in meine Sinne – – Inne! Die neue Welt zerfetz' ich draußen – – Außen! Der einz'ge Flecht in dem Gefecht soll leben – – Leben! Wenn er den Stiefelknecht will wiedergeben! – Geben. Keit geht in Entzückung ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Pinsel und Droll , mit einer großen Rolle unter dem Arm. rollt das Gemälde auf, das er trägt, und stellt es so auf die Bank an den Platanus in der Mitte der Bühne, daß man es sieht. Hat Faust es selber schon gesehn? Noch nicht Vollendet. das Gemälde betrachtend. Doch – ich muß gestehn – je mehr Ich's anseh', und je länger ich's betrachte, Je länger find' ich die Gestalt. Natürlich! mißt die Figur vom untern Rande des Gemäldes bis zum obern mit der Hand. Zwölf Spannen hoch und eine breit – ich weiß nicht – Mich dünkt doch die Figur zu lang. lacht. Zu lang? Wie wirst Du meine Ewigkeit dann finden? Der Faust ist kurz und dick – Sein Schatten aber Bei'm Untergang ist dünn und lang. immer das Gemälde betrachtend. Dann scheint's Mir auch, als Schatten, gar zu blaß! Du Vieh! Als könnt' ein Mondscheinschatten anders seyn! Ein Mondscheinschatten ist's? Das sieht ein Blinder! 6. Auftritt Sechster Auftritt. der Trompeter, kommt, wirft ein Auge auf das aufgerollte Gemälde. Kühn! idealisch! kolossalisch! groß! Das hast Du gut gemacht! Was stellt es vor? Den Schatten Faust's bei'm Untergang des Mondes. Die Grundidee ist göttlich! wie Du weißt, Hab' ich sie Dir gegeben. Es ist möglich, Daß Du dieselb' in Poesie gehabt. Warum den Faust abconterfeien immer? Du mußt auch, hörst Du, meinen Schatten mir Beim Sonnenaufgang malen, hörst Du? Aber Noch kolossaler! Bald! rollt das Gemälde wieder zusammen. Wir müssen jetzt Uns sputen, Pinsel! Und wohin? Zu Faust, Der etwas Großes vorhat, wie gewöhnlich. Ich gehe mit – das heißt voran – Ihr folgt mir! Alle drei ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Schrelling und Einbein laufen mit Spießgerten über die Bühne. Das wird ein Leben seyn! Im Götterkoth – Und wenn's der Teufel wäre! die Gerte schwingend. Mord und Tod! Ab. 8. Auftritt Achter Auftritt. Klingel und Bombastus gehen mit Knotenstöcken über die Bühne. Erst durch die Hölle! Dann zum Hunnenfürst! Gar schreckliche Natur Du sehen wirst! Ab. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Höchener und Poz , jeder mit einem Hammer in der Hand, gehen über die Bühne. Und kömmt's zum Angriff, schlag' ich Jeden todt! ihm folgend. Wo Du vorangehst, hat es keine Noth. Ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Faust , mit der Knallpeitsche, an der Spitze von sieben Todtengräbern, mit Beinhausknochen in den Händen, geht über die Bühne. Wohin, o Faust! wohin? knallend. Zur Heimath ohne Namen! Amen! Alle ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. Zwölf Knaben , jeder mit einem alten Posthorn, gehen Paar und Paar langsam dreimal um die Bühne. Ab und zu stoßen sie in die Hörner. DAUPHIN während sie vorüberziehen. Die Handlung rückt auf einmal eilig vorwärts. Es ist gar keine Handlung in dem Stück. Nur Wort' und Töne, weiter nichts. -PREUX. Wo Dichter Und Philosophen nur auftreten, ist Schon Singen bloß und Reden Handlung. Mir Scheint's Stück sehr ordentlich, voll ächter Einheit. Hörnerstoß unten. DAUPHIN. Ja, der Prolog nur ausgenommen, ließ' Es, glaub' ich, sich auf unsrer Bühn' aufführen. Es freut mich sehr, Madam, daß Sie es nicht Ganz unter Ihren Tragédies finden. Nur Großmuth! DAUPHIN. Freilich ist's ein Melodrama. zu Opitz. Was ich am wenigsten dabei begreife, Ist, wie man das entsetzlich tolle Ding Nur den vollend'ten Faust hat nennen können? Es kömmt ja gar von Ihrem Fauste nichts Darin zum Vorschein, bester Herr Collega! -PREUX. Lucus a non lucendo! Hörnerstoß unten. Meinen Sie? – Und die fünfhundert Säue? Das ist erstlich So viel als nichts; und zweitens haben sie In Schweine sie verwandelt; drittens endlich Sind sie allein durch ein Versehen Drin angebracht. Und vollends nun die Lücken – Die ausgelaßnen Stellen? Haben sie, Nach meinem unmaßgeblichen Erachten, Höchst wunderbar und seltsam ausgefüllt. Es ist, als wenn ein Philolog die Lücken Im Livius mit etwa der Geschichte Des Hanse-Bunds ausfüllen wollte – oder, Als wenn man die Auslassungen im Shakspear Mit Griechen-Skolien ersetzen würde. Hörnerstoß unten. Ich bin des Herrn Hofburgraths Meinung ganz – Zu Bruno. Was sagen Sie dazu, mein Herr Professor? Ich habe keine Stimm' in angewandter Aesthetik. Die Streitfrage scheint mir auch Nicht scharf genug bestimmt fixirt. Die Knaben unten ab. 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. steigt von der Platane herab. Was fehlt? Wo Teufel bleibt der Chor? – Ich muß ihn holen. Läuft gegen die Coulissen und ruft. Fang' an den Reflexionsgesang! hinter den Coulissen. Es fehlen Uns zwölf Paar Ueberohren noch – Thut nichts! Die eignen sind im Grunde lang genug. 13. Auftritt Dreizehnter Auftritt. Funfzig Halbtolle und funfzig Blödsinnige , theils wie Philister, theils wie andere ehrliche Leute gekleidet, fast alle mit ellenlangen papierenen Ohren, wimmeln aus den Coulissen hervor. Hans Wurst ordnet sie in zwei einander gegenüberstehende Reihen, zur Rechten und Linken, und stellt sich selbst hinter die Platane. Ganz erbärmlich ist unser Loos, Schmachvoll, ach! und, was noch das Unerträglichste Kreuz ist, Mehr als ich sagen Euch kann, – langweilig! Müßig müssen wir stille stehn, Armehängend, wie Mumien, Ganz statistischen Zuschnitts; Und, wie die großen Nationen, thatlos. Hören dürfen wir nur, und sehn Was uns lieber verborgen blieb. Denn zu größeren Rollen Sind wir Armen nicht toll genugsam. Reflexionen sind uns erlaubt; Aber weil uns befohlen ist Applaudiren und Klatschen, Finden dazu wir nur wenig Muße. Lesen müssen, wie Hunde, wir – Hübsch auflesen die Brocken, die Von den Tischen der Autorn Fallen; drum nennen sie auch uns Esel. Und dann schelten sie ärger uns Als die Brüder auf Vieren selbst; Tituliren uns Volk , und Menschen und Publicum und dergleichen! Wehe! wehe den Sterblichen – Wenn ein heutiges Schauspiel Wird gegeben mit Chören – Die zum Agiren nicht toll genug sind! Chorus ab. Der Vorhang fällt . Zwischenspiel [2] Zwischenspiel. Die Scene wird unten verändert mit sehr vielem Geräusch. Die Lichter werden allmälig ausgelöscht. DAUPHIN auf dem Balcon. Ce pauvre choeur me touche. Es ist nicht Im Tollgeschmack des Uebrigen; es ist Ganz Euripidisch, und mir weit das Beste Bisher im Ganzen. Ich geselle mich Zu den Halbtollen. -PREUX. Ich auf keinen Fall! Sie haben's zwar gesungen, aber schwerlich Es selbst gemacht. Es ist ganz Sophokleisch. Aristophanisch ist es. Der Hans Wurst Steckt offenbar dahinter. Dennoch ist Ein schlechtes Wortspiel darin mit dem Lesen Und Eseln – Kein schlechtes eben. Gerade weil vom Tollen Die Red', ist mehr als Spiel mit Worten drin. -PREUX. Es ist auch Seele drin! Wie doch genießt man Ganz anders so ein Schauspiel mit Zuschauern, Die nicht allein Zuhörer sind. Mir geht's Weit über das Stück selbst! Wir wollen doch In Acht uns nehmen, ja nicht gar zu sehr Damit zu unserm Nachtheil abzustechen. die Bühne unten betrachtend. Was ist's? Sie löschen alle Lichter aus! Es wird stockdunkel! Nun in Gottes Namen! Das wird was Neues geben! Der Vorhang wird wieder aufgezogen; man sieht aber nichts. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Die auftretenden Personen werden gehört; aber nicht gesehen. Weh! weh! wo schleppt man mich Armen hin? Welch unanschaulicher scheußlicher Ort! Fort! Weh! weh! wie saust es und braust es drin! Wie stinkt's mir entgegen hier und dort! Fort! Was ist's, das so von oben gräßlich saust Herab durch mein erschüttertes Geknöchel? Der Luft Geröchel. Was ist's, das siedend immer aufwärts braust In schwarzen Wolken ungeheuer? Das unter Feuer. Was frißt der dort, Am Felsen dort, Zu stillen des Hungers Schmerz? Des Erdballs Herz. Was trinkt der hier, Am Strome hier, Zu stillen des Durstes Wuth? Des Meeres Blut. Weh! weh! was harret uns Todten dort! Welch unanschaulicher scheußlicher Ort! Fort! Wirf sie all' in den Drachenpfuhl Hinter des Fressenden Riesenstuhl! Man hört ein tiefes Plumpen. Oh! oh! oh! oh! mit gräßlichem Gelache. Halloh! halloh! halloh! Wir betten Euch nur so. Seyd froh! Der Pfuhl nur bis an die Nasen steigt – Wir sind Euch geneigt. fürchterlich laut. Schweigt! Lange Pause, um die grausenvolle Stille recht fühlbar zu machen. leise. Das soll vermuthlich uns die Hölle gar Vorstellen? leise. Und nicht übel! DAUPHIN leise. Gerade, weil Man gar nichts sieht. -PREUX leise. Ich finde diese Stille Noch höllischer als Alles. halblaut. Macht mich schaudern! Man weiß gar nicht, was da geschieht. leise. Ein Werk, unsichtbar ganz, und ohne Namen! laut. Man sieht gar nichts. leise. Mir däucht, ich sehe gerade Die gräßlichsten Gestalten, wie im Traum. leise. Ich auch! Mir wird ganz bange. Julchen! – Laut. Julchen! Mein Gott! was ist's? laut. Was ist's? ihr Fläschchen suchend. Sie liegt in Ohnmacht – Sie gießt ihr das ganze Fläschchen auf die Stirn. erwachend. Wo bin ich? leb' ich noch? Sey ruhig, Kleine! Wir sind im Schauspiel alle. leise. So was macht Effect. DAUPHIN leise. Das wäre nun, zum Beispiel, ganz unmöglich Bei uns! leise. Wie so? DAUPHIN leise. Man würde diese Stille So laut beklatschen, daß man sie nicht hörte. Das Pianissimo der Bühne wird Beständig vom Parterre-Fortissimo Begleitet. leise. Dadurch geht's ja ganz verloren? DAUPHIN leise. Natürlich! – lieb' es auch nicht. leise zu Mad. Dauphin. Aber doch Liebt man bei Ihnen alles was Effect macht? DAUPHIN immer leise. Zum Rasen liebt man den Effect, und macht ihn Gerade drum am liebsten selbst. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. mit plötzlichem Gebrüll. Bewege Dich her aus der Felsenkluft, Herodesgerippe! Dein Herrscher ruft! Wie viel sind wohl in der letzten Nacht Von sieben Nächten heruntergebracht? Neun Feldherrn – hundert Stabsofficiere – Gemeine Soldaten dreitausend und viere – Dreihundert Pfaffen – zweihundert und drei Die Handel getrieben – Matrosen zwei – Vier Admiräl' – ein einziger Bauer – Ein halber König, für den in Trauer Sich doch hat gehüllt ein ganzes Land, Weil gleich nach ihm man 'nen ganzen fand. vermuthlich Satans. Ist das Alles? Außer den Scribenten, Den Weibern und den Recensenten: Von den Ersten und Letzten hundert und acht, Meistens Franzosen in deutscher Tracht. Die Weiber liefen ihn'n nach wie toll, Und machten uns die zweihundert voll. Sie waren sogar dabei recht munter. War kein unschuldiges Mädchen darunter? Wie verstehen Ihro Durchlaucht das? Verführtes mein' ich, oder so was? Es war darunter ein zart und fein Sechs-, siebzehnjährig Hofkätzelein, Erzogen am Hofe gar sehr charmant Von einer französischen Gouvernant', Und witzig und hübsch ganz ungemein, Stechend und blühend, wie ein Röschen, Das mit 'nem zwanzigjährigen Klößchen Von aufgeschossenem Bauerlein Geschwärmt ein wenig im Mondenschein, Ohne die Folgen noch recht zu kennen – Weiß nicht, ob man das verführt kann nennen. – Ist mitgekommen der Bauerkloß? So wenig als seines Vaters Roß. Nicht besser als das, gewiß! vermöcht' er Was zu verführen – bei Hofe zumal. Waren unter der übrigen Zahl Gar keine sächsische Pfarrerstöchter? Keine. Das ist mir gar nicht recht! Das geht alles erbärmlich schlecht. Hat mir immer annoch bis heute Nichts zu sagen die ganze Beute, Bringt Ihr mir Pfarrerstöchter nicht. Weiß wohl, warum es uns dran gebricht. Haben wir nicht die Poesie, Nämlich die deutsche, wir kriegen sie nie. Aber an's Heiligste, so zu sagen, Dürfen wir uns so recht nicht wagen. aufgebracht. Weg, Du lumpiger Teufelswicht, Weg! mir alle aus dem Gesicht! Bringt mir immer nur eitel Plunder – Marsch! in die Langweilshölle hinunter! Sollt dort eine Höllenwoche lang Hören Sonetten- und Kettenklang, Lesen französische Trauerspiele, Deutsche Komödien eben so viele – Trinken dazu, statt Menschenblut, Aus den Gefäßen der bösen Lüste Teufelsmilch, und die kalte Wuth Aus Gergesenerschweinebrüsten! Pause. Den Kerl da braucht man eben nicht zu sehen, Um zu vernehmen, wer er sey. So spricht Ein ächter Teufelsfürst. Ich muß gestehen, So sprechen wenigstens die Götter nicht. 3. Auftritt Dritter Auftritt. nunmehro ganz ausgemacht Er. Jetzt bin ich fürchterlich allein – Bin bange vor mir selbst – möcht' es nicht lange seyn! Säh' mich das Leben hier, es würde Stein; Säh' mich das Licht, es würde bald ermatten – Die Sonne säh' sich blind an meinem Schatten; Der Tod allein mir gegenüber harrt. Wie grauenvoll aus seinen hohlen Augen, Die meine Züge nur zu spiegeln taugen, Mein eigen Bild mir hier entgegenstarrt! Man hört ein starkes Getöse. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Was stürzt herab? Dein erster Unterthan! Mein Mephistopheles! – Was bringst Du Böses, Dein werth, und des entsetzlichen Getöses? athemlos. 'Nen neuen Faust ! und glückt mit ihm mein Plan, Ist's um das Reich des obern Lichts gethan. Empfange der gesammten Hölle Gruß! Es tönt aus allen Orten ein unendliches Weh! Sie setze Dich, zu meinem rechten Fuß, Auf diesen eingesunkenen Vulkan! Noch näher! – eine Höllenmeile näher – Ganz nah'! – Erzähle, mein gewandter Späher, Ist mit den Dichtern etwas Dir geglückt. – Du weißt mein altes Werk. Sie sind verrückt, Dank sey's dem ersten Faust! schon längst geworden, Am Busen tragend unsern rothen Orden; Doch durch den zweiten bring' ich's noch dahin (Das Werk ist schon in kräftigem Beginn), Daß sie den schwarzen auch im Busen tragen; Und – mehr als eine Grethe wird's beklagen! Allein der neue Faust will auch dafür Sehr viel – fast mehr als höllische Gebühr. Du hast ihn also noch nicht ganz in Händen? Nein, großer Meister, nur die beiden Enden. O, dann ist jede Schwierigkeit ein Scherz! Das Mittelstück ist noch nicht mein, das Herz! SATAN Was will dafür er? sprich! Ich darf's kaum sagen – Sprich! ich befehle Dir – Ich darf's nicht wagen. – in aufgeblasenem Ton. Ist's mehr als ich dem Nero droben gab, Mehr als die Welt zum Haus, und Ewigkeit zum Grab? So viel nun eben nicht; doch schwerer Dir zu geben! ungeduldig. Ist es die Welt zum Grab, und Ewigkeit zum Leben? Du prahlst! Das giebt nur der, den ich nicht nennen darf, Deß Blick vom Himmel Dich und mich herunterwarf. Was will er denn? Erst bei dem höchsten Schwur Der Hölle sichre mir – Vorher die Frage nur: Was wird er leisten? Wird er alle Grethen In Deutschland lehren magdalenabethen? Wird er die Pfarrerstöchter alle Dir Verführen? Daran liegt am meisten mir! Das nach und nach; und überhaupt, was gut Und rein, und heilig ist auf Erden: Jugend, Genie, Natur, Kunst, Wissenschaft, und Tugend Verwandeln in barbarisch tolle Wuth. Wenn er das leistet, schwör' ich bei dem Haupt Der Menschenschänder, das der Erde raubt Die letzte Hoffnung – Schwör bei dem, was Dir Noch höher, heilig, und noch theurer mir! Wohlan denn – bei dem Ganzen jenes Haupts, Wovon es selbst ein Theilchen nur ist, glaubt's Auch, Alles gar zu seyn – bei'm höchsten Lug ! Er fordert nie von meiner Macht genug. Sprich also! Schwör' auch mir, mich nicht zu strafen, Wenn Du den Schwur bereust! Ich schwöre Dir Bei'm Lug! zaudernd. Es läßt sich nicht aussprechen – Die Sprache weigert sich der Forderung des Frechen. Er giebt Satan ein unsichtbares Zeichen. Was? mit der Sünde selber? – ist er toll? Gerade! Thut man sonst, was man nicht soll? Der Sünde Sünd' hat er zu denken Dich gelehrt; Du siehst daraus allein, der Kerl sey etwas werth. Durch den Gedanken bloß gehört er mir; Nicht That allein verdammt, auch schon Begier. Wenn Wunsch schon Wille wäre, zugegeben! Allein da fehlt noch viel. Ein junges Leben Kennt nichts als Wunsch und That – die letzte nur Beweist das Ueberschreiten der Natur. O! gäben böse Lüste, Wünsche, Triebe, Begier – und überhaupt die Sündenliebe Der Hölle schon zu einer Seele Recht, Gehört' uns längst das ganze Menschgeschlecht. Zwar zweifl' ich nicht, er wird uns nicht entlaufen – Er kömmt von selbst, wenn wir ihn auch nicht kaufen, Einmal am End' – allein was bringt das Dir, 'Nen Höllenbraten mehr zu haben hier? 'Nen Teufel mehr dort oben, um zu Haufen Die Braten uns zu senden, willst du kaufen. Ein junger Dichter, der die Sünde lehrt, Ist mehr als tausend alte Sünder werth, Die keine Pfarrerstöchter uns entflammen, Und höchstens kümmerlich sich selbst verdammen. Es liegt mir viel an deutscher Poesie – Philosophie – des Ew'gen Offenbarung – Der Unschuld – und der freien Seelen Nahrung – Durch diesen neuen Faust bekömmst Du sie! Doch, auf der andern Seite, mich zum Lachen Ihm Preis zu geben – mich zum Werkzeug machen Der eignen Schande! Schand'? o! spreche nicht, Von Schand', und zeig der Hölle Dein Gesicht! Du trügst hier Keinen, ewiger Betrug! Was? glaubst Du zu verbergen dieses grelle Brandzeichen, das Dir lodert an der Stelle Der Krone, die Dein Haupt als Seraph trug? Noch Schande scheut, der schwört bei'm ew'gen Lug? Bei Sich! – Es ist zum Toll-, zum Rasendwerden! Es scheut sich nicht einmal Dein Knecht auf Erden. – versunken in sich selbst. O Höllenhöhe! Höllengröße! Thron Der ew'gen Nacht! was kostest Du mir schon! Dich zu erringen ward der Engel Teufel – Dich zu erhalten wird der Teufel weit Das kriechendste der weltverworfnen Thiere, Das niederträchtigste der Niederträchtigkeit. – Mit auffahrender Stimme. Ich hab's geschworen bei dem ew'gen Lug! Es sey! bring mir ihn her in schnellem Flug! Dein Wink mir, großer Meister, ist genug. Er fährt unsichtbar, aber sehr hörbar ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. allein. O! hätt' ich Seraphsthränen – Engelblut – Cherubenschweiß – zu kühlen meine Wuth! Erscheine rings in Flammen, Höllenbrut! Zittr', Erde! Es werde Gluth!! Die ganze dunkle Bühne lodert auf einmal auf, und der Vorhang fällt. Zwischenspiel [3] Zwischenspiel. Der Satan ist ein ganz gediegner Kerl! Zum Tollhausinspector. Die Höll' ist ihnen übel nicht gelungen! Ist, freilich, auch was Tolles. Die Idee Nichts weniger als toll! Die tollste nämlich Von allen, meiner Meinung nach. Sie selbst Doch glauben an den Teufel, Herr Collega! Ich – an den Teufel? Sagten Sie nicht einst: »Oft sieht ein Kurfürst, was der Höllenfürst gethan, Aus eitlem Stolz für eigne Arbeit an.« Sie haben viel Vortreffliches gesagt; Doch nichts Vortrefflicheres! Das war damals! Ich zweifl' an Allem jetzt. zum Prinzen von Ellenbogen. Was sagen Sie, Mein Prinz, zur Höll'? Ich, Herr Geheimrath? Recht nett! Die letzte Scene war recht nett – Doch, Sie gestehn mir, etwas gar zu dunkel, Und zu geschmacklos. Allerdings. Zum Teufel! Sie wollen in der Hölle selbst Geschmack? Du goût! vor Allem! überall! Zu Mad. Dauphin. Ich hab' Einst in Paris, in Ihrer großen Oper, ›Ne Höll‹ – ›ne Höll‹ – Er legt die zwei Kußsingerspitzen auf seine Lippen. Es war ganz zum Entzücken! Man kann nichts Schönres sehn! – zumal die Psyche! Wir Deutsche haben kein' Idee davon. DAUPHIN. Sie haben eine doch? Erst seit Paris – Sie geben mir noch viele. Hätt' ich lange Das Glück – ich würde ganz Idee. DAUPHIN. Sie sind Gar zu galant! Man ist das länger nicht In Frankreich. Alle Moden, leider! kommen Uns hier zu spät. Wie geht es, armes Julchen? Jetzt wieder gut; doch seh' ich immer vor mir Den Fresser auf dem Riesenstuhl, und das Entsetzliche Gerippe – huh! die Todten, Die schrieen! Zu St.-Preux. Ich hielt mich fest an Ihrem Arm, Sonst wär' ich umgefalln. -PREUX. Ich war im Himmel Dabei. Sie sind ja überall im Himmel! -PREUX leise. Holdselige! Was sagen Sie, Herr Bruno? Ich denk' in Hofgesellschaft ungern laut. Dadurch verliert die Hofgesellschaft sehr. Ich bin nur hier, zu sehen und zu hören. Dann wünscht' ich, 's Stück wär' aus – Ich auch, Wär's nicht der hiesigen Gesellschaft wegen. Zwei Acte sind noch übrig? Viere noch, Wenn nicht gar fünf. Das Stück hat sieben Acte. Doch sagte mir Hans Wurst; man könnt' es theilen In zwei Portionen, wenn – Das freut mich sehr; – Denn mir gefällt es immer mehr und mehr. Mir auch! Mir auch! Mir auch! Mir auch! KOTBUS. Mir auch! ELLENBOGEN. Trotz allen Fehlern gegen den Geschmack, Natur ist drin; das kann man gar nicht leugnen. Hans Wurst ist ganz mein Mann, obgleich ich nicht Verstehe völlig alles, was er spricht. schnell. Das kömmt daher, Eur Durchlaucht, weil er toll, Der allertollste, wenn ich sagen soll – Noch nicht – Schon lange! wenn auch äußerlich nur dumm, Im Innern, straf mich Gott! ganz toll, zum Rasen! Er kennt ihn also, Generalfeldmarschall? betroffen. Nicht anders als durch Hörensagen, und Durch seine Possen hier. Wie weiß Er denn, daß er im Innern toller Als äußerlich? Er spielt den Narrn im Stück Umsonst nicht; haben sie doch wohl den Tollsten Dazu gewählt! Das sag' Er nicht; er spielt Den Directeur auch. Das ist alles Eins, Eur Hoheit, dazu wählt man oft den Tollsten, Wo nur von tollem Zeug, wie hier, die Red' ist. Wir werden sehn! Ich werd' ihn kommen lassen, Wenn's Stück aus ist. – Das thun ja Eure Hoheit Um alles in der Welt nicht! Und warum? Weil, straf' mich Gott, Gefahr! Ich möchte lieber Der ganzen, großen feindlichen Armee, Die doch vernünftig ist, allein, ganz nah', Im Feuer gegenüberstehn, als hier Dicht neben einem Tollen – Die Gefahr Nehm' ich auf mich. Dann schickt's sich auch ja gar nicht, Für Eure hochfürstliche Hoheit, Sich In eigener Person mit einem Narren Zu unterhalten! Zur Herzogin. Nicht wahr, Eure Hoheit? Es muß doch wohl; wir hätten sonst am Hofe Zu wenig Unterhaltung. heftig. Sagt er aber, Er sey nicht toll, so lügt er, straf mich Gott! zu Doctor Stirn. Was sagt Er wohl dazu, Herr Doctor? Ist Hans Wurst verrückt nach seiner Meinung? Pah! Ich hab' ihm heute noch den Kopf befühlt: Kein' Ahnung! Glaub' es wohl; er hat 'nen andern Für's Schauspiel aufgesetzt! Was hat der arme Hans Wurst dem Generalfeldmarschall doch Gethan? Nachher – wenn's Stück zu Ende! Jetzt wollen wir soupiren. – Können wir Halt machen hier, Herr Oberhofinspector? indem alle aufstehen. Wenn Eure Hoheit so befehlen, gleich! lachend, indem er aufsteht, und mit der Herzogin, gefolgt von allen Uebrigen, hinausgeht. Die Hölle hat mir Appetit gegeben. Der große Vorhang fällt . Zweite Abtheilung [Motto] – »Gieb nur erst Acht, die Bestialität Wird sich gar herrlich offenbaren.« Alter Mephistopheles. Personen Personen Zueignung Zueignung. Traum. – Doppelte Terzinen-Terzine. – (An Florens .) Ich saß in meines Daseyns enger Kammer, Nachsinnend der Gemüther hohen Tiefen, Und der Verstand' und der Vernünfte Jammer; Als plötzlich mir aus ihren Gräbern riefen Vernehmlich alle stummen Herzensgründe Der Todten, die vorlängst in Gott entschliefen. Und vor mir stand im härenen Gewinde Cecilia , mit ihrer heil'gen Zitter, Und sang: »Das Vließ des Glaubens such' und finde!« Geweckt nun blickt' ich durch der Träume Gitter, Und schaute vor mir offne Todesauen, Voll grüner Stürm' und blühender Gewitter. Um sieben Hügel, gräblich anzuschauen, Wand sich ein leichendampfendes Gestade, Und drauf ein Lamm in eines Löwen Klauen! Leu brüllte Rach', und Lämmchen blökte Gnade – Da sang Cecilia: »Kannst Du's ergreifen, Wird Deine seyn der Liebe volle Lade!« Und unwillkürlich fing ich an zu pfeifen. Schnell auf den Pfiff kam der gebratne Lorenz; Und eilends ließ der Leu das Lämmchen streifen – Den heil'gen Braten schnappt' er; o, mein Florens ! Ich sehe noch das Lamm im Grase streifen, Und den an dessen Statt verschluckten Lorenz. Ich aber fuhr noch immer fort zu pfeifen, Und lockte, stets die Augen auf die Lade, Das Lämmchen, das sich ruhig ließ ergreifen. Und's Lämmchen sprach: »Jetzt wird Dir große Gnade, Daß mich gerettet aus des Löwen Klauen Dein frommes Pfeifen hier am Dampfgestade! Nimm meine Lade hin! da wirst Du schauen Der Erdenwüste Stürm' und Ungewitter Verwandelt in Gedüft der Himmelsauen! Blick' in das Inn're durch das äußre Gitter, Und was Du zeitlich suchtest, ewig finde, Weil fromm Du horchtest jener heil'gen Zitter!« Ich guckt' hinein. O Pracht! im Lichtgewinde Von Engeln, die in Lilienwiegen schliefen Auf Rosenwellen blauer Aethergründe, Sah ich eilftausend Jungfraun, die mir riefen: »Halleluja! verschwunden ist Dein Jammer! Wir öffnen Dir der Seligkeiten Tiefen!« Und jede zog mich leis' in ihre Kammer, Mein Herz in heil'ge Wonne zu vertiefen; Als bei der letzten – Jammer über Jammer! – Ich fand eilftausend Jünglinge, die riefen: »Wir haben zu Geseufz eilftausend Gründe; »Auch wir sind Märtyrer: wir alle schliefen, »Entflohen aus dem weltlichen Gewinde, »Gelockt von der Cecilia heil'gen Zitter, »Bei diesen Jungfraun. Glaube! such' und finde! »Erscholl's auch uns. Wir suchten hinterm Gitter – »Was fanden wir? Du wirst es bald mit Grauen »Entdecken!« – Wie vom plötzlichen Gewitter Getroffen, lag ich, ohn' umherzuschauen, Gleich einem Schifferleichnam am Gestade, Gepackt auf einmal von eilftausend Klauen. Vergebens schrie ich: Gnade! Gnade! Gnade! Die Klauen fuhren fort, mich anzugreifen Es stinkte, wie in einer Leichenlade – Ich pfiff, voll Todesangst; doch auf mein Pfeifen Kam diesmal weder Leu, noch Lamm, noch Lorenz. Sie fingen an die Haut mir abzustreifen Bis auf die Knochen. O, mein theurer Florens! Ich flucht' in diesem Augenblick dem Streifen, Dem Suchen, Allem, selbst dem heil'gen Lorenz, Trotz seiner Unschuld, und zumal dem Pfeifen. – Mir Knochenmann in meiner Todeslade War endlich gar kein Fleisch mehr anzugreifen; Doch mein Gerippe selbst ward ohne Gnade Zerrissen von den unsichtbaren Klauen, Bis auf die Seel'. Am nämlichen Gestade, Wo ich zuerst erwacht', und wo zu schauen Die sieben Hügel waren voll Gewitter, Fand ich mich jetzt, ganz auf denselben Auen. Doch, statt Cecilia , stand dort am Gitter (Was ich noch immer unbegreiflich finde) Ich selber , in der Hand, statt einer Zitter, 'Nen Stiefelknecht, mit spanischem Gewinde Von Schafgedärm. Ich spielt', und Alle schliefen Um mich herum, und, was ich nie ergründe, Auch ich schlief ein – als wieder laut mich riefen Eilftausend Stimmen, ach! zu neuem Jammer, Aus diesen wunderbaren weiten Tiefen Zurück in meines Daseyns enge Kammer. – 4. Akt 1. Auftritt Erster und einziger Auftritt. Trompetenstöße beim Eintritt des Herzogs, mit Gefolge, auf den Balcon. in einem großen buntschäckigen Mantel, aber ohne Hut, mit freifliegenden Haaren, springt aus einer hohlen Eiche hervor. O! Wundernacht! zum Tollhausinspector. Da haben wir ihn wieder! sich gegen den Herzog und die Zuschauer verbeugend. Ich bin in dieser neuen Tracht Der aufgeschobne erste Act – Zum Vortheil nämlich für das Ganze, Geschickt verwandelt in Romanze. – Gar Vieles kann und muß geschehn Auf dem Theater, wie auf Erden, Das ohne Scheu gehört darf werden, Und doch sich schicklich nicht läßt sehn; Oft, was am meisten urpoetisch, Natürlichschön, und grundgenetisch: (Zum Beispiel, was der Reichssoldat In Götz von Berlichingen that) – Die stärkste der herkulschen Thaten – Die erste beste Niederkunft – Es billigt solches die Vernunft; Die Tugend selber darf's errathen; Die Polizei verbietet's nicht; Die Kirche selbst hat nichts dagegen; Ist eigentlich der größte Segen – Und doch beleidigt's das Gesicht. – O! wäre die Romanze nicht, Und dürfte sie nicht Alles sagen – Wie Vieles ginge dem Gedicht Verloren, selbst in unsern Tagen! Er wirft den Mantel ab, und steht plötzlich als die Romanze selbst in Frauenzimmerkleidern da. Der ganze Balcon klatscht . Die Romanze. Jüngst in einem hochgewölbten Engen Zimmer, gothisch, dunkel, Zugemacht das kleine Thürchen Mit dem ausgesägten Herzen – Auf dem wunderbaren Kreisloch Mit dem Zapf (der Erde Zeichen Magisch ruhend ohne Ruhe – Saß der junge wackre Faustus. Grimm im Kopfe, Grimm im Bauche, Welt und Daseyn laut verwünschend (Denn er ist ein großer Dichter, Und ein großer Philosophe!) Saß er da, wie Polyphemos, Gegen Gott, Natur, und Schicksal Trotzig donnernd, plastisch wüthend – Und genirte sein Genie nicht; Es werden ab und zu Trompeten- und Hörnerstöße im Hintergrunde gehört. Fluchte, tobte, schimpfte kecklich, Blasphemirt' auf's allerbeste – Dachte Sätze, Scenen, Thaten, Unerhörte, niegedachte. Lag ihm nämlich sehr im Sinne, Zu gemüthen etwas Größres, Genialisch-gothisch-großes, Als bisher gemüthet worden. Jagdhörnerstoß. Unter sieben Jauer-Purschen, Eben so viel Unstudenten, Jeder voll gewalt'ger Thierkraft, War er schon der Leu seit lange. Jeder trieb's, mit tief entblößtem Schweinigen, auf seine Weise, (Ganz des Teufels nur zu werden) In Genie, so weit er konnte; Weit am weitsten doch im Schlemmen, Saufen, Prügeln, und dergleichen Trieb's der göttlich grobe Junge; Lange doch nicht weit genugsam. Zwar bewundert und beneidet War er von den andern Allen; Lange doch, trotz allem Unthun, Angebetet – von sich selbst nur. Endlich am besagten Orte, Nach viel gar verwegnem Sinnen, Glückt' es ihm, sich auszudenken Productiver Sünden Sünde. Trompetenstoß. Alsobald erschien der Böse (Denn er kömmt auf der Gedanken Wink), durch's Herz der Thüre fahrend, Fragend ihn: »Was willtu, Meister?« »Wer bistu, der mich zu stören Wagt?« begann der kecke Fauste, Wenig nur vom Sitze hebend Seinen Körper in die Höhe. »Mephistopheles, der Schildknapp Deines sel'gen großen Vaters!« Gab zur Antwort ihm der Böse, Mit gar schönem Pferdekratzfuß. »Lügner!« rief der Fauste zornig, »In drei Worten dreimal lügend! Erstlich war nicht Faust mein Vater; Zweitens war mein Vater groß nicht; Drittens holt' ihn ja der Teufel, Mithin ist er wohl nicht selig. – Willtu täuschen, dichte so, daß Der Belogne wird betrogen!« Drauf der Mephistophel pfiffig (Denn das sind die meisten Teufel; Alle nicht; es giebt auch dumme!): »Freilich hab' ich Dir gelogen – (Muß es thun, der Uebung wegen) – Aber diesmal log ich Wahrheit: Nennst nicht Faust Dich? hast den Teufel Nicht gerufen? kennst nicht Gretchen?« »Rothwamms«, rief der Junge, gierig Mehr zu hören (denn er wußte Nichts von seiner Herkunft, hoffte Bloß, er sey vielleicht ein Hurkind.) »Faust zwar nannten mich die Eltern, Arme, längst gestorbne Hütt'ner Draußen in dem wilden Schwarzwald, Wo ich anfangs auferzogen – Unter uns gesagt, doch glaubt' ich, Nur der starken Hände wegen, Die sich schon im dritten Jahre Grimmig gegen Beide ballten. Oft zwar rief ich auch den Teufel, Mir mit Höllenkraft zu helfen, Daß ich aller Schüler Meister Werd' in genial'scher Allmacht. Eine Greth' auch kenn' ich – oder Habe sie aus der Geschichte Mir studirt – die Grethe nämlich, Die der große Faust verführte.« Wunderhörnerstoß. »Weiß das alles!« sprach der Voland, »Weiß es besser als Du selber – Hab' auch Deinen Wunsch vernommen! Und bewundre seine Freche Aber sage: magstu Alles Wissen? darfstu Alles hören, Was von Deiner tiefverborgnen Herkunft ist der Hölle kundig?« »Alles!« rief der kecke Jüngling (Denn vor nichts zurückebebte Seine Lust, sich auszuzeichnen); »Alles, Alles will ich wissen! Wenn's nur tragisch ist und gräßlich, Hör' ich selbst das Gute gerne! Sprich! und ohne Worte viele Bring uns Beide bald zum Ziele!« Trompetenstoß. »Wisse dann,« begann Mephisto: »Diese Grethe, die so rührend In dem göttlichen Fragmente Liebte, fiel, und Mutter wurde – Diese Greth' ist Deine Mutter! Unter ihrem Herzen lagstu Schon, als Deinen sel'gen Vater, Wie man sagt, der Teufel holt'. Wie darauf sie, ganz von Sinnen, In ein Kloster gehen wollte, Wurde sie von Dir entbunden Unterwegs im wilden Walde. Jagdhörnerstoß. Ganz, wie sie Dich einst empfangen, – O Du kühner Sproß der Sünde! O Du theures Pfand der Hölle! Warf sie Dich, bewußt – und sinnlos; Ging von dannen, ließ Dich liegen. Als da kam ein armer Waldhirt, Hörte wimmern was im Busch', und Fand Dich in dem seidnen Halstuch; Trug das Kindelein, voll Mitleid, Heim zu seinem frommen Weibe, Die Dich pflegt' und Faust Dich nannte, Weil im Tuch der Name Faustus. Wie Du weißt, hastu schon frühe Beid' ins Grab gebracht durch Deine Wilde Genialität, die Sie nicht recht zu schätzen wußten. Selig nannt' ich Deinen Vater, Ob er ewig gleich verdammt ist, Weil er solchen Sohn erzeuget, Der ihn noch wird übertreffen.« Wunderhörnerstoß. Laut aus vollem Halse mußte Jetzt der biedre Junge lachen, Wie er von dem Teufel hörte Seine tragische Geschichte. Lachen mußt' er – weil von allen Genialischen Geburten Keine dichterischer, kühner, Gothischer, und wunderbarer. Lachen mußt' er endlich – weil er Hätte sonst verzweifeln müssen. – Als er sattsam ausgejauchzet, Sprach der offne, brave Junge: Trompetenstoß. »Freut mich baß, daß ich des alten Teufelabgeholten Doctors Sohn und Erbe bin, und also Von bewährtem Dichteradel.« Was noch mehr der brave Jüngling Keck bemerkte, war so kräftig, Daß ich's (weil ich doch ein Mädchen, Trotz der Wildheit) nicht kann sagen. Sämmtliche Hörner schweigen. Gnug, nachdem der Bote Satans Das Gemüth erprobt gefunden, Wie in Worten, so in Thaten, So in Thaten, auch in Worten – Und nachdem 's Gemüth ihm gottlos Durch der Flüche Fluch versprochen, Binnen Jahresfrist die deutsche Dichtkunst ganz zu ruiniren – Fuhr zur Höll' er mit dem Auftrag, Den wir kennen; und als diesen Satan angenommen, holt' er Fausten ab, wie wir vernommen. Dieser, nach der That der Thaten, Die ihm trefflich wohl gerathen, Ist nunmehr, mit Haut und Haar, Rein des Teufels ganz und gar. Thut mit unsern Jauern schalten, Wie er will, und foppt die Sieben, Bei der Nase führend alle, Wie wir sehen werden balde. Mephistophel commandirt er Rechts und links; er muß ihm Alles Schaffen, immer neue Peitschen, Alten Wein, und junge Gretchen. Klingel, Flecht, Bombastus, Höch'ner, Keit, und Till, und Schrelling – jeder Wähnend für sich selbst zu kollern, Kollern nur vor seinem Wagen. – Doch bis jetzt ist all sein Treiben Heimlich und versteckt geblieben; Bald wird ganz sich offenbaren Seine Macht den blinden Sieben! In dem Auerbach'schen Keller Wird er herrlich sie tractiren; Und sie werden alle dummeln; Aber er wird dominiren. Stöße – Knallen – Halloh! Halloh! im Hintergrunde. Ich empfehle mich auf's allerbeste, Meine schönen Herren! als Romanze. Wie die süße Braut zum Hochzeitfeste, War ich gar zu nöthig für das Ganze. Die Romanze macht einen Knix und verschwindet unter den Bäumen. Der Vorhang fällt . Zwischenspiel Zwischenspiel. Das war ein langer Monolog. Zu Werder'n. Nicht wahr, Herr Hofrath, Monolog nennt man so was? Der gute Hofrath schläft. Werder'n zupfend. Herr Rath! Herr Hofrath! O, lassen Sie ihn schlafen. zum Tollhausinspector. Auf den Keller Bin ich begierig; da wird's wohl recht drüber Und drunter gehn, Herr Oberhofinspector? Der Probe nach zu schließen, ziemlich bunt! Nur bitt' ich im Voraus um gnäd'ge Nachsicht, Wenn's hin und wieder etwas sehr naiv – Je besser, je naiver; wenn's Naive Nur nicht zu fein und zu gelehrt. Nicht wahr? Was sagen Sie dazu Herr Reichsbaron? Ich habe nichts dagegen. Zur Herzogin. Wie hat wohl Gefallen Eurer Hoheit die Romanze? Ich habe wenig Acht gegeben drauf. Ich dachte Die ganze Zeit an des Feldmarschalls Worte, Und Widerwillen gegen den Hans Wurst. Nicht Animosität, Eur' Hoheit, straf mich Gott! Ich habe Mitleid sehr mit jedem Tollen. lächelnd. Ein schönes Mitleid das! »Man jag' die Tollen Heraus mit dem Inspector!« – »Schlag' sie todt, Um Unglück zu verhüten!« War's nicht so? Hans Wurst ist ohnehin nicht toll. Man bilde Mir nimmer ein, daß ein Wahnsinniger Romanzen von der Länge lernen könne. -PREUX. Und vollends wenn so schwer und hölzern sie, So holpricht, steif und trocken, so ganz verslos. Wie die Romanzen heut'gen Tages sind. Er hat vielleicht sie selber nur gemacht; Und dann ist's keine Kunst – -PREUX. So schwer, So steif und trocken, flach und platt sie ist, So ist zu toll sie nur für einen Tollen. Das objective Streben drin verhunzt Das Lyrische, naiv Sentimentale; – Ein Toller hätte mehr romant'sche Fülle, Und Colorit zumal, hineingebracht. schmeichelnd. O, wollten Sie wohl nicht die Güte haben, Zu wiederholen, was Sie eben sagten? -PREUX leise. Sie, Himmlische! verstünden es doch nicht; Denn ird'sche Wahrheit hab' ich nur gesprochen. leise. Auch solche hört' ich gern aus Ihrem Mund. ST-PREUX leise. Sie hörten sie ja, Engel! leise. Nur den Schall! -PREUX immer leise. O lassen Sie uns garst'gen Männern gern Das Andre; – wünschte, daß dergleichen Wahrheit Ich selber nicht verstünde! ebenso. Warum aber Denn sagen Sie sie doch? -PREUX. Damit man mich Nicht etwa für ein Frauenzimmer halte. Und warum wollen Sie als Mann erscheinen, Wenn es so garstig ist? -PREUX. Nicht scheinen bloß – Es seyn sogar! Es seyn? Und warum das? -PREUX. Um Sie nur anzubeten, Himmlische! seufzt. O Gott! Es wird ein großer Lärm an der Thür des Balcons gehört. zum Generalfeldmarschall in's Ohr. Ein Feldcourrier ist von dem Lager draußen. – für sich. Der kommt mir wie gerufen! Zum Herzog. Gnäd'ger Herr! Ich muß mich jetzt entfernen – die Geschäfte – Sie rufen schleunigst mich in's Hauptquartier. Was giebt's? Warum so plötzlich? Weil Hans Wurst –? Es ist ein Feldcourrier da, straf mich Gott! Was bringt denn der? Ich weiß nicht, Euer Hoheit! Doch wichtig ist's gewiß! Sonst, straf mich Gott! – Laßt ihn herein! Ich will ihn selber hören, Hofmarschall! Lass' Er den Courrier herein. zum Kammerherrn. Höchstselber wollen den Courrier vernehmen. zum Hofmarschall. Es geht nicht an. Der ungeheure Dickbauch In zween Stiefeln eingepfählt, an denen Die ganze Hälfte von der Jauer-Straße Nach Dummliz hängt! Der Balcon trägt ihn nicht. Der Herzog will's, und darum muß es gehen. zum Tollhausinspector leise. Hans Wurst ist toll, wie ich Ihm sage, oder – Gesetzt nun aber, Excellenz, er wär's nicht? Dann muß er's werden! 'S ist ein Staatsgeheimniß! Hör Er, Inspector, wenn Er nicht verhindert, Daß ihn der Herzog spricht, sprech' ich mit Ihm! Doch was vermag ich gegen Seine Hoheit? Er kann ja dafür sorgen, daß er wegläuft, Unsichtbar wird, – verschwindet, – und was weiß ich – Noch eh' das Stück vorbei. Ich fürchte Für die Person der Majestät nur, straf mich! – Wo Teufel bleibt denn der Courrier? Feldmarschall! Der Kammerherr befürchtet, daß der Balcon Die Last nicht tragen könne; zentnerschwer Sind seine Stiefeln und – fahren zusammen. Um Alles – lacht. Lass' ihn Nur meinethalb die Stiefel vorher ausziehn! Hofmarschall geht hinaus. zum Tollhausinspector leise. Schaff' Er mir den Hans Wurst nur fort, dann, hör' Er! Darf Er auf reichliche Belohnung Vom Herzog rechnen! Unter uns – der Herzog – Der – thut nur so – und muß so thun – versteht Er? Versteh' kein Wort, Eur Excellenz. – Das Stück Geräth in's Stocken, wenn ich fort ihn schaffe. Was liegt mir an dem Stück? Mir aber viel! Die Bühne darf prostituirt nicht werden, Und ohnehin – gehorch' ich nur dem Herzog! äußerst verlegen. Hat doch den Cabinetsbefehl erhalten, Um einzusperren den Hans Wurst? Das that ich. Blitz, Donner! der Courrier? wo bleibt er? wieder hereinkommend. Hoheit! Da draußen haben die Bedienten Mühe, Mit Hülfe von der Wache, seine Stiefel Ihm abzuziehn; – auch hat er keine Strümpfe. Was thut denn das? Herein mit ihm, sag' ich. Kammerherr wieder hinaus. ihr Fläschchen hervorziehend. Der Kammerherr schon roch nach dem Courrier. Der Lärm wird immer größer am Eingange. zum Herzog, bittend. O, könntest Du nicht, Lieber – zurückkommend. Gnäd'ger Fürst! Sein Bauch kann durch die Thüre nicht herein. zum Generalfeldmarschall. Schockdonnersapperment! ich sag' es nochmals, Was hat er mir für Ochsen von Courrieren? Zum Hofmarschall. Man bringe den Rapport! Die Uebereilung – hereinstürzend. Empörung, Aufstand ist im Lager, sagt er – Der General von Wirbelzopf verhaftet – Ein Anderer zum Chef ernannt, und alle Die Officiere, die nicht da – cassirt. HERZOG, GENERALFELDMARSCHALL UND PRINZ VON KOTBUS zugleich. Blitz! – Teufel! – Mord und Tod! – Was sagt Er! fortfahrend. Der Feind rückt unterdessen an vor Dummliz . Allgemeine Sensation auf dem Balcon. Da haben wir's! Mein Gott! mein Gott! sich an St. -Preux anschließend. Ich sterbe! Ja, wenn ich jetzt den Kopf verlöre! – Ruhig! Ich bin noch Herr! Ich eile schleunigst – nimmt sein Etui. Nein! Bis 's Stück aus ist! Wir haben was in's Reine Zu bringen hier! Schreibt. Doch, gnäd'ger Herr, dort, straf mich! Ist meine Gegenwart – immer schreibend. Erst morgen nöthig! Ein inneres Geschäft darf ohnehin Nie wegen eines äußren leiden! Alles Der Ordnung nach! – Der Prinz von Kotbus eile Sogleich in's Hauptquartier zurück, und setze Den Wirbelzopf in meinem Namen wieder Auf freien Fuß! Schreibt immer. Warum auch kam er nicht Hieher? Sein Pferd stürzt' unterweges, und Er kehrte, nah beim Lager, um. schreibend. Ist wahr! In meinem Namen setzen Sie ihn wieder Auf freien Fuß. Sie werden meine Ordre Doch respectiren, hoff' ich! Giebt dem Prinzen das Blatt. Sie sind jetzt Ad interim Feldmarschall – Eilen Sie; Und wenn Sie mit der Vollmacht, die Sie haben, Die Ungebühr gestillt, und Alles ruhig, So kommen Sie zurück! Prinz von Kotbus ab. Mein Gott! was wird Das werden? Alle bewegen sich unruhig. Straf – Sey ruhig! Laß mich sorgen – Es brennt noch nicht! Der Vorhang wird wieder aufgezogen, und man sieht den Keit unter der Platane. Sieh da! da haben wir Den Guten wieder, den, der beißt! Zum Tollhausinspector. Nicht wahr? Er wird im Stück noch beißen, Hofinspector? Ich glaube nur sich selber, Eure Hoheit! 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. auf der Bank unter der Platane, worin Hans Wurst durch die Blätter hervorguckt, sitzt und schneidet Merinosdärme der Länge nach in Faden, womit er den Stiefelknecht, der auf seinen Knieen liegt, nach und nach besaitet. Sein ganzes Geberdenspiel ist ein wechselnder Ausdruck von tiefster romantischer Wehmuth und höchster mystischer Demuth. Nach einigen schwer geholten Seufzern fängt er an zu singen. Warme Darme, jetzt in kalten Falten, Dünn zu schneiden jeder, einer, feiner – Von dem seidnen Leder – keiner kleiner, Weiche, gleiche, laßt euch alte spalten! Laßt zu Saiten fromm euch hier bereiten, Ihr, die sehr in Klagen bang gemurret, Wenn ihr leer im Magen lang geknurret, Murrt und knurrt noch lange bange Keiten ! Wehmüthig. Denn mit Leiden schneiden seine reine Händ' am End' euch Därmeleine kleine – Demüthig. Aber daß zum Sang der Strang mag klingen, Muß sein frommes Herz den Schmerz bezwingen. Er spannt die Saiten auf und declamirt. Einst fand Im Sand, Erhellet von der Morgenröthe, Die Schale der zerdorrten Kröte Der alte Keit in Griechenland: Kohlbrenner Linos – Bezog sie mit Darmsaiten auch, Doch mit gemeinen nur. Der arme Gauch! Es gab noch keine spanische Merinos. Auch klang's darnach In Metern – ach! Ohn' Reim' erbärmlich, daß sich's Gott erbarme! Nichts von Romanz', Von Bar noch Stanz', Von Assonanz Gar nichts zu hören. Doch ließen sich Die Griechen von dem Ding in Chören Bethören, Erbärmelich! O! wie nunmehr ganz anders ich – Thüringens Linos , Kohlbrenner Keit ! So weit, wie über Griechenschaf Merinos Emporragt, wenigstens so weit Erheb' ich meine Mittelaltrigkeit In Dichtung über jene Fabelzeit! Zum Stiefelknecht. Und Du, kreuzförmig Schild mit hackenrunder Gabel, Geheimnißvolles Bild der neuen Wunderfabel! Erschalle feiner als der vor'gen Kröte Schild, Und halle reiner als der Morgenröthe Bild! Er fängt an zu klimpern und singt: Feinohrig sing' ich, rund und schön, von wegen Des Stiefelknechtes stummer Wunderkraft – Mein vorig Klingen und Getön dagegen Wie schief und schlecht und dumm und plunderhaft! Mit Verwundrung über sich selbst. Wie mir nun schier so baß in ganzen Stanzen Allhier mit Zier die As-sonanzen tanzen! Das macht, es kracht mit panischer Begleitung Das Holz schon stolz von spanischer Besaitung. Er klatscht. Unübertrefflich! oben im Baume. Trefflich! auf dem Balcon. Ganz vortrefflich! Klatscht. Das Echo klatscht! Vortrefflich! klatschend. Trefflich! klatschend. Aefflich! – Goldherz'ger Flecht! wie hatt' ich Dich mißkannt! Gabst mir, und noch dazu schier ungebeten, Den größten Schatz, den je die Kunst erfand, Die Leyer aller künftigen Poeten! Denn kenn' ich anders eine Leyer recht, Bist eine Leyer jetzt, o Stiefelknecht! Hast Hörner, Boden, Stuhl, und sieben Saiten, Und alles, was 'ne Leyer haben soll, Gereimte Reime zu begleiten, Vom Assonanzenklange voll! Er steht auf und declamirt mit steigender Begeisterung. Und einst – wenn ich das große Loos erzielet, Und Dich gehörig eingespielet, Noch etwa funfzig Jahr' lang, unverdrossen – Daß, wie mein eigen heiligtolles Herz, Voll Scherz und Schmerz und wundersamen Possen, Du klingst, als wohlbekannter Schellenklang, Den meinem minneliederlichen Sang Allmälig angewöhnten Zeitgenossen – Wenn vielunzähl'ge Stanzen und Romanzen In zahllosvielen Trippel-Assonanzen Durch dein gewürmtes faules Holz geflossen – Wenn dies Dein Kreuz, das noch ist ohne Glanz, Dann schimmert wie ein großer Wurm Johanns – Wird man sich um Dich reißen, wie um Gold, Und hold Dich nennen Leyer-Wunderhold ! Nach tausend Jahren endlich, wenn ich schlafe Schon längst bei jenem sel'gen span'schen Schafe, Das Deine Saiten hier fournirt – Wenn selbst mein Jägerhorn nicht länger existirt – Wird man die Griechenleyer, die so helle Bisher gefunkelt an dem Himmelsring, Herunterschmeißen, als ein klatrig Ding, Und oben setzen Dich an ihre Stelle – Vielleicht selbst da, wo Sobiesky's Schild, Mit dem Du hast viel Aehnlichkeit im Bild. Als Barbar-Lyra wirst Du dann zum Singen Des ruinirten Himmels ewig klingen, Begleitend ein unendlich langes Ach Von der Natur Chriemhildens-Rach'! Dann denke meiner, der mit herzlichem Bemühen Durch mittelalterchristliches Erziehen Dich nach und nach hinaufgebracht Vom armen, niedrigdunkeln Stiefelziehen Zu dieser Glorie voll Glanz und Pracht! Er geht trampirend und stampfirend ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Lucinde und Kätchen treten auf. Denk'! ich bin eingeladen, Lützel! Wo? Zum Faust im Auerbach'schen Keller. So? Vom blinden Juden Mendel wohl? Warum Von ihm nun eben? Bist Du so dumm, Das nicht einmal, Du Schneegans, zu verstehen? Charmirst Du jemals Juden selbst, die sehen? Das soll wohl wieder eine Spitze seyn? Glaubst Du, ich merk' es nicht? – Ich bin zu fein. lacht höhnisch. Ja, fein Du – wie Dein Hemd! Mein Hemd ist gut! Ich glaub', es ist von Hanf. Dein Uebermuth Wird bald die Schuh' ausziehn, und baarfuß gehn! Dein Keit – Was der? Fängt an, nach mir zu sehn. Was sich das Ding einbildet! Als ob noch An ihr etwas zu sehen wär! – Du Conterfei Von dürrem Schafsgerippe! Vogelscheu! empfindlich. Sag was Du willst, Vollmond! er liebt mich doch. Der lacht am besten, der zuletzt – gieb Acht, Wer von uns Beiden noch am letzten lacht! Du wirst am Ende noch vor Neid vergehn – Keit hat mich eingeladen. Mach nur Mienen! Es hilft Dir nichts. Bei Fausten wirst Du sehn, Auf welchem Fuß wir mit einander stehn! gedankenvoll. Er ist vernarrt in Trümmern und Ruinen – Das wußt' ich lange – Sollt' es möglich seyn! Zu Kätchen. Geh, Hexenhälfte, laß mich hier allein! Kätchen geht langsam ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. allein. Er hat sie eingeladen – und mich nicht! Ist's möglich? Läßt es sich von ferne glauben? Ihr Steckenleib – ihr halbes Angesicht – Hat mir sein Herz – im Dunkeln, denn bei Licht Wär's doch wohl ganz undenkbar – können rauben? Er? Er? mein Keit! der mir im Schooße lag So fromm, so sanft, so treu, so minnehold – (Ich glaubt', er läge so zum jüngsten Tag) – Ich weiß nicht länger, was ich denken soll. Sie weint. Wär's wenigstens die Barbara gewesen – Ich würde von dem Schmerz vielleicht genesen; Sie hat doch einen Busen, rund und voll, Und ziemlich Alles, wie man's haben soll; Doch diese Hopfenstange, dieser Besen – Was sag' ich, Besen – dieser Besenstiel! Ach, es empört zur Wuth mein ganzes Wesen – Das ist zuviel – zuviel! zuviel! zuviel! Sie lehnt sich an einen Baum. Ich will mich der Verzweiflung schnell ergeben, Noch weil ich an dem Rand des Zweifels stehe; Und, weil's noch Zeit ist, nehmen mir das Leben, Bevor ich meine Schmach mit diesen Augen sehe! Sie nimmt eine große Stecknadel aus ihrem Halstuche, und droht, sich damit den Busen zu durchbohren. von der Platane herab. Halt inne, Liebesopfer, unschuldvolles! Beginne nicht, Holdselige, was Tolles! Der Schein bei Euch dort unten öfters trügt – Wer weiß, ob nicht vielleicht das Kätchen lügt? läßt die Stecknadel fallen, und holt aus tiefer Brust einen lindernden Seufzer. Ich hörte laut die Stimme meines Engels. Verwechsle meine nicht mit Deines Bengels! eine neue Anwandlung bekommend. Ist Keit ein Bengel? Bengel oder nicht, Getröste Dich – da kömmt der Herr von Wicht! Der Herr von Wicht tritt auf. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Lucinde weinend. Von Wicht auf sie losrennend. Weinende Schönheit, laß Dich umfangen! Unschuld in Thränen! rührendes Bild! Laß mich ein wenig am Halse Dir hangen; Stille mein glühendes heißes Verlangen; Denn ich bin Jüngling, und fürchterlich wild. Er umarmt sie heftig. sich sträubend. Mein Herr, was unternehmen Sie? Nein! sieh mir doch! sie immer küssend. Ein ungebändigtes Genie – Das kennt kein Joch. Nein! sieh mir doch! was denken Sie? Noch immer? noch? Gediegne Lebenspoesie! Du folgst mir doch? Wohin? Zum Faust – Da wird geschmaust. oben im Baum. Hin! hin! Mein Herr, ich kenne Sie noch nicht – sie im Arme wegtragend. Wir werden dort Bekanntschaft machen – Sonst heiß' ich kurz: Baron von Wicht. Ich folg' – ich folg' – Vor sich. O weh uns Schwachen! Beide ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Der blinde Jude Mendel tritt auf mit einer alten Harfe, woran nur drei Saiten sind. Er tappt so lange herum, bis er den Baum in der Mitte findet, und setzt sich auf die Bank. in die Harfe greifend. Stille nur darrt, Ihr Freier, und Er, des Stedteverwisters Sprößele, lerm' Er nicht so mit seinem schnurrenden Brummtopf! Schweigt, Ihr schniffelnden Schweine, die darrt der kettliche Säuhirt Hertreibt! Bellet, Ihr Hind', und brillt, Ihr Stiere, so laut nicht! Denn es rauscht durch die Saiten nunmehr der Davidsharfe Meiner Bekeisterung Sturm. Lausch' auf Du, Penelopeia! Doch was hehr' ich, und seh' ich! o wai mir! Tohu! Vabohu! – Wettre hinein, o Du mit Deinen flammenden Rossen, Fäbos! – Die dritte Saite der Harfe springt. mit einer feinen Stimme die Penelope nachahmend. Halt! Du mühst Dich umsonst, mein armer Homeros! Niemand hört Dich. Die Freier sind fort. Telemachos schläft noch. Alle die Bänke sind leer. Kein erdaufwühlendes Schwein grunzt. Fern ist Eumeios; und fern all mein schwerwandelndes Hornvieh. Auch bellt jetzo kein Hund. Thut nichts! ich singe für Dich nur. als Penelopeia. Aber auch ich bin ferne sogar, und höre Dich jetzt nicht; Denn es befällt mein Auge, das müd', ein drückender Schlummer. Hans Wurst läßt einige Groschen in den Hut des Juden, der neben ihm auf der Bank liegt, herabfallen. Da hast Du Geld; jetzt trolle Dich fort! Nur hehre den Himnus Erst an Fäbos! Er ist mir zu lang. Wie kennen's noch wissen? Haben's ja noch nich gehehrt! Der Anfang war mir zu lang schon, Ach! und zu laut! Hast gänzlich das Ohr mir Armen zerschmettert! Daß, wenn auch hören ich wollt', ich doch unmöglich es könnte. Aber ich bin doch Homeros, der krehste der kriechischen Tichter – Lassen wir das gut seyn! Nimm Deine Groschen, und troll Dich; Oder ich schließe Dir gänzlich mein Haus. fühlt sich die Groschen aus dem Hut heraus. Na! freilich um diese War's mir zu thun vorziglich. Er steckt sie ein, nimmt die Harfe, und tappt davon. Adjes! – Am Ende was scheert's mich, Hehren sie mich, oder nicht – ich weiß recht kuth, daß ich taudt bin. Ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt. tritt auf. So hab' ich endlich Alles jetzt in gutem Gang Das Ganze heimlich lenkend; denn mir sind fürwahr So Flecht und Keit, wie Höch'ner und Bombast, und Till, Und Droll, und Pinsel, Poz und Pilz, und jener Jud', Einbein und Schrelling, und der aufgeblas'ne Wicht Nur Puppen, die an meinem unsichtbaren Draht Ich hin und her bewege, wie ich will. – Denn sie, Traun! sind unkundig, was sie thun und lassen hier; Mein Werk ist Alles; – meine Veranstaltung dies Geheimnißvolle Treiben, Todtengraben, und Zerstören jeglicher Gestalt bis auf des Schauspiels selbst. Nach meinem Zweck erschien die Höll', erscheint hinfort Die Ezelzeit; und selbst der jetz'ge Schmaus bei Faust Giebt sich durch mich. Wähnt er auch blind sich selbst, als Wirth, Amphitryon, ich bin der Zeus Amphi – – – Doch sieh! Da kömmt der Flecht – ich eil' ihm vor, zum Keller, schnell. Er springt weg. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Man hört eine Glocke sieben schlagen. tritt auf. 'S schlägt sieben! Bin ich doch begierig jetzt, Zu sehn, ob wirklich außer meinem Ich Ein andres waltet in der Dinge Schein. Die andern Schatten alle kenn' ich schon In ihrer Nichtigkeit, den Keit, den Klingel, Den Höch'ner, den Bombast, und was noch sonst So thut, als existirt' es. Nur den Faust Muß ich genauer untersuchen. Er wird Bombastus gewahr. Weh! Da kömmt das Haupt-Nichts! Wär' es was, ich bliebe; Doch so enteil' ich. Ab. 8. Auftritt Achter Auftritt. Wie ich Alle, dort, wenn erst Von Wein und Dampf sie recht geschwollen, aufgedunst Sich Gothen-Götter dünken, und zumal die drei Dreckseifenblasen: Klinglein, Flecht und Keit, bevor Sie sich's versehn, mit einem wunder-plötzlichen Allmächt'gen Puh zerblasen werd' in leere Luft! Wie freu' ich mich auf das Zerknallen Puff in Puff Der pol- und achselosen Kugel ihrer Hirn'! Und auf den Rauch vom großen Todtenkopfe Faust's, Des übermüth'gen! Ha! ha! ha! ha! ha! – Ab. 9. Auftritt Neunter Auftritt. tritt trompetend auf. Triumph! Triumph! Die große Stund' ist da, Halleluja! Worin sich offenbaren wird mein Alles! Weit durch die ruinirte Welt erschall' es: Anbetung, Preis, und Ehr' In Ewigkeit dem wundergroßen Till, Dem alles möglich, was er will, Und mehr – Mehr, sag' ich! denn was der, und der, und der Besonders will, vollbring' ich, und nicht Er. So bin ich's eigentlich, der Alles hier bethöret, Der alles Leben, und sogar den Tod zerstöret, Der einzig vorwärts in dem Rückzug geht, Und groß und hehr im eignen Falle steht. Als Eulenspiegel hab' ich mich verstellt, Bald werd' ich mich als Ezel zeigen. Des jüngsten Tags Trompeten werden schweigen, Wenn bald mein Horn erschallt, und ringsumher die Welt Fällt. Trompetend ab. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Schrelling und Einbein kommen mit großen Prügeln, statt Gerten, in den Händen. Sie fangen, trotz allen Winken des Hans Wurst an, auf die Büsten Homer's und Virgil's loszudreschen. Herunter mit den unromantischen Philistern! Herunter mit den alten classischen Magistern! homer's Büste herunterschlagend. Da! lieg' Du da, Pedant! virgil's Büste herunterschlagend. Da, lieg' im Koth, Kunst-Pickelhering! herabrufend. Teufelsschwerenoth! Was fangt Ihr an? verwundert. Ist's nicht im Plan? Noch nicht! Es ist zu früh! Packt Euch von dannen! Sonst ruf' ich Meister Faustus, Euch zu bannen. Hier ist ja nicht der Sammlungsort – Zum Auerbach'schen Keller packt Euch! Fort! Sie gehen brummend ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. steigt von der Platane herab, hebt Homer's und Virgil's Büsten auf, und stellt sie wieder auf ihre Gestelle. Noch eine Stunde daure wenigstens Hier Eur' Unsterblichkeit! Sich zum Tempel wendend. Ihr Musen alle, Bald ist's um Euch gethan! Im Keller, ach! Wird jetzt schon über Euch Gericht gehalten; Und noch vor Abend stürzt, Apoll, Dein Thron! Ach! retten kann ich Armer nicht; es treibt Auch, wider Willen, mich, den Einzelnen, Gewaltig fort der allgemeine Strom; Und einen Chorus muß ich hier noch bilden Von der gewöhnlichen Schriftstellerwelt, Die von der bloßen Lesewelt getragen Des Genius gestirnten Himmel trägt. Er schlägt mit einer Peitsche auf den Boden, und ruft hinab. Herauf, was lesen kann, und niemals schreibt! Es hebt sich allmälig auf der Mitte des Theaters eine breite gewölbte Masse, gleich einer ungeheuren Kröte, empor. – Hans Wurst ruft in die Runde: Hieher, was lesen, und was schreiben kann! Es stürzen aus allen Coulissen mehrere als Schriftsteller vom zweiten Range gekleidete Personen hervor, und betreten den gewölbten Boden. Hans Wurst rangirt sie, und flicht ihnen Arme und Beine so künstlich in einander, daß sie am Ende alle zusammen einen ungeheuren Elephanten bilden. – Nachdem er sie so zusammen und auf einander gestellt, ruft er in die Höhe: Herab, was schreiben kann, und niemals liest! – Es sinkt von oben ein großer Luftballon herunter, der, mit schwerem Geist gefüllt, sich auf den Rücken des Elephanten lagert. Ich schweige – Du schweigst – Er schweigt – Wir schweigen – Ihr schweiget – Sie schweigen. Weh mir stammelndem, nur im Leid Thätigem, lückebüßendem Literarischem Vapulo ! Weh mir unter den wortgebornen Unglückseligstem, ohne Kraft Strebendem, immer murrendem, Mitseynwollendem Taugenichts! Weh mir schriftlichem Elephanten! Zwar dickhäutig und knochenstark Schuf mich, eh er das Handwerk Recht gelernt, der Naturbildhauer – Hätte nur nicht er zugleich den Rüssel Mir gegeben, den Uebergang Zu dem feineren Geistesgliede, Das so hoch in die Luft sie tragen, Jene Drücker auf mich: die Nase! Lieber möcht' ich die Kröte seyn: Zahlendes, platzeinnehmendes, Ganz stillschweigendes Passivum , Jene Kröte, die selbst auch mich trägt. Der Elephant stürzt mit entsetzlichem Gepolter aus einander. – Aus dem Ballon, der durch den Stoß in zwei Hemisphären zerfällt, stürzen rechts und links zwei Chöre auf die Bühne, die sich einander gegenüberstellen. – mit geballten Fäusten. Schaut meinen dicken Nacken, breite Schultern hier! Fuß steif, geballt die Faust, steh' ich, ein steinern Gott, Einfach, und rauh, ursplitternackt, und groß, Das All in mir begrenzend. Plastik heiß' ich. – mit gefalteten Händen. Einem zerflatternden Blümelein gleich, auf welkendem Stäng'lein, Schweb' ich, die Händchen gefaltet, ein sterbendes Eng'lein; Luftend und duftend in's All mich unendlich verlierend, Und mit romantischer Binde mein Stirnelein zierend. Griechische Weise polirten mich, ach! Aristarchen Athenes Feilten mich, selbst im Homer, glatt und geründet und schön, Legten Sandalen mir an; und der Dichter römische Jungfrau Hüllte mir mehr als den Fuß, ach! und verpfuschte mich ganz. – Mir ging's erbärmlich auch in beiden Spanien; Erbärmlich gar zuletzt in den Germanien. Der Tasso zupfte schon mit bösem Fleiß Mir manche bunte Feder aus dem Steiß. Cervantes riß mir ab die wundervolle Binde – Milton und Klopstock selber ließen mir Von meinen hundert Flügeln kaum noch vier. Die Lümmel glaubten mit dem Mistbeetdüngen Mein mittelaltes Blühen zu verjüngen. Feuer vom Himmel geholt blies in die steinerne Nase, Weh mir! Göthe . Zum Glück kamen die Schüler nachher, Pauschten die Backen und bliesen, und pusteten, pauschten und spritzten, Bliesen von hinten und vorn, Heil mir! und bliesen es aus! Wär' ich doch sonst vielleicht organisch nach oben geflogen, Statt im krystallenen Schutt unten erstarrend zu ruhn. – Wie nah', o Jammer! war ich Aermste dem Verderben! Es fing schon Schiller an, mich an den Boden hier Zu fesseln, und der Welt mich einzuwurzeln schier! Er bracht' ein' Art von Wachsthum in mein Sterben: Ich grünte schon als Lebensbaum am Born – Da kam zum Glück ein Knab' mit einem Wunderhorn, Und sah am Boden irdisch mich genesen, Statt himmlisch in den Lüften zu verwesen; Zerhaute mir die Wurzel zart und fein, Und sprach: »Zerfliege wieder Schmetterlein! Viel süßer ist romantische Verwesung, Als plastische, gar classische, Genesung!« Seit diesem Rettungsruf ersterb' ich immerdar Im bloßen Aether ganz und gar. – O starrer, flüss'ger Segensfluch! Polarische Gemüthstendenz! Umarme Dich im lauten Widerspruch Der schweigenden Indifferenz! Sie umarmen einander, und versinken auf den sinkenden Elephantentrümmern, mit dem sinkenden Boden. 12. Auftritt Zwölfter Auftritt. Eine sanfte Musik läßt sich hören. Kyrie Eleison! Kyrie Eleison! Masse von Stimmen von Außen: Der Sonnennacht geheimnißvolle Myrie – Der Urim Pomp – Der Ewigkeit Memorie – Der Thronen Blüth' – Ist Alles nur Kikorie Statt Caffee gegen Deinen Glanz – O Kyrie ! ROMANTIKER Es loben die von Hessen – Die von Hyrie – Altdeutsch' – Und Althellenen – Deine Glorie ! Sie preiset jede Fabel – Und Historie . Ihr dienet Parze – Dewa – Und Valkyrie . O! strahle dunkler noch durch die Materie ! Karfunkle vom Altar des Sinnes Furie Mit Deines heil'gen Urgemüths Samarie ! Vor allen hüll' in seines Wurfs Mysterie Der Auserwählten klingende Centurie , Daß nicht umsonst sie singe Martyr- Arie ! Kyrie Eleison! Der Vorhang fällt . Zwischenspiel [2] Zwischenspiel. Es ist ein eignes, sonderbares Stück. Je weiter's vorrückt, um so weniger Begreif' ich's. Ja, je länger, desto toller. Ich selber werde nicht recht klug daraus; Denn es kömmt immer anders, als man denkt. Es hat darin gar viele Aehnlichkeit Mit dieser Zeit, worin wir leben. Jedoch erlaub' ich mir ganz unterthänigst, Gar Manches zu bemerken. Lassen Sie Uns ihre Meinung hören, Hofmarschall! Vorerst denn find' ich, daß es gar zu eigen, Zu sonderbar, und unbegreiflich sey. Wahrhaftig! Und zweitens find' ich, daß man gar nicht klug Daraus kann werden, weil stets etwas Andres Herauskömmt, als man denkt. So sagt' ich auch. Er hat ganz Recht, Hofmarschall! Nun! und drittens? verlegen. Und drittens? Drittens – ist es – ich weiß nicht, Es recht zu sagen – so – man könnt' es nennen – Mir wenigstens kömmt es so vor – ein wenig – Ich such' ein Wort dafür – Vielleicht – bizarr ? Bizarr – drückt meine Meinung, Ihro Hoheit! Vollkommen aus – nur viel vollkommener, Als ich es jemals hätte sagen können. Was kann, zum Beispiel, wohl bizarrer seyn, Als dieser Elephant aus in einander Geflochtenen Choristen. VON ELLENBOGEN. Einen solchen Sah ich wohl ehedem auf einer Tabatiere, In dem Palaisroyal. Auf einer Tabatiere, Da lass' ich's gelten; aber – im Theater! Ja, das ist freilich etwas ganz Verschiednes. Nicht wahr, mein Herr Baron! so ganz verschieden, Und in der Größe nun zumal. Dergleichen So kolossale Monstruositäten, Die revoltiren nicht en miniature . der bei dem Gepolter des Elephanten erwacht ist. Was ich noch immer gegen dieses Stück Am meisten einzuwenden, ist die Länge. Ich fürchte fast, es höre niemals auf. DAUPHIN. Mir scheint es immer erst noch anzufangen. Ich glaub' an dem Hans Wurst bemerkt zu haben, Daß ein Versehen ist begangen worden; Denn in der Probe war mehr Ordnung drin. Es ist ein Act noch übrig. Zwei! die besten Gesteh' Er's nur, Herr Oberhofinspector, Er hat die Finger mit darin gehabt? Nicht im Geringsten, Eure Hoheit. Nur Die Decorationen sind von mir. Die sind Ihm auch gelungen. Wollte gerne, Der Vorhang fiele nie. Mit solcher Freude Betracht' ich den Hans Wurst im Ahornbaum; Und jenen Pavillon dahinten werd' ich Im Stern von meinem Garten bauen lassen. Ich werde unterthänigst Eure Hoheit Mit einer Zeichnung gleich bedienen können. Auch die neun Dinger dort – die Musen mein' ich, Die auf den Säulen – machen sich nicht übel. Der Park gefällt mir überhaupt gar sehr, Viel Perspectiv' ist drin. Bin ganz beschämt! Nein, schäme Er sich nicht! 's ist keine Schande, Die schönen Wissenschaften und die Kunst Zu cultiviren, treibt man's nur zu weit nicht. Leise dem Tollhausinspector in's Ohr. Ich hab's Ihm ja gesagt, ich mache selber Mitunter einen Vers. Laut. Die Hölle aber Ist Ihm sehr wohlfeil doch zu stehn gekommen, Was Decorationen anbelangt, – ha! ha! Er lacht. Hans Wurst, der wollte sie durchaus nicht anders. Doch Eure Hoheit werden später noch Zu sehn bekommen – – Man hört einen starken Lärm auf der Bühne. Still! Der Vorhang geht auf. Da ist der Keller! 6. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Lichter brennen. Umher an den Wänden Weinfässer. Rings in Gruppen um kleine Tische zechen die Philosophen und Dichter. Baron von Wicht hat die Lucinde, Till die Barbara , und Keit das Kätchen auf dem Schooß. Einige taumeln schon hin und her. Die Fenster sind bereits zum Theil ausgeschlagen. singt. »Nun mach' ein Jeder so oft als ich Den Wein im Glase kapott; Am Ende findet er sich, wie mich, Den wahren einzigen Gott! Dann ist verschlungen der Wein – Und gleichsam ein Ich, der das Nicht-Ich verschlang, sitzt man trunken da, Halleluja! Das wahre Nicht-Ich ist Wein!« »Ja, gleichsam ein Ich, der das Richt-Ich verschlang sitzt man trunken da, Halleluja!« Pfui! ein behostes Lied! Weg, weg damit! Kann's Keiner besser? Keine Spuren Seh' ich von Euren Urnaturen! Armsel'ge Kerls! Ihr zecht ja nur Wie die bisherige Cultur! Entreißt dem Herrn von Wicht die Lucinde . Komm her, mein Kind! Und wenn's die Grethe säh'? Was Grethe? Laß die Grethe! durch ein ausgeschlagenes Kellerfenster. Bravo, Faust! zu Faust. Du bist der Wirth! bring was herbei Von genial'scher Schwelgerei! wirft ihm ein volles Glas Wein in's Gesicht. Da hast Du was! – Kein Wein mehr! Schnapps nur eingeschenkt! Brenz! Opium! Gloria! Alle springen auf, schenken sich ein, und taumeln mit gefüllten Gläsern unter einander. Sie sagen unsägliche Dinge, und thun allerhand unthunliche Thaten. betudelt. Der Geist kommt über uns! Es glühn die Zungen! illuminirt. O Fluth! begeistert. O Sündfluth der Begeisterungen! gedeckt. Ein hoher Wind aus allen Tiefen weht – halbsieben. Ich wundre mich, daß stets die Welt noch steht – fettig. Der ganze Keller rund mit mir sich dreht – selig. Mir gar der sechste Sinn beinah vergeht. die Lucinde loslassend. Das ist der Anfang nur von unserm Zechen. geliefert. Verzeiht! ich muß mich dennoch schon erbrechen. unter'm Tische. Du bist ein jämmerliches Halbgenie! zu Till, dem er die Barbara wegschnappt. Trompete Deine neue Melodie! Zu den Uebrigen. Die Gurgeln sind gestimmt – ich gurgle vor – Ihr Andern grunzet und hoyahnt im Chor! Er singt mit der Barbara auf dem Schooße: »Ein freches Leben führen wir, Ganz schweinisch genialisch: Der Zahmste flucht für Zweie hier, Und schwelgt für Drei, und säuft für Vier, Unmäßig kannibalisch.« »Unmäßig kannibalisch!« immer von der Trompete begleitet. »Und haben wir mit Erdensaft Die Herzen ausgebadet, So schwören wir, voll Teufelskraft, Selbst mit dem Schwarzen Brüderschaft, Der in der Hölle bratet!« »Der in der Hölle bratet!« »Dann geht's im vollen Saus und Braus Erst recht barbarisch munter – Die Stirne heiß, den Schädel kraus, Die Faust geballt, die Fuchtel h'raus, Frisch in die Höll' hinunter!« »Frisch in die Höll' hinunter!« Mephistopheles öffnet die Thür, und guckt in die Versammlung hinein. der ihn gewahr wird. Nur herein! Du kömmst uns wie gerufen! Was? Ein Pferd'fuß? Wer ist der Hörnerträger dort? Was Teufel! Kennt Ihr ihn nicht? zu Till, der noch immer trompetet. Kennst Du ihn nicht? mit gelähmter Zunge. Zum Henker! Wie sollt' ich alle Grafen kennen, denen Ich Hörner aufgesetzt. Du Prahlhans! Faust! Wer ist der Lümmel dort? Der Meistersänger! Zum Teufel. Setz' Dich in unsre Mitte! mach' den Herren Durch Deine Stimme Dich bekannt! Er wird uns schwerlich übertrumpfen, Faust! Wer weiß? Zum Teufel. Du hast gehört die letzte Strophe – Setz' eine noch hinzu! Wir wollen sie Vorher noch wiederholen; denn ich weiß, Hab' ich sie nicht gemacht, ich könnt' sie machen. »Dann geht's im vollen Saus und Braus Erst recht barbarisch munter – Die Stirne heiß, den Schädel kraus, Die Faust geballt, die Fuchtel h'raus – Frisch in die Höll' hinunter.« »Frisch in die Höll' hinunter!« während der Wiederholung des Chors. Mich übertrumpfen wird ihm halten schwer – Gebt ihm doch einen kleinen Schluck vorher! nimmt ein volles Faß an der Wand, hebt es auf, setzt es an den Mund, und leert's in einem Zug. während die Anderen große Augen machen. Bei'm Dichterborn, deß Quell ich einmal austrank, Das war ein Schluck! Halt's Maul Du! Gut gesoffen! »Frisch in die Höll' hinunter!« mit so entsetzlichem Gebrüll, daß alle noch übrigen Fensterscheiben springen, und keine Flasche mehr ganz bleibt. »Dann kollern wir, trotz Sünd' und Mord, Von da zur Himmelsschwelle, Und packen wild die Engel dort, Und schleppen lustig sie mit fort Zum Walzer in der Hölle.« mit wüthendem Enthusiasmus. »Zum Walzer in der Hölle!« läßt die Barbara fahren – sie und die übrigen Mädchen laufen davon – und ergreift seine Knallpeitsche. Genug geengelt! Jetzt gebengelt! Er knallt allen Besoffenen um die Ohren. Folge, Wer ächt begeistert, mir! außer Keit, der in tiefen Gedanken verloren dasteht. Wir folgen Alle! Faust und Mephistopheles gehen hinaus; alle die Anderen raffen ihre rings im Keller zerstreuten Knotenstöcke und übrigen Waffen zusammen, und stürzen ihm nach. Keit bleibt auf der verlassenen Bühne zurück. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Der blinde Jude Mendel sitzt neben seiner Harfe in einer Ecke eingeschlafen. Zerschlagene Flaschen und Gläser, zerbrochene Stühle und umgestürzte Tische liegen am Boden. Welch feierlich Verstummen! Welch ein Kirchhof Voll Geisterhüllen um mich her! Die Weinfässer anblickend. Ihr Särge Schon auferstand'ner Trauben, seyd mir Zeugen, Daß ich alleine, treu dem Tode lebend, Umringt von blut'gen Leichen, unter Gräbern, Hier in des stillen Auerhofs Ruinen Verwese! – Halber Mond! wie minnehold Dein blasses Wunderhorn auf meine Leyer Durch jenes ausgeschlag'ne Fenster blickt! – Mir wird unendlich ruinirt zu Muthe – O! Kätchen! grausam holdes, von der Minne Zerstörtes Himmelskind! mondgleiche, halbe, Verblühte Maid! o hast Du mich verlassen? Bin ich Dir noch zu ganz? Er bleibt schwebend vor einem Spiegel stehen. Wie minneblaß, Wie wadenlos! ein halb Gerippe schon In meinem jugendlichen Mittelalter! O! wär' ich ganz ein Trumm! Was hindert mich? Ich will es seyn! Laß jene draußen toben, Gleich Enten, wenn es wetterleuchtet, laut Die Oberwelt zerstörend – ich indessen Zertrümmre stille hier die Unterwelt! Sey Hippe mir, verwesungschwangre Leyer! Er nimmt den Stiefelknecht, taumelt herum und zerschlägt damit alle auf den Tischen übrig gebliebenen Flaschen und Gläser. – Drauf zerbricht er im heiligen Eifer alle Tische und Stühle, und kömmt endlich vor den Spiegel wieder, dem er mit der Leyer einen tüchtigen Hieb versetzt, so daß er in drei Stücke zerspringt. So! – Doch indem ich, Alles um mich her Romantische Ruin', mich selbst genau In dem zerschlagnen Spiegel ernst betrachte, Find' ich mich zu modern, zu rund, zu ganz, Die Nase zu correct, zu regelmäßig Die Zähn' im Mund, und meine Zwiegliedmaßen Am Leibe zu symmetrisch. Pfui! zum Teufel! Ich seh' am Ende classisch aus! O Kätchen! Mich wundert nicht, daß Du dem blinden Juden Mich treulos opferst! Doch ich werde balde Dein und der andern Trümmer würdig seyn. Er schlägt sich mit dem Stiefelknecht einige Zähne ein. So! – Jetzt hat schon der fromme blut'ge Goldmund Mehr Aehnlichkeit mit Goslar als mit Mannheim! Mit Cöln als mit Vicenza! Weiter nur! Er schlägt sich keck das rechte Auge ein. Das machte mich die Sterne sehen! Thut nichts! Jetzt noch ein guter Nasenstüber! Er versetzt sich einen gewaltigen Hieb quer über die Nase, wodurch diese eine ganz andere Figur bekömmt. Trefflich! Gerade wie ich's wünschte, wie der Schnauz Des Meister Jacobs! Göttlich gothisch! – – 3. Auftritt Dritter Auftritt. Keit vor dem Spiegel, im Begriff, sich selbst ganz zu zerstören. Pinsel springt herein mit einem Säbel in der Hand. Keit! Keit! wo bleibst Du? Während wir da draußen rasch Die ganze Welt vernichten. Herrlich, herrlich geht's! – Doch wie? was Teufel machst Du hier noch? siehst ja aus Wie 'n alter Galgen, wovon eine Hälfte schon Herabgefallen ist! Das gebe Gott! – Noch nicht! Doch balde hoff' ich – Aber sag', was machst Du hier? Ich ruinire mich ein wenig selbst allein. Wie so? – Bist nicht schon längst hinlänglich ruinirt? KEIT Ich meine die Gestalt nur noch. O, leihe mir Für einen Augenblick Dein scharfes Schwert! Wozu? Nur um den rechten Arm mir abzuhauen schnell. Bist Du rein rasend toll? beide Arme in die Seiten stemmend. Bist Du ein Holbein? sprich! Das bin ich, wenn es Einer war! ich könnte wohl Des Holbein's Vaters Vaters Vater seyn, zumal In Zeichnung! Und begreifest nicht, wie besser baß Mir stehen würd', einarmig unter Trümmern, schief Einherzustolpern, wie ein Kreuzwegzeigerstrunk, Als doppelarmig, gleich dem ersten besten Stadt- Philister-Urnentopf umherzustehn, geformt? O! das begreif' ich gut! Allein – die Leyer Freund! Die Leyer spiel' ich immer links nur, wie zuvor! Wenn nur ein Arm und eine Hand Dir übrig? Wie? Die Hand mir lassend, Theurer! hau nur ab den Arm! Es wird mir nie gelingen, fürcht' ich, solcher Hieb! Nie siegt, wer nie gewaget! Fürchte nicht! versuch's! Du willst's! Dir sey gewillfahrt, edler Knecht! ich hau' – O, zögre nicht! ich steh' auf Gluth voll Ungeduld! Dich meiner Seele Hälfte, Dich noch theilen! weh! Den Geist multiplicirt, was dividirt den Leib! Dir ziemt die Eil', doch mir die Weil' bei solcher That! Der Hülfe Heil verdoppelt, traun! der Wohlthat Eil'! Den Freund halbiren steht ein wenig an der Freund! Die Seele flickt was irdisch nur den Leib zerreißt. Wohlan! Der Himmel weiß, ich thu's nur Dir zu Lieb'! Den Liebesdienst wird danken Dir mein ganz Geschlecht! Wohlan! – es muß denn seyn! grausames Lamm! Doch – noch bevor ich haue – fällt mir ein – Die Hand wird nimmermehr zu retten seyn – Die Rechte nämlich! Mir ist eben recht Die Linke – wenn ich die behalte schlecht, Zum Leyern auf dem Gottesstiefelknechte, Vergeh' die Recht' und alles andre Rechte Mir de- und wehmuthsvollem Troubadour In Gottes Namen bis zur letzten Spur! Doch – noch zum letzten Mal, bevor der Säbel Zum Pfriemen umgestaltet Deine Gabel, Erbärmlich wunderholde Creatur! Erlaube der Bedenklichkeit Verstärkung Bei diesem Hieb die nüchterne Bemerkung: Wenn abgehaun wird seyn die rechte Hand, Wirst länger nicht die Leyer können halten; Und also nicht zu spielen seyn im Stand! Laß also's lieber bleiben bei dem Alten! Auch widert mir, die Wahrheit zu gestehn, Dein Blut in Strömen fließen sehn! Thu's lieber selbst! da geb' ich Dir mein Schwert! Dein Spiel, mein theurer Keit, ist mir zu werth! will zuhauen. Die Freundschaft macht Dich Pinsel ganz zum Tropf. Sieh wenigstens doch zu! Hau lieber ab den Kopf, Den brauchst Du wenigstens zum Leyern nicht. Dein Beifall, o holbeinigster der Pinsel, Mein Freitag auf der wüsten Todesinsel, Ist mir von gar zu großem Urgewicht. Ich überlasse Dir, zu wählen, Was mir am Leibe jetzt soll fehlen. Nur möcht' ich eben jetzt, da mir geglückt, Ihn ganz und gar zu ruiniren, Den Kopf gerade nicht verlieren. Er ist mir lieb geworden. Hau Dir sonst Was Andres ab; nur nicht den Leyerträger! Was meinst Du? Du hast gothischen Geschmack! Betrachte mich! Urtheile, was mir noch Zum Zerrbild fehlt – Was hab' ich noch zu viel Von regelmäßiger Gestalt? – Entscheide keck! betrachtet ihn mit einem Augenglase sehr aufmerksam. Bei Holbein's Todtentanz! ich finde Dich Zum Malen wie Du bist! Erlaube mir, Mit einem einz'gen leichten Säbelhieb Dir nur ein Ohr glatt wegzunehmen! die Haare mit der linken Hand wegschiebend. Zu! Hau zu! Doch unter der Bedingung nur, Daß, so zerstört, Du gleich zur Weltzerstörung Mir folgst, wo sehnlich alle Deiner harren! entschlossen. Mit Freuden! Hau nur zu! haut ihm mit einem schnellen Hieb das linke Ohr glatt ab. Da liegt es schon! schwankt hin, und hebt es vom Boden auf. Ich bring' es Käthen! Heil'ger Malchus! jetzt Sieht nichts in der gesammten Trümmerwelt Romant'scher aus als Du! Du wirst noch Papst Der neuen Heil'gen werden! Nimm die Leyer, Und folge mir zu der Zerstörung Feier! Keit nimmt die Leyer. Beide ab. Die Scene wird geändert . 4. Auftritt Vierter Auftritt. Der Park . Die ganze Schar der Zecher strömt aus dem Hintergrunde hervor, lärmend und tobend. Einige sind mit Knotenstöcken, Andre mit Holzäxten, Andre mit Hämmern, und Mehrere mit bloßen Händen bewaffnet. an der Spitze, mit der Peitsche knallend. Den Platanus herunter! indem sie ihn umhauen. Bei'm Hörnerschalle, Bei'm Peitschenknalle, Philister, falle! Der Platanus fällt. Jeder fälle Jetzt eine Pappel! 'S sind moderne Bäume! Die Gruppe zerstreut sich, die Pappeln umzuhauen. Faust und Mephistopheles spazieren unterdessen auf und ab. – Eine Pappel fällt nach der anderen. Bei'm Peitschenknalle, Bei'm Hörnerschalle, Philister, falle! Die Büsten jetzt herunter! indem sie die Büsten herunterschlagen und zertrümmern. Bei'm Hörnerschalle, Bei'm Peitschenknalle, Philister, falle! fürchterlich knallend. Jetzt den Tempel Gestürmt! Mir nach! Du, Mephistophel, mache Hier Feuer unterdessen! Alle folgen Faust, der den Apollon in der Mitte des Tempels herabwirft. Die Uebrigen fallen die Musen an, und hämmern auf die Säulen los. – Mephistopheles zündet zu gleicher Zeit ein großes Feuer an der Stelle des gefällten Platanus an. – Die Todtengräber kommen von verschiedenen Seiten her mit Schubkarren voll Bücher. bei'm Niederreißen. Falle, Musentempel! diene Der Romantik als Ruine! Die zwölf Knaben mit Posthörnern umringen die Tempelstürmer, und blasen. Till stellt sich in ihre Mitte, und trompetet. – Die Kuppel des Apollotempels stürzt ein. Jericho Fiel auch so! kömmt, von Einigen gefolgt, vorwärts, und läßt die Todtengräber abladen. Mephistophel! mitten aus dem Feuer springend. Hier! Bist in Deinem Element! Lauf hin, Und hole mir die Barbara! Sey schnell! Mephistopheles verschwindet. Indessen halt' ich hier Gericht. – Jetzt merk' ich, Was Du mit unsern Classikern gewollt. – In's Feuer mit dem ganzen Plunder! Schürt! Er nimmt ein Buch nach dem andern, und wirft's in's Feuer. Die Anderen folgen alle jauchzend seinem Beispiele. – Die Todtengräber schüren. – 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Keit , von Pinsel geführt, tritt auf, ohne von den Andern gesehen zu werden. Was hab' ich Dir gesagt? den zerstörten Park anstaunend. O Dante's Hölle! Vielsüßer Anblick meinem wunden Auge! Waldhörnerschall vernimmt mein blutend Ohr! Träum' oder wach' ich? Sind's nicht Todtengräber, Die schüren dort? Steig' auf dies Piedestal, So wirst Du mehr noch sehen! Er hilft ihm hinauf. O! wilder Forst! O Kohlenbrennergegend! O Ruin, Mir selber gleich! Jetzt werd' ich erst voll Wunden In dieser wundervollen Welt gesunden! Arorua! Aurora! Rora! Ora! – Ich muß Dich zeichnen so! Beim Brockentanz! Ein Ideal von gothischem Popanz! Er zeichnet ihn. – Unterdessen drängen sich Einige hinzu, und bewundern mit Erstaunen den einäugigen, einohrigen, nasezerquetschten Heiligen. Sanct Donquixott! Sanct Lazarus! Sanct Malchus! 6. Auftritt Sechster Auftritt. Barbara mit einem Zicklein auf dem Arm, von Mephistopheles geführt, tritt auf. – Faust nimmt sie feierlich bei der Hand, und führt sie durch die Mitte der Andern, quer über das Feuer, zum ruinirten Tempel im Hintergrunde. – Klingel führt den heruntersteigenden Keit nach. – Alle Uebrigen folgen Paar und Paar, und verschwinden hinter den Flammen im Rauch. – Mephistopheles bleibt allein zurück im Vorgrund und ordnet die gefällten Bäume als Sitze zu beiden Seiten. – Während er damit beschäftigt ist, kömmt auf Krücken die Mutter Satans . – Es wird der Einbildungskraft der Zuschauer ganz überlassen, sich die Scheußlichkeit der uralten Hexe vorzustellen; denn der gewaltige Rauch vom Bücherbrande verhindert ihre deutliche Sichtbarkeit. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Die Teufelsmutter und Mephistopheles . Wo ist Dein Herr, mein Goldfisch Faust, Mephisto? erstaunt, macht einen Kratzfuß. Um aller Sünde! Madam Mutter, Sie Zu Fuß? allein? in diesem kalten Wetter? Wo ist Dein Herr, mein goldner Vogel, Faust? Wenn Seine Majestät, der Sohn, 's erführe! Wie sind Eu'r Gnaden losgefesselt worden Vom Krötenpfuhl des alten Höllenlehnstuhls? trippelnd mit allen Füßen. Wo ist Dein Herr, mein süßes Hündchen, Faust? Antworte! mir begegnet sonst ein Uebles. Der Faust hat jetzt gar dringende Geschäfte. Bei wem? Bei wem? – Bei Grethe nicht – ich komme Von ihr – grad' aus dem Beinhaus. Führe mich Zu ihm, damit ich ihr mit diesen Krallen Die queren Katzenäugelein ausreiße! Das geht nicht, Euer Gnaden! Aber seyn Sie Nur unbesorgt! Mein Herr hat ganz was Andres Zu thun in diesem Augenblick. Man hört von dem Hintergrunde laut durch den Rauch herschallen: »So kollern wir von Ort zu Ort Bis an des Himmels Schwelle; Und fassen all' die Engel dort, Und schleppen lustig sie mit fort, Zum Walzer in der Hölle.« horchend. Was ist's? Wird dort gewalzt? Dann muß ich Gleich hin! verlegen. Nichts weniger, Frau Mutter! Nichts! 'S ist nichts! sind nur besoffene Studenten, Mein Herr ist unter ihnen nicht – ist weit Von da – macht ganz was Andres jetzt – Was macht er? Was macht er denn? Er greift mit starker Faust In's große Rad der Zeit. – Bald wird sich anders Umdrehn die Welt! Der Teufelsjunge baut 'Ne neue Kirche! erstaunt. Kirche? Seine nämlich. Drin werden Nacht und Tag Wachskerzen brennen Auf dem Altar für mich? nicht wahr? Natürlich! Obgleich sie eigentlich dem Mittelalter Geweiht wird. Ich bin mittelalt. Herr Satan, Hochdero Sohn und Eh'gemahl, ist doch So alt schon wie die Welt, wenn ich nicht irre. Thut nichts! Bin mittelalt geboren, und Will sterben mittelalt. Mein Leben ist Ein wonnefauler Mittelalter-Tod, Voll junge Geier reizender Verwesung – Wie der Goldjunge sagte. – Doch was schwatz' ich? Wann wird die Kirche gar? Um Mitternacht; Dann, gnäd'ge Frau Mama! Er bietet ihr den Arm. Darf ich so frei seyn? giebt ihm eine Krücke und ihren Arm. Die Zeit wird lang mir werden, bis dahin. O! sorge, daß Dein Herr sich nicht verläuft Bei Bärbchens in der Barbarei! Was ich Vermag zu Haus', und in der Küch' – sie abführend. Ich werd' ihn stets Wie 'n ächter treuer Höllenhund bewachen. 8. Auftritt Achter Auftritt. Man hört im Hintergrunde großen Lärm und besonders die Peitsche Faust's fürchterlich knallen. – Flecht und Klingel kommen durch den Rauch auf die vordere Bühne. zu Klingel. Er wird ganz unerträglich; knallt er nicht, Uns um die Ohren, als wenn er allein Regiert' in der unendlichen Zerstörung, Die doch im Anfang ich – Und ich am Ende – Gedacht, gesetzt – Gedichtet, und gewirkt – In mir, zu mir? Aus mir, für mich? Abscheulich! Ich trenne mich. Ich auch! Du bist die Schuld! Wie so? Der Keit, der Narr, der Esel, hat Durch seine grenzenlose Wehmuth, Demuth, Und Dummuth 's Spiel verdorben. Schimpfen hilft Jetzt nichts! Faust gegen Faust ist auch umsonst. Er ist der stärkste! Nur durch schlaue List Kann noch was ausgerichtet werden. Söhne Mit Höch'ner und Bombast Dich aus – ich will Dem Till und Pinsel freundlich thun. Mein Rath Ist jetzt, die große Sitzung zu benutzen, Indem wir all' uns stellen, als wenn einig Wir wären, jede Feindschaft tief verbergend. Bis jetzt ist ohnehin ja nichts geschehn, Was nicht uns selbst erwünscht. Bis auf die Macht, Die Allmacht möcht' ich sagen, jenes Ich's Der Peitsche. Doch wir haben einen Vortheil: Sie alle sind berauscht, und wir allein Sind nüchtern. Faust berauscht? Ist er's nicht, Wird er's bald werden von dem ew'gen Weihrauch Des Keit, des Poz, des Pinsel und des Wicht – Und stolpert er einmal – Ich fürcht', er wird Am Ende Papst. Wenn auch! So wird man Kaiser Und spricht mit ihm am Ezelhof! Getrost! Sanct Keit, den Martyr, werd' ich schon für uns Durch Jakob Pilz umstimmen. Kehren wir Zurück zur Procession! Er sieht die von Mephistopheles geordneten Bäume auf dem Boden. Hier, glaub' ich, sind uns Die Sitze schon bereitet. mit ihm gehend. Nolens volens! Beide ab. 9. Auftritt Neunter Auftritt. kömmt zurück mit der Hörnermaske in der einen, und dem Pferdefuß in der andern Hand. Ist in der Welt ein armer Teufel, Welcher beständig herumgejagt, Aerger wird als in der Hölle geplagt: Bin ich's dermalen sonder Zweifel. Nicht genug, daß ich Directeur, Chorvorsteher, und Regisseur, Echo zugleich bin und Souffleur, Muß ich noch, außer dem Narrn der Tollen, Spielen verschiedene andere Rollen, Als die Romanz' in Mädchentracht, Neulich allein einen ganzen Act. Bald mit Sanftmuth und bald mit Grimme Penelopeia's und Satans Stimme, Dann Mephistopheles, und jetzo gar Aller Versammelten Secretar. Aber ich höre sie schon von Weitem – Muß in der Eile den Tisch bereiten. Er drückt eine Springfeder an dem Pferdefuß, der sich wie ein Regenschirm aufschlägt, und bohrt ihn auf der Mitte des Theaters in den Boden ein, bis er fest steht. Dint' und Feder auch hab' ich hier – Er stellt die Maske umgekehrt auf den Tisch, und zieht aus dem einen Horn eine Feder heraus, und tunkt ein in das andre. Mir fehlt anjetzo nur noch Papier – Er sucht in seinen Taschen umsonst, erblickt aber etwas Weißes am Boden in den Coulissen. Hier liegen zum Glück die papiernen Ohren, Die einige der Choristen verloren. Er hebt sie auf, wickelt sie aus, und legt sie auf den Tisch. Jetzt komme der Rath sobald er will! Trompetenstöße. Er kömmt! ich höre trompeten Till. 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Das Feuer auf der Mitte der Bühne ist verschwunden. – Man erblickt im Hintergrunde an der Stelle des ruinirten Apollotempels etwas, das einer Capelle ähnlich sieht. – Aus dieser kommen nach einander heraus: Till an der Spitze, trompetend; Paar und Paar: Flecht und Klingel, Bombastus und Höchener, Keit und Droll, Pinsel und Poz, Schrelling und Einbein , alle die Todtengräber und Hörnerknaben , hinter Allen Faust mit der Peitsche. Nachdem sie in feierlicher Procession sich der Mitte genähert, theilen sie sich in zwei Reihen und lagern sich auf die gefällten Bäume im Halbkreis um den kleinen Tisch. Die Trompete schweigt. Hans Wurst , nachdem er alle feierlich gegrüßt, nimmt auf Faustens Wink einen halbverbrannten Folianten aus der Asche, stellt ihn vor den Tisch, und setzt sich. Der neuen Tafelrunde Sitzung ist nunmehr Eröffnet. Fangen wir sogleich die Schöpfung an – Verfassung – Grundgesetz – Constitution! Wohlan, Die Namen erst! – Wie werden wir uns nennen? wie Die Nachwelt? Einen Namen müssen wir gesammt Erst haben. Das ist wahr! daran gebricht's uns noch Ein wenig; denn nur ich – Halt's Maul! gerade Du Hast noch gar keinen. Doch die Red' ist davon nicht – Ist nicht von Einzelnen – Von Allen! – Warte doch! Was sind wir Alle, die wir so verschieden hier An kolossaler Größe? Genialisch sind Wir Alle sicher. Zweifl', ob Du es bist – Ich auch. Was sind wir unbezweifelt Jedem Alle? halblaut. Jung! Hans Wurst hat Recht. Hat Jemand was dagegen? Sprecht! Alle schweigen. » Die Jungen « also. Klingt zu jung! Vergessen wir Ja nicht, daß jung wir doch das Alte lieben sehr, Das Mittelalte – Hm! wie heißen sie doch gleich Im heil'gen alten Lied, die jungen Recken, die Nieb-Nisseljungen, wenn sie, bartlos noch, wie wir In frischer Frühlingsschöne blühn? » Die Dummen «, wenn Ich richtig mich besinne. Recht! Die Dummen ! Schön! Viel waidlich schön! Der Nam' ist grimmig wunderschön! Barbarisch lieblich, altneu, recht für uns gemacht, Und wir für ihn! Wir sind noch alle herzlich dumm, Ich selbst der Allerdummst'; und bin ich's nicht, So kann ich's werden; denn ich gehe rückwärts In Raum und Zeit wie Keiner – Still'! ich glaub', Du kömmst Aus dem Trimeter, Keit, ein wenig! Eben drum! Er ist uralt, und ich bin mittelaltrig dumm. Die Dummen also – Schreib', Hans Wurst! Die Dummen : Colon. Nun unsre Titel? Recken! Ritter! das versteht sich. Wovon? Vom neuen Alten! von der künftigen Vergangenheit , – Von der vergangnen Zukunft ! Die Idee ist groß! muß aber bildlich, muß Ganz plastisch dargestellt – Versteht sich! Ritter vom – Vergangnen – Zukunft – von dem vordern Hintern ! Vom Vordersteiß ist kräftiger; und auch Anschaulicher! Vollkommen! Ritter von dem Vorder- Steiß ! Schreib',Hans Wurst! – Steiß. Punktum. Hindert nicht, Daß jeder ein besunder Recken sunst auch – ich Vom Stiefelknecht, zum Beispiel? Das versteht sich! Die Tracht nun, und das Ordensband? Die Kappe, bunt, Mit Schellen und mit Glöckelchen, mit beiden zwar Für die, so reimen; und für die, so aber nicht, Mit Schellen nur allein; das Ordensband darüber Ein umgekehrter Hosenträger, silberweiß, Mit einer goldnen Schnalle vorne dran – Das Erst' Ein bildlich Zeichen der vergangnen Unschuld, und Das Zweit' ein zeichnend Bild von unsrer künft'gen Schuld. Was Schuld? Schuld? – Schuld ist Recht , ist Grund, ist Ursach! – So? – Dann gut! Vor allern aus den Hut, den Freiherrnhut – Als Freiherrn! allerdings – Freiherrn von Ich! Ob rund, Ob eckig? Eckig! Feder dran, die bis hinan Gen Himmel aufemporstrotzt! Und die Schuhe Mit langen krummen Messingschnäbeln, auch Metallnen Glocken dran, damit man unsre Füße, trotz Den Reimen, und den Assonanzen, schon von weitem schreiten hören könne stark! Stark ! Punktum. – Jetzt benamt, betitelt All' und Decorirt herschreitet die hochpreisliche Versammlung Der Dummen, Ritter von dem Vordersteiß, Freiherrn von Ich, zur Constitution Entwerfend die Gesetze – Man verzeihe Die Jamben mir! Die Uhr ist schon halb zwölf! Ist schon halb Mitternacht am hellen Mittag! Laß gehn in Jamben; aber von Gesetzen Mir rede nicht! Auch mir nicht! Mir auch gar nicht! Nichts von Gesetzen! keine! Haben sie Die Schöpfung doch vom Anfang schon im Keim Verdorben! Nur zu wahr! Höchstpreisliche! Verzeiht mir, dumme Ritter! Recken sage! Noch lieber Räkel ! Dumme Räkel ! die Vernunft – naserümpfend. Vernunft? Ich meine nicht die dünne, Die wäss'rige – die dicke feurige Vernunft. Giebt's eine solche? Allerdings Giebt's eine dicke feurige Vernunft, Die ha' ich grade selbst – Ich nicht – Ich auch nicht – Weg überhaupt mit jeder Art Vernunft! Doch, trefflich dumme Räkel! die Natur – O! vollends weg mit der Natur! Weg! weg Mit der Natur! Natur ist wohlverstanden – Natur! – Im Grund ein classischer Philister, Der erste Schöpfungs-Aristoteles, Wie das bisherige System der Sonnen Und Sonnensphären, die zum Ekel hell, Zum Ekel rund, zum Ekel ordentlich, Plan-, zweck- und ebenmäßig, alle fast Kunstwerke , möcht' ich sagen, sind, beweiset. Die Sonn' und die Planeten haben viel Von der bornirten Gräcität; der Mond Und die Cometen, deren Hörner zwar Und Schwänze sonst nicht übel, sind modern. Anfang, und Mitt' und Ende, jene drei Pedanteinheiten, find' ich überall In der Natur; 's giebt überhaupt blutwenig Romantisches im ganzen Weltgebäude So wie es ist. – Wenn auch ich selbst Gebrauch Von Sternen so mitunter mache, sind's Nicht jene, sondern andre, die ich selbst Gemacht, und die kein Mensch am Himmel sieht. Ich glaubte von den Nebelsternen lange Was Gutes, bis uns Herschel gab Bericht, Es sey nichts Neblichtes daran, so wenig Als an den übrigen; und seit ich weiß, Daß die Milchstraße selbst, an der ich mich Als Kind so oft gelabt, so trocken wie Die Friedrichsstraße sey, geb' ich dafür Auch keinen Heller. – In der Schöpfung herrscht Mir eine unerträgliche Correctheit, Die bei'm Urheber eben kein Genie Verräth. Auch wird das Universum nie für mich Ein Interesse haben, bis es einst damit Wie mit den andern classischen Gebäuden Der Alten geht. Da hat er Recht, sogar Nach meiner Ansicht, aus dem malerischen Gesichtspunkt, angeschaut – es muß zur Hälft' Einfall'n, und Moos drauf wachsen. Jetzo geht Zur Noth die Erde noch, besonders hier In Thüringen; der Himmel aber ist Ganz unter aller dicht'rischen Kritik, Viel zu gehoben, ohne scharfen Umriß, Zu rund, und gar zu hell, zumal am Tage. Durch diese runde Hell', und helle Ründung, Geht all' Erhabenheit zum Teufel ganz – Der Münsterthurm zu Strasburg ist viel höher In meinen Augen. In den meinen auch. Der Münsterthurm, das glaub' ich; was geht über Dies Hohelied von Stein, – dies schroffe, kühne, Durchaus krystallisirte Heldenbuch, worin Der unterird'schen Tiefen Andacht, Die hoch gen Himmel ihre Flammenzunge Hinaufstreckt, fest versteinert steht! – Jean Paul hat völlig Recht, wenn er die Welt Und Gott Antiken nennt; nur füg' ich bei: Die leider unverstümmelt , durch die Zeit Noch wenig oder nichts gelitten. Bravo! Weg mit Gesetzen der Natur, wie mit Gesetzen der Vernunft! Sie spielen unter Decke, Das glaub' ich selber, mit einander – Ja! Und gegen uns ! Was aber an der Stelle? Ur-Sätze! Sätz'! Aufsätze! Gegensätze! Vorsätz' und auch – macht einen Bockssprung. Ansätze! Traditionen, Zumal in altherkömmlichen Gebräuchen. Herkömmlichen Gebräuchen: Colon. Welche? Vor allem aus, was für Religion? Gar keine! Glauben! ächten Köhlerglauben An wen? An uns – an Wunder – Jakob Böhm – An alle Heiligen, und alle Teufel. – -Le Teufel. Punktum. Welche Wissenschaften? Gar keine! Wissenschaften nicht; nur Wissen- schaftslehren! Und Legenden, und Mysterien. Polemik und poetische Kritiken, – Und Eisenfeil' und Charakteristiken, – Und die Chemie, die Alcchymie, soll heißen: Darin liegt Alles! zu Hans Wurst. Schreib' es! – Alles. Punktum. Und unsre Künste? Keine Künste! nämlich Was man bishero so genannt! – Tendenzen, Kolossischgenialische Tendenzen, Durchbrüche der Tendenzen, wo sie seyn – Im Wort! Im Klang! In Farb' – Im Ton. Im Stein! Im Fleisch und Blut, zumal wenn die Begier Uns greift erzeugend göttlich, wie das Thier! Das ist der Form Geheimniß, Kunst der Kunst! Und der Natur Natur, sonst Alles Dunst. Im freud'gen Thier und in der Wollust Ringen Schaut an die Urkraft, sonst wird nichts gelingen. Nun die Regierungsform? Was? – Reine Freiheit Und Gleichheit! Das versteht sich! Doch, die Macht Vollkommenheit, die Souveränetät? In der Einheit des Ich's. In der Gesammtheit, In Allen! Recht! In Allen. – Allen: Colon. Wie ausgeübt? außer Flecht und Klingel. Durch Alle. Nein, durch Drei! Das geht nicht! wir sind Alle gleich und frei! Ganz recht! – Wir üben Alle gleich die Macht Und Freiheit aus? Durch Wahl. Durch freie Wahl! »Von Allen ausgeübt durch freie Wahl.« Ganz gut. Doch damit in der Allheit Einheit, Und in der Freiheit Macht und Größe sey, So wählen Alle frei aus Allen Einen, Der die gesammte Kraft repräsentirt. Dann sind in Einem Alle frei und gleich. murrend. Nun zeigt sich's deutlich, wo der Kerl hinauswill! – aufgebracht. Ihr Esel! – Seyd Ihr denn nicht frei, zu wählen? Wählt wen Ihr wollt! – Doch wenn Ihr mehr als Wahl Zur Freiheit wollt, so sag' ich ganz mich los Von Eurem Bund, Ihr dummen Vordersteiße! Begebe mich zu den Vandalen gleich; An ihrer Spitze dann das große Werk Der Weltzerstörung zu vollenden! demüthig bittend. Faust! Verlaß uns nicht! ebenso. O bleibe, Freiester Von allen Freien! Bleib! sonst folg' ich Dir. Des Mittelalters große Kirchenfürsten, Sie wählten auch, gewählt, aus ihrer Mitte Den Einen, der als Papst das Haupt des Ganzen. So halten wir es auch: wen Alle wählen In freier Wahl, der sey als Papst begrüßt. So sey's! Wen Alle wählen, der sey Papst. besänftigt. So schreib! Hans Wurst! Ist schon geschrieben. Punktum. Und nun die Sprache? Die wir stammeln schon, Die wenigstens ich athme, seufze, weine: Das alte junge – dumme, wollt' ich sagen, Klangvolle, minneliederliche Deutsch – Der Nibelungen Sprache – uraltschwäbisch, Gothallemannisch, vorhanssächsisch – – sächsisch. Noch eine Frage jetzt: fortfahren wir Auf zwei zu gehen? oder wär', auf vier Grundsäulen herzuwandeln kühn und grimmig, Nicht mehr mit unsrer tiefen Größe stimmig? Hans Jakob schon, der nur ein Halbpoet, Roch die Tendenz der Genialität. Ist's nicht viel edler, als ein Leu zu patscheln, Denn gleich der Ent' auf zween einherzuwatscheln? Mir däucht, wir sollten tapfer rückwärts gehn In Allem, und bei'm Gang nicht stille stehn – Wie – wenn wir thäten, was einst Rousseau lehrte, Wenn unsre Genialität nun kehrte Die ganze Bestialität heraus? Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Ich dachte längst daran. Ich habe mich Im Stillen schon geübt. Ich auch! ich auch! Keit hängt sich den Stiefelknecht um den Hals, und trollt sich auf allen Vieren herum. bäumt sich, und springt, die Trompete im Mund. Ich mach' es besser – hält ihm die Knallpeitsche vor. Ueber diesen Stock! Herr Bessermacher! Macht er einen Bock, So fuchtl' ich ihn. Till nimmt einen Ansatz und springt über die Peitsche, purzelt aber auf die Nase. Er macht den Bock, wie Keiner! auf Till lospeitschend, bis er aufsteht. Es geht doch nicht. Es ist zu früh! Wir müssen Noch eine Zeitlang gehn auf zweien Füßen. indem er aufsteht. Wie – wenn wir rückwärts gingen in dem Raum, Wie in der Zeit. Gar schön! doch geht es kaum – Laßt sehen! Keit zuerst, die Uebrigen alle ihm nach, gehen rückwärts gegen den Hintergrund der Bühne, und fallen, indem sie über den erhöhten Bretterboden stolpern, so daß sie die Beine in die Höhe kehren. Nicht so heftig! – nur gemach! Es wird schon besser gehen nach und nach. Ich mein', es ist jetzt Zeit, uns zu bereiten Durch einsam stille Schwärmerein Mit unsern trauten Mägdelein Im Walde dort, zum Weiterschreiten – Ich meine, zu der großen Wahl Des Papsts, der Allen fehlt noch allzumal. Ich schwärme schon – es wird mir ganz symbolisch! Ganz mystisch – Ganz unendlich – Ganz katholisch! Es wird uns Allen gar zu eng der Saal. zu Hans Wurst. Verwahre nur, Hans Wurst, das Ritual. Alle ab. 11. Auftritt Eilfter Auftritt. mit dem großen Papierbogen, worauf er alles geschrieben. Mir selber dreht sich Alles um und um, Nach diesem mystischen Concilium, Mir ist als hört' ich klingen noch und brummen Die Schellen und die Glocken dieser Dummen; Ich selber werde noch ganz toll und dumm! O! Ihr, die dort vernehmet nur von ferne, Den Sphärengesang der poetischen Sterne, Uneingewirbelt in dem Bim-Bum – O! betet für mich! ich bitt' Euch drum. Ist das die Rach', o Götter! weil einmal In meiner unerfahrnen Jugend Mir alles Schulgerechte war fatal, Sogar die schulgerechte Tugend! Mir ekelte Kritik, Philologie, Nichts ging mir über Shakspear und Genie. Das Schicksal warf mich in das Lager – Bornirte Kerls rings um mich her – Mein Zeltgesell war ein erzdummer dicker Prager, Nach dem ich jetzt mich sehne sehr. O! dacht' ich, könntest Du mit Jenen leben, Die der gemeinen Welt entrückt, Von Reizen des Unendlichen entzückt, Hoch über uns Pandouren schweben! Als eine Kugel, streifend meinen Kopf, Mir nahm den Zopf, Und brachte mich hieher in dies Gewimmel Der philosophischen Genieen, In diesen Himmel aller Himmel Der dichterischen Phantasieen – Das Amt des Secretairs der Schöpfer zu verwalten! Und o! was setzt' ich jetzo nicht daran, Was gäb' ich nicht darum, fern von den neuen Alten, Nicht hörend das Getön, nicht sehend die Gestalten, Die sich in diesem neuen Faust entfalten, Mit einem ehrlichen bornirten Mann Mich auf ein Stündchen nur zu unterhalten! Verzeiht, wenn dieser Monolog, Der meinen Lippen, wie dem Herzen, Theils unbewußt, und theils bewußt entflog, Indem ich eigentlich nur wollte scherzen, Ein wenig Euch im Lachen hat gestört! – Ich hoff', Ihr habt ihn nicht gehört. Ab. Zwischenspiel [3] Zwischenspiel. Es that mir leid doch um den guten Keit, Der sich so biß und beißen ließ; ich hätte Viel lieber Faust von ihm gesehn gebissen. Es fehlt' ihm an Courage, Eure Hoheit! Er hatte nicht die Ihrige, Feldmarschall. Generalfeldmarschall macht einen Diener. Im Keller ging es gar zu plump doch her, – Zu genialisch; – in Paris – da wäre Es nicht gut angebracht – Zu Mad. Dauphin. Nicht wahr, Madame? Ich habe vor dem Lärm gar nichts gehört. Und ich gar nichts gesehn! -PREUX leise zu Julchen. O, Unschuld! Und wie ich sage! Dieses Stück gefällt mir Stets mehr und mehr; – es ist so kräftig! Und Eure Hoheit! jetzt Decorationen Erscheinen werden, wie im ganzen Reiche Nie schönere zu sehn. Es geht das Stück Ein dreizehnhundert Jahre weit zurück; Und Till wird, weiß ich, Attila darstellen. Man hört lärmen auf der Bühne. Es fängt schon wieder an, mein gnäd'ger Fürst! Ich möchte, wie ich sage, gerne stets Schauspiele hier aufführen sehn; es geht So rasch, und ohne Hülfe des Parterrs. Der Vorhang geht auf . 7. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. König Ezel , sonst Attila genannt, auf einem Thron im Hintergrunde; Chriemhilde neben ihm. – Viel Könige, Vögte, Recken und Garzune zu beiden Seiten stehend. sieht zwei Fiedeler mit den sieben Verbündeten, Faust an der Spitze, kommen. O! wehe mir der leide! was kommt da wieder her? Sind's nicht die Burigunden? es ist mir leid viel sehr! Die schnellen Nibelungen! glaubt' ich doch in der Noth Schon seit Sunnawendentage sie genug geschlagen todt! In Treuen, mein' Frau Chriemhild, es war am Sunnawendentag, Da all' die kühnen Recken in ihrem Blute lag, Mir ist es wie im Traume! daß ich schluge Gerenot Mit meinem Schwert so scharfe, und daß er schlug mich todt. O weh' mir dieser Schwere! o weh' mir Ezelinneweib! Es sind die Mörderrechen! ich seh des Dieterichen Leib! Die viel elenden Dummen! was wollen sie wieder büßen? Hei! muß ich waideliche Frau noch alle die Leiber küssen? 2. Auftritt Zweiter Auftritt. SCHWÄMMELEIN, DER FIEDELER, führt Faust nebst den sieben Weisen vor den König. Sind dumme Recken aus der künft'gen Zeit, Sie kommen, Herre! Dir zu dienen, Hier in das Heunenland, gar weit, – Du siehst's an ihren blöden Mienen. VOLK, HOFNARR DES HEUNENKÖNIGS. Wann ich schau sie von hinten, schau sie von vorn, Wollt' schwör'n, sie sey'n noch gar nicht gebor'n. Wir kommen, Ezelherre! Dich zu grüßen, Vom neunzehnten Jahrhundert her – Der Weg war lang; der Gang war schwer; Wir haben immer rückwärts gehen müssen. Sie werfen sich auf die Kniee nieder vor dem Thron. Kutja! Kutja! Terrrrrremmtete! vor sich. Das ist die Heunensprache? zum Fiedeler. Spricht Seine Majestät nicht schwäbisch? Nein. Schwabburigundisch spricht die Königin allein. Ist's jetzt erlaubet, ihren Leib zu grüßen? Ihr müßt vorher das Mündelein ihr küssen! Wird nicht darüber Seine Majestät jaloux? Pah! – puh! naht sich zuerst der Königin, und küßt sie; bekömmt aber eine derbe Ohrfeige. – Leise zum Fiedeler. Ist das der Brauch? Natürlich; wo sie kann, Uebt sie die Rach' an jedem Niblungsmann. Alle die Andern küssen nach der Reihe, und bekommen ihre Ohrfeige. Terrrrrremtete! Was bringt Ihr meinem Leibe so michelschwere Noth? Seyd Ihr die Nibelungen, die schon geschlagen todt? Ach nein! wir sind die neuen Nibelungen, Die rückwärts in die Ezelzeit gedrungen! Gewissermaßen sind wir noch nicht da – Und doch – niest. Terrremtete! Halleluja! Halleluja! dem Räkel aller Recken! Dem alle Könige die Füße lecken! Dem, wo sein Roß nur trat mit Hufesschlag, Kein Gras mehr wächst bis an den jüngsten Tag! Wer seyd Ihr denn, ihr Sieben, eigentliche? Blutdumme Recken, minneliederliche, Biderbe Ritter von dem Vordersteiß, Freiherrn von Ich, zukünft'ge Nebeljungen, Und denen schon viel Gräßliches gelungen. Ich Faust , gleichsam ihr Hort, der Dietrich bin, Deß hat die Barbarei viel groß Gewinn. Was wollt Ihr hier? Anbeten voller Minne Den Großen Ezel und die Ezelinne, Und das Barbar'sche lernen aus dem Grund, Es hörend hier aus seinem eignen Mund – Hei! hei! niest wieder. Terrremtete! niederfallend. Halleluja! Stürzt nieder jedesmal, sobald der König niest, Und ruft Halleluja! man sonst Euch Alle spießt. während die Andern niederstürzen, und Halleluja rufen. Halleluja! Doch bleib' ich auf den Beinen! Ich bin so gut wie Ezel, sollt' ich meinen. niest zum dritten Mal. Terrremtete! mit Erstaunen. Der Kerl beleibet stahn, Ganz trutzig, ungefüge! Das wird ihm übel gahn! Weh mir viel armem Weibe, was darf der Recken wagen! Hei! Das ist Er! Wer, Ezelinne? Von Troneg Hagen ! Das nicht wolle Gott im Himmele! Da giebt's viel schwere Noth! Wenn nicht ihn schlagt mein Ezel, hei! schlag' ich ihn selber todt! Er schlug mir meinen Friedel, und nahm ihm grimmiglich den Leib, Von ihm kommt aller Jammer mir armem jämmerlichem Weib. – Wir wollen immer hoffen, das müss' unmögeliche seyn, Zugleich zu wesen der Dieterich und der Hagene ganz allein; Drum Ezelinne nicht weine! halt inne den mörderlichen Zoren, Zumal da jene gestorben, und dieser noch nicht geboren! Da liegen ja die Niblungen getödtet an einem Hauf' – Thut nichts! ich kenne die Recken; sie stahn alle wieder auf. Sind sicherliche nur Gespenster, viel adelige Fraue mein, Die nach viel hunderte Jahren umspuken, als Nibelungelein. Das wolle Gott im Himmele! Deß bin ich überzeugt, Weil der gar viel morderliche König so stille zu Allem schweigt; Er hätt' sie schon alle gespießet, gebraten, auch bloß zum Spaß, Vorlängsten zu Nichts sie geblasen, die Trotzigen, wären sie was. nickt mit dem Haupte. Kutja! Terrremtete! Heraus! heraus auf allen Vieren! Der König giebt Signal zum Buhurdiren! Alle stürzen sich nieder, und gehen rückwärts auf allen Vieren aus dem Gezelt hinaus – nur Faust nicht. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Hart am Ufer der Donau. Die Recken rennen alle mit den Lanzen gegen einander; – die Mehrsten stechen sich durch und durch; – Viele stürzen rücklings in die Donau, die allmälig ganz roth wird, von den Blutströmen, die hineinfließen. – Während des blinden Spielgefechts fiedeln die Spielmänner , der Hofnarr tanzt, und die Garzunen und Mägde singen. Ueber Fluh, über Grat, Ueber Weid', über Waat! Trampft nieder die Saat! Bum! Bum! Haut den Wald um! Dringt in Diel' und Verließ! Bohrt die Mutter in's Vließ Steckt's Kindel auf's Spieß! Pan! Pan! Zündet Städt' an! Ueber See, über Land Mit stürmender Hand Steckt Alles in Brand! Bum! bum! Stürzt die Welt um! Hört Heunengebot! Hört brüllen den Tod! Hört wimmern die Noth! Pan! Pan! Seht den Krieg an! jede mit einem blutigen Kopf, den sie den Ankömmlingen vor die Nase halten. Hört Heunengebot! Hört brüllen den Tod! Hört wimmern die Noth! Pan! Pan! Seht den Krieg an! Göttlich! Allmälig verschwinden alle noch übrig Gebliebene von dem Kampfplatz vor dem Zelt. – Nur Ezel und Chriemhilde bleiben sitzen auf dem Thron. 4. Auftritt Vierter Auftritt. mit der Maske eines Todtenkopfs, singt. Trallala! la! la! Ha! ha! ha! Ha! ha! Da liegen sie! – Da! Todt – Schon nicht mehr roth! Das kitzelt mich baß! Wie grinseln sie graß! Wie blecken sie blaß! Traun! Sie mich anschaun! Die Saat ist zertreten, der Wald ist verbronnen! Das Mark ist verzehrt, und das Blut ist zerronnen! Die Wüste nunmehr hat der Sieger gewonnen! Pan! Seht den Sieg an! Unübertrefflich! Dieses Spiel Erreicht des Lebens höchstes Ziel! Wir wollen's, wenn wir wieder sind daheime, Bei uns einführen mit und ohne Reime. hinter der Scene. Victoria! Halleluja! Halleluja dem Räkel aller Recken, Dem alle Könige die Fußtritt' lecken! Auf deß Gebot da fällt, was alles steht, Und auf deß Wink die ganze Welt vergeht! Dem großen Erdverwüster Attila Halleluja! 5. Auftritt Fünfter Auftritt. die von den Zwölfen übrig geblieben, kommen mit einigen Recken, die ebenfalls nicht auf dem Buhurdirplatz geblieben, wieder herein, und stürzen sich vor dem König Ezel nieder. Wir Deine Knechte, ganz erbärmeliche, Bedauern, daß trotz jedem Stoß und Stiche, Dir zu bezeugen unsre Demuth blind, Wir doch annoch im Leben übrig sind. spuckt. Terrremtete! zu den Königen. Wir sind zufrieden mit Euch, waideliche Frommen, Habt guten Muth! Ihr könnt im nächsten Spiel umkommen! Dem großen Attila Halleluja! gähnt. – – – – – – zu den Andern. Das ist mir ein Kerl, der versteht's Regieren, Zu schalten und walten und imponiren – Hat kaum uns Alle nur angeguckt – Flucht sein Terremtete, niest und spuckt – Würdigt zur Noth, seinem nächsten Magen Und Gesandten der Nachwelt, Kutja ! zu sagen, Sitzt da wie der Gott des jüngsten Gerichts – Es geht doch über so 'nen Ezel nichts! der die Todtenmaske wieder abgelegt hat, zur Ezelinne. Das seit' ich Euch fürwahre, viel holde Fraue mein! Daß Jene nimmermehre Niblungen kunnten seyn. Wär's Nibelungen wesen, wir hätten's schwer gespürt, Doch bei dem Buhurdiren hat Keiner sich gerührt. Wie hätten sie auch können so kommen rückewärts? Geh, Rüdiger, und schlage den Dietrich todt zum Scherz Es wird, sobald du hauest, der jämmerliche Schuft, Deß bin ich ganz getroste, zerfließen in die Luft. geht auf den Faust zu, im Begriff zuzuhauen. Elender Traum! verschwinde! seine Knallpeitsche hervorziehend. Traum vom Traum! Laß sehen, wer von uns am dicksten füllt den Raum. Peitscht den Rüdiger ganz entsetzlich, bis er hinfällt – alle die Andern gerathen darüber in Aufruhr. schreiend. Faust! bist Du rasend? wir sind keine Puppen! Um so viel besser fühlt Ihr meine Schnuppen! springt herab vom Thron. Kutja! Terremtete! Schlag Dich der Donner Zehntausend Meilen tief in's Höllenloch Der Erd' hinein, verruchter Heunenbock! Kutja! Terrremtete! auf ihn lospeitschend. Terremmte nur! Auch ich bin von despotischer Natur! stürzt ebenfalls vom Thron herab, mit fliegenden Haaren. O Rache! Rache! Hei! hieher, Ihr Recken! Zersplittert mir den Hund in Millionen Stecken! immer peitschend. Erkenne Deinen Herrn! und reime besser, Vieh! O Faust! mißbrauche nicht Dein göttliches Genie! Zerstöre nicht, Zerstörer, die Zerstörung! O Rache, Rache! Schreckliche Bethörung! Wir spielen, Faust, ja nur – wir spielen nur! giebt ihm eine Maulschelle. Halt's Maul! verworfne Creatur! Ich bin ganz todtgepeitscht – Ich auch – Ich auch – Weh meinem Schädel, ach! Weh meinem Bauch! Weh meinem All im All! ich sterbe gar; Doch selbst im Tode bleib' ich, der ich war! ihn peitschend. Ich peitsche Dich lebendig, Wicht! Bekennst Du nicht! Hei! hei! was muß ich denn bekennen? Daß ein Trompeter nur Du bist, Kein reicher Heide, kaum ein armer Christ, Ein Esel-König eher zu benennen, Als König Ezel – ganz die Königsrolle aufgebend. Ich bekenne schon! Vor sich. Wie bin ich gegen diesen Faust Coujon! – Halleluja! dem Eselkönig! Ha! Wie ganz erbärmlich steht er jetzo da! Ich bin wohl also wieder Barbara? Wir sind jetzt wieder in dem alten Stücke, Im neunzehnten Jahrhunderte, zurücke. O Faust! wenn Deine Peitsche, Dein Genie, Dein wunderbares, weiß nicht was und wie, Nicht fesselte mit Göttermacht mein Leben: Ich würde diesen Streich Dir nie vergeben. Du wecktest uns aus einem süßen Traum. Seyd ruhig, und gebt keinen Grillen Raum! Laßt Euch von mir ein wenig dirigiren, Bis selbst Ihr lernt despotisch commandiren. – Jetzt kehren wir aus dieser Ezelei Zurück in unsre neue Barbarei. Ihr habt gesehn, gezeichnet nach dem Leben, Den Punkt, woraus wir gehn, das Ziel, wonach wir streben. Wenn Eure Kirche dort den rechten Papst nur wählt, So bürg' ich Euch, das Ziel wird nimmermehr verfehlt! Unglaublich ist, nicht auszusagen, Was Alles so ein Faust darf wagen In unsren Tagen! Der Ezel, der im Sturm gewettert, Hochher die halbe Welt zerschmettert, Wird überklettert. O, mehr als heunisches Getümmel! Auf Erden zittert das Gewimmel! Es bebt der Himmel! Die Welt wird gänzlich ruiniret, Die Höll' allein ist ungeniret, Sie triumphiret; Unglaublich ist, nicht auszusagen, Was Alles so ein Faust darf wagen In unsren Tagen! Alle ab, außer Hans Wurst . 6. Auftritt Sechster Auftritt. allein. Habe zur Noth, mit großer Schwier', Im Zaum gehalten das Stück bis hier, Daß nicht zu weit aus einander schwirre Der Scenen und der Personen Gewirre! Daß in dem gewaltigen Siebengang Noch bleib' ein bischen Zusammenhang; Doch jetzt muß ich alle Hoffnung verlieren, Es länger zu bändigen und zu regieren. Seitdem sich der Faust das Peitschen erlaubt, Ist aller Muth mir für immer geraubt – Sie kehren zurück zu den eignen Rollen Und sagen nicht mehr, was im Stück sie sollen – Extemporiren, und kommen, und gehn, Ohn' auf die winkende Hand zu sehn, Ohne mein Stichwort anzuhören; – Wollen nicht bloß in dem Stück zerstören, Was in dem Plan zu zerstören war; Sondern Alles ganz offenbar; – Haus und Bühne, Geschicht' und Fabel Sind sie mir ganz zu zerstören kapabel. Während man nur an dem Drama schrieb, Da war ich Allen gar werth und lieb, Machten mir viele Complimente Wegen Geschicklichkeit und Talente, Wegen Grammatik und Orthographie, – Nur ohne Gemüth und ohne Genie, – Gaben mir drum ihre sieben Sapphire, Daß ich sie schleife und fein polire, Daß ich sie fasse in einen Ring, Wie ich am besten verstände das Ding. Also setzt' ich aus ihren Flammen Diese dramatische Sonne zusammen; Spannend doch eigne Pferde vor In mancher Scen', und zumal im Chor. Angesehen der Phöbus Sol War ganz ein andrer Phöbus Apoll. Setzten sich selbst, als Weise, in Karren, Und mich Hans Wurst auf den Bock als Narren; Selber sie sieben Apollo's waren; Dennoch erlaubten sie mir zu fahren, Und so ging es bis jetzt gemuth – Leidlich im Gleise, wenn auch nicht gut; Denn sie ließen mich ruhig lenken, Ohne was Weitres dabei zu denken; Bis sich der Faust auf die Peitsche besann – Und plötzlich auf Kutscher sowohl als Gespann Fing an klitsch klatsch mit Gewalt zu schmettern, Als ging' es in tausend Donnerwettern; Mir blitzt' und knallt' um's Aug' und um's Ohr, Daß ganz aus der Hand ich den Zügel verlor. Jetzunder sollen den Papst sie wählen; Dabei wird's schwerlich an Zwiespalt fehlen. Denn nimmermehr kommen sie überein; Ich fürcht', es wird geben ein höllisch Schrein. Ich habe zwar selbst in den Schluß gewilligt, Und die Katastrophe gar sehr gebilligt, In wiefern nach des Stückes Tendenz Drin ist hinlängliche Consequenz; Aber den Papst, der im Stück gegeben, Werden sie wieder im Spiel aufheben. Denn sie spielen im Spiel nicht mehr, Sondern es ist ihnen Ernst gar sehr. – Indeß, sie mögen es kehren und wenden, So toll sie wollen, es wird doch enden. – Daß gar nichts dauert, wie's auch gestellt, Daß jedes Gebäude zuletzt doch fällt, Ist der einzige Trost in dieser Welt! 7. Auftritt Siebenter Auftritt. tritt auf. Du gingst nicht mit uns? wozu Dein Weilen? Der Papst ist doch das Wichtigste im Stück! Wozu die Wahl, da Deiner Peitsche Knallen Nicht erst erlaubte andrer Meinung – Gut! Doch siehst Du wohl, Hans Wurst, ich bin vernünftig, Und halt' auf Dich ein Stück, ich rede frei Mit Dir. – Zwar brauch' ich nicht der Wahlen, Um sicher die Tiare zu empfahen, Doch sieh, die Narren wollen einmal wählen, Gefallen sich im Schatten ihrer Freiheit, Und glauben zu regieren, wenn sie wählen. – Doch sage mir, was hast Du hier gesprochen? Mir däucht, ich hörte Dich von Lessing reden. Schwingt die Peitsche. Gestehe mir – Ach nichts, mein Faust, ich dachte An jene Fabel nur vom alten Ring, Die Nathan einst erzählte. Also das Ist hier Dein Treiben, ist Dein Thun, Dein Denken. An solche Feenmährchen sinnest Du? Zornig. Zur Strafe trete selber auf und rede, Wie Lessing's Nathan sprach! – Mit Witz So viel Du willst, doch albern, rein genielos Und unpoetisch. – Thust Du's nicht, so knallt Die Peitsche Dir um's Ohr, bis Du es thust! Ich gehe jetzt zur Wahl, doch werd' ich merken, Ob dem Gebot Du folgst – Nun, zögre nicht! Abgehend. 8. Auftritt Achter Auftritt. fängt zitternd an, und Faust entfernt sich bei den ersten Strophen der Erzählung. Ihr Herrn! was soll ich sagen, daß von Euch Gleich Jeder schwöre: das ist Lessing selber! So spricht nur Lessing! Ganz genielos zwar Und unpoetisch bin ich; aber das Ist selbst nach jener Genialitäten Geständniß nicht genug. – Ich wag' es doch! Will lieber ungepeitscht mein bischen Witz, Als ein- und ausgepeitscht ihn von mir geben. – Weil Göthe – Heil dem Meister, wenn die Jünger Mich auch noch ärger plagten! – meisterhaft Altdeutsches aufgefaßt und dargestellt, Muß Alles jetzo durchaus altdeutsch seyn. – Weil er den Faust gemacht, und mit Gewalt Darin die Faust des Riesenarms geballt, Muß Alles jetzo fausten und sich ballen, Bis auf des kleinsten Zwergleins kleinste Krallen! – Wenn sie mich nur nicht hören! – Bin ich Lessing, Dann sag' ich so: Weil einmal unser Herrgott Den Krebs gemacht, der rückwärts geht, und gut, Wie Alles was er sonst gethan, vortrefflich, So ganz vortrefflich, daß der Philosoph, Wenn er bei'm Krebse stehen bleibt, und sieht Das Ganz', und im Detail, den Wunderbau, Die Fügung aller Glieder, die Vereinung Des Flüssigen und Starrn zu einem Leben, Das rücklings sich bewegt, bewundernd ausruft: Wer das kann machen, der kann mehr als das – Weil unser Herrgott so 'nen Krebs gemacht, Drum müssen alle Thiere nun auf Erden, Wir, unsre Kinder, und die ganze Welt, Auch rückwärts gehn! – Wenn sie mich nur nicht hören! – Ach! Lessing bin ich nicht! muß nur so scheinen! Verzeihe, großer Genius, dem kleinen! – – Wie wenn ich Euch erzählte, schlecht und recht, Das Märchen von dem ersten Stiefelknecht? Zur Zeit des Urstamms aller Völker, als Nur ein Geschlecht auf Erden wohnt' und dies In einem einz'gen Dorf ansässig war, Gab's in der Welt nur einen einz'gen Schuster, Denn's ganze Dorf behalf sich, merkt's! mit Einem. Das ging nun eine Zeitlang ziemlich gut, Bis alle Kinder, die noch baarfuß gingen, Groß wurden, und auch Stiefel haben wollten. Allmälig mehrten sich im Menschgeschlecht Die schon erwachsnen Beine so, daß kaum Der Schuster, fleißig nähend Tag und Nacht, Ein Drittel noch so so bestiefeln konnte. Drei Söhne hatte dieser brave Mann Zum Glück, die er das Schustern alle lehrte, Theils aus Patriotismus, theils wohl auch, Weil's Handwerk reichlich allen Brot verschaffte; Zumal nach seinem Tode. – Wie sie groß Nun wurden, und so gut wie er die Stiefel, Vielleicht noch besser machten, deckten sie Schon drei'n Welttheilen – (damals nur drei Dörfern) Mit ihrem Leder die vornehmsten Beine. Der Vater, der nunmehr so rastlos nicht Zu schustern brauchte, gönnte sich des Sonntags Ein bischen Ruh', wie nicht ihm zu verdenken, Zumal da selbst sein Ausruhn Arbeit war, Nur eine andre; denn er hatte mehr Als ein Talent; nicht blos Genie zum Schustern. War's Zufall, war's Berechnung? gnug, er fand Die Form des nützlichen, der Menschen Händ' Ersparenden, jetzt so bekannten, und Gemeinen Hausgeräths, wodurch man leicht Sich selbst die Stiefel auszieht; und im Stillen Sann, brütet' er und bohrt' und schnitt so lang, Bis er in Holz das Ding realisirte, Und froh der äußersten Vollendung – starb. Die Söhne fanden unter seinem Bett, Nebst vielem alten unbrauchbaren Quark, Den wunderschönen Stiefelknecht, noch nicht Den Zweck einsehend, doch die Form bewundernd. Ei! sprachen sie, welch göttlich Ding ist das! Und lange blieb's bei'm kindlichen Bewundern Des Vaterwerks, bis einst der ältste Sohn Die eigne Stiefelferse in die Gabel So passend eintrat, daß ihm der Gebrauch Und jede Folge draus für ihn und für Das Stiefelausziehn des gesammten Menschen- Geschlechtes hell vor seine Seele sprang. Er ging an's Werk, und machte jenen nach In Tannenholz. Des Vaters war von Ceder. Als er ihn fertig, bracht' er ihn dem König, – Denn einen König hatten schon die Dörfer – Und dieser, froh der trefflichen Erfindung, Bezahlt' ihn fürstlich; – für den ganzen Hof Ließ er davon ein Dutzend gleich bestellen. Die beiden Brüder, als sie sahn, wie sehr Das leichte Werk gefiel, begannen nun Auch Tannenholz zu schneiden statt des Leders, Und Keiner dacht' an's Stiefelmachen mehr. Anfangs auch ging's recht gut. Vom König bis Zum Schornsteinfeger wollte Jeder, selbst Wer keine Stiefel, einen Stiefelknecht. Und wie es geht, die Mode wurde Luxus, Und drauf der Luxus Mode. – Jener Knecht Des Vaters schien den Brüdern gar zu einfach; Stark war er nur, bequem, dem Zweck genügend, Und damit gut. – Sie machten schöne Schnörkel Und allerlei Verzierungen daran, Daß so ein Stiefelknecht von Tannenholz, Von Pergament, zuletzt von dickem Papp- Papier, mehr kostete als drei Paar Stiefel. Selbst Damen ließen sich von Marzipan Dergleichen bei den Brüdern machen, ganz Zum Fressen schöne, bloß der Mode wegen. Allmälig aber waren an der Hauptstadt, – Das größte Dorf war Hauptstadt worden – an Des Hofes, und sogar des Königs Stiefeln Gar keine Sohlen mehr. Der alten Kunst Bedürfniß ward gefühlt. Man flehte, bat Die Stiefelknechterschaffer, Stiefel doch Zu machen, gäbe gern für ein Paar Stiefel Drei Dutzend Stiefelknechte jetzt. Umsonst! Die Schöpfer wollten sich so tief herab Nicht lassen; konnten auch im Grunde nicht: Das Schustern war verlernt. Die neue Kunst Ward unnütz, und die alte war verloren. Baarfuß verfluchte lang das Menschgeschlecht Den wunderschönen ersten Stiefelknecht. Zu dem Balcon. Verzeiht, wenn mir die Rolle schlecht gelungen. Ihr Herrn! Ihr saht, ich ward dazu gezwungen. – Der Vorhang fällt . Schlußspiel Schlußspiel. Wenn, was ich mein', ich ehrlich sagen soll, Scheint mir Hans Wurst nichts weniger als toll. Sein Stiefelknecht hat mir gar sehr gefallen. Mir ebenfalls. Mir nicht. Mit einem Wort, uns Allen! Wenn ich auch unmaßgeblich meine Meinung Hier sagen darf, gefiel mir Nathan's Ring, Wenn auch verhunzt, viel besser als das Stück. -PREUX. Herr Hofrath leben lieber in Gesellschaft Von Engeln als von Teufeln, und bei Weisen Auch lieber als bei Narren. Leise zu Julchen. Haben Sie Verstanden, Engel! was ich sagte? Ach! Verstand? ich habe keinen. -PREUX. Mir entschwindet Der meinige beim Anschaun Ihres Auges! DAUPHIN. Hans Wurst hat seine Rolle gut gespielt, Der Stiefelknecht auch paßte sich zu ihm Wie jener Ring zum Nathan. ELLENBOGEN. Ah! charmant! Ich wollt', das Stück wär' aus, so straf mich Gott! 'S sind alle Narren, und Hans Wurst der größte. Ist's nicht bald aus, Herr Obertollinspector? Geduld! Das Stück hat ja kaum angefangen. -PREUX. Ich hoffe, wir sind erst in der Exposition. Zu Julchen. An Ihrer Seite mag es ewig dauern. Der Vorhang geht auf. O, stille! Seht, der Schauplatz wird verändert. Man hört einen erschrecklichen Lärm von Wagen und Pferden, Kanonen und Trommeln. Behüt' uns Gott! was giebt's? schreiend. Was giebt's? Was ist in aller Welt denn los? So lange Hans Wurst noch ruhig bleibt, befürcht' ich nichts. Der Lärm wird immer entsetzlicher. Die Fenster zerspringen; das ganze Haus zittert; die Bühne wird mit Staub und Rauch erfüllt. DAUPHIN. C'est un orage! Es ist ein Orkan! Mir scheint es ein Erdbeben! Diese Tollen, Befürcht' ich, werden Alle gänzlich toll! Sie wollen, glaub' ich, jetzt den Himmel stürmen. Das wär' zu arg! Zu dem Generalfeldmarschall. Feldmarschall, lauf Er schnell, Und sehe, was es giebt! will die Thür aufmachen; kann nicht. So straf mich Gott! Die Thür ist zugeschlagen, – nicht zu öffnen, – Das ist wohl in Erdbeben oft der Fall. Wir können also nicht heraus, Inspector? Nur über das Orchester und Theater; aber Doch rath' ich das nicht an; denn ob sie gleich Gekettet sind, so könnt' ich doch nicht einstehn Für Unglück, Eure Durchlaucht. Tollinspector! Was meinen Sie denn, daß es sey? Der Lärm wird immer fürchterlicher. Alle Damen liegen in Ohnmacht. Ich will Hans Wurst befragen. Ruft. He! Hans Wurst! Hans Wurst! im Baume. Was wollen Eur Gestrengen? Hörst Du nichts? Und siehst Du nichts? Ja, allerdings! Woher Kommt dieser fürchterliche Lärm, als wenn Die ganze Welt in Stücke ginge? Ja! Das soll sie eben nach dem Stück! Das ist Im Plan, gestrenger Herr! Sey wahrhaft, Und spaße nicht zur Unzeit! Es sind nicht Die Tollen, welche diesen Lärm jetzt machen. Nein, freilich nicht! Sie warten Alle ruhig Nur auf mein Stichwort hinter den Coulissen. Der Lärm nimmt zu. Es ist als wenn tausend Donner über die Bühne rollten. ungeduldig. Was ist es denn? Willst Du antworten, gleich? Es ist gar nichts, als – – – Warte nur, ich muß Erst selbst recht hören – was der Commandant Der Garde Seiner Hoheit mir von Außen Zuruft – Man sieht den Kopf des Commandanten über die Mauer im Hintergrunde der Bühne hervorgucken. Hans Wurst spricht mit ihm. Bald darauf tritt ein fremder Officier hinzu. Man kann aber wegen des entsetzlichen Getöses nicht hören, was sie einander zurufen. höchst ungeduldig. Hans Wurst! ohne herabzusteigen, mit fröhlichem Gesicht. Es ist nichts, Euer Hoheit! Nichts, als die feindliche vandalische Armee, Die hinter dieser Bühne durch die Gassen Von Jauer einzieht, und – wie mir so eben Der Commandant berichtet, ganz Romanien Fast ohne Schwertstreich eingenommen hat. Ich hab' indessen über diese Mauer Mit dem verruchten Kerl, dem General, Noch glücklich unterhandelt, und beschlossen: Daß Euer Durchlaucht dieses ganze Haus Mit sammt dem ganzen Hof, und allen Ihren Getreuen Unterthanen, die sich hier Befinden, lebenslänglich, unumschränkt, Als souveraines Eigenthum behalten. Nur soll der einz'ge Faust, und ich, – Gott weiß Warum? – zur Stunde ausgeliefert werden. Dedication Dedication. An Ihro Majestät des deutschen Publicums. Zu Füßen leg' ich Höchstdenselben hier Ein treu gemaltes Bild, nicht ohne Bangen, Daß Sie danach gar nicht verlangen, Weil's nur von mir, Der fremd und namenlos – zum wenigsten vergessen – Ganz ungebeten, und vielleicht vermessen, Zum höchsten Thron der Menschheit mich genaht, Aus bloßer Lust zum Malen in der That. Ich leugn' es nicht, Sie haben mir gesessen; Ich stahl bei'm Zwielicht in Ihr Kämmerlein Mich zwischen Ihrem Schlaf und Wachen ein. Verzeihen Eure Majestät indessen Der – wenigstens für mich – brotlosen Kunst zulieb Dem armen Dieb! Sie nehmen ja mit jedem Werk vorlieb – Und Dero Gottesgnad' in Kunst ist nicht zu messen: Das weiß ich – und das giebt mir für mein Werk den Muth, Ohn' all' Empfehlung großer Mäcenaten In Höchstderselben selbst regierten Staaten Es dem Augustus Selbst zu bringen kurz und gut. Betrachten Sie's! Sie werden, will ich hoffen, Wenn anders Sie sich recht im Spiegel je gesehn, Mit einem gnäd'gen Lächeln mir gestehn, Es sey, wenn auch nicht schön, doch wenigstens getroffen. Nur mögen Eure Majestät darin, Nicht wie der sel'ge Kaiser einst von Tschin, Deß Bild ein Brite malte, sehr erschrecken Vor den scheinbaren vielen schmutz'gen Flecken! Sie haben ja für's Dunkle deutschen Sinn, Und nicht chinesischen für's bloße Helle. Ich habe jeden Zug gemalt nach der Natur, Und Schatten angebracht, wie Licht, an seiner Stelle: Sind hier und dort die ersten etwas grelle, Sie heben um so mehr das Helle nur. Der Verfasser .