322. Quedl Wie im Dome zu Braunschweig ein Denkmal steht, auf dem ein Mann neben einem Frauenbild mit einem starken Bart zu sehen, von dem die Sage meldet, daß die Tochter diese Entstellung ihres Gesichtes sich von Gott erbeten, um vor unnatürlicher väterlicher Liebe beschützt und bewahrt zu bleiben, so soll auch Kaiser Heinrich III. schöne Tochter in gleicher Lage zu Gott inbrünstig gebetet und gefleht haben, doch zu ihrer harten Prüfung ganz vergebens. Und da sie nun darüber schier verzweifeln wollte, erschien ihr der böse Feind und erbot sich, ihr zu helfen, daß ihres Vaters, des Kaisers, allzustarke Zuneigung in Abneigung sich wandle, und zwar wolle der Teufel dies ganz uneigennützig tun, wenn er sie nur in dreien Nächten nacheinander nicht schlafend fände. Finde er Mathilde freilich schlafend, so werde er wohl einigen Teil an ihr ansprechen dürfen. Die Kaisertochter ging mit standhaftem Mute diesen höchst bedenklichen Vertrag ein und begann die Stickerei eines großen Teppichs, welche Arbeit sie munter erhielt, da sie zur Nachtzeit daran stickte. Als nun aber in der zweiten und dritten Nacht vor Müdigkeit ihr dennoch die Augen zufielen, da weckte sie Quedl, ihr treues Hündlein, das knurrte und bellte und zupfte ihr am Gewande, und wenn der Teufel kam und nachsah, ob sie schlief, so fand er die Kaisertochter wachend, und da er ihrer unsterblichen Seele nichts anhaben konnte, wohl aber, weil sie nur mit ihm in Pakt und Bündnis sich eingelassen, ihrem Leibe, so griff er ihr mit seiner Kralle ins Angesicht, quetschte ihr die Nase platt, kratzte ihr ein Auge aus und schlitzte ihr den Mund auf. Wie nun Mathilde mit durch Gottes Verhängnis und des Teufels Bosheit also entstelltem Antlitz wieder vor ihres Vaters Angesicht trat, wich von ihm alle sündliche Liebe; sie aber tat aller Weltfreude sich ab, erbaute eine stattliche Abtei und nannte sie nach ihrem Hündlein, das durch seine Wachsamkeit sie errettet, Quedlinburg.