Ludwig Bechstein Faustus. Ein Gedicht Prolog. Es rauscht ein Quell im alten Eichenhaine Am Riesengrab empor, das frühe Zeiten Bedeckt mit einem kalten Leichensteine. Und Geister seht Ihr um den Hügel schreiten, Die Wache halten, treulich und beständig, Und übers Grab die dunkeln Flügel breiten. Denn der da drunten schläft, ist noch lebendig, Und sendet Seufzer mit dem Quellenrauschen Herauf, und sein Verlangen ist unbündig. Das Dunkle will er mit dem Hellen tauschen; Auf seine Klagen hat man oft geschen, Dass Sänger dort an heilgen Stellen lauschen. Die wollen gern den Wunderhort erspähen, Von dem der Quell singt in gebrochnen Lauten, Und seiner Tiefen Zauberwort verstehen. Und wenn sie lockten mit verwognen Lauten, Hat sie der Sturm der Zeit erfasst, der mächtge, Und weggewehet mit zerbrochnen Lauten. Doch Einer sah die Nacht, die mitternächtge, Erhellt, und ist zur Tiefe ganz gedrungen, Und sang uns, was er dort geschaut, das Prächtge. Er hat des Ruhmes hehren Kranz errungen, Und zu dem einen hundert andre Zweige, Die lorbeergrün sein Haupt mit Glanz umschlungen. Und wagt noch Einer, dass er niedersteige Zum Grab des Riesen und zum Sagenborne, Und dort ein Menschenantlitz wieder zeige? Ernst ist, die drunten wohnt, und streng die Norne; Wird sie dem Kühnen schenken auch Erhörung, Und Gaben aus dem Zauberwunderhorne? Droht nicht der Lyra Sturmeshauch Zerstörung? – Es sei gewagt, der Grabstein sei gehoben! Die Geister bannt, nach altem Brauch, Beschwörung. Tritt aus der Gruft, Gewaltger, gluthumwoben, Der trotzig über alle Schranken strebte, Wo minder Starken aller Muth zerstoben! Der sich aus Mitternacht Gedanken webte; Dann, ein Prometheus, felsenangekettet, Ach, zwischen Höh'n und Tiefen schwankend schwebte! Der sich zur argen Buhle: Wahn gebettet! Du Armer, den ein Gott sah ringend sinken Und hat Dich nicht aus irrer Bahn gerettet?! Oft sah ich Dich im Traume dringend winken; In frühen Jugendjahren schon, verblühten, Wollt' aus dem Sagenborn ich singend trinken. Denn mich umfing der Zauberten der Mythen, Und königlich sah ich den Magus thronen, Und Flammen sah ich, die den Thron umsprühten. Da sucht' ich in den Schattenregionen Des Hains Vergangenheit der Sage Quelle, Und bei der Vorzeit Geistern durft' ich wohnen. Mir ward die dunkle Quellenklage helle, Und in die Zauberkreise trat ich wagend; So ward vollbracht, was ich zu Tage stelle: Halb stolz, dass ich's gethan, und halb verzagend. Des Sängers Lieder sind sein eignes Leben, Sind Pulse seines Herzens, freudig schlagend. Was mir das Herz durchglüht, ist Euch gegeben; Nicht Andrer Sang, wie hoch sich dieser schwinge, Gab Flügel der Begeistrung meinem Streben. Ob Ihr das hoch nun achtet, ob geringe, Mit Unvergleichlichem nur die Vergleichung Des Liedes wollet meiden, das ich singe. Denn strebt' ich treu nach meines Ziels Erreichung, Zu schildern: welch Macht ausübt das Böse, Und wie sich straft vom Lichtpfad die Entweichung: So zeigt dem Volk nicht schmähend meine Blösse, Nennt mir als Muster nicht den grössten Meister, Legt nicht an mich den Maasstab seiner Grösse. Für Alle rauscht der Zauberhain der Geister, Und Allen quillt der Wunderborn der Sage, Draus einer zaghaft schöpft, ein andrer dreister. Treu fördre jeder seinen Schatz zu Tage! Allseitig nimmt der Lichtstrahl seine Richtung, Küsst Blüthen hier, erklärt dort Sarkophage; Und ewig flammt das Morgenroth der Dichtung. Weihe. 1. Zu Leipzig in Auerbachs Keller sass einer still und trank, Und in der Vorzeit Tage sein sinnender Blick versank. Zu Leipzig in Auerbachs Keller ist traun, ein rechter Ort, Der alten Sagen zu denken, der Wunder verklungnem Wort. Er sass im kleinen Gewölbe, war drin der einzige Gast; Ihm fiel kein leeres Geplauder, ja, keine Seele zur Last. Bald sah er in den Römer, voll ächten Burgunder klar; Bald auf uralte Bilder, gedunkelt und wunderbar. Dort stehn dreihundert Jahre zwei Bogen, gerundet stolz; Von Meisterhand gemalet sind Bilder auf das Holz, Und wenn Du sie recht lange mit stillem Geist beschaut, Spricht wohl lebendges Leben aus den zwei Bildern laut. Dort sitzt der wackre Doktor, umher die Schüler sein; Erst las er ein Kollegium wohl über den edlen Wein. Dann nahm er seine Hefte, warf jedes an die Wand, Und alle Studenten nahmen die vollen Römer zur Hand. Dann klang's aus ihrem Munde: In dulci jubilo Vivamus! Evoe Bacche! Cantamus in gandio! Vivas o domine Fauste! Professor clarissime! Sis semper felix et faustus, praeceptor carissime! So sangen die lustgen Studenten, hell klang der Pokale Rand; Es waren auch fahrende Spielleut' im Keller, aus Böhmenland. Die rührten gar wacker die Saiten, dass es den Keller durchdrang; Man hörte sie fröhlich begleiten den schallenden hallenden Sang. – Und auf dem zweiten der Bilder da fährt der kühne Patron, Der zaubermächtige Faustus auf einem Fass davon. Auf einem Fass voll Weines; wie seltsam klingt doch das? Ein schwarzes Hündlein, ein kleines, zieht Faustum sammt dem Fass. – Je mehr Du die Bilder betrachtet, je herrlicher scheinen sie Dir, In farbenprangender Schöne des Auerbachkellers Zier. Zuletzt gar werden lebendig die alten Gesichter dort, Die stehn und staunen ohn' Ende, die singen in einem fort. Da kommt Dir mancher Gedanke, dass noch eir mächtger Faust, Ein redekundger Professor in Auerbachs Keller haust, Der stets zur guten Stunde geheime Weisheit erschleusst, Und dass im Schoos der Fässer ein aureus rivus fleusst. – Sei Goldbach mir gepriesen, Du Schlüssel zum Geisterreich, Der Pforten des Lichtes aufthut, dem Salomons-Schlüssel gleich. Du bringst auf goldner Welle, was grave Vorzeit sah, In magischholder Helle dem Seher wieder nah! – 2. Ich hatte lang' gesessen, halb träumend und halb wach, Und sann den wundermähren vergangner Zeiten nach. Auf jenen Bildern ruhte mein Blick, wie festgebannt, Nicht sah ich, dass die Kerzen vor mir schon ausgebrannt. Und wie mit heilgem Dunkel mich sanft die Nacht umfing, Spann sich um jene Bogen ein Zauberfarbenring, Sie glänzten und sie glühten mit den Gestalten klar, Gleich hellen Frühlingsblüthen und magischwunderbar. So webt in alten Domen ein zauberischer Glanz; Die Riesenfenster stehen um den Altar im Kranz; Und in die Feierstille, die durch die Räume weht, Tritt die Gestaltenfülle in Königsmajestät. In Purpurflammen brennend sah ich die Bilder glüh'n, Lazur und Gold erglänzten, und Saphir und Rubin. Und wie mich so umleuchtet die Wunderfarbenpracht, Sah ich zwei Männer stehen in dunkler, alter Tracht. Des einen Blick war Lohe, sein Kinn vom Bart umkraust, Das war, o Glück! der hohe, der weitgenannte Faust . Des andern Blick war Demuth, und Friede war sein Gruss; Das war der treue Wagner, des Doktors Famulus. »Du trugst nach mir Verlangen, längst hing Dein Herz an mir;« So sprach der alte Magus; »und ich erscheine Dir! Du hast ein wohlgefallen an Bildern alter Zeit, Und freust Dich an dem Abglanz entschwundner Herrlichkeit.« »Du willst mein Leben malen in Liedern, still für Dich? Mein Wagner hat's gedichtet in Farben wunderlich; Was er erschauen mochte von meiner Zauberei, Davon hat er geschaffen manch treues Konterfei.« Und Wagner überreichte dem Herrn ein dunkles Buch, Der meinem Blick es darbot, kein Blatt er überschlug. Mit Feuerschrift geschrieben war manches an den Rand, Und Bild auf Bild, hell leuchtend, dem Aug' vorüber schwand. Und wieder sprach der Doktor: »Magie mit Malerei Und Sangeskunst im Bunde giebt eine gute Drei. Der Zaubrer ist ein Dichter, der Maler sollt' es sein; Der Dichter ist ein Zaubrer, und Maler obendrein.« »So magst Du singend schildern, was Du von mir gesehn; Mein Bild soll Deinen Bildern allgegenwärtig stehn. Mein Sehnen, mein Verlangen, mein nie gestillter Drang, Mein Zagen, mein Erbangen, mein Fluch, mein Untergang.« – Er sprach's, und war verschwunden, den ich so freudig sah; Mir blieben nur die Kunden von seinem Leben nah. Ach, matt nur blüht im Liede, was einst so glühend war, Es bleicht der Glanz der Mythe, der einst so wunderbar. I. Innerer Drang. Es sass ein schöner Jüngling in stiller Einsamkeit, Sein volles Herz den Tiefen der Wissenschaft geweiht; Sein heller Geist erhoben, nicht sonder Zuversicht, Sein Flammenblick nach oben, wie dürstend nach dem Licht. Im Morgenpurpur glühte der junge Frühlingstag, Gleich einer Rosenblüthe er auf den Bergen lag; Gleich einem Strom der Freude vom Himmel niederfloss, Gleich einem Liebesengel die ganze Welt umschloss. Die Tempelglocken schallten, weit drang ihr Ruf hinaus, Und fromme Beter wallten in manches Gotteshaus. Geschmückt mit Blumenkränzen stand Kanzel und Altar; Vom Lenzkuss war die Erde verjüngt, der Himmel klar. Der Jüngling hörte rufen der Glocken Feierklang, Der Jüngling hörte tönen der Menge frommen Sang, Ach, um ihn war es stille, da rang kein Klang sich los, Und in ihm eine Sehnsucht, so flammenheiss und gross. Und seine Seele schwingt sich voll Andacht himmelwärts, Durch all' sein Denken schauert ein wehmuthvoller Schmerz. Zwei heisse Thränen rollen ihm über's Augesicht, Er hebt empor die Hände, wie zum Gebet, und spricht: »Urgeist, dem alles Leben und alles Licht entquillt! Urgeist, der sich in Dunkel geheimnissvoll verhüllt! Gott, der den Sonnen vorschreibt unwandelbaren Gang, O wolle mich erleuchten, und stillen meinen Drang!« »Lass einen Strahl von oben in meine Seele ziehn; Die Blume der Erkenntniss, o lass sie mir erblühn! Noch hält mich Nacht umfangen; o weihe mich dem Glück! In Deine Zauberwerkstatt nur einen, einen Blick!« »Was ist des Menschen Denken? Ein Labyrinth voll Nacht! Was ist des Menschen Können? Ach, eines Kindes Macht! Was ist des Menschen Wissen? Von Deinem Meer ein Schaum, Was ist des Menschen Leben? Ein kurzer bunter Traum!« »Warum kann ich nicht schweben empor zum Himmelszelt? Nicht diese Hülle wechseln, die mich am Boden hält? Den Vogel, ach, beneid' ich, der findet seine Bahn, Hochaegelnd in des Aethers tiefblauem Ocean.« »Warum kann ich nicht tauchen hinab zur Meeresfluth, Den Schatz der Wunder schauend, der in den Tiefen ruht? Den Fisch muss ich beneiden, die Muschel, still im Grund, Sie sehn den Hort der Wogen, und thun es Keinem kund.« »Warum kann ich nicht dringen zum tiefsten Erdenschacht, Ans Herz der alten Mutter, Licht tragend in die Nacht? Dort ihrem Schaffen lauschen, die Ströme zeugen sehn, Und unter Flammenherden der Feuerberge stehn?« »O wär' ich in den Nadir des Polsterns hingestellt, Und flöge dann im Nordschein lichtflammend durch die Welt! Mit Blitzen möcht' ich sprühen, und wehen mit dem Sturm, Doch solche Mächte höhnen den staubgebornen Wurm!« »Du Macht, die tausend Welten am Himmel wandeln beisst, O, einen Strahl nur sende dem Geist von Deinem Geist! Und hast Du kein Erhören für mein inbrünstig Flehn, So sende – Deinen Blitzstrahl, und lass mich schnell vergehn!« – Er sitzt, ein schöner Jüngling, in stiller Einsamkeit, Sein volles Herz den Tiefen der Wissenschaft geweiht. Doch ach, sein Geist umdunkelt, und aller Freude fern, Sein Trauerblick nach unten, wie zweifelnd an dem Herrn. II. Naturgeist. Ein ernster Wandrer schreitet durch Wiesenflur und Hain; Die Gräserhalme flüstern, die Wipfel rauschen drein. Im Blumenbette rollet der schnelle Waldesbach, Es eilt mit leisem Murmeln die Welle Wellen nach. Und sinnend hebt der Wandrer den Blick zum Laubesgrün; Und senkt ihn zu den Blumen die still am Ufer blühn. Und als er still, in Träumen versunken, weilte dort, Schwillt ihm die Brust voll Wehmuth, wird sein Gedanke Wort. »Wer giebt dem Irren, Blinden, die Fackel in die Hand? Er kann den Pfad nicht finden in sein gelobtes Land! Ob ihn der Wald begrüsste, das grüne Blätterzelt, Ihm scheint in eine Wüsste verwandelt rings die Welt.« »Natur, Du Wesenmutter, nimm in Dein Tempelhaus, Nimm mich in Deine Arme, verstosse mich nicht draus! Nimm mich an Deinen Busen, Du Lebenspriesterin, An Deinen Altar sink' ich, Dich heiss anbetend, hin!« »Aus Dir entsprosst das Leben durch ewgen Wechseldrang, Dein Tagewerk ist Schaffen, doch Räthsel ist Dein Gang. O wie nach Dir die Sehnsucht so glühend mich erfüllt! Mir zeige, Weltengottheit, Dein Walten unverhüllt!« »Ein Liebender, ach, bin ich, nur unruh-, zweifelvoll; Ich muss die Gottheit kennen , der ich vertrauen soll; Mir gnügt nicht, dass mein Auge der Schöpfung Wunder sieht, Ich will die Kraft erforschen durch die das Wunder geschieht!« »Du, die mir solch Verlangen nach Wahrheit eingeflösst, O hast Du keinen Bannspruch, der Deine Siegel löst? O hast Du keine Ruthe, die Deine Schätze trifft, Und keinen Schlüssel, lösend die Zauberbilderschrift?« »O soll ich nicht vergehen, so stille diesen Trieb! Du Hand, die tief in Steine viel bunte Züge schrieb, Du Hand, die Felsenwände mit grünen Moosen schmückt, Nimm weg die Schleierhülle, die mir Dein Bild entrückt!« »Du bist das Buch der Weisheit, allschaffende Natur! Das Buch auch der Erkenntniss, ach, unenträthselt nur. Du bist das Buch des Lebens, drin Himmelsfülle weht, O selig, wer Dich deutet, beglückt wer Dich versteht!« »Wie kreuzen sich verschieden die Linien der Hand, Daraus die Zukunft schauet der sinnende Verstand! Auf Stirnen steht zu lesen gar Manches offenbar, Aus Augensternen leuchtet der Seele Denken klar.« »Und Zauberstimmen tönen in Hainen um uns her, Wer aber kann sie deuten, und Antwort geben? Wer? – Manch Wunderbild umgaukelt im Traum uns jeder Art; Der Traum ist eine Sprache, so noch nicht offenbart.« »Es kommt der Tag gezogen, ihm folgt die stille Nacht, Und führt am Himmelsbogen herauf der Sterne Pracht; Die Monden und die Sonnen sie wandeln ihre Bahn, Wie, seit die Welt begonnen, sie heilig still gethan!« »Warum vom Ost zum Westen, und nicht vom West zum Ost? Warum Gluth am Aequator und an den Polen Frost? Wer kann die Geister binden und ihre hohe Kraft? Wer kennt von allen Dingen Ursprung und Eigenschaft?« »Ich will die Räthsel lösen vom Mond- und Sternengang, Ich will, der kühnste Forscher, gehorchen meinem Drang! Ich will das All durchdringen, das so viel Lust verheisst, Und will mit Geistern ringen, ein kühner, freier Geist!« – »Doch wo die Formel finden, und Zauberspruch und Schwur, Den starken Leu zu binden, die Urkraft der Natur? Wo liegt der Hort vergraben, in welchem Weisheitschacht, Der mich mit hohen Gaben zum Geisterkönig macht?« »Fand in Retort' und Tiegeln ich das was ich gesucht? Reift unter Hermes Siegeln mir der Erkenntniss Frucht? Ums Aug' die dunkeln Binden sehn' ich mich nach dem Licht! Geist der Natur, wo finden Dein Strahlenangesicht?« – Ein ernster Wandrer schreitet durch Wiesenflur und Hain. Die Gräserhalme flüstern, die Wipfel rauschen drein. Im Blumenbette rollet der schnelle Waldesbach, Der Wandrer, in Gedanken, sieht ernst den Wellen nach. III. Forschung. Ein Astrolog erscheinet im wallenden Talar; Rund um ihn stehn vereinet Gestalten, wunderbar. Sie stehn in Götterhoheit, ein schöner Bilderkranz, Und Kronen auf den Häuptern, darüber Sternenglanz. Lichtglänzend eine Jungfrau mit silbernem Gewand, Und eine Fackel haltend in ihrer zarten Hand. Mit Ernst gepaarter Liebreiz in ihren Zügen thront; Auf ihrem Haupte leuchtet glanzhell der Sichelmond. Ein Jüngling, zart und freundlich, mit Stab und Flügelhut, In Azurblau gekleidet, auf Silberwolken ruht. So freundlich wie der Schimmer des heitern Angesichts Strahlt über seinem Haupthaar ein Sternlein sanften Lichts. Ein Götterweib, umflossen von zartem Rosenschein, Scheint in dem Kranz der Bilder die Rose selbst zu sein. Ein sel'ges Lächeln wohnet in ihren Zügen klar; Wie Demant blitzt und funkelt der Stern in ihrem Haar. Ein Mann in Jünglingsschönheit; auf seinem Königshaupt Flammt eine Strahlenkrone vom Lorbeerkranz umlaubt. Sein Kleid ist golddurchwoben, sein Mantel Purpurpracht, Den säumt mit dunkeln Kanten und Sternengold die Nacht. Ein Held im Eisenharnisch, ein Held mit Schild und Speer, Voll Ernst im Mannesantlitz, und stark wie seine Wehr. Der Stern ob seinem Haupte strahlt heil und blutigroth, Gleich einem Feuerzeichen verkündend Weh und Noth. Ein König, hocherhaben auf lichtumglänztem Sitz; In zorngehobner Rechte flammt der gezackte Blitz. Wie Donnerwolken wallet sein Mantel, schwer und grau, Doch drüber strahlet herrlich sein Stern im Aetherblau. Auf einer Sense lehnend steht noch ein Königgreis; Sein Auge blicket trübe, sein Haar ist silberweiss. Sein Kleid ist fahl und farblos, sein Stern ist matt und bleich; Sein Scepter ist Vernichtung, und Zeit sein Königreich. Ringsum die Königsbilder ist noch ein Kreis zu sehn, Darin gebaut aus Sternen zwölf Himmelszeichen stehn. Und mitten in die Kreise der Könige der Welt Hat sich voll tiefen Ernstes der Astrolog gestellt. »Ihr mächtigen Gewalten, von Eurem Sternenthron Bezeichnet ihr die Laufbahn des Staubes schwachem Sohn, Einst Götter, hochgepriesen von grosser Völker Mund! Noch heute thut sich göttlich das hohe Welten kund!« »Ihr seid es, die bestimmen der Menschenkinder Loos, Durchblickend hellen Auges der Zukunft dunkeln Schoos! So lasst auch mich erkunden, wem ich mich soll vertraun, Und lasst mich durch die Schleier der Wahrheit Bildniss schaun!« Und schwarze Bücher hebt nun der Astrolog empor; Da huscht es an den Wänden, wie schattendunkler Flor. Und in den Büchern flammen glührothe Zeichen hell, Und bleiche Lichtlein schweben umher, und schwinden schnell. »Gegrüsst, ihr leisen Boten aus düstrem Schattenland! Seid Ihr als Glückverkünder mir endlich hergesandt? So hat mich nicht betrogen der Sternenstand zur Nacht, Und freundlich mir gewogen zeigt sich die dunkle Macht?« »Und soll ich noch erjagen, was ich so heiss erfleht? Und soll mir endlich tagen, was nie mein Blick erspäht? O Zauberbaum, wie neigst Du der glühenden Blüthen Zier! O goldner Traum, wie zeigst Du so reiche Kränze mir!« Die Zeichen flammen heller, es tönt ein Zauberbann; Die Lichtlein tanzen schneller um den gewaltgen Mann, Wie Flügelschlag von Raben fühlt er sein Haupt umrauscht, Mit Stimmen hell von Knaben umflüstert, wenn er lauscht. Ein wunderbares Regen durchschwirret das Gemach, Darinnen sich bewegen viel Schatten tausendfach. Die Königsbilder brennen roth', feuergelb und grün, Es scheint, wie Blitz des Todes, ihr Blick umher zu sprühn. Der Astrolog erscheinet im wallenden Talar, Rund um ihn stehn vereinet Gestalten, wunderbar. Sie stehn um ihn und lodern, ein Feuerflammenkranz, Da streckt er kühn die Hand aus nach ihrer Kronen Glanz. IV. Der Erdspiegel. Auf einem Kreuzweg stehen zwei Männer in der Nacht; Wird einer finstern Gottheit ein Opfer dargebracht? Rund um ein Feuer legen sie Schädel und Gebein, Und streuen Zauberkräuter in seine Gluth hinein. Mit Henkerschwertern graben sie still den Boden auf; Was suchen sie da drunten, was fördern sie herauf? Sind's Truhen, voll von Golde, von Prachtkleinoden schwer? Ist's einen Hünen Leichnam und seine Zauberwehr? Die Windsbraut tanzt wie rasend den tollen Ringelreihn, Wild in die Flammen blasend, umsaust den Rabenstein; Dort wogt es nebelduftig, dort stöhnt's und wimmert's leis, Und Schatten, bleich und luftig, drehn wehend um im Kreis. Wer sind die Nekromanten, die dort so still bemüht, Wo bleiche Schädel grinsen, wo Gluth in Funken sprüht? Was ist's das sie vollbringen im Graun der Mitternacht, Und haben nur des Werkes, nicht der Gestalten Acht? Der alte finstre Zaubrer ist Heilinger genannt, Dess unheilvolle Seele sich längst dem Heil entwandt. Der Zweite, der so kühn blickt, den keine Furcht durchgraust, Der Jüngling ists, der Wandrer, der Astrolog, der Faust . Ihn lehrt der alte Meister die Werke dunkler Kunst, Und feurig buhlt der Jüngling um solchen Lehrers Gunst. Der Wandrer fand die Formel, die Geister ruft und bannt, Der Astrolog hat freudig nun seinen Stern erkannt. Und ämsiger sie graben, und wilder braust der Sturm; Laut krächzen heis're Raben vom Burgruinenthurm. Und Irrlichtflämmchen bläulich umwehn das Kreuzwegfeuer, Und grausig naht und gräulich, formlos manch Ungeheuer. Zwei bleiche Schatten schweben gar nah, gar nah heran, Mit Augen voll von Zähren sehn sie den Jüngling an. Sie winken ihm, so flehend, so schwermuthvoll, so mild, Der Jüngling sieht mit Beben der theuren Aeltern Bild. Der Zaubrer aber winkt ihm nicht ferner hinzusehn, Wo die Gestalten trauernd, gleich Marmorurnen stehn. Dem Grabe seiner Unschuld die eine scheint geweiht, Die zweite gilt dem Grabe von seiner Seligkeit. Und beide schwinden seufzend, und wilder wallt's umher, Von Wolken und Gestalten wogt rings ein Zaubermeer, Das um die Männer fluthet wie Windeswirbellauf, Doch Keiner steht entmuthet, und Keiner achtet drauf. Ein Schatz ruht in den Tiefen der alten Mutter Nacht, Den die Dämonen hüten und halten fest im Schacht; Der nimmer leichten Preises herauf ans Licht sich hebt, Und den der Nacht verbündet, der solches Gut erstrebt. Und unerschüttert grübt noch das düstre Männerpaar, Drauf hebt sich aus den Schollen ein Spiegel rund und klar. Und in der Hölle Namen erfasst der Jüngling ihn, Da schwinden Gluth und Flammen, und die Phantome fliehn; Der Spiegel ist gewonnen, gewonnen der Krystall; Er ist ein Zauberbronnen, darinnen quillt das All. Was tief in Nacht vergraben, was in der Ferne blüht, Der Magus kann es haben, der in den Spiegel sieht. Ein düstres Phosphorleuchten in seiner Fläche wohnt, So zitternd als im feuchten Fluthgrab das Bild vom Mond. Gleich eines Glühwurms Schimmer es magisch ihn durchwallt, Wie Demant blitzt er leuchtend, und ist doch eisigkalt. Ernst auf dem Kreuzweg stehen zwei Männer in der Nacht; Der Frevel ist geschehen, der Zauber ist vollbracht. Was in der Hölle Namen geschah im düstern Ring, Das war ein gift'ger Samen, den ein Drachenleib empfing. V. Beschwoerung. Umrauscht von schwarzen Föhren steht Faust gedankenvoll; Es tobt in seiner Seele ein unnennbarer Groll. Die Augen flammen blitzend, wie sie noch nie geflammt, Aus jedem scheint zu lodern das Donnerwort: verdammt . Es gellt sein Hohngelächter laut auf, wie Wahnwitzschrei: Gen Himmel er die Faust ballt voll wilder Raserei. Sein Haar, gepeitscht vom Sturmwind, fliegt ihm ums Haupt verwirrt, Wie Nachtgeflügelschwinge, die flatternd ihn umschwirrt. »Ha!« ruft er keuchend, heiser: »Ha, was gewann mein Drang, Mit dem ich Sterne fragte, Planetenschein und Gang? Was soll ich mit dem Spielzeug von Elementenkraft? Was mit der Seifenblase des Hohlprunks: Wissenschaft?« »Mehr, mehr! und Niegedachtes, das sei von mir gedacht! Mehr, mehr! und Nievollbrachtes, das sei von mir vollbracht! Auf dass ich selbst mich kröne zum Herrn der Geisterburg, Und dass mein Name töne Jahrhunderte hindurch!« »Mehr aus des Wissens Schachten! Ja gebt mir mehr, nur mehr! Muss sonst mich selbst verachten, an Witz und Weisheit leer! Gebt mir des Adlers Schwingen! Leiht Flossen der Baläu', Die Wolken zu durchdringen, den Meergrund zu durchspähn!« »O quölle mir von oben der Born der Wissenschaft! Der Segen der Erkenntniss, der Höhe Himmelskraft! O könnt' ich Dich erfassen, Macht, die das All belebt, Und über todten Massen mit Schöpferodem webt!« »Und fleh' ich so vergebens inbrünstig Monden lang? Es hat der Herr des Lebens kein Ohr für meinen Drang! Ich fühle Flammengluthen in mir und wilden Schmerz! O Himmel, Urlicht, senkst Du Dich nimmer in mein Herz?« »Wen ruf ich an? Den Himmel? Der schläft im Wolkenbett, Dort grinst des Vollmonds Fratze, der Kopf nur vom Skelett! Wohl, mag der Himmel schlafen, sich kümmern nicht um mich! Sind Menschen Gottes Sklaven? – Mehr, als ein Sklav' bin ich!« »Noch eine Gottheit giebt es, tief, tief im nächtgen Graun, Mit dieser will ich reden, ihr will ich mich vertraun! Ihr will ich mich verschwören, wenn sie mir Treue schwört! Ihr will ich angehören, wenn mir die Macht gehört!« – Durch die Gebüsche stürmt er, und sucht den rechten Ort, Wo sich die Pfade kreuzen, und rüstet sich sofort. Drei Zauberreife legt er, mit Zeichen rings bemalt, Sie scheinen glüh'nde Schlangen, vom bleichen Mond bestrahlt. Nun rollen Faustus Augen gluthvoll; er zittert bang – Nun tritt er in die Kreise – schlägt auf den Höllenzwang. Die Formel tönt – nun setzt er den Zauberstab in Schwung; An der Hölle Pforten donnert die Gotteslästerung. Da saust ihm überm Haupt hin ein Flammenmeteor, Und birst mit Donnerkrachen, drauf still bleibt's, wie zuvor. Und wie der Trotz des Mannes, dass er geäfft, erschaut, Tönt fürchterlichern Bannes Gräulformel grausiglaut. Da rauschen dumpf die Föhren, wie Meereswogengeroll, Als bebten sie, zu hören, was seinem Mund entquoll. Aus tiefem Schlaf gerüttelt rauscht auf der Nachtorkan, Und bläst den Nekromanten mit Polareisodem an. Ha, wie er zittert – zürnend dem Zittern Ruh gebeut! Wie Muth, von Furcht umfangen, sich von der Furcht befreit! So macht aus Dampf und Trümmern verhaltne Gluth sich frei, Und schwingt, wie Drachen züngelnd, sich hoch empor aufs Neu. Sein Busen kocht, als glühe darin der Hölle Brand. »Weh! Fruchtlos auch die Mühe? – Die Nacht auch abgewandt? Mein Heil umsonst verschleudert?« – Er denkt's, und heult's und bebt – Da sieht er, dass ein Schatten um seine Kreise schwebt. »So nahst Du? – Willst mir dienen? Zwang Dich des Banns Gewalt? Erscheine morgen – morgen – Du grausige Gestalt! Triumph! Es ist gelungen! Sei mein, so bin ich Dein! Wer Geistern sich verbrüdert, hört auf ein Mensch zu sein.« Der Schatten winkt und schwindet. – Faust steht gedankenvoll; Durch seine Seele tobt noch ein unnennbarer Groll. Die Augen flammen blitzend, wie sie noch nie geflammt, Aus jedem scheint zu lodern das Donnerwort: verdammt . VI. Der Pakt. In stiller Zelle weilet Faustus mit düsterm Blick; Wird nun erfüllt sein Hoffen? Erfasst er nun sein Glück? Trügt ihn auch nicht der Dämon, den er aus Nacht beschwor? Weh, wenn er an ein Trugbild die Seligkeit verlor! Die Stunden schleichen – dünkt ihm die Zeit doch flügellahm, Nicht sehnlicher die Brautnacht erharrt ein Bräutigam, Als Faustus bang, voll Unruh, des Höllenboten harrt, Da kündet Schattenwallen ihm Geistergegenwart. Bald schwimmt die Nebelbildung vor seinem Blick, wie Flor; Bald steigt's, gleich Irrlichtflämmchen, hoch zum Gewölb empor. Bald scheint ein Menschenantlitz todtbleich vor ihm zu stehn, Bald wieder, Duft und Rauch gleich, in Wirbeln zu verwehn. Drauf fasst der Zaubrer zornig das Buch, das Geister bannt; Mit Qualen neuer Formeln droht wild der Nekromant. Da wird zur Feuerflamme, zur Lohe schier das Haus, Die breitet Drachenflügel nach allen Seiten aus. Und von den Flammenschwingen umleuchtet und umloht Zeigt sich ein Riesenantlitz grimmvoll und blutigroth; Dem Antlitz gleich des Tigers, der in die Ketten beisst, Wuthblickend, wie das Grabthier, das am Gegitter reisst. Doch Faustus, in der Rechten das Buch erhoben, spricht: »Ich rief nach meinen Knechten, Dein Gaukeln schreckt mich nicht! Sprich mir, was Du verlangest, dass mir Dein Dienst gehört: Dass Du den Pakt empfangest, den Dir mein Mund beschwört!« Und furchtbar rollt die Stimme, wie Donner, durchs Gemach: » Mich Deinen Knecht zu nennen, bist, Faustus, Du zu schwach. Soll ich den Knecht Dir senden aus meiner Diener Schaar, So höre mein Bedingniss und nimm es treulich wahr:« »Verfluche den, der neidisch uns einst gestürzt vom Thron! Abschwöre Dich dem Irrwahn von der Maria Sohn! Und bleibe Pfaffen abhold, gleich ihm, ohn' Unterlass! Schwör' allem Guten Feindschaft, und aller Liebe Hass!« »Verfluche jede Kirche, wie jedes Sakrament! Du wirst nie frein, nie lesen im neuen Testament! Hast Du dess Lust und Muthes? Wohl, schreib's mit eigner Hand, Mit Purpur Deines Blutes für uns zum Unterpfand!« »Dann magst Du frei gebieten, Faust, dann ist alles Dein; Die Schätze, die wir hüten, die Kraft, die wir verleihn! Was Deinen Sinn erfreue, was Deiner Lust behagt, Sei Dir mit fester Treue gelobt, und zugesagt!« – Und Faust: »Was Du begehrest, erfüll' ich willig Dir, Sofern Du treu gewährest, was Du geboten mir! Wenn vier und zwanzig Iahre mir Deine Macht gehorcht, Will ich dem Himmel trotzen, und Dein sein unbesorgt!« »Verflucht der Köhlerglaube, der Thoren Bande schlingt! Verflucht das Ammenmährchen, das von Erlösung singt! Hab' auch gehofft, gebetet – blieb es nicht, wie zuvor? Ich hatte Glauben, Liebe – war ein betrogner Thor!« »Abschwör' ich Pfaffengemeinschaft sammt ihrem heilgen Quark! Abschwör' ich Lieb' und Freundschaft, ich , durch mich selber stark! Verflucht sei jede Kirche, die sich mit Formen spreizt! Verflucht sei jedes Eh'band, es hat mich nie gereizt!« – Er ruft's mit bittrem Lachen, zur Feder greift er schnell; Und gleich aus offner Ader strömt seines Blutes Quell. Er schreibt, was er gesprochen, von wilder Gluth durchwühlt, Und hat das Band zerbrochen, das ihn am Himmel hielt. Und als das Blatt betrachtend, er düster sinnend stand, Braust durchs Gemach ein Windstoss, und reisst's ihm aus der Hand. Und eine Flamme lodert, und ein Gelächter gellt, Als jauchze triumphirend der Fürst der Unterwelt. Faustus weilt in der Zelle mit unmuthdüsterm Blick; Wird nun erfällt sein Hoffen? Erfasst er nun sein Glück? Lacht nicht der Dämon höhnend, den er aus Nacht beschwor? Weh, wenn er an ein Wahnbild die Seligkeit verlor! – VII. Mephistopheles. »O Wissensdrang, nun wird dir gewiss Befriedigung! Ich kann zu Sternen schweben mit Adlerflügelschwung! Ich kann durch Felsenmauern mit Geisterhülfe gehn, Kann grüssen den Aequator und überm Nordpol stehn!« So ruft voll kühner Träume der zaubermächtge Mann, Des neuen Bundes fröhlich, der Macht, die er gewann. Wie träumt er sich allmächtig, wie gross! Sein Auge trifft Im dunkeln Buch der Zukunft schon seines Namens Schrift. Und wie die düstre Dämmrung den Tag in Schleier hüllt, Da sicht er das Versprechen der Abgrundsmacht erfüllt; Da klopft an seine Zelle ganz leise Geisterhand, Es tritt herein der Diener im grauen Mönchsgewand. »O Faustus, Hochgewaltger,« spricht er, und neigt sein Haupt: »Wie hast Du mich des Glanzes, der Herrlichkeit beraubt! Ich, stolz einst und undienstbar dem, der im All gebeut, Muss nun vor Dir mich beugen, ungern und unerfrent!« »Doch wird die Zeit verrinnen, wie jede Zeit verrinnt, Freiheit wird mir beginnen, wenn Knechtschaft Dir beginnt. Knechtschaft, die nimmer endet, bis dahin – dien' ich treu, Und rufst du nur: Mephisto ! so fliegt dein Knecht herbei.« So spricht der graue Diener, und Faustus steht verwirrt; Ist's Wahrheit, ist es Täuschung, die neckend ihn umschwirrt? So steht er nah dem Ziele? So lügt die Hölle nicht? Und freudig, seiner Macht froh, ermannt er sich, und spricht: »Gleich ists, ob Du mir freudig, ob Du mir unfroh dien'st, Nur dass Du keine Fordrung zu weigern Dich erkühn'st. Nur dass Du reich das Haus mir, die Tafel mir versiehst, Dass bei dem Quell der Weisheit der Born der Freude fliesst!« ›Nichts, nichts, was Dir gelüstet, wird Faustus, Dir versagt; Ich bin Dein Koch, Dein Kellner, Dein Knecht und Deine Magd. Sei guter Dinge, fröhlich, fort mit dem Doktorgewand, Es wandle mit Voluptas Sophia Hand in Hand!‹ »Ha, Diener, Du gefällst mir; machst mich der Sorge quitt, Die mir für Haus und Nahrung erwuchs bei jedem Schritt! Wie freier werd' ich fühlen des Geistes rege Kraft! Wie froher werd' ich kühlen den Durst nach Wissenschaft!« ›Der soll Dir bald gestillt sein; Du bist noch namenlos, Bald aber vor den Völkern, Faust, wird Dein Name gross! Dein Ruhm der hohen Thaten reicht an die Sterne weit, Er wird, wie Zaubersaaten, in alles Land gestreut!‹ »Und kannst Du mir erhellen, was dunkel meinem Geist? Weisst Du des Lichtes Quellen, Du, der so viel verheisst? Kannst durch die Luft mich tragen, mich halten überm Mcer? Darf ich Dich alles fragen, ist nichts für Dich zu schwer? –« ›Wohl ist mir vieles kundig, und vieles offenbar, Die Höhen und die Tiefen durchschaut mein Augo klar. Ich trage Dich durch Lüfte, trag' übers Meer Dich weit, Ich gebe, wenn auch ungern, auf Fragen Dir Bescheid.‹ »Und soll ich, wenn ich rufe, als Mönch Dich immer schaun? Fürwahr, es wird mich höchlich die heilge Tracht erbaun! Ich will vor Dir mich neigen: Salve mi Domine! Du sprichst mit frommer Salbung Dein Benedicite! « ›Du darfst für Deinen Diener nur wählen die Livrei, Mir passen alle Trachten, sind mir auch einerlei. Ich kroch nur in die Kutte für diesesmal hinein, Weil sie für Tücke, Schalkheit und List ein Heilgeuschein.‹ ›Die Kutte ist ein Röcklein, drin man sich hat bequem; Ein Hauskleid für die Sünde, weich, warm und angenehm. Ein Beichtstuhl, drin das Pfäfflein der Nonne Liebe schwört, Und ich – bin eben einer, der in die Kutte gehört.‹ »Mich freut's, Dich so zu finden, Du scheinst von leichtem Sinn, Du wirst mich gut erheitern, wenn ich verdrossen bin. Ach, ich bin oft verdrossen, und zürne dem Geschick: Weil Andres mir verschlossen, sucht' ich bei Euch das Glück.« ›Da wohnt's just; sich, wir fassen mit Menschensinn die Welt; Im Lieben und im Hassen sind wir Euch gleichgestellt. Nur dass die Wirkung mächtger, doch kaum begreifst Du das, Denn unsre Lieb' ist tödlich, wie tödlich unser Hass.‹ »Wohlan, Du sollst mich lehren, scheinst mir just alt genung! So wird dem Drang nach Wissen gewiss Befriedigung. Fort mit der trocknen Weisheit, fort alter Bücherwust! Ich will die Welt umfassen mit hoher Götterlust!« VIII. Frage und Antwort. Im grünen Walde wandeln zwei Männer, kühl umrauscht, Da wird von hohen Dingen manch ernstes Wort getauscht. Der Eine für sein Wissen sucht reichlichen Gewinn, Dem reicht des Trugs Narzissen der zweite listig hin. Belehrung ist ein Saatkorn, das Früchte trügt mit Lust; Täuschung ist eine Giftsaat, geworfen in die Brust. Belehrung ist die Tochter der Wahrheit und des Lichts, Der Lüge Kind ist Täuschung, ein buntbemaltes Nichts. Und Faustus zu Mephisto: »Wer hier sich dingt den Knecht, Der fragt nach dessen Herkunft mit Fug und Vollem Recht. Ich weiss, Du bist ein Dämon, doch sage: welcher Art, Wess Ursprungs und was alles Dir unterworfen ward?« ›Der Stolzeste der Stolzen riss uns in seinen Fall; Nun schweben wir verbreitet, wie Luft und Licht, im All. Wir sind es, die mit Schönheit die Belladonnen schmücken, Damit die Menschenkinder sie desto gier'ger pflücken.‹ »So sä't Vernichtungskeime die Sippschaft, die verdammte? Und wären Deines Gleichen noch viel vom gleichen Amte?« ›Zahlreich, wie Bienenschwärme, verderblich abgesandt Sind wir, wie Sternenheere; wie Kies am Meeresstrand.‹ »So zahlreich? Nun, dann sage: wo weilt, wo wohnet Ihr?« ›Wir ruhen in Metallen, erfüllen Pflanz' und Thier, Das Kleinste wie das Grösste dient uns als Unterthan; Zur Wollust uns übt rastlos Zerstörung ihren Zahn.‹ »Und welches war die Ursach, das sprich mir, jenes Falles, Der Unheil zeugend fortwirkt auf Dich, auf mich, auf Alles?« ›Faustus, der Drang, sich ähnlich der Gottheit stolz zu blähn; Du weisst wohl, das auch Menschen sich Gleiches unterstehn.‹ »Noch hat mich nicht befriedigt, was Du mir hast vertraut: Den Anblick dessen schildre, den froh der Engel schaut.« ›Seit wir verworfen worden von jener Himmelsmacht, Sank uns der Mond Erinnrung , blieb uns nur dunkle Nacht.‹ »So rede von den Engeln, die selig sind mit ihm! Was ist im Geisterhimmel das Amt der Seraphim?« – ›Sie schaun das Vaterantlitz, das heilge, sonder Hülle, Endlos in Kraft und Schönheit, in göttlichreicher Fülle.‹ »Und von den Cherubinen und Thronen gieb mir Kunde!« ›Suchst Du des Lichts Geheimniss, Faust, im Dämonenmunde? Des Lichtes Boten freuen sich an der Macht des Herrn, Wir aber nennen, denken, verkünden sie nicht gern.‹ »So schweige mir vom Himmel, daraus man Dich verstiess; Doch wirst Du treu mir künden: wo liegt das Paradies?« ›So weit ist das entlegen, dass Du mit Deines Gleichen Auf Schwingen selbst des Sturmwinds, es nimmer mögt erreichen.‹ ›Vier heilge Ström' umarmen das gottgeliebte Land; Sie werden Glaube, Liebe, Hoffnung und Treu' genannt. Inmitten hebt die Kronen der ewge Lebensbaum; Gedenkst Du dort zu wohnen, Faustus? – Ich glaub' es kaum.‹ »Höhnst Du? – Gleich sag' mir Antwort auf andre Fragen an: Wärst Faustus Du gewesen, was hättest Du gethan?« ›Mit Deinem Sinn? Das Gleiche, dann brach ich jede Pflicht; Mit meinem Sinn? – da schweige mein Mund, – ich weiss es nicht.‹ »Moralmann, blieb Dir Hoffnung? Was hab' ich dann gewagt?« ›Schr wenig, Faustus, wenig, drum sei nur unverzagt!‹ »Sprich, Diener: von der Hölle, was ist das für ein Ort? Man träumt von ihren Qualen, sprich, warst Du lange dort?« ›Die Hölle ruht im Nachtgraun, das Keiner noch durchschaut, Und Kunde hat gegeben, wie sie gefügt, gebaut. Der Hölle Qualen müssen in sich die Sünder tragen, O quäle mich nicht länger, nicht Dich mit solchen Fragen!‹ »Ha, bist Du schon ermattet? Erschöpft Dich die Begier Das Dunkel zu durchdringen, die ewig wach in mir? Weshalb denn klopft' ich donnernd an Eure Pforten an, Als weil sich meiner Sehnsucht kein Lichtthor aufgethan?« – »Ich suche nur Erkenntniss , den Baum, der Dir bekannt, Um den sich Deine Klugheit dereinst als Schlange wand!« ›Dir soll Erkenntniss werden, so viel ich geben kann, Doch zum Schulmeister wähle Dir einen andern Mann.‹ ›Was willst Du von den Engeln, vom Paradies, von Gott? Spott ist nur Deine Frage, wie meine Antwort Spott. Was fragst Du nach der Hölle, bangt Dir vor ihrer Gluth? Du hast doch Ammenmährchen zu läugnen sonst den Muth?!‹ – Im grünen Walde wandeln zwei Männer schweigend hin, Der eine finster blickend mit unmuthdüstrem Sinn, Trüb dämmert ihm die Ahnung von des Gefährten List, Und dass für manch Geheimniss kein Thor erschlossen ist. – IX. Der Famulus. Des Winters Stürme tosen wild durch die todte Flur; Im Leichentuche ruhet festschlafend die Natur. Es wirbeln dreh'nde Flocken, Schneeperlen rieseln kraus, Wie weisse Schleier wallend um Hain und Hütt' und Haus. Da mag wohl Keiner wandeln auf sturmumbrauster Bahn; Da klopft oft bleicher Mangel an reichen Pforten an. O selig, wem mit Mitleid der Herr das Herz begabt, Dass er gern Armen aufthut, sie kleidet, wärmt und labt. Denn Mitleid ist ein Palmbaum, der in der Wüste steht, Ihn hat für arme Wandrer die Huld des Herrn erhöht. Ein warmer Quell ist Mitleid, der uns im Herzen fliesst, Und seine heilgen Perlen in manches Aug' ergiesst. – Im Prachtgemach sitzt Faustus, nicht in der Zelle mehr; Das ist von alten Büchern und altem Hausrath leer. Voll ist's von schönem Bildwerk, von seltnen Schilderein, Rings am Geräthe prangen Gold, Silber, Elfenbein. Da hört er auf dem Vorsaal ertönen frommen Sang; »Wie? War nicht längst verstummt hier der heilgen Lieder Klang? Horch! Ave maris stella ! Wer mag der Sänger sein? Die Stimme klingt melodisch; herein, Gesell, herein!« Wie Faustus freundlich öffnet, so steht ein Jüngling dort, Von frostbewegter Lippe bebt ihm ein bittend Wort. »Ein Schüler, Herr, ein armer, fleht ein Viaticum, Dess lohn' Euch der Erbarmer, und geb' Euch Glück darum!« ›Tritt ein, setz' Dich zum Feuer, Gesell, tritt immer ein; Das Feuer wärmt die Hand Dir, das Herz erwärmt der Wein. Dann sprich, von wo Du herkommst zu solch unholder Zeit? Ich bin, vermags ich irgend, zur Hülfe Dir bereit!‹ »Euch segnen, Herr die Götter, die hohen, allzumal! So reicht die Hand ein Retter mir nach so bittrer Qual! Ich will Euch treu berichten von mir mit wahrem Mund, Sind trüb' auch die Geschichten, und brennen's Herz mir wund!« ›Gut sprichst Du, Jüngling! Lüge wohnt Dir nicht im Gemüth, Das künden Deine Züge, die klar mein Auge sieht. Mich täuschet Keiner; nenne mir nun den Heimathort, Und Vater, Mutter, Namen, das künde mir sofort.‹ »Vom Vater – lasst mich schweigen!« spricht er mit trübem Ton: »Mir lebt nur der im Himmel; ich bin – ein Priestersohn. Die Mutter – starb; mir drohte des Klosters harter Zwang, Ich – sehnte mich nach Freiheit, ich trug's nicht – ich entsprang.« »Mein Name? Christoph Wagner; mein Erbe! dies Gewand; Und Wasserburg die Heimat, am Inn im Bayerland. Ich weiss Latein und Griechisch; bin fleissig, diente gern, Noch mehr mich auszubilden, bei solch gelahrtem Herrn.« ›Was reden heisst, mein Wagner, so sprichst Du leidlich gut; Doch brauch' ich einen Diener, dem schweigen nöthig thut. Ja, könnt' ich Tiefgeheimes, Gesell, Dir anvertrauen, Und wärst Du muthgen Herzens, und frei von kindschem Grauen –?! –‹ »Nicht besser schweigt der Todte sechs Fuss tief unterm Stein, Als ich Euch fest gelobe, verschwiegen, treu zu sein! Und wären jene Mähren, die von Euch umgehn, wahr, – Ich bin nicht bang vor Geistern, sie krümmen mir kein Haar.« – Da rollt ein dumpfer Donner durchs Haus, die Wand erbebt, Und still in grauer Kutte der Mönch durchs Zimmer schwebt, Und schwindet durch die Mauer – der Jüngling aber stand Und blickte ruhig seitwärts, hin, wo der Geist verschwand. »Du zitterst nicht!!« verwundert und freudig ruft es Faust: »Hat mir beim Erstenmal doch fast mehr, wie Dir, gegraust! Wohlan, trägst Du Belieben, mein Famulus zu sein, Verschwiegen, redlich, furchtlos , mein Wagner, so schlag' ein!« ›Verschwiegen, redlich, furchtlos, ein Tugendkleeblatt traun! Vierblättrig aber sollt Ihr's an Eurem Diener schaun. Dann bringt es Glück; ja, glaubet, dass Euer Wagner sei: Verschwiegen, redlich, furchtlos , und bis zum Tod – getren !‹ Des Winters Stürme tosen wild durch die todte Flur; Meister und Schüler kosen von Kräften der Natur. Ein Armer war gekommen hülflos an diesen Ort; Ein Zauberlehrling lauscht schon auf seines Meisters Wort. – X. Praestigiar. »Hoch Faustus! Hoch! Er lebe!« so schallt's im hellen Saal Vom Munde froher Zecher, Pokal klingt an Pokal; Gewandte Diener fliegen den Elfen gleich, umher; Süss rauscht von holden Klängen ein unsichtbares Meer. Von bunten Lichtern schimmern die Spiegelwände all', Und Zauberbilder lächeln und gaukeln im Krystall. Dort hauchen Blumen Balsam, dort schwebt des Weihrauchs Duft, Zum Garten wird der Festsaal, wie zum Arom die Luft. Dort springen klare Bronnen, wie steigt ihr Silberstrahl! Dort bieten sich die Früchte Hesperiens zur Wahl. Gleich flüss'gen Edelsteinen, im feuergoldnen Glanz, Blickt dort von edlen Weinen krystallklar mancher Kranz. Und dort bei hohen Gästen sitzt Faustus, reichgeschmückt; Ihn hat mit Wundergaben, so scheint's, das Glück beglückt. Und wie die Sonne freudig ausstrahlt ihr ew'ges Licht, Bei ihm der Kranz des Frohsinns in holde Blüthen bricht. Ja, Frohsinn ist ein Gastwirth, den Keiner schelten soll; Vom Zauberwein der Freude sind seine Keller voll. Ihm dienen heitre Scherze, sind immer bei der Hand, Und Lust ist seine Kelln'rin, holdselig, flink, gewandt. Sein Schild ist aufgehangen hochprangend am Portal, Darauf ein passend Sinnbild: ein schäumender Pokal. Und drunter steht mit Goldschrift, die weit ins Auge gleisst, Das: Ede, bibe, lude , und wie es weiter heisst. Zu frohen Liedesstimmen, zu hellem Becherklang, Ertönt von Waldessängern melodischzarter Sang. Aus grünem Laubwerk flötet ihr Lied die Nachtigall, Hell tönt aus düstern Büschen des Amselschlages Schall. Und plaudernd wiegt in Ringen sich mancher Papagei; Zahm schreiten Goldfasanen und Kraniche herbei. Wie fröhlich sind die Gäste; sie scherzen laut und viel, Und treiben mit den Thieren manch neckisch Gaukelspiel. Da schallt ein grimmes Heulen, gemischt aus Wath und Qual, Es zittern fast die Säulen im lustdurchrauschten Saal; Und stille wird's. – Was thut sich so furchtbar drohend kund? Aufspringt die Thür, es schreitet herein – ein schwarzer Hund. Gross, riesengross, und kohlschwarz und scheusslich nackt, das Paar Der Augen glüht wie Kohlen, das ist Prästigiar . Die Zähne zeigt er murrend, und wild der Augen Gluth; Und alles schweigt – sein Anblick lähmt Freude, Lust und Muth. So schleicht sich zu dem Frohsinn gar oft ein düstrer Gast, Bei dessen Schreckensanblick die Menschheit Schauer fasst, Mit welchem Spiel zu treiben sich Keiner leicht erfrecht, Denn oft zum strengen Herrscher aufwirft sich solcher Knecht. Und zürnend blickt nun Faustus, und ruft ihm herrisch zu; Gehorsam liegt der Riese zu Füssen ihm im Nu, Und setzt sich wieder aufrecht, reicht ihm die Tatze dar, Dann wandelt, gleich dem Tanzbär, murrend Prästigiar. Mit Grausen sehn's die Gäste; zu schrecklich blickt der Hund, Und zeigt die scharfen Zähne, den feuerrothen Schlund. Sie blicken mit Entsetzen auf ihn, den Freudenstörer, Und es wird still im Lustsaal, und leer, und immer leerer. Die Waldessänger schweigen im grünen Zauberlaub, Das abfällt von den Zweigen und wird zu Stroh und Staub; Und keine Lieder klingen; wozu? der Saal ist leer, Und keine Brünnlein springen mit sanftem Rauschen mehr. »Was scheuchst Du mir die Freude?« ruft Faustus zürnend, hart: »Die Gäste mir vertreibend durch Deine Gegenwart? Was trittst Du, nicht gerufen und nicht begehrt, zu mir?« Dumpf heult: »Das musst Du dulden!« zur Antwort ihm das Thier. Da wächst ein banges Grauen in Faustus Seele fest, Und schweigend er mit Wagner den Saal der Lust verlässt. Nicht fuhrt er mehr zum Munde den schäumenden Pokal, Der Frohsinn ist verschwunden, der Freudenwein ist schal. XI. Der Lustgarten. »Lasst Schellen hell erklingen bei buntem Mummenschanz! Lasst muntre Gäste singen und springen froh im Tanz!« So Faustus ruft, der Festlust als Lebenslust erkürt, Und, jeden Schmerz betäubend, oft bunte Reigen führt. Jetzt nah'n in vollen Schlitten sich Masken sonder Zahl, Die grüsset Wagner höflich, weit öffnet er den Saal. Die Winterhüllen fallen, manch schönes Auge strahlt, Und röther unter Larven sich manche Wange malt. »Willkommen, froh willkommen, Freundinnen, hold und fein! Willkommen edle Frauen und Herren! Nur herein! Auch Gruss den Musensöhnen, von edlem Blut entstammt! Zu dienen hier dem Schönen ist einzig Euer Amt!« Die Jungen wie die Alten grüsst so der Herr vom Haus; »Den Winter nur, den kalten, ihr Freunde, lasst mir draus! Er ist ein grämlichfinstrer, murrköpfiger Gesell; Ich mag ihn nicht, und schaffte den Sommer uns zur Stell!« Und durch die weite Halle die Gäste staunend gehn; Verwundrung fesselt alle, wie sie das Wunder sehn. Hier grünen Bäume, Lauben, der Rasen bunt geschmückt; Dort harren Purpurtrauben des Winzers, der sie pflückt. Dort glühen saft'ge Pfirschen rings an der Mauerwand, Dort neigen rothe Kirschen sich schwellend in die Hand. Dort glänzen, hell wie Sterne, Orangen licht im Grün, Dort flammt in höh'rer Röthe Granatengluthrubin. Und Blumen blühn in Fülle, wie sie der Sommer zeugt. Dort Tulpen, stolzaufragend, Narzissen, sanft gebeugt. Wo hoch auf schlankem Stengel sich Kön'gin Rose wiegt, Ist ihr als Mitregentin die Lilie zugefügt. Und heitres Leben regt sich ringsum in Busch und Baum, Singt, flattert, schwirrt und gaukelt umher im grünen Raum. Dort Vöglein, goldgefiedert, dort seltner Käfer Glanz; Dort buhlen Schmetterlinge, dort Mücken froh im Tanz. Die Vögel singen freudig, die Quellen rieseln traut; Die Mädchen winden Kränze, die Männer plaudern laut. Und rings ist Scherz und Jubel, und Sommersonnenschein, Nur von beschneiten Dächern schaut ernst der Winter drein. Ernst hat sich mit dem Lachen für immerdar entzweit, Und sich vor langen Zeiten befreundet mit der Zeit . Die blickt, ein hartes Steinbild, erstarrend und erstarrt, Trüb in den Sommernachttraum der kurzen Gegenwart. – An Faustus Seite schreitet ein wälscher Edelmann, In Scharlachtuch gekleidet, viel goldne Tressen dran. Wie schwankt die rothe Feder so stolz auf seinem Hut; Wie steht dem kecken Fremdling sein freies Wesen gut! Und hinkt sein Fass ein wenig von einem bösen Fall, Doch scheinen ihm gewogen die holden Fräulein all'. Er weiss gewandt zu reden, er macht sie scherzend roth, Und dass ihm eine zürne, damit hat's keine Noth. Ist's Noth auch, dass sich Geister aus ihrer Nacht bemühn, Um Seelen zu verderben und sie dem Licht entziehn? Es wohnt im Menschenherzen oft solch ein böser Geist, Dass er auf eignen Flügeln es hin zum Abgrund reisst. – Und zauberhafter zeigt sich das Gartens bunte Pracht, Und höher wächst das Staunen ob Faustus Wundermacht. Jetzt lockt sogar vom Kirschbaum die Feige, saftig weich; Und Datteln trägt der Birnbaum, wenn Faustus winkt, sogleich. Am Schleendorn sprosst ihm Lorbeer, Kastanien trägt der Buchs; Der niedrige Lavendel hat einer Lilie Wuchs. Die Mandel reift am Taxus, die Nuss am Myrthenstrauch, Erdbeeren trägt der Ahorn, und Nelken trägt der Lauch. – Weh, wer vom Pfad des Schönen ablenkt und irre geht, Zur Unnatur sich wendend, sich selber nicht versteht. Wer Gaukelei für Kunst hält, und Trug für Wahrheit schätzt, Und auf der Thoren Beifall Vertrauen gläubig setzt. Faustus, wie sucht Dein Streben solch irre Bahnen nun? Die Kraft des früh'ren Wollens spricht nicht aus Deinem Thun. Er, der an Dich gekettet durch Deines Zaubers Macht, Hat nicht Dich zu belehren, nur zu bethören, Acht. »Lasst Schellen hell erklingen bei buntem Mummenschanz, Lasst heitre Gäste singen und springen froh im Tanz. Ist Jugend nicht im Winter der Zeit ein Zauberhain? Ernst blickt von fernen Alphöhn der Schnee des Alters drein!« – XII. Erde und Meer. Des Frühlings warmer Odem weht übers weisse Land, Da lös't sich von den Strömen des starren Eises Band. Da grünen neu die Matten, da knospet Baum und Strauch, Erwachen tausend Schläfer vom lebenvollen Hauch. Doch wie dem Leben immer der Tod zur Seite geht, Und um den Tag der Freude mit dunklem Flügel weht, So zieht auch mit dem Lenze Verderben wild heran, Und rollt in Stromeswellen, und brauset im Orkan. Und kündet Krieg den Hütten, wirft Brücken in den Grund; Verzweiflungsruf thut heulend die Noth, die grosse, kund. Die finstern Wogen rollen, brausend in dunkler Nacht; Des Eises scharfe Schollen sind ihre Heeresmacht. Das Unglück wird zum Schauspiel, und jeder eilt hinaus; Drei Männer stehn von ferne, hinblickend nach dem Graus. »Gross ist,« beginnt der Eine: »Natur, Dein hoher Gang, Er heisse Frühlingssäuseln, er heisse Wogendrang!« »Ja, Herr!« spricht drauf der Zweite bescheiden: »Wunderbar! Wir nehmen hier den Weltgeist in seinen Werken wahr. Und mehr ergreift's die Seele, wenn wir ihn zürnen sehn, Als wenn von seinem Lächeln die Blümlein auferstehn!« Und düster spricht der Dritte: »Was Euch das Herz bewegt, Das Herz, vom kleinsten Anlass zum Springen aufgeregt, Das geht an mir vorüber, ich sehe nichts erneut; Vor mehr denn tausend Jahren war's eben so, wie heut.« Drauf Faustus zum Begleiter, dem Höhnenden, gewandt: »Ist Dir der Dinge Werden vom Anbeginn bekannt, So gieb uns dess Belehrung, wir bitten Dich gar sehr! Wie sind die Berge worden? Wie wurden Land und Meer?« Da zieht Mephisto höhnisch in Falten das Gesicht, Und neigt sich bis zur Erde vorm Frager, eh' er spricht. Wie Wetterleuchten loht es in seiner Augen Stern, Und unwillkommen ist ihm der Wille seines Herrn. »Die Welt ist uranfänglich, so was Ihr – ewig heisst, Ein Leib, der unvergänglich, und Leben ist ihr Geist. Die Sonnen, die Planeten, die Stern' am Himmelszelt Das sind zerfallne Glieder des grossen Wesens Welt .« »Einst war das All nur eines, ein schönes dunkles Graun, Nichts Grosses und nichts Kleines, nicht Herr, nicht Knecht zu schaun. Da hat es Wer geschieden, der wies den Sternen Bahn, Und bald war's um den Frieden im ew'gen All gethan.« »Auch Feuer, Meer und Erde war mit dem Firmament Ein friederfülltes Ganzes, bis alles sich getrennt, Die Massen sich zerschlugen, Licht mit dem Dunkel rang, Doch Meer und Land vertrugen sich damals noch gar lang.« »Bis dass auch sie sich schieden; da sprach das Meer zum Land: Lass scheiden uns im Frieden, wir bleiben doch verwandt. In meinem Schoos getragen hab' ich als Mutter Dich, Doch Deine Berge ragen zu stolz schon über mich.« »Wir theilen; nimm die Vögel, nimm, was in Lüften schwimmt! Was sich im Wasser freuet sei fürder mir bestimmt. Dich mögen Greif und Lindwurm und Elephant erfreun; Mein sei die Wasserschlange, der Leviathan mein!« »Ich lasse dir die Sträucher, die Bäum' und Blumen all'; Lass mir dafür den Kraken, den Behemoth, das Wall. Will mir schon Bäume schaffen, auch Blumen, tief im Schooss An purpurrothem Strauchwerk grünt mein Korallenmoos.« »Und lass uns Pfänder tauschen, Erinnrung alter Zeit; Ich will um Inseln rauschen, die bleiben mir geweiht, Du magst mit grünen Ringen von Blumen und Gestein Um manchen See Dich schlingen, er soll Dein eigen sein.« »So sprach das Meer zum Lande, das that nach diesem Wort, Und Ström' und Flüsse sandte zum Meer es grüssend fort. Das Halbtheil der Geschöpfe der Ozean empfing, Indess auf festem Boden die zweite Hälfte ging.« »Nun ward der erste Frühling dem armen nackten Land Als eine reiche Buhle vom Himmel zugesandt; Sie kommt daher gezogen mit köstlichem Geschmeid, Und deckt den dunklen Riesen mit ihrem Blumenkleid.« »Des Frühlings warmer Odem lässt Blumen auferstehn; Doch mit dem Hauch des Todes das Leben wir umwehn. Und was da knospt und blühet, es blüht nur kurze Zeit, Der baldigen Vernichtung ists schon im Keim geweiht.« – XIII. Der Magus. Wie strömt des Volkes Menge zu Faustus hin ins Haus! Wie fliegt der Ruf des Magus dafür so weit hinaus! Wenn wo Bewundrung eingeht in einen Bildersaal, Tritt sie heraus als Fama, fliegt über Berg und Thal. O Zauberkunst, wie bist Du so lockend, machtvoll, schön! Du trägst auf Feuerschwingen den Faust auf Bergeshöhn, Du deutest ihm die Sternschrift, und vom Prophetenmund Wird staunender Umgebung der Zukunft Dunkel kund. Noch ruht in seiner Kammer der Spiegel, leuchtend klar, Den einst in schwarzer Stunde der Erde Schooss gebar; Darin der Dinge Bilder, die waren, die geschehn, Des Magus Blick wie Geister graunhaft vorübergehn. Noch stehen die Planeten in seinem Saal im Kreis; Er forscht in ihren Häusern gar oft mit ernstem Fleiss, Er deutet Räthselpunkte, stellt manches Horoskop, Und weit in alle Lande hin fliegt sein hohes Lob. Und Preis und Ehre werden sein wachsend Eigenthum; Auf seines Hauses Zinnen geflügelt steht der Ruhm, Und was aus lauter Tuba nach allen Winden braust, Ist nur vom Faust die Kunde, der hohe Ruf des Faust. – Ruhm ist ein schöner Festschmuck, ein glänzendes Kleinod, Im Leben eine Krone, ein Ehrenkranz im Tod. Doch eine spröde Daphne, die kalt, als Lorbeer spriesst, Wenn sie mit Liebesarmen ein glüh'nder Gott umschliesst. Ja, Wahrheit zeigt die Mythe gar manchem Erdensohn. Erst nach dem Tode wird ihm der Anerkennung Lohn, Erst nach dem Tod darf spriessen der Lorbeer seinem Geist; Erst dann wird er gepriesen, wenn sein Mund nichts mehr preist. Und Faustus, wie sein Ruhm auch die Länder überflog, Wünscht oft zurück das Glück sich, um das er sich betrog. Wie demuthvoll sich neigen vor ihm auch Alt und Jung, Für seine Wünsche findet er nie Befriedigung. Oft sitzt er in Gedanken zu mitternächt'ger Zeit, Auch Wagner von sich schickend, der rastlos dienstbereit, Und seinen Busen quälet, was nie verscheucht ein Lob, Was Keinem er erzählet, was nie sein Zauber hob. Unruh, Du klopfst im Busen, die Todtenuhr im Holz; Vor Deiner Nachterscheinung erbleichen Macht und Stolz. Du bist ein krächzend Leichhuhn, das übern Friedhof fliegt; Ein weinend Kind, das schlaflos die Mutter seufzend wiegt. Ruhm, der um Ruh' erkauft wird, ist kein beglückend Gut! Ein Kind ists, das getauft wird mit des Vaterherzens Blut; Das an der Brust der Mutter mit grimmen Zähnen hängt, Und grausam die verwundet, die zärtlich es umfängt. So mag wohl Mancher sitzen, vor dem die Menge kniet, Der falschen Ruhmes Lorbeer sein Haupt umgrünen sicht, Vor dem das goldne Rauchfass des Lobes Knechtsinn schwingt, Dem Eitelkeit und Hoffarth Sirenenlieder singt. Eine Stimme lebt im Innern, die singt solch Lied nicht ein; Ein Strahl, vor dem erbleichet der falsche Heil'genschein. Ein Wurm, der nicht vertrieben wird von des Weihrauchs Qualm, Ein Schmerzensschrei, der lauter, als jeder Schmeichelpsalm. Wie strömt des Volkes Menge zu Faustus hin ins Haus! Wie sehnt aus dem Gedränge der Magus sich hinaus! Sein Name wird gepriesen, das Wunder seiner Zeit, Er, Groll und Schmerz im Busen, nennt sich – vermaledeit. – XIV. Makel. Man spricht von einem Spiegel, der duldet keinen Rost; Und eine Blume giebt es, die knickt ein einz'ger Frost; Ein Kleinod, das nur einmal die Kunst des Meisters schuf, Sich, Spiegel, Blume, Kleinod , das ist – der gute Ruf . Dort steht ein Bilderkrämer, vom allem Volk umdrängt; Vom Faustus hat er Thaten im Holzschnitt ausgehängt. Auf dieser Bilder einem frisst Faust ein Fuder Heu, Das Bild, wie Faust den Rosskamm betrügt, hängt gleich dabei. Und Faustus geht im Zimmer ingrimmig, wild umher. »Wer thut mir solchen Schimpf an, solch ungeheuern, wer? Ich, ein gemeiner Gauner, der Gaukelkünste treibt? Ich, Faustus ? Der den Geistern der Nacht Gesetze schreibt?!« – »Geh, Wagner! Eile! Fliege! Abkauf ihm seinen Kram! Erstick' die freche Lüge! Weh! Mich erstickt die Scham! Mephisto!!« – und der Diener ist gleich dem Ruf zur Stell'; »Fluch Dir, Du tückischlistger, Du teuflischer Gesell!« »Bewahrst Du so den Ruhm mir? Verhöhnst Du meine Macht? Und was mich tief erniedrigt, dess hast Du nimmer Acht! Fort! Reisse den in Stücken, der mir die Ehre stahl! Umgarn' ihn, halt' ihn, quäl' ihn mit Deiner ärgsten Qual!« So Faust mit glühnden Wangen und zornigzitternd spricht, Doch ruhig steht Mephisto; er weicht und wanket nicht. Er steht und blickt mit Lächeln auf den zornvollen Mann, Als fessl' ihn an den Boden ein mächt'ger Zauberbann. »Bist Du der Faustus?« spricht er: »der kühn durch Wolken fliegt? Der über alle Kräfte der Wesenmutter siegt? Bist Du der Faustus? Himmel und Hölle fasst Dein Drang? Dir macht ein armer Krämer mit schlechten Bildern bang?« Und Faustus donnert zornlaut: »Dess soll mich Keiner zeihn, Mich Keiner fähig halten solch niedrer Gaukelein! Was soll die Nachwelt glauben, wer ich gewesen sei, Wird ihr auf solchen Bildern entstellt mein Konterfei?« »Kühn nach dem Höchsten strebt' ich mit meiner ganzen Macht; Und dieser Gottheit hab' ich mein Höchstes dargebracht! Weh, hing sich solcher Makel an meines Namens Schall! Das wär' mein schwerster Jammer, das wär' mein tiefster Fall!« ›So sättigt Dich die Frucht nicht des Glücks der Gegenwart? Du wirbst auch um den Nachruhm und schiltst mich darum hart? Wohl! Nachwelt soll Dich richten, Dein Wille soll geschehn! Die Bilder – will ich vernichten, es soll sie Keiner sehn!‹ Mephisto ruft's voll Hohnes, und schwindet, Schatten gleich; Ihm nach blickt Faustus finster, freudarm und unmuthreich. »Die Nachwelt – soll mich richten? Mein Wille soll geschehn? Weh, wenn solch niedre Geschichten zu ihr einst übergehn!« »Fort! Fort von hier! Hier trag' ich kein Menschenantlitz mehr! Mein Name läuft besudelt von Haus zu Haus umher, Ein ränd'ger Hund, den Bosheit und Bubenwitz entblösst, Den Jeder mit Verachtung, mit Füssen von sich stösst!« »O guter Ruf, Du Perle, die sanft, bescheiden glänzt, Im Goldreif reinen Wandels bist Du fest eingegrenzt; Wenn Frevel Dich herausbricht aus Deinem sichern Port, Dann gehst Du leicht verloren, und rollst für immer fort.« »Leicht trübt den Ehrenspiegel ein Fleck, der nimmer weicht; Den aus dem goldnen Buche des Lebens Keiner streicht. Vom Markt ins Haus getragen sticht mich ein Skorpion, Und Jener brennt als Wundarzt die Beule mir mit Hohn.« »Wer reinigt mir die Ehre von jenem Rostfleck, wer? Wer stellt verwelkte Blumen frischblühend wieder her? Die Blumen hat vernichtet der Frechheit eis'ger Frost, Und bittre Galle reicht mir des Satans Hohn zur Kost!« XV. Der Zaubermantel. »Was frommt nun dumpfes Brüten bei Dingen, die geschah'n? Das ist ein Basilisk-Ei, gelegt von einem Hahn. Der Hahn, der heisst Gewissen, ist Wächteramts bewusst, Der Basilisk ist Trübsinn, vergiftend jede Lust.« »Auf, auf, zu frischem Leben! Fort in die weite Welt, Wo nicht solch bittrer Unmuth die Freuden Dir vergüllt! Zu frohen Hochzeitfesten, zu Reigen und Turnier! Von allen schlimmen Gästen ist Gram der schlimmste mir.« So spricht zu Faust Mephisto, zu dem gebeugten Mann, Der seines Namens Makel noch nicht vergessen kann. Der seines Stolzes Glanzschild entehrt sieht und befleckt, Und sich so weit vom Ruhmziel, das er sich ausgesteckt. »Wohlan denn, fort! Und trage mich nun auf sichrer Bahn! Ein irrender Odysseus im Lebensozean, Bin bald ich der Charybdis, bald Soylla's Heuleu nah, Doch nimmer werd' ich finden der Sehnsucht Ithaka!« »Und nun wohin Mephisto? Den Ort bestimme gleich!« – Da kommen drei Barone, jung, freudesüchtig, reich. »Wir tragen grosse Bitten Euch vor, erhabner Mann, Der, was unmöglich scheine, leicht möglich machen kann!« Und Faustus: »Redet Freunde, sagt an, was Ihr begehrt! Es hat Euch meine Liebe schon Euern Wunsch gewährt. Ihr scheint mir reiselustig, und reisefertig gleich, Verlangt Ihr eine Lustfahrt, so theil' ich sie mit Euch!« ›Ihr wisst, der Baierherzog vermählt der Tochter Hand; Ganz München glänzt im Festprunk, zu weit nur liegt das Land. Wir möchten gern die Feier und gern das Brautpaar sehn, Doch nur, wenn Ihr uns hülfreich, o Faustus, kann's geschehn.‹ Eine glatte Schlange giebt es, die leicht in Herzen schleicht, Und einen süssen Honig, der Macht als Kost gereicht. Und eine Blume, giftig, voll Balsamdufts dabei: Sieh, Schlange, Honig, Blume, das ist die Schmeichelei . »Wir schaun das Fürstenbrautpaar, eh' wieder Abend naht, Nur sorget, dass nicht lautbar und stadtkund wird die That. Wir wollen schneller reiten, wie Perseus einstens ritt, Wir nehmen nur das Hütlein des Fortunatus mit.« »Ich, Faustus-Fortunatus, führ' Euch auf luft'ger Bahn; Es wird im Meer der Wolken mein Mantel unser Kahn. Wir segeln hoch und schweigend, vom Aetherduft umhaucht, Ins Bad der Morgenröthe das kühne Haupt getaucht!« So redet Faustus heiter, er winkt dem Diener zu; Aus breitet der den Mantel – sie schwinden hin im Nu. Hoch über Berg' und Wälder, gleich einer Wolke Zug, Die Sturmwind fortpeitscht, richten sie südwärts ihren Flug. Und eh' der Alpen Kronen erglühn im Morgenschein, Die fern heräbergrüssen ins ebne Land herein, Stellt schon auf festen Boden der Zaubrer seine Last, Die, schwindelnd von der Luftfahrt, noch kaum das Wunder fasst. Und wo mit hellen Zinnen aufragt die Residenz, Grüsst man die reichen Fremden mit tiefer Reverenz. Sie schreiten, wie geladen, durch das Gewühl voll Pracht, Sie scheinen selber Fürsten, so reich ist ihre Tracht. Sie sehn den Glanz der Feste, sie sehn das hohe Paar, Sie sehn der edlen Gäste glanzvoll geschmückte Schaar. Die reichen Prachtgeschenke, den hellen Fackeltanz; Den Himmel hier voll Schönheit, und dort ein Meer voll Glanz. Und als auf braunen Schwingen die Nacht sich niedersenkt, Der Wolkenschiffer wieder die Mantelfähre lenkt. Die Freunde, schlummertrunken und trunken auch von Lust, Sind wieder heim gekommen, der Luftfahrt kaum bewusst. Und als sie dann erwachen, dünkt sie's ein wirrer Traum. »Trug nicht ein leichter Nachen uns durch der Lüfte Raum? Wo blieb nun unser Schiffer, der zaubermächtge Faust?« Der war auf Sturmesflügeln nach anderm Ort gebraust. »So recht, mein Faustus!« redet der Geist den Zaubrer an; »Fort mit dem dumpfen Brüten bei Dingen, die geschahn. Das Leben währt nicht lange; geniesse, weil Du lebst! Die Lust ersteht nicht wieder, die Du im Gram begräbst!« – XVI. Auerbachs Keller. »Das Leben froh geniessen, ist eine Kunst, gar werth, Die Professorenweisheit, Magisterwitz nicht lehrt. Musst sie vom Leben lernen, das lehrt ohn' Unterlass, Dann wird das Universum Dir Universitas!« So spricht der Geist zu Faustus, der wieder traurig sass, So gern vergessen mochte, doch immer nicht vergass; Gern hätt' erlöschen sehen der Lebenslampe Docht, Und gern sich selbst begraben, hätt' er das nur vermocht. »Das Leben ist ein Becher, der Gall' und Honig eint; Ist Fackel, die bald aufflammt, bald zu verlöschen scheint; Ein Würfel, der dem Spieler bald viel, bald wenig zeigt; Ein Sprosser, der im Mai singt, dann lange, lange schweigt.« »Du musst den Becher leeren, auch Gall' ist Arzenei! So lang' die Fackel leuchtet, steht Dir zu wandeln frei! Und zeigt Dir Glück der Würfel, erfass' es, halt' es fest! Wenn Sprossers Lied verstummt ist, dann sitzt er warm im Nest.« ›Auf denn! Aufs Neue rasen! Den vollsten Becher mir! Ich will ihn durstlos leeren, und taumeln zur Begier! Den Arzt her, der mir Mohnsaft für innern Schmerz verschreibt! Wird nicht der Schmerz gehoben, so wird er doch – betäubt!‹ – Er sitzt in Au'rbachs Keller, den Sang und Klang durchtönt, Womit so gern die Freude die Lust der Becher krönt; Sein Wagner ihm zur Linken im stattlichen Talar, Und zu des Meisters Füssen ruht still Prästigiar. Und bald ein leises Flüstern durchläuft der Gäste Reih'n, Und mancher Blick fliegt lüstern nach Faustus übern Wein. »Das ist er, Freunde, seht ihr den hochberühmten Mann? Dem alle Wunder Spielwerk, der trefflich zaubern kann?« »O gäb' er uns, den Gästen als leckres Schaugericht, Auch einen Schwank zum Besten! Wie köstlich wär' es nicht! Ist Keiner, der ihn angeht mit feiner Höflichkeit? Ihm wär' solch Ding ein Leichtes – wir wären all' erfreut!« So geht die leise Rede, sie wird im Keller laut, Und wünschend und verlangend auf Faustus Jeder schaut. Und Wagner neigt sich lächelnd und flüsternd zu dem Herrn: »Die werthen Gäste sähen von Euch ein Wunder gern!« Und Faustus: »Dass die Menschen doch stets ein Trieb erfüllt, Zu schauen das, was schweigsam sich tief in Räthsel hüllt! Verlassen wird das Bildniss, ist der Schleier abgestreift; Um Gott selbst wird's geschehn sein, wenn ihn der Mensch begreift!« »Geheimniss, o Du Zauber vor allen Zaubern gross! Du gehst mit Wundern schwanger, Dir ruht ein Gott im Schooss. Du hast schon manch Jahrtausend in dunkler Nacht gethront, Und keiner Deiner Priester ging von Dir unbelohnt!« »Was mühen sich die Küfer dort um das Stück voll Wein? Und bringen's nicht von dannen, könnt's einer doch allein!« – Und wie sich nun um Faustus schnell drängt der Gäste Schaar, Spannt der mit seidnen Fäden ans Fass Prästigiar. Und setzt sich drauf als Reiter, so dass es Alle sehn; Drauf sich das Fass beweget, als hüb' es Sturmeswehn, Aufwärts die Kellerstufen – wie jauchzen Alt und Jung! Wie mischt sich Staunen, Grausen, Schreck und Bewunderung! Und Faustus geht, halb lächelnd, halb trüb und missgestimmt. Ihm folgt mit dumpfem Murren Prästigiar ergrimmt. Doch von der Schaar, die lustfroh sich um das Stückfass zog, Schallt noch zu Becherklängen manch lautes Lebehoch. »Hört Ihr die Menge jubeln? Ihr habt sie froh gemacht! Kein heitrer Bild im Leben, als wenn das Leben – lacht. Seid Ihr auch selbst nicht glücklich, macht Ihr doch Andre froh, Doch, blicket nicht so düster, sagt, was verstimmt Euch so?« So Wagner spricht, und Faustus: »Der Jubel – freut mich nicht; Der Freude bin ich abhold, und Freud' erfreut mich nicht. Und Heiterkeit erheitert mich nicht und freut mich nicht! Mein Glücksschiff ist zerscheitert, das Leben – freut mich nicht!« »Das Leben froh geniessen, ist eine Kunst, gar werth, Weil zu der reinen Freude ein reines Herz gehört. Und ich kann nimmer froh sein, mich quält ohn' Unterlass Ein fluchbeladner Dämon – ich nenn' ihn: Lebenshass!« – XVII. Homeros. Herauf ihr Riesengeister aus alter Heldenzeit! Ihr habt den Mäoniden mit heilgem Kuss geweiht, Da hat er Euch gesungen in einem Zauberlied, Das schon dreitausend Jahre in ewger Jugend blüht. Ein Fels, an den die Brandung der Völkermeere schlägt, Der kühn und unerschüttert das Haupt in Wolken trägt, Ein Born, der ewig quellend, nie süsser Labe leer, Ein Stern, die Nacht erhellend, das ist Dein Sang, Homer ! Ob Zeitenstürme brausend am Fels vorüberwehn, Jahrtausend auf Jahrtausend wird unbesiegt er stehn. Und durch die Schlachtendonner, durch ungeheuern Drang Dringt hold der Quelle Rieseln, tönt süss des Liedes Klang. Der Jugend Herzen brennen, in heller Lust erglüht; Mit Deinem Liede wecktest Du manch unsterblich's Lied. Du bist die Memnonssäule, von Phöbus Strahl gekrönt, Die heilig durch das Frühroth der jungen Menschheit tönt. Du bist ein Götternektar, der Greise selbst verjüngt, Der an das Glück der Jugend Erinnrung wieder bringt. Du bist zum Gott geworden, auf zum Olymp entrückt, Durch alle Zeiten blühend, beglückend, wie beglückt! – Zum alten Erfurt eilet Faustus, der sonder Rast Durch Welt und Leben hinstürmt voll ruheloser Hast. Der nimmer ein Genügen des irren Dranges fand, Der ewig unbefriedigt hinzog von Land zu Land. Weit, weithin flog sein Ruf schon dem Mächtigen voran; Ihm streut mit bunten Blüthen Bewunderung die Bahn. Vom Nordland geht zum Südland von ihm gar manche Mähr, Und zieht im Mund des Volkes phantastischbunt umher. – Sieh, vor des Doktors Wohnung, was hellt die schwarze Nacht? Was kommt daher gezogen in ritterlicher Pracht? Viel' hundert Fackeln flammen, und Lied und Laute schallt, Und: » Faustus vivat! vivat! « weit durch die Strassen hallt. Das sind Erfurts Studenten, das ist ihr Gruss an Faust, Dess Nam' auf Ruhmes Schwingen laut auf zum Himmel braust. Und wie der Meister dankend sich zeigt auf dem Balkon, Folgt seinem Wink begeistert der frohe Musensohn. Und wie nun Becher klingen, Frohsinn den Kreis durchschwebt, Den mancher Spruch aus Hellas und Latium belebt, Da hebt ein wackrer Jüngling den Becher hoch empor: »Den Manen des Homeros!« ›Homeros!!‹ schallt's im Chor. »Und möchtet Ihr ihn schauen, den Eure Liebe preist? Und säht Ihr sonder Grauen des Mäoniden Geist? Und die sein Lied geschaffen, und herrlich uns genannt, Hektor im Schmuck der Waffen, Achilleus, zornentbrannt?« So fragt die Musensöhne jetzt Faustus allzumal, Und wunderbare Töne durchklingen schon den Saal. Der Kerzen Glanz verdämmert, und Nebel düster wallt, Der Magus murmelt Formeln, der Nebel – wird Gestalt. Da schwebt geschlossnen Auges ein frommes Silberhaupt, Von Delos heilgem Lorbeer umgrünet und umlaubt. » Homeros !« bebt es schauernd und leis' von manchem Mund; Dann thut in tiefstem Schweigen sich höchstes Staunen kund. Der Sänger schwand; es zeigt sich dem überraschten Blick Des Menelaos Schatten, und tritt in Nacht zurück. Achill erscheint, dann Hektor; der greise Priamus, Odysseus dann und Ajax mit kriegerischem Gruss. Die Flammenaugen drohen und sprühen Kampfeslust; Der Anblick der Heroen durchschauert jede Brust. Die hohen Helden schwinden, es rollt ein Donnerton, Und eintritt Polyphemos, Poseidons Riesensohn. Sein Auge scheint ein Spiegel von Aetnas wilder Gluth; In seines Bartes Wirrhaar abträufelt Kindesblut. Von grausenvoller Mahlzeit hält noch als Ueberrest Der Kyklop einen Schenkel in nervger Linken fest. Und stösst in seiner Rechten den Speer zum Boden hart, Dess zagen die Studenten, von Schreck und Graus erstarrt. »Halt ein!« so rufen alle: »Nichts weiter lass uns sehn!« Und höhnisch winkt der Zaubrer, und heisst den Schatten gehn. – Lass unten Deine Geister aus alter Heldenzeit, Wie sie Homer beschworen, schaun wir sie hocherfreut. Dich hat, wie gross und mächtig Dein Zauber immer ist, Nicht gleich dem Mäoniden die Grazie geküsst! – XVIII. Der Nacht-Ritt. Wie stellt voll bunten Glanzes sich dem das Leben dar, Der Länder mag durchreisen, frei, jeder Sorge baar! Es wird solch heitrem Pilger die Welt zum Eigenthum; Oft ungeahnet findet er ein Elysium. Auf hohen Bergen steht er, die Arme breitend weit, Die Länder ruhen drunten in stiller Herrlichkeit. Da darf die Brust sich heben so lebenvoll, so reich, Die Seele wünscht zu schweben dem Felsen-Adler gleich. Nie ringt ein Wunsch so mächtig sich von dem Herzen los, Als, wenn die Schöpfung prächtig vor Augen liegt, und gross, Der Wunsch: auf Zauberflügeln, wie Wolken, hinzuziehn, Hoch über Bergen, Hügeln und sanfter Thäler Grün. – In Erfurt hält ein Gastmahl ein Edler vom Geschlecht; Schon haben manche Stunde die Gäste froh gezecht; Oft denken sie des Magus, der Allen wohlbekannt, Oft wird ein Wunsch nach Faustus zur Ferne hingesandt. Der aber weilet fern jetzt, in Prag und hoch verehrt, Wo sich sein Zauberruhmkranz mit mancher Blüthe mehrt. Es strömet ihm die Fülle prachtreicher Gaben zu, Er findet Ruhm, doch nimmer die heiss ersehnte Ruh. Du Seelen-Schaukelbettlein, Du weiche Mutterbrust, Du Himmelstraum voll Engel und Paradieseslust! Du, Ruhe des Gemüthes , wer noch so glücklich ist, Soll sich nicht glücklich preisen, so lang' er Dich vermisst! – Es hebt der Wirth den Becher, und ruft: »Dir bring' ich's, Faust! Der fern von seinen alten, bei neuen Freunden haust! Dein Wohlsein, und vernähmest Du meine Wünsche dort, So wärst Du klug und kämest in unsern Kreis sofort!« Faust sieht im Zauberspiegel der fernen Freunde Schaar, Und ihren Wunsch vernimmt er, und ruft Prästigiar, Und fliegt auf dunkelm Nachtross, wie Klinsor einst gethan, Als er zum Sangeskampfe nach Wartburg zog heran. Es hat nicht lang' den Becher der heitre Wirth geleert, Da wird ein lautes Pochen am Hofthor schon gehört. Ein Reiter steigt vom Schwarzross; der Diener öffnet schnell; »Geh, grüsse Deine Herrschaft vom Faustus! Flink Gesell!« Der Diener eilt ins Zimmer, thut Meldung von dem Gast, Drob Staunen und Bewundrung den Freundeskreis erfasst. Dem Hausherrn dünkt unglaublich des Knechts Bericht zu sein, Da tritt, den er verkündet, der Zauberer herein. »Dein Wunsch ist hingedrungen zu mir, wie fern ich war, Gleich hab' ich mich geschwungen auf den Prästigiar; Der trug zum Ross verwandelt mich windschnell durch die Nacht, Ich dachte gern der Freunde, die mein so treu gedacht!« »Und mag uns nun ergötzen ein lustger Zauberschwank, Zum alten Wein des Gastwirths bring' ich Euch neuen Trank. Der Quell des Traubenblutes soll springen aus dem Tisch!« Er bohrt, und in die Becher quillt Nektar süss und frisch. Die Gäste trinken jubelnd die goldne Zauberfluth, Hoch wächst der Baum der Freude, die Wangen purpurt Gluth. Und wie in volle Blüthen die Lust der Zecher bricht, Kommt schnell herein der Diener mit bleichem Angesicht. »Das Ross, Eu'r Ross, Herr Doktor – nicht zu ersätt'gen ist es. Für zwanzig hat's gefressen, noch wie der Böse frisst es!« Dess alle Gäste lachen, und Faustus spöttisch sagt: »Die Reise wohl wird machen, dass ihm so viel behagt.« Drauf, wie die Morgenröthe kaum fliegt im Ost empor, Da schallt ein lautes Wiehern herauf an Aller Ohr. Wie Löwenstimme brüllend, dass das Gebälk erbebt, Und ungesäumet Faustus vom Sessel sich erhebt. »Lebt wohl! Mein Diener ruft mir!« Er geht hinab zum Ross, Das, als er's kaum bestiegen, mit ihm die Luft durchschoss; Weit fort und immer weiter, sich selber zu entfliehn Peitscht es der düstre Reiter, und zürnend trägt es ihn. Ihm stellt voll bunten Glanzes sich nicht das Leben dar, Durch Donnerwolken trägt ihn voll Grimm Prästigiar; Fort braust er ungezügelt mit wildem Sturmwindflug, Von dessen Macht beflügelt, der ihn in Ketten schlug. XIX. Der Regenbogen. Wer kann den Himmel fassen, wer über Wolken gehn? Wer auf der Asgard-Brücke, wie Heimdal, selig stehn? Greift nach dem Friedensbogen, wem doch der Friede fehlt, Dem er sein Selbst entzogen, von Zweifeln bang gequält? – Und Faustus, wie so friedlos, freudlos und ruhelos Ist er, klein an Vergnügen und doch an Ruhm so gross! So arm an Wunscherfüllung und doch an Wünschen reich, So niedrig hier wie Bettler, dort Pharaonen gleich! Er will nicht mehr die Menge, nicht mehr des Ruhms Geleit, Ihm ist die Welt zu enge, doch Einsamkeit zu weit. Ist müde der Bewundrung, geht friedlich seine Bahn, Und schliesset still sich Menschen zufriednen Sinnes an. Mit Handelsleuten zieht er, die nicht für Wunder Sinn, Ihr Zauberstab heisst rechnen , ihr Streben heisst Gewinn . Das Hundert thun zum Hundert ist ihre Wissenschaft, Und wird sie nicht bewundert, übt sie doch Zauberkraft. – Hoch auf dem Odenwalde hebt sich ein stolzes Schloss, Den Herrn drin zu begrüssen zieht hin der Krämertross. Sie laden auch den Magus, den unbekannten, ein, Und seinen Gästen bietet der Schlossherr edlen Wein. Sie trinken froh und klingen oft an auf gute Fahrt, Auf günstges Glück der Messe, so ganz nach Krämer Art. Sie plaudern von den Freuden, die Frankfurt immer beut, Und schelten schlimm die Zeiten; schlimm schilt man jede Zeit. Als sie das Schloss verlassen, zeigt sich in hoher Pracht Ein heller Regenbogen auf grauer Wolkennacht. »Ha seht! Ein gutes Zeichen, das heitre Fahrt verspricht! Die Stürme werden schweigen! Gegrüsst, du himmlisch Licht!« So rufen die Genossen, drauf Faust die Stimm' erhebt: »Soll ich den Bogen fassen, der dort auf Bergen schwebt?« Ungläubig lächeln Alle, Wahnsinn dünkt sie das Wort, Der Zaubrer winkt, und her zieht das Meteor sofort. Ausstreckt er seine Rechte, greift in den bunten Glanz; Und über Allen prachtvoll wölbt sich der Farbenkranz. Da stehn sie stumm und staunend, gefesselt Wort und Blick. Und langsam schwebt der Bogen, wo vor er stand, zurück. Halb lächelnd drauf blickt Faustus, halb ernst die Männer an, Die ehrfurchtvoll wie graunvoll auf den Begleiter sahn. Sein Ansehn scheint verwandelt; der so bescheiden schien, Steht jetzt gleich einem König, und blickt so stolz und kühn. Und spricht: »Sagt, gute Männer, ob, was ich Euch gezeigt, Nicht Eurem nichtgen Streben, ob's Eurem Selbst nicht gleicht? Ihr fasst mich nicht? Der Schimmer, wie flog er schnell dahin? Ich nenn' ihn eitles Glänzen; ihr nennet ihn: Gewinn .« »Wie ich nach jenen Farben, so hascht Ihr nach dem Glück. Es eilt Euch schnell zu Handen, und gleich schnell eilt's zurück. Gar holden Glanzes naht es, und leuchtet schön, doch wisst Dass der Fortuna Schleier ein Irisbogen ist.« – Er sprichts und geht von dannen, fort in die Dämmerung; Ein Geist, der nicht zu bannen durch Zauberstabes Schwung, Ein Geist, der düster mahnend, von verlornen Himmeln sprach, Geht mit ihm, wie sein Schatten, geht mit ihm Nacht und Tag. Der flüstert jetzt: »Was predigst Du Jenen vom Gewinn, Die still und ruhig wandeln bescheidne Pfade hin? Indess Du selbst vermessen nach einem Glanz gefasst, Darob Du Gott vergessen, Dein Glück gemordet hast!« »Der Mensch greift in die Zukunft nach buntem Schimmerglück Mit Wünschen heisser Sehnsucht, mit manchem Hoffnungsblick. Er fasst den Irisbogen, den Zauberfarbenschein; Bald ist der Glanz entflogen, nur Thränen – bleiben sein.« »Wen falscher Schimmer blendet, dem wird des Truglichts Strahl Zur Qual die nimmer endet, bis mit der letzten Qual. Die Gluth, um die die Mücke mit lautem Flügel spielt, Sie wird zum Dolch, der brennend sich in ihr Leben wühlt!« »Wer kann den Himmel fassen? Wer über Wolken gehn? Dort, wo nur reine Geister des Vaters Klarheit sehn? – Der Du mit Trug und Täuschung der Menge Sinn verkehrst, Dir wäre besser, wenn Du nie, nie geboren wärst!« – XX. Zaubermord. Das Leben gleicht der Lilie, die blüht im hellen Schein; Auch Unschuld gleicht der Lilie, so himmlischzart und rein. Oft vom Verderber werden die Lilien geknickt, Oft, eh' sie noch verblühten, von rauher Hand zerpflückt. In Frankfurt nun weilt Faustus, noch still, noch unerkannt; Da naht der Geist mit Wagner, von ihm vorausgesandt. »Du bist zu spät gekommen, schon ist ein Faustus hier, Der stiehlt mit Gaukelkünsten Ruhm, Ansehn, Ehre Dir!« »Er liess den Circus bauen, vor dem das Volk sich schlägt, Das Deine Kunst zu schauen so sehr Verlangen trägt. Und dort auf einer Fahne, die hoch in Lüften weht, Dein stolzer Name Faustus , deutlich zu lesen, steht!« › Mein Name?! Tod und Hölle! Auf! führt mich eilig hin! Dem Mann sei Tod geschworen, so wahr ich Faustus bin!‹ Des wilden Zornes freut sich der unheilfrohe Geist, Sie nahen ungesehen dem Zaubercircus dreist. Dort decket tyr'scher Purpur den Boden, wie den Tisch; Viel' magische Geräthe umherstehn im Gemisch. Phiolen, Götzenbilder, und in krystallnem Glas Vier Lilien, hell wie Silber, die Blätter Chrysopras. Schon drängt in dichten Haufen das Volk sich, Bank an Bank; Des Gauklers lustger Diener ergötzt durch manchen Schwank. Dann naht er selbst, und Jubel ihm laut entgegen braust, Und Beifallruf: »Das ist er! Das ist der ächte Faust!« In Faustus Busen wühlet wie Dolche solches Wort; Wild blickt er auf den Zaubrer, und brütet Rach' und Mord. »Du raubst mir Ehr' und Namen mit frechem Gaukelspiel! Das zahlst Du mit dem Leben – und zahlst noch nicht zu viel!« – Des Zaubrers Diener einer muss schweigend niederknien, Darauf ein schneidend Richtschwert entblössen sicht man ihn. Ein angsterregtes Flüstern geht durch die Menge sacht: »Was wird er jetzt beginnen? Welch neues Stück? Habt Acht!« Er schwingt das Schwert, – es gellet ein Schrei des Schreckens hell – Enthauptet liegt der Diener, hoch springt des Blutes Quell. In goldner Schüssel zeiget dann jedem, der's nicht glaubt, Ein zweiter Diener ernstvoll das abgeschlagne Haupt. Drauf wird das Haupt gezäubert und sorglich hingestellt; Der Leichnam wird erhoben, vom Zauberschwert gefällt, Und ruhig nimmt der Magus das Haupt in seine Hand, Fest auf den Rumpf es setzend, es wankt nicht mehr, es stand. Dann leise Worte murmelnd spricht er den Zauberbann, Und mit verhaltnem Odem hinstarren Weib und Mann. Da springt in dem Krystallglas die Lilie hoch empor, Der Todte – wird lebendig, und wandelt wie zuvor. – Wie tobt des Beifalls Jauchzen, wie dröhnt das Bretterhaus! In Faustus Seele schneidet das jubelnde Gebraus. Er steht verhaltnen Grolles, blickt auf die Lilien hin, Und harrt des Spieles Ausgang mit racheglühndem Sinn. Jetzt kniet der Zaubrer nieder – sein Diener fasst das Schwert – Es sind dem neuen Schauspiel Aller Augen zugekehrt. Die Schneide blitzt, vom Rumpf ab trennt Jenes Haupt ein Hieb; Fahr' wohl, bethörter Gaukler, dem nicht sein Leben lieb! Den Lilien naht sich Faustus, und eine – knickt er schnell, Und schwindet aus dem Circus: »Das sei Dein Lohn, Gesell! Du wirst nicht mehr der Affe von meinem Zauber sein. Du wirst nicht mehr den Namen, den stolzen, mir entweihn!« – Noch gafft die Menge schweigend, wie sich die Diener mühn Um ihren Herrn, erbleichend – es ist geschehn um ihn. Ihr Mühen bleibt vergebens, die Kunst ist ungeschickt, Die Lilie seines Lebens hat Rache abgeknickt. – Das Leben gleicht der Lilie, wie bald ist es zerstört; Der Höllengeist ist eilig, wenn Rachsucht ihn beschwört. Doch aus zerknickten Blüthen keimt nie die Frucht der Ruh, Die Himmelspforte schliesst sich dem Meuchelmörder zu. XXI. Der Warner. Es tönt von heilger Freundschaft die Sage wundervoll, Von Freundschaft, die treusorgsam und rettend walten soll. Es giebt ein schönes Sprüchwort; Heil, dem man's sagen kann: »Du bist der treue Eckart, Du warnest Jedermann!« Der treue Eckart folgte dem Herrn in Lust und Pein, Er ging mit dem Tanhäuser zum Venusberg hinein. Der treue Eckart sitzt noch am Zauberbergesschacht, Und warnet wer hinein will, und hält gar ernste Wacht. Der treue Eckart wandelt dem wilden Heer voran, Das über Wälder hinbraust auf luftger Wolkenbahn. Wer immer mag im Weg sein, wo's Heer vorüberwogt, Zur Seite treten heisst ihn warnend der treue Vogt. Zu Faustus, der verdüstert, die Stirne faltenkraus, Der Mordthat nachsinnt, schreitet ein fremder Mann ins Hans. Ein Greis, am Stabe schleichend, umlockt vom Silberhaar, Und glaubhaft will uns dünken, dass er der Eckart war. »O Faustus, Hochgelahrter, erlaubt ein ernstes Wort, Auf unheilvollem Pfade hineilt Ihr fort und fort. Ein Wandrer, dem in Wüsten des Trostes Quell versiegt, Ein Pilger, der gefesselt im Sünden-Kerker liegt.« »Blickt nicht auf mich so zürnend, der solche Rede wagt! Ich bin kein strenger Mahner, der Euch bei Gott verklagt, Ich bin ein Mann des Friedens, der freundlich Euch erscheint, Der Eure Kraft betrauert, und Euern Fall beweint.« »O Faustus, nicht so finster rollt Euer Aug' nach mir! Denkt, Eures Vaters Schatten der stände trauernd hier. Denkt, Eurer Mutter Stimme sie töne niederwärts Vom Himmel, und sie schmeichle sich zärtlich Euch ins Herz!« »Denkt, Tiefgesunkner, Armer, ach, so beklagenswerth, Es wäre der Erbarmer beim Sünder eingekehrt, Und woll' Euch liebend heben aus der Versunkenheit, Und woll' Euch Gnade geben, sofern Ihr nur bereut!« »Und wär' es so, mein Faustus, und käm' Euch solches Glück, Nicht wahr, Ihr kehrtet wieder zum rechten Pfad zurück? Ihr liesset ab vom Bösen, vom Zauberwerk und Trug? Liesst von den Höllengeistern – und diesen ihren Fluch?« »O Faustus, dem als Jüngling ein Gott das Herz durchflammt, Ihr habt in Euch ertödtet, was doch vom Himmel stammt! Den Engel weggetrieben, der treulich Euch geführt, Und denen Euch verschrieben, die nie ein Jammer rührt!« »Was Ihr so heiss ersehntet: Wahrheit und Wissenschaft, Die konntet Ihr erwerben durch Fleiss und ernste Kraft. Ihr hättet hellen Blickes der Wahrheit Reich durchschaut, Jetzt blendet Euch mit Arglist die Macht, der Ihr vertraut.« »Eu'r Name wäre ruhmvoll genannt von Land zu Land, Rein wäre, frei von Blutschuld, geblieben Eure Hand. Nie hätten Neid und Rachsucht das edle Herz befleckt, Nie hättet Eure Hand Ihr zur Mordthat ausgestreckt.« »Der Gaukler liegt erschlagen, weil Euch sein Thun misshagt; Noch Viele werden wagen, was Jener hat gewagt. Sie nehmen Euern Namen hin als willkommnen Raub, Und was Ihr gross geträumet, ziehn sie tief in den Staub.« »Kehrt um, o Faustus! Macht Euch der Höllenbande los! Dem reuigen Sünder öffnet die Kirche mild den Schooss; Des Sünders Rückkehr feiern dort Engel um Gottes Thron, Für reuige Sünder starb einst am Kreuz der Menschensohn!« »Und reu'n Euch Eure Sünden, seid Ihr der Frevel satt, So darf ich Gnade künden, ein Priester, an Gottes Statt. Die blutgen Stellen werden in Eurem Schuldbuch leer; Ihr wandelt rein vor Gott hin, und sündigt nun nicht mehr!« Er hört des Greises Rede; der längst entwohnte Klang Solch treuer Warnungsstimme sein Innres tief durchdrang. Ihm ist, als ob der Friede, der einst in ihm gelebt, Aus tiefem Schlummer wieder sein Engelantlitz hebt. Versunkne Lenze tauchen aus der Zeiten Meer heraus; Verstreute Blüthen einen sich ihm zum vollen Strauss. Vergessne Lieder klingen melodisch in sein Herz; Erneute Hoffnungsschwingen, ach, tragen's himmelwärts. »O Traum von bessrer Zukunft, Dein Nahen fass' ich kaum!« ›Wenn Du bereuest, Faustus, dann siehst Du mehr, als Traum!‹ »O nenne mir die Quelle, aus der Vergebung fliesst!« ›Der Urborn ew'ger Gnade sich in die Herzen giesst.‹ »Dank, Dank Dir, treuer Warner, wer Du auch immer bist, Der mir ein Stern des Trostes in Nacht erschienen ist. Der mit Prophetenstimme mein starres Herz gerührt, Der auf die Bahn der Reinen mich liebreich wieder führt!« ›Heil mir, wenn ich erweckte, was schon erstorben lag! Heil Dir, wenn Deinem Innern aufglüht ein neuer Tag! Gedenke mein – ich scheide froh mit erfüllter Pflicht, Und willst Du Gott versöhnen, vergiss die Deine nicht!‹ Er geht, an seiner Stelle Mephisto schleicht herbei, Und führt in Faustus Zelle schwarz die Melancholei. Mephisto sieht dem Greis nach, und lacht so laut er kann: »Du bist der treue Eckart, Du warnest Jedermann!« XXII. Reue. Es schleicht sich leisen Trittes die Reu zu Faustus hin, Ihm naht mit dunklem Schleier die strenge Zauberin. Sie windet schwarze Binden ums Haupt ihm unsichtbar, Sie reicht ihm ihren Becher voll Kummerwermuth dar. Einsam im weiten Zimmer geht er nun wild umher, Auf seines Glückes Trümmer tiefseufzend blicket er, Auf sein vergangnes Leben, das ihm so nichtig dünkt, Und in die Nacht der Zukunft, die graunhaft drohend winkt. »Fluch mir, und tausendfachen vernichtend ew'gen Fluch! O dass kein Blitz des Himmels mich im Mutterleib erschlug! O dass kein jäher Abgrund mich tief hinunter schlang, Bevor ich hingewandelt solch gottverfluchten Gang!« »Was hab' ich hingeopfert! Mein Selbst, der Sehnsucht Lust! Das stille Glück der Hoffnung, den Himmel in der Brust! Den Frieden meines Herzens, des Wissens ernstes Gut, Die Freude, selbst zu finden, was unenthüllt geruht!« »Und ob ein flammend Sehnen mich aus den Schranken zog, Ob meine Lust zur Qual ward, mich manche Hoffnung trog, Ich war im Leid noch glücklich, ich war noch reich im Schmerz, Noch drückte keine Blutschuld, kein Meuchelmord diess Herz!« »An Deinem Mutterbusen lag ich, ein weinend Kind, Natur! o jene Zeiten, dass sie vorüber sind! Fluch sei dem Tag, an dem ich mich Deinem Pfad entfernt, Und lieben, glauben, hoffen, und froh zu sein, verlernt!« »Fluch sei dem Drang, den Hoffarth mir in die Brust gehaucht! Fluch sei der Macht, zum Spielzeug für eitle Lust gebraucht! Fluch, millionenfachen, dem, der die Formeln schrieb, Mit denen ich Dämonen beschwur, und Gott vertrieb!« »Und Fluch mir selbst, wenn förder mich gleicher Wahn bethört! Wenn mein unreiner Wille das kleinste Glück zerstört! O könnt' ich den erwecken, den meine Rache traf, Könnt' ich statt seiner eingehn zum ew'gen Todesschlaf!« »O gäb' es eine Sühne für das, was ich vollbracht! Und fänd' ich noch Vergebung bei dem, der droben wacht! Und wüsst' ich einen Ablass, verdient durch meine Reu, Abliess ich von der Hölle, blieb stets dem Himmel treu!« So klagt von Schmerz gefoltert Faustus am trübsten Tag, Da prasselt durch sein Zimmer rollend ein Donnerschlag. Von rother Gluthenlohe, die rings der Wand entquoll, Von Schauer und Entsetzen der Hölle wird es voll. Und jenes Riesenantlitz, das flammend einst erschien, Erscheint ihm heute wieder, und redet gegen ihn: »So hältst Du Dein Versprechen, Wurm, den mein Hauch zerstört!!« Ihm drohn die Kniee zu brechen, als er die Stimme hört. »Du hast Dich uns verbunden, Thor, der sich selbst verflucht! Du schlugst an unsre Pforten, Du hast uns aufgesucht! Du hast Dich uns verschworen, erst kühn, und winselnd nun, Und nennst Du Dich verloren, bist Du's durch eignes Thun!« »Wir dienten Deinen Fragen, gehorchten Deinem Wort! Wir haben Dich getragen, geführt vom Ort zum Ort. Wir Deinen Sinn erfreuten, wir schufen Deinen Ruhm, Und Du, für alle Zeiten, bist unser Eigenthum!!« – Das Flammenantlitz schwindet, Nacht wird's vor Faustus Blick: »Weh, weh mir, ewig wehe! so reisst es mich zurück! Fahr' wohl, Du Hoffnungsschimmer, der trüglich mir gelacht! Fahr' wohl, mein Glück, auf immer! Lusttraumbild, gute Nacht!« »Und wollt Ihr fest mich halten an des Versprechens Band, Dämonische Gewalten, und gilt kein Widerstand, So will ich Euch, ihr Knechte, verderbenfrohe Schaar, Solch zorngewaltger Herr sein, wie's Euch noch Keiner war!« »Ha des hohnwerthen Thoren, der an Vergebung glaubt! Der meint, der Himmel rette sein nachtgeweihtes Haupt! Wahnsinn ist Buss' und Sühnung, und Einfalt ist die Reu'! Ablass ist Pfaffentrugbild und Bessrung Narrethei!« »Nun will ich nicht den Himmel, der machtlos mich verliess! Nun glaub' ich keinen Gott mehr, seit er mich von sich stiess! Er will, dass wer ihn glaube, dem auch geholfen wird, Ich glaubt' ihn, glaubt' ihn hülfreich, wie hab' ich mich geirrt!« »Nun will ich Teufel werben, und stehen meinen Mann! Will Seelen nun verderben, so viel ich immer kann! Das Gute frech vernichten, des Unheils Saaten sä'n, Gott und dem Himmel fluchend frohlockend untergehn!« So wüthet Faust im Zimmer, des wilden Wahnsinns Raub! Schlägt sein Geräth in Trümmer, und ist für Tröstung taub. Ob Wagners Freundesreden zu sänft'gen ihn bemüht, Sein Denken irrt in Oeden, die nie ein Strahl durchglüht. XXIII. Der Zauberring. O Liebe, süsses Weben, das durch das Weltall zieht, Das, eine Flamme Gottes, in reinen Seelen glüht! O Liebe, wie so mächtig machst Du das Leben reich, Und machst es uns zum Himmel und Paradiesen gleich! Doch wehe, wo sich Kaltsinn Dir rauh entgegenstellt, Da zittert unterm Eishauch die warme Blüthenwelt, Und Lenze bergen weinend sich in der Gräber Schooss; Die finstersten Dämonen lässt dann die Hölle los. O selig ist's, wo Liebe der Lieb' entgegentritt, Doch Kaltsinn hemmt mit Dornen dem Waller jeden Schritt; Und seine Stachelspitzen, die haften nicht am Kleid, Sie graben sich ins Herz ein, dass es hinstirbt im Leid. Und ob bei solchen Schmerzen auch Zauber Wirkung thut? Und einem armen Herzen die Wunden heilet gut? Ein Zauber? Ja, doch mächtig durch Bann und Formel nicht, Nur Solcher, der beglückend aus schönen Augen spricht. – Es minnt' ein edler Jüngling ein holdes Fräulein warm, Doch Gegenminn' entbehrend, blüht' ihm aus Liebe Harm. Die Flammen seiner Neigung, dem Mägdlein zugewandt, Sie kehren gen ihn selber den heissen, glühnden Brand. Unhold ist ihm die Huldin, unlieb ist seine Lieb'; So grausam unerbittlich der Jungfraun keine blieb. Ob er aufloht in Gluthen, sie bleibt ein starres Eis; Ob er hinschmilzt in Thränen, sie giebt dem Hohn ihn Preis. Darob ein tiefer Kummer den Liebenden umfängt, Der ihm verscheucht den Schlummer, und seine Ruh verdrängt. Der so sehr ihn befangen, dass er bald welk und matt Umschleicht mit bleichen Wangen, gramvoll und lebenssatt. Und Faustus sieht ihn leiden, sieht seine Liebespein, Als mit Mephisto wandelnd er einsam geht im Hain. »Der gäbe,« flüstert lächelnd der Geist voll arger List: »Die Seele für ein Traumglück, das leicht zu kaufen ist!« ›Die Seele? Ha, so sei sie der Hölle zugebracht! So reiss' ihn ins Verderben durch Deiner Künste Macht! Hab' ich nicht auch geschmachtet? Hab' ich nicht auch geglüht? Der Himmel hat verachtet mein liebendes Gemüth!‹ ›So lass uns dessen Thorheit des Trugs Erhörung leihn! Die Wonne seiner Wünsche lass ganz sein eigen sein! Dafür dann wird er unser! Anfache Zauberkunst In ihm, statt reiner Gluthen, die Flammen wilder Brunst!‹ – Und als der bleiche Jüngling zum Zaubermeister ging, Das Leid nicht bergen mögend, das ihn so schwer umfing, Da hat gar freundlich Faustus mit ihm von der gekos't, Der seine Seufzer gelten, und giebt ihm milden Trost. Und giebt ihm mehr: ein Ringlein von wunderbarer Kraft, Lustflammen zu entzünden ist dessen Eigenschaft. Wer kaum an seinem Finger trägt solchen Zauberring, Inbrünstig muss er lieben, von wem er ihn empfing. Dann hin zu der geht Faustus, die Jenen streng verschmäht, Und in des Mägdleins Seele der Hölle Saat er sä't. Mit kluggewählten Worten entzündet er in ihr Hoffnung, Sehnsucht, Verlangen, Inbrunst und wilde Gier. Der Magus ladet beide mit andern Freunden ein, In seine bunten Hallen, in seinen Zauberhain, Der prangt' im neuen Festschmuck und trägt des Lenzes Kranz, Von luft'gen Musikanten erschallt Musik zum Tanz. Dort haben frohe Paare gescherzt und sich geneckt, Dort hat der Jüngling Jener das Ringlein angesteckt. Das trägt sie kaum am Finger, da wird ihr Herz erwarmt, So dass sie vor den Gästen den Buhlen fast umarmt. Nun schwebt' auf leichten Sohlen das Paar durch Tänzerreihn; Bald aber schleicht's verstohlen zum grünen Schattenhain. Wo keine Zeugen lauschen dem süssesten Genuss, Nur Blüthenzweige rauschen, giebt sie ihm Kuss auf Kuss. Und giebt ihm mehr; und herzt ihn, und liebt ihn flammenheiss. Er, sich in Himmeln träumend, giebt sich der Hölle Preis; Er wähnet, wahre Liebe hab' ihn geführt zum Ziel, Und dienet nur den Bündnern der dunklen Macht zum Spiel. Am Trug, den sie begonnen, hielt diese Macht sie fest. Sie sind nun dem gewonnen, der nie sein Opfer lässt. Und Faustus triumphiret, vom trüben Wahn bethört, Dass er dem Herrn entführet, die nimmer ihm gehört. O Liebe, Riesenfackel, Du steckst die Welt in Brand! Du ziehst mit Höllenflammen hinab vom Abgrundsrand. Oft dem, der sich in Engelumarmung selig glaubt, Vergiftend und versteinernd droht ein Gorgonenhaupt. XXIV. Der Schatz. Der Schätze viele giebt es, verschieden ist ihr Ort, Verschieden sie zu heben ist auch das Zauberwort. Gar mancher liegt uns nahe, zu dem der Blick nicht dringt, Indess oft Kraft vergebens nach fernen Gütern ringt. So ruht in manchem Herzen ein Zauberhort gar still, Der an des Tages Helle herauf nicht steigen will; Der, hold im Dunkel leuchtend, sich dem nur offenbart, Der seines Glücks Geheimniss in treuer Brust bewahrt. Heil, wem solch innrer Reichthum ersetzt das äussre Glück! In Schmerzennächten strahlt ihm des Trostes Silberblick. Ihm quillt die Freudenzähre vom Herzen warm herauf, Ein Steiger aus der Teufe mit fröhlichem Glückauf ! Und will ihn Gram umnachten, umtosen Sturmgebrüll, Birgt er sich in die Schachten des reinen Innern still, Lässt droben Wogen tosen, so wie die Meerfei thut, Die süss auf blühnden Rosen tief im Krystallschloss ruht. Doch solche Schätze kennt nicht, wer wild durchs Leben treibt, Ein bleichgespenst'ger Schiffer, der fern vom Hafen bleibt. Der den Sirenenliedern nachzieht in voller Hast, Und statt der hehren Göttin ein Wolkenbild umfasst. Ein Solcher gräbt und schaufelt nach Gold und reichem Gut, Das tief im dunkeln Reiche der Nachtdämonen ruht. Er buhlt mit Zauberformeln, erzwingt mit Schwüren Gunst, Ein solcher ist auch Faustus, ausübend gleiche Kunst. Nicht g'nug des Gutes schafft ihm der Geist, so dienstbereit, Hinschleudert er den Mammon, wie seine Seligkeit. Wild zwingt sein Trotz die Hölle zu halten den Vertrag, Und quälet seinen Diener mit Wünschen Tag um Tag. Wer ist im Leben wunschlos? Wer nicht an Wünschen reich? Und stellt ihn Glückes Laune dem ärmsten Bettler gleich? Und ob es ihn emporhebt auf einen Königsthron, Stets bleiben Wunsch und Hoffnung vereint dem Erdensohn. Ein Schatz ruht in der Zukunft, der Wunscherfüllung heisst, Und den bewachet achtsam ein wunderbarer Geist. Ein Geist, gar ernst und furchtbar, gerüstet stets zum Streit, Den keine Formel bindet, kein Bannspruch schreckt – die Zeit . Doch wird des Schatzes theilhaft, wer kundig der Magie, Und eine Wünschelruthe besitzt, die fehlschlägt nie. Nur sei der Wunsch bescheiden, der Magus frei von Schuld; Ein reines Herz sein Zauber, sein Wunderstab – Geduld . – Faustus durchstürmt die Länder, reich, und doch hoffnungsleer, Ihm ruht im Schooss der Zeiten kein Eldorado mehr. Die Jahre fliehen eilend dahin wie Stromeslauf; Vergangenheit ist's Weltmeer, das nimmt den Zeitstrom auf. An dessen Ufern irren Gespenster auf und ab; Sie winken und sie tauchen in Schauertiefen hinab. Der Ruhm steht nackt am Meerstrand, und haucht sich in die Hand; Die wilden Wogen raubten ihm längst sein Prachtgewand. Die Freude wandelt traurig, verhüllt ihr Angesicht; Als Göttin, die vom Thron sank, ihr Blumenscepter bricht. Die Hohheit steht und deckt kaum die nackten Blössen zu, Der Jubel schweigt, nicht schläfrig, und wünscht sich ew'ge Ruh. Zerbrochne Kronen werfen die Wellen an den Strand; Verwelkte Kränze liegen verstreut am Uferrand. Zerschellter Harfen Saiten durchsaust der Nachtorkan, Nachklänge schönrer Zeiten wimmern übern Ozean. Doch was sind schöne Zeiten, und wann ist schöne Zeit? – O sucht den Schatz der Freuden nicht in Vergangenheit! Nie waren Zeiten schöner, als ihr sie heut erblickt, Nur dass Erinnrungszauber das Sonst mit Blüthen schmückt. Ihr preisst der Kindheit Freuden! Sagt, habt ihr sie gefühlt? Ihr rühmt das Glück der Jugend! Hat Euch kein Schmerz durchwühlt? Ihr wünscht, hat Euch das Alter die Sehnen nun erschlafft, Zurück die schönen Jahre der blühnden Manneskraft! Saatkörner sind die Freuden in die Vergangenheit, Begraben oft mit Thränen, dem dunkeln Gott geweiht. Doch grünt Erinnrung dorten als schöner Rosenstrauch, Und trägt er Freudenblumen, trägt er Schmerzdornen auch. – Der Schätze viele giebt es, von Sterblichen geschätzt, Bald ihrer Hoffnung Zielpunkt nach grosser Müh gesetzt, Bald der Erinnrung heilig, ein Todtenhof der Zeit, Vom Zauberbaum des Lebens mit Blüthenschnee bestreut. XXV. Die Luftjagd. Schwebt hoch herauf ihr Geister aus tiefem Bergesschacht, Und leibet euch Gewänder der alten Mitternacht; Leiht von dem Sturmwind Stimme, leiht Flügel vom Orkan, Und sucht euch in den Lüften der Meteore Bahn! – »Mephisto!« donnert Faustus: »Mephisto, sei zur Hand! Und um mein Elend hänge der Freude Prachtgewand! Und meine Unlust kleide mit Lust, mit Lust mein Leid, Je mehr ich dulde, leide, je heller sei mein Kleid!« »Ausbreite Deinen Mantel zur Luftfahrt, auf Gesell! Und führe mich nach Leipzig windschnell, gedankenschnell! Dort im Gewühl der Menge will ich, ein Krämer, schrein: Wer kauft mir ab den Jammer, wer löst mir ab die Pein?« »Ja, bringe mich nur eilig zur schönen Lindenstadt, Dort sieht an heitern Bildern das Auge sich nicht satt. Vielleicht dass meine Seele dort Heiterkeit empfängt, Und dass ihr Strahl die Schatten des Grames mir verdrängt!« – Zwei seltne Gäste hegte die Lindenstadt zugleich, Zwei Herrscher, die gebieten in einem Geisterreich. Von Norden kam der eine, Faustus voll innrer Qual, Von Süden kam der andre, aus Rom ein Cardinal. Mit Ehr' und Pomp den zweiten empfängt der Magistrat, Es fährt im goldnen Wagen der Cardinallegat. Den frommen Herrn verlanget den ersten Gast zu schaun, Ihn würd' ein Zauberkunststück mehr als ein Psalm erbaun. Es stand am Hof des Papstes Magie gar hoch im Preis, Und mancher heilge Vater weiht' ihr den regsten Fleiss. Die Herrschaft über Geister ist lockend, reizesvoll, Wie lange Rom sie übte, weiss die Geschichte wohl. – Der Bäume Wipfel rauschen im wilden Rosenthal, Dort geht in ihrem Schatten Faust mit dem Cardinal. Von tiefen Dingen reden sie heimlich und vertraut, Und wandeln im Gehölz hin, bis Abenddämmer graut. »Und soll ich, Faustus, glauben, was Euer Mund mir sagt, Und ist an Euch die Bitte nicht allzukühn gewagt, So lasset mir ein Probstück von Euerm Zauber schn!« So Jener – Faustus neigt sich, und spricht: »Das soll geschehn.« Bald tost ein dumpfes Brausen hoch überm Rosenthal, Und Geisterschaaren nahen in ungeheurer Zahl, Ein ferner Hornklang tönet mit tiefem Klagelaut, Verwundert und erschüttert steht der Prälat und schaut. Und zwischen Hirsch und Eber, und Reh, und Wolf und Bär, Schwebt mit verzerrtem Antlitz manch Menschenbild daher. Wie Heulen der Verzweiflung, wie Stimmen aus der Gruft, So gellt und schallt ein Zetern betäubend in der Luft. Bald hoch auf zu der Höhe der Wolken wogt die Schaar, Bald nach den Baumeswipfeln treibt sie Prästigiar; Bis sie zur Ferne schwinden, bis fern der Schall verweht, Und einsam bei dem Magus der Sohn der Kirche steht. »Wie seid ihr mächtig Faustus!« der Priester nun beginnt: »Reich ist, wer Eure Freundschaft, wer Eure Gunst gewinnt. Nicht einen Zaubrer wüsst' ich, der so die Geister bannt, Und der gleich Euch begabt ist, erhabner Nekromant!« »Folgt mir nach Rom! Wir ehren geheime Wissenschaft, Dort winken schönre Ziele für Eure hohe Kraft! Der Ehre reichste Kränze blühn Euch, o Faustus, dort, Zum Stuhl des heilgen Vaters geleit' ich Euch sofort.« Doch Faustus neigt sich höflich und redet mit Verstand: »Mir blühn genug der Ehren in meinem Vaterland. Es soll dem Papst nicht dienen, wer einem Herrn gebent, Vor dem sich oft demüthigt des Papstes Heiligkeit.« »Einst hab' ich nach den Kronen des Ruhmes heiss begehrt, Der Lichtkranz der Bewundrung schien mir so wünschenswerth. Nun hab' ich Ruhm, doch achtet mein Herz der Kränze kaum, Mein Dasein ist umnachtet von einem schweren Traum.« »Ich rief herauf die Geister aus tiefer Höhlen Schacht, Mein eigner Geist geht unter in noch viel tiefrer Nacht. Und wie der Stromfall fortreisst den ruderlosen Kahn, Hinstürm' ich ruh – und rastlos zum Abgrund meine Bahn.« – XXVI. Alexander Magnus. Wie schön ist's doch, den Mächtgen vertraut zur Seite stehn! Auf edle Völkerhirten viel Augen freudig sehn. Wer ihrer Liebe theilhaft, wie wird er hoch geehrt, Nur zeige der Planet sich stets seiner Sonne werth. Ein Herrscher der mit Würde der Hoheit Scepter führt, Der mit dem Arm der Weisheit des Landes Steur' regiert, Der mit dem Schwert des Rechtes das Unrecht niederbeugt, Der mit dem Blitz des Zornes lichtscheue That verscheucht – Ein Herrscher der das Gute, nur weil es gut ist, thut, Nicht, seiner Länder Ruthe, hinopfert Völkerblut, Ja, Solchem folgt der Nachruhm, und Liebe fliegt vorau, Fürwahr und solcher Herrscher war Maximilian . Ihm schlug ein Herz im Busen so rein, wie lautres Gold, Er war ein Freund der Musen und allen Künsten hold; Zum Lorbeer, den das Wüthen der Schlachten ihm errang, Flocht er sich schönre Blüthen durch hoher Lieder Sang. Kein Künstler ging mit Unmuth aus seinem Kaiserhaus, Dem nicht zum Lohn geworden ein Ehrenblüthenstrauss. Wie hat er, edler Dürer , Dich hoch als Freund geschätzt, Wie Deiner Muse, Pfintzing , ein schönes Ziel gesetzt! Zu Innspruck weilt der Kaiser, der edle deutsche Mann; Nach Innspruck eilet Faustus zu Maximilian. Schon hüllet düstre Dämmrung den Tag in Schattenflor, Der Mann des Zaubers wandelt zum Kaiserhaus empor. »Viel hat der Ruf verkündet von Euch!« der Herrscher spricht: »Doch unsrer Lust genüget des Volkes Sage nicht. Wir möchten selbst ein Probstück von Euern Künsten sehn, Sofern es sonder Beistand des Bösen kann geschehn!« ›Nicht Kunst ist, was ich übe!‹ spricht Faustus mit Bedacht: »Nennt es nicht Kunst, Herr Kaiser, nein, nennt es lieber Macht . Ich bin kein eitler Gaukler, der Euch gross Ding verheisst, Und dann gemalte Geister im Schattenspiel Euch weisst.« »Soll meine Macht Euch dienen! Befehlt, Euch dient sie gern; Ich rufe meine Geister nicht vor unwürd'gem Herrn. Ob mir vom Guten Beistand, vom Bösen Hülfe kommt? Euch gelt' es gleich, dem Schauen, nicht aber Grübeln frommt.« Der alte Kaiser ruhig des Magus Rede hört, Und nimmt das Wort: »So bleibe vom Einwurf ungestört, Ob eine Himmelsmacht Dir, ob Andre Kraft Dir giebt, Erhelle nur die Nacht mir, die mir mein Denken trübt!« »Mich floh der Schlummer oft schon, wenn ich sein Nahn erbat, Und irdscher Grösse Trugbild vor meine Seele trat; Ich sah die Kaiser alle vor mir vorüber gehn, All' meine hohen Ahnherrn hab' ich im Geist gesehn.« »Sie haben Ruhm errungen, des Grossen viel vollbracht, Doch was war ihre Stärke gen Alexanders Macht, Der sich mit Jünglingsfeuer den Erdkreis unterwarf, Mit dem der Herrscher keiner an Ruhm sich messen darf?!« »Ihn möcht' ich schaun, den Grossen, o ruf' ihn mir herbei! Dass ich ins Herz mir präge des Helden Konterfei. Die Nachwelt ist ein Schatten, die Vorwelt Heldenglanz, Ach, ein entfallnes Blatt nur aus der Zeiten Wunderkranz!« So Maximilianus, – und Faustus ernsthaft spricht: »Ihr sollt den Helden schauen, seht ihn, doch redet nicht!« Und leise Worte murmelnd er seinen Stab bewegt, Darauf sich tiefes Dunkel um beide nächtlich legt. Nun schwebt ein Heldenschatten in das Gemach herein; Ein Mann, umwallt von Goldhaar, doch finster blickt er drein; Sein Auge flammt, hinreicht ihm der Kaiser seine Hand, Doch düster hat der Geist sich von ihm hinweggewandt. Und schwindet hin; drauf glänzend ein schönes Weib sich zeigt, Die mit holdsel'gem Lächeln sich vor dem Kaiser neigt. Ihr Angesicht ist freundlich und blühend wie der Lenz, Auf ihrem Busen schaukeln sich Perlen des Orients. Und als auch sie sich wendet und still von hinnen geht, Und des Kaisers Blick ihr nachfolgt, der Frau voll Majestät, Sieht auf des Nackens Schneepracht der Herr ein kleines Mal Und ruft: »Das war Roxana, des Helden Ehgemahl!« Und spricht zu Faustus huldreich: »O bleibt bei mir hinfort, Ich will als Freund Euch halten, bei meinem Kaiserwort! Und habt Ihr mich erfreuet, so will ich Euch erfreun, War Eure Macht mir dienstbar, soll's Euch die meine sein!« – Wohl ist es schön, den Mächtgen vertraut zur Seite stehn! Man sieht den fremden Meister stolz mit dem Kaiser gehn. Wie neigen sich die Schranzen, wie wird er hoch geehrt! Gar höflich sind die Schranzen – so lang' die Gnade währt. XXVII. Der Zaubersaal. Heil, ewges Heil dem Herrscher, der Kunst und Musen liebt; Der, für das Gute glühend, zugleich auch Schönes übt! Denn Gutes ist die Richtschnur, bestimmend Menschenwerth, Doch Schönes ist der Lichtstrahl, der uns zum Gott verklärt. Der Kaiser lohnet fürstlich den wunderbaren Mann, Der solcher Dinge mächtig, wie Keiner je begann. Oft schliesst er mit dem Magus sich in die Zimmer ein, Oft geht mit Faust er huldvoll lustwandelnd durch den Hain. – Einst als der gute Kaiser früh aus dem Schlaf erwacht, Glaubt er sich noch umfangen von einem Traum der Nacht. Die Wände seines Zimmers sind frisch mit Grün belaubt, Ein golddurchwobner Lorbeer umrauscht sein Herrscherhaupt. Und rings ist holder Maiglanz, rings bunte Blumenzier, Der Boden Wiesenteppich, die Deck' ein Lustrevier, Wo sich in hoher Wölbung der Bäume Laub verschlingt, Darin manch lustges Vöglein die zarten Lieder singt. Und Früchte neigen schwellend sich in die Kaiserhand, Aus Blätterfülle quellend rings um des Lagers Rand. Es leuchten neben Blüthen Limonen goldhell, süss, Der Feige weiche Saftfrucht mahnt an das Paradies. Der Herrscher hebt verwundert sich von der Lagerstatt, Er sieht sich an der Lustpracht, am Farbenschmelz nicht satt. Wie sind die Blumen duftvoll, die hier so schnell erblüht! Wie diese Trauben reif schon, da noch der Sommer glüht? Und Nachtigallenbrautlied ertönt mit hellem Schlag, Und doch ist längst vorüber des Jahres längster Tag! Wenn diese Pracht kein Traum ist, die mich so hold umlacht, So muss sie Zauberwerk sein, das Faust mir zugedacht. Noch lange weilt der Kaiser, und sinnt, ob er nicht träumt; Die Kämmerlinge wunderts, dass der Gebieter säumt. Und fürchtend für sein Wohlsein aufthun die Thür sie sacht, Da sie der Wunderprachtglanz mit Recht erstaunen macht. Und fröhlich spricht der Kaiser: »Ruft mir den Hof herein! Lasst Damen mir und Ritter des Zaubers Zeugen sein! Auch ruft mir die Gesandtschaft, dass sie die Pracht erblickt, Mit der ein trauter Freund uns die Wohnung ausgeschmückt!« »Und ruft mir her den Meister, der freundlich uns erfreut, Der auf den Lebensbecher uns Rosenblätter streut! Denn Kunst ist eine Rose, gar herrlich ist ihr Blühn, Stets lohne wackern Künstlern des Dankes Immergrün!« Und alle Ritter kamen herbei dem Herrscherruf, Es schaun des Hofes Damen die Pracht, die Zauber schuf. Da schritt der hohe Meister zum Blüthenraum heran, Und neigte sich voll Ehrfurcht vor Maximilian. Wie durch den neuen Lusthain die Gäste wandelnd gehn, Da rauscht es durch das Buschwerk wie Frühlingsäuselwehn. Und leichte Silberwölkchen ziehn an der Deck' im Saal, Drauf dunkelt sich's, und lieblich glänzt Mond- und Sternenstrahl. Dann wird das Schattendüster vom Morgenroth erhellt, Ein sanfter Regen tränket die junge Blüthenwelt. Die Sonne hehr im Goldglanz sich hinter Bäumen hebt, Und überm Zauberlustwald ein Regenbogen schwebt. Und wie noch die Versammlung mit stillem Staunen schaut, Wird bleich der Wolken Lichtschein, des Himmels Glanz ergraut. Die Sonne hüllet Nacht ein, und Blitze kreuzen hell, Und jedem glühen Blitzstrahl folgt gleich der Donner schnell. Und bald abträufelt schneekalt feinkörn'ger Hagel kraus; Und Damen fliehn und Ritter zum Zaubersaal hinaus. Bald Schlossen prasselnd schmettern auf die, die spät entfliehn, Doch sicher sitzt der Kaiser, ihn schirmt ein Baldachin. Und mit dem schönen Kunstwald, den All' mit Lust geschaut, Tanzt jetzt gar lustgen Kehraus die rasche Windesbraut. Und als vorbei das Wetter lacht, wieder Sonnenstrahl, Doch ist hinweg der Zauber, und 's ist der alte Saal. – So wechselt Glückes Huldblick, so wechselt Hoher Gunst; Manch hoffnunggrünes Luftschloss ist nur Phantom und Dunst. Und dass Dich's nur nicht stolz macht, wenn solches Luftschloss Dein! Doch magst Du seines Glanzes, so lang er währt, Dich fren'n! XXVIII. Der neue Actaeon. Wer nur mit Kunst begabt ist, was Art die Kunst auch sei, Hat zweier Schlangen Giftzahn zu fürchten stets dabei; Und dieser Schlangen Zürnen gar elend machen kann, An ihren Bissen starb schon manch hochbegabter Mann. Das ist die Schlange Missgunst , auf beiden Augen scheel, Drum sieht sie nie die Schönheit und immer nur den Fehl. Und wo kein Fehl zu finden, ersinnt sie solchen hin, Der Lüge gleich ist Missgunst eine böse Dichterin. Die zweite Schlang' ist Kunstneid, die lauert ohn' Unterlass, Auf Deine Blüthen giesst sie ihr tödtend Gift voll Hass; Und da sie selbst verdienstlos, ein Wurm, vom Staub genährt, Sticht ihrer Zunge Zweizack nach Andrer Glück und Werth. Am Hofe Maximilians solch Schlänglein funden ward; Es trug ein feines Hofkleid, und nannte sich von Hard. Es hasst den fremden Künstler über alle Maassen sehr, Dass dem der Herr geneigt ist, das hasst es noch viel mehr. Und wessen Kunst nicht Lichtstrahl, von oben ihm verliehn, In dessen Brust wird Rachsucht in hellen Flammen sprühn, Wenn irgendwo Verläumdung die Stachelzunge regt, Die nur der wahre Künstler still und verachtend trägt. Die Sonne sendet Gluthbrand vom Himmel, wolkenleer; Im Vorhof von der Hofburg geht vieles Volk umher, Dort sind Tyroler Schützen, und Steyrer dort zu schauen, Dort wandeln Bürger Innsprucks mit Töchtern und mit Frauen. Im Fenster liegt der Hofschranz, schaut stolz dem Treiben zu, Da fesselt ihn der Schlummer gewohnter Mittagsruh. Und sieh, dort unterm Fenster geht Faustus ernst vorbei; Und zaubert auf dem Neidhard ein stattlich Hirschgeweih. Und lachend, lärmend, jubelnd das Volk sich unten drängt, Der Ritter oben schlummernd im Schlaf nichts Arges denkt. Er nickt mit seiner Hauptzier von Zeit zu Zeit gar schön, Nie ward solch lustges Schauspiel im Schlosshof angesehn. Jetzt dröhnet Horngeschmetter durchs Schloss, das schallend gellt, Es will zum Jagen reiten der kaiserliche Held. Die Ritter ruft der Hornschall zur Folge nach dem Brauch, Drauf der von Hard nun aufwacht, und denkt zu folgen auch. Und als er sich zurückzieht, hemmt ihn der Hörner Schmuck; An seinem Haupte fühlt er gar unbequemen Druck. Sieht unten alles Volk stehn, den Blick nach ihm gerichtet, Und höret das Gelächter, und wird von Scham vernichtet. Am Fenster muss er weilen, vergebens ist sein Mühn: Des Hofes Damen eilen herbei, zu schaun auf ihn. Den Kaiser sieht er reiten, Kunz von der Rosen spricht: »Actäon seht, den zweiten!« und zieht ein Spottgesicht. Und Faustus ruft: »Wär' jeder, der fremde Kunst verhöhnt, Und der doch selbst talentlos, gleich Euch, von Hard, gekrönt! Wir sähn an manchem Hof dann ein'n ganzen Hörnerwald, Und kennten die Verläumder an ihrer Thiergestalt!« Es lodert rothe Zorugluth dem Ritter im Gesicht. Doch Faustus, ruhig lächelnd, ihn frei des Schmuckes spricht. Wie rasch er da hinwegeilt, von Rachgedanken voll! Wie Volksgelächter aufrauscht und durch die Hallen scholl! – Bald zieht vom Hof des Kaisers Faustus gar hoch geehrt, Er hat durch manchen Zauber sich seinen Ruhm vermehrt. Mit seinem Wagner reitet er nordwärts und waldein, Es trollt, der sie begleitet, Prästigiar hinterdrein. Sie sind nicht weit geritten über Wald und Bergeshöhn, Da sehn auf Weges Mitten sie sieben Reiter stehn. Ihr Führer ist der Hofschranz, dem Faust so schlimm vergalt. Der ruft jetzt seinem Todfeind entgegen donnernd: »Halt!« Und eingelegt die Lanze sprengt er auf ihn heran; »Jetzt lohn' ich Dir den Hauptschmuck, Du schurkischer Kumpan!« Doch – vor dem Blick entschwindet ihm Faust in rascher Flucht, Wohin er schaut, er findet nicht den mehr, den er sucht. Da dringt Drommetenschmettern hervor aus nahem Wald; Draus reiten hundert Ritter geharnischt alsobald. Und wie zur Flucht umwendet der Herr von Hard sein Ross, Zieht ihm voll Muth und Kampflust entgegen gleicher Tross. Und allenthalben Reiter, wohin sein Blick nur fällt; Und Faustus lächelnd, heiter ihm gegenüber hält. »Beliebt Euch Kampf, so schauet hier meine Heeresmacht; Doch wenn Ihr meinen Rath wollt, so reitet heim ganz sacht!« »Ja zieht mit Euern Freunden nur immer still nach Haus. Mit Euch nicht will ich kämpfen, mit Euch ziemt mir kein Strauss. Verläumdung zu beschämen steht wohl dem Künstler frei; Giftschlangen sind zu zähmen, wie spitz ihr Zahn auch sei!« – XXIX. Die Graefin von Anhalt. Es lebt im Menschenherzen ein wunderbarer Drang, Der es zur Freude hinlockt wie magischer Gesang. Was seinem Wünschen schmeichelt, erfasst der Erdensohn, Sei's Blüthe der Empfindung, sei's Farbe, Duft und Ton. Nach Lust verlangt das Kind schon, das noch die Amme trägt, Nach Lust verlangt der Jüngling, dess volle Kraft sich regt; Der Lust begehrt das Alter bis an den letzten Tag, Was immer lebt, es strebet der holden Göttin nach. Noch wunderbarer regt sich oft seltsames Gelüst, Dess unerklärter Ursprung ein tiefes Räthsel ist; Ein Räthsel und ein Schleier gewoben wundervoll, Der nicht von Männerhänden gehoben werden soll. Und wem ein Gott verlieben uns zu erfreun die Kunst, Dem sprudelt dankbarlohnreich der Götterwein der Gunst. Vom Hesperidenbaume des Glücks er Früchte bricht, Und seine hellen Blüthen sich um die Schläfe flicht. Auch Faustus hascht begierig nach jener Glücksfrucht Lohn: Er steht mit seiner Vollmacht vor manchem Fürstenthron, Er, dem die Geister dienen, wenn sie sein Zauber rief, Er ist ein Hofmann worden, neigt sich vor Schranzen tief. Wohl bleibt es immer herrlich, in deren Gunst zu stehn, Die Glück vor Allen hochstellt auf Lebenssonnenhöhn. Doch anders ist's, ob einer in's heilge Frühroth sieht, Und anders ob er knechtisch im Staub vor Götzen kniet. – Als noch auf Bergeszinnen das Schloss von Anhalt stand, Flog mancher Blick hinunter in ein beglücktes Land, Sah Wälder, grüne Wiesen, sah Dörfer, grünumlaubt, Des Harzwald Bergesriesen, des Brocken blaues Haupt. Dort weilt der Graf von Anhalt mit seinem Ehgemahl; Sie schauen von der Berghöh herab ins Selkethal. »Sieh Theure, dort hinunter! Wer mag der Reiter sein? Der stattlich Wohlgeschmückte, zwei Diener hinterdrein.« »Ihn trägt so stolz sein Schwarzross, wie er sein Prunkgewand; Der eine der Begleiter scheint von gelehrtem Stand. Der zweite, dem vom Hute die rothe Feder weht, Mag wohl ein lustger Rath sein, der guten Scherz versteht.« »Sie ziehn herauf. – O Wunder! Und sieht mein Auge recht? Das ist – weit auf das Burgthor! – Er ist nicht von Geschlecht. Und doch so grossen Namens, dem keiner gleichen kann, Berühmt in allen Landen – ja, Faustus ist der Mann!« – Er reitet mit den Dienern durchs hohe Schlossthor ein, Er grüsst den edlen Schlossherrn mit seiner Dame fein. Sie heissen ihn willkommen, sie laden ihn zur Rast; Froh sieht sich aufgenommen der weitgenannte Gast. Und als mit wackern Rittern er sitzt beim Grafenmahl, Reicht ihm die Edeldame kredenzend den Pokal. Da trifft sein Aug' die Schöne, und schamhaft sinkt ihr Blick, Und wendet zu dem Gatten sich liebevoll zurück. »Euch sei'n des Glückes Sterne mild freundlich zugewandt! Wie dem, was unterm Herzen Euch ruht, der Liebe Pfand! Sprecht, edle Gräfin, hättet Ihr nicht ein Fraungelüst? Das möcht' ich Euch erfüllen, so mir es möglich ist!« So Faust, und ob die Dame das Auge niederschlägt, Will sie doch nicht verbergen, wonach sie Wünsche hegt. »Wohl wünscht' ich längst mir Früchte, wie sie der Herbstmond beut, Doch Birn und Traube reift nicht in dieser Jahreszeit!« Sie spricht es mit Erglühen, sie steht in holder Schaam, Als Faustus vom Kredenztisch die Goldpatene nahm; Und öffnet gleich das Fenster, hält sie hinaus geschwind, Und aus des Zaubrers Händen führt sie hinweg der Wind. Der aber hebt den Becher empor zum andernmal, Und glückverkündend tönet sein Trinkspruch durch den Saal. Dann schreitet er zum Fenster, hält seine Hand nur hin, Gleich, als er sie zurückzieht, ist die Patene drin. Und ist gefüllt mit Früchten im warmen Süd gereift; Lichtgoldne Birnen, saftvoll, Melonen, bunt gestreift. Anch Trauben, lockend schwellend, mitkamen durch die Luft; Thaufeucht und überhaucht noch vom zarten weissen Duft. Und Faustus nun der Dame die Früchte kniend beut: »Esst wohlgemuth, Frau Gräfin, was meine Macht Euch weiht. Dass nicht versagtes Sehnen Euch schmerzt und niederdrückt, Ward ans Vertumnus Füllborn diess Fruchtgeschenk entrückt!« Wie dankt der Graf ihm freudig, und seine Gattin nimmt Die wundersüssen Früchte, dem leisen Wunsch bestimmt, Und stillt die Sehnsuchtstimme, die mächtig sie durchklang, Wer aber löst die Räthsel von solchem Wunderdrang? – XXX. Das Lustschloss. Wie Faustus wieder weiter von Anhalt denkt zu gehn, Soll noch ein Zauberkunststück sein hoher Gastfreund sehn. Gern zeigt des Dankes Blüthe sich in der höchsten Pracht, Wenn Abschiedstunden nahen, wenn Trennung traurig macht. Ein Rosenbaum ist Freundschaft im Lebensgarten traun! Er ist voll zarter Blumen und Knospen anzuschaun. Die Jugend naht und pflückt sich zum Strauss der Rosen viel'; Doch Rosenblätter werden gar oft der Winde Spiel. Und mancher kluge Gärtner nimmt von dem Baum ein Reis; Nimmt Leben von dem Leben, und pflegt's mit rechtem Fleiss. Und freut sich still der Blüthe, die seine Treue lohnt, Und Jedem blüht doch einmal der Freundschaft Rosenmond. Wie gerne will die Freunde manch Scheidender erfreun; Schlingt Blumen um den Becher, darin der Abschiedswein, Dass, wenn der Wehmuth Zähre nun auf die Blumen fällt, Für einen Tropfen Thaues sie der Geliebte hält. – Dort wandeln Graf und Gräfin mit Faust im Waldesgrün; Der Maimond ist erschienen und tausend Blumen blühn. Die Quellen springen fröhlich, die Vöglein singen laut, Verwundert jetzt zum Berge der Blick der Wandrer schaut. »War das nicht sonst ein Hügel, kaum eine Blume drauf? Jetzt? – Trugen Zauberflügel das schöne Schloss hinauf? Herbei, herbei, das Wunder dort auf dem Berg zu sehn! Sah jemals wer dort droben solch schönes Lustschloss stehn?« Sie wandeln zu der Anhöh, sie nahen dem Gebäu, Sie meinen, dass dem Boden es kaum entstiegen sei. Fünf hohe Thürme heben sich hoch und stolz empor, Die Zugbrück' lässt sich nieder, auf springt von selbst das Thor. Rund um den Wall gezogen ist eine Wasserbahn, Dort rudern Taucher plaudernd, dort stolz der Silberschwan. Der Reiher zeigt dort prächtig der Federn schönen Schein, Der Kranich steht bedächtig und ernst auf einem Bein. Im Burghof hat gesellig ein buntes Treiben Statt, Wie vor der Arche Noäh dereinst auf Ararat. Dort springen Affen tanzend, dort grollt ein schwarzer Bär, Dort wandelt neben Tigern der Löwe sanft umher. Und Faustus führt ins Lustschloss die Freunde nun herein; Da winkt ein leckres Frühmahl und auserlesner Wein. Die Tafel ist mit Blumen von seltner Art geschmückt; Nichts fehlet, was erfreun mag, nichts mangelt, was entzückt. Und wie voll Dank und Freude die Gäste wieder gehn, Und oft zurück zum Hügel, auf dem das Lustschloss, sehn; Da flammt aus allen Fenstern lichtlohend Blitz auf Blitz, Da dröhnt es auf der Berghöh, wie donnerndes Geschütz. Und Feuersäulen wirbeln empor im hellen Brand, In Gluth und Dampfgewölken das schöne Schloss verschwand. Am andern Tag lief einer den Hügel dort hinauf, Der fand nur grünes Riethgras und alte Knochen drauf. Und Faustus sprach zum Wagner, als dort die Flamm' entstand: »Sieh Freund, mein Mene Tekel: ich schreib's mit eigner Hand. Schreib's an den blauen Himmel und auf die grüne Trift, Und hier in meinem Herzen brennt lange schon die Schrift.« »Wir haben liebe Freunde gespeist hier und getränkt, Doch keiner ist gesättigt, so viel wir eingeschenkt! So ist's auch mir ergangen, mein Wagner, manches Jahr; Ich lieg' am Born des Lebens, ach, durstig immerdar!« Von Anhalt scheidet Faustus, wohin er heiter kam, Der nun betrübten Herzens auf immer Abschied nahm. Auf immer ist ein Wörtlein, das Glück mit Goldschrift schreibt, Doch auch ein Wort, das Thränen in unser Auge treibt. Auf immer , schwört die Liebe; die Treu hat gleichen Spruch: Auf immer schwört auch Freundschaft, und jede kommt zum Bruch. Lacht Dir des Glückes Schimmer, beugt Schmerz Dich unverhofft, Denk': Es ist nicht auf immer, und beide wechseln oft. Wenn Scheiden unser Schmerz heisst, will Keiner gern gestehn Dass Ahnung leise flüstert: Auf Nimmerwiedersehn! Ein stiller Mond der Hoffnung geht auf in heilger Pracht, Wenn Freudensonnen sinken, wenn Trennung traurig macht. XXXI. Die Heimkehr. Und wohl macht Trennung traurig, und wohl ist's bittre Pein, Von allem was wir lieben so weit entfernt zu sein, So weit, dass uns die Treue, der wir vertraut, vergass; Ein Freund vom Faustus solches mit bitterm Schmerz ermass. Dem flossen Tage golden dahin und ungetrübt, Von einer jungen Gattin recht warm und treu geliebt; Doch einer dem zu wohl ist geht tanzen auf das Eis; Und mancher ist, der Unglück, nicht Glück zu tragen weiss. Der Edle sitzt mit Freunden an froher Tafelrund; Sie trinken fremde Weine aus Ungarn und Burgund. Und fremde Länder preiset ein Jeglicher gar sehr, Jemehr der Becher kreiset, das Reisen um so mehr. »O Hellas!« ruft der Eine: »gebenedeites Land! Könnt' ich nur Dich erschauen! Der Inseln Blumenstrand, Die Stätten, uns geheiligt durch Mythen und Gesang, Die Schlösser, laut umtost einst von eh'rner Waffen Klang!« Ein Andrer ruft, und Freude verklärt sein Antlitz ganz: »Vor allem würd' ich eilen zum göttlichen Byzanz! Des Ostlands heilge Roma; die Meerbraut, reich geschmückt, Die Asien und Europa an ihren Busen drückt!« »Auf Brüder, lasst uns reisen!« ruft eines Dritten Mund; »Das giebt ein köstlich Leben! Die Hände her zum Bund! Ein Wort, ein Mann! Wie wollen wir frei und fröhlich sein!« Und alle sind's zufrieden, und alle schlagen ein. Die Wallfahrt ist beschlossen, nur einem ist sie leid; Wie reut den jungen Gatten sein übereilter Eid. Doch ist das Wort gegeben, entbunden wird er nicht, Ihm wächst aus Freude Kummer, aus Leichtsinn schwere Pflicht. – Nicht was sie froh geträumet, den Reisenden erschien; Wohl sahen sie gesäumet manch Inselufer grün, Doch davon, was gelesen sie sonst im Väterhaus, Stand nur das Wort gewesen noch über Schutt und Graus. Wo freie Völker waren beglückt und reich und stark, Da saugten jetzt Barbaren der Unterjochten Mark. Wo gastlich jede Pforte sonst stand dem Wandrer auf, Hemmt jetzt die hohe Pforte die Reisenden im Lauf. In Fesseln fand die Endschaft die ganze Pilgerschaft; Und mehr als einer wurde vom Tod dahingerafft. Zur Heimath flog die Kunde, dass alle Freunde todt, Wie klagt die junge Wittwe, und weint die Augen roth. Doch trocknen Wittwenzähren so leicht, als andre mehr; Dann späht ein freies Auge nach Freiern bald umher. Und eh' das Jahr verflossen, das Trauer ihr gebeut, Ist schon zu neuer Ehe die junge Frau bereit. Da fragt der Faust Mephisto, ob wirklich todt sein Freund? Und hört mit Schreck und Staunen, wie das der Geist verneint. Nun muss der Zaubermantel der Freundschaft hülfreich sein, Und dem gefangnen Armen windschnelle Flügel leihn. Schon wird zur neuen Hochzeit gerüstet und geschafft, Da kehrt der Todtgeglaubte heim aus der Kerkerhaft. In seinen Armen weinte die Neuverlobte zwar, Seis nun, dass es vor Freude, dass es vor Trauer war. Und Faustus naht mit Lächeln und redet mit Verstand: »Wenn Dir ein junges Weib lebt, so bleibe fein im Land. Lass sie nicht einsam weilen und zieh' nach der Türkei, Nicht immer machen Freunde zu rechter Zeit Dich frei.« »Und Du, die treuvergessen der neuen Eh' begehrt, Nicht jeder Zeitung traue, die todt den Mann erklärt, Wo Lügen sind willkommen, da kommen sie gar gern, Bleib' eingedenk des Sprüchleins: Untreu schlägt ihren Herrn.« – Ein ächtes Gold ist Treue, zum reichen Schatz geprägt, Und reich ist der zu preisen, der Treu im Herzen trägt. Ach Treu wird oft vergessen, verhöhnt auch sonder Scheu, Und manches Herz vergisst sich, und wird untreu der Treu. Treu sein dem Edeln, Guten ist edel sein und gut, Und Treu sei Deine Freundin, die Dir am Busen ruht. Wer von sich stösst die Treue, wer heilge Schwüre höhnt, In dessen Brust oft Reue, als Trauernachhall tönt. Fanstus verlässt die Beiden, die nun aufs Neu vereint; Nicht wissend ob den Dank ihm vereinte Reu verneint? – Der Himmel lächelt sonnig im ätherblauen Licht, Faust will zum Himmel blicken – und das vermag er nicht. »Für mich – giebt's keine Heimkehr, mich – rettet keine Hand, Ich habe längst verlassen mein bessres Vaterland. Ich hab' der Treu vergessen, die nun mein Schmerz vermisst; Gott trotzt' ich so vermessen, dass mich sein Herz vergisst!« – XXXII. Fassnacht. Zu Faustus spricht Mephisto: »Du bist der Alte nicht mehr! Ich fülle Dir den Becher, Du trinkst ihn nimmer leer. Die Lustfrucht, Dir geboten, so lockend und so reich, Erfreut Dich nicht, und Todten im Grabe bist Du gleich.« »Wer sich der Freuden absagt, was braucht der meine Macht? Du gleichest dem Begrabnen im tiefen Bergesschacht. Du bist ein wacher Träumer, und träumst nicht einmal recht; Du willst der Geister Herr sein, und bist der Zweifel Knecht!« »Hast Du nicht alles, alles, was Deinen Sinn erfreut? Hast Ehre, Ruhm und Namen, und hast Unsterblichkeit! Du bist ein mächt'ger Herrscher, vor dem die Freude kniet, Der mit Ascetenblicken auf dieses Lustbild sieht.« »Was grübelst Du noch einsam, wie Du zuvor gethan, Eh' Du den Weg gefunden, vertrauend uns zu nahn? Hast Du den Weg erkoren, folg' ihm, wohin er führt, Ist keiner doch verloren, der sich nicht selbst verliert!« »Die Freunde hör' ich sagen, Du wollest büssen nun; Dich reuen Deine Sünden, Dich reu' Dein Mannesthun! Du wollest Dich bekehren, zu Deiner Seelen Nutz, Dir eine Glazze scheeren, und anthun die Kapuzz?« Hohn ist ein giftger Stachel, Hohn ist ein Schlangenzahn, Der fällt mit Natterbissen den Stolz des Mannes an. »Schweig, Schlange, schweig!« so tönet zum Geist sein Donnerwort; Er stürmt, in sich zerfallen, zu neuen Freuden fort. Die Freunde bieten Becher, zu kosten ihren Trank, Doch vom verwöhnten Zecher wird nicht der kleinste Dank. Wer aller Lüste Trinkhorn bis auf die Neige leert, Den mag nicht leicht erfreuen, was Andern preisenswerth. Und Faustus spricht: »Ihr Lieben, die wahre Fassnacht hält Kein ächter Fassnachtschwärmer im Reich der Oberwelt! Er steigt ins Reich der Tiefen, er giebt Besuch der Nacht; Wohlauf, es sei auf Fässern die Fassnacht zugebracht!« Er schlingt den Zaubermantel um die Genossen jetzt, Da sehn sie sich nach Salzburg gedankenschnell versetzt. Dort in des Bischofs Keller ruht mancher Labequell, Und sprudelt aus den Fässern in alle Becher hell. Und wie recht frohen Muthes die Zechgesellschaft sitzt, Und mit des Weines Feuer ihr wildes Blut erhitzt, Da steigt der Kellermeister herab – wie der erschrickt, Als er die Schaar der Gäste, die fremde, hier erblickt! Laut ruft er: »Diebe! Diebe!« dass das Gewölb' erschallt; Da fühlt er sich gehalten von mächtiger Gewalt. Auf einer Leiter Sprossen wird er gesetzt in Eil Und durch die Lüfte sausend hin fliegt er, wie ein Pfeil. In eines Waldes Mitten auf hohem Tannenbaum Lässt Faust den Kellner sitzen, dem dünkt's ein böser Traum. Nur dass der Traum nicht schwindet, nur dass der Träumer wach, Und frühen Wandrern kündet er laut sein Ungemach. – Und mit den Freunden fröhlich hält lustge Fassnacht Faust. Oft scheint ein Lebensfroher, der wild durchs Leben braust; Doch tobt gar mancher Zecher, und Lebensüberdruss Beut ihm den Freudenbecher als böser Genius. Ein Fasching ist das Leben, ein bunter Carneval, Ein Tummelplatz der Freuden, ein Maskenzug zumal. Bis Leid wie Lust verrauscht sind, bis jede Larve sinkt, Und uns der Aschermittwoch des dunkeln Grabes winkt. Glück zu der Lustfahrt, Faustus! Hei, wie Dein Schlitten fliegt, Von Rossen nicht gezogen, von leichter Luft gewiegt! Rasch, wie die Zeit, und glänzend wie Lust, hellleuchtend schön: Und Silberschellen läuten mit lieblichem Getön. Das ist ein lautes Knallen, ein rauschendbeller Klang, Und frohe Lieder schallen im jubelnden Gesang. Der Schlitten ist ein Drache, geziert mit güldnem Glanz, Im Kronenhaupt sitzt Faustus, der Herrgottsaff' im Schwanz. Inmitten aber sassen die Freunde Mann an Mann, Und lachten, sangen, tranken, so lang ein Tropfen rann. Doch mancher neigt zum Nachbar den Mund, gedankenschwer, Und spricht, auf Faustus blickend: »Er ist der Alte nicht mehr!« – XXXIII. Liebe. Du Liebe, Wunderblume aus Gottes Strahlenkranz, Du Liebe, heilger Lichtstrahl, urewger Sternenglanz! Du Sonnengott, der zürnend die Menschenherzen trifft, Pilote, der errettend kühn durch die Brandung schifft: O Liebe, dem Gefallnen reichst Du die Rettungshand, Dem Wandrer in der Oede zeigst Du sein Heimathland. Wess Herz auch mag verwunden Dein wunderbarer Pfeil, Durch Schmerz wird es gesunden, und wird durch Wunden heil! Fand Faustus jene Blume, die nur Beglückten blüht? Fällt jenes Sternes Lichtstrahl ihm tröstend ins Gemüth? Und trifft sein Herz, das sündge, solch wunderbarer Blick, Als ob er Heil verkündge? Heil und ein neues Glück? Ihn grüsset bei dem Nachbar ein Engelangesicht; So reizvoll, dass ihm Hoffnung in volle Blüthen bricht. Ein Antlitz, das so schuldlos, ein Auge, das so klar, Ein Mägdlein, wie noch keines ihm hold erschienen war. Von reinrer Gluth durchlodert, als jemals er empfand, Neigt sich sein Herz in Liebe zur Maid aus niederm Stand. Der Reiche, dem die Schätze der Welt nichts, steht verzagt, Um einen Gunstblick bettelnd von einer armen Magd. Unschuld, wie bist Du mächtig! Ein Kind voll Riesenkraft! Ein Herkules, der bändigt die Schlange Leidenschaft ! Ein Stahlschild, drauf den Frevler ernst die Meduse schreckt; Ein Panzer, himmlisch glänzend, der einen Cherub deckt. Gar Mancher nennt es Liebe, wenn er voll Sehnsucht schwärmt, Wenn er im Wachen schmachtet und sich im Schlummer härmt; Wenn er in sel'gen Träumen vor Idealen kniet, Und in der Auserkornen nur einen Seraph sieht. So träumt und schwärmt der Jüngling, im wonnigen Gefühl; Doch mehr als zärtlich schwärmen ist eines Mannes Ziel. Freut Jugend sich der Blüthen, und windet sie zum Kranz, Will er die Frucht sich sichern, will sie allein – und ganz. – »Und kommt noch einmal Hoffnung auf eine schönre Zeit, Die mit dem Kranz der Liebe mir ihre Palme beut? Sollt' ich zurück denn stossen mein Glück mit eigner Hand? Ist nicht die heilge Flamme der Himmelsliebe Pfand?« » Mein will der Engel werden, doch am Altar. – O mein ! Der göttliche Gedanke schliesst Seligkeiten ein! Sie lässt mich freudig ahnen ein kaum gehofftes Glück, Sie führt auf bessre Bahnen mich Irrenden zurück!« So jubelt Faustus freudig, von holdem Wahn bethört; Er hat den Pakt vergessen, der all sein Glück zerstört. Und als er wonnetrunken sich reich und selig preist, Erscheint ihm, zornvoll dräuend, um Mitternacht der Geist. »Zu früh, zu früh frohlockst Du! So wird die Maid nicht Dein! Hast Du den Bund vergessen? Du schwurst uns, nie zu frein! Sieh hier das Wort, das eigne, das Du zu brechen wagst, Und diese Züge läugne, Faustus, wenn Du's vermagst!« »Du wirst nicht frein! Beim Erbfeind, den einst die Magd gebar! Du wirst nicht frein! Wir reissen Dich höhnend vom Altar! Wir würgen Dich im Arme der Braut, und Dein Gebein Verstreun wir unterm Richtplatz! Faustus! Du wirst nicht frein!« – ›Ha, so schlingt mich hinunter, zerreisst, vernichtet mich! Ihr seid ja meine Herrscher, und Euer Sklav' bin ich! Ich dünkte mehr als Sklav mich, ha, schlechter noch als schlecht! Den mächt'gen Herrn verliess ich, und ward des Knechtes Knecht!‹ ›So sei mit mir verfallen Dir, finstre Höllenmacht, Der Lichtstrahl, der von oben, als Hoffnung mir gelacht! Die Ahnung, die dem Träumer verhiess ein Paradies, Und jegliches Empfinden, das Liebe fühlen liess!‹ Er schweigt, auf seiner Stirne steht kalter Todesschweiss, Doch aus den Augen stürzen zwei Feuerzähren beiss. Das Bild, ihm hold erschienen, weicht still in Nacht zurück, Die Hoffnung war, auf Liebe, sein letztes Erdenglück. Entsagung , herbe Schmerzfrucht, gereift am Baum der Qual, Von Wehmuth abgeschüttelt mit Blättern, welk und fahl; Dich beut das dunkle Schicksal statt süsser Liebesfrucht, Und wirft die Hoffnung nieder mit seiner Lanze Wucht. Du Liebe, Wunderblume, urewger Sternenglanz, Hältst Du nicht den Gefallnen kraft eines süssen Bands? Und wendest von dem Armen Dein reines Angesicht? Ach, wem nicht Liebe hülfreich, dem hilft der Himmel nicht! XXXIV. Helena. »Dem Kinde gieb ein Spielzeug, so weinet es nicht mehr; Doch Du bist Mann , o Faustus, und grämest Dich so sehr? Muss Dir zum Freudengarten ein Thor verschlossen sein, Ei, schreite durch ein Andres nur keck und kühn hinein!« »Du grollst, weil wir das Mägdlein zur Ehe Dir versagt, Die nach der Haube lüstern; vergiss die niedre Magd! Nur Deines Winks bedarf es, so fliegen wir im Nu Und führen Königinnen für Deine Lust Dir zu.« So redet zu dem Magus der listenreiche Geist, Der Köstliches versagend, noch Köstlichers verheisst. »Wir hauchen neues Leben und neue Liebesgluth Der Schönheit ein, und ob sie Jahrhunderte gernht.« Da blitzt durch Faustus Innres ein Machtgedanke gross; Er reisst sich von dem Düster, das ihn umnachtet, los. Ein wunderbarer Geist tritt ihm nah aus alter Zeit; Er steht, ein zorn'ger Heros, der seinem Knecht gebeut. »Wohlan, so halte Wort mir; ich will, wie Du gesagt! Gieb Leben der Verwesung, eh' neu der Morgen tagt! Und bringe mir, die Paris mit sel'gen Augen sah, Und bringe mir zur Buhle die schöne Hele na !« Fort stäubt der Geist, und Faustus nachblicket ihm voll Groll; Dann wandelt er im Zimmer ernst und erwartungsvoll. Bald geht er tief verdüstert, nachdenkend, sonder Ruh, Bald steht er still und flüstert sich selber Fragen zu: »Kann er, was ich gefordert, mir wirklich bringen? Nein! Wird ein Phantom des Abgrunds nicht die Gewünschte sein? Und ist Phantom nicht alles, was unser Auge sieht? Die Schönheit, wie sie leuchtet, die Blume, wie sie blüht?« »Wer ist, der seinem Dasein ein dauernd Glück erstrebt? Glück ist ein Götzenbildniss, das unser Wunsch er hebt. Ist unser Wunsch befriedigt, dann, Göttin, fahre wohl! Wir finden bald ein neues, ein schöneres Idol.« »Von einem Volk im Nordland seltsam die Sage klingt: Es schlage seine Götzen, wenn ihm ein Wunsch misslingt. Sind wir um vieles besser? Wir knie'n vor einem Gott, Gleich, täuscht uns Hoffnung, nennet ihn machtlos unser Spott.« »Und ach, wie sollte dauernd ein Glück auf Erden sein? Die Kinder des Verlangens wiegt Zeit als Amme ein. Sie weinen oft, die Kinder; wenn sie sich müd' geweint, Entschlummern sie, und schlummern vergessen, ja versteint.« »Doch ewig ringen Wünsche sich aus dem Herzen los; So grünet über Gräbern gar üppig junges Moos. So weckt zu neuem Leben, was Winterschlaf erstarrt, Aus trauerbleichem Schneekleid der Lenz der Gegen wart.« – Wie Faustus so vom Rocken der Zeit Gedanken spinnt, Und für sein eignes Hoffen sich Bild auf Bild ersinnt, Stört ihn im tiefen Denken ein leiser Odemzug, Der sanft, wie Lenzessäuseln an seine Wange schlug. Um blickt er rasch, durchschauert vom Ahnungsschreck, und bebt: Ist's Aphroditens Liebreiz, der dem Olymp entschwebt? Ist's Majas Blüthenzauber, den er verkörpert sah? Ist's eine Lichtsilphide? Nein, es ist Helena . Sie steht mit glühnden Wangen, mit leisem Zittern dort, Von seinem Blick bewundert, und waget noch kein Wort. In Götterschöne blühet ihr Zauberangesicht, Nicht schöner ist Kythere, Latona sanfter nicht. Einhüllet, golddurchwoben, ein Schleier ihren Leib, Daraus den Arm erhoben das anmuthreiche Weib. Nimmt von der Stirn den Schleier, und lächelt Faustus an, Nicht weiss der, sieht er Wahrheit, täuscht ihn ein schöner Wahn? Hin sinkt er, ihr zu Füssen, blickt auf zum Wunderbild, Und ihn als Herrn zu grüssen neigt sie sich zärtlichmild. Hebt ihn in ihre Arme, küsst ihn mit süsser Lust, Und presst ihn an die warme wonnedurchwallte Brust. »Du mein! Urbild der Schönheit!« ruft Faustus kummerfrei: »Nun will ich nicht mehr klagen, dass ich verloren sei! O solchen Reiz geniessen wiegt Welten auf voll Qual! Lass, Helena, Dich grüssen und küssen tausendmal!« – Der Geist spricht: »Gieb ein Spielzeug dem Kind, dann weint's nicht mehr; Ich seh', es giebt auch Männer, die lieben Spielen sehr. Und Mancher, der der Hausfrau schier überdrüssig ist, Verschrieb' uns Leib und Seele, wenn er solch Spielzeug wüsst'!« – XXXV. Liebeswunder. Ob Faustus Haupte strahlet ein neuer Stern des Glücks, Der sich im Glanze spiegelt des frohen Flammenblicks. Und wär' es ein Kometstern, wär's nur ein Meteor, Nie war der Magus reicher, nie fröhlicher zuvor. Wer ist die Wunderschönheit, die bei dem Zaubrer wohnt? Auf deren Rosenantlitz ein ganzer Himmel thront? Ein Himmel voller Liebreiz, und eine Welt voll Lust, Der Liebesflammen lodern aus eisumstarrter Brust? In Greisenbusen werden entschlafne Wünsche wach, Der stillen Luft vertrauen sie manch geheimes Ach. In Männerblicken malt sich, was kaum der Mund vorschweigt; Der Jüngling preist sich selig, dem sie der Traumgott zeigt. Und dieses Weib, o Faustus, dess Schönheit allentzückt, Hat nur das eine Streben, dass sie Dich, Dich beglückt. Von ihren Küssen trunken schläfst ihr am Busen ein, Und nennst sie wonneschwelgend voll frohen Stolzes Dein . Jetzt magst Du Deines Namens recht fröhlich sein in Ruh, Faustus heisst ein Beglückter , und welcher ist's, wie Du? Sie liebt Dich heiss die Schöne, die Dir am Herzen liegt, Wie Anadyomene, von Mavors Arm gewiegt. Es quillt von ihren Lippen klangreich manch süsses Wort, In Hellas schöner Sprache rauscht es melodisch fort. Wie weiss sie hold zu schmeicheln; das Zauberwort philo Macht Dich wie Liebesjubel der Philomelen froh. O Liebeslust, wie gleichst Du dem Nachtigallgesang! In süsser Mainachtdämmrung ein sanfter Flötenklang. Ein Brautbett, das mit Rosen bestreuet und bekränzt, Ein Lustpokal, den Freude dem Glücklichen kredenzt. Du bist ein heilger Lotus, der aus den Fluthen taucht, Dess stille Blumensehnsucht statt Klagen, Duft verhaucht. Doch auch die Blume findet ihr Liebeseigenthum, Und im Entzücken sterbend sinkt das Nelumbium. O Liebeslust, wie flammst Du, hell wie der Asgardbrand, Darin ein Götterhimmel einst sein Verderben fand! Ja, wenn die Feuerriesen der Sinnlichkeit befreit, Dann heilge, reine Disen, naht Eure letzte Zeit! Wo Lust und Liebe buhlen, da zeugen sie geschwind Die Tochter heissen Blutes, und Wollust heisst ihr Kind. Auf wächst sie zur Virago, die Riesen niederringt; Der Eumeniden Schönste sie Flammenfackeln schwingt. So nennt auch Faustus Liebe, was Liebe nimmer ist, Ihm scheint der Wollust Urbild die Huldin die er küsst. Und als er sich ein Reicher, ein Hochbeglückter glaubt, War er nie mehr des Reichthums, nie mehr des Glücks beraubt. – In Lieb' und Lust der Liebe verrauscht ihm fast ein Jahr, Und Helena wird Mutter, das däucht ihm wunderbar. »Hab' ich nicht von der Hölle nur ein Phantom begehrt, Um meiner Lust zu fröhnen, und hat sie mehr gewährt?« »Und wirklich Mutter? Wirklich ich Vater?« – Freudig schlägt Sein Herz, als ihm die Amme sein Kind entgegen trägt. Das blühnde Kind, die Wänglein wie rosenübermalt, Und wie der Mutter Liebreiz aus seinen Augen strahlt! O Vaterglück, wie füllst Du mit Lust des Mannes Herz! Eine neue Welt enthüllst Du, trägst Wünsche himmelwärts! Faust hätte gern gebetet, so fröhlich durft' er sein; Dass er nicht beten durfte, war jetzt ihm bittre Pein. Das trübt ob seinem Haupte den neuen Stern des Glücks; Mit Webmuththränen löscht es den Glanz des Flammenblicks. Er nennt den Knaben Justus , und seufzet still dazu: » Gerechter mögest werden als ich, mein Justus, Du!« XXXVI. Truebe Ahnung. »Kein Himmel ist so helle, dass ihn kein Wölkchen trübt; Kein Flügel ist so schnelle, der nicht auch Ruhe liebt. Kein Herz ist so zufrieden, dass es nicht Wünsche hegt, Es hofft ein Herz hienieden bis man's zu Grabe trägt.« »Und mir, mir sollte Ruhe durch stilles Glück erblühn? Dazu sind meine Wünsche zu hoch und überkühn. Das Glück wird nie gebunden an Wesen, Zeit und Raum; Das Glück wird nie gefunden, als nur im Hoffnungstraum.« »Eine graue Riesenmutter sitzt überm Ei der Welt, Das sie mit eh'rnen Ketten an sich gefesselt hält. Und unaufhörlich regt sich ihr dunkles Flügelpaar, Wild ineinander wirrend umweht sie Schlangenhaar.« »Sie hält in ihren Händen ein schneidend Schwert empor; Umflammt von rothem Mantel wie Nordlands Meteor. Aus ihrem Schooss gebiert sie drei Drachen: einer bringt , Der andre würgt , der dritte den Raub allein verschlingt .« So Faustus spricht zum Wagner in stillvertrauter Stund, Und dieser: »Tiefe Räthsel verkündet Euer Mund. Dürft' ich die Deutung wagen, wie solches Ihr gemeint, So möcht' ich frei Euch sagen, wie mir der Sinn erscheint.« »Die graue Riesenmutter ist Zeit , die höchste Macht; Die brütend überm Weltei, gleich einem Drachen, wacht. Das Schicksal ist die Fessel, in die sie jenes schlägt; Geburt und Tod sind Schwingen, die sie beständig regt.« »Und ihres Hauptes Wirrhaar ist Zufall wohl, Geschick? Dem wirds zur güldnen Kette, dem andern wirds zum Strick. Ein Ariadnenfaden wirds dem zu Glück und Heil, Ein Spinneweb der Hoffnung führt's den am Narrenseil.« »Ihr schneidend Schwert ist Zwietracht , ihr Mantel Krieg und Mord ; Den breitet sie gar weit aus, so über Süd als Nord. Und ihre Drachenkinder? Die träge Zukunft bringt Was Gegenwart ermordet, Vergangenheit verschlingt.« Mit trübem Sinnen Faustus zum treuen Freunde spricht: »O nein, Du deutest, Wagner, mir meine Räthsel nicht! Und wenn auch nicht verachtbar mir Deine Deutung scheint, Mir brennt's im Herzen anders, und anders ist's gemeint.« » Verbrechen heisst die Riesin, der Welt ausbrütend Fluch ; Die Sünden sind die Fesseln, drein sie mein Dasein schlug. Die Schuld ist mit dem Laster ihr dunkles Flügelpaar, Ueberm Haupte Gottverhasster regt sie das immerdar!« »Ihr Haar ist das Gewissen , das beisst, wie Natterzahn; Und schwebend ob dem Sünder hängt stets ein Schwert daran. Das Schwert, das heisst Vergeltung, Furcht ist der Blutprophet Der wie ein Flammenmantel um ihre Schultern weht!« »Und nun? Das Drachenkleeblatt, das sie geboren hat? Den ersten nenne Vorsatz , den zweiten nenne That , Der dritte folgt als Folge , der Gier nach Beute trägt, Und Zähne, spitz wie Dolche in Sünderherzen schlägt.« – ›O Herr, warum so trübe, warum so schmerzgepresst? Auf Freundschaft baut und Liebe, wenn Euch die Ruh verlässt! Blickt nicht hinaus zur Zukunft in dunkle Mitternacht, Freut Euch des hellen Tages, dess Gegenwart Euch lacht!‹ »Bald wird der Tag verschwinden, bald wird sein Schein vergehn, Mit düstern Schauerflügeln wird mich die Nacht umwehn. O dass ich nicht den Schimmer, den eiteln, angeblickt! O dass mich nie die Blendung vom rechten Pfad entrückt!« »Ich irr' in einer Wüste, die rings an Labe leer; Ich bin hinausgeschleudert in ein empörtes Meer. Ich schwimme noch, ich schwanke im öden Ozean, Ach, eine morsche Blanke nur ist mein Lebenskahn!« – Zur Seite steht Mephisto, der schielt nach Faustus arg, Und spricht: »Für solchen Träumer wird jedes Bret zum Sarg. Der grösste Thor ist immer, der sich mit Sorgen quält, Der selbst im Schooss Fortunens unwissend, was ihm fehlt.« »Dem Thoren, dem nichts recht ist, der meiner Müh nicht dankt, Der täglich mit dem Himmel, wie mit sich selber zankt, Dem mag ein Andrer dienen, ich bin nicht neidbewegt, Fast möcht' ›Gottlob‹ ich sagen, dass bald sein Stündlein schlägt!« »Kein Himmel ist so glanzhell, dass ihn kein Wölkchen trübt, Kein Flügel ist so ganz schnell, dass er nicht Ruhe liebt. Faustus ist nie zufrieden; säss' er in Abrams Schooss, Ihn risse kindsches Wüthen aus sieben Himmeln los.« XXXVII. Vorgefuehl. Das Herz ist eine Glocke, die schlägt manch ernste Stunde; Sie giebt von Freudenfesten, sie giebt von Trauer Kunde. Wenn tief im Busen Aufruhr, wenn die Gefühle ringen, Da schlägt sie laut und angstvoll, und möchte fast zerspringen. Das Herz ist eine Harfe, die Gott besaitet hat, Der Sünder nur verstimmt sie durch frevelhafte That. Und will sie dann erklingen, dann wird's ein trüber Klang, Leichhuhnruf über Gräbern, und heisrer Unkensang. Und tief im Herzen wohnet eine Rune wunderbar, Die sagt prophetischdunkel die künftgen Dinge wahr. Sie warnt mit leiser Mahnung, es warnt kein Freund getreuer, Und das Gespenst der Ahnung hüllt sich in ihre Schleier. Um Faustus ist es trübe, recht trübe, still und leer; Ihn heitert nicht die Liebe mit sanftem Kosen mehr. Kaum dass es ihn, den Ernsten, zum leisen Lächeln zwingt, Wenn seine Arme Justus um Vaters Nacken schlingt. »O Leben, rollend Leben, Du Flügelball des Glücks, Du Spiel der Götterlaune, Du Kampfpreis des Geschicks! Was fliehst Du mir so flüchtig vorüber, Huldgestalt! Du, für so Viele liebreich, warum für mich so kalt?« »O Leben, süsse Buhle, was hab' ich Dir gethan? Was blickst Du mich so finster, so kalt, so lieblos an? O lass von mir Dich halten! Komm, küsse Faustus warm! Nimm gegen Nachtgewalten mich rettend in den Arm!« »Bald ist der Zauberbecher geleert bis auf den Grund; Und der bethörte Zecher führt ihn nicht mehr zum Mund. Er schleudert ihn zum Abgrund, und stürzt sich hinterdrein, Und keine liebe Stimme ruft schmerzbewegt: Halt ein!« – Er ruft's und schlägt die Hände wild vor sein Angesicht; Er möchte gerne weinen, ach, und vermag es nicht. Er hat nicht eine Zähre des Leides, noch des Zornes; Die Pforten sind verschlossen des milden Thränenbornes. Da naht die Reizumflossne, Lust lebt, wohin sie tritt, Die Schönheitübergossne, sie bringt den Knaben mit. Gleich Himmelslenzen blühet ihr Rosenwangenpaar, Und sanfte Flammen sprühet ihr Auge, wunderklar. »Mein Faustus! trauter Gatte bleibt kein Gedank' an mich? Und quälest nimmerfröhlich doch mit Gedanken Dich?! Mein Faustus, lass sie schwinden, die Kinder schwarzer Nacht, Sieh mich, sieh Deinen Knaben, wie der so freundlich lacht!« ›O Helena! Von Hellas? Nein, von der Höll' entführt! Weib, das sich meine Thorheit, das sich mein Wahn erkührt! Du nicht vermagst zu trösten, Halbding von Mensch und Geist, Du nicht vermagst zu fühlen, was mir das Herz zerreisst!‹ »Wie Du mich kränkest, Faustus! Bin ja Dein treues Weib! Bin kein Phantom, kein Trugbild! Nicht Luft ist dieser Leib! Hab' ich Dich nicht umschlungen, so liebereich und warm, Und ruhtest, lustdurchdrungen, Du nicht in meinem Arm?« »Und hast Du mich geküsst nicht, ach viele tausendmal? Hab' ich Dir nicht geboren diess Kind mit Mutterqual? Nun quält mich solcher Vorwurf, der mir das Herz zerbricht; Abläugne Heil und Himmel, nur meine Liebe nicht!« »Das ist Dein Fluch, mein Faustus, dass Du Dein Glück nicht glaubst; Dass Du mit ewger Sehnsucht Dir selbst den Frieden raubst! Kein Gott vermag zu trösten, Beklagenswerther, Dich!« So rief sie, herzte weinend den Knaben, und entwich. »Wohl wahr, kein Gott vermag das; Wahrheit hast Du gesagt! O wie mir's in der Seele so furchtbar schrecklich tagt! Die Röthe, die dort aufglüht, ist das die Sonne? Nein! Brand ist es, Höllenfeuer; mich – stossen sie hinein!« »Ja näher, schrecklich näher kommt mir der letzte Tag; Ein beutegierger Geier, wie saust sein Flügelschlag! Und ich? Ich bin Prometheus, gefesselt Fuss und Hand, Steh' nackt ich angeschmiedet an nackter Felsenwand!« »Ich kann nicht vor, nicht rückwärts! Weh mir – der Geier beisst! Friss, friss, Du wilder Vogel! Den Leib nicht! Friss den Geist! Ins Hirn hack' ein, das bietet Dir noch ein leckres Mahl; Wenn's erst der Wahnsinn anbrennt, mein Geier, dann wird's schal!« Im wilden Schmerz aufheulend rauft Faustus sich das Haar, Und unter'm Ofen, spottend, heult auch Prästigiar. Der fletscht die scharfen Zähne, rollt wild der Augen Gluth, So heult wohl die Hyäne und rollt ihr Aug' nach Blut. »Kommt zu Euch, Herr!« spricht Wagner, und tritt dem Armen nah: »Ihr träumt in Fieberwahnwitz, die Zeit ist noch nicht da! Das Herz ist eine Glocke; wenn Schmerzgefühle ringen, Da schlägt sie laut und angstvoll, und möchte fast zerspringen.« XXXVIII. Prophezeihung. »Und muss es sein, ertönt mir der Todtenglocke Klang, So will ich mich bereiten zu meinem letzten Gang. Will schauen in den Spiegel was Künftiges geschieht, Man sagt ja, dass im Sterben der Geist weit heller sieht!« So Faustus spricht, und einsam forscht er der Zeiten Lauf, Und was den Blicken kund wird, er zeichnet's fleissig auf. Und mehr als ein Jahrhundert steht ihm vor Augen klar, Das sammt den Riesenthaten noch ungeboren war. Und Wagner hat gar sorgsam die Schriften aufbewahrt, In denen sein Gebieter die Zukunft offenbart. Aus jenen alten Rollen, des Wagner bestem Hort, Tönt mit bedeutungsvollem Prophetenbild das Wort: »Ich las im Buch der Zeiten, das ist ein dunkles Buch, Von Greueln vollgeschrieben und schwer von Völkerfluch. Sah Blätter, die noch leer sind, mit Thaten schon bemalt, Und Schulden, die blutschwer sind, die sah ich schon bezahlt.« »Zeit zeichnet ihre Thaten mit Blut und Thränen auf; Goldstaub zermalmter Kronen streut sie statt Sandes drauf. Und ist Blut ihre Tinte, dann ist das Schwert ihr Kiel; Nicht müd' wird sie des Schreibens, sie hat des Stoffs zu viel.« »Ich sah im Buch der Zeiten das alte Babylon; Dort sitzt ein stolzer Herrscher auf einem heilgen Thron. Und um ihn her die Hirten der Völker seh' ich knie'n, Die Gott vergessend kommen und beten an – nur ihn .« »Er hält in seiner Linken den Schlüssel, strahlend sehr, Es fällt das helle Blinken auf Himmel, Land und Meer. Er neigt in seiner Rechten den Kreuzesstab zum Gruss, Und den demüthgen Knechten reicht er den Fuss zum Kuss.« »Er schmiedet Völkern Ketten uralter Finsterniss; Er ist ein Wolf, der wüthend das weisse Lamm zerriss. Ein Löwe, der umherbrüllt, wen er verschlinge, sucht, Ist in Jehovas Tempel ein Wechsler, gottverflucht.« »Da, wie der Hochgewaltge voll Gottesmajestät, Voll Uebermuth und Herrschsucht sich auf dem Throne bläht, Da sch' ich aufwärts steigen den silberweissen Schwan, Der zündet eine Fackel am Wahrheitspiegel an.« »Und wilder Kampf entbrennt nun des Morgens mit der Nacht, Des Geistes mit dem Worte, der Schwachheit mit der Macht; Der Freiheit mit der Knochtschaft, der Wahrheit mit der Lüge; Wie trägt der Zeiten Bildniss so blutentstellte Züge!« »Der Halbmond steigt im Osten mit rothem Glanz empor, Der hohen Pforte Wächter pocht an das Kaiserthor. Lasst Türkenglocken läuten, den Himmel fleht um Schutz! Es bieten böse Zeiten sogar dem Himmel Trutz.« »Nach einem neuen Weltheil hinschifft Hyänenwuth, Und trinkt zur Ehre Gottes sich satt im Heidenblut; Und bringt den armen Völkern, anstatt dem sanften Heil, Nur Laster, Sklavenketten, Tortur und Henkerbeil.« »Es eilet aus Hispanien ein junger Leu daher, Zur Hülfe jenem Alten, und mit ihm Wolf und Bär; Doch kühn zum Kampfe stellen darf ihnen sich der Schwan, Fruchtlos die Hunde bellen den Mond, den reinen, an.« »Aus einer Klosterhöhle, darin sie träumte, kriecht Die listenreiche Schlange, die jede Farbe lügt: Die sich um Throne ringelt, in Fürstenherzen schleicht, Und jedes Mittel heiligt, das seinen Zweck erreicht.« »Dort schlägt ein blutger Tiger die Tatz' ins Niederland; Dort wirft die Riesenflotte der Sturmwind an den Strand. Dort wird gar lustge Hochzeit gehalten in Paris; Setzt roth in die Kalender den Tag, ihm ziemet diess.« »Und aus dem Schooss der Zeiten aufsteigt ein Meteor, Das eine Flammenfahne schwingt vor dem Himmelsthor; Doch in dem Purpurglühen das vom Verderben spricht, Stehn Himmelssterne freundlich mit ihrem ew'gen Licht.« »Ich sehe düstre Fackeln durchlodern alle Land', Und das sind Scheiterhaufen, entflammt von Henkerhand. Und Feuerzeugen sind es, die lästern Gott in Qualen, Und sind die Goldbuchstaben in der Zeiten Blutannalen.« »Den Fanatismus seh' ich in Hütten, auf dem Thron; Er ist ein blinder Schütze, ein giftger Skorpion. Seh' Königshäupter rollen, hei, wie der Blutborn springt! Wie dumpf durch alle Länder die Todtenglocke klingt!« XXXIX. Zweite Prophezeihung. »Und mehr von künftgen Thaten les' ich im Zukunftbuch, Und vor mir aufgeschlagen ist mancher düstre Zug, Dass ich kaum weiss zu deuten, was dort mein Auge trifft; Die Schrift im Buch der Zeiten ist Hieroglyphenschrift.« »Krieg ist das Spiel der Kön'ge, Krieg ist ein schönes Schach, Drauf jeder Zug ein Feldzug, das spielt sich ganz gemach. Drauf jeder Schlag 'ne Schlacht ist, das mag recht lustig sein, Und auf blutrothen Feldern jeder Stein ein Leichenstein.« »Dort schwingt ein Hahn die Flügel, sein Kamm ist blutgeschwellt; Es fliegt sein lautes Krähen furchtbar durch alle Welt. Und was er kräht, klingt Freiheit ! und Frei heit ! hallt es nach, Durch alle Lande rollend wie lauter Donnerschlag.« »Stets ist ein neuer Götze willkommen blindem Wahn; Er würgt ihm Menschenopfer und betet knie'nd ihn an. Er färbt sich roth sein Käpplein im Opferblut, umtanzt Den Freiheitsbaum, den Wahnsinn auf Königsgräber pflanzt.« »Da schwebt ein Aar herüber vom Felseninselhorst, Der stählt die jungen Schwingen im starren Lanzenforst. Der schleudert nach den Bäumen der Freiheit kühn den Blitz; Todt liegt der dumme Schreier, der Hahn, am Herrschersitz.« »Und weil der Aar die Blitze so gut zu schleudern weiss; Und ihn das Volk vergöttert, dünkt er sich selber Zeus. Und setzt, denn solchen Aaren ist Kühnstes schon erlaubt, Die Krone der Cäsaren auf sein gewaltges Haupt.« »Doch ist der Aar ein Raubthier, taugt nicht ins Hühnerhaus; Er streckt nach Süd- und Nordland die scharfen Krallen aus. Für sich und sein Geschwister trägt er viel Raub ins Nest; Ihr Königsgeier haltet nur Eure Kronen fest!« »Nur nicht zu hoch, mein Adler, zu tollkühn nicht den Flug! Der Flügel wurde treulos, der Ikarus einst trug; Der schmolz in Gluth. O dass Du die Flügel nicht verlierst, Und wahre wohl die Schwingen, dass Du sie nicht – erfrierst!« »Ha, wie die Völker ringen, wie's gen den Adler zieht, Der mit gelähmten Schwingen grimmvoll zur Heimath flieht! Wie Schlachtendonner tosen, wie Völker Freiheit schrein! Nun nach dem kranken Löwen schlägt auch das Eselein!« »Da fallen Königskronen herab vom Zeitenbaum; Da wird's leer auf den Thronen, drauf mancher sass im Traum. Ein König soll nicht träumen, sonst wird sein Land nicht froh; Nicht stets den Joseph findet ein Träumer-Pharao.« »Einst werden Kön'ge träumen von einem heilgen Bund, Den Frieden zu befesten auf diesem Erdenrund; Wie locker auch die Parze des Bundes Faden spinnt, So lange bleibt's doch Frieden, – bis neuer Krieg beginnt.« »Und einen Phönix seh' ich, der steigt aus Asch' und Brand; Und von zersprengten Ketten fliegt heller Klang durchs Land. Und wieder nennt sich Freiheit ein flammendes Panier, Wo das auch wird entfaltet, Blut kostet's dort, wie hier.« »Und ob die Herrscher blinzeln hin in das Morgenlicht, Den Phönix ganz zu retten verstattet Klugheit nicht. Was will der Wundervogel? Ziemt ihm ein Diadem? Den Halbmond lasst in Frieden, stört nicht das Weltsystem!« »Dort äfft ein neuer König dem alten Nero nach, Ein schlechter Histrione, den Schande trifft und Schmach. Dort werden Herrscher flüchtig, und Freiheit ruft's auf's Neu. Die wird durch alle Lande das laute Feldgeschrei.« »Die Menschheit steht erwartend der Dinge, die geschehn; Und schaudernd soll ihr Auge das Ungeheure sehn. Dort wüthen Krieg und Flammen, dort Pest und Hungersnoth, Und über Völkergräbern frohlockend tanzt der Tod.« – »O Freiheit, wahre Freiheit, Du hohes Ideal, Wann bricht durch Nacht und Grauen Dein schöner Segensstrahl! Wann leuchtet allen Geistern Dein gottentflammter Stern? Zeit, der die Völker harren, bleibst Du noch lange fern?« »Du Freiheit, wahre Freiheit des Geistes und des Lichts, Du bist der Hort der Völker, und nur an Dir gebrichts! O komm, Du Gottgeborner, Du Weltmessias, komm, Und mache froh die Menschheit, und glücklich, gut und fromm!« – »Nichts mehr von künftgen Tagen les' ich im Zukunftbuch, Die Blätter sind verdunkelt von Völkerblut und Fluch. Auch nichts von bessern Zeiten mein Aug' erblicket hat; Die bessre Zeit, die steht wohl auf einem andern Blatt.« – XL. Kuendigung. Im Lebensbaum des Menschen soll eine Sanduhr stehn, Die rinnt und rinnt, und keinen siehst Du herum sich drehn. Das Leben rollt gleich eilig wie dort abfällt der Sand, Und Manches scheint uns heilig, und Vieles ist nur Tand. Und wenn der Sand verronnen, zerbricht das morsche Glas; Was ist's, das wir gewonnen, erstrebt, errungen? Was? Fahr' wohl dann Welt, so werthlos wie Sand! Du Heimathland Gönn' uns in Dir ein Bettlein, kühl – unter Deinem Sand. Doch glücklich, wer mit Ruhe dem Tag entgegenblickt, An dem der Todesengel die Lebenslilie knickt! Dess Blut nicht der Gedanke erstarren macht zum Eis, Dass er Kraft innrer Ahnung den Tag schon nahe weiss. Zu Faustus tritt Mephisto: »Bald tanzen wir Kehraus! Die Zeit verläuft, mein Doktor, bestellt nur Euer Haus. Ihr warft mich zu den Hunden, dass ich erniedrigt sei; Habt mich doch treu befunden, fürwahr, recht hundetreu!« »Nun bin ich endlich, endlich des Dienstes quitt und baar! Vergebens mögt Ihr rufen um den Prästigiar. Wenn wir uns wiederfinden, in unserm Lustrevier, Mein guter, kluger Doktor, dient Eure Weisheit mir!« ›Den ewgen Fluch zum Lohne für Deine Dienste nimm!‹ Antwortet darf dem Hohne des Geistes Faust voll Grimm. »Nimm für Dein erstes Nahen, für jeglichen Besuch, Eine Meerfluth voll Verwünschung und eine Welt voll Fluch!« ›Wie ziemt Dir solches Rasen, mein Philosoph? O sprich Ehvor stolz aufgeblasen, und jetzt – wie lächerlich! Mich sollte doch bedünken bei Deiner Phrasen Schwung, Um kindisch schon zu werden sei Faustus – noch zu jung!‹ »Ja höhne, höhne, höhne! Spalte mein Hirngebein, Und träufle Deiner Zunge heisszischend Gift hinein! Was flatterst Du so ferne? Tritt nah zu mir heran! Hier ist mein Herz, zerfleisch' es mit Deinem Tigerzahn!« ›Wie wild Du bist! Der Aerger ist schädlich, wie Du weisst! Gewissen heisst Dein Tiger, und Angst ist's die Dich beisst. Hast Du's mit dem verdorben, was haderst Du mit mir? Du bist ein Thor, ich aber hab' nichts gemein mit Dir!‹ »Weh, weh mir, dass ein Solcher mir Solches sagen darf! O wie sind seine Worte, wie Dolche, spitz und scharf! Sie schneiden Herz und Seele mir blutig, blutig wund; Abgrundpropheten thun sie mir künft'ge Qualen kund!« »Er ist hinweg; ich stehe nun machtlos, ganz allein; Das Echo meines Namens, der Schein von meinem Sein. Die Fackel, die geleuchtet, und die nun ausgebrannt, Der Leue, den die Schlange der Wüsten übermannt!« »Ich war ein Baum, der weithin sein grünes Laubdach wob; Der stolz zum Himmel ragend die Krone prangend hob. Der mit den Wurzelfassern hinab zur Tiefe drang, Und unten die Gewalten bewältigt' und bezwang.« »Nun nagt ein Wurm die Wurzel, nun stockt im Stamm der Saft, Nun in den Aesten dorrt mir die frische Lebenskraft. Nun zischt der Blitzstrahl nieder, anfacht die Gluth der Sturm, Und ewig brennt das Feuer, und ewig nagt der Wurm.« »Es ist vorbei – vom Schauplatz der Welt tret' ich herab, Den jubelnd einst und gaffend die Menge laut umgab. Dort jauchzten sie mir Beifall, doch tief im Innern wühlt Ein Wurm, der flüstert grässlich: Faust, Du hast schlecht gespielt!« »Es ist vorbei! O wär' es vorbei! Und wär' ich todt! Die Seele todt und alles! Aus wäre meine Noth! Vernichtung, o Du schönes Gespenst, komm über mich! Gieb mir den Kuss des Todes, dankbar umarm' ich Dich!« »Still – ruhig! Will mich zwingen, will Mann sein noch zuletzt. Ich will mein Haus beschicken recht ernst und recht gesetzt. Warum auch jetzt vorzweifeln? Bleibt mir dazu nicht Zeit Im Nachtreich bei den Teufeln hindurch die Ewigkeit?« – »Im Lebensbaum des Menschen wohl eine Sanduhr steht; Das Glas, das wird zerbrochen, der Sand, der wird verweht. Der Baum wird abgehauen, nichts ist, das Dauer hat Als martervolle Strafe für gottverfluchte That.« – XLI. Das Testament. »Und will zur Neige werden mir im Pokal der Wein, Und ist nichts mehr zu hoffen, muss es geschieden sein, Wohlan, so lass uns ordnen, so sei das Haus bestellt, Dass nicht in fremde Hände, was wir erworben, fällt!« So Faustus spricht zum Wagner, und der erwiedert drauf: »Wohl, setzt für Euer Weib nur den letzten Willen auf, Vergesst auch Euer Kind nicht; was dann in meiner Macht, Das wird für Eure Lieben, wie für Euch selbst, vollbracht.« ›Mein Weib und Kind! Du träumest! Bedürfen die mein Gut? Rollt ihnen durch die Adern der Erdenkinder Blut! Trugbilder, mich zu halten am ewigfesten Band, Und meiner Lust zu fröhnen, hat sie die Nacht gesandt.‹ – Da tritt mit ihrem Knaben das schöne Weib herein; Ein dichtgewobner Schleier hüllt ihre Schönheit ein. Faust wendet sich, sie hält ihn, in Königsmajestät Steht sie vor ihm. »Vernimm mich, denn später ists zu spät!« »Ich komme nicht zu betteln um das, was ich verlor; Ist doch der Mann ein Schwächling, den meine Lieb' erkor. Nicht um Dein Gut zu betteln wegwirft sich Helena, Gieb alles Deinem Freund hier, die Treu verdient es ja.« »Dass Faustus uns verläugnet, wir habens nicht verdient; Doch Höh're zu verläugnen hat er sich schon erkühnt! O dass die Dir vergäben, wie wir vergeben Dir! Die Liebe scheidet weinend und lässt die Reue hier!« Sie sprichts und hebt noch einmal die Schleier sanft empor; Ein Goldstern scheint ihr Antlitz durch Trauerwolkenflor. Ihr Augenpaar, sanft lächelts, durch Thränen, schmerzlich süss, Bis sie darüber wieder die Schleier sinken liess. Und fasst die Hand des Knaben, und geht, wie Schatten gehn, Und nimmer kommt sie wieder, und wird nicht mehr gesehn. In Sinnen tief steht Faustus, und seufzt ein leises Ach; Und Wagner blickt mit Staunen dem schönen Räthsel nach. »Fahr' wohl!« ruft Faustus: »Traum nur war mir Dein Liebeskuss! Dich gab nur als Phantom mir mein böser Genius. War's anders! Schlug mir wirklich ein menschlich fühlend Herz! O lasst es mir verhüllt sein, das mehrte mir den Schmerz!« »Mein Haus, mein Vatererbe sei, Wagner, künftig Dein; Der Goldschatz, die Geräthe, was ich nur nenne mein. Was mir von guten Gönnern noch ward, erfreue Dich, Und denke, treue Seele, wenn Du's gebrauchst, an mich.« »Die nekromant'schen Bücher, all mein Geschrift nimm hin; Verfahre nach Gefallen damit, nach eignem Sinn. Du bist der Zeichen kundig, es sei die Kunst Dir werth, Wirst Du mir nimmer fluchen, dass ich sie Dir gelehrt?« »Dein letzter Dienst, mein Wagner, der sei Dir theure Pflicht: Du wirst mein Leben schildern, vergiss mein Leiden nicht. Sei wahrheittreu, nicht füge Willkührerdachtes bei, Dass ich Dich nicht der Lüge zu zeihn genöthigt sei.« »Gar Viele werden fragen nach mir und meinem Thun; Dann sollst Du Wahrheit sagen, werd' ich im Grabe ruhn. Ruhn? – Weh mir! ob ich ruhe, wer reicht mir diesen Stab? O gäb' mir Ruh die Truhe, gäb' Ruhe mir das Grab!« »Mein Name wird nicht sterben, ich kaufte hoch den Ruhm! Kann ihn auch nicht vererben, der bleibt mein Eigenthum. Doch wird Dich Jeder nennen, der nur vom Faustus spricht; Wo man die Meister rühmet, schilt man die Schüler nicht.« »Mich werden Viele schildern oft mit verworrnem Sinn, Und malen mich in Bildern, wie ich nicht war, noch bin. Es kann in Lieb', im Hassen, im Kampf und Untergehn Mich Keiner ganz erfassen, mich Keiner ganz verstehn.« »Verstand ich doch mich selbst nicht! – Ein hochgewaltger Drang Riss mich durch irre Bahnen zum dunkeln Untergang. Vermocht' ich ihn zu zügeln, der eine Welt zerschlug, Und auf Dämonenflügeln mich über Trümmer trug?« – »Hätt' ich den Drang gezügelt – dann war ich nicht – der Faust! Ein ehrbarstiller Mensch wohl, doch nimmermehr der Faust! Der aus dem Lebensbecher die Neige schürft vom Wein; Fahr' hin, armselges Leben; es muss geschieden sein!« XLII. Freundestrost. Die Reue hinkt an Krücken, und kann nicht eilig sein; Voran eilt That gar flüchtig, doch Reu schleicht hinterdrein. Es ist ein' alte Mutter von vielem Weinen blind, Von ihrem Kind geleitet, und Bessrung heisst ihr Kind. Und wo mit ihrem Kindlein die lahme Reue geht, Und an die Pforten anklopft, da kommt sie meist zu spät, Und öffnet wer aus Mitleid auch noch dem Mütterlein, Das Kind – ist schwer zu pflegen, sie lassen's ungern ein. Da sie denn beide wandeln am Bettelstab durchs Land, Die Blinde treu geleitet von ihrer Tochter Hand. Und wer sie sieht, die Arme, gehn mit der blassen Maid, Der flüstert still und schaudernd: Dort wandeln Reu und Leid. – Mit Blicken tiefen Grames sitzt Faustus kummervoll; Nicht eine Zähre lindernd aus seinen Augen quoll. Nicht eine Hoffnung lächelnd durchleuchtet sein Gehirn, Den Wolkenflor der Trauer durchblitzt nicht ein Gestirn. Nacht ist um ihn, recht schwarze, recht schauerliche Nacht, Und in ihm Nacht so graunvoll, wie tief im Bergesschacht, Wo durch die feuchten Klüfte der Schwaden bläulich zischt, Und von dem dunstgen Gifte des Steigers Licht erlischt. Es geht ein grauer Berggeist durch manchen dunkeln Stollen, Oft hört man in den Teufen ihn donnerähnlich rollen. Oft warnt er treu vor Unglück die Knappen dann, die Guten, Oft züchtigt er die Bösen mit unsichtbaren Ruthen. Der Berggeist heisst Gewissen , wohnt in des Busens Schacht; O hätten wir nur immer des treuen Warners Acht! Doch weil er oftmals still scheint, und weil er lange schont, Schreckt uns nicht mehr sein Mahnen; wir werden sein gewohnt. – Nicht Klagen mehr hat Faustus, nicht Worte mehr des Leides; Ach, Wort und Klage trösten, sein Schmerz versagt ihm beides. Im Marmorsarg des Busens versteinert liegt sein Schmerz; Stumm sitzt er, stumm und reglos, gleich einem Bild aus Erz. Und Wagner naht, und mit ihm ein alter treuer Mann, Der einst für bessre Regung des Magus Sinn gewann. Dess Herz für jedes Leiden mit sanfter Wärme schlug, Der mitleidvolle Tröstung für ihn im Munde trug. »Nicht also Faustus, also nicht gebt Euch hin dem Gram! Die Himmelslieb' errettet oft Sünder wundersam. Ob Ihr auch tief versunken im Lasterelendspfuhl, Hat doch Erbarmung inne den Weltenrichterstuhl.« »Sie giesst des Zornes Schalen nicht flammend auf die Welt, Sonst würden, ach, wir alle Verdammten zugesellt. Ob noch so schrecklich lohe der Höllenflammen Gluth, Sie löscht den Brand der Hölle mit der Erlösung Blut!« »Und allen Sündern tönet ja die Verkündigung: Auf wahre Reu und Busse wird Euch Entsündigung! Die Reue lass Dein Schwert sein das gen den Feind Du kehrst, Mit dem Du seinen Angriff, den heftgen, von Dir wehrst!« ›Er hört Euch nicht!‹ spricht Wagner: »Fruchtlos bleibt Freundesmühn, Aus seinem dumpfen Brüten den Geist emporzuziehn. Er will nicht Tröstung, sucht nicht an Freundesbrust sein Heil; Zu tief in seinem Busen sitzt der Verzweiflung Pfeil.« Wohl gar ein köstlich Ding ists um Freudestrost im Harm; Freundschaft küsst den Erstarrten an ihrem Busen warm. Freundschaft träuft milden Balsam in manche wunde Brust, Freundschaft scheut selbst nicht Opfer, bringt jedes dar mit Lust. Wohl dem, den Freundesliebe in ihren Armen hält, Ihn stützet, wenn er strauchelt, ihm aufhilft, wenn er fällt, Ihn warnet, wenn er abirrt vom Pfad, der sicher führt, Der Freundesstimme gern hört, gern Freundesrath erkürt. Ein lautres Gold ist Freundschaft, ein seltner Edelstein; Zwei Muschelschalen schliessen die Wunderperle ein; Die Schalen sind zwei Herzen, die fest zusammen halten; Wer ihren Hort will rauben, muss erst die Herzen spalten. Das ist der Armen Aermster, der nimmer Freundschaft fand; Denn Freundschaft ist dem Guten ein theures Heimathland. Beweint den Heimathlosen, er irrt auf fremder Flur; Uns reicht die schönsten Rosen Freundschaft und Heimath nur. Freundschaft ist allen Reinen ein heiligreiner Geist; Und der ist zu beweinen, der Freundschaft von sich weist. Faust weist den Engel von sich, der liebreich vor ihn trat, Der mit der Trostesfackel sich seiner Nacht genaht. »Hinweg mit Euerm Wortkram! Mich – sühnet keine Welt! Der wird nicht mehr erhoben, der so wie Faustus fällt! Hinweg mit Buss' und Reue! – Ich kann nicht mehr bereu'n, Die Reue hinkt an Krücken, die holt mich nimmer ein.« – XLIII. Boese Traeume. Es sagt ein altes Sprüchwort und redet's treu und wahr: Ob Einer gut, ob bös ist, wird ihm in Träumen klar. Die Träume sind im Leben die schwerste Bilderschrift, Und der muss wahrhaft klug sein, der ihre Deutung trifft. Die Träume sind Dämonen, ihr Königreich die Nacht; Die Schläfer sind verfallen der tiefgeheimen Macht. Sie gleichen einem Spiegel, der Zauberbilder zeigt, Sie leihn dem Träumer Flügel, die tragen weit und leichf. Wir träumen viel im Leben, wir leben viel im Traum; Nachbargestade sind das, die trennt ein kleiner Raum. Wir schiffen durch die Ufer auf schwankem Lebenskahn, Und landen bald an diesem und bald an jenem an. Auch Faustus träumt, nachdem ihn der Schlummer lange floh; Und wen der Schlaf nicht findet, den macht der Traum nicht froh, Der kämpft, bevor er einschläft zur oftgestörten Rast, Mit seiner Qualgedanken, ach, bergeschwerer Last. Im Traume sieht sich Faustus auf einem Fels im Meer; Der Oede Grabesschweigen liegt schaurig um ihn her. Die Wellen alle schliefen, und Luft und Sturmwind schlief, Und über dunkeln Tiefen ziehn dunkle Wolken tief. Und ihm, der auf dem Fels steht, wird plötzlich schrecklich klar: Dass längst schon alles Leben der Welt gestorben war; Dass es sich todt geweint hat ins Meer, von Graus umbordet, Weil er durch seine Frevel den Herrn der Welt ermordet. Und weil der Richter todt ist und seine Liebe todt, Da wird nicht mehr von Strafe der Schreckliche bedroht; Doch ach, nun ist auch Keiner der ihm vergeben hätte, Nicht drunten und nicht droben die Hand, die liebend rette. Er sieht die Wolken blutroth, und sieht das Meer versteint; Die Sonne hängt am Himmel, ein Auge, blind geweint; Glanzlos die sonst so strahlend auf alle Wesen blickte, Als noch die Himmelsliebe den Erdball segnend schmückte. Und als es rings grabstill ist, und Oede rings und Graus, Da hebt sich aus der Meerfluth ein bleiches Weib heraus. Das wächst und wächst, und rollet, das ungeheure Weib, Um Land und Meer entsetzlich den Riesenschlangenleib. Und wälzet sich zu Faustus, dem Schreckdurchbebten, hin; Und kreischet: »Süsser Buhle! Hier bin ich, Dein Gewinn! Du hast aus Todesbanden mich wieder wach geküsst, Und ich bin auferstanden, weil Gott gestorben ist!« Sie haucht ihn an, sie naht ihm mit tödtlich giftgem Kuss, Der machtlos nun am Busen der Sünde liegen muss. Da wankt der Fels, da sinkt er in tiefe Schauernacht, Und stöhnt in Todesschmerzen, und wimmert und erwacht. »O trüber Traum! Du Nachtmähr, Du grausiger Dämon, Hast Du kein Bild der Rückkehr von dem verlornen Sohn? Ist denn die Welt gestorben, sind alle Himmel leer? Und zeigt sich dem Verlassnen kein Vaterantlitz mehr?« »Nein, nein, kein Vaterantlitz! Mir nicht, mir ewig nicht! Horch! Laden nicht Posaunen schon vor das Weltgericht? Ein Seufzen hör' ich stöhnen, in Lüften sterbensmatt, Herfliegt des Jammers Tönen von Thale Josaphat!« »Dort wimmelt's, weht und rauscht es, Gehein strebt zum Gebein; Wo find' ich mich? Ich liege tief unter schwarzem Stein! Ha wie die Schattenschaaren all' bleich vorüberwehn! Helft mir, ihr ew'gen Engel! Ich kann nicht auferstehn!« – Furcht ist die Henkergeissel, die Faustus Seele quält; Ist eine Nachtprophetin, die nur von Qual erzählt. Beim Tagslicht eine Wolke, schwerdrohend, wetterfahl, Zur Nacht ein bleicher Irrstern, ein blauer Schlangenstrahl. Furcht schleicht sich in die Träume, sie macht den Schlummer schwer, Sie drückt als Alp den Schläfer und peinigt ihn gar sehr. Es bleibt durch alle Zeiten das alte Sprüchwort wahr: Ob Einer gut, ob bös ist, wird ihm in Träumen klar. XLIV. Schwermuth. Oft liegt des Sommers Schwüle schwerdrückend auf der Flur; In dunstge Schleier hüllt sich des Firmaments Azur. Und dräuend niederhängend ziehn Wolken, schwarz und schwer, Ein banges Schweigen waltet, kein Leben regt sich mehr. So liegt ein drückend Bangen auf Faustus Seele hart, Vom Trauerflor umhangen ist seine Gegenwart. Und Grausen macht ihn zittern, wenn er zur Zukunft blickt, Die finster, gleich Gewittern, schwer, furchtbar, näher rückt. Es wandelt übern Erdkreis ein stilles Weib voll Granen, Gespensterbleich und schweigsam; weh denen, die sie schauen. Um ihren Frieden ist es auf immer dann gethan; Sie stiert mit Wahnsinnblicken die Menschenkinder an. Sie trägt nicht Wehr, nicht Waffen, sie wandelt ganz allein; Doch schon ihr Anblick wandelt das Leben fast in Stein. Sie macht die Stärke zittern, macht schwer Muth, Kraft und Geist, Daher nicht unbedeutsam Schwermuth die Pilgrin heisst. Und Schwermuth tritt zu Faustus mit dem Eumenidenblick, Mit dem Medusenantlitz, furchtbar, wie das Geschick. Er sitzt in düstrer Kammer, dumpfbrütend, trüb und trüber; Und langsam setzt sich Schwermuth dem Stillen gegenüber. Und hebt die welke Hand auf aus Schleiern silbergrau; Die blassen Lippen zittern der geisterbleichen Frau. Sie flüstert leise, leise, doch was sie flüsternd sprach, Das braust wie Windsbrautheulen kalt, schneidend durchs Gemach. »Du bist verworfen, Faustus! Hast Aussicht nur auf Qualen; Der Richter im Gerichte reicht Dir des Zornes Schalen. Der Staubgebornen Keiner hat sich gleich Dir, vermessen, Und wie Du Deinen Schöpfer, so wird er Dein vergessen!« »Dein ganzes Sein war Lästrung, war Frevel, nie zu sühnen! Was Du gethan, dess durften sich Teufel kaum erkühnen! Den Teufeln bleibt noch Hoffnung dereinst erlöst zu werden; Für Dich giebt's keine Hoffnung, nicht droben, nicht auf Erden!« »Du bist gerichtet, Faustus, darfst nie zu hoffen wagen! Du lästertest den Vater, Du hast den Sohn geschlagen! Den heilgen Geist der Liebe, den Gott der Welt verliehen, Hast teuflisch Du verhöhnet, Du hast ihn angespieen!« »Du kannst nicht beten, Faustus, nicht glauben mehr, nicht hoffen! Verschlossen ist der Himmel, die Hölle steht Dir offen. Erlöst war Deine Seele – Du hast sie losgerissen Vom Lichtschooss der Erlösung zu Grabesfinsternissen.« »Du bist ein Bild, das blutig Verzweiflung übermalet; Du bist ein Stern der auslöscht, und nimmer wieder strahlet! Der tief zum Abgrund sinket, wo Tagglanz muss erblinden, Und ob ihn Engel suchten, sie können ihn nicht finden.« »Und ob Dich Tröstung suchte mit ihrer sanften Leuchte, Dein Anblick, der verfluchte, selbst Tröstung von Dir scheuchte. Fahr hin, fahr hin in Schrecken, Gott will kein Theil an Dir haben! O möchten Dich Berge decken, und Welten Dich begraben!« – So spricht die düstre Schwermuth, und was die Schwermuth sprach, Das seufzt in Faustus Herzen ein wimmernd Echo nach. Er weiss nicht, wo die Stimmen? Ob in, ob ausser ihm? Sein Haupt scheint zu umrauschen zornvoll ein Cherubim. Stumm sitzt er, wie ein Steinbild auf einem Sarkophag; Und mehr als Marmor drückt ihn was lastend auf ihm lag. Mehr als Gedanken fassen ist seine Brust voll Qual; Verödet, ganz verlassen, zerrissen tausendmal. Sein Auge hat nicht Thränen, nicht Seufzer mehr sein Mund; Sein Herz hat keinen Balsam, und ist so todeswund, Und klopft so laut und heftig, und ist doch todesmatt; Er zittert vor dem Sterben, und ist doch lebenssatt. Es klopfet dumpf die Schwermuth an einen alten Sarg, Darin der Sünder lange still sein Gewissen barg. Jetzt birst er, und die Leiche steigt lebend aus dem Schrein, Da meint vor Angst der Sünder, er muss des Todes sein! Und schreit laut auf beim Anblick der ernsten Richterin, Und sinkt vor seinem Lager starr in Betäubung hin. Ihm ist als flirren Flügel von Larven um ihn her, Und rings ist tiefes Schweigen, kein Leben regt sich mehr. XLV. Verzweiflung. Wach auf, wach auf! Was liegst Du so träg, fast leblos da? Wach auf Du Gottverworfner, Dein letzter Tag ist nah! Ob grausendes Entsetzen Dir durch die Nerven bebt, Dein Sand ist ausgelaufen, Faustus hat ausgelebt! »Weh mir! Weh mir! Was wollt ihr, ihr Stimmen schwarzer Nacht? Ihr, die mit furchtbar'm Weckruf mein Herz erzittern macht? Und die Gedanken zittern, zerstäuben, kreiselnd drehn? Wie wird mir! Wehe, wehe! – Ist's schon um mich gescheh'n?« »Halt! Wartet noch ein wenig! Dort – noch ein Körnlein Sand! Halt! Schüttelt an der Uhr nicht! Lasst stehn sie, wo sie stand. Habt Ihr so eilig, Teufel! Könnt Zeit erwarten nicht, Bis sie zu Scherben schmettert, bis sie in Splitter bricht?« – »Es trägt der Baum des Lebens verschiedne Blüth' und Frucht; Die einen sind gesegnet, die andern sind verflucht! Auch die verfluchten schimmern, geschmückt von Gottes Hand, Doch innen sind sie Moder, Gewürm und Asch' und Brand!« »Ich bin die Frucht Gomorras, die in sich selbst zerfüllt, Der Wüste Koloquinte, die Süssigkeit vergällt. O bitter, bitter alles, ein giftiger Genuss! Mein Honig ward zur Galle, längst Lust zum Ueberdruss!« »Von Ewigkeit bestimmt sein zu solch endloser Qual, Das nenn' ich Vatergüte, das nenn' ich Gnadenwahl! Fluch ihr, die mich verflucht hat! Die mich verworfen! – Wie? Wir haben uns überworfen, verworfen sie mich – ich sie!« – »Ich bin verflucht! Das ist es; vom Anbeginn verflucht! Verflucht, eh' ich erzeugt ward! Hab' ich denn Gott versucht? Hab' ich denn Gott gelästert? – Es ist kein Kind so rein; Nur der Bestimmung folgt' ich, und muss verloren sein!« » Bestimmung ! Wort, das flammend die Welten überweht, Du bist die ehrne Pforte, durch die das Leben geht! Durch Himmel fliegen Sterne, süss tönt ihr Flügelschlag, Sie kommen still gehorsam, all' der Bestimmung nach.« »Auch ich! Auch ich, ich komme! Ruft ihr, und ist's nun Zeit? Ich bin zum letzten Gang schon, bin zum Triumph bereit! Schmück' Hölle Deine Hallen mit hellem Flammenschein, Und lass Dein Heulen schallen, gleich zieht Dein König ein!« »Ich, ich – ich bin Dein König! Mir Deine Krone, mir! Wie glühend glänzt der Goldreif, des Hauptes stolze Zier! Den Herrscher stürz' ich nieder, dem dieses Reich gehört, Nicht vor dem Teufel zittert, wer sich gen Gott empört!« »Ich Faustus, ich Dein König! Schreibt es ans Firmament, Dass hell die Schrift den Herrscher der Welt ins Auge brennt! Ruft es in allen Landen laut aus, und kommt heran! Könnt ihr auch beten, Teufel? Vor mir dann betet an!« »Von mir ist schon geweissagt! Ich bin der Abbadon! Ich bin des Abgrunds Engel, bin der Apollyon! Ein Schänder, ein Verderber – vom Richter schon gerichtet, Ein nichtig Nichts, ein Giftstaub, vom Hauch des Herrn vernichtet!« – »Ich habe Dich gelästert, zerschmettre mein Gebein! Und Donnerkeile schleudre, lass sie Vernichtung sein! Raff' mich in Windeswirbeln hinweg! Du warst mir Spott! Nimm Rache durch Vernichtung, mein – nein, nein, nicht mein Gott!« – »Wie's auf der Stirn mir kalt liegt, wie feuchtes kaltes Eis! Wie die Gedanken brennen, so glühend, glühendheiss! Wer will Gedanken kaufen? Wer giebt mir Gift darum? Ha denken, denken! Wehe, das Denken bringt mich um!« »Gebt mir ein Schwert, zu spiessen im Hirn die Mückenbrut, Die mir mit ihrem Summen so weh, so wehe thut! Oh! – Ha, dort seh' ich blinken und winken scharfen Stahl! Komm, hülfreich Messer, ende die Qual mit einemmal!« »Leb' wohl, mein süsses Leben! Leb' wohl, Ade! Ade! Rasch! – Oh, da sinkt die Waffe, da lahmt die Hand! O weh! Ich kann nicht sterben, soll nicht! Das Werkzeug widerstrebt; Was höhnt ihr mich? Ihr rieft doch: Faustus hat ausgebebt!« – XLVI. Abschied. »Und heute soll ich sterben! Soll! Muss! Die Zeit ist aus! So brich herein, Verderben, im Donnersturmgebraus! Stürz' über mich zusammen, Gebäu! Brich, Mauerwand! Loh' auf in Höllenflammen! Begrabt mich, Schutt und Brand!« »Doch still – ganz still – erwarte die Stunde zagenfrei! Man sagt, dass Toben kindisch, dass Dulden männlich sei. Ob der Verzweiflung Dolchstoss das Herz mir blutig sticht, Gescheben ist geschehen – mein Jammer – ändert's nicht.« »Mein Wagner, komm! Noch einmal vernimm des Freundes Wort; Nicht lang' mehr wirst Du's hören, dann geht er eilig fort. Er geht, und kommt nicht wieder, er reiset weit, gar weit, Und Keiner folgt dem Wandrer, und giebt ihm das Geleit.« »Ich lasse nichts zurück hier: doch, meines Namens Schall! Der wird wohl nie vergessen, der tönt wohl überall! So glich ich jener Nymphe, der einst Narziss so lieb, Bis sie voll Kummer hinschwand, und nur ihr Ruf noch blieb?« »Soll ich auch klagend scheiden? Nein! Bei mir sei's gelobt: Mein Gram ist überwunden, mein Schmerz hat ausgetobt. Ich will so ruhig still sein, wie fern das todte Meer. Auch fühl' ich eine Ruhe, wie wenn ich todt schon wär'.« »O Ruhe! Hätte früher mich Deine Brust gestillt! O hätten Grabesschleier als Kind mich eingehüllt! Wie sanft wär' ich geschieden, hätt' nichts vom Schmerz gewusst, Schlief' eingelullt in Frieden still an der Mutterbrust!« »Geh, Wagner, zu den Freunden; will sie noch einmal sehn! Noch einmal lasst den Odem der Mutter mich umwehn! Führt mich hinaus in's Freie, dass ich sie sehen kann; Und sehn die Sonne sinken. – Ich bin ein kranker Mann.« »Sehr krank – schwer krank – zum Tod krank! – Geh, guter Arzt, nach Haus, Gieb Andern Deine Mittel, nicht mir, mit mir ist's aus! Schwer liegt mir's in den Gliedern, schwer auf dem Herzen – oh! Führt langsam, liebe Freunde, langsam, was eilt Ihr so?« – »Mit Weile eile! Kennt Ihr das alte Sprüchlein nicht? O weilt noch eine Weile, eilt mit der Eile nicht! O hätt' ich einst gezügelt mein Eilen und geweilt! Vom wilden Drang beflügelt hab' ich mich über eilt.« – »Genug, genug – Ihr Freunde, seht mich zum Letztenmal! Mir dünket Eure Freundschaft ein Abendsonnenstrahl. Wir waren oft recht fröhlich bei Wein und Becherklang; Singt mir ein Lied zum Abschied – es ist mein letzter Gang!« »Singt! Singt! – Warum so traurig blickt Ihr auf mich, auf mich? Der Mund ist stumm, die Rede von Euern Lippen wich. Ihr drückt die Hand mir schmerzlich, Ihr schweiget, weint, Ihr geht? O Freunde bleibt noch; wartet, – es ist noch nicht so spät!« »Ich will Euch alles sagen, und das ist bald gethan: Mein nahes Ende fühl' ich – bin ein verlorner Mann! Verloren, ganz verloren! Wisst Ihr, wie schwer das wiegt? Was legt Ihr in die Waagschaal', das dieses überwiegt?« – »Verloren, ganz verloren! Sucht doch nach mir, Ihr Herr'n! Wer mir mich selbst bringt wieder, dem lohn' ich's herzlich gern. Sucht, sucht! dort ist der Faustus – dort – nein, dort ist er – dort! Betrogen, Herr'n, betrogen! Faustus ist fort – ist fort!« »Still! – Hört Ihr nichts? Was prasselt da drinnen? Welch Gebraus? Der Wind ist wach geworden, läuft heulend um das Haus. Ein feur'ger Hund dort, seht Ihr? Du bist's, Prästigiar? Willst Du hinweg! Was rollst Du nach mir Dein Augenpaar?« »Ich bin recht müde – hört Ihr's? Es ist wohl Schlafenszeit? Lasst uns ins Haus hineingehn! Könnt' ich nur schlafen heut! Geht, legt Euch nieder, Freunde – schlaft, bis der Tag erwacht; Gut' Nacht mein treuer Wagner! Fahr wohl! Ja – gute Nacht.« – »Ich bin allein, bin fertig! Das letzte Sandkorn rann! Bin, Teufel, Dein gewärtig! Du findest Deinen Mann! Ich bin bereit zu sterben, die Frist, die Zeit ist aus, So brich herein, Verderben, im Donnersturmgebraus!« XLVII. Hohn der Hoelle. » Faustus !!« – ›Hier bin ich, näher zu mir! Ich harre Dein! Ob Du wie Leuen brüllest, tritt immer zu mir ein. Du hast mich stark gefunden als Dich die Formel zwang; Auch jetzt nicht beb' ich! Grösse zeigt sich im Untergang!‹ ›Ha Schreckensanblick! – – Zittern? – Ich zittre nicht vor Dir! Nicht so wie Du gezittert, trotz Deiner Macht, vor mir! Ich stand, ein Staubgeborner, ich rief Dich aus der Nacht, Du krochst vor mir, Du dientest, und ich war Deine Macht!‹ »Du prahlst zu spät! Vergebens rafft sich Dein Trotz empor! Du warst Zeit Deines Lebens ein wahngetäuschter Thor! Und hast noch bis zum Ende der flachen Gaukelfahrt Den Bettelstolz der Hoffarth, den Dünkel Dir bewahrt!« »Nicht Deiner Formeln Wahnwitz, nicht Deine Gaukelei Hat uns an Dich gefesselt, rief uns zu Dir herbei! Du warst uns schon verfallen, eh' sich Dein Mund vermass, Und aus den dunklen Büchern die Gottesiästrung las!« »Wir fanden Dich, den Jüngling, dess mächtig innrer Drang Die Grenzen alles Wissens mit Wünschen übersprang. Du suchtest den Naturgeist, sahst auf zum Himmelszelt, Und Deine Forschung weihte Dich schon der Unterwelt!« »Wir hielten Dich umschlungen mit unsichtbarem Band; Den Zauberspiegel legten wir selbst in Deine Hand. Du pochtest an die Pforte der Hölle donnernd an, Meinst Du, weil sie sich aufthat, dass Du sie aufgethan?« »Du wolltest viel, ja, sehr viel! Wie klang Dein stolzes Lied? – Ich will die Kraft erforschen, durch die das Wunder geschieht! Ich will die Räthsel lösen von Mond- und Sternengang! Ich will das All durchdringen! – So Faustus, sprach Dein Drang!« »Wir gaben tiefes Wissen; sprich, hast Du das genutzt? Du hast Dich mit dem Flitter der Eitelkeit geputzt! Dem wird nicht Wissen frommen, dem Weisheit ganz gebricht, Und Weisheit – kommt von oben; Weisheit verleihn wir nicht!« »Du wollt'st die Welt umfassen mit hoher Götterlust, Wir lieh'n Dir unsre Schwingen – Du hingst an Tand und Dust, Dein war die Macht auf Erden, Du konntest sonder Wahn Der Menschen Grösster werden, doch – was hast Du gethan?« »Hast die Natur verlassen, die tausend Schütze bot, Die Braut, so reich, so reizend, und rein wie Morgenroth! Du konntest sie umarmen, ein froher Bräutigam; – Gemeinheit kam, die Dirne, die zog Dich in den Schlamm!« »Um Gaukelkunst zu treiben, wie Du gethan zum Theil, War's Noth nicht zu verschlendern der Seele Glück und Heil! Dein Name sollte glänzen weit heller wie der Tag? Wie hast Du ihn geschändet, den Niemand nennen mag!« »Du hast gemordet, Faustus, aus niederm Trieb, aus Groll, Wie klein Du warst, verächtlich, unedlen Neides voll! Die Lilie, die Du knicktest, war reiner, wie Dein Herz, Den Gaukler trug Erbarmung der Engel himmelwärts!« »Du hast die Treu' verstossen, die zärtlich an Dir hing! Es war kein Zaubertrugbild, das Weib, das Dich umfing; War eine Fürstentochter, die liebend Dich erkor, Und Weib und Kind stiess grausam von sich der kalte Thor!« So spricht des Geistes Stimme zu Faust, der bebend steht, Dem vor dem wilden Grimme die Denkkraft fast vergeht. Das Wort klingt wie die Donner des zürnenden Gerichtes, Faust deckt mit beiden Händen die Schneewand des Gesichtes. »Du bist durch Dich gerichtet!« er drauf die Stimme hört: »Hast Deinen Ruhm vernichtet und freventlich zerstört! Kaum wird die Nachwelt lesen, dass einst ein Faustus war; Kommt's hoch, stellt sie Dein Leben, entstellt , mit Puppen dar!« ›Mein Name! Weh! Mein Name!‹ ruft Faustus, und nichts mehr; Vor seinen Augen flirrt es, drückt auf der Seele schwer. Ihm ist, als ob sein Herzblut in Eis verwandelt sei; Das Wort kann er nicht tragen, das – bricht sein Herz entzwei. – O Nachruhm, holder Goldkranz, wie Mancher wünscht Dich nicht, Und setzt an Dich sein Alles, dem doch der Anker bricht! Du bist der Götter Spende, noch Keiner Dich erzwang , Du blühst', als Wunderblume – nach Sonnenuntergang. XLVIII. Durch Nacht zum Licht. Und ist kein Arm zu finden, der den Gebeugten hält, Der tief in Labyrinthen verzweifelnd irrt und fällt? Führt keine Hand der Lieb' ihn zurück vom Abgrundrand? Nicht eine Hand im Himmel, auf Erden keine Hand? – Weh! Rettungslos verloren! Du armer, armer Mann, Dem auch die letzte Hoffnung wie Wellenschaum zerrann! Des Geistes Arglist stahl Dir teuflisch den holden Schein; Blieb Dir nur eine Hoffnung, so warst Du noch nicht sein! Es wallen Donnerwolken wie Flor der Nacht um Dich, Und grausam reisst des Abgrunds Gewalt Dich hin zu sich. Doch Wunder! Welcher Lichtglanz? – Ein Zauberruthenschlag! Aus Nacht und Donnerwolken aufglüht ein goldner Tag! Die Schatten fliehn; es kleidet in Helle sich die Nacht; Die Wolken weinen Perlen und blauer Aether lacht. Was schwebt, von Irisfarben, von Silberschmelz umwallt, Huldreich zur Erde nieder, ein Seraph an Gestalt? Wer ist die heilge Jungfrau, die Leid und Schmerzen stillt, Der aus dem Sonnenauge die warme Zähre quillt? Der eine sanfte Rührung das Engelherz bewegt? Die tönend in der Rechten die Sternenlyra trügt? Ihr Blick sucht den Gefallnen, sie reicht ihm ihre Hand; Ihr mächtger Wink entrückt ihn schnell in ihr Heimathland. Dort, unter Zauberbäumen schläft Faustus sanft und süss, Und schaut in schönen Träumen ein neues Paradies. Und leise greift die Jungfrau in ihre Saiten ein, Und Wunderklang entströmt ihr melodisch, himmlisch rein. So rauscht es ird'schen Sängern von Harfensaiten nie, Das macht, die hehre Göttin ist selbst die Poesie . Sie rettet den Gesunknen, sie nimmt sich seiner an, Sie hat in ihren Armen ihm Himmel aufgethan. Sie hat ihn sanft gebettet; ihn, den die Nacht bezwang, Hat Poesie gerettet vom ew'gen Untergang. Und er hat nicht vergebens gerungen und gestrebt, Ob mannichfach auch irrend, sein stolzer Name – lebt ! Ja Faustus geht bewundert, wie wir ihn wandeln sehn, Glorreich durch manch Jahrhundert, und wird nicht untergehn. Ihm ward von hohen Meistern manch kühner Sang geweiht, Sein Name wird begeistern auch Sänger spätrer Zeit. Der Dichter Liedesblüthen, ihr unverwelklich Wort, Sind Wächter die da hüten der Sage heil'gen Hort. – Ist nicht manch Dichterleben dem Leben Fausts verwandt? Ein unerreichtes Streben, ein ewigglühnder Brand? Ein Stürmen der Gefühle, ein Drang, den Keiner stillt, Den oft der Schwermuth Schwüle dämonisch überhüllt? Es poche trotzig Keiner auf seines Geistes Kraft! Manch Irrender, manch Reiner ward früh dahingerafft. Wer fragt, wenn Du dahin bist, was Du gefühlt, gewollt? Wer rettet, wenn Dein Name hinab zum Lethe rollt? O Leben, ewges Räthsel! Magus, – Dämon zugleich! Du bleibst für Deine Kinder ein dunkles Geisterreich. Sie treten in die Kreise, beschwören das Geschick; Für Himmel oder Hölle weiht oft – der Augenblick. – O selig wem ein Lichtreich in Poesie erblüht! Der Sänger trägt Erlösung zum Ufer des Kozyt. Und in dem Kranz, den Nachruhm um seine Stirne flicht, Flammt's, eine Schrift aus Sternen, goldhell: Durch Nacht zum Licht !