Michael Beer Struensee Trauerspiel in fünf Aufzügen [Widmung] Seiner Majestät König Ludwig von Baiern gewidmet. Sire! Mit Schüchternheit und Bangen wagte ich, auf der Bühne der Residenz Eurer Königlichen Majestät dies ernste Spiel zuerst ins Leben treten zu lassen. Es war das stille Bewußtsein der Schwächen meines Gedichts, das mich nicht ohne Beben ließ, als ich von Ew. Majestät die huldvolle Versicherung empfing, daß Sie dies Trauerspiel lesen, daß Sie die Darstellung mit Ihrer hohen Gegenwart beehren würden. Nur dies Bewußtsein konnte mich mit Bangigkeit erfüllen. Es war kein anderes Gefühl. Ich wußte, daß ich es wagen durfte, den Blicken Eurer Majestät die blutige Begebenheit zu zeigen, die ich zum Gegenstande meiner Aufgabe gemacht; daß ich es wagen durfte, ohne andere Empfindungen zu erregen als die, welche die Poesie in der menschlichen Brust erwecken darf. Ich fürchtete keinen Augenblick, von dem erhabenen Geiste Eurer Majestät mißverstanden zu werden. Ihnen Sire, und Ihrem freien Reiche steht die rasche Willkür des Einzelnen, der ohne anderes Gesetz als seine eigenen Wünsche emporsteigt und bald aufbaut, bald zerstört, herrscht und beherrscht wird, sich gegen den Stumpfsinn des Volkes auflehnt und sich doch den Launen dieses Volkes fügt, eben so fern als der zügellose Kampf der Intrigue und des Uebermuthes, die in entzweiten Parteien nicht des Herrschers und des Landes Bestes, sondern nur das ihrer selbstsüchtigen Zwecke wollen. Wenn uns auch die Geschichte in bedaurungswerthen Ländern solche Greuel als unumstößliche Wahrheiten erzählt – Eurer Königlichen Majestät müssen diese Wahrheiten dem uralten Uebermuth nächtlicher Mächte nicht unähnlich klingen, von dem uns die hellenischen Sänger der Mythe erschütternde Weisen singen. – In dem edlen Reiche Eurer Majestät strömt die Freiheit, wie das Licht, die Quelle alles Segens und Gedeihens aus dem Schooß des Himmels, von dem Thron aus auf das Volk hernieder, und dieser Thron ruht auf den granitnen Pfeilern des Vertrages, den Ihr Königlicher Schwur besiegelt hat, und Volk und König bedürfen keines neuen Mittlers, um sich ganz zu verstehen. In Ihres Volkes Herzen ruht das Vertrauen auf die Redlichkeit seines großsinnigen Königs – in dieses Königs Brust der Glaube an die Treue seines Volkes. In dem Staate, wo diese Wechselwellen friedlich zu einander strömen, sind gewaltsame Umwälzungen unmöglich. Dort darf die Muse von ihnen erzählen. Wo das Leben sie nie erzeugen wird, darf das Lied von ihnen singen. Dies glaubte ich, als ich es wagte, die Theilnahme Eurer Königlichen Majestät für die Gestalten dieser Tragödie in Anspruch zu nehmen – und die huldvollen Aeußerungen Königlicher Gnade haben meinen kühnen Glauben gerechtfertigt. Nun wird es mir vergönnt, mit dem erhabenen Namen Eurer Majestät diese Blätter schmücken zu dürfen – und ich lege sie beschämt zu Ihren Füßen, Sire, und fühle, daß es eines Lebens voll redlichen Wirkens, einer Zukunft reich an bessern Werken bedarf, um die unschätzbare Huld zu verdienen, die Eure Majestät meiner Jugend zu Theil werden lassen. In tiefster Unterwürfigkeit ersterbe ich Eurer Königlichen Majestät allerunterthänigster Michael Beer. Personen Personen. Caroline Mathilde, Prinzessin von Wales, Gemahlin Christian des Siebenten, Königs von Dänemark. Juliane Marie, Witwe König Friedrich des Fünften, Stiefmutter des regierenden Königs. Graf Friedrich Struensee, Staats- und Cabinets-Minister. Graf Enewold Brandt, erster Kammerherr. Graf Ranzau-Aschberg, Generallieutenant, Mitglied des ehemaligen Staatsraths. Obrist Köller, Commandeur eines Cavalerie-Regiments. Freiherr Schack-Rathlow, Geheimer Rath. Ove Guldberg, Rath im Dienste der Königin Witwe. v. Löwenskiold, Hauptmann in der norwegschen Garde. Gräfin Uhlfeld, Gräfin Reez, , Damen der Königin Mathilde. Robert Keith, englischer Botschafter am dänischen Hofe. Ein russischer Fürst. Pfarrer Struensee, Vater des Ministers. Emmy Mostyns, Kammerfrau der Königin Mathilde. Detlev, sechzehn Jahre alt, im Dienste des Grafen Struensee. Johannes, Diener des Pfarrers Struensee. Ein Officier von Köller's Regiment. Ein Polizei-Chef. Haushofmeister im Schlosse Christiansburg. Christian Svenne, ein Soldat von der norwegschen Garde. Schulmeister, Babe, Chirurgus, Hooge, Landmensch Flins, Landmensch Andreas, Landmensch Wirthin zum Elephanten, Conrad, ihr Sohn, Ein Kerkermeister, , aus einem Dorfe bei Rendsburg in Schleswig. Mehrere Bediente im Schlosse. Vier Diener des Ministers. Diener der Königin Witwe. Der Commandant des Schlosses Friedrichsburg. Ein Geistlicher, Damen der Königin, Officiere, Hofleute, Pagen, Wachen. 1. Akt 1. Szene Erste Scene. Zimmer in Struensee's Wohnung im Schlosse Christiansburg in Kopenhagen. An einem offenen Fenster steht Detlev. von außen. Der König lebe! König Christian hoch! zu den Andern, hereintretend. Ich sage, hieher kommt! Ihr könnt's von hier aus am besten sehen. Sieh da, Herr Detlev! Ihr, der Liebling des Herrn, ihr wißt oft mehr von seinen Planen und Meinungen, als der König selbst. Sagt uns doch, was hat es zu bedeuten, daß man dort auf dem Platze vor dem Palast der schönen norwegschen Garde den Abschied giebt? Es ist wahrlich Schade darum. In der ganzen Armee ist kein prächtiger Regiment. Mir waren die Norwegschen immer die liebsten. Ja, ja, erzählt, was haben sie verbrochen? Ich weiß nicht, ob ich euch thörichter oder vorwitziger nennen soll. Weil mir der Graf wohl will, sich freundlich meiner seit meiner Kindheit angenommen, meint ihr, er vertraue mir die geheimen Beweggründe seiner Handlungen, und weihe mich in die Geheimnisse des Staates ein. Seht, ich möchte mich kaum erkühnen, zu muthmaßen, wo ihr so klare, sichere Gewißheit wollt. Aber ihr rathet, ihr muthmaßt doch? Nun sagt, was hat das Regiment begangen? Begangen? Seid ihr denn so gewiß, daß man verabschiedet, um zu strafen? Ich denke nicht. Nun, so sagt, was ihr denkt; wir wollen wissen, was ihr denkt. Nur gemach. Ich habe keinen Grund, euch meine Gedanken zu verhehlen, – fast aber möcht' ich es nun, da ihr so ungestüm darnach fragt. Nun, wenn Herr Detlev nicht reden will, so vill ich's euch sagen. Hört Den, der hat auch seine Quellen, kann Manches wissen. Hört ihn! Ich will euch sagen, daß es bei der Verabschiedung dieses Regiments wieder darauf abgesehen ist, dem Adel eins zu versetzen. Die Officiere der norwegschen Garde, die da unten mit Zähneknirschen ihren Abschied vorlesen hören, die mußten adlig sein, mit dem gemeinen Bürgersohne dient keiner von ihnen. Das war so Sitte. Ist das wahr? Das ist wahr, das könnt ihr mir glauben. Dem Adel aber, das wissen wir Alle, ist unser Herr nicht sonderlich hold; er zerfetzt ihm, wie er's nur kann, seine Privilegien, und heute macht er einen Riß 'nein, der ihm recht ins Herz gehen wird. Es ist aber auch für einen edelgebornen Herrn recht empfindlich, so mit aller Welt zusammen gewürfelt zu werden, und unser Herr Graf hätte doch bedenken sollen, wie einem Junker das Herz im alten Blute schlägt. Es kann's Keiner wissen, dem's nicht selbst in den Adern flließt, wie einem zu Muthe ist, der sein altes ehrenwerthes Privilegium recht festzuhalten glaubt, und dem's nun der Erste, Beste vor der Nase wegschnappt. Daß ich dir nicht ins Gesicht schlage, Laffe; ist unser Herr Graf der Erste, Beste? Laß ihn, Jens, laß ihn, der ist nicht anders. War von je immer mit den Unzufriedenen. Er hat's so in der Art, weil sein Vater bei der Königin Juliane dient; da ist ein ewiges Beneiden, Brüten und Verleumden, und was er weiß, weiß er von dort. So giebt es ihm der Neid und die Verleumdung ein. Nicht um zu kränken, und wem es auch sei, aus Haß unheilbare Wunden zu schlagen, werden die Truppen verabschiedet. Zu sparen denkt man. Das Gold auf ihren reichen Kleidern thät gemünzt dem Schatze bess're Dienste. Das kleine Land nährt ein zur großes Heer. Es soll geringer werden, und darum will der König – Sagt doch nicht der König; unser Graf, ist richtiger. vorwurfsvoll. Heinrich! Es ist so, das weiß hier im Lande Jeder, und wir, seine Diener, sollten's uns verhehlen? Der König ist siech und krank, und die Arbeit taugt nicht mehr für ihn. Graf Struensee ist König in Dänemark. Er hält das Land in Ordnung und Zucht, und weiß er nicht d'rein zu schlagen mit dem Schwert, so ist er doch ein Held im Regieren. Sie sagen, er sei Arzt gewesen; wenn das wahr ist, dann ist er jetzt ein größerer, als er früher war, denn jetzt curirt er Dänemark. Ja, es ist ein Mann wie Wenige. Es war ihm immer recht, wenn ihm das Glück begegnete. Er war nicht blind wie Viele in der Welt, und suchte es immer, wo es zu finden war, und wenn er's fassen konnte, so hielt er's fest, daß es ihm nicht mehr entwischte. So hab' ich ihn immer gesehen, seit ihn Graf Ranzau zuerst zum Könige brachte. Was? Graf Ranzau, der sein Todfeind ist, weil unser Graf den Staatsrath aufgelöst, und nun der stolze Ranzau daheim sitzt, und Keiner bei Hofe mehr nach ihm fragt? Ja, ja, der Nämliche, der bracht' ihn an den Hof. Wie lange ist's denn? Wenig Jahre nur. Der König machte damals gerade eine große Reise nach England und Frankreich. Unser Graf begleitete ihn; als Arzt, verstehst du wohl, denn damals war er noch nicht Graf und Minister. Ja und bei Gott, die ihm zu der Stelle des Leibarztes verholfen hatten, dachten nicht, daß er werden sollte, was er jetzt ist. Damals galt es, den Grafen Holk zu verdrängen, der der Liebling des Königs war. Das war ein Herr! Flink, jung, gewandt, übermüthig, stolz gegen alle Männer, und wie ein Lamm, wenn ihn ein Weiberhändchen streichelte. Als ob ich ihn nicht gekannt! Es seufzt noch Jeder in Dänemark, wenn er an ihn und seine Zeit denkt. Man hat seitdem das Seufzen nicht verlernt. Und wird's auch nicht verlernen. Denn Keiner wird's Allen recht machen. Damals war der Holk dem Ranzau ein Dorn im Auge, wie's ihm jetzt der Struensee ist. Wer ein Pferd gern selber reiten möchte, der findet leicht etwas zu tadeln, wenn's ein Anderer reitet. für sich. Wahr gesprochen! Graf Ranzau kannte unsern Herrn als einen schlauen Mann. Er wußte ihn dem Holk als Arzt und Begleiter des Königs aufzuschwatzen. Der schwirrte um die Gnade des Königs wie ein Mücklein um das Licht, wärmte sich und freute sich erst d'ran, dachte dann, er sei schon ganz vertraut damit, steckte sein Köpfchen zu tief hinein, und aus war es. Unser Herr, den er kaum beachtet hatte, setzte sich gemächlich an seine Stelle. Ja, ja, es ging schnell. – Auf der Reise noch Arzt, nach der Rückkehr Rath, und immer weiter ging's, und endlich Graf und Minister. Das war die Dankbarkeit der Königin, die – – ihn rasch unterbrechend. Ihr Thoren, die ihr unklug eures Herrn Schicksal zu besprechen wagt. Laßt das seinen dänischen Neidern über, die unwillig die Größe des deutschen Mannes an ihres Fürsten Hofe sehen. Ihr, seine Diener, solltet besser euch bedenken und an den seinen euren Vortheil knüpfen. der während des Gesprächs aus dem Fenster geblickt hat. Seht! Seht! Was gibt's? Dort aus dem andern Flügel des Schlosses kommt Graf Struensee in heftigem Gespräch mit Obrist Köller. Jetzt sehen ihn die Truppen. Hört! Welch ein Murren durch ihre Reihen geht! Wie zornig blickt der Graf! Man hört ein dreimaliges Lebehoch der Soldaten. Wem galt das? Ich denke, dem Obrist, der sie commandirt. Seht, seht den Grafen, wie eilig er vorübergeht! Er kommt hieher. Fort, daß er uns nicht finde. Die Diener zerstreuen sich. O falsche, trügerische Schar der Knechte, Es schlägt in seiner Näh' kein treues Herz Für ihn als dies allein. 2. Szene Zweite Scene. Graf Struensee, Obrist Köller in heftigem Gespräch eintretend. Detlev im Hintergrunde. Ich will nichts weiter hören, Obrist Köller; Ihr sorgt dafür, daß man den Officieren Sogleich den Abschied fert'ge, ungesäumt. Herr Graf! Kein Wort zu ihren Gunsten mehr, Vertheidigt sie nicht weiter, denn ich sag' euch – – Sie sind – –; der Starrsinn dieses Regiments Kommt nur von diesen Stolzen, Unzufried'nen. Das sind verweg'ne Köpfe, denen nichts Zu Dank geschieht. So ist das Regiment, Die will'gen Glieder des Verrätherhauptes. Ist's doch, als sei der Staat für sie nur da, Als pflügte nur der schweißgetränkte Bauer, Als gäb' der fleiß'ge Bürger nur den Zins, Den trägen Rock der Garde zu vergolden. Ihr Feind ist Jeder, der zu sparen denkt, Sie predigen dem Volk den Aufruhr vor. Herr Graf, sie ließen laut den König leben, Als ich den Abschied ihnen vorgelesen. Und donnerten dem Obrist-Commandeur Ein dreifach Vivat zu, als mich der Weg Vor ihre Reihen führte. Mit Verlaub. Das ehrt den Krieger und den muth'gen Führer. Sieht doch im König der Soldat den Herrn nur. Der Führer aber ist sein Freund, sein Stern, Der ihn im dunkeln Kampf des Todes leitet. Das Dasein des Soldaten ist in Schlachten, Da sucht er seine Freunde; wohl ihm, wenn – rasch. Nicht weiter, Obrist. Gern erspar' ich euch Den Schluß der ungestümen Rede. Kennt' ich Die rauhe Treue eures Herzens nicht, Ich wär' versucht, das übermüth'ge Feuer Des kühnen Worts für Trotz zu halten. Doch Ich weiß, des Königs Sache ist die eure. So wiederhol' ich euch, ich wünsche sehr, Daß ihr nicht säumen mög't, mein werther Obrist, Der Officiere Abschied auszufert'gen. So ist das ganze Corps des Dienst's entlassen? Es ist der Wille Seiner Majestät, Daß der Gemeinen Schar aufs Schleunigste Vertheilt in and're Regimenter werde. Ich weiß, daß euch der gnädige Monarch Bei dieses Auftrags Mühen gern vertraut. Rechtfert'gen werdet ihr die Gnade, werdet Aufs Strengste Widerlichkeit bestrafen. In Friedrichsburg erwart' ich den Rapport. Während dieses Gesprächs sind ein Page der Königin und ein Polizei-Chef eingetreten, denen Detlev bedeutet, sich im Hintergrunde zu halten. 3. Szene Dritte Scene. Vorige. Page. Polizei-Chef. sich wendend und den Pagen erblickend, winkt ihm, näher zu treten. einen Brief überreichend. Von Ihrer Majestät, der Königin. den Brief hastig öffnend, lesend. Wir sind gesonnen, heut' das Roß zu prüfen, das unser königlicher Bruder von England uns zum Geschenk gesendet. Seine Majestät der König werden uns begleiten. Wir wünschen sehr, lieber Graf, euch, wenn es euch die Geschäfte des Staates erlauben, im Gefolge unserer Cavaliere zu sehen. Mathilde. Zum Pagen. Ich bin zu Ihrer Majestät Befehl. Page ab. Zum Polizei-Chef. Was bringt ihr mir? POLIZEI-CHEF. Ein schändliches Pamphlet Ist uns zu Händen kommen, wie die Presse Kein frevelhaft'res je geseh'n. Voll Lüge Und gift'ger Schmähung. heftig. Wider den König? POLIZEI-CHEF. Der Name Seiner Majestät ist nicht Genannt, doch Eure Excellenz. – Nur gegen mich, so laßt es ungehindert Den Weg zu dem gesammten Volke geh'n. Das zagende Jahrhundert hat die Freiheit, Die dem Gedanken ew'ge Worte leiht, Wie eine sünd'ge Göttin festgeschmiedet. Gefallen ist, von meiner Hand gelöst, In diesem Lande ihre lästige Fessel. Frei ist die Presse Dänmarks. – Sie empfängt Den kühnen Ausdruck jeglicher Gesinnung, Und sicher soll vor ihrem Rächerarm Kein Haupt in diesem Land sich glauben dürfen. Nur Einen giebt's, der über alle Meinung Hoch wie die Gottheit steht; – das ist der König. Doch seine Diener, seine Unterthanen Sind alle gleich vor ihrem Richterstuhl. Und wen dies Recht entsetzt, wem's furchtbar scheint, Der klage seine Schuld an, nicht das Recht. – Ich wiederhol' es euch, ich will voraus Nichts haben vor dem Letzten in dem Volk. Zum Polizei-Chef, abgehend. Herr Rath, ein Wort! Beide ab ins Seitengemach. Detlev folgt. 4. Szene Vierte Scene. Rühm' dich, Blödsichtiger, daß du die Fackel Geworfen in das Land. Sie wird dich selbst Und deinen Bau verzehren. Wie die Eule Mit scheuem Aug' des Tages Helle anstarrt Und nur im Dunkel sieht, so blendet dich Das Licht des Glücks. Wir wollen Sorge tragen, Daß dich die Nacht umfange, die dir wieder Die ganze Schärfe deines Blicks zurückgiebt. So tief möcht' ich dich stürzen, daß die Höhe, Zu der du dich emporgewagt, dir schwindend Wie ein Gebild des Fiebertraums erscheine. 5. Szene Fünfte Scene. Köller, ein Diener, dem Graf Ranzau folgt. zum Grafen. Ich melde Ew. Excellenz sogleich. Ab. zu Ranzau, der sich unmuthig in einen Sessel geworfen. Wie ist mir, seh' ich wirklich recht, Graf Ranzau Im Vorsaal des Ministers? Nun, beim Himmel! Die Welt ist morsch; habt ihr dem alten Haß Entsagt, der jede Huld'gung ihm geweigert, Und wankt auch ihr, so darf er nichts mehr scheuen. Ich wünsch' ihm Glück. Auf seiner Schwelle harrt Sein größter Feind, der Edelste der Dänen. Ich bin sein Feind, und ich verhehl' es nicht, Ich hab' ihn einst geliebt, beschützt; ja selbst, Wer weiß das nicht, den klippenvollen Weg Zu dieser Höh' mit rascher Hand gebahnt. Jetzt hass' ich ihn! Ich muß, ich darf sein Feind sein, Weil ich den ew'gen Platz, den ich behaupte, Dem König nicht, und keinem Struensee, Dem Himmel nur und meinen Ahnen danke. Was aber that er euch, daß ihr voll Unmuth, Voll schlechtverhalt'nen Ingrimms auf ihn blickt? Seid ihr sein Freund nicht, sein Begünstigter, Den er nicht scheut, weil er ihn groß gemacht? Ihr schmäht die Sonne, die euch wärmt und nährt, Euch wachsen machen kann. – – Fluch seiner Gunst! Ich hass' ihn, wie ich den Verrath gehaßt, Und liebe den Verrath, seit ich ihn hasse. Blickt mich nicht staunend an, vernehmt es nun, Ich spiele, Graf, ein lang verborg'nes Spiel; Dem Lande, denk' ich, soll es Glück und Heil, Und schweres Elend dem Verräther bringen. Blickt in die Karte! Wohl mir, wenn ihr dann Das Wagniß theilen wollt und den Gewinn. Was muß ich hören, und an welchem Ort? Nicht um mich blick' ich, weiß nicht, wo wir steh'n, Nur die Minuten zähl' ich; könnt ihr's ahnen, Was uns der nächste Tag verderbend bringt? Ich bau' auf euch, will mein Geheimniß euch Vertrauungsvoll enthüllen, augenblicklich Noch, eh' ihr mit entscheidungsvollem Tritt Entgegenschreitet der verhaßten Schwelle. Was werd' ich hören, Obrist? Redet, redet! Ihr zeigt ein Doppelantlitz, das mich schreckt. Seh' ich das wahre, oder sieht's der Günstling? Indeß ihr hin zu ihm mit treuem Blick Der alten glaubenswerthen Freundschaft lächelt, Zeigt ihr mir heut', in wuthentstellten Zügen, Des Augenblickes schnell erzeugten Haß. Des Augenblicks? Ich weiß von keiner Treue, Schien sie ihm glaubenswerth, nun weiß der Himmel, Ich hab' sie nie gelobt. Zum ersten Mal In Preußen sah ich diesen Struensee. Wir hatten Frieden damals. Der Soldat Allein trug noch des Kriegs fruchtlose Bürde. Ich war der Mühen satt. Der junge Arzt, In eurer Hauptstadt damals schon berühmt, Sprach viel von eures Lands bequemen Dienst, Von schnellem Beispiel glänzender Beförd'rung. Ein nordisch Frankreich nannt' er dieses Dänmark, Wo hoffnungsvoll ein jugendliches Paar Vom Thron herab wie eine Frühlingssonne Durchs ganze Reich erweckend Leben strömte. O schnell entschwund'ne Zeit! Ich kam hieher, Nahm Dienste in dem deutschen Regiment, Ward mit dem lebensfrohen Arzt vertraut Und schien ihm nützlich bald und unentbehrlich. Gewann er sich der Weiber flücht'ge Huld Mit leichter Müh', so fühlt' er auch die Tücke, Den Wechsel oft des launischen Geschlechts. Einst führt' ich ihn zu einem Mädchen hin, Das ich seit Monden kannte. Laßt mich Alles Mit diesen Worten nur erschöpfend sagen. Die Sonne hat kein reizender Geschöpf, Kein liebenswerth'res je geseh'n. Mein Herz War ihr zu eigen wie ein blöder Sklave. Ich dachte Nichts als sie. – Da trat er, Der Dämon meines Friedens, vor sie hin. Ihn sehen und ihn lieben, war ihr eins. Ja, seiner Blicke heimlich Feuer flammt Ins Herz der Weiber wie ein sich'rer Blitz. Da kam die Zeit der Reis'. Ihr wißt es selbst, Wie plötzlich ihn des Schicksals günst'ger Flug In königliche Nähe trug. Er schloß Dem glänzenden Gefolg' sich an, gedachte Der Qualen kaum des liebenden Geschöpfs, Das er zurückließ, das in brennender Geheimer Sehnsucht sich verzehrte. Endlich Kehrt' er zurück. Wie flog sie ihm entgegen, So voll das treue Herz. Das seine aber War umgewandelt in dem tiefsten Leben, Erstarrt vom winterlichen Strahl des Glücks. Sein Wort war unerquicklich; selten kam er Auf karge, heißerflehte Augenblicke. Und mahnte ihn die gramerpreßte Thräne Im lieben Aug' an frühe Zeit, so klirrte Der höf'sche Sklave mit den gold'nen Ketten. Jetzt wendet sich die jugendliche Gnade Der holden Königin zu dem Bethörten. Der Zukunft gold'ne Pforte thut sich auf Vor seinen kühnen Blicken. – Die Verlass'ne, Graf, ihr versteht mich, – scheltet mich nicht thöricht, Sie wirft ein brechend Aug' auf des Verräthers Unwürd'gen Glanz – und stirbt. Sie hat vergeben, Ich aber hab' auf ihrem Grabe Rache Der Frühgeschied'nen – fürchterlich gelobt. Jetzt, Obrist, glaub' ich euch; ihr seid sein Feind, Doch das ist eure, ist nicht Dänmarks Sache. Sie wird's, hört weiter nur; seit jener Zeit Hab' ich, geheimnißvoll beachtend, nun In seiner Nähe lang gelebt. Hab' sein Vertrau'n mir nicht erbettelt; aber, Wenn er's entgegentrug, es nicht verschmäht. Und wie er ungern nur dem Dänen traut, So hat der Deutsche auf sein brausend Herz Ein stilles Anrecht. So erklär' ich mir's, Daß er mich wachsen ließ in seiner Gunst. Bis heute glaubt' ich noch an seinen Muth, Jetzt weiß ich, daß er fürchtet; nun ist's Zeit! Er wagt's, die besten Truppen dieses Landes, Ein Regiment, dem Adel ganz ergeben, Die treue Schar der Garden heimzusenden. Er wagt's, – er thut den kühnen Schritt, Und sieh', er zittert vor dem Vivat der Soldaten. Jetzt ist es Zeit zum Kampf! Das scheue Herz Des Feind's ist uns des Sieges sich'rer Bürge. Er fürchtet seinen Sturz, nun muß er stürzen, Und Alles ist schon vorbereitet. – – Wie? Ein Bund geschlossen .... 6. Szene Sechste Szene. Ein Diener, aus der Seitenthür tretend. Vorige. zu Ranzau. Seine Excellenz Ersuchen nur auf wen'ge Augenblicke Noch zu entschuld'gen. – – Laßt, mein Freund! Ihr seht, Ich weiß zu warten. 7. Szene Siebente Scene. Köller, Ranzau nach einer Pause, in welcher Beide den Abgang des Dieners erwarten, vertraulich Köller's Hand fassend. Eben wolltet ihr – zögernd. Ich wollte, – nun – Ihm einen Brief gebend, entschlossen. Les't, wenn Ihr wahrhaft seid! Was soll das, Obrist Köller? War't ihr's nicht, Der ein Geständniß mir entgegen trug? Reut's euch, daß ihr's gethan, so nehmt, ich bitte, Nehmt das Papier zurück. Daß ich's gestehe; Verwundert seh' ich euch im Vorgemach Des Günstlings der Gebieterlaunen harren. Was könnt ihr hier, der Vielgekränkte, wollen In des Beleid'gers Hause? Was begehren, Das er geschmeidig nicht dem Feind gewährte, Der ihn vor Allen schreckt, ihn zu bestechen. Ich aber, meint ihr, sei willfährig g'nug, Bestechen mich zu lassen, nicht? Herr Graf! Laßt's gut sein, Obrist; üblich ist's, ich weiß, Daß man an fremde Größe oft den Maßstab Der eignen legt; nach trauriger Erfahrung Der eignen Brust das Herz der andern richtet. Vergebt, wenn mir ein Zweifel rasch entfahren. Ich zeigt' euch gleich ein off'nes Herz, und sollt' ich Ein flüchtig Wort jetzt nicht bereuen dürfen? Ich bitt' euch, les't, mein werther Graf! Ich bitt' euch. Mit nichten; für den Leu ist's nicht genug, Des schwächern Gegners Stachel ohne Zürnen Mit ruh'gem Adel still gefühlt zu haben. Er muß an Großmuth ihn besiegen. – Kamt ihr Mit zögerndem Vertrau'n mir nicht entgegen? Eh' ihr vollendet, laßt auch mich vertrauen. Laßt mich gesteh'n, was mich hierher geführt. Gekommen ist das Aeußerste. Wie Allen Unwill'ges Blut in kühnen Adern wogt, Drängt zu dem heißen Herzen sich das meine. Dies Land hat nimmer, seit der stolze Belt Die Fluthen wälzt zu Dänmarks edlem Ufer, So tiefe Schmach getroffen. – Nie der Adel, Der um den Thron wie ein granit'ner Wall In Felsenruhe sollte steh'n, ertragen, Was dieser Fremdling wagt. – Nicht länger soll's Der Gutgesinnte mehr erdulden, nicht Der Thatberuf'ne müßig weilen. Handeln Muß Jeglicher, und längst entschlossen war ich, Zu wagen, was uns Aend'rung schafft und Rettung. Doch eh' ich schreite zu dem Aeußersten, Eh' ich der Nacht geheimnißvolles Kind, Die freche Hyder, Rebellion, entfeßle, Eh' ich ins theure Herz des Vaterlands Selbstmörderisch ein tödtlich Eisen bohre, Versuch ich Eines noch – ein gütlich Wort. Bei ihm? Noch Keiner hat die selt'ne That gewagt, Dem Günstling vor das freche Angesicht Die ungeschmückte Wahrheit keck zu stellen. Ich aber will's. Gestehen will ich ihm, Wie ungetheilt der Dänen edles Volk Nach Rettung wimmert, und sein fremdes Haupt Belastet mit des Elends leisen Flüchen. Wie von der königlichen Mutter an, Bis tief hinab zum Letzten unsers Adels, Ein Jeglicher mit blut'ger Rache einst Zurück wird fordern sein geschändet Recht. Und ihr erwartet? Daß dies Bild des Schreckens Sein zagend Herz erschütt're, – wankt er dann, So zeig' ich ihm den Ausweg. Er entsage, Er schaue länger nicht nach falschen Sternen, Die ihm mit trügerischem Glanze hin Zum Abgrund leuchten. Ward er nicht in Nacht Geboren? Hat vordeutend ihn das Schicksal Nicht auf des Lebens nied'ren Weg gestellt? Er kehre wieder in das alte Dunkel, Verzicht' auf Amt und Würden, – und ich biete Mich zum Vermittler an. Versöhn' ihm schnell Die zürnenden Parteien. Gnädig wird Die Kön'gin Mutter ihm verzeih'n. Erstickt Im Keime wird des Aufruhrs dräu'nde Flamme. Wir sichern ihm in ferner Einsamkeit Ein sorgenlos, ein fluchentlad'nes Leben, Und friedlich unter weisem Regiment Wird Dänmark wieder blüh'n. – Ihr lächelt, Obrist? Aufjubeln möcht' ich, denn nun seid ihr unser, Dem weisen Plan der Königin gewonnen. So hofft ihr wirklich das Unmögliche? Eh' hättet ihr des Nero blut'ge Seele Zur Engelsmilde des Aurel gewandelt, Eh' ihr durch Künste edler Ueberredung Zum Rücktritt diesen Stolzen wollt bewegen. Was ihn so weit geführt, führt ihn noch weiter. Laßt uns vor seinen trunk'nen Blicken nur Ein still bereitet Grab ihm heimlich aufthun; Und gebt nur Acht, er stürzt sich selbst hinein. Jetzt aber les't, – und wenn's euch hier mißglückt, So wandelt ihr mit uns, ich darf es hoffen, Den klugen Weg zu dem ersehnten Ziel. die Aufschrift des Briefes, den er von Köller empfangen, lesend. »Dem Obrist Köller.« Von dem Schreiber ist's Der Kön'gin Witwe, von dem Guldberg, nicht? Ein schlauer Bursch. Ein heuchlerischer Fuchs, Wie Schlangen falsch. Doch ist er wohl zu brauchen, Der Königin und unserm Plan ergeben. lesend. »Die Königin, meine erhab'ne Gebieterin, trägt mir auf, euch, mein Herr Obrist! heut' Abend auf ihr Schloß zu entbieten. Ihr werdet dort zum ersten Mal alle die edlen Gäste kennen lernen, die sie zum großen Feste, das sie dem Könige und Dänemark geben will, geladen hat. Wie bald und wo dies Fest gegeben werde, sollen die Gäste heut' im gemeinsamen Rathe beschließen. Eure Stimme ist vor vielen wichtig und geehrt; fehlt also nicht. Die Königin erwartet euren Bericht über die Stimmung der Garde, die verabschiedet worden. Sie hofft, daß sich die Truppen mit Ehrfurcht in den Willen Seiner Majestät ihres geliebten Sohns ergeben haben. Die Tafel beginnt um Mitternacht. Euer Guldberg.« Ein mitternächtlich Mahl! Und bei dem Feste, Das sie dem armen Vaterland verspricht, Wird blut'ger Wein in Purpurströmen fließen. Das seine nur. Doch laßt mich hoffen, Graf, Ihr seid der Uns're, – folgt heut' Abend mir, Ein hochwillkommner Gast! Von allen Edlen Der Edelste. Ich bitt' euch, sprecht dies Wort. Wenn er nicht mehr zu retten, fest gewurzelt Mit stolzer Krone, ein verweg'ner Stamm, Den Blitz, der in den dunklen Wolken schlummert, Selbst niederfordert auf sein freches Haupt, Dann freilich muß auch ich – – Still! 8. Szene Achte Scene. Ranzau, Köller, der Polizei-Chef, aus Struensee's Zimmer kommend, geht über die Bühne, Beide grüßend. Sie haben sich von einander entfernt, und nachdem er abgegangen, führt Köller Ranzau in den Vorgrund. 9. Szene Neunte Scene. Köller. Ranzau. Wie uns Geheimniß vor den Spähern ziemt, So müssen wir uns selbst das off'ne Herz Vertrauen zeigen, wandellosen Willen. – Zutraulich. Er ist nicht mehr zu retten, – und beim Himmel, Nicht um ein Peru möcht' ich, daß er's wäre. So bin ich denn gewärtig eures Winkes. Darf euch der Königin verkünden. Nun Wird sie dem Tag der Rache ohne Beben Entgegen harr'n, denn euren edlen Namen Nennt sie das Siegel jeder großen That Im Land der Dänen. Schwört zu ihrer Fahne, Und unser ist der Sieg, – und wenn's mißlingt, Wenn tückisch ein verräth'risches Geschick Voreilig uns die günst'gen Früchte raubt, Wenn wir vergebens hoffen, ringen, wagen, So werd' ich kühnen Schritts ein männlich Haupt Zum blut'gen Beile seiner Henker tragen. Ab. 10. Szene Zehnte Scene. allein. Geh' hin, und setze an die eigne Rache Des Landes Ruhe und den heil'gen Frieden. Mich treibt ein Höh'res! Schlägt dein elend Herz Nur eignen Hasses kleinlichem Gefühl, So wacht das meine für die Tausende, Die in die Quelle der Vergangenheit, In ihres Ahnenblutes bleichen Strom Den Namen tauchen, und ihn vielbegabt, Gewappnet gegen manchen Schlag des Lebens, Zurück empfangen. Solch ein heilig Erbtheil Soll kein Verweg'ner mir und Andern schmälern. Mein Leben setz' ich d'ran, es zu erhalten. Auf und nieder gehend. Ich will das Ziel nicht in die Ferne rücken, Das Nächste ist sein Sturz. Der müden Hand Des kranken Königs dürfen wir dann freilich Des Landes Zepter nicht allein vertrau'n. Wer dann der Helfer sei? – Ich denke wohl, In solchen Zeiten gilt der kräft'ge Mann. Und wenn ein Schiff im Sturme schwankt, vertraut Sich Jeder dem am liebsten, der das Steuer Mit tücht'ger Hand zu lenken weiß; da schweigt Der stille Neid und die verjährte Feindschaft, Denn Rettung ist das Nächste. Bietet doch Jetzt heimlich dieses stolze Rußland selbst, Des klugen Günstlings kühne Plane fürchtend, Zu seinem Sturze Rath und Hülfe mir, Mir, seinem alten Feind. Ich will sie nicht! Ich weiß, wie Katharina lohnt; ich weiß, Wie gern die Stolze auf den will'gen Nacken Der Diener zu ersehnten Zwecken steigt Und dann mit kaiserlichem Fuß die Treuen, Die sie emporgeführt, ins Elend stößt. Und wär' ihr Dank auch sicher wie ihr Schutz, Den innern Feind soll uns kein Fremder tilgen; Wir wollen Schlimmes nicht mit Schlimm'rem tauschen. Sinnend stehen bleibend. Könnt' ich es selber nur vollbringen. Könnt' ich Allein mit eigner Hand den luft'gen Bau Des bürgerlichen Dünkels niederschmettern. Dürft' ich Gefahren mich entgegenstellen Und mit den Waffen angeborner Rechte, Mit eignem Muth und eignen Kräften fechten. Ich darf es nicht, muß forschen, schleichen, listig Mich zu Parteien halten, falschen Gegnern Die Hand vertraulich drücken, denen ich In bessern Zeiten kaum zu leichtem Gruß Die kühnen Blicke zugewendet hätte. Vor Allem ist mir dieser Kön'gin Witwe Entsetzliche Gemeinschaft tief verhaßt. Längst kenn' ich ihre Plane, weiß, wie schlau Sie diesen Köller und noch manchen Bessern Mit leisen Fäden kräftig sich verband. Mit dem Geheimniß schmeichelt sie die Schwachen Sich in ihr Netz. Dem Mächtigen vertraut Der Nied're gern, und mit der Kön'gin Mutter Gefahren theilen, mindert die Gefahr. So schwirrt der Unzufried'nen feiler Schwarm Um dieser Wintersonne Majestät. Weh' uns! wenn uns ihr heuchlerischer Strahl Den Lenz erträumter Zukunft bringen soll. Von allen Feinden, die das arme Dänmark In seinem treuen Schooße hegt, ist keiner Verderbenbringender als sie. Mit Abscheu Seh' ich der gräßlichen Nothwendigkeit Entgegen, die mich drängend zu ihr treibt. Mich weg von ihr und ihrer ganzen Schar Mit festem Selbstgefühl zu wenden, wag' ich Das Schwerste nun, das Letzte, Aeußerste. Ich werde vor ihn treten, werd' ihm sagen, Was uns bewegt. Ich will ihn ahnen lassen, Was ihn bedräut, und – die Thür öffnend. Eure Excellenz! Ich komme! – Wie belastet nun auf einmal Mein Vorsatz mir das Herz. Bei Gott, ich zitt're! Doch nicht vor ihm, – vor Unmuth nur, – hinein! Er soll gebeugt, ich will der Stolze sein. Ab. 11. Szene Elfte Scene. Verwandlung. Struensee's Cabinet. allein, in Uniform mit dem Ordenstern, vom Tische aufstehend. Was will mir dieser Ranzau? Weiß ich doch Kaum selbst, was ich mit ihm will. Ihn gewinnen? Es wäre sehr gefährlich, wenn's mißlänge. Ihm kalt und streng, gebiet'risch, stolz begegnen? Ich möcht' es nicht; denn ich verhehl' mir's nicht, Mich freut's, zu kämpfen mit gewicht'gen Gegnern, Und freudig streit' ich für mein ehrlich Recht. So will ich denn gewaffnet ihn empfangen Und, mich vertheid'gend, nicht den Kampf verschmäh'n. 12. Szene Zwölfte Scene. Ranzau. Struensee. Ihr seid's, Graf Ranzau! seid es wirklich? Nun Bei Gott, ein überraschender Besuch, Und mir um so erfreulicher. Was immer Euch zu mir führt, seid herzlich mir willkommen. Ich kann euch nicht willkommen sein, Herr Graf, Denn nicht mit freud'gem Herzen komm' ich her. Kann ich euch Trost, kann ich euch Hülfe bieten? Mich drückt kein selbstisch trostbegehrend Leiden. So drückt euch fremder Kummer, Freundes Noth? Ihr sagt's. Mich quält die Noth des liebsten Freundes. zutraulich Ranzau's Hand fassend. Vermag ich's, soll mir's Pflicht sein, ihm zu helfen. Pflicht ist's. Ob ihr's vermögt, weiß Gott allein; Doch Hülfe thut dem theuren Freunde noth. Wollt ihr sie redlich leisten, wie ihr's könnt, So helft dem Vaterland, helft meinem Dänmark. lächelnd. Ist's dieser Freund, so schlägt in eurer Brust Kein wärmer Herz für ihn als in der meinen, Und seine Sorgen theilen, ist mein Ruhm. Und dennoch ist's nicht euer Vaterland. Euch klingt das Murmeln dieser Ostseewelle Nicht wie ein Wiegenlied der Kinderzeit. Was gelten euch die Thaten dieses Landes, Dem Fremdling, die Geschichte dieses Volks? Ich sprach es aus; und weil ich es gethan, So will ich euch mit schlichten Worten sagen, Und darum kam ich her, wie mir's um's Herz ist. Die laut're Wahrheit, frei, wie es dem Krieger, Wie's dem ergrauten Edelmann geziemt. Wahrheit und Freiheit sind mir gold'ne Worte Im Mund des Edelmanns wie des Gemeinen. »Im Mund des Edelmanns wie des Gemeinen.« – So war't ihr stets; es darf der Edle nicht Sich eines Vorzugs rühmen vor dem Niedern! Das fechten sie mit kühnem Wort jetzt aus Im fernen Frankreich, und ich weiß es wohl, Ein treuer Zögling seid ihr dieser Lehren; Da ist nichts heilig mehr, und jede Schranke Soll niederschmettern, daß ein neues Licht Sich Bahn zu Aller Scheitel breche; Alle Ein Tag umleuchte unglücksel'ger Gleichheit. Und hofft ihr auf dem dornenvollen Weg Zum Ziel verweg'ner Neu'rung freien Schritts Und ungestraft zu geh'n? Ihr werdet's nicht, Die Kön'ge Dänmarks selbst sind nicht so reich An herrlichem Gedächtniß großer Thaten, Als dieses Landes Adel; er allein Hat aus den Stürmen einer trüben Zeit Die Trümmer ew'ger Rechte sich gerettet. Er ist die Seele dieses Volkes, ist Sein Lebensstrom, und ihn vernichten wollen, Ihr aber wollt's, heißt allen Dänen Tod, Dem ganzen Dänmark Untergang bereiten. Mit Staunen hör' ich euch; nennt ihr vernichten, Dem Frevel steuern übermüth'ger Willkür? In welchem Buche der Geschichte las't ihr, Daß Namen edler Väter je den Enkeln Das Recht des Mißbrauchs heil'ger Würden gaben? Der größte Sohn der Julier ward gemordet, Weil er in frechem Uebermuth vergaß, Daß nicht der Götteradel seines Bluts, Die eig'ne Größe nicht, dem Vaterland' Ersetzen konnte die gestohl'ne Freiheit, Die König war zu Rom, und selbst den Cäsar Nicht seiner Unterthanenpflicht entband. Es hat dem Könige, Herr Graf, gefallen, In diese Hand ein schweres Amt zu legen. Nach Pflicht und Recht es zu verwalten, ist Mein heißes Sorgen, und ich zähle nicht Mühvolle Tage, nicht durchwachte Nächte, Die ich ihm hingegeben. Niemand zählt sie; Doch bin ich auch nur Einem Rechenschaft Und Einem Dank nur schuldig, – meinem König, Doch weil ihr kühn und freien Sinn's zu mir Getreten seid, und nicht des tiefsten Herzens Geheimes Sinnen mir verschwiegen, denk' ich Auch wie ein Ehrenmann die Schuld zu lösen, Und Wahrheit euch mit Wahrheit zu bezahlen. Mag sein, das Volk soll seine Edlen ehren. Doch sagt mir, war der Uebermuth zu dulden, Mit dem der Adel Dänmarks sich allein Und seine Rechte in des Thrones Nähe Vertrat mit unerhörter Selbstsucht? Sagt mir, Was jener Staatsrath, der geweihte Sitz Der edlen Häupter dieses Lands, gewirkt, Was herrlich, Segentragendes vollbracht, Daß man mich anklagt, ihn gelöst zu haben? Hat er wie eine gold'ne Mauer nicht Sich zwischen Volk und König hergestellt? Er war das Bollwerk alter Dänenfreiheit. Er war das stolze Hinderniß der Neuen. War't ihr es nicht, der mich an diesen Hof Zuerst geführt, und der mir warnend sagte: Der König ist in unglücksel'gen Händen? War er in bessern, als ich sein Vertrau'n, Und mit ihm die Gewalt empfing? Es theilten Die höchsten Stellen Uebermuth und Dünkel. Die Bessern wichen. Einem feilen Heer Käuflicher Diener ließ man alle Mühen Der niedern Aemter. Schimpflich nährte damals Das Mark des Landes manch' bebrämten Kuppler, Dem man des Vorgemachs geheime Sorgen Und schändliche Verschwiegenheit vergalt. Voreilig flog der Edeln junge Schar Der Ehrenstellen vielgestufte Leiter Mit raschen Sätzen an, und flücht'gen Fußes Die niedren Sprossen überspringend, drängten Sie keck sich zu des Staates schmalem Gipfel, Der Raum nur hat für wenige Geprüfte. So sah das Land mit wachsendem Entsetzen Von edlen Knaben seine bessern Männer Zurückgedrängt in Nacht und in Verachtung. lächelnd. Wohl möglich, daß die Brut des Adlers sich Mit kühnern Schwingen auf zum Lichte wagt, Als der gemeinen Spatzen nied'rer Flug. Ich aber habe mich erkühnt, Herr Graf, Die Flügel dieser Adlerbrut zu stutzen, Mit kräftigem Gesetz unbärt'ger Kühnheit Gewehrt, daß uns kein neuer Phaëton Das Flammenroß der Staatenherrschaft lenke. Könnt' ihr mich tadeln, daß ich's that? Und glaubt ihr, Daß Dänmark siech und elend werde, weil Kein Heer unnützer ebenbürt'ger Dränger Den König mehr umlagert? Weil der Landmann Nicht mehr den feuchten Blick zur Hauptstadt wendet, Wo oft sein strenger geißelnder Gebieter, Der unentbehrlich sich am Hofe wähnte, Die schweißerpreßten Früchte karger Güter Der frechen Nacht zur Beute gab, und dann, Nach manchem Klagelied von schwerer Zeit, Sich von der Gnade des Monarchen wieder Den Beutel füllen ließ? Das ist vorbei; Denn, Gott sei Dank! ich hab' dem Könige Gezeigt, was ihm die Kassen schnell erschöpfte. Er ist es müd', des Adels Säckelmeister Zu machen. Seines Volkes Jammer ist Zu seinem Ohr gedrungen. Er vernimmt Die allgemeine Noth; doch machtlos stirbt Der ungestüme Laut verweg'ner Klagen. Des Landes Mittel sind erschöpft. Entbehrlich Muß Manches scheinen, was nothwendig uns Noch jüngst erschien. Verstummt ist jede Rücksicht. Der König selbst entäußert sich zuerst Des überflüss'gen Glanzes. Seiner Garde Erwähltes Corps entließ er heut' in Gnaden. Ranzau scharf anblickend. Ist Dänmark krank, so seht ihr, werther Graf, So ganz unkundig sind wir nicht der Mittel, Den theuren Freund vom Untergang zu retten. Ich seh', ich seh, wie ihr geschickt und schlau Die Wehr gerissen aus des Adels Händen. Dafür bewaffnet ihr das Volk. Es darf, Wie's nie erhört war, Jeglicher nach Willkür Die ungemess'ne Keckheit der Gedanken Den freien Pressen rächend anvertrau'n. Ich kann dem Volke nicht das Denken wehren, So sag' es frei und offen, was es denkt. Ja, ihr seid blind und seht den Abgrund nicht, Dem ihr entgegen eilt mit raschen Schritten. Die Waffen, die ihr diesem Volk vertraut, Wird's gegen euch zuerst im Wahnsinn kehren. Den Mißbrauch seiner Gaben fürchtet nur, Wer nicht aus freiem Trieb des Herzens giebt. Die reine Absicht gleicht der großen That! Den preis' ich glücklich, dem vom Anbeginn Des Willens, bis zum herrlichen Vollbringen, Ein günstig siegendes Gestirn geleuchtet! Nicht euren Sternen leuchtet dieses Glück. Glaubt mir, Graf Struensee, es wird der Adel Euch furchtbar werden, eh' ihr's euch verseht. Der Unmuth pocht in Aller Herzen; laßt, Ich bitt' euch, laßt euch warnen; wagt nicht ferner, Was ihr bisher gewagt. Es scheint, Graf Ranzau Vergißt, daß nur des Königs hoher Wille Aus den Befehlen des Ministers spricht. Nennt sich der Adel dieses Thrones Bollwerk, Und seines Königs Schutz, so ehr' er auch Den Willen des Monarchen. Ja, nun seh' ich's, Ihr spielt mit mir, und wollt mit leerem Blendwerk Die Blicke des erfahrnen Mannes täuschen. Gebt ihr für einen König mir den Schatten Des kranken Christian? Dieses müde Haupt Hat sich der Last der Krone längst entwöhnt. Wer ist's, der ihn beherrscht? Die Kön'gin Mutter Ist weggedrängt aus ihres Sohnes Nähe. Graf Ranzau trägt sein Herz auf seinen Lippen; Das weiß das Land. Jetzt aber hör' ich nicht Sein ehrlich Herz. Nennt ihr die Witwe Friedrich's, Ihn an sich ziehend. Und denkt der Zeiten nicht, wo ihr mir selbst Erzählt in Aschbergs stillem Buchenschatten, Wie diese Eris an des Königs Seite Ein stiller Fluch dem Königshause war? Soll sie aufs Neue unheilbringend jetzt Dem königlichen Paare nah'n, die Zwietracht In die versöhnten Herzen wieder säen; Mit neid'schem Groll die jugendlichen Tage Der holden, blüh'nden Königin vergiften? Ja, diese holde, blüh'nde Königin, – Ihr mahnt zur rechten Zeit – die kühne Britin Hat endlich alle Fesseln abgestreift, Hat Alle uns getäuscht. Sie wollte herrschen, Sie hat's erreicht in ungetheilter Macht; Denn ungewiß fragt sich das ganze Volk, Ob ihr ein Spielwerk seid in ihren Händen, Ob sie ein Spielwerk in den euren. – auffahrend. Graf, Das ist zu viel; verzieh'n hab' ich die Kühnheit, Das Ungeziemende ertrag' ich nicht. Geht, geht, ihr kamt mit bitt'rem Herzen her, Ihr wolltet keinen Frieden; tragt den Streit Mit euch hinweg, wie ihr ihn hergebracht. Ja, ew'ger Kampf trennt Willkür und Gesetz; Ihr wollt das Eine, ich das And're; so Ist's besser, daß wir scheiden. ihn zurückhaltend. Eines noch! Ihr dachtet nicht gering von mir, und kamt, Dem Mächtigen manch' kühnes Wort zu sagen. Ihr scheidet ungestraft, da ihr's gethan, Das, Graf, – das ist die Willkür, die ich übe. Ranzau wirft einen durchdringenden Blick auf ihn und geht rasch ab. 13. Szene Dreizehnte Scene. allein. Fahr' hin, du Stolzer! Jetzt vergelt ich dir Verachtung mit Verachtung; hat er nicht Gewagt, selbst ihren Namen – ihren Namen? Das Gesicht mit beiden Händen bedeckend. Unglücklicher, verrathen hast du dich! Schlug nicht mein Blut, als er den Namen nannte, Wie ein unsel'ger Gläub'ger an mein Herz, Und pochte mahnend aus dem tiefen Schlummer Das gräßliche Geheimniß wach? O, mir war's nie gegeben, still und heimlich Des Busens off'ne Regung zu verschließen. Frei lag mein Herz vor Allen da, und jetzt, Da es die feige Qual den Blicken Aller Verbergen soll, – verräth sich's selbst und haucht Mit Purpurschrift auf die entsetzte Stirn Vor Feindes Blick ein tödtliches Geständniß. Er sinkt in einen Sessel und bleibt einige Augenblicke in Gedanken versunken. Nach kurzer Pause öffnen sich die Thüren, der Pfarrer Struensee tritt ein, den Sohn schweigend betrachtend. Er tritt näher. 14. Szene Vierzehnte Scene. Pfarrer Struensee. Graf Struensee. sich wendend und den Vater erblickend. Mein Vater! Güt'ger Himmel, endlich wieder An meinem Herzen, theurer, lieber Vater! Mein Sohn! O süßer Ton der väterlichen Stimme! Wie lang' hab' ich vergebens diese Gunst Erfleht, umsonst gehofft, euch hier zu seh'n. Seit mir die Sonne königlicher Huld Geleuchtet, hat des Vaters lieber Stern Sich weg von mir gewendet. Laßt mich nun Tief, tiefer wieder in die Blicke schauen, Die meines Lebens Quell' und Segen sind. Der Vater wendet sich ab. Wie ist euch, Vater; wollt ihr mir die Gunst Des theuren Anblicks nicht gewähren? Oder Wollt ihr, das Antlitz mir verbergend, auch Geheimnißvoll verschwieg'nen Kummer – Gott! Ich habe nach der Mutter nicht gefragt; Wo, wo ist meine Mutter? Heimgegangen. Todt? Ihren Segen bring' ich dir, mein Sohn, Dein Name war ihr letztes Wort. Mein Name? Ihr brechend Aug' hat einen Strahl von Segen Für mich, und den mißgönnt der Himmel mir? Erstarrt im Grab' dies Herz voll Liebe? Weh' mir, Daß mich verderblich ein unheil'ger Glanz Von dem geweihten Lager bannte, – daß ich Ihr letztes segnend Röcheln nicht vernahm, Und jetzt vergeblich nur nach einem Blick, Nach einem einz'gen Blick der Mutter weine. Pause, Vater und Sohn stehen in stummen Schmerz versunken. O, wie sie gut war, Vater, denkt ihr's noch? Wenn ich, ein rascher Knabe, oft zu herrisch Die kindischen Gespielen meistern wollte, Und ihr mit strenger Zücht'gung, unerbittlich Des Sohnes ungemess'nen Trotz bedroht, – Sie hatte immer ein begüt'gend Wort, Sie wußte nur zu lieben, zu vergeben. Gönn' ihr den Schlummer der Vollendung, Sohn! Und zähl' ihr nicht die Sünden nach. heftig. Ha, Vater! Gefaßter, nicht ohne Bitterkeit. Ihr wählet euch ein traurig Amt, mein Vater! Nicht in den Tagen seines Glückes kommt ihr, Den Sohn zu schau'n. Nicht seines Königs Gnade, Nicht eines Volkes staunendes Erwarten Auf seine Thaten ziehen euch zu ihm, – Ihr kommt, wenn das Entsetzen in die Hütte, Die ihm das Liebste einschließt, tödtend einbricht; Und eurer Lippen schauervoller Gruß Ist seines Unglücks fürchterliche Botschaft. Dem armen, blinden Sohne dieser Erde Erscheint mit zwiefachem Gesicht das Leben. Sein Doppelantlitz heißt uns Glück und Unglück. Doch der dort oben aus dem ew'gen Borne Das Leben schöpft, von dem ein karger Tropfen In unsre Herzen ausströmt und verrinnt, – Der, denk' ich, tauscht wohl oft die Namen um. Von ihm kommt niemals Unglück, niemals, niemals. Dein Unglück aber, fürcht' ich, ist dein Glück. Ja, ja, ich weiß, ihr habt's mir nie vergeben, Daß ich dem engen Kreise mich entzogen, Der fest ins nied're Leben mich gebannt. Daß ich nicht Lügner schalt des Busens Stimme, Die mich hinwegrief von dem dürft'gen Bett Des Kranken zu des Daseins lichter Höhe, Wohin die freie königliche Wahl Mit schnellem Adlersittich mich getragen. Und hab' ich mich des fürstlichen Vertrauens Unwerth gezeigt, mit frevelhafter Selbstsucht? Wer hat die Macht in Händen und darf sagen, Er habe Größeres gewollt als ich? Durchbebt nicht ein entzückender Gedanke Mein ganzes Herz? Den uralt schweren Streit Der Krone mit des Bürgers stillem Recht Zu lösen, daß der leistende Gehorsam Die Zügel billiger Gewalt nicht fühle, Nicht wider eines Lenkers schwere Hand Sich knirschend bäume; daß ein thätig Volk Nicht preisgegeben launenhafter Willkür, Sich wie der König Dänmarks auf dem Thron, In edlem Selbstgefühle frei bewege. Es darf der Bürger jetzt des Hauses Thore Dem falschen Blick der feilen Späher schließen. Gesichert ist sein friedliches Asyl. Sein Fleiß bringt ihm den redlichen Gewinn, Und kleidet nicht, wie es vor mir geschah, In Marmorglanz die fürstlichen Paläste. Durch meine Hand entfesselt, wandelt frei Von Brust zu Brust der leuchtende Gedanke. Der Bildung schöner Tag, der unsrem Deutschland In frischem Glanz der Morgenröthe leuchtet, Wird seiner Sonne herzbelebend Feuer Auch auf dies schöne Land herüber tragen. Und sind wir längst dahin, und folgt uns dann Ein fröhlich heiter wirkendes Geschlecht, So wird es milder als des Vaters Stimme Auf meinem stillen Grab' mir feuchten Blicks Dies theure Zeugniß seines Dankes geben: Daß ich sein Glück gewollt, daß ich's erreicht. Das wird es nicht, mein Sohn, denn nicht die Willkür Des Einzelnen kann Völkerglück begründen. Und welch ein Pfand der Sicherheit hast du Dem Volk gelassen, daß nach dir kein Zweiter Und mächtiger als du erscheint, und wieder Den Prachtball deiner Thaten niederreißt? Wer bist du, daß aus deiner Hand ein Volk Die Freiheit wie ein dürftiges Geschenk Empfangen soll? Wie eine karge Wohlthat, Die Andrer Launen frevelnd ihm entzieh'n, Wie eines Jünglings Laune sie gewährt. Hast du so tief ins Erdreich der Gesetze Der Freiheit jugendlichen Stamm gesenkt, Daß seine stillen Wurzeln nie die Axt Der königlichen Willkür, nie ein Streich, Von deiner eignen Hand verborgen, treffe? Das hast du nicht vermocht, und kannst es auch Großmüthig niemals wollen; – denn du kannst Das Nächste nur bedenken, kannst dein Schicksal Nicht frei mehr lenken; festgeankert muß es In dieses Thrones falscher Nähe ruh'n. Dort ist dein Platz; bei allen deinen Planen Ist das die stille traurige Bedingung, Daß du dem Thron zunächst stehst; denn ich fürchte, Dich hält dort nicht allein die karge Lust Der mühevollen Herrschaft. And're Schlingen Umstricken dich und halten dich gebannt Mit stillen, zaubervollen Kräften. Graf Struensee wendet sich ab. Bebst du? Blick' her! Sieh mir ins Auge! Kannst du's nicht? Kannst du die greisen Flammen meines Blicks, Des Vateraug's nicht mehr ertragen? Weh' mir! Ist's wahr, das Gräßliche, das wie die Feu'r In Tagen der Gefahr von Berg zu Berg, Von Mund zu Mund des Volkes geht? Du liebst? Liebst deine Königin? Mein Vater! Fort! Die Sünde fällt auf deines Vaters Haupt! Der alte gläub'ge Diener Gottes fleht Verzweiflungsvoll den Tod auf sich herab, Eh' deine bleichen Lippen ihm bekennen, Was ihn zu hören schaudert. Bebt ihr, zu hören, was die bangen Lippen Euch zu gestehen zittern? Dennoch kann ich Das Gräßliche euch nicht ersparen, muß es Von diesem Herzen wälzen dies Bekenntniß. – Ja, Ich liebe, Vater! Meine Königin, Zu der mein Auge sich mit scheuer Ehrfurcht Kaum heben sollte, bet' ich Rasender Mit allem Wahnsinn an der Leidenschaft. O richtet mild, mein Vater! Wunderbar Auf leisen Wegen hat dies stille Gift Sich unvermerkt ins Herz geschlichen. Weiß ich Die Stunde doch zu nennen, wo ich plötzlich Mich umgewandelt fand, und sich der Zauber Der unbewehrten Seele still bemächtigt. Die Königin war krank. Der König war Von seiner Reise damals heimgekehrt. Mein schnelles Glück war das Gespräch des Tages; Dienstfertig übertrieb der bange Neid Der Höflinge das flüchtige Verdienst Des jungen Arztes, und die Königin Begehrte mich zu sehen. Die Verlass'ne War ohne Freund, allein, an ihrem Hof'. – Verschmäht von ihrem fürstlichen Gemahl, Beneidet von der königlichen Mutter, Fand ich ihr Herz vom Gram und Schmerz geknickt, Und ich verhehlt' es nicht, wie ich's gefunden. Und wie sie nun des Antheils stille Thräne In meinem Auge sah, und aus dem ihren Ein süßer Strom herniederfloß, – die Wange Ein holder Scham geröthet, daß der Fremdling Ins tiefste Herz der Königin geschaut, – Da war's um mich gescheh'n; die Macht des Zaubers, Der mich umsponnen, ließ mich nimmer wieder. Mit ihren Thränen hat sie mich vergiftet! Mit ihren Thränen meines Lebens Ruh' Und meine Seligkeit hinweggeströmt. In ihrer Nähe festgebannt, erduld' ich Seit jenem Tag die Hölle tausendfach. Ich darf sie stündlich seh'n, und muß die Blicke Zu Boden senken, daß mein flammend Aug' Nicht aus der klaren Hoheit ihrer Sterne Verdammniß lese und Verwerfung. Flüstert Ihr süßer Mund ein mildes Wort mir zu, So täuscht mich mein betrüg'risch Herz und wähnt, Es sei der Liebe Wonneklang gewesen. Ich schaud're heut' vor mir zurück, und morgen Belebt mich wieder ein unselig Hoffen, Und die zermalmte Seele sucht und findet Mühsel'gen Trost, um ihn mit neuem Jammer In tödtlich schnellem Wechsel zu vertauschen. Laßt einen Dämon in die Himmel brechen, Die Seligkeit daraus hinwegzustehlen, Und wollt ihr strafend seinen Frevel rächen, Mit allem Elend den Verruchten quälen, Sucht nicht nach neuer Qual, – ihr findet keine, Die Seelen besser folt're als die meine. O Unglücksel'ger! Und du willst noch länger Das Ungeheu're tragen? Theurer Sohn! Ich bin nicht streng, ich habe nichts zu richten, Ich kann nichts mehr, als dir verzeih'n! Komm mit mir, Flieh' diesen Hof, entsage dieser Hölle. Dein kühner Geist, dein Herz sind reich genug, Der Einsamkeit zu leben! Komm mit mir! Du bist so elend hier, du wirst vergessen. Niemals, mein Vater, niemals! Wenn ich's könnte, Ich möcht' es nicht. Nur Thaten können mich, Die Größe meiner Pflichten nur erheben; Ich lebe ihr und meinen Planen; Beiden Entsagen müssen, Vater, ist mein Tod. Stirb, aber komm' mit mir! Das Schrecklichste Ist, endlich müssen, was wir nie freiwillig Zuvor gewollt. O steige von der Höhe, Eh' dich ein feindliches Geschick hinabstürzt. Komm' mit mir, Friedrich! Meine alten Tage Sind jetzt so einsam, komm', erheit're sie! Komm', mein geliebter Sohn! Ich kann nicht, Vater! sich vor ihm niederwerfend. Auf meinen Knien beschwör' ich dich, verlasse Das Haus des Königs, komm' mit mir. der den Vater emporzuheben sucht. Vater! Nein, laß mich knien wie im Gebet vor Gott, Laß dich erfleh'n! Komm' zu der Mutter Grab, Die heil'ge Stätte wird des Herzens Frieden Dir wieder geben. Ihr verklärter Geist Umschwebt den theuren Sohn, – sie fordert dich Von mir, dem Vater, wieder. – Höre sie, Dein Name war ihr letztes Wort. Mein Friedrich, Mein theurer Friedrich, folge mir. den Vater gewaltsam emporziehend. Ich kann nicht! den Sohn stürmisch an sich pressend. Ich that, was ich vermocht'! Gott sei mit dir! Ihr geht, mein Vater? Dich zu warnen kam ich, Ich bleibe nicht, um deinen Fall zu seh'n, Gott mit dir! Ab. dem Abeilenden nachblickend, erschüttert. Vater! Nach kurzem Kampf. Zu ihr! Heftig klingelnd, mehrere Diener treten herein. Zum Könige! 2. Akt 1. Szene Erste Scene. Zimmer der Königin Karoline Mathilde. Königin Mathilde. Gräfin Uhlfeld. Gräfin Reez. zur Gräfin Uhlfeld, die ein Buch in der Hand hält. Nicht weiter, liebe Gräfin. Mich erschüttert's Zu tief und zu gewaltsam. Diese Bitten, Die von den Lippen dieses zarten Arthurs Ans wilde Herz des Mörders dringen, treffen Mein eigenes so mächtig, daß ich kaum Dem heißen Strom des zärtlichen Erbarmens Und meines Busens leisem Grau'n gebiete. Aufstehend. Genug für heute. Dieser Shakspeare ist Ein Halbgott, der die alten Sagen mir Verwirklicht von der Sänger heil'gem Zauber Und ihrer Macht, der Menschen bebend Herz Zu rühren und die Felsen zu erweichen. Es blühen keine Palmen auf der Welt, Die würdig sind, dem Göttlichen zu lohnen, Der seines Busens wundervolle Himmel Dem dürft'gen Aug' der Sterblichen erschließt, Und ihres Lebens ärmliche Gestalten In seiner Seele reinem Feuer läutert. Wie tief fühlt meine gnäd'ge Königin Des Dichters kühnen Geist, der mir zu brausend Die mächt'gen Flügel schwingt. Ich fass' ihn nicht Und stets bewundert' ich die große Seele Der Königin Elisabeth, die oft In ihrer Nähe diesen kühnen Liebling Mit königlicher Huld geduldet. Wahrlich! Das that die Königin Elisabeth? Und nimmt's euch Wunder, daß sie's that? Ich denke, Der Fürst der Dichter meines Englands hat So tief ins Herz der Könige geschaut, Daß er in seiner Kön'gin Nähe nur An seinem Platz, bei seines Gleichen war. Wie ihr mich staunend anblickt, liebe Gräfin! Der Frevel wider alle Majestät Ist nur in meinem Mund zu dulden, nicht? Doch sprach ich's aus, und wiederholen würd' ich's, Wenn meine fürstlichen Genossen alle Vor mir versammelt wären. Diesem Shakspeare Liegt wie ein aufgeschlagnes Buch das Herz Der Völker und der Kön'ge vor. Blickt hieher. Ihr Buch aufschlagend. Hier steht die Wahrheit wie ein ew'ges Licht, Ist's heut' wie eh'mals nicht? Zur blut'gen Schlachtbank Führt man die Völker für ein heilig Recht, Und doch verträgt um kleinen Vortheils willen Sich Frankreich mit dem räub'rischen Johann. Und gleicht das Schicksal jener Nichte Englands, Der holden Blanca von Castilien, nicht Dem Loos der Fürstentöchter aller Zeiten? Wie schildert er so rührend und so wahr Die süße Trauer der bescheid'nen Blüthe! Vom mütterlichen Stamme weggerissen, Schwankt sie in neuen sturmbewegten Pflichten. Kaum kennt ihr junges Herz den mächt'gen Laut Des Willens und der Wünsche, und sie muß Entscheiden für das Leben. Sie besiegelt Mit ihrem Herzblut schändliche Verträge, Und folgt, da ihn ihr Auge kaum erblickte, Dem fürstlichen Gemahl zur fernen Heimath. Wer weiß, zu welcher reuevollen Zukunft, Wer weiß, mit wie viel Thränen sie's bejammert, Daß ihre Mitgift eine Krone war! da die Königin sich abwendet, ihre Aufwallung zu verbergen, heimlich zur Gräfin Uhlfeld. Wie königlich! Wie tief und wie verständlich! 2. Szene Zweite Scene. Vorige. Graf Struensee. Graf Brandt. Sieh' da! Die Grafen Struensee und Brandt. Zum Grafen Struensee. Ihr kommt zur rechten Zeit, Graf Struensee, Mich zu erlösen von gehäss'ger Pflicht. Vertheid'gen muß ich gegen meine Damen Der Dichter heil'ge Rechte. Unser Shakspeare Kann keine Gnade finden vor den Augen Der Gräfin Uhlfeld. Eure Majestät, – zu Struensee. Wär' mir's genehm, den Streit noch fortzusetzen, Euch, Graf, erwählt' ich zu des Dichters Ritter. Vor Allen würdig wär't ihr, eine Lanze Für seinen Ruhm zu brechen; denn euch dank' ich's, Daß ich den Werth des Herrlichen erkannt. Ihr lehrtet mich die süße Melodie Des wildbewegten Stroms versteh'n, und müde Von manchen Lebenstürmen, wiegt die Seele Sich still besänft'gend auf den edlen Wellen Der ernsten Harmonie. Lächelnd. Doch schon zu viel. Die Gräfin kann ein Lächeln kaum verbergen. Sie fürchtet, endlich mache mich der Dichter Wohl gar zur Dichterin; die Sünde wäre So neu für eine Kön'gin Dänmarks, daß ich, So furchtbaren Verdachts mich zu entladen, Von Würd'gerem zu reden denke. Zum Grafen Brandt. Graf! Wie ließet ihr den König? Sind wir nicht, Befürchten muß ich's, Seiner Majestät Zu schnell vorausgeeilt? Gern gesteh' ich's Zum Ruhme Englands – dieses brit'sche Roß, Das mir mein königlicher Bruder sandte, Hat Dänmarks beste Renner überflügelt. Mit männlicher Begier den alten Ruhm Der Dänenrosse zu behaupten, wagte Von allen unsern Cavalieren nur Sich Graf von Struensee in unsre Nähe. Und selbst der kühne Ritter mußte endlich Weit hinter uns das stolze Wagniß büßen. Mir ward gerechter Lohn für meine Kühnheit. Sie ziemt dem Manne. – Der Monarch gestand Die besten Renner seines Landes besiegt! Er pries mit Heiterkeit den seltnen Muth, Den Eure Majestät gezeigt. Seit langer Zeit Sah ich den König nicht so froh geschäftig. Die Festlichkeiten dieser Woche scheinen Besonders seinen Wünschen zu entsprechen. Auf morgen ist der Maskenball des Hofes Bestimmt. So kommt der König sehr gefällig Auch meinem Wunsch entgegen. Laßt uns, Graf, Dies schöne Fest mit seltnem Glanze feiern. Ich mag es wohl, wenn in dem Maskenscherz Das eitle Band der Etiquette sinkt. Seid so erfind'risch, als ihr wollt; und seid's Mit Pracht und Glanz, ich werde freudig Den Uebermuth der bunten Laune loben, Und mitgenießend, denk' ich, werden endlich Sich auch die Damen unsres Hofs gewöhnen, Den fesselnden Gebrauch mit heit'ren Sitten Mit jungem Scherz den alten Zwang zu tauschen. Zur Gräfin Uhlfeld. Und dachtet ihr nicht, Gräfin, morgen schon Mir zur Audienz den Cavalier zu führen, Den mir die Kaiserin von Rußland selbst Und dringend, sagtet ihr, empfahl? Ich dacht' es, Wenn Eure Majestät es ihm gestatten. Er soll bei unserm Feste sein und soll Die kaiserliche Pracht, die er verließ, In unsern königlichen Hallen finden. Nicht wahr, Graf Struensee, wir dürfen uns Den bill'gen Wunsch erlauben, daß der Fremde Der Kaiserin berichte, wie er hier, Dank sei es euch, im Königshause Dänmarks, Bei weiser Mäßigung und Sparsamkeit, Des edlen Hofes würd'ge Pracht gefunden? Der Glanz, der meine Königin umgiebt, Ist unentbehrlich, ist die edle Fassung Der schönsten Perle dieses Königreichs. ihn fixirend. Meint ihr? Halblaut zu Struensee. Und dennoch widerspricht der Ton den Worten. Sollt' ich – –? zur Gräfin Uhlfeld. Ich bitte, Gräfin, meine Stickerei. Gräfin Uhlfeld ab. 3. Szene Dritte Scene. Mathilde. Struensee. Brandt. nachdem sie der abgehenden Gräfin mit den Blicken gefolgt war und bemerkt, daß auch die Gräfin Reez sich schon früher entfernt, zu Struensee. Graf, was bewegt euch? Läugnet nicht; ich sehe, Ihr sucht mir Etwas zu verbergen. Redet! Mich ängstigt's, euch so sorglich still zu finden. Wenn ich das scheine, bin ich strafbar? Laune Soll nie, und sicher nicht vor Eurer Majestät, Den Schein geheimnißvoller Sorge tragen. Nein, nein, das ist nicht Laune. – – Nicht viel mehr. Ich will das Räthsel lösen, Königin! will zwischen Brandt und die Königin treten. ihn zurückhaltend. Laßt mich! Graf Ranzau ist von seinen Gütern Zur Hauptstadt heimgekehrt. Der Hochgewicht'ge! Will er sein staatsklug Haupt nicht länger mehr In Aschbergs kalter Einsamkeit vergraben? Der Winter führt ihn uns zurück. Ihn locken Die Freuden unsres Hofes, – mag er auch Mit stolzem Sinn verweg'ne Absicht hegen, – Der handelt nicht, – er murrt und schadet nicht. lächelnd. Und dennoch hat er heute einen Schritt Von unerhörter Wichtigkeit gethan. In seinem Sinn gewiß! Doch scheint mir fast, Er war es euch nicht minder. Laßt mich hören, Was ist so Ungeheures denn gescheh'n? Graf Ranzau hat sein alt Gelübd' gebrochen Und seinen Todfeind, Auf Struensee deutend. diesen mächt'gen Löwen, In seiner eignen Höhle heimgesucht. Und hat doch, hoff' ich, auch den Leu gefunden? Das Recht führt bess're Waffen als der Unmuth! Doch war ich stark genug, dem kühnen Manne Kühn zu begegnen; war's nicht Heldenthat! Schützt mich die Gnade meines Königs nicht? Nicht wie ein Demantschild die theure Huld Der Königin? Und soll euch ferner schützen, So lange dieses Herz für Dänmarks Wohl Und seine Ruhe schlägt. 4. Szene Vierte Scene. Vorige. Gräfin Uhlfeld. zur Gräfin, die ihr die Stickerei überreicht. Ich danke, Gräfin. da sie von der Königin weg ans Fenster getreten, hinausblickend. Himmel, was ist das?! Was? Ein Officier sprengt mit verhängten Zügeln So eben in den Schloßhof. Mit einem Schrei der Angst. Großer Gott! Was giebt's? Sein Roß stürzt unter ihm zusammen. Es streckt sich keuchend nieder, es ist todt. will ans Fenster treten, die Männer halten sie besorgt zurück. Der Officier ist unverletzt. zu ihr tretend. Wer ist's? Mit Schweiß bedeckt, – und athemlos, – ich kenn' ihn, Der Hauptmann Löwenskiold, vom heut' entlass'nen Norwegschen Regimente. die Angst der Königin bemerkend. Ich erwart' ihn. Er bringt mir den Rapport. In solcher Eile? Das deutet uns nichts Gutes. Selber will ich, – – O bleibt, bleibt, werther Graf, laßt mich allein nicht In dieser fürchterlichen Ungewißheit. Mich foltert Todesangst. Hört den Bericht Des Hauptmanns hier, in meiner Gegenwart, Er komme, komme wie er ist, und gleich. – Zur Gräfin Uhlfeld. Ich bitte, Gräfin, führt ihn her! Sogleich! Gräfin ab. 5. Szene Fünfte Scene. Vorige. ohne Gräfin. zu Brandt. Was es auch sei, eilt ihr zum Könige, Daß er in dieser Stunde nicht allein sei. Sehr weislich, daß kein Dritter dienstbeflissen Die unerwünschte Botschaft hinterbringe. Während Graf Brandt abgeht, tritt Gräfin Uhlfeld mit dem Hauptmann ins Zimmer. 6. Szene Sechste Scene. Mathilde. Struensee. Hauptmann Löwenskiold. Gräfin Uhlfeld entfernt sich sogleich nach dem Eintritt des Hauptmanns. Vergebung, Majestät. Die Königin Ist sehr begierig, zu erfahren, Hauptmann, Was eure tödtlich schnelle Eile bringt? Aus euren Mienen les' ich Unglück. Redet! Ich bitt' um den Rapport Ich habe keinen. zugleich. Wie? Nicht zum Schreiben ward uns Zeit gelassen. Ich komm' aus einer Schlacht. in einen Sessel sinkend. Allmächt'ger Gott! leise zum Hauptmann. Erschreckt die Kön'gin nicht. aufstehend. Nichts Heimliches! Was ist's? Ich bitt' euch, Graf, verbergt mir's nicht. Ich will es hören, wär's das Schrecklichste. Ich soll – –? Die Kön'gin will's. Wer sendet euch? Der Commandant der Hauptstadt. Eure Botschaft? Die Garden haben sich empört. Weh' uns! der seine Bewegung zu verbergen sucht. Die Kön'gin weiß das Schlimmste. Laßt uns, Hauptmann! Umständlich hören, wie sich's zugetragen. Als unser Obrist heut' zum zweiten Mal Die fünf norwegschen Compagnien versammelt, Da sahen wir in manchem rauhen Antlitz Die Spuren selt'ner Wehmuth. Der Gemeine Sah traurig nieder auf sein Schwert und blickte Die edlen Waffen bald, bald die Kam'raden Mit bangen Augen an; denn Jeder dachte, Der Abschied rufe den Soldaten wieder Zum väterlichen Herd, zum stillen Pflug. Da wird ein unerwarteter Befehl, Der Wille Seiner Majestät, verlesen, Der den Gemeinen kund thut, wie sie nicht, Wie sie's gehofft, entlassen sind vom Kriegsdienst; Nicht mit einander, wie sie's tröstend dachten, Zur Heimath wiederkehren dürften. Murrend Vernehmen sie's, wie Seine Majestät Ausdrücklich will, daß ihre ganze Schar Vertheilt in and're Regimenter werde. Der Obrist, der's verlesen, schweigt, und plötzlich, Sie ein verräth'risch Meer den Sturm erwartet, Schweigt auch die fürchterlich bewegte Menge. Mit einem Mal durchfliegt ein Schrei die Glieder, Und wie aus einer Kehle heult es: Vivat Das Regiment! Wir wollen freien Abschied! Wir wollen nicht getrennt sein! Niemals, niemals! Wir sind Kam'raden auf Leben und Tod! Und nun umarmen sich die Wüthenden, Und raschen Handschlag wechseln sie als Eid, Sich nimmer zu verlassen, und dem Willen Des Königs den Gehorsam zu verweigern. Die Officiere stellen sich vergeblich Den Rasenden entgegen. – Weder Bitten Noch Drohung wird gehört. – Der Commandant Will die Empörer zücht'gen, die mit Jubel Durch alle Straßen zieh'n und selbst die Bürger Mit schnödem Wort zum frechen Aufruhr laden. Man läutet Sturm, und die Besatzung rückt Zu off'nem Kampfe gegen die Rebellen, – – Sie aber setzen Alles d'ran und wagen Das Aeußerste, – sie dringen fechtend vor, – Und schaudernd sieht die Stadt in ihren Straßen Das Blut der Bürger und Soldaten fließen. Entsetzlich! Weh' uns! Mußt' es dahin kommen! Noch unentschieden war der Kampf, als ich Die Stadt verließ; doch immer näher drängten Zum Norderthore die Rebellen. Glückt's Dort den Verzweifelnden, sich Bahn zu brechen, So sind sie hier, eh' wir's gedacht. Unmöglich! Sie wagten es, nach Friedrichsburg, – zum König – Das war die Losung. Die Empörer wollen Zum Ohr des Königs ihre Wünsche tragen, Den Wunsch nach Löhnung und nach freiem Abschied. Ertrotzen wollen sie's in diesen Mauern, Und dann wie sieggekrönte Helden wieder In prahlendem Triumph zur Hauptstadt kehren. Eh' das geschieht, – eh' soll – Man hört fernes Schießen. Wir sind verloren. 7. Szene Siebente Scene. Vorige. Damen der Königin. Zu Hülfe. Weiß es Eure Majestät? Die Garden haben rebellirt, sie rücken Mit Freudeschießen vor. Wir sind verloren, In wenig Augenblicken sind sie hier. hereinstürzend. Sie kommen! Zu Struensee. Rettet, Graf, die Königin! Sie wollen Friedrichsburg erstürmen. Wollen Den König und die Königin ermorden. Wahnsinn'ger Schrecken! Die Rebellen sind Nur hergekommen, fürchterlichen Lohn Und die verdiente Zücht'gung zu empfangen. Zum Hauptmann. Der Commandant des Schlosses! Hauptmann ab. 8. Szene Achte Scene. Vorige, ohne Hauptmann. Gleich darauf der Commandant des Schlosses. Graf, – ihr wollt – Gewalt begegnen mit Gewalt, so ziemt sich's. Sie haben Blut vergossen, – Blut muß fließen. Es kommt nicht über mich, auf Jene wälz' ich's, Die mit verrätherischen Künsten, heimlich Zur Unthat die Entsetzlichen gereizt. Zum Commandanten. Die Wachen, Obrist, ins Gewehr! Das Thor Des ersten Schloßhofs soll ein starker Posten Schlagfertig decken. Laßt die ganze Mannschaft Gerüstet sein zum Angriff. Pflanzt Geschütz auf, – Und wagen sie's, mit einem Schritt die Burg Des Königs zu betreten, so empfange Die Schändlichen das Feuer der Kanonen. Commandant ab. 9. Szene Neunte Scene. Vorige, ohne den Commandanten. O welch ein blut'ger Vorsatz! Eh' ich ihn Vollführ' und den unselg'en Kampf beginne, Stell' ich mich selber ihrer Wuth entgegen. Versuchen will ich's, ob ein muthig Wort Zur ruh'gen Pflicht die Frevler nicht zurückführt. Wenn heuchelnd zwischen uns kein Dritter tritt, Dem schlichten Krieger ans verführte Herz Die Sprache schlägt der redlichen Empfindung – Dann, hoff' ich, soll der königliche Wille In der Bethörten Brust die alte Treue Und reuevolle Unterwerfung finden. Ihr hofft vergebens. Fordert ihre Wuth Mein Haupt, ich biet' es willig dar. – Es soll Kein Tropfen fremden Bluts vergossen werden, Kann ich des Landes Wohl, des Königs Ehre Mit meinem eignen Blute freudig retten. Tumult von außen. Wildes Geschrei: »Vivat das Regiment! zum König!«. Sie sind's! Weh' uns! Gott schütz' uns! Sind sie da? Nun wohl; mein Haupt zum Preis der Unterwerfung, Dem Trotz der Rasenden – Tod und Verderben. Weh'! Struensee – bleibt! bleibt! Ihr tödtet mich! Ihr gebt das Leben? – Königin, was wär' es, Vermöcht' ich's nicht in dieser großen Stunde, Für eure Rettung meinen Ruhm zu geben! Im Abgehen tritt ihm der englische Gesandte entgegen. 10. Szene Zehnte Scene. Vorige. Robert Keith. erstaunt. Ihr, Sir? Struensee aufhaltend. Bleibt, ich beschwör' euch, werther Graf! O weh' uns, Sir, zu welcher Stunde kommt ihr! Ich darf Vergebung hoffen, Königin! Die Sorge treibt mich, das Entsetzen her. Wenn Dänmarks Königin bedroht ist, zittert Das brüderliche England, und ich bin Sein treuer Diener. Eure Majestät Wird eine Warnungsstimme nicht verschmäh'n. Nein, Königin, ihr zittert wahrlich nicht Vor leerem Schreckensruf. Die Wüthenden, Die ich geseh'n, die ihr verruchtes Schwert In ihrer Brüder Blut getaucht, sie werden, Will man Gehör nicht ihren Wünschen geben, Das Leben selbst der Majestät nicht schonen. Eh' soll ihr eignes – Ich beschwör' euch, Graf! Laßt euch erflehen. Unternehmt nichts Blut'ges. Ich folge meiner Pflicht. Nein, – bleibt! – Weh' mir, In Zwiespalt zwischen Grimm und Schauder tobt Mein unglückselig Herz. Ich fühl' es wohl, Strafbares Mitleid mit Rebellen führt Zu fürchterlichem Abgrund; dennoch, dennoch – 11. Szene Elfte Scene. Vorige. Hauptmann Löwenskiold. Was bringt ihr, Hauptmann? Ist's ein neues Unheil? Das Regiment hat zwanzig Mann beordert, Die Einlaß fordern und Gehör bei euch. Sie haben Alles schriftlich aufgesetzt. Drei Puncte sind's, ich habe sie gelesen, Die sie vom König unterschrieben fordern. Ihr wißt? Zuerst begehren sie den freien Abschied, Daß Keiner, dem der Ruhm zu Theil geworden, In ihrem edlen Regiment zu dienen, Zu anderm Dienste soll gezwungen werden. Dann möge Seine Majestät geruhen, Den Hülfentblößten noch drei Monat Sold Zu lassen. Endlich fordern sie auf immer Den Rock, den sie getragen, und die Waffen Zu ewigem Gedächtniß, daß sie treu Dem Regiment gedient, und nur der Wille Des Königs, kein entehrendes Verbrechen, Das edle Band gelöst, das sie verbunden. Wenn das geschieht, so will die ganze Schar Sogleich zurück nach Kopenhagen kehren, Sich friedlich trennen, wie's geboten. Doch Will der König seine Unterschrift Den Wünschen weigern, so geloben sie Entsetzenvolle Rache! Friedrichsburg Soll ihrer Wuth nicht widersteh'n – sie wollen's Erstürmen mit gefälltem Bajonett, Den König und die Königin – – Genug! Erspart uns die Beschreibung ihres Wahnsinns. Der König aber kann nicht mit Rebellen Unwürd'ge Unterhandlung pflegen. Niemals Wird das geschehen! Ihren Abgesandten Gewähr' ich nicht den Einlaß, eh' die Truppen Nicht unterwürfig in des Königs Willen Die Waffen strecken. Ob die Milde dann Der Majestät den Reuigen verzeiht, Deß mögen sie in stiller Demuth harren. Indeß wird das Geschütz der Burg sogleich, Erfüllen sie die frevelhafte Drohung, Den donnernden Bescheid erwiedern. Eilt! Ich sende dies zur Antwort den Rebellen. Wie, Graf, ihr wolltet? Das verhüte Gott, Daß ihr mit dieser Antwort die Unbänd'gen Zu neuem Greu'l entflammt. Soll ich's erleben, Mit diesen Augen schauen, wie der Wahnsinn Mit theurem Blut die Schwellen des Palasts Entweiht, und in der eignen Brüder Herz Die fürchterlichen Krallen schlägt? Eilt! eilt! Bewilligt, was sie fordern, schließt Verträge, Nur eilt, sie zu versöhnen, augenblicklich, Um jeden Preis! Das sollt' ich, Königin, Um jeden Preis? – Der Preis heißt meine Ehre. O denkt jetzt nicht, die gold'ne Frucht des Ruhms Zu hüten, sie mit blut'ger Hand zu schützen! Tumult von außen. Weh' mir, sie kommen! Weh'! Sie zerren mir Die zarten Kinder aus den Wiegen, heben Die edlen Geiseln hoch empor. – Nehmt auch Die Mutter mit, Barbaren, hört ihr? Sie hören's wohl, sie strecken schon die Faust Nach meinem Haupte aus; se schlingen sich Gelöste Locken um die blut'gen Hände Und reißen mich hinweg. – Wer rettet mich? Die Sinne schwinden, o, vergebt! – ich bin Nur eine Kön'gin und bin's nicht gewohnt, In lautes Weinen ausbrechend. So fürchterliche Angst zu tragen. die Wankende stützend. Himmel! In diesen Augen Thränen, und ich zaud're – Und denk' an mich in diesem Augenblick? Zur Königin. Ich eile, der Empörten Wuth zu stillen, Des Königs Wort besiegle ihren Willen. Ich bring' euch Ruh' und Frieden schnell zurück. Ab mit dem Hauptmann. 12. Szene Zwölfte Scene. Mathilde. Keith. Fassung, Fassung, eure Majestät. O Sir! Ward ihr in dieses Land gesendet, Mich so zu sehen, Fassung mich zu lehren? Wo ist der Muth, der angeborne, hin? Mein kühnes Herz verzagt, – weh' mir! Ich sehe Ins Zimmer strömen das vergoss'ne Blut, Und wie ein rother Spiegel breitet sich's Vor meinen Blicken aus, und deutlich werden In seinen Tiefen mir der Zukunft Schrecken. Was denkt ihr, Königin? O Sir, es mahnen Die Schauder mich an ein vergess'nes Grau'n, Das mich in Londons Gassen oft beschlich. Nie führte durch Westminster mich der Weg, Daß ich den Dienern nicht befahl, die Rosse Zu spornen, wenn ich Whitehalls blut'ges Fenster Erblickte, das dem königlichen Stuart Zur Todespforte ward. Er schritt hindurch – Und unterm Streiche des verlarvten Henkers Empfing der Block sein Haupt. Von dieser Stelle Wandt' ich den Blick stets schaudernd weg und dachte, Die Zeiten sind vorbei, die Völker richten Die Könige nicht mehr, das Haupt der Fürsten Darf kein verruchtes Beil mehr treffen. Glaubt mir, Ich habe falsch gedacht. – Die Zeiten sind Noch nicht vorbei, sie werden wiederkehren Mit allen ihren Schrecken, – schauerlich An heil'ge Kronen rütteln, – sie erschüttern. Dann wehe, wehe Allen, die wie ich, Beladen mit dem Haß des Volkes, zittern. Nein, Majestät, nicht euer holdes Haupt, Das liebenswerthe, trifft der Haß des Volkes. Ein and'res ist's. Ja, Königin, die Stunde Ist wichtig, und dem treuen Diener wird Ein freies Wort gestattet sein. Es kann Graf Struensee in diesem Lande nicht Der Herrschaft Zügel lenken, wo das Volk Noch nicht gereift ist, um den großen Willen Des Grafen zu verehren, der gewaltsam Das morsche Haus des alten Aberglaubens Zertrümmern will und ein bequem Gebäude Mit wohnlich freien Räumen dafür bietet. Doch dieses Volk drückt seine neue Freiheit Mehr als das alte Joch; es überkam Von seinen Vätern die geliebte Last Des langen Zwangs, und murrend sträubt sich's nun, Aus rascher Hand den stattlichen Ersatz, Das Neue, von dem Fremdling zu empfangen. So denkt das Volk. Ich darf der Majestät Der Kön'gin nicht erst sagen, was der Adel Und was die Witwe König Friedrich's fühlt. Vereint in schauerlichem Klange tönen Die Stimmen alle wider ihn, und heute Hört eure Majestät den Schreckenslaut Des lang' verhalt'nen Grimms. O möchtet ihr Die treue unterthän'ge Bitte auch vernehmen, Die ich in Demuth wage. Königin, Entlaßt den Grafen. Wie, man will mich zwingen? O, eure Majestät, die Freunde alle Und euer königlicher Bruder flehen Durch mich zu euch! Kein Bote kommt aus England, Der mir nicht wiederholt, wie König Georg Für eure Ruhe zittert, und nicht ihm Allein bedrängt die schwere Zeit das Herz; Sprengporten, Plosset, des verwandten Schwedens, Des treuen Frankreichs Abgesandte, flehen, – Und ihre Bitten sprech' ich hoffend aus; – Entlaßt den Grafen. Zuflucht bietet ihm Und Hülfe, wenn er's fordert, England. Sir! Die Schwester eures Königs will verzeih'n, Was Dänmarks Königin nicht hören sollte. Laßt es genug sein. Euer Eifer, Sir, Treibt euch zu weit, und wir erwarten – Wildes Geschrei und Vivatrufen von außen. Hört ihr den Ruf, mir klingt's wie Jubel, nicht? Hätt' er gesiegt, ihr Herz gerührt, o dann, Dann wäre Alles wieder gut. Ich höre Die Damen eurer Majestät. 13. Szene Dreizehnte Scene. Vorige. Gräfin Uhlfeld. Nun Gräfin? Kaum find' ich Worte, gnäd'ge Königin, Die Rührung – O, es ist das treuste Volk, Das Volk der Dänen. Gräfin, seht ihr nicht Ich bin in Todesangst. Wir sind gerettet. Die Garde kehrt nach Kopenhagen wieder. Kriegerische Fanfare von außen. Zum Aufbruch blasen sie! Sie ziehen ab. Nun, Gott sei Dank, so hat der Graf gesiegt, Sie überredet. Seine Excellenz Vernahm die Abgesandten nicht, und trat Selbst vor die Fronte der Empörten. Ruhig Vernahmen sie's, wie Graf von Struensee Erklärte, daß des Königs Majestät, Von höhern Zwecken nur geleitet, sie Entlassen habe. Auf des Grafen Mahnung Zur Unterwürfigkeit antwortete die Schar Mit wilder Drohung. Da erbot gefaßt Des Grafen Excellenz sich zum Vermittler Beim Könige, und Seine Majestät Bewilligte die Wünsche der Rebellen. Bewilligt also? Und mit Jubelruf Empfing das Corps die Ordre, und ein Schrei Ertönte nur: »Es lebe König Christian!« Ich weinte Freudenthränen! Diese Treue, – Der plötzliche Gehorsam – In der That Sehr rührend, – sehr ergreifend, – Zur Gräfin. Graf Struensee –? Er selbst. 14. Szene Vierzehnte Scene. Vorige. Struensee bleich und sichtbar bewegt. Graf! ihr seht bleich! Erfüllt ist Eurer Majestät Befehl, Nichts ist zu fürchten mehr. Die Truppen ziehen In bester Ordnung im Triumph nach Hause. Ein freudiger Marsch, erst nahe, dann immer ferner. Hört ihr den Jubelmarsch? Mit diesen Klängen Geleiten sie des Feindes Ruhm zu Grabe. Der Name Struensee ist ausgelöscht, Ist nicht im Buche der Geschichte mehr Zu finden, wo die ew'gen Thaten steh'n Der muthig Wollenden! Der heut'ge Tag Wirft ihn hinab zu den gemeinen Todten. Nicht diesen Kleinmuth, werther Graf! Erstrebt' ich Unzeit'ge Größe, ein unmöglich Ziel, – Laßt mich vergessen sein. Doch soll die Welt Nicht von mir sagen, daß ich stolz und schwindelnd In blinder Ohnmacht von dem luft'gen Steg Des Ruhms hinabgestürzt. Ich steige nieder Mit eignem Willen; messe noch einmal Die Höhe, stillen Blicks, am Fuß des Berges, Und hab' entsagt für immer; In Demuth fleh' ich Eure Majestät, Wie ich's erflehen werde von dem König, Gewährt mir gnäd'en Abschied. Graf, ihr wollt –? Nichts als das Unvermeidliche. Hab' ich Nach einem Traume nicht gehascht, und war es Das Opfer meines Lebens werth, so mußt' ich's Heut' freudig geben, das Panier des Rechts Aus diesem Kampfe retten, oder fallen. Ich kämpfte nicht und unterlag, und besser, Das fühl' ich, war's, denn schnell entscheidet sich's Mit einem Male nun. Das Heil des Landes Soll nicht durch mich aus blutgetränktem Boden Zu später Ernte blüh'n. So scheid' ich willig, Und mögen And're, glücklicher als ich, Ein friedlich Glück begründen. Möge Keiner Die zarten Perlen dieses holden Auges Zu glüh'nden Thränen des Entsetzens wandeln. Gott selber stärkte euch das edle Herz Zu diesem kühnen, männlichen Entschluß. ist, ihre Thränen verbergend, in den Sessel gesunken. Vergebt mir, Königin, und laßt mich scheiden! Ihre Hand fassend. Und nur noch einmal, brich, mein armes Herz! – Zum letzten Male sei es mir gegönnt, Die theure Hand der Königin zu fassen, Die leuchtend über mir gewaltet. Weh' mir, Ihr wendet euch vor mir! O sprecht ein Wort, Ihr fühlt, ich muß, – ich kann nicht anders, muß. Wollt mir nicht zürnen, Majestät, wenn ich Auch meine Bitten zu dem edlen Flehen Des Grafen an das Herz der Kön'gin lege. Es bleibt ihm keine Wahl! Ein gnädig Wort Aus königlichem Mund wird ihn der Qual Des schweren Amts entheben. Dänmarks Schicksal Und seines, und ich sage selbst das eure, Liegt in dem einen Wort; es wird dem Grafen Die Größe seines Namens wiedergeben. Die Welt wird den Entsagenden bewundern, Und nicht beklagenswerth ist sein Geschick, Will er des alten Lebens Glanz vergessen, Und Englands freier Bürger werden. aufstehend. Ich will allein sein mit dem Grafen. Keith und die Gräfin ab. 15. Szene Funfzehnte Scene. Mathilde. Struensee. Das wolltet ihr? Wär's möglich, Struensee? Vergessen wollt ihr, was ich euch gewesen, Was ihr mir war't? Geht, geht, und brüstet euch Mit eurer stolzen, männlichen Entsagung. Spielt eure Heldenrolle! In der That, Es ist sehr heldenhaft, in Sturmesnöthen Sich rettend, von dem Steu'r zu flieh'n, indeß Ein angstvoll Weib auf ödem Schiff zurückbleibt, Und Hände ringend in das off'ne Grab Verlassen blickt in die empörten Tiefen! O Königin! Wollt ihr mit diesem Laut Die Stimme wecken meines stillen Dankes? Ihr nennt mich Königin? Ich bin es erst Seit ihr, ein Mann der Hülfe, mir erschienen, Dem fremd und elend war ich auf dem Thron, Des Königs kronbelastetes Gemahl, Doch nur der Schatten einer Königin. Mit redlichem Gefühl, mit klugem Geist Habt ihr des Gatten Herz mir zugewendet, Habt mir auf das gekränkte Haupt die Krone Gesetzt, die nicht ein Scheinbild ist der Macht. Und süße Bürde ward die Last der Herrschaft, Denn wunderbar trug einen schnellen Lohn Der Wille in sich zu erhab'nen Thaten. Er lachte schon im stillen Schooß der Brust Mich glänzend an mit hellen Kindesaugen, Und freudig hofft' ich, euch zur Seite sollt' er Zum Cherub wachsen glänzender Erfüllung. Geht, und betrügt mich nun um diese Hoffnung! Sagt nicht, sie sei verloren; unser Wille Sei diesem Volk ein Abscheu! Nur den Feinden Ist er's, nicht dieser Menge, die verblendet Die Augen von dem Glanz des Lichtes wendet. Seid ihr der Zukunft Lenker, daß ihr flieht Und eurer Saat entsagt, und wankend ruft: Sie geht nicht auf zur Ernte. Nur die Zeit, Nur der verschwieg'ne Bund der Elemente, Scheinbare Ruhe wider frost'gen Feind, Beherzt Entwickeln, wenn die Sonne scheint, Reift, wie im Schooß der Erde stille Saaten, Der Kön'ge Willen und der Männer Thaten. Vergebens ist's. Und wenn's vergebens wäre, Werd' ich nicht ärmer um die liebste Hoffnung, Geht ihr hinweg, und raubt ihr mir nun auch Den einzig theuren Freund? Was ist das Herz Des Königs und sein Lieben? Darf ich mich Vertrauend lehnen an dies schwanke Rohr? Vielleicht bin ich in meiner Damen Mitte, Verkauft an meine königliche Feindin, Verrathen von den Großen meines Hofs. Sie werden endlich den verstellten Grimm Vertauschen mit des Hasses off'nen Waffen; Der Bogen ist gespannt, und Pfeil auf Pfeil Wird abgedrückt, kein Schild des edlen Freundes Empfängt abwehrend das Geschoß, – es trifft, Und einsam brechen wird mein britisch Herz. Da Struensee eine Bewegung des Entsetzens macht. Ja, es wird brechen, und es hatte doch Auf euch gezählt im Leben und im Tode. Seit mir ein frühes Grab den holden York, Der Brüder theuersten, entriß, hat Keiner So ganz dies Herz geschaut, so ganz verstanden Wie ihr. Ich ließ euch arglos in die Tiefe Der Seele sehen; wägte ängstlich nicht Das Recht der Kön'gin und des Unterthans! Gewähren durft' ich, was ich euch gewährte, Denn euren Blicken traut' ich, wie der Schiffer Den Sternen traut, die auf bewegter Fahrt Ihm ohne Wandel treu und still geleuchtet. Es ist nicht möglich, Struensee, sie können Mir nicht gelogen haben, können's nicht! Ihr bleibt, müßt bleiben. Werdet es nicht dulden, Daß dieser Ranzau höhnend sich erhebt, Daß sich der blöde Sohn Julianens rächend Den Antheil fordert an des Staates Herrschaft. Noch giebt es Mittel, den empörten Muth Der Feinde zu bezähmen, dieses Tages Unsel'ge Schwäche wieder gut zu machen. Wir können viel, wenn wir, zusammen einig, Das Große wollen. Laßt uns nicht vereinzelt Ein Spott der Feinde werden! Struensee, Könnt ihr dem Flehen eurer Königin Und ihren Thränen widersteh'n? O sagt's, Mit einem Wort, ihr bleibt! – – Was kann ich sagen, Als daß ich ewig euer Sklave bin. Laßt mich den Tod aus euren Augen trinken, Laßt diese Hand, die ich zum Eidschwur hebe, Euch treu zu dienen bis zum letzten Hauch, Laßt sie vom Rumpfe mit dem Richtbeil trennen. Was sind mir Tod und Qualen jetzt. Ich hörte Die süße Melodie von euren Lippen, Die mich ins Leben ruft. Der Zauberquell Glanzwogender beglückter Hoffnung strömt Hernieder, und ich denke euch allein, Und lebe nur und athme nur für euch. für sich. Weh' mir, was hör' ich? Fasse dich, mein Herz! Laut zu Struensee. Nicht so, mein werther Graf, uns ziemt jetzt, ruhig Das Wicht'ge zu bedenken; Fassung ist Uns noth, und muthige Entschließung. sich mühsam fassend, für sich. Wo war ich? Laut. Ja, wir müssen schnell und muthig Das kräft'ge Mittel wählen; unsern Feinden Rasch zu begegnen, müssen wir beherzt In ihre Mitte treten, uns nicht länger In Friedrichsburg verbergen. Fass' ich euch? Nach Kopenhagen, Königin. Dort glüht Fortbrennend noch der Aufruhr. Soll es heißen, Uns schrecke diese Flamme? Nein, sie soll Uns leuchten in das muth'ge Angesicht, Sie sollen sich des heutigen Triumphs Nicht heimlich freu'n; wir laden uns zu Zeugen Des schnöden Fest's, da sie uns zitternd hier Langsame Gegenwehr bereitend glauben. So wolltet ihr? Daß eure Majestät Der König und der ganze Hof noch heute Nach Kopenhagen sich begebe. Soll ich Gebeugt Julianen dort entgegentreten, Der ew'gen Feindin? Eure Majestät Wird ihr begegnen, aber nicht gebeugt, Gewaffnet mit der königlichen Anmuth, Dem stillen Adel eurer holden Jugend Und eures Rechts. Ich will ihr nicht begegnen, Kann's nicht. Ihr werdet's, Königin! Ihr werdet Mit großem Sinn ins Unvermeidliche Euch fügen lernen. Scheinbar muß Versöhnung Uns Zeit gewinnen lassen, wir erspähen Indeß die stillen Plane ihrer Wuth. So lange Schonung möglich, werd' ich schonen, Und strafen, wenn's des königlichen Hauses, Wenn es des Landes Sicherheit erfordert. Auf morgen war in Friedrichsburg der Ball Des Hofs bestimmt. – Laßt uns in Kopenhagen Die Larve tragen, daß wir dort mit stummen Betrüg'rischem Gesicht das Herz vermummen. Mit diesem Herzen, – Feste? Wollet nun Geruhen, selbst, mit eigenhänd'gem Schreiben, Zu diesem Fest' die Feindin einzuladen. Das sollt' ich? Feiern müssen wir Im Angesicht des Adels die Versöhnung; Wenn wir sie täuschen können, um so besser. Doch wollen wir dem Feind auf jeden Fall Ins Auge schauen, daß er meuchlerisch Uns nicht verderbe. Handelt, wie ihr müßt, Ich habe keinen Willen. Gebe Gott, Daß alles Dies zum guten Ausgang ende. Wie es auch enden möge. – Dieser Stunde Besel'gendes Gedächtniß wird mich fort Und fort begleiten durch das Leben. Der Zauberruf von euren Lippen klingt Mir wieder an das Herz. Ich habe nichts Zu hoffen, zu verlieren – ein Gedanke Braust wie der Strom des Lebens durch die Seele. Nichts hab' ich auf der Welt als dies Gefühl! Ich kann nichts anders wollen, – nichts begehren, Nichts, – als für euch zu leben und zu sterben. Ab. 16. Szene Sechzehnte Scene. allein. Was hab' ich ihm gesagt, was mußt' ich hören? Stolz und rasch. Ich bin die Königin von Dänmark, – und, – Sie versinkt in tiefes Nachsinnen, dann aufschreckend. Weh', welch ein Abgrund! Geht rasch ab. 17. Szene Siebzehnte Scene. Zimmer der Königin Marie Juliane. Mehrere Thüren. Königin Juliane sitzend, Ranzau ihr zunächst stehend. Köller, Schack, Rathlow, Guldberg, an einem Tische sitzend, mit Schreiben beschäftigt. So wollt ihr, Majestät! es mir gestatten, Mitwisser der Verschwörung nur zu sein? Ich darf nicht handeln, darf nichts unternehmen? Wir sitzen an dem Schreibtisch, wissen nicht Die kühne Stirne der Gefahr zu bieten Wie diese werthen Herren, die das Schwert Mit tapfern Händen führen. Kann ich rathen In dieser wicht'gen Sache, die dem Lande Die alte Ruhe wieder giebt, wenn's glückt. So bin ich eurer Majestät zu Diensten. So sei's, mein werther Schack, ihr sollt nur rathen, Nicht unternehmen dürft ihr, dürft nichts wagen. Vergönnt noch eine Frage, warum seh' ich In diesem edlen Kreise nicht die Hoheit, Den Prinzen, euren Sohn? O wüßtet ihr, Wie eine Mutter fühlt, ihr fragtet nicht. Die Sorge der Verschwörung will ich tragen, Ihm werde dann der Lohn. Halblaut zu Schack. Wo denkt ihr hin? Soll ich sein Haupt, das diesem Staat so wichtig, So unentbehrlich werden kann, Gefahren Und zweifelhaftem Ausgang, – nimmermehr! Laut zu demselben. Euch rufen die Geschäfte, werther Schack. Auf Wiederseh'n! Schack ab. 18. Szene Achtzehnte Scene. Vorige, ohne Sack. Mir scheint, dem guten Mann Ward keine Heldenseele. Nicht, Graf Ranzau? Zum Glück ist unser großes Unternehmen So reich an Helden, daß wir ohne Furcht Den Zagenden entbehren. Wär's gefällig, – So überliest uns Guldberg noch einmal, Was wir gemeinsam heut' im Rath beschlossen. Nun, Guldberg, – sagt uns an, – was war's? auf ein Papier blickend, das vor ihm liegt. Die Majestät der Kön'gin war der Meinung, – ihn unterbrechend. Ich nicht allein, die Herren meinten's alle. Zwei Wege gäb's zum Sturze des Ministers. Der erste wäre, die Armee allmälig Sich zu gewinnen, und Graf Ranzau nur, So meinten Ihro Majestät, vermöchte Dies Heldenwerk, – dann mit den besten Truppen Mit offener Gewalt – Das ist der Weg. Der wahre Bayard! Freilich ist's der Weg Halblaut zu Ranzau. Für Helden wie Graf Ranzau. Dächten Alle Wie ihr, nicht zögern würd' ich und nicht wählen. Laut. Doch lieb' ich dieses Volk zu sehr und scheue Das Blutvergießen. Les't doch weiter, Guldberg. Dann bliebe nur noch, – Ich erinn're mich. Daß man den günst'gen Augenblick erspähte, Den König überraschte, wenn ein Zufall In ohne Wächter läßt, und dann sogleich Ihn zwingt mit Güte oder mit Gewalt .... Gewalt, wo steht das? Hier. Les't weiter, Guldberg. Sogleich ihn zwinge, den Verhaftsbefehl, Der vorbereitet stets zu halten sei, Des Struensee und Brandt zu unterschreiben. Wär' weiter Niemand zu verhaften? Hier Steht Göhler noch und Falkenschiold. Zur Vorsicht Fügt doch hinzu, die Königin Mathilde. Während Guldberg schreibt, tritt ein Kammerdiener ein, der der Königin einen Brief giebt. den Brief entsiegelnd. Sieh' da! Aus Friedrichsburg von unsrer Gräfin. Zu Ranzau. Ein Muster selt'ner Treue, diese Uhlfeld. Lesend. Die gute, liebe Gräfin, – – In der That! Man war zu Roß. – Graf Ranzau, sagt mir doch, Seit welcher Zeit ist's Brauch in unserm Lande, Daß Königinnen sich wie kecke Männer Zu Rosse wagen? – Immer besser! Hört, Zunächst der Königin war stets, – Zu Ranzau. Ihr rathet's, Der ärztliche Minister! Wir erleben's, Wenn wir nicht bald zu rascher Hülfe schreiten, Daß er noch kühner wird und endlich sich Wird krönen lassen auf dem Thron von Einhorn, Auf dem man Dänmarks Kön'ge salbt. – Vortrefflich! Der Aufruhr hat, wie ich gehofft, Entsetzen Verbreitet! Der Minister, – Seh' ich recht? Kann ich den eignen Augen trau'n? Les't ihr's, Nicht glauben kann ich es. – – der von der Königin den Brief empfangen, liest. »Als der englische Ambassadeur das Zimmer der Königin verlassen, blieb Ihro Majestät allein – –« ihm den Brief entreißend, halblaut zu Ranzau. Mit ihm, Und keine ihrer Damen war zugegen. Das ward noch nicht erhört, und dulden sollt' ich's, Daß man den König und mein ganzes Haus Entehrt durch die verächtliche Gemeinschaft? Graf! wüßte man's, l'Europe en frémiroit, Man soll es wissen. – – Eure Majestät! Ich hab' Unglaubliches zu melden. Nun? Der König ist in Kopenhagen. Wer? Der König und der ganze Hof. Mein Sohn Kommt eben von dem Schloß und meldet mir's. Es ist ein Rennen drüben und ein Laufen, – Denn Keiner war der Majestät gewärtig. Auf Morgen ist ein großes Maskenfest Im Schlosse angesagt. Sind wir verrathen? Ich fürcht' es nicht. Ein zweiter Diener kommt eilig. Was bringst du? Ein Page von der Königin Mathilde .... Zu mir, – um diese Stunde, – Seine Botschaft Sei dringend, sagt er. – Hält des Grafen Wagen? Und aller dieser Herr'n, – wie ihr's befohlen, Im zweiten Schloßhof, Majestät. So weiß der Page nicht, wer hier versammelt? Er kann's nicht ahnen, daß ihr nicht allein seid. So bring' ihn her. Diener ab. Zum Kammerdiener. Du aber führest mir Die werthen Gäste in den Marmorsaal. Laßt euch das Warten, edle Herren, nicht Verdrießen. Nur die Botschaft will ich hören, Und denke, wir berathen dann – Er kommt! Hinweg! 19. Szene Neunzehnte Scene. Juliane. Page. einen Brief überreichend. Von Ihro Majestät, – So dringend? In den Brief blickend. Hm! Die Zeit des Tanzes ist Schon längst für mich vorüber. Aber ist Das nicht die Hand der Königin? Sie bittet Mich selbst; – Auf diesem Ball darf ich nicht fehlen, – Das Heil von Dänmark. – Meine bösen Nerven Sind so empfindlich, – und im Schlosse drüben Ist schlimme Luft für mich. – Doch wartet! Sie schreibt einige Zeilen Antwort, während sie siegelt. Ich werde kommen. Dem Pagen den Brief gebend. Hier! Adieu! Hört doch, Wenn mich mein Nervenübel plagt, so bin ich Entschuldigt im voraus. Entläßt den Pagen, der sich verneigt und abgeht. allein. Nein, nein, ich will Mich nicht entschuld'gen lassen, werde kommen. Zwar was sie wollen, ahn' ich nicht, indessen Kann ich die Posse der Versöhnung spielen. Wie aber, wenn sie's wagten, dort mich plötzlich Gefangen – Aberwitz! Das könnten sie In meinem Schloß so gut als in dem ihren. Doch wenn sie Zeit gewinnen wollen, leise – Geht nach der Thür, durch welche die Verschwornen abgegangen. Berathen will ich denn sogleich. Plötzlich stehen bleibend. Halt! Warum soll ich erwarten, – warum zögr' ich, Ans große Werk zu geh'n. Es drängt die Zeit, So mich, wie ihn. Der Schnellste hat gewonnen. Und eh' der günst'ge Augenblick entschlüpft, Werd' es vollführt! So sei es! Wenn die Kerzen Des Festes morgen löschen, sei sein Glanz, Sein Leben ausgelöscht. Die Thür öffnend. Herein! Den Brief der Königin an Ranzau gebend, der ihn weiter giebt. Les't, les't! Auch ihr – – nachdem er gelesen. Habt ihr beschlossen, Königin? Nicht bei dem Fest zu fehlen, wie ihr Alle. Wir werden Alle kommen, Alle, Alle – Und denken auch des Hofes Freuden nicht, Und nicht der Jugend bunten Tanz zu stören, Doch muß dieselbe Nacht Dänmark gerettet, Und uns befreit seh'n von dem Feind. Vortrefflich! So wollt ihr, Königin? Vollführen morgen, was wir heut' beschlossen. Halblaut zu Ranzau. Mein Plan ist sicher. Zu den Andern laut. Höre Jeder nun, Wie ich auf morgen Nacht vertheilt die Rollen, Und seine Ordre möge Jeglicher Sich schriftlich aufbewahren, – denn ich habe Schon Alles wohl erwogen und bedacht. Will nichts mehr ändern. Mein Gedächtniß aber Wird mir zu Zeiten schwach. So mag ich gern, Daß Alles schwarz auf weiß sei. Zu Köller. Werther Obrist Ihr schreibt zuerst. Zu gnädigstem Befehl. dictirt, Köller schreibt in die Brieftasche. Noch eh' der Ball zu Ende ist, – um Eins – wiederholend. »Noch eh' der Ball zu Ende ist, um Eins« – in Gedanken versunken, ohne ihn zu hören. Und wenn der Ball zu Ende ist, dann, dann – Alle blicken erwartungsvoll auf die Königin. 3. Akt 1. Szene Erste Scene. Struensee's Zimmer. Es ist Abend. Struensee. Köller. am Schreibtisch sitzend, Köller eine eben gefertigte Ordre übergebend. Hier ist die Ordre, Obrist! Eu'r Regiment bezieht heut Nacht die Wachen. Ich kann die Posten keinen treuern Truppen Vertrauen, kann die Sicherheit der Hauptstadt Nicht klüg'rer Hut empfehlen, als der euren. Mir scheint, der letzte Ton des Aufruhrs ist Verhallt, und Alles ruhig; nicht? Vollkommen! Sorgt doch besonders, daß zur Zeit des Balls Patrouillen durch die Straßen zieh'n, daß nichts Des Hofes Freude störe. Auch wär's rathsam, Die Schloßwacht zu verstärken. Soll geschehen. Die Vorsicht schadet nichts. Auf Wiederseh'n! Ihr fehlt doch auf dem Balle nicht? Gewiß nicht. Köller geht ab. An der Thür begegnet ihm Brandt, an dem er mit stummer Verbeugung vorübergeht. 2. Szene Zweite Scene. Struensee. Brandt. Sieh' da, mein Enewold, so spät, – Ich komme Von banger Ahnung hergetrieben. Komme Mit einem Herzen düst'rer Sorge voll. Was ist es? Was bewegt dich? Weiß ich's selbst? Die Stille unsrer Feinde ängstigt mich. Und dieses Fest, das wir bereiten, widert Mich an mit seinen Larven. Welchen Truppen Hast du in dieser Nacht, – wär' sie vorüber – Die Posten anvertraut? Doch nicht dem Köller, Der eben von dir ging? Ich wählte ihn Vor vielen Andern. Keinen Treuern kenn' ich, Und kein ergeb'ner Regiment. Ihm hab' ich Die Posten anvertraut. So widerruf' es! Nimm, ich beschwör' dich, den Befehl zurück. Daß ich ein Thor wär', diesem Ahnungsfieber, Das plötzlich dich ergreift, den kräftigen Entschluß zu beugen! Gieb mir deine Gründe; Mir ist der Köller ein bewährter Mann. Ich trau' ihm nicht. Ich aber darf ihm trauen. Ich kenn' sein rauhes, redliches Gemüth, Sein deutsches Herz. Ihm ward kein starker Geist, Der selbst das Große will. Er ist's gewohnt, Sich dem zu unterordnen, dem es glückt, Mit stiller Uebermacht ihn zu bezwingen. Mir war's vergönnt, ich hab's erfahren, Freund, Den Zauber über ihn zu üben. Ruhig Hat er, ich weiß, die liebste Neigung mir Geopfert, schwieg und duldete im Stillen. Ich hab' es redlich ihm vergolten, hab' ihn, Wie ich's vermocht, befördert und erhoben. Er grollte nicht, da er durch mich gelitten; Nun, da er Dank mir schuldig, sollt' er mich Verrathen? – Nimmermehr! Wenn's stiller Haß Und lauernde geheime Rache wäre, Was dir wie Treu' erscheint? Das traue Teufeln zu, Ich such' es nicht in einer Menschenseele, 's ist in der meinen nicht. Könnt' ich mich rächen, Längst hätt' ich diese königliche Witwe Und diesen Ranzau meinem Haß geopfert. O hättest du's gethan! Du willst nicht hören! Mir haben Freunde warnend angedeutet, Daß sie auf Böses sinnen. Immerhin, Enthüllt es sich, wird auch die Strafe sie Ereilen. Auf Verdacht verdamm' ich nicht. Voreil'ge Furcht beschleunigt die Gefahr. Der Weg zum Könige ist wohl bedacht, Und das ist noth; denn in dem kranken Herzen Ist nichts beständig als der Unbestand. Da wechselt Neigung schnell mit Haß, – und Liebe Verkehrt zu Abscheu plötzlich sich. – Wir aber Sind im beglückten Bund mit einem Engel, Der mit dem Silberflügel süßer Huld Uns treu beschützt. Die Gunst der Königin Ist kein vergänglich Licht. Doch weh' uns Allen, Auch ihr, wenn sie den Weg zum König fänden. Sieh', Friedrich! grad' vor diesem Köller ward ich Gewarnt. Mir sagten Freunde jüngst, er habe Verdächt'ge Reden – – Freund, ich bitte dich! Sind wir dahin gekommen, daß ein Wort Des Unmuths, weinerhitzte Phantasieen Uns ängst'gen? Dann ist's besser, daß wir enden. Und glaub' mir, wolltest du in diesem Land Der Schelsucht jeder Warnungsstimme trauen, Du wärst verloren. Sag, was hättest du Mir zu erwiedern, wenn ich dir gestehe: Daß man's gewagt, mich selbst vor dir zu warnen. Du schweigst? – Mir bleibt nichts mehr zu sagen übrig. Leb' wohl! Die Wagen rollen hin und her. Mich ruft die Pflicht zu dem verhaßten Fest. Du gehst nicht mit? Ich folge dir sogleich. Noch Manches bleibt zu ordnen, Vieles noch Zu unterschreiben, eh' ich mich den Freuden Des Festes überlassen darf. Den Freuden? Mir ist's, als sollt' ich in mein Grab! Brandt ab. 3. Szene Dritte Scene. allein, während er schreibt. Der Arme! Er trüg's nicht, müßt' er seines Amtes Glanz Entsagen. Die Hand aufs Herz legend. O wie anders ist es hier, Wenn nichts als dies mich fesselte! – – Nach einer aus während der er geschrieben, aufstehend. Genug. Und jetzt zum Feste. – Detlev! Detlev! Er hört mich nicht. Ich hieß ihn doch Im Vorgemache warten. Er geht zur Thür, öffnet sie, man sieht Detlev schlafend auf einem Sessel. Sieh', er schläft! Der arme Knabe hat die Müh' und Angst Der letzten Nacht getheilt. Den Schlafenden betrachtend. Du treue Seele! Wenn Alle mich verrathen; – Dieser nicht! Ihn berührend. Detlev! 4. Szene Vierte Scene. Struensee. Detlev. mit einem Schrei erwachend, stürzt in das Zimmer, wendet sich dann, und seinen Herrn erblickend, sinkt er vor ihm nieder und umklammert seine Kniee. Seid ihr's, seid ihr's auch wirklich, Herr? Was ist dir, Detlev? Du bist außer dir. Komm zu dir! sprich! Ich kann nicht, Herr, ein fürchterlicher Traum! Schon wieder Träume! Soll ich heut' von nichts Als Träum' und Ahnung hören. Steh doch auf, – Komm endlich zu dir! Herr, ihr müßt mich hören, Verschmäht die Warnung nicht, sie kommt vom Himmel! Laßt alsobald die Kön'gin Witwe, Ranzau Und Köller in Verwahrung nehmen. Detlev, Du bist von Sinnen. Herr, ich rase nicht, Ich hab's geseh'n, wie ich euch vor mir sehe. Wenn ich dich fassen soll, so rede. Detlev, Mein kluger Detlev! soll ein böser Traum Die Seele dir berücken? Sag, was war's? Ihr wißt es, Herr, die Nacht von gestern gönnte Uns nicht viel Ruh. Dort überfiel mich plötzlich Des Schlafs unwiderstehliche Gewalt. Da nahm der Traum die Seele mir gefangen. Mir war's, als ständ' ich der Gitterpforte Von Christiansburg und säh' das Schloß erleuchtet, Und hörte Maskenjubel, Tanzmusik. Das war der Ball von heute. Plötzlich schwiegen Die Töne, und die Kerzen löschten aus, – Und finstre Nacht war's und viel Menschen wogten An mir vorüber, und ich folgte selber Dem stillen Strom des Volks. Da ward es Tag, Und lautlos immer ging die Menge fort Und fort, bis wir das Westerthor erreicht, Und ich mich schaudernd auf dem Platze fand, Wo man die Mörder richtet mit dem Beil! Vor meinen Blicken stand ein roth Gerüst, Drauf lag ein dunkler Block und drauf ein Messer, Und eine schmale Leiter führte nur Empor. Mir knickte Todesangst das Herz, Daß ich die Augen rückwärts wandte. – Da Bewegt sich langsam feierlich ein Zug Heran. Ihn führt die Kön'gin Juliane Mit blut'gem Scepter an; Graf Ranzau folgt, Und Obrist Köller und noch viele And're, Die ich nicht nennen kann, und Alle deuten Auf einen Einz'gen mit gestreckter Faust, – Und still gebeugt in ihrer Mitte geht Der eine Mann. Ich sah die Weiber neben mir die Kinder Mit beiden Händen höher heben, hörte Die Männer leise murmeln. »Der ist's, der!« Wer war der Mann? Ich kann sein Angesicht nicht seh'n, doch ist mir's, Als kennt' ich die Gestalt recht wohl. Er trug Ein Kleid von lichtem Blau, gestickt mit Silber. Er wird entkleidet, steigt die schmale Treppe Hinan, kniet droben nieder, und zerbrochen Kracht über ihm sein Wappen. Da ergreift ihn, Ich weiß nicht wer, – ich habe nichts geseh'n; Denn plötzlich ward es Nacht – tief dunkle Nacht, Da zuckt ein Blitz, – ein Schwert, – ein heißer Tropfen Fällt siedend mir aufs Herz, – ich sehe, – Und mir zu Füßen rollt ein blut'ges Haupt. Ich kann dem Drang nicht widersteh'n, ich muß, Ich kann's nicht lassen, muß das Antlitz schauen, Das ich gekannt; und wie ich schaudernd nun Die braunen, blutgetränkten Locken fasse, Seh' ich – – Detlev, halt ein! Nein, Gott sei Dank, Ihr lebt, ihr lebt, – es war nicht euer Haupt. Ich lebe, fasse dich, – komm an mein Herz, Wein' aus die Qualen dieses Traums. Du siehst Des Tages stille Sorgen riesengroß In deinem Schlummer wachsen. Fürchte nichts, Wie auch der Feinde Bosheit Arges sinnt, Nicht mit dem Beile des Gesetzes darf Ihr Haß sich waffnen. And're Mittel gäb' es. Doch denk' ich, kommt's auch dahin nicht. Ich fühle Noch keine Todesahnung. Kraft und Jugend Schwillt mir die Brust, und der gewalt'ge Wille Zu Thaten, den ein trüber Tag gescheucht, Kehrt mächtig wieder. – Nur mit leisem Schauder Hast du die Seele mir berührt. – Mich schnell Befreit zu fühlen, eil' ich fort. – Doch nicht Auf diesen Ball. Von dort hat mich der Traum Den Weg geführt. Soll ich an Träume glauben? Auch And're, las ich, glaubten keiner Warnung, Bis sie der Mord den späten Glauben lehrte. Du arger Träumer! Glaub's, mir sagt das Herz, Mir ist die Nacht des Märzen Idus nicht. Der Tag des Unglücks würd' uns nie erscheinen, Könnt' ihn das Herz weissagend uns verkünden. Er komme, wenn er muß. Nicht hindern kann ich's, Doch werd' ich morgen dich, du dunkler Seher, Nach heit'rem Schlaf an deine Warnung mahnen. Eilt ab. Ich schlafe nicht! Ich werde für dich wachen. 5. Szene Fünfte Scene. Verwandlung. Erleuchteter Saal mit drei Flügelthüren. Sie sind geöffnet, man sieht den Ballsaal. Tanzmusik. In dem hintern Saale Tanzende, Masken, Hofleute. In dem vordern sind Einzelne mit einander im Gespräch begriffen. Diener tragen Erfrischungen hin und her. Haushofmeister. Mehrere Diener. Macht fort, der erste Tanz ist bald zu Ende! Dorthin! Der König ist im Rittersaal Mit Ihrer Majestät der Kön'gin Witwe, Da muß das Beste hin. Eilt, eilt! aus dem Saal. Der Ove Guldberg fordert Wein. Geschwind! Hat's solche Eil'. Der wird nicht gleich verdursten. Für sich. Würd's ihm zu Gift! für sich. Der alte Murrkopf ist Gut Struensee'sch. Ich aber witt're was – Und denke, wenn der Große fällt, so stürzen Die Kleinen hinterdrein. Haushofmeister, der mit andern Dienern gesprochen, geht ab. Wart, Alter! wart, Du sollst uns nicht mehr auf die Finger seh'n; Was gilt's, dein Regiment ist bald zu Ende! Mehrere Diener kommen. Sieh' da, Georg! Was stehst du da und grübelst? 's giebt zu laufen, steh' nicht müßig! Laß ihn! Sag' uns, Politicus, wie schaut's im Saal aus? Schlimm, sag' ich euch. Schlimm? Ei das wär'! Wie so? Wie so? Ist's euch nicht hell genug im Saal, Könnt ihr nicht lesen? Wenn ihr lesen könntet, So rath' ich euch, studirt Physiognomien. Legt euch nicht auf die Vornehmen, die sind Zu schwer für euch. Bleibt nur bei Euresgleichen Und buchstabirt die Augen und die Nasen Der Dienerschaft vom Schloß der Witwe. Da, – Das sag' ich euch, in ihren Katzenaugen, Auf ihren Nasen wie ein welsches S Emporgereckt, steht deutlich – Was? Wie pfiffig! Daß ich ein Narr wär', 's euch zu sagen. Er läuft ab. Der Thor, der Obenaus! – – kommt zurück. Ei, steht ihr hier Und gafft, und schafft nichts? Seht ihr nicht, Da kommt Graf Brandt. Nun ist der Tanz zu Ende Und Ihro Majestät die Königin Mathilde kommt hieher. Wer ist der Fremde, Der ihr zur Seite geht? Ein Cavalier Aus Rußland, – scheint mir gar ein feiner Herr, Ist weit gereist, und hab' mir sagen lassen, Er hab' versichert, solch ein Schloß, wie dies, Gäb's auf der Welt nicht mehr. Ja, Christiansburg Sucht seines Gleichen, und ein Fest, wie dies, In solchen Sälen, kann die Augen blenden. Und doch ist Alles wohlbestellt, und nichts Verschwendet. Wenn ich noch der Zeit gedenke Des Grafen Holk, – da war der Diener Herr Und keine Ordnung mehr und Zucht. Ihr seid So alt und lobt das Neue stets. Meinst du? Das Gute lob' ich, nicht das Neue. Euch, Das weiß ich, wär's gelegen, käm' nur wieder Ans Ruder Einer, der gewähren ließe. Doch Nicht eure Wünsche, denk' ich, hört der Himmel. Ein wack'rer Herr ist Graf von Struensee, Und beide Majestäten wissen's wohl, Was er dem Lande ist. Der wird uns bleiben. für sich. Das wär' mir grad' gelegen! – Fort, ihr Bursche, Der Königin Mathilde Majestät. Die Diener zerstreuen sich. 6. Szene Sechste Scene. Königin Mathilde, ein russischer Cavalier, Brandt, Keith, Köller, Damen, Hofleute. So habt ihr, Fürst! auf eurer Reise auch Den Hof von Sanssouci besucht? Und habt Den Helden auf dem Thron geseh'n? Ich fand Den königlichen Weisen unterm Schatten Des Lorbeers, den er selber sich gepflanzt. Er wandelt unter friedlichen Orangen, Schmückt seine zauberschnell emporgestieg'nen Paläste mit Gebilden heit'rer Kunst, Und sinnt, ein weiser Fürst, nach heißen Schlachten Jetzt seines Volkes stilles Glück. Wir dürfen Das Volk wohl glücklich preisen, dem ein König Wie dieser ward; doch laßt uns nicht vergessen, Daß auch der König, dem ein solches Volk Zu Theil geworden, minder glücklich nicht, Zu preisen ist. Des größten Herrschers Wille Prallt wie die Welle von dem starren Felsen Sich selbst vernichtend weg vom stumpfen Herzen. Das Volk des großen Friedrich aber will Das Große, und ein thatbegehrend Wort Des Königs findet muth'gen Wiederhall In seiner Preußen Herzen. Rauh ist ihr Himmel und ihr Boden karg. Vorsorglich hat kein günstiges Geschick Mit fetten Triften sie gesegnet, nicht Mit reichen Hügeln; nicht ihr dürftig Land Umgürtet mit dem vielgeschäft'gen Ufer, Das seinen eignen Segen mit dem Reichthum Des fremden Schiffers tauscht. Sie haben nur Den Schatz der eignen Brust; das wissen sie, Und hüten ihn mit stiller Einigkeit. In Friedrich's Reich vergiftet Zwietracht nicht Des Königs Ruh' und nicht der Bürger Herzen. Das macht sie groß, – das wird sie größer machen. O immer hab' ich meiner edlen Muhme Beglücktes Loos gepriesen, die zur Seite Des ersten Friedrich's saß auf Preußens Thron. Sie durfte frei dem königlichen Trieb Des Herzens folgen, durfte in das Land Die Künste rufen, einen eignen Tempel Der Wissenschaft erbauen. Keiner schalt sie Unköniglich gesinnt, kein störrisch Volk Empfing verachtend die erhab'nen Gaben. Dank ihrer Zeit, und ew'ger Nachruhm wurde Der Kön'gin Lohn, und eine Kön'gin war sie In des erfüllten Willens Herrlichkeit, Die glückliche Sophie! für sich. Ihr Herz verräth sie. Diese Dänen hören's Und knirschen. Englands Königshaus hat stets Auf fremden Thronen seine edlen Töchter Zu seltnem Ruhm geseh'n. So herrschte einst Ein Bild der Weisheit in dem Land der Preußen Sophie Charlotte, und mir wird es heut' Vergönnt, auf Dänmarks Thron nicht minder Weisheit Gepaart zu sehen mit der Grazien Huld. Das ist die Sprache von Versailles! Wir hören's, Daß ihr an König Ludwig's Hof gewesen. Ihr geht nach London, Fürst, und werdet dort Den König, meinen Bruder, im Palast Zu Richmond sehen. Sagt ihm, daß wir hier Geschäftig sind für unsres Volkes Wohl; Daß wir das Beste wollen; sagt ihm, Fürst! Wie ihr dies Land gefunden. Vieles steigt Erst strebend auf; allmälig nur gedeiht Das Kühnbegonnene, doch denken wir Nicht zu ermüden, und des späten Segens Uns hoffend zu erfreu'n. Sein liebend Herz, Das brüderlich, ich weiß es, unsrer stets Bedenkt, soll nicht für unsre Ruhe bangen. Mit einem Blick auf Keith. Dem königlichen Willen steht ein treuer, Ein vielgeprüfter Diener kühn zur Seite, Graf Struensee, ein Mann von selt'ner Gabe, Den wir zu schätzen wissen; – Sich gegen die Mittelpforte wendend. Siehe da, Die Majestät der Königin Juliane. 7. Szene Siebente Scene. Königin Juliane, Guldberg, Damen, die Vorigen. Ich wiederhol' es eurer Majestät, Es war nicht wohlgethan, zu diesem Fest Mich zu entbieten. Solche Lust mag wohl Mit Recht ein jugendliches Herz erfreu'n; Mir ziemt, wie ich's befolg', ein still Gebet Und ein paar Stunden Schlaf vor Mitternacht. Ich fühle, Majestät, was es euch kostet, In unsrer Mitte heute zu erscheinen. Doch nun ihr freundlich meinem Wunsch Gehör Gelieh'n, wollt nicht bereu'n, daß ihr's gethan. Ihr seid es, die dem Fest erst Glanz verleiht. Nicht doch, – nicht doch, – ihr seid die Königin Des Festes, – wie des Landes. – Aller Glanz Strömt aus von euch. Indem sie die Blicke auf Mathilde wirft, sie scharf betrachtend. Und in der That, Ich seh' euch schöner, blühender vor mir, Als ich euch je geseh'n, – und seltsam, seltsam, Ich komme von dem König, meinem Sohne, Und fand ihn bleich und elend. Seltsam, sag' ich, Hier, – Fülle der Gesundheit, blüh'nde Lust, – Dort Todesblässe und ein Blick voll Jammer. Nach den ersten Worten der Königin Juliane haben sich die Hofleute in den Hintergrund gezogen. Beide Königinnen sprechen mit gedämpfter Stimme. Der Blick kann euer Herz nicht tiefer rühren, Als er das meine traf. Doch kann ich nicht Dem Gram gebieten, in dem Leichenkleid Der Welt auf meinen Wangen sich zu zeigen. Noch kämpft er dort mit meiner rüst'gen Jugend, Und glaubt mir, währt der Kampf noch kurze Zeit, Wird meinen Feinden bald die Freude werden, Mich bleich zu sehen und der Gruft verfallen. als hätte sie die letzte Rede der Königin nicht beachtet. Ja, ja, der arme König muß wohl Manches Gelitten haben in der letzten Zeit. kaum ihres Zornes mächtig. Nicht in der letzten Zeit, sein sieches Herz Klagt seiner Kindheit früh'ste Tage an. Wie meint ihr das? Die Sage geht im Land', Er habe Gift als Kind – – Still! Ammenmährchen. Wohl Ammenmährchen, – denn die Amme war es, Die ausgesagt, wer in der Arzenei Ihm Gift gereicht. – – Gelüstet's euch so sehr, Verruchtes Zeugniß von gedung'nen Knechten Zu hören, so erwartet – – Sich fassend. Doch wir stören Durch ernst Gespräch die Freude dieses Festes; Es fordert seine Königin, und – ich – Ich hab' euch noch nicht an mein Herz gedrückt. Vergönnt mir – Während Mathilde ihr zu der Umarmung mit wankenden Schritten entgegengeht, für sich. Das Gift vergelt' ich dir. Sie küßt Mathilde auf die Stirn. Mir bricht das Herz! zur Königin, aus dem Saal kommend. Der zweite Tanz beginnt, Wenn eure Majestät – – Beliebt es euch? zur Gräfin Uhlfeld mit erzwungener Fassung. Ich werde mit des Prinzen Hoheit tanzen. Die Gräfin geht ab. Die Freude gönnet ihr dem Mutterherzen, Daß, ich gesteh', ihr wählt den würd'gen Tänzer. Für sich. Sie hört mich nicht, – ich habe doch den Pfeil Nicht schon zu tief ins Herz gedrückt? Der Prinz. Mein Sohn erwartet euch. aus ihrem Erstarren aufschreckend, für sich. O welche Qual! Zu Juliane. Wenn's euch beliebt, so geh'n wir in den Saal. Alle ab bis auf. 8. Szene Achte Scene. Köller, Guldberg. Trau' diesem Kuß, betrogene Mathilde! sich ihm nähernd, nachdem er vorsichtig umhergeblickt. Seid auf der Hut, wir sind nicht unbelauscht. Sah't ihr den Ranzau? Nirgends fand ich ihn. Auch nicht im Rittersaal? Auch dort nicht. Hölle! Ich kann's nicht denken, – wenn er uns verriethe? Ihr seid zu rasch, mein werther Obrist! Sah ich, Wie ihr, nicht, wie er finstern Blicks Dem weisen Willen unsrer Königin Und sträubend folgt? Das Alles hätt' er selber Nicht anders ordnen können; doch weil er es Nicht selbst geordnet, und dem Volke nicht Als pater patriae erscheinen wird, – Ist ihm die Rettung selbst verhaßt. Verrathen Wird er uns nicht, denn die Geschichte soll Nicht von ihm sagen, daß sein adlig Haupt Sich zum Verrath erniedrigt. Sich verbergend In diesem Augenblick, will er uns schrecken, – Und so nothwendig scheinen, daß wir selbst Der Rache günst'gen Augenblick versäumen, Weil er, der Held des Unternehmens, nicht Zugegen war. So, denkt er, bringt die Zeit Die Stunden seiner Thaten, wo wir ihm Als Helfer dienen, wie es jetzt beschlossen, Daß er, der höh'ren Leitung der Monarchin In dieser Nacht sich dienend fügen soll. Es ist beschlossen, und er soll sich fügen. Ich sag' euch, Guldberg, schlägt die Glocke drei, Und ist er nicht an dem bestimmten Ort, So laß ich ihn aus seinem Schlafgemach Mit Cuirassieren holen. Ich befehle Ein Regiment, und will den Grafen lehren, Daß Waffen besser klingen als sein Name, Daß er gehorchen muß, wenn ich gebiete. Geht uns zurückgeh'n in den Saal. Es weckt Verdacht, sieht man uns hier beisammen. – Kommt! Geht in den Saal, ich muß den Ranzau suchen, Ich bin nicht ruhig, bis ich ihn gefunden. Beide zu verschiedenen Seiten ab. 9. Szene Neunte Scene. Eine Maske kommt rasch aus der Thür rechts des großen Saals, sie scheint Jemanden zu suchen, und da sie Niemanden findet, geht sie eben so schnell durch die Thür links in den Saal zurück. Bald darauf kommen durch die Mittelthür. Mathilde, Struensee. Ich trag's nicht länger mehr, ich muß mich retten Aus dieser Freude tödtlichem Gewühl. Folgt mir kein Zeuge? Wohl mir, Struensee, So darf ich weinen, – darf mit heißen Thränen Die Ketten ätzen dieses Zwangs, die endlich Mein Herz so schneidend pressen, daß ich kaum Die Bürde der Verstellung länger trage. Haß les' ich in dem süßen Blick der Feindin, Verderben lispelt aus den Schmeicheltönen Des Prinzen, ihres Sohns. – Soll ich's gesteh'n, Die Freunde selber werden mir verdächtig, Und ich soll lächeln, und ich fühle mich Umweht vom Höllenhauche des Verraths? Nein, nein, sie trägt kein menschlich Herz, – sie weiß nicht, Was Menschen rühren und besel'gen kann. Wie könnte sie auf euch die Blicke werfen, Den Glanz, die Anmuth schauen, die euch heute Umfließen wie ein Heil'genschein, und nicht, Anbetend vor euch niedersinken, nicht Den Haß verwünschend, in gebeugter Reue Euch ein zerknirschtes Herz zum Opfer bringen? Sie will nicht, daß ich glänze, will es nicht, Daß ich noch Herzen mir gewinne, will Mich bleich und elend, und vergessen – O! Es ist ein traurig Loos, gehaßt zu sein. Gehaßt! Und nur gehaßt? O Königin, Mir ist es, als entbrennt' die ganze Schöpfung In Liebesgluth für euch. Der Zaubergürtel Der alten Götterzeit ist nicht verloren, Mit wunderbarem Reize neu verjüngt, Umfesselt er die königliche Frau, Die strahlend vor mir steht. In Liebe muß, Was sie umgiebt, in süßes Staunen schmelzen. Seht, freudezitternd auf dem seid'nen Lager Wiegt sich der Diamant in euren Locken, Und der Rubin an eurer Brust flammt auf Im Purpur des Entzückens. Heute trägt er Zum ersten Mal die Farbe seiner Wahl. Die Rose dort an eurem Herzen duftet, Als trüge sie der mütterliche Zweig. Sie blüht, sie athmet, sie empfindet, – Fürstin! Ihr zaubert Leben in den todten Kelch, Und was da lebt, empfindet, euch zu lieben. O wendet euch nicht weg! Euch schreckt der Haß, Wollt ihr die Liebe auch verwerfend strafen? Dies Herz – – Verbergt's, ich hab's erkannt. So klagt es auch nicht an, wenn ich es ganz Vor euch entfalte, wie die Blume sich Dem Blick der leuchtenden Gebieterin Entschließt. Laßt mich gesteh'n, daß ich seit Jahren Den ungeheuern Kampf gekämpft, daß ich Verzagt verzweifelte, gehofft, gelitten, Daß ich ... Sprecht es nicht aus! ich weiß es. Ihr wißt's, und könnt ihr mir vergeben, könnt ihr Mein Angesicht noch schau'n, und schrecken euch Des Wahnsinns Züge nicht? Ihr wendet euch Nicht schaudernd weg von mir? Könnt mir vergeben? Ich sollt' euch strafbar finden, und ich fühle, Ich werd' es selber, weil ich's nicht vermag. Ich sollt' euch strafbar finden, und ich klage Mein eignes Herz an, das nach langem Jammer Vertrauend euch entgegenschlug. Ich klage Den Himmel an, der von dem treuen Boden Des Vaterland's auf diese Insel mich Verstoßen, ohne Rath und ohne Freund. Ihr war't mir Beides, und ich soll euch jetzt Auf ewig – – Wußtet ihr denn nicht, Daß eine Königin nur Treue fordert? Ihr wagt es, – nein, ich hab' es nicht genannt, Wenn ich es nenne, darf ich's nicht vergeben. Ihre Damen erscheinen an den Thüren des Saales, sie geht ihnen entgegen. Struensee geleitet sie bis an die Mittelpforte, dann eilt er lebhaft bewegt in den Vorgrund, die Königin mit den Blicken verfolgend. 10. Szene Zehnte Scene. allein, bald darauf die weiße Maske. Sie geht, ist eine Göttin hoch und herrlich! Wie königlich im Haß, wie göttlich im Vergeben. Sie weiß es, weiß es! – von dem Herzen ist Die ew'ge Last gewälzt, und ich, – ich darf es Mir selbst gestehen, – darf die Blicke nicht Zu Boden schlagen. – Stirb, Beneidenswerther! Du hast gelebt. Er will in den Saal, die weiße Maske tritt ihm entgegen. Graf! Maske, suchst du mich? Euch, Graf von Struensee! Was willst du mir? Euch warnen. Bist heut' nicht der erste Warner. Gewiß der letzte. Sicher, denn der Tag Ist bald zu Ende. Komm zur Sache, sprich. Euch droht Gefahr. Das weiß ich. Bald. Vielleicht. Vielleicht? und nur vielleicht! Seid ihr so sorglos? Wer sagt dir denn, daß mich Gefahren schrecken? Ich hätte Lust, sie heute mir zu wecken. Ich find' euch, wie ich euch nicht finden sollte. Ich finde mich, wie ich mich finden wollte. Ihr seid beherzt und solltet zaghaft sein. Muth ist des Glückes schönster Wiederschein. Ihr seht die Netze nicht, die euch umgarnen, Nennt euch nicht glücklich, eh' die Sonne scheint. Wer bist du? Ende dein verlarvtes Warnen. Wer ich auch sei, ich bin nicht euer Freund. Jetzt kenn' ich dich. Kennt oder kennt mich nicht, Hört, was ich rathe nur, uns drängt die Zeit. Ein Mittel giebt's nur, euch zu retten. Meinst du? Ihr tretet augenblicklich an den Spieltisch, An den der König eben sich begiebt, Und sagt im ganzen Angesicht des Hofes, Daß ihr die Majestät des Königs bittet, Euch eures großen Amtes zu entheben. Sagt welchen Grund ihr wollt, nur werft die Würde, Die euch bekleidet zu des Landes Jammer, Weit von euch in dem nächsten Augenblick Wie ein vergiftetes Gewand. wirft einen verächtlichen Blick auf die Maske und will gehen. ihn bei der Hand ergreifend. Ihr geht? den Degen fassend. Bin ich denn wehrlos? Fürchtet nichts, Nicht solchen Waffen werdet ihr erliegen. Nur Eines noch, es ist mein letztes Wort. Ihr traut auf Fürstengunst, sie könnte wanken. – Der König selbst ... aus dem Saal kommend, zu Struensee. Des Königs Majestät Erwartet Eure Excellenz zum Spiel. Er geht ab. Hörst du's? Zum Spiel mit Dem, der mich verderben soll. Ich danke dir für deine Warnung, Maske! Doch denk' ich, heute droht mir kein Verlust, Denn wer mit Kön'gen spielt, kann nicht verlieren. Ab. 11. Szene Elfte Scene. allein, die Maske wegwerfend, Struensee nachblickend. Weil du mit Kön'gen spielst, bist du verloren! Er eilt hinweg, erwartet helle Thaten Des Aufruhrs, ahnet nicht die Möglichkeit Des nächtlichen Verraths. – Ich aber liege Gefangen in Julianens dunklen Schlingen. So möcht' ich mich dem Scheiternden vergleichen, Der die empörten Wasser nur verläßt, Um an dem Rettungsfelsen zu zerschmettern. 12. Szene Zwölfte Scene. Köller, Ranzau, Guldberg aus dem Saal erst später tretend. Ranzau erblickend. So find' ich euch denn endlich! Spät genug. Gilt mir das, Obrist Köller? Euch, Graf Ranzau. Wer lehrt euch Rechenschaft von mir zu fordern? Wer lehrt euch zögern, wenn die Majestät Der Königin uns Allen anbefohlen, Uns auf dem Ball vor Mitternacht zu zeigen? Ich hab' gezögert, weil ich zögern wollte. In dieser Stunde der Entscheidung gleichen Sich zum Verwechseln: zögern und verrathen. Euch schützt der Ort, sonst gäb' ich euch die Antwort. Verlaßt den Ort, so steht die Rede frei. Sogleich. der das Gespräch mit angehört, hervortretend. Bedenkt, was thut ihr, werthe Herren. In welchem Augenblicke wollt ihr euch Entzwei'n, des Unternehmens edle Häupter? Ranzau's Maske aufhebend, zu Köller. Seht ihr denn nicht, Herr Obrist! daß der Graf Vor Mitternacht schon in der Maske hier war? Zu Ranzau. Vergebt dem Eifer dieses wackern Kriegers. Ihr trugt ein falsch Gesicht, – er kannt' euch nicht. für sich. Der Heuchler! Soll mir nicht die Freude werden, Zwei so bewährte Männer zu versöhnen? Ich habe keinen Groll. Hier meine Hand. Sie geben sich die Hände. Dank sei dem Himmel! Nun es bleibt bei dem Befehl der Königin, wir treffen uns, Sobald die Uhr der Kirch' am Holme Drei schlägt, Am großen Gitterthor des ersten Schloßhofs. zu Guldberg. Habt ihr die Schlüssel zu des Königs Zimmer? Ist schon besorgt, die Diener sind bestochen. zu Köller. Vergeßt ihr nicht, zu rechter Zeit, Herr Obrist, Die Posten auf dem Schloßhof zu entfernen. Erscheint ihr nur zur Stunde, wenn ihr sollt, Ich werde thun, – was der Befehl gebietet. Trompeten und Tusch im Saal. Masken aus dem Saal. Die Königin bricht auf! So laßt uns denn Zurückgeh'n in den Saal, und dann sogleich Von diesem Fest zu einem größern eilen. Sie gehen zu verschiedenen Thüren in den Saal. aus dem Saal kommend. Der Ball ist aus. Der König hat so eben Das Spiel beendet. Nun habt gute Nacht! Sie gehen zu verschiedenen Seiten ab. Verwandlung. 13. Szene Dreizehnte Scene. Vor dem Schloß Christiansburg. Das Schloß bildet ein großes Mittelgebäude und zwei Flügel, die den Hofraum einschließen. Den mittleren Theil des Palastes bewohnt der König, den Flügel rechts die Königin, den linken Flügel Struensee. Große Pforten auf jedem Flügel. Wachen gehen auf und ab. Man sieht in den Fenstern des rechten und linken Flügels, die dem Zuschauer zugekehrt sind, noch Licht. Ablösung der Wachen, dann. Es ist vorbei! Geendet ist der Ball, Und meine Furcht sollt' auch mit ihm sich enden; Doch ist es nicht. Mein unglücksel'ger Traum Verfolgt mich wie ein warnendes Gespenst. Es treibt mich auf! O, wär' die Nacht vorüber. Ich kann nicht ruhen mit der bösen Ahnung, Daß dir Gefahren droh'n, du Güt'ger, Der für mich wacht und sorgt. Nach Struensee's Fenster gewendet. Noch brennt sein Licht. Wann er's gelöscht, so bett' ich meinem Haupt' In dieser Nacht auf seines Zimmers Schwelle. Ich denk', ich bleibe wach, – und werd' ich müd', So, sagt man, schläft die Treu' auf hartem Stein Wohl süßer als Verrath auf weichem Pfuhl. Links ab. von der entgegengesetzten Seite. Noch ist's nicht Zeit. Ich aber bin schon hier, Denn kaum erwarten kann ich die Entscheidung. Nun, Struensee, vergelt' ich dir's, daß du Ein liebend Herz mir hast gestohlen, – daß ich Dir weichen mußte. – Nun sollst du mir weichen. Nach Struensee's Fenster blickend. Bist du noch wach und zauberst dir in stillen, Verweg'nen Träumen dieses Festes Glanz, Die stolzen Plane und die gnäd'ge Anmuth Der königlichen Britin vor die Seele? Sie soll dafür, daß du das wagen darfst, Entsetzlich büßen, wie du selber. Das Licht in Struensee's Zimmer erlischt. So! Lösch' aus dein Licht. Fortan soll keine Flamme Dich anders sehen als in bitt'rem Elend. Dein Loos heißt Kerker, – und ich hoffe – Tod. Er blickt, sich wendend, nach dem Zimmer der Königin, aus welchem der Glanz der Lichter verschwindet. Nur der matte Schimmer eines Lämpchens leuchtet fort. Sieh', auch aus dem Gemach der Königin Begeben sich die Kammerfrau'n hinweg; Nur ein bescheid'nes Lämpchen leuchtet noch Dem Schlaf der schönsten Königin Europas. Schlaf nur, Mathilde, – Ranzau wird dich wecken. Ein Officier von Köller's Regiment tritt auf mit Wache. Ihr seid's? Wie ihr befahlt. Wie spät ist's? Eben Schlug's auf der Kirch' am Holm halb Drei. So laßt Die Posten dieses Schlosses allesammt Abtreten. Bleibt das Schloß ganz ohne Wache? Sie wird nicht nöthig sein in dieser Stunde. In wen'gen Augenblicken werd' ich selbst Mit meinen Officieren mich besprechen. Uns bleibt in dieser Nacht ein wichtiger Befehl des Königs zu vollziehen. Köller geht einige Mal auf und nieder, die Wachen werden abgelöst. in die Scene blickend. Endlich, Dort seh' ich Fackeln, das ist Guldberg. Obrist! Wie lange harr' ich! Ist's die Königin? Sie ist's. Juliane von Ranzau geführt. zu den Dienern nach außen. Bleibt mit den Fackeln dort, bis wir euch rufen. Ihr seid ein Mann von Wort, mein werther Obrist! 's ist eine schöne sternenhelle Nacht. Ein wenig kalt. Friert Eure Majestät? Behüte Gott! ich friere nicht, ich glühe. Zu Ranzau. So laßt uns Alles noch einmal bedenken. Wir gehen mit einander zu dem König, Und willigt er in unsre Bitten, hat er Die vorbereiteten Verhaftsbefehle Für unsre Feinde alle unterschrieben, Bringt ihr die Ordre an den Obrist Köller, Damit er zu dem bürgerlichen Grafen Sich Augenblicks begebe. Ihr sofort Verhaftet dann die britische Prinzessin, Die nicht mehr Königin von Dänmark heiße. Zu Köller. Indessen, hoff' ich, habt ihr's angeordnet, Daß man, wie ich's befahl, durch alle Gassen Und vor dem Schloß verweg'ne Lieder singe, Daß es wie Aufruhr zu dem König klinge. Zu Ranzau. Ich weiß, daß ihm vor solchen Liedern graut, Sie schrecken ihn; d'rauf habe ich gebaut. So laßt uns geh'n. Seid ihr so ungestüm? Wir geh'n, wenn die bestimmte Stunde ruft. Schlaf wieg' sie ein, die theuren Opfer alle, Und nichts erwecke sie von ihrem Falle. Eine Kirchenuhr schlägt Drei. Horch, horch! es schlägt, – Drei! Wohl, so ist es Zeit, Der Himmel schütz' uns. Fackeln! Leuchtet, Guldberg! Die Diener mit Fackeln sind herbeigeeilt. Guldberg hat eine ergriffen und leuchtet voran, Juliane und Ranzau und die Diener folgen, Alle gehen rechts hin ab. während die Andern noch auf der Bühne waren. Ich eile zu den Officieren! Ab. Die Bühne bleibt leer. Man sieht plötzlich Licht in den Zimmern des mittlern Schlosses erscheinen und verschwinden. Von außen hört man singen. »Der Däne ist kein braver Mann, Der fremdes Joch erträgt. Es rufe, wem ein dänisch Herz Im starken Busen schlägt. Der König geb' uns unser Recht Und jag' hinaus den fremden Knecht; Der Dänen Freiheit hoch!« Köller mit Officieren. Wie ich euch sagte, meine werthe Herrn, Er ist im Bunde mit der Königin. Der König ist bedroht, und Beide müssen Auf Seiner Majestät Befehl sogleich Verhaftet werden. Zeigt uns eure Ordre. Die Königin ist ein geheiligt Haupt. Nicht ohne daß wir den Befehl geseh'n Des Königs, verhaft' ich sie. Wir auch nicht. ängstlich nach der großen Pforte blickend. Sogleich zeig' ich die Ordre euch, – sogleich. Er zaudert! Hölle, wenn's mißlungen wäre. Die Mittelpforte des Schlosses geht auf, Ranzau, dem mehrere Diener verleuchten, eilt Köller mit einem Papier in der Hand entgegen. Ha, endlich! Endlich hat er unterschrieben! Hier ist die Ordre! Gebt! Die Ordre den Officieren gebend. Les't, Alle les't. zu Ranzau. Sagt, wie geschah's? Ich bitt' euch, laßt mich schweigen. Genug, es ist. Fragt nicht, wie es gescheh'n. Ich habe einen König zittern seh'n. Das war ein Anblick, der mich tief erschüttert. Wo sind die Officiere? Euch zu Diensten. Zu sechs der Officiere. Ihr folgt zur Königin dem Grafen Ranzau. Zu den Uebrigen. Wir aber gehen zu dem Struensee. Habt ihr gesorgt, daß Brandt –? Er und die Andern Sind schon verhaftet. zu seinen Officieren. Folgt mir. Sie gehen rechts ab. zu den Seinigen. Laßt uns auch Nicht zögern. Fort! Wie sie an die Pforte des linken Flügels treten, öffnet sie sich, und Detlev tritt ihnen mit einem Licht und gezogenem Degen entgegen. Wer wacht noch? Welch Geräusch? Ich hörte Stimmen. Köller hat sich beim Oeffnen der Thür mit den Officieren seitwärts zurückgezogen. Jetzt bemerkt sie Detlev. Zu Köller. Großer Gott! seid ihr's? Um diese Stund', Herr Obrist; was begehrt ihr? Den Schlüssel gieb zum Zimmer deines Herrn. In dieser Stunde? – Nimmermehr. Du wagst es? Wir sind vom Könige gesandt. Ihr lügt, Der König sendet seine Boten nicht Bei Nacht, und nicht in Waffen zum Minister. Ihr seid Verräther! Gieb den Schlüssel, sag' ich, Wenn dir dein Leben lieb ist. Ich veracht' es Um diesen Preis, – und wehrlos bin ich nicht. Mein Blut für Struensee! So lang' ich lebe, Sollt ihr die Schwelle nicht betreten. Er hebt den Degen gegen Köller. Bube! Ihn niederstoßend. So stirb. Detlev sinkt mit einem Schrei des Schmerzes durchbohrt nieder, so daß sein Körper die Schwelle deckt. Voran! Die Officiere treten scheu zurück. Schreckt euch dies Blut? Und habt doch wider eures Landes Feinde Gekämpft in Schlachten? Dieser blut'ge Knabe Beschützte Dänmarks größten Feind. Er fällt, Und über ihn hinweg schreit' ich zuerst, Den Feind zu wecken. – Wer ein Mann ist, folgt mir. Köller schreitet über den Leichnam, die Officiere folgen. 4. Akt 1. Szene Erste Scene. Wirthshauszimmer in einem Dorfe bei Rendsburg in Schleswig. Der Schulmeister; Babe, der Chirurgus; Christian Svenne, ein norwegischer Soldat; Hooge, Flyns, Landleute. Die Wirthin geht ab und zu. der dem Babe einschenkt. Schenk voller, Gevatter Chirurgus, voller, sag' ich dir. Da Christian Svenne geht heute fort. Der Christian soll hoch leben. Hoch! Dank', danke, ihr macht mir den Abschied zu schwer, Herzensbruder! Ich bin nur wenig Tage hier gewesen, aber ich werde sie in meinem Leben nicht vergessen. Wenn ich heim komme nach meinem lieben norwegischen Jarlsberg, da werde ich von den Tagen hier, die ich zum Besuch bei meiner Muhme, der Wirthin zum dänischen Elephanten, verlebt, zu sagen haben. Ich werde den Vettern zu Hause von eurer Liebe und Gastfreundschaft erzählen. Ei was, unsere Liebe und Gastfreundschaft! Ihr habt ganz andre Dinge zu erzählen, – wie es in Kopenhagen zuging bei der Verabschiedung der norwegischen Garde, wie euch die Bürger im Triumph aus der Stadt begleitet, und wie die Mädel geweint haben, und wie sie euch Wein und Geld geschenkt, und noch einige Etceteras der Rührung und der Freundschaft, die euch die Bürger gezeigt. – Das, potz Wetter! das werdet ihr eher zu erzählen haben als unsre lumpige Gastfreundschaft. Wir haben sie euch nicht umsonst erzeigt; denn wenn wir euch das Feuer des Branntweins in die Kehle gejagt haben, so habt ihr uns dafür durch euere Erzählungen Feuer in die Herzen gegossen. Zum Chirurgus. Ist's nicht wahr, Gevatter? Ja, das ist wahr! Ja, das habt ihr! zu Svenne. Seht ihr, ich treffe immer die Gedanken oder sogenannten Intentionen meiner lieben Gevattern und Freunde. Leise zu ihm. Das Pack kann nichts exponiren, sich nicht exprimiren und expliciren. Bei der kommenden Generation wird's schon besser gehen, denn ich unterrichte und prügle sie. Zum Chirurgus. Ich habe dem Svenne unsern Antheil auf eine eclatante Weise bezeigt, bin aber ganz durstig dabei geworden; schenkt doch noch einmal ein, Gevatter. Ihr seid der Immerdurstig! Das versteht sich, denn ein Mensch, der nicht immer durstig ist, ist gar nicht durstig. Wie versteht ihr das? Sperrt die Köpf' auf, ich will euch's erklären. Seht ihr, der Durst ist zuvörderst nicht mit dem Hunger rücksichtlich seiner Qualität zu verwechseln. Der Hunger ist ein Bedürfniß, der Durst dagegen ist eine Leidenschaft, eine große Leidenschaft, eine noble Leidenschaft, eine nie zu stillende. Ein Tropfen weckt die Lust nach einem Glase, ein Glas die Sehnsucht nach einer Flasche, und eine Flasche die Wuth nach mehreren; ja, bei wahrhaft großen Gemüthern kann sich der Gedanke bis zum Faß versteigen. Der Durst hat selbst in der Sprache unendliche Vorrechte vor dem Hunger. – Habt ihr ja gehört, daß Einer Hunger empfindet nach Gold, nach Ehren oder nach Blut? – Man dürstet nach Gold, dürstet nach Ehren und nun gar nach Blut. Der selige Crassus soll nach der Fabel, oder, wie Einige sollen, nach der Historia, einen solchen Durst nach Gold empfunden haben, daß man's ihm geschmolzen in den Hals gegossen. Er ist daran eines christlichen Todes gestorben. Wetter! den hätt' ich anatomiren mögen. Im Fache des Blutdursts haben sich einige musterhafte Könige gezeichnet. Als da sind: der große Alexander von Macedonien, der berüchtigte Kaiser Tiberius und noch kürzlich vor einigen Jahrhunderten König Karl IX. von Frankreich. Dieser edle Fürst empfand einen solchen königlichen Durst nach Blut, daß er in der Nacht auf seine geliebten Unterthanen schoß. Ja, da dürft ihr aber auch den Räuber nicht vergessen, der neulich hier gehangen worden. Der große Jürgens, der schoß auch Nachts auf seine Gevattern. Ein Dito der große Jürgens. Er gehört zum Kaiser Tiberius und König Karl. – Was nun den Durst nach Ehren betrifft, so brauch' ich euch zum glänzenden Beispiel nur unsern Minister Graf Struensee anzuführen. Der trinkt einen Becher Ehre nach dem andern, kann aber doch nie genug bekommen, denn Ehre ist wie guter Wein, man kann viel davon trinken, ehe man den Rausch bekommt, und wenn man ihn hat, so ist er leicht und angenehm. Nicht für Jeden, Gevatter, nicht für Jeden. Für große Geister, wie den Struensee, laß ich's gelten. Es ist ein sehr merkwürdiger Mann, mein ehemaliger College Struensee. Was, der Struensee euer College? Ja wohl, ja wohl, wir waren sehr vertraut mit einander, ich hab' mit ihm auf der hohen Schule zu Halle studirt. Nicht doch, Gevatter Babe, das habt ihr mir schon zu verschiedenen Malen erzählt, und ich hab' euch jederzeit bewiesen, daß ihr gelogen habt. Wie, was? Ereifert euch nicht. Ihr seid sehr ärgerlicher Natur, wenn ihr Wein oder sonstige Spirituosa im Kopfe habt, und es ist nicht agenehm, mit euch zu streiten. Doch der Wahrheit die Ehre, ihr habt weder mit dem Struensee noch mit irgend Einem studirt, denn ihr habt gar nicht studirt. im höchsten Eifer. Was, wo hätte ich denn meine Medicin her? Das weiß der Himmel, denn den habt ihr redlich bevölkert, seit ihr hier im Dorfe seid. Daß es aber nicht einmal nach den Regeln der Kunst geschehen, deß klagt euch jetzt droben meine selige Gattin an, die ohne alle Medicin mit Aderlässen – – Mit Aderlässen! Eure Frau war – – Still, lassen wir die Todten ruh'n. Es wäre entsetzlich, wenn sie wieder aufstünde. Es wäre eine Wohlthat für euch und uns. Die allein wußt' euch im Zaum zu halten, euern Hochmuth, euere Kühnheit zu demüthigen. Mir das zu sagen, ich hätte nicht studirt! Mir im Angesicht des trefflichen Christian Svenne und so vieler erleuchteten Bauern zu sagen, – ich habe den Struensee nicht gekannt. außer dem Schulmeister. Er kennt ihn, er kennt ihn! zum Schulmeister. Seht ihr, daß ich ihn kenne. Mir wird geglaubt, ich hab ans Volk appellirt. Meinetwegen, der Struensee ist's nicht werth, daß wir uns um ihn zanken. Der ist zu unserer Aller Unglück ins Land gekommen. Er bringt überall Hader und Zwistigkeit. Mischt er sich nicht auch in die Angelegenheiten des edlen Lehrfaches? Fordert er jetzt nicht von den wohlbestallten Schulmeistern, daß sie lehren sollen, was durchaus nicht für die Köpfe euerer lieben Jugend paßt? Wenn's geschieht, wie er's haben will, so werden eure Buben und Mädchen bald klüger sein als ihr. Aber dazu soll es nicht kommen, dafür will ich sorgen. Ja, er will überall Licht anzünden, wo man's auslöschen sollte. – Darf nicht jetzt Jeder drucken lassen, was er will? Ihr dürft jetzt als ein ehrlicher Schulmeister nicht mehr einen Schluck über den Durst trinken, so kann morgen der Küster drucken lassen: gestern war der Schulmeister betrunken. Das sollt' er sich unterstehen! Ich möcht' doch sehen – Das würdet ihr sehen und könntet nicht hindern. Sie nennen's Preßfreiheit; aber wahrhaftig, wer nicht immer nach dem Schnürchen lebt, kann dabei gewaltig in die Presse kommen. Lebt nach dem Schnürchen, so schadet's Keinem was. Dürft ihr doch auf die Weise eure Herzensmeinung dem Andern sagen, wie sie euch gesagt wird, und dürft euch, wenn's euch beliebt, gegen den Struensee und die Regierung aussprechen. Ei was aussprechen, ich will mich nicht aussprechen, ich will das Maul halten, aber die Andere sollen's auch. Jeder kümmere sich um die Töpfe auf seinem Herd. Führt nicht so freventliche Redensarten, Gevatter Babe! Wozu werden wir regiert, wenn wir uns gegen die Regierung aussprechen wollen? Eine gute Regierung soll Alles regieren, Herz und Geldbeutel und Mund und Feder. In einem guten Staate ist's ein Hauptgrundsatz, daß man, wie Hooge sich auf seine herzliche einfache Weise ausdrückt, das Maul halte; denn wer redet und druckt, der muß auch zuweilen denken, und getreuen Unterthanen ist nichts gefährlicher als die Gedanken. Die Gedanken könnt ihr aber doch nicht hindern. Nein, die kann Keiner hindern, und ich denke mir Vieles. Nun, laß doch hören, Flynschen, was denkst du dir denn? Zum Svenne leise. Das ist der größte Einfaltspinsel im Dorfe. Ich denke, daß mir Alles recht ist, wenn's nur nicht zur Ausführung des Planes kommt, den sich der Struensee, wie sie sagen, vorgenommen habe. Das wäre? Daß er sich vorgenommen, uns Bauern in Dänemark und in den Herzogthümern zu freien Leuten zu machen. Ich will nicht frei und unabhängig sein. Was ist's denn Großes, daß ich für den Edelmann meinen Acker bestellen muß? Dafür ernährt er mich und sorgt für mich, und eine Tracht Prügel nehm' ich wohl so mit. Wenn wir frei wären, müßten wir uns plagen und quälen, wären unsere eigenen Herren und müßten Abgabe geben! Und für dein Eigenthum, für die Freude, Das, was du besitzest, dein nennen zu können, möchtest du nicht sorgen? Ei was, wenn ein Anderer für mich sorgt, ist mir's bequemer. Das ist der erste vernünftige Gedanke, Flyns, auf dem ich dich ertappe. Mit der Freiheit käm' auch zugleich die Aufklärung, das moderne Gift, – euer Tod. Was, die Aufklärung nennt ihr Gift und Tod? Sacré Dieu, ich habe in Paris barbirt und weiß, was es für ein Ding um die Aufklärung ist. Seht, Schulmeister, wenn ihr Französisch verstündet, ich könnte euch Bücher zu lesen geben ... Eine höchst unschickliche Voraussetzung, daß ich kein Französisch verstehe. Ich will aber keins verstehen; es ist die Sprache des leidigen – Gott sei bei uns. In der Sprache wird Alles gedruckt, was aus der Hölle kommt. Die Sprache und ihre Bücher haben den Struensee zum Antichristen und Atheisten gemacht. Ist's wahr, Christian Svenne, ihr wart in Kopenhagen, daß der Struensee kein echter Christ ist, und daß er, wie sie sagen, von der Königin .... Still, Hooge, ihr fragt zu viel. Es ist Alles, Alles wahr. Er glaubt nicht an Gott, denn sie sagen, alle Priester sind ihm in der Seele zuwider. Mit der Königin Mathilde aber soll er im Einverständnisse wider den König sein. Behüt' uns Gott! Ein frommer Wunsch, Herr Schulmeister, und thut auch noth; denn nun er unser Regiment, den Stolz der dänischen Armee, gelöst hat, nun wird ihm Alles gelingen. – Die Königin läßt nicht von ihm. Er wankt und weicht nicht, und selbst die alte Königin Juliane muß den Grimm verwinden und den Todfeind am Ruder sehen. Woll' uns nur der Herrgott bewahren, daß sie nie ans Ruder komme; da würdet ihr wohl Aergeres erleben. Dem Soldaten kann's nicht schlimmer gehen. Ja, es ist entsetzlich, himmelschreiend! Geheimnißvoll. Wir sind hier lauter gute Freunde, laßt uns dem Struensee ein Pereat bringen. Was heißt das? Das heißt: er sterbe! Ich trinke nicht mit. außer Babe. Wir aber trinken's! Anstoßend. Pereat Struensee! hereinkommend. Es ist nicht zu glauben – – Zu den Gästen. Hört doch, hört doch! Was giebt's? Neuigkeiten, Unerhörtes! Mein Sohn Conrad kommt eben aus Rendsburg und hat den Boten von Kopenhagen selbst gesehen. Von Kopenhagen? Conrad kommt. Da ist er selbst. Nun erzähle, Conrad. Ihr werdet staunen. Der Bote, den ich selbst gesehen, war aus Kopenhagen von dem König und der Königin Juliane. Mathilde, willst du sagen. Nicht Mathilde, von der Juliane, sag' ich, an den Rath von Rendsburg abgesendet, und seine Botschaft lautet, wie's das ganze Volk weiß, daß in der Nacht des siebzehnten Jänners der König die Königin Juliane und mehrere edle Herren habe rufen lassen, und ihnen Allen den Befehl gegeben, die Königin Mathilde, den Grafen Struensee und noch Viele verhaften zu lassen. Nicht möglich! Ich weiß gewiß, so ist's, heut' steht's im Zeitungsblatt. Die Königin Mathilde ist noch in derselben Nacht nach der Festung Kronenburg gebracht worden, und der Graf Struensee sitzt in der Citadelle in Ketten. In Ketten! Ein solcher Herr! Es klingt unglaublich. Es wird nun Alles anders werden, denn die Königin Juliane soll nun das Regiment führen. Sie haben Dankgebete in allen Kirchen anstimmen lassen, weil der König aus der Gewalt seiner Feinde gerettet worden sei, die ihm nach dem Leben getrachtet. Doch nicht die Königin auch? Auch die Königin. Der Struensee und der Brandt sollen von einer königlichen Commission gerichtet werden. Es wird ihnen der Proceß als Hochverräther gemacht. Als Hochverräther? Versteht ihr, je höher der Verrath ist, desto kleiner muß man die Verräther machen. Diese werden als wohl um ein Weniges kürzer gemacht, – höchstens einen Kopf. Pfui, Schulmeister, könnt ihr mit dem Unglück scherzen? Das ist unchristlich. zu den Bauern. Versteht deutsch, ihr Leute, man will den Struensee köpfen. Ihr habt ihn gehaßt, aber könnt ihr dazu lachen? Nein, nein. ein Bauer. Wißt ihr die Neuigkeit? Wir hören's eben. Hier könnt ihr's lesen, hier ist die Zeitung. Gebt, laßt mich lesen. Zu den Andern. Ich les' euch vor. Johannes in die Thür tretend; die Bauern sind um den Schulmeister versammelt. Frau Wirthin! Ha, was giebt's? Vergebt, könnt ihr ein Nachtquartier uns geben? Mein Herr, ein würd'ger Geistlicher, kann heute Nicht Rendsburg mehr erreichen. Kommt nur, führt den hochwürd'gen Herrn nur her; im dänischen Elephanten findet ihr, was ihr nur bedürft. Laßt ihn hier sich wärmen, eh' ich das Zimmer richte. Indem sie die Thür öffnet, tritt der Pfarrer Struensee ein. Wir finden Platz, Herr! Wollt ihr's euch indeß Nicht hier gefallen lassen? sich ans Kamin setzend. Ich bedarf Nichts weiter; nach der rauhen Luft des Weg's Thut solch ein Plätzchen wohl. Er spricht leise mit Johannes, da die Bauern anfangen zu reden. Ja, es steht gerade so, wie es der Conrad gesagt hat. Nur die Erleuchtung finden wir als eine glänzende Beilage. Auch findet sich, daß der König mit dem Prinzen mit sechs weißen Pferden, wie im Triumph, durch die Stadt gefahren sei. Aber in der Zeitung klingt mir des Volkes Jubel etwas matt, und die Erleuchtung scheint durch den plötzlichen Schrecken ein wenig bleich geworden zu sein. Das steht nirgends. Mit Worten nicht, aber ich merk's dem Ton an. Ja, mir klingt der Ton auch ein wenig hohl; indeß kann's anders sein. Die armen Bürger in Kopenhagen sind so schnellen Wechsel nicht gewohnt. Heute Aufruhr, morgen Erleuchtung – die Königin, die noch in der Nacht auf dem Ball die Allmächtige war, am Morgen verhaftet! Hört doch, Hochwürdiger! Die Bauern reden Seltsame Dinge. Neuigkeiten, scheint's, Enthält das Blatt dort wohl; sollt' ich nicht fragen? Hör', was es giebt. zu den Bauern tretend, zu Babe. Ergebt! Mein Herr, den ihr dort seht, Kommt eben von dem Landgut eines Freundes, Das weit ab von der Straße liegt. Wir hörten Seit Wochen nichts von dem Getrieb' der Welt. Hat in der Hauptstadt unterdessen sich Was Wichtiges ereignet? Wir vernehmen Aus euren Reden – – zum Pfarrer tretend. Ei, so wißt ihr, hochwürd'ger Herr, noch nicht, was in diesem Augenblick in Aller Mund ist? Les't selber. Er giebt dem Pfarrer das Zeitungsblatt, zu Johannes. Ja, Freund, es klingt wie ein Mährchen; der große Struensee ist gestürzt. Gerechter Gott! Die Königin gefangen, der Graf in Ketten. hat mit steigender Bewegung das Blatt gelesen und stürzt nun lautlos zu Boden. zu ihm hinknieend. Barmherziger Himmel! Er stirbt! Wie konnt' er auch Das Gräßliche ertragen! um ihn beschäftigt, die Bauern haben sich um ihn versammelt. Der alte Mann ist ohnmächtig worden, Hülfe! Zu Johannes. Was hat ihn so erschüttert? Wer ist's? Gott schütz' ihn! Es ist der Pfarrer Struensee! Der Vater! Helft, helft! es ist des Grafen Vater. ihn umringend. Sein Vater! sein Vater! Sie tragen den Ohnmächtigen fort. 2. Szene Zweite Scene. Verwandlung. Saal im Schloß zu Kopenhagen. Mittel- und Seitenthüren. Hofleute sind zur Cour versammelt, unter ihnen der Fürst, Schack-Rathlow. Aus der Seitenthür treten Ranzau, Köller-Banner, Guldberg. Der Letztere begiebt sich in den Hintergrund und spricht mit den Hofleuten. Die beiden Erstern treten in den Vorgrund, nachdem sie die Versammlung begrüßt haben. er trägt das Band des Elephantenordens. Nie, niemals, General, ich wiederhol' es, So lange noch ein Tropfen edlen Blut's In diesen Adern fließt, geb' ich die Stimme Zu diesem Treubruch! Soll der Staatsrath selbst Durch schändliches Bewilligen dem König Die Freiheit wieder rauben, die er kaum Errungen? Soll des Königs Name nicht Mehr nöthig sein, um jegliches Gesetz Zu heiligen? Soll dieser Prinz allein, Der Sohn Julianens, wie die Majestät Das Siegel führen und die Unterschrift? O ich versteh' es wohl, die Majestät Will man entheiligen, unmündig sie klären, daß der treue Vormund endlich Die Krone selber – – Graf, ihr geht zu weit! Mich blendet nichts! Klar seh' ich, höre deutlich, Wo man hinaus will. Dieser Guldberg hat's Im Staatsrath heut' verrathen, und die Schlaue Täuscht mich bei Gott nicht durch ihr falsches Zürnen. Der Guldberg sagt nur, was er soll – man wollte Uns prüfen, seh'n, ob wir dem Vorschlag, Geduldig nickend mit dem Haupte, nicht Beistimmen würden – doch das schwör' ich euch, Ich wanke nicht! – Glaubt diese Königin, Man habe mich mit diesem Band gefesselt; Mir Herz und Sinn und freie Wahl umstrickt? Wie eine Kette drückt es mich! In Dänmark Galt sonst dies Ordensband zum Preise nur Großherz'ger That. Auf die Devise des Ordens deutend. Pretium Magnanimi! Und darf ich's tragen für die That der Nacht, Die uns mit solchen Früchten droht? Ich bitt' euch – Laßt eure Hand mich fassen, General – Seid stark und haltet euch zu mir! Seid nicht Willfährig dem verbrecherischen Vorsatz. O sagt, was wollt ihr noch Erreichen? Habt ihr nicht mit raschem Fuß Euch aufgeschwungen zu der höchsten Würde Des Kriegers? Mehr als dies ist euch geworden! Ein alt erloschen dänisches Geschlecht Blüht wieder auf in euch. Der König fügt Ein Wort zu eurem Namen, und ein Banner Des Dänenreichs ersteht aus seinem Grabe. O hört mich, Köller-Banner. Laßt euch nicht Von Heuchelei bestechen. Seid frei und stark. Ihr schweigt? Welch still Begehren Bleibt noch zurück in eurem Herzen? Welches? Der Tod des Struensee. Der blut'ge Wunsch, Glaubt mir, wird euch erfüllt. Die Richter zögern. Ein Hochverräther soll gerichtet werden, Doch der Beweis des Hochverrathes fehlt. Eh' man ihn findet, und man wird ihn finden, – Laßt seiner Ketten Rasseln wie Musik Zu eurem Herzen tönen. Der Gedanke Stärk' euch in eurer mordenden Erwartung, Daß ihm die Nächte auf dem feuchten Lager, Der bange Schlaf in die gequälte Seele Die Bilder des erlöschten Glanzes zaubert. Und wenn er aufschreckt, trüben Blicks umherstarrt, – Umfangen ihn des Kerkers bleiche Schatten! – O das muß gräßlich sein. Mir aber wäre An seiner Statt Eins gräßlicher als dies. Das wäre? Daß er einst allmächtig war In diesem Reiche, und der Thor gewesen, Uns nicht zu opfern, wie wir ihn geopfert. Guldberg ist näher getreten. leise zu Ranzau. Gebt Acht, der Guldberg blickt auf euch. laut. Seht doch, Wie zahlreich heut' die Gala! In der That, Des Hofes Eifer, um die Königin Sich zu versammeln, zeigt von treuen Herzen. Der Adel fühlt in diesen Sälen wieder Wie sonst sich heimisch, und die Edlen alle, Wie's immer Sitte war in Dänmark, knüpfen Mit ihren Kön'gen den Familienbund. wendet sich, ohne ihm zu antworten, zu dem ihm zunächst Stehenden. Köller-Banner tritt zu einigen Officieren. für sich. Ich werd' ihn treffen, diesen Ranzau, – werd' ihm Den stolzen Nacken beugen! Diese Schlange Muß aus dem Weg. die Seitenthür öffnend. Der Kön'gin Majestät. 3. Szene Dritte Scene. Königin Juliane, ihre Damen, unter ihnen Gräfin Uhlfeld. Die Vorigen. Der Hof hat sich in einen Halbkreis gestellt. Die Majestät des Königs, meines Sohns, Wir selber fühlen uns den Edlen allen Des Landes und dem ganzen Volk verpflichtet. So viel Beweise zarter Treue rühren Des Königs Herz. Aus jeglicher Provinz Erfahren wir, wie – fast, ich darf es sagen, Sich jeder Däne eifrig müht, dem Herrscher Die Freude zu bezeugen, daß er ihn Gerettet weiß aus seiner Feinde Macht. Uns aber nennt man die Befreierin Des Reichs und wagt zu viel durch solch ein Wort. Denn was wir thaten für des Landes Wohl, Wir theilten jede Müh' mit edlen Männern, Die wir mit Freuden in dem Kreise finden, Der uns umgiebt. Des Königs Majestät Hat ihrem glänzenden Verdienst Den würd'gen Lohn bewilligt und ertheilt. zu Köller. Bewilligt! Hört ihr's? Ihr verdanken wir's. die durch die Reihen der Hofleute geht, vor dem Fürsten stehen bleibend. Mich freut's, Erlaucht, euch noch in unsrer Hauptstadt Zu wissen! Vieles haben wir indessen Erlebt, manch wunderbaren Wechsel, der Des Reiches Ruh' gesichert und, ich denke, Die edlen, uns befreundeten Monarchen Erfreute! Unsre vielgeliebte Schwester Von Rußland, eure gnäd'ge Kaiserin, Hat uns versichert, daß ihr edles Herz, Seit langer Zeit besorgt für Dänmarks Glück, Den Sturm befürchtet, der dem Reich gedroht. Sie weiß, daß ihre Furcht geendet ist, Da sie das Schicksal dieses theuren Landes In euren Händen ruhen sieht. Ich weiß Daß unsre kaiserliche Schwester stets Mit Liebe unsrer dachte. Immer hegte Sie hohe Meinung von den seltnen Gaben, Die eurer Majestät erhab'nen Geist Zum Heile Dänmarks schmücken. zu Köller leise. Hört ihr ihn? Die Zunge log noch jüngst Mathilden Ehrfurcht Und glühende Bewund'rung. leise. Nimmt's euch Wunder? Wir sind am Hofe, Graf. Die Rede steigt Und fällt, wie sich des Glückes Wetter ändert. Juliane ist bis zum äußersten Ende des Halbkreises zu Schack gekommen. Sie spricht leise und eifrig mit ihm. Beide treten in den Vorgrund. Die Zög'rung, wiederhol' ich euch, mißfällt mir. Wie ich euch sagte, Kön'gin, das Gericht Ist in Verlegenheit. Ich aber will ihn Vergessen, diesen Struensee. Sei Urtheil Muß Tod, – Tod lauten durch des Henkers Hand. Wir haben ihn des Hochverraths beschuldigt. Ist er kein Hochverräther? Hat er nicht Die alten Rechte umgestürzt, hat Neues, Noch nie Erhörtes in der Dänen Land Gewollt, – vollbracht? Wähnt Majestät, ich wollte Mich dem Verhaßten zum Vertheid'ger dingen? Er that's; doch war er nicht Minister? Führt' er Das Siegel und die Vollmacht nicht des Königs? Wir sind hier nicht in England, Königin. In Dänmark klagt die Majestät des Königs Des Hochverraths sich selber an, verhängt er Tod über den Vollstrecker der Befehle, Die er selbst unterzeichnet, sie geheiligt Durch seinen Namen. Fühlt Ihre Majestät, Wie ängstlich das Gericht dies muß erwägen? Des Vorwand's mindestens bedarf es doch! Den sucht ihr thöricht, und erwägt ihr nicht. Was Jeglicher geseh'n? Daß er's gewagt, Auf seine Königin sein frevelnd Aug' Zu richten. Blicke fallen nicht In des Gerichtes Wage. Freilich, freilich Will man ihn schuldlos. Schuldlos, ich? So macht die Blicke zum Verbrechen. Doch Dürfen wir auf nied'rer Diener Zeugniß Ein solch Verbrechen glauben? Wird die Welt Uns nicht verdammen, wenn wir ihn verdammt, Ohn' ein gewichtig Zeugniß gült'ger Lippen Gehört zu haben? Hofft ihr, daß er selbst Des stillen Frevels sich beschuld'gen werde? Er wird es nicht. Erpreßt ihm das Geständniß. Befehlt ihr, Majestät, durch Folter? Nein. So bliebe, wenn er selber nicht gesteht, Das eine Mittel nur, die Königin Mathilde zum Geständniß zu bewegen, Daß er's gewagt, des Herzens Frevel ihr Zu offenbaren, daß sie ihm verzieh'n! Das wolltet ihr? Will Eure Majestät Mir Vollmacht geben, was ich will, zu thun, Errett' ich euch den Schein und das Gesetz. Nicht Willkür nur soll ihn gerichtet haben. Die Vollmacht fertigt selber aus und sendet Sie mir sogleich zur Unterschrift. So werd' ich Noch heute mich nach Kronenburg begeben. zur Versammlung. Die Stunde ruft euch zu der Majestät Des Königes, und wir entlassen euch! Alle ab. 4. Szene Vierte Scene. allein. Wie? Nur Gesetz? Und immer nur Gesetze? Und ewig Schranken! Nicht mit raschem Fuß, Wie ich's gedacht, kann ich das Ziel erreichen. Ich will ihn todt, und diese Richter zaudern, Und fragen ihr Gesetz und ihre Formen. Ihr modernd Pergament hat bess're Rechte Als mein gekrönter Wille? Darum hätt' ich So viel gewagt, die schaudervolle Nacht Durchlebt, um noch einmal zu zweifeln und zu zittern? Ich will ihn todt! denn sein verruchtes Blut Soll mir die stillen Martern langer Jahre, Die Qualen jener Schreckensnacht bezahlen. Sie schrickt zusammen und sieht sich um, als stünde Jemand hinter ihr. 's ist nichts! Seh' ich Gespenster? Großer Gott! Was ist seit jener Nacht aus mir geworden? Allüberall, im Wachen und im Schlaf, Seh' ich den Geist des königlichen Gatten Still zürnend vor mir steh'n. Er blickt mich an Mit seinen kalten, blauen Todtenaugen Fest, starr und – fort! So sah ich ihn Dicht neben mir, als ich den König zwang, Zu unterschreiben. – Schaudernd warf er erst Das Blatt hinweg, als er Mathildens Namen Erkannt. – Ich aber drohte fort und fort. Beschwor den finstern Höllengeist der Lieder, Die an die Fenster klirrten – krampfhaft ballte Dem König sich die Faust in stiller Ohnmacht. Ich rief ihm: »unterschreib'!« – er unterschrieb! Da war's, als fühlt' ich einen Grabeshauch Die Wangen streifen, und mein Gatte stand Mit bleichen Lippen flüsternd hinter mir: Was drohst du meinem Sohn? Er ist mein Sohn, Er ist dein König! Wehe dir, Juliane! Und wieder rief es – – – 5. Szene Fünfte Scene. Juliane. Guldberg. mit einem Papier, noch an der Thür. Majestät! zusammenschreckend. Weh! Sich umblickend und Guldberg erkennend. Seid ihrs? Sich mühsam fassend. Was bringt ihr mir? Die Vollmacht, Königin, Die ihr dem Schack befohlen, euch zu senden. Gebt! Nachdem sie gelesen, die Feder ergreifend. Er muß sterben, Guldberg. Ich gewahre Ein wunderbar Gefühl von stiller Sehnsucht Und unbestimmten Wünschen in dem Herzen Des Königs. Das darf nicht Wurzel fassen. Er denkt an ihn, ich weiß, und an Mathilde In stummen Träumen oft. Wir wollen das Nicht länger ängstlich fürchten. Kann ich auch Den Wunsch nach dem vertrauten Günstling nicht Ertödten in des Königs Brust, so kann ich Den Günstling selber tödten, – und ich will's. Sie unterschreibt die Vollmacht. Schack ist ein schlauer Mann, – im Dienste eifrig, Uns treu ergeben – ich vertrau' ihm ganz. Guldberg die Vollmacht gebend. Nehmt, Guldberg, und befördert dies sogleich, Es ist der Tod des Struensee. Und Ranzau? Sorgt nicht! ich brüte sein Verderben. Gilt! Während Guldberg abgeht, treten ein Page und die Damen der Königin ein. Der englische Ambassadeur! Er komme! 6. Szene Sechste Scene. Juliane. Keith. Ihr meidet unsern Hof, Sir Robert Keith? Wir haben's wohl bemerkt und euch vermißt. einen Brief überreichend. Dies von der Majestät des Königs, meines Herrn. Vom Könige von England, sehr willkommen. Nachdem sie mit sichtbarer Bewegung gelesen. Ha, seh' ich recht, man droht uns? Welche Sprache, Welch' kühne Warnung? Sir, in diesem Lande Bin ich jetzt Königin. Nicht, Eure Majestät – Die Königin von Dänmark weint im Kerker. Weint sie? Wohl ihr; laßt sie in ihrem Kerker Beweinen, was sie hier verbrochen! Wahrlich, 's ist an der Zeit, daß sie mit heißer Reue Die Flecken ihrer königlichen Seele Vertilge. Ihre Seele richtet Gott; Daß aber ihre ird'schen Thaten nicht Der Menschen Bosheit richte, Haß und Falschheit Nicht ihre freie, königliche Neigung Brandmarke mit dem Stempel sünd'ger Flammen; Das, Königin! wird England nicht gestatten. Man soll die Welt nicht mit dem Mährchen täuschen: Sie sei ein frevelnd Bündniß eingegangen Und habe nach der unumschränkten Krone Gestrebt, die sie besaß. Sie war die Mächt'ge! Ihr blieb nichts mehr zu wünschen, als die Feinde Versöhnt zu seh'n. Wie ihr der Wunsch erfüllt ward, Das wißt ihr, Majestät! Ihr wißt es auch, Wie man geschäftig jetzt bestoch'ner Diener Verräth'risch Zeugniß nützt und wider sie Des Hochverrathes blut'ge Klage schmiedet. Doch England, Königin! ist nicht gesonnen, Zu dulden, daß ein blut'ger Richterspruch Die edle Königstochter treffe. – England Schickt seine Flotten aus, und eine Welt Erzittert, und auf dieser kleinen Insel Sollt' ihm ein friedlich bill'ger Wunsch versagt sein? O möcht' es euch gefallen, Königin! Ein gnädiges Gehör mir zu gewähren, Sonst dürfte bald ein donnernd Meer in Waffen Euch rächend fragen: Wo ist Englands Tochter? Wir würden nicht die Antwort schuldig bleiben. Welch eine Sprache, Sir? Mit solcher Drohung Wähnt man ein Reich zu schrecken? In der That, Die Sprache ziemt euch jetzt, indeß man sorgt Und zittert in dem Parlament und wägt, Wie man des Landes innern Zwist bekämpfe. Die Colonieen werden schwierig, Sir. Amerika wird eure Flotten brauchen. Ganz and're Sorgen drücken Großbritannien, Als seine ehrvergessene Prinzessin Vor ihres Königes gerechtem Zorne Und des Gesetzes Strafen zu beschützen. Dann aber, denk' ich, hat eu'r stolzes England, Das stets mit Recht und Biederkeit sich brüstet, Mehr Königinnen zum Schaffot gesendet Als jemals das vereinigte Europa. Mir scheint, den gift'gen Brauch des Hasses sollte Die Majestät der Königin verschmähen, Verbrechen mit Verbrechen zu entschuld'gen. Wir werden Englands König bitten, Sir, Uns einen bessern Diener herzusenden Und einen minder kühnen, der die Sprache Der Kön'ge kennt, und unterwürf'ger Ehrfurcht. Ihr werdet mir vergönnen, Majestät! In eurer Nähe zu verweilen, bis Die Königin von Dänmark ihrer Haft Entlassen ist; das ist der hohe Wille Des gnädigen Monarchen, dem ich diene. Doch wenn mein trübes Amt vollbracht, und wieder Der thränenschwere Blick der holden Fürstin Die freie Sonne grüßt, dann, Königin, Soll mich ein eilig Schiff zur Heimath führen, Wie mich die Sehnsucht längst von hinnen zieht; Denn kein Gelüsten trag' ich, zu verweilen, Wo sich Verrath und Haß die Herrschaft theilen, Wo man in Ketten morgen schlägt, die heut' Allmächtig sich des Königs Gunst erfreut! Wo in dem Glanz der reinen Majestät Die Königin vor feilen Richtern steht, Und das Gesetz gemißbraucht wird, den Schein Des heil'gen Rechts der Frevelthat zu leih'n. Ab. 7. Szene Siebente Scene. Juliane, ihre Damen. Der Freche geht und darf die stolze Sprache Des mächt'gen Englands reden! Dulden muß ich's, Ich muß noch Härt'res tragen. Darf ihr Haupt Nicht treffen, wie ich wollte. Sie wird frei, Ich ahn' es wohl, von hinnen zieh'n, denn sie Beschützt die Krone und ihr britisch Blut. Zur Gräfin Uhlfeld. Doch, theure Gräfin, das befürchtet nicht, Daß sie auf Dänmarks Thron zurücke kehre. Ich will die Stufen dieses Thrones hier, Die sie entweiht durch schamlos freche Sitten, Mit einem Blute reinigen, daß sie Gewiß vor Thronen immerdar ein Grauen Empfinden soll wie vor dem Hochgericht. Juliane ab mit ihren Damen. 8. Szene Achte Scene. Verwandlung. Zimmer der Königin Mathilde in der Festung Kronenburg. Mittel- und Seitenthüren. Mathilde mit Emmy, ihrer Kammerfrau, in heftiger Bewegung aus einem Seitenzimmer. Laß mich, ich sprech' ihn nicht, will ihn nicht seh'n. Er kommt im Namen des Gerichtes, sagt er. Welch ein Gericht? Wo sind die Könige Versammelt, mich zu richten? Theure Fürstin, Vergebt dem treuen Rath – wenn ihr ihn doch Vernehmen wolltet, wenn er Gutes riethe – – Ich kenne diesen Schack nicht, hab' ihn selten Bei Hofe nur geseh'n; ich weiß es nicht, Ob er mir treu gesinnt ist, ob er nicht Ein list'ger Späher zum Verrath – o Gott! Wer war mir treu? Wer hat mich nicht verrathen? Ihr sagtet gestern mir, ihr wär't gefaßt, Zu tragen, was der Himmel euch beschieden. Wollt ihr nicht glauben, daß nach solchem Jammer Er Freuden euch bereiten wird und Segen? Wollt ihr den Schack empfangen? Laß ihn kommen. Wie thöricht, daß ich mich noch sträube, ihn Zu seh'n! Trotz bieten darf ich jeder neuen Qual! Denk' nicht gering von deiner Kön'gin, Emmy; Ich bin ein Kind, das unter Schlangen wimmert. Rings von dem zischenden Gezücht umgeben, Befürchtet's immer nur die nächste, denkt nicht, Daß auch die fern're bald ihr nagend Gift In die verlass'ne Seele spritzt. Vergeblich Streckt es die Hände flehend aus, die Nattern Umstricken's alle endlich fest mit einem Verschlung'nen Knoten, bis der gift'ge Druck Das Herz des Kindes bricht. Jetzt laß ihn kommen, Was er mir bringt, voll Muth will ich empfangen Die neue Natter zu den alten Schlangen. Emmy ab. 9. Szene Neunte Scene. allein. Einsam blick' ich zu dir empor, Unerschöpflicher, prüfender Gott! Wohin ich mich wende, Ist's öd' und leer – Nichts hab' ich mehr Als dich! Du gabst mir die Krone zu nagender Pein, Du ließest mich einsam und verlassen, Ein Spott der Schändlichen, die mich hassen; Am Herzen des Gatten verschmäht, allein! – Kannst du mich strafen, daß ich den Einen, Den einzig Treuen nicht von mir stieß, Sollt' er, da Alles mich verließ, Nicht mit mir fühlen, mit mir weinen? War es Verbrechen? Willst du's zu rächen, Von mir die leuchtenden Blicke wenden? Wer soll mir Rath und Hülfe senden? Soll ich vergebens zu dir beten? Soll ich dem Feind jetzt entgegentreten Mit zagendem Herzen und scheuem Sinn? Wo ist der Muth und der Glaube hin? Weh' mir, was ich auch sinn' und wähle, Immer sagt mir die zagende Seele: Einer würde dich schützen und retten! Aber er seufzt in des Kerkers Nacht, Rasselt vergeblich mit schändlichen Ketten, Und es faßt ihm die Seele mit schauriger Macht. Die Thränen stürzen mit Ungestüm, Und er weinet nach mir, wie ich nach ihm. Emmy kommt zurück. Er kommt – ihr seid bewegt. Ich bin gefaßt. Da Schack eintritt, entfernt sich Emmy. 10. Szene Zehnte Scene. Mathilde. Schack. In des Gerichtes Namen komm' ich her, Das auf Befehl des Königs sich versammelt, Den Grafen Struensee – wendet sich mit einer Bewegung des Schauders ab. Wenn ihr's vergönnt, So geh' ich ohne weit're Förmlichkeit Zu Dem, was eure Majestät – Entweiht Das heil'ge Wort in diesen Mauern nicht. Die Majestät kann nicht im Kerker schmachten. Die Majestät ist wie des Himmels Allmacht Freiherrschend, ohne Richter auf der Erde. Ich ward gefangen durch Verrath, ich habe Das Antlitz meines königlichen Gatten Nicht mehr geseh'n, und nur aus seinem Munde Ziemt mir's, mein Schicksal zu vernehmen. Niemals Ist in dem Reich, das ich beherrsche, Königinnen Wie mir begegnet worden. Doch es scheint, Der Himmel will mich prüfen, und ich werde, Was er beschieden, mit Ergebung tragen. Jetzt sagt mir an, und spart das edle Wort, Das meine Würde nennt, die ihr geschändet; Sagt ohne Scheu, was man von mir begehrt. Graf Struensee ... Könnt' ihr mir's nicht ersparen, Von ihm zu reden? Nur von ihm allein Hab' ich zu reden. Wohl, auch dies; nur weiter. Vor seinen Richtern hat der Graf bekannt, Daß er mit euch in frevelhaftem Bündniß Sich wider unsres Königs Majestät Verschworen. Nimmermehr, das ist erlogen. Er hat's gesagt, und sagte ferner noch: Daß er in sünd'ger Gluth für euch entbrannt, Die Flammen seines Herzens euch gestanden, Daß ihr's vernommen – daß ihr ihm vergeben. Ihr lügt, ihr lügt, das hat er nicht gestanden! O über diese List'gen! Wie unglaublich, Wie schlecht ersonnen ist die grobe Täuschung. Nennt es Betrug, ich geb' es euch für Wahrheit. Und frag' euch nun im Namen des Gerichts: Gesteht auch ihr, was Struensee bekannt? Nie, – niemals – muthet das dem Irrsinn zu! So werdet ihr vergönnen, daß wir euch Dem Angeklagten gegenüber stellen. Weh' mir! Sagt ihm ins Angesicht, daß er gelogen, Und wir verdammen ihn als Hochverräther, Denn er verleumdet seine Königin. Ihm gegenüber? Unerhört! Das sollt' ich, Ich, seine Königin? – Es ist unmöglich, Er hat es nicht gestanden! Aber wie? – – Habt ihr nicht Martern, die ein falsch Bekenntniß Erpressen? – – Das Gericht ging nicht so weit, Man hat ihm mit der Folter nur gedroht. O Gott, die Folter! nach einer Pause. Königin! es gäbe Ein Mittel, Alles gütlich auszugleichen; Es würd' euch die entsetzliche Begegnung Ersparen, – euch befreien und ihn retten. Ich kenne kein's. ein Papier hervorziehend. Ich aber hab' es sorglich Euch vorbereitet, denn ich weiß, es giebt Nur dieses Eine – unterschreibt dies Blatt! nachdem sie das Blatt gelesen. Das sollt' ich? – Großer Gott! Das ist ja eben Das schändliche Bekenntniß, das ihr fordert! Hier steht, daß er's gewagt, mir zu bekennen, Was ich zu nennen schaud're – daß ich dies Entsetzliche Geständniß, um sein Haupt Dem Beile des Gesetzes nicht zu opfern, Dem Könige verschwieg und dem Verbrecher Den Hochverrath verzieh'n. – Das sollt' ihn retten? Ihr wollt auch mich verderben; darum wollt ihr Dem Frevel meinen Namen zugesellen. Das will ich in der That; denn was auf Erden Kann sonst das Haupt des Hochverräthers vor Dem Beil des Henkers schützen? – – Hört mich an! Vergönnt mir, ein vertraulich Wort zu reden; Ich darf es euch gesteh'n, der König will Nicht seinen Tod. rasch. Das glaub' ich euch, denn ach! Ich weiß, schwach ist des sanften Königs Herz, Doch mild und gütig, und die Blutthat muß ihn Entsetzen. Das Gericht indessen geht Den ew'gen Gang, wird ihn auf gültigen Beweis Verdammen, richten lassen, wenn ihr nicht Durch einen Zweifel seine Sprüche fesselt. Und welchen Zweifel? Ob das Urtheil nicht, Das ihn verdammt, die Sicherheit des Staats Bedroht? Bestätigt ihr, was er bekannt, So seid ihr schuldig, wie er selbst. Der König Und das Gericht muß euch, wie ihn verdammen. Das aber wagt man nicht, denn England droht. Droht England? O mein süßes Vaterland, Geliebter Bruder! freies, edles Volk! Gedenkt ihr mein, dann bin ich nicht verlassen! Man kann euch nicht frei sprechen, ihn verdammen. Er wird Mitschuldiger der Königin, Er ist mit euch verloren oder frei. Das klingt wie Wahrheit. Möchtet ihr mir glauben. Was fordert ihr? Ich soll die eigne Schmach Bestätigen? O Gott, wo find' ich Wahrheit? Die Menschen alle haben mir gelogen, Da ich noch mächtig war und reich an Gnaden. Wollt ihr nun edler sein und Wahrheit mir In meinem Jammer geben? Vertraut mir! ihn forschend anblickend. Darf ich es? – Gebt mir das Blatt. Sie legt das Blatt vor sich auf den Schreibtisch, ein Sessel steht hinter ihr, indem sie sich anschickt, es zu unterschreiben, überfliegt sie es noch einmal, sich schaudernd davon wendend. Das könnt' ich selber? – Niemals, niemals. Faßt euch. für sich. Ich soll – ich muß – mit bleibt kein andrer Ausweg! Ihm gegenüber, – ich ertrüg' es nicht. Sie will schreiben und zögert wieder. Mein Herz wird schwach – die Glieder beben mir, Muth, Fassung – Sie schreibt langsam und sagt leise. Ca–ro–li–na. Innehaltend. Was beginn' ich? Wenn er mich doch betrügt – ich muß ihn prüfen, Der Spiegel zeigt sein Bild mir – Sie blickt seitwärts nach dem Spiegel, Schack steht ruhig hinter ihr. So – ich habe Vollendet, nehmt! Sie deutet mit abgewendetem Gesicht auf das Blatt. mit freudiger Bewegung. Gelungen! indem er das Blatt fassen will und sie die Feder noch hält, bemerkt sie sein Lächeln, aufschreiend. Weh' mir, Er jauchzt – mein Herz – ich bin verrathen! Sie sinkt ohnmächtig in den Sessel, die Feder krampfhaft haltend. Das bist du. Auf das Blatt blickend, das vor ihr liegt. Wie? Den einen Namen nur? Nur Caroline, und Mathilde fehlt Zur Hälfte fast. Wir wollen dem Gericht Ein Zeugniß bringen von der Kön'gin Hand; Und das erfüll' ich nun, wie ich's gelobt. Indem er der ohnmächtigen Königin die Hand führt, schreibt er aussprechend. Ma–thil–de –, so – nun haben wir Beweise. Er eilt ab. 5. Akt 1. Szene Erste Scene. sitzend. Die Nacht währt ewig! Will noch Keiner kommen? Ich wart' und harre. – Worauf harr' ich denn? Auf meines Feindes Todesurtheil! Seltsam, Daß man auf so was ängstlich harren kann. Pause. Hab' ich doch Jahre lang auf meine Rechte, Auf Das gewartet, was mir Leben war Und Alles – auf das Recht, die Krone wieder Mit ihrem vollen Schmuck zu tragen. – Nicht Zu eitlem Putz den Purpur anzulegen; Ich wollte mehr damit – die Königskleider Sind nicht zum Tand da, sind kein Fastnachtsmantel Für hohle Larven. Trägt ein Weib den Purpur, So birgt er eine Königin. Aufstehend. Ich war es, Eh' sie ins Land gekommen, die mir Alles Geraubt, mit ihrem glatten Angesicht Den Sohn verlockte, mir mein Anseh'n stahl. Die Macht, die Hoffnung – Alles, Alles, Alles – Er war ihr Werkzeug, den ich heut verderbe, Er büße mir für sie – die Krone schützt Ihr Haupt, – dafür will ich das seine, Will's auf dem Henkerblock – 2. Szene Zweite Scene. Schack. Köller. Guldberg. Juliane. Mehrere Räthe. Ha! endlich! Hat das Gericht entschieden? Was verhängt es Ueber den Hochverräther Struensee? Den Tod durch Henkers Hand. Das Urtheil ist Bereits dem Grafen ... Er hat aufgehört, Ein Graf zu sein! Entadelt ihn und nennt ihn, Wie sich's gebührt. Dem Struensee wird eben Sein Urtheil kund gethan; es zu vollziehen, Erwarten wir des Königes Bestät'gung. Die muß sogleich erfolgen; wenn sie aber Erfolgt ist, laßt das Urtheil ungesäumt Vollzieh'n! Ich sage ungesäumt, – wir dürfen Nicht einem schwächlichen Gefühl der Reue Kaum lassen in des Königs Brust. Die Sonne Des nächsten Morgens darf den Struensee Nicht unter den Lebendigen mehr schauen. Wo ist Graf Ranzau? Seit bekannt geworden, Welch Urtheil über Struensee verhängt ist, Hab' ich den Grafen überall vergeblich Zu suchen mich bemüht. Ich muß ihn tadeln. Hier war sein Platz in diesem Augenblick. Es war an ihm, zur Unterschrift dem Kön'ge Das Urtheil vorzulegen. Warum ist er Nicht hier? Zu Schack. So geht ihr Augenblicks zum Kön'ge Und laßt das Urtheil – – Königin, nicht mich Erwählt zu diesem wicht'gen Amt. Wenn plötzlich Dem Könige ein Blick auf dieses Blatt Besinnung lehrte, Zweifel – nein – ich fühle – Nicht Kraft in mir – ihm das Urtheil entreißend, zu Köller. Nehmt ihr's! Verschont mich, Königin, ich bin Zu diesem Dienst nicht tauglich. Stellt mich hin, Wo was zu wagen ist, – zum Ueberreden Ist mir das Schwert nicht nütz, – da gilt die Zunge, Das ist nicht meine Waffe. zu einem neben ihr stehenden Rathe. So nehmt ihr! Da dieser sich verneinend abwendet, zu den Andern. Will's Keiner wagen? Keiner? Alle schweigen. So will ich's. Kleinmüth'ge Seelen! kann mein Sohn, der König, Die kleine Bitte seiner Mutter weigern, Den Namen Christian unter dieses Blatt Zu setzen? Folgt mir, Guldberg, und ihr Alle jubelt, Der Feind des Landes, Struensee, ist todt. Ab, die Uebrigen nach andern Seiten. 3. Szene Dritte Scene. Ein Kerker. Es ist Nacht. Ein Lämpchen brennt auf dem Tisch. Im Hintergrunde ist eine große verschlossene Pforte. Links eine kleine Seitenthür. Struensee liegt schlafend in Ketten auf einem Ruhebett. Nach einer Pause öffnet sich in der Mauer rechts eine verborgene Thür, durch welche Ranzau und der Kerkermeister eintreten. zum Kerkermeister, ihm eine Börse in die Hand drückend. Nimm dies, es sichert dir die Flucht. Jetzt aber Laß mich allein mit ihm. Vergeßt nur nicht, Was ihr mir zugesagt. – Ich duld' es nicht, Daß er entflieh', wenn er in Dänmark bleibt. Mein Vaterland entgelt' es nicht, beliebt mir's, Die Seele zu verkaufen. Herr, ich sag's euch, Wollt ihr, daß dieser Deutsche wiederum Das Regiment in Dänmark führ', so bitt' ich, Nehmt euer Gold zurück. Recht, alter Däne! Das soll er nicht. Ich wiederhol' es dir, Er soll nach England, noch in dieser Nacht Muß er an Bord, und wenn die Henker kommen, Mit Tagesanbruch ihn zu suchen, fliegt er Auf off'ner See dahin. – Du selber mußt Auf meinen Gütern dich verbergen, bis Der Tag kommt, wo ich selbst dem Könige Gestehen werde, was wir Beide thaten, Ihm eine Blutthat zu ersparen. Herr! Es wär' wohl besser, ihr erspartet sie Ihm nicht. Auf Struensee deutend. Der ist schon längst gefaßt und hat die Seele Beruhigt in der Haft – mit Gott gerechnet, Hat seine Sünden alle still zusammen Gezählt und hat die Summe – Tod gefunden. Soll er die Rechnung noch einmal beginnen? 's ist Sünde, Herr, – laßt es beim Alten. Geh, Und wahre dir dein eignes Heil, und sichre Dir nur dein Gold, bis du gerettet bist. O Gold! Du falsche Lockung aller Seelen, Du blonde Metze, lockst die meine auch Zum Abgrund. – Herr, wenn mich der jüngste Tag Um den Verrath verdammt, müßt ihr's vertreten. Ab. 4. Szene Vierte Scene. Ranzau. Struensee schlafend. Er schläft, – kann schlafen, – seine Ketten drücken Ihm nicht die Seele, – seine Träume zeigen Ihm sein vergang'nes Glück, und sein Erwachen Klagt seine Mörder an. Es ist entsetzlich, Ein Mörder sein – mich tödtet der Gedanke. – Was zögr' ich – auf! Unglücklicher, erwacht! aufschreckend. Wer ruft? Ist das nicht Ranzau? War mir's doch Als säh' ich dich, Mathilde! Unglücksel'ger! Ich bin erwacht und träume nicht. – Ihr seid es. Was führt euch her in meinen Kerker? Wollt ihr Euch weiden an dem Anblick meiner Schmach? Das hab' ich selbst in bitt'ren Stunden nie Euch zugetraut, und dachte würd'ger stets Von euch und eurem stolzen Sinne. nach einigem Kampf auf die Thür in der Mauer deutend. Flieht! erstaunt. Bin ich in meinem Kerker? Monden lang Hielt ich den Blick auf jene Wand geheftet, Und diese Thür entdeckt' ich nie. Sie ist Dem Kerkermeister nur bekannt; und heute Ward sie für euch geöffnet, zögert nicht Und flieht. Ein englisch Schiff liegt segelfertig, Zum Ufer leitet euch ein treuer Diener, Der an der Pforte eurer harrt, und euch Die Ketten lösen wird. Flieht! euer Hüter Weiß Alles, ist bestochen. – Eilt und flieht, Uns drängt die Zeit. Mich drängt das Herz, zu hören, Was euch bewegt, euch antreibt, mich zu retten? O wechselt keine Worte! Flieht und denkt nur, Dem sichern Tode zu entrinnen. Wähnt ihr, Die Rache zögre? Ihr geschäftig Beil Ist schon bereitet, trifft euch, eh' ihr's denkt. Wie, oder kennt ihr euer Urtheil nicht? Und kennt' ich's nicht, ich kenne meine Feinde. Sie zaudern nicht, heut Nacht entscheidet sich's. Ich weiß, das Urtheil liegt vor meinem König. Er wird's bestätigen! Hofft nicht auf Gnade. Der König wird's bestätigen, weil er muß; Und Gnade hoff' ich von dem Himmel nur. Sie offenbart sich euch, zeigt euch den Ausweg. Der Schritt ins Grab ist aller Leiden Ausweg. Die Nacht bringt mir des Daseins letzte Stunden, Und morgen bricht die Kette meines Lebens. Die Sonne steigt empor und röthet mir Den letzten Gang. Der Mittag findet schon Auf blut'gem Schandpfahl meine bleichen Glieder, Und kommt der Abend, werden diese Augen Vielleicht der Raben nächt'ge Speise ... Weh', Das könnt ihr denken, und ihr zögert? Seht ihr Die Rettungspforte nicht geöffnet? Flieht Und säumt nicht länger, flieht! Ich sehe staunend Den Mann, der erst mit Zorneseifer mich In diesen Abgrund stürzte, nun das Seil Der Rettung bieten; nicht so unbedacht, Wie ihr's begehrt, gedenk' ich's zu ergreifen. Ihr wähnt doch nicht, es schrecke mich der Tod? Ich kenn' ihn wie der Krieger in der Schlacht, Und minder schön; denn zu dem Krankenlager Sah ich in wechselnder Gestalt ihn schleichen, Und hab' ihn oft geprüft. Ich bin vertraut Mit ihm wie mit Genossen meiner Jugend. Von allen Seufzern, die er aus der Brust Des Menschen lockt, kenn' ich den Ton, – ich werd' ihm Nicht bebend in das bleiche Antlitz schauen, Und flieh' ihn nicht so eilig, als ihr denkt. Nach Dem, was ich erfahren und gelitten, Wähl' ich bedächtig zwischen Tod und Leben. Was mir das Dasein werth ist, muß ich wissen, Eh' ich so schnell, vielleicht für lange Qualen, Die kurze Marter meines Todes tausche. Ihr könntet wählen, thöricht euch bedenken, Der Schmach des Hochgerichtes zu enteilen? Erleichtert mir das Herz! Laßt mich zuvor Das Loos der Freunde wissen, die mein Schicksal Getheilt, und in des Grabes düsterm Vorhof, In dunkler Haft, wie ich geschmachtet, – redet Von Brandt mir ... Was begehrt ihr, Mann des Unglücks! Ist er verurtheilt? Euch voranzugeh'n. So mord' ich auch den Freund! O blut'ger Jammer. Und sein Verbrechen? War er euer Freund nicht? Er hütete den König. Leicht verwandelt Ein williges Gericht in solcher Nähe Das Wort zur That, Vergeh'n zu Hochverrath. Und meine andern Freunde? Falkenschiold, Und Viele sind zu langer Haft verdammt. Die Last wird immer schwerer, wälzt sich näher Und näher mir aufs Herz. Nur Eines noch Bleibt mir zu wissen, dann entscheid' ich mich. Weh'! mir erstarrt das Wort. Euch soll ich's fragen, Der das Entsetzliche gethan! O rauher Mann, Wie konntet ihr zu jenem Schergenamt Die Hand leih'n? – Eure holde Königin Aus ihrem Schlummer wecken, die Erhab'ne Mit rohen Händen zu berühren wagen? wendet sich ab. – Nach einer Pause. Vergebt mir, wenn ich euch gekränkt. Ich fühle es, Die Stunde naht, – die keinen Groll mehr duldet, Euch aber drängt die Zeit, so laßt uns enden. Was wird aus ihr, – der ewig Theuern, redet, Was ist das Schicksal meiner Königin? Verbannt aus Dänmark, von dem Könige Durch Richterspruch geschieden, wird man ihr Vergönnen, sich den Aufenthalt zu wählen In ihres Bruders deutschen Staaten. Dort In stiller Einsamkeit ... Es ist genug, Mein Leben endet, ich entfliehe nicht. Unmöglich! Seht! Wie's euch unmöglich scheint, Nicht vor dem Tod der Schmach sich zu entsetzen, So ganz unmöglich scheint das Leben mir. Was nennt ihr Leben? Das alltägliche Geschäft des Daseins; Sommer, Herbst und Winter, Und wieder Frühling kommen seh'n, und wieder Die Blumen morgen welken seh'n, die gestern In bunter Frische glühten? – Wenn die Jugend Hinweggeschäumt ist, mit gelieh'ner Gluth Den trägen Lauf des greisen Bluts zu spornen? – Das wär's allein, was uns die süße Mühe Des Athmens werth macht? Nein, mein Freund, ist Ein Anderes, es ist der stille Blick, Den wir zurück ins Herz thun – wenn wir dort Ein trauliches Gebäude uns erbaut Von Wünschen, Hoffnung und Erinnerungen, Wenn wir zurück in dieses liebe Haus Uns flüchten können bei der Zeiten Wetter, Dann ruht sich's sanft im Schooß des Daseins aus. – Mir aber liegt der ganze Bau in Trümmer. Von roher Faust zerschlagen, würd' ich nun Die öde Stätte meines Herzens flieh'n. Verwüstet Alles, keine Hoffnung mehr, Und die Erinn'rung nagend wie Verbrechen! Ich sollte leben, das Gefühl ertragen, Daß ich die Freunde in den Abgrund stieß, Und mich gerettet? Ich, – ich könnte leben Und sehen, wie die Einzige, der ich Jedwede Freude gern geopfert, einsam, Verbannt, – hinweggerissen von der Kinder Herzen – Freudlose Tage hinweint? Auf dem Thron Geboren, Dänmarks Königin, ein Spott Der Menge, hülflos seufzt und ihr Verderben Zurückwälzt auf mein Haupt? Das sollt' ich tragen? Der Henkerblock ist eine Friedensstätte; Das Leben wäre mir ein ew'ger Kampf, Aus dem kein Sieg zu hoffen ist. O eilt, Eh' meine Henker hier euch finden, – flieht, Ich fliehe nicht. O güt'ger Gott! Nur sagt mir Das Eine noch. Was hat in eurem Herzen Den Haß so plötzlich umgewandelt, treibt Zur Rettung eures Feindes euch? Das fragst du, Bejammernswerther Mann? Dein grauenvolles, Entsetzliches Geschick. – Ich sagt' euch einst, Ihr könnt, der Fremde, nicht in Dänmark herrschen. Könnt nicht mit fremdem Geist und fernerzeugten, Verhaßten Lehren dieses Volkes Schicksal Nach Willkür lenken. Meine Warnungsstimme Verhallte in der Wüste; immer kühner Zum Ziele strebtet ihr, – ihr mußtet fallen. Ich ward das Werkzeug fremder Macht, – die Zügel Entschlüpften meiner Hand, und das Verhängniß Bestimmte euch zum Opfer nied'rer Rache. Das hab' ich nie gewollt, ich dürstete Nach eurem Blute nicht. Nun wird das Land Entehrt durch diesen Richterspruch, der euch Den Weg gemeiner Missethäter sendet. O flieht, flieht – gebt mir meinen Schlummer wieder, Die Ruhe meiner Nächte. Dreimal sah ich Euch blutig vor mir steh'n in stiller Nacht. Der Schlaf ist ewig fort, – das greise Haupt Des alten Kriegers schließt die müden Augen Vergeblich zu, – die blutige Gestalt Ist immer wieder da, – die Nacht ist endlos, Und all mein Schlummer ruht in eurem Grabe. Eilt, eilt hinweg! Besänftigt euer Herz! Nach dieser Stunde wird euch kein Gefühl Ruhloser Reue schrecken. Ich erwarte Erquickend stillen Schlaf in meiner Gruft, Wenn mein zerstreut Gebein gesammelt wird Und ruhen darf im dunklen Schooß der Mutter. Denn ruhen will ich ohne Traum, und will Vergessen, wenn ich's kann. Und darf ich's nicht, Und schlagen eures Himmels kühle Tropfen Wie ird'sche Boten an die grüne Decke Der Todten, dann erwachen wir gewiß Zu blutigen Gedanken nicht, – dann fliegt Vielleicht die Sehnsucht heimlich auf und senkt Noch süß'ren Schlummer auf die süße Stätte, Wo ein geliebtes Herz mit leisen Schlägen Für seine Träume den Geschied'nen ruft. Laßt euch erfleh'n und flieht! Ich hörte Geräusch am Thor. Das sind die Todesboten! Eilt, eilt und geht mit dem Gefühl hinweg, Daß ich euch nie gehaßt, daß ich zum Abschied Die Hand des kühnen Mannes herzlich drücke, Der einst mein Feind im Glück, nun wie ein Freund Mir eine Freude, die ich nie gehofft, Bereitet, in dem letzten Augenblick Des Lebens ein versöhntes Herz mir zeigt, Mir Rettung bietet in der schweren Stunde. Lebt wohl! Seid stark. Juliane muß euch hassen, Wie sie mich haßte. Endet glücklicher Als ich. Sie umarmen sich; Ranzau eilt durch die verborgene Thür ab, die sich hinter ihm schließt. 5. Szene Fünfte Scene. allein. Das war kein Sieg, denn ohne Kampf Entsag' ich meinem Leben; alle Schatten, Die noch auf seinem trüben Grunde haften, Will ich hinweg durch dieses Ende tilgen. Der Wille eines Mannes, dem die That Nur keuchend nachfliegt, der noch vor dem Ausgang Ohnmächtig niedersinkt, wird das Gespött Der Welt; er fällt verachtet, – stirbt vergessen. Doch wenn im vollen Sommer seines Lebens Ein furchtbar Wetter über ihn daherzieht, Das neidische Gewölk ihn tödtlich faßt, Und blutend hinwirft, – dann ergreift die Herzen Ein Mitleid wohl, sie fragen sich erschüttert: Hat er's verdient, und sinkt er nicht zu früh? So fühlt der stolze Mann, der mich verließ. Und möchte so die Nachwelt einst versöhnt Mit meinem Blut in ihrem ew'gen Buch Die ird'schen Schwächen meines Namens löschen! 6. Szene Sechste Scene. Ein Officier mit Wache. Struensee. zur Wache. Entfesselt den Gefang'nen. Bin ich frei? ein schwarz versiegeltes Blatt hervorziehend. Welch eine Freiheit, Unglücksel'ger, bring' ich! Die herrlichste, die alle Fessel löst. Das Siegel betrachtend. Es ist mein Todesurtheil – nicht? – Es ist Bestätigt, – o ich bitt' euch, lest. für sich. Weh mir. Er erbricht es und liest heftig bewegt. »Es wird für Recht erkannt, daß der Graf Johann Friedrich Struensee, sich selbst zur wohlverdienten Strafe, und andern Gleichgesinnten zum Beispiel und Abscheu, Ehre, Leib und Gut verbrochen habe, seiner gräflichen und aller andern ihm verliehenen Würden entsetzt, und sein gräfliches Wappen von Henkershand zerbrochen werden solle, sodann –« Verschont mich, ich ertrag' es nicht – – Das Blatt entsinkt ihm. ergreift es, liest es ruhig zu Ende, dann. Die Commissarien des Gerichts! und hier Des Königs Name. Nicht dein heil'ger Wille Begehrt mein Haupt. Armer betrog'ner König, Du bist verrathen und verführt, mußt selbst Von deiner Seite deinen treuen Engel Verbannen! Ohne Gattin, ohne Freund, Verlassen, einsam sollst du sein, bis einst Auch dir ein Rettungstag erscheint, uns Allen Ein Rächer wird ersteh'n! Herr Graf, ich bitt' euch, Wenn euch noch etwas zu verfügen bleibt, So zögert nicht. Die Nacht ist bald zu Ende. Mit Tagesanbruch werdet ihr bereit sein, Den letzten Weg zu geh'n. Mir sagt's mein Herz, Ich scheide nicht ganz unbeweint von hinnen. So möcht' ich wohl noch einen Gruß des Friedens Am Rand' der Gruft den Theuern allen senden, Die um mich weinen werden auf der Erde; Wenn ihr den Wunsch mir nicht versagt, wollt ihr Die Briefe dann bestell'n? Sie werden mir Ein heiliges Vermächtniß sein. Ich glaub' es – Und dies Vertrauen ist mein einz'ger Dank. Ihr seid ein edler Mann, und freudig legt Ein Sterbender in eure treue Hand, Was ihm noch übrig bleibt von allen Gütern, Die er besaß, – sein letztes Wort. Ich gehe, Und zög're nicht, und habe bald geendet. Ab. 7. Szene Siebente Scene. allein, die Mittelpforte öffnet sich. Wie, seh' ich recht? Das ist der Köller-Banner. Treibt ihn der Haß so weit, – wer folgt ihm noch? 8. Szene Achte Scene. Officier, Köller-Banner mit seinen Adjutanten, Pfarrer Struensee, von seinem Diener begleitet; der Pfarrer wirft einen schmerzlichen Blick auf den Kerker, verbirgt sein Gesicht an des Dieners Brust und bleibt in dieser Stellung im Hintergrunde stehen. zu Köller. Wie, General, Ihr selbst bemüht euch her? Es ist der Kön'gin Wille, ist mein Wunsch, Mich selbst zu überzeugen, ob hier Alles Geordnet ist, wie es befohlen worden. War't ihr's, der dem Gefangenen das Urtheil Gebracht? Empfing er's ruhig und gefaßt? Der Held geht nicht gefaßter in die Schlacht, Als er zum Blutgerüst. Jetzt ist er dort Beschäftigt, seinen Freunden noch zu schreiben. Laßt ihn gewähren, bis die Stunde ruft. Dann aber gebt wohl Acht, daß er nicht zög're. Das Volk erwartet ihn, und soll nicht murren. Der Platz des Hochgerichtes wird umstellt Mit sichern Truppen. Sorgt, daß kein Versäumniß Die Sicherheit der Hauptstadt störe. Brandt Geht ihm voran, – und folgt dann Struensee, Besteigt er das Gerüst, so laßt die Trommeln Im Wirbel schlagen, daß das Volk ihn nicht Vernehme, wenn er's wagt, es anzureden. Er wird es nicht, – es scheint, er hat die Rechnung Mit Gott, mit sich und mit der Welt geschlossen. Wenn er's vermochte, that er wohl! Es ist Mein Wille ferner, daß man ihm gestatte, Mit diesem Manne hier allein zu reden. Der Pfarrer Struensee bleibt unbeweglich in seiner Stellung. Es ist sein Vater. erschüttert. Großer Gott! Er kommt. Wird euch sein Anblick nicht bewegen? Wollt ihr Euch nicht entfernen? Köller geht rasch zur Pforte, dort aber bleibt er plötzlich stehen. tritt ein, der Officier steht ihm zunächst, indem er ihm die Briefe giebt. Diese Briefe sind – – Köller wendet sich und begegnet Struensee mit einem festen, durchdringenden Blick, den dieser mit Würde und Fassung erträgt; dann geht Köller rasch ab; alle Officiere folgen ihm. 9. Szene Neunte Scene. Graf Struensee hat den Blick bei Köller's Abgang abgewendet, so daß er seinen Vater nicht bemerkt, mit welchem er allein bleibt. Graf Struensee. Pfarrer Struensee. Das that mir weh! In diesem Augenblick Den Feind zu seh'n, der unversöhnlich noch Den Haß im Busen trägt! Auch dieser Kampf Blieb zu besteh'n. Ich habe überwunden. Ich bin allein! Steh' an dem offnen Grab' Allein. – Kein Freundesauge glänzt in Thränen Des süßen Mitleids, – keine liebe Stimme Schlägt tröstend an mein Herz. O hätt' ich nur Den theuern Vater noch einmal geseh'n! Daß ich von seinen Lippen nur ein Wort Des Segens noch gehört, – den einz'gen Laut: Leb' wohl, mein Sohn! der, bei den ersten Worten des Sohnes aufgeschreckt, langsam vortrat. Mein Friedrich! Welche Stimme! Mein Vater! Ewige Barmherzigkeit! Mein Vater, ich erliege! der Sohn hält seines Vaters Knie umklammert, dieser hebt ihn auf. Fasse dich! Laß uns dem großen Augenblick mit Ruh' Entgegen geh'n, nicht mit gemeinem Jammer Die letzte Stunde trüben; in der nächsten Stehst du vor Dem, an den wir denken müssen. Könnt ihr's denn fassen, könnt ihr's tragen, Vater? Mich so zu seh'n. Ich hab' es kommen seh'n! In deines Glückes Tagen sah ich Alles Sich langsam vorbereiten; warnend kam ich, Du hörtest nicht; nun kommt der Tag des Unglücks, Den ich gefürchtet. Wißt ihr, welchen Weg Der blut'gen Schwach die Feinde mir bestimmt? Jedweder Weg des Todes führt zu Dem, Der unser Aller Heil und Wonne ist. In diesem Glauben stirb, – so wirst du leben. Nach einer Pause. Mein theurer Sohn, wie steht's um deine Seele? Ich glaube, sie ist rein von Haß und Rachsucht. So bist du mit der Welt versöhnt? Ich bin's. Hast du die Seele auch von schnödem Zweifel Gereinigt? Wankt dein Glaube nicht, mein Sohn? Ich glaube, Vater! an die Liebe Gottes, Ich glaube an das Glück der Ewigkeit, Ich glaube an die Sünden meines Lebens, Ich fühle mich zerknirscht von bitt'rer Reue. Denkst du nicht mehr an deine sünd'ge Liebe? Was nennt ihr meine sünd'ge Liebe, Vater? Denkst du nicht mehr an deine Königin? Nein, Vater, nein, das kann ich nicht geloben, Sie war der schöne Engel meines Lebens! Und wie die süße Ahnung ew'ger Wonnen, Ruht ihr geliebtes Bild in meiner Seele; Die letzten Worte ihrer Huld umweh'n Mich wie ein Frühlingshauch am offnen Grab'; Ich denk' an sie, muß an sie denken, Vater, So lang' die Seele ruht in ihren Banden. Nun hab' ich's euch, – längst hab' ich's Gott gestanden. Der Aller Herzen wägt, wird dir vergeben, – Geh' ein, verklärter Geist, zur Herrlichkeit. Der Himmel leuchtet! Er vergiebt! Er führte Den Vater her in meine Todesstunde! Sein heilig Zeichen der Vergebung glänzt In euren Blicken; meine ganze Seele Jauchzt auf zu ihm, und wie ein Sieger einzieht In sein erkämpftes Reich durch blut'ge Pforten, Schreit' ich empor zu ihm vom Blutgerüst. Der Tag geht auf! demüthig leg' ich ihm Mein Leben nieder vor dem ew'gen Thron. Verborg'ner Wille tritt ans Licht und glänzt, Und Thaten werden bleich, wie ird'scher Kummer. Doch ein beglückter Lohn steigt blühend auf. Hier, wo ich wirkte, reift manch' edle Saat! So hab' ich nicht umsonst gelebt, so hab' ich Mit falschen Lehren nicht das Reich geblendet! Es kommt der Tag, die Zeiten machen's wahr, Was ich gewollt, die Tyrannei erkennt, Daß sich das Ende ihrer Schrecken naht. Ich seh' ein Blutgerüst sich nach dem andern Erbau'n, ein rasend Volk entfesselt sich, Trifft seinen König in verruchter Wuth, Und dann sich selbst mit immer neuen Schlägen. Geschäftig mäht das Beil die Leben nieder, Wie ems'ge Schnitter ihre Ernte – plötzlich Hemmt eine starke Hand die eh'rne Wuth. Der Henker ruht, – doch die gewalt'ge Hand Kommt nicht zu segnen mit dem Zweig des Friedens. Mit ihrem Schwert vergeudet sie die Völker, Bis auch der Kampf erlischt; – ein brausend Meer Schlägt an ein einsam Grab, und Alles ruht. Und hell're Tage kommen, und die Völker Und Kön'ge schließen einen ew'gen Bund. Nothwendig ist die Zeit, – sie muß erscheinen; Sie ist gewiß, wie die allmächt'ge Weisheit. Nur durch die Kön'ge sind die Völker mächtig, Nur durch die Völker sind die Kön'ge groß. Die Thüren öffnen sich, Wache – zwei Gerichtsdiener, von denen einer das Wappen des Grafen trägt, der Geistliche; der Graf schreckt bei diesem Anblick leicht zusammen. zu ihm. Wie ist dir, theurer Sohn? Wohl, lieber Vater! So laß uns geh'n – Nein, nein, das duld' ich nicht, Du darfst mich nicht auf diesem Gang begleiten, Du nicht, mein Vater! Bricht dein Auge nicht Vor Jammer schon in diesem Augenblick? Sollt' ich gefaßt sein, wenn dein theurer Blick ... Nein, nein – das trüg' ich nicht, – laß ab, mein Vater! Von diesem gräßlichen Entschluß, – mich soll Der würd'ge Mann zur Ruhestatt geleiten, Du aber, Vater! gieb mir deinen Segen. O! mein geknicktes Herz, o Gott des Himmels, Erbarme dich und gieb mir Kraft! Sein Sohn kniet vor ihm nieder, indem er ihm die Hände segnend aufs Haupt legt. Der Herr sei mit dir! seine Gnade stärke Dich in dem letzten, schweren Augenblick. Er sei dir nah' in deiner Todesstunde, Der einst für dich gelitten und gebüßt. Der Herr laß über dir sein Antlitz leuchten, Er geb' dir seinen ew'gen Frieden – Amen. Indem der Graf aufsteht, sinken sich Vater und Sohn sprachlos in die Arme. Ich lasse nicht von dir! O laß uns scheiden! ihn fest umschlingend. Du bist mein Kind! Es ist der blüh'nde Theil Von meinem Leben, den der Himmel fordert! Soll ich nicht einmal noch auf diese Blüthe Die Lippen drücken? Scheide, Sohn, mir ist's, Als säh' ich deine Mutter dort, – sie wartet, – Er kommt, – ich halt' ihn länger nicht. Indem er den Sohn aus seinen Armen entläßt, sinkt er zu seinen Füßen nieder. Er sinkt! Er sinkt! – Der Schmerz ist mild und wendet Die theuren Blicke von des Abschieds Grau'n! Eh' du erwachst, werd' ich das Leben schau'n. Mein Weg ist kurz, – ich habe bald vollendet. Er geht, Alle folgen ihm. Der Pfarrer bleibt allein mit seinem Diener zurück. nach langer Pause aus der Ohnmacht erwachend. Er ist hinweg. – Wo ist er? Trommelwirbel aus der Ferne. Pfarrer Struensee zum Himmel blickend. Dort!