Sophie Bernhardi Flore und Blanscheflur Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen Vorrede Vorrede Schon vor mehreren Jahren habe ich mich mit der Bearbeitung des vorliegenden Gedichtes beschäftigt; verschiedene Umstände, vor allem aber meine lange Abwesenheit aus Deutschland, haben mich bis jetzt verhindert, es dem Drucke zu übergeben, welches ich nun mit einiger Schüchternheit thue, weil ich sehr wohl weiß, welche schwierige Aufgabe ich mir selber gemacht habe, und also mit Recht zweifle, ob es mir gelungen ist, sie zur Befriedigung der Kenner der Poesie zu lösen. Bei dem jetzt allgemein verbreiteten Studium der altdeutschen Poesie darf ich mit Recht voraussetzen, daß das aus dem Mittelalter auf uns gekommene Gedicht: Flore und Blanscheflur , gekannt ist, und also die Vergleichung mit meiner Arbeit leicht wird, woraus sich dann von selbst ergiebt, ob mein Unternehmen Rechtfertigung verdient, oder ob ich so unglücklich gewesen bin, meinen Zweck zu verfehlen, es sey mir nur erlaubt noch einige Gründe anzuführen, weshalb diese Behandlung des Stoffes von mir gewählt wurde. Unter den uns bekannten Gedichten des Mittelalters zog mich besonders der reizende Gedanke von Flore und Blanscheflur an, die Natur der Blumen in der Liebe zweier Kinder darzustellen, denn wie die Bilder der Rose für Flore und der Lilie für Blanscheflur immer wiederkehren, so dient der zarte Glanz und die liebliche Farbe dieser Blumen immer dazu, in allen Wendungen der Rede die Schönheit der Kinder zu verherrlichen, wie der anmuthige Duft der Blüten, gleichsam den Hauch bezeichnet, der in den süßesten Reimen ihre Liebe spricht. Ein anderer Grund der mich bestimmte, liegt in der großen Unvollkommenheit des altdeutschen Gedichts, denn es schien mir eben deshalb erlaubt, nur die Grund-Idee des Alten zu behalten, und im Uebrigen frei bei der Ausschmückung des Ganzen meiner Neigung zu folgen. Es hat sich mir oft der Gedanke aufgedrängt, daß, wie wir das altdeutsche Gedicht besitzen, es vielleicht mehr als ein Versuch sich in der Poesie zu üben betrachtet werden muß, als daß es die Forderungen befriedigte die man zu machen berechtigt ist, wenn es als das Werk eines Meisters betrachtet werden sollte; denn, einzelne schöne Stellen abgerechnet, bewegt sich das Ganze ohne Kunst, und die kurzen Verse mit aufeinander folgenden Reimen sind ohne Wahl und Geschmack nach einander hingestellt, so daß sie nur mühsam dienen, den trägen Gang der Geschichte zu erzählen, die, wie ich glaube, in dem Gedicht selbst die Bedeutung verloren hat, indem nur fragmentarisch, wie es mir scheint, die einzelnen Schönheiten einer damals berühmten und bekannten Liebesgeschichte benutzt sind. Ich habe gesucht mehr Einheit und Zusammenhang in das Gedicht zu bringen, und zugleich mit mehr Mannigfaltigkeit es auszuschmücken; deshalb habe ich die Keuschheits-Probe gegen den Schluß nicht fallen lassen, obgleich der strenge Ameral seinen Sinn ändert; denn mir scheint, um ihn vollkommen zu überwinden, ist sie unerläßlich nöthig, abgerechnet, daß wenn diese Probe der Keuschheit ganz vergessen wird, ein unnützer Aufwand von Fantasie gemacht ist, um früher diesen höchsten Zauber zu beschreiben. Auch glaube ich, muß der Ameral nicht bloß die Lehre bekommen, daß der höchste Scharfsinn, den er anwendet seine Frauen zu verschließen, dennoch ohnmächtig gegen die Liebe ist, sondern er muß sich auch überzeugen, daß bei der Reinigkeit des Herzens die Unschuld der Sitten auch bei der traulichsten Nähe nicht verletzt wird. Dies scheint mir der Sinn des alten Gedichts zu seyn und deshalb sind Blumen als das Unschuldigste in der Natur zum Bilde gewählt, und deshalb kommt der Poet immer wieder darauf zurück, wenn sie auch in höchster Zärtlichkeit schwelgen, daß ihre Liebe derjenigen der Engel gleicht. Bei dieser höchsten Blumen-Unschuld ist es natürlich nicht zu vermeiden, daß der endliche Schluß, die eheliche Verbindung, aus dem Ton, aus dem Character des Ganzen fällt, und die Frömmigkeit, die über den Rest ihres Lebens gebreitet wird, kann den Mißton nicht aufheben. Diesen Fehler hat mein Gedicht mit dem alten gemein, und ich gestehe, daß meine Fantasie mir kein Mittel bot, ihn zu vermeiden, denn die Art, wie ihn Boccaccio in seiner Bearbeitung desselben Gegenstandes vermieden hat, heißt das ganze Gedicht aufheben. Dieser Meister in der Darstellung und Redekunst hat seine ihm eigenthümliche Schönheit hinein gebracht. Der Satan selbst bestimmt den König Felix die Pilger zu erschlagen, und schöne Reden werden von ihm wie von den Pilgern gehalten; Flore selbst tritt schon in Kinderjahren als Held auf, indem er Riesen erschlägt und dergleichen Heldenthaten ausübt. Wie er später in den Thurm eindringt zu seiner ihm entrissenen Blanscheflur , so ist ihr Beysammenseyn nicht, wie im alten Gedicht gesagt wird, »in lieber Unschuld die den Engeln glich;« und als der strenge Ameral sein Daseyn entdeckt, läßt er ihn mit seiner jungen Freundinn entkleidet zum Fenster hinaus hängen, welches auf eine unangenehme Weise an Mars und Venus erinnert, wie sie sich im goldnen Netze befanden, so daß am Ende in diesem Werke des großen italienischen Meisters für mich nichts störend ist, als daß die Kinder mit Rosen und Lilien, wie im alten Gedicht verglichen werden. Doch auch Boccaccio's Werk ist in Deutschland bekannt, und man kann, wenn mein Versuch bedeutend genug erscheint, ihn auch mit diesem vergleichen. Ich habe gesucht meinem Gedichte den innern Zusammenhang zu geben, der dem alten mangelt, indessen gebe ich gerne zu, daß mein Versuch nicht vollkommen gelungen ist; das alte Gedicht ist zu fragmentarisch, und ich wollte mir nicht zu viele Willkührlichkeiten erlauben. Auch habe ich, um die ermüdende Einförmigkeit zu vermeiden, die einem Gedichte so leicht beigesellt ist, das sich um wenige Gedanken dreht, mir alle die Ausschmückungen erlaubt, welche mein Vorbild nur schwach andeutet. So habe ich die Annäherung, Erklärung und Vereinigung zweier liebenden Gemüther leise durch die Einleitungen der zwölf Gesänge geschlungen, aus denen mein Gedicht besteht. Eben so habe ich in diesen Einleitungen, die, in der Zeit worin die Erzählung des Gedichts angenommen wird, bekanntesten Liebesgeschichten angebracht, wie in dem Gedicht selbst, die in der Mythologie berühmtesten; beides ist schwach angedeutet in dem alten Gedicht, indem in der Einleitung Tristan und Isalde erwähnt wird, so wie im Laufe der Geschichte Dido und Aeneas. Statt der höchst ermüdenden kurzen Verse, mit aufeinander folgenden Reimen, welche nicht die mindeste Kunst erfodern, habe ich die italienische Form der Ottave rime gewählt, die sich durch den Character künstlerischer Bildung, den sie an sich tragen, vorzüglich für das erzählende Gedicht eignen, und mir ganz besonders zweckmäßig für Flore und Blanscheflur schienen, weil durch die dreimal abwechselnden Reime sich in der Form schon eine gewisse Zärtlichkeit ausdrückt, die in den beiden Schlußreimen gleichsam eine sanfte Befriedigung findet. Ich glaube nicht, daß man mich um dieser Behauptung willen des Mysticismus beschuldigen wird, ob man gleich in der neuesten Zeit diesen Vorwurf oft sonderbar mißbraucht hat, denn ich glaube, daß die Alten die Poesie deswegen die Sprache der Götter nannten, und daß Sänger und Dichter gleichbedeutend sind, weil die Poesie die Musik welche in jeder Sprache sich befindet, vorherrschend macht, und wie die Musik zärtlich, andächtig, flehend, zürnend, kriegerisch, triumphirend seyn kann: so, ohne Frage, auch die Poesie, und zwar nicht allein dem Geiste und Worte nach, sondern auch in der Form; und deshalb glaube ich keineswegs, daß es gleichgültig ist, welche Form der Poesie gewählt wird, um diese verschiedenen Empfindungen auszudrücken. Daß ich diese Form gewählt habe, werden mich vielleicht scharfe Kritiker, trotz meiner Ansicht bedauren machen, denn sehr gewiß werde ich meine Aufgabe nicht überall so glücklich gelöst haben, daß dem Tadel kein Raum bliebe; doch läßt sich auch hoffen, daß billiggesinnte Kunstrichter die große Schwierigkeit berücksichtigen werden, womit besonders in dieser Form der Poesie gekämpft werden muß. Trift mich aber auch die schärfste Kritik, so muß ich mich damit trösten, daß selbst Torquato Tasso in seinem befreiten Jerusalem nicht von allem Tadel frei bleibt, was die Form anbetrifft, denn seine Stanzen zerfallen häufig in zwei Theile, und man kann sich zuweilen eine etwas ermüdende Eintönigkeit der Verse nicht abläugnen. Ist dies einem der grösten Meister der italienischen Poesie begegnet, in einer Sprache, worin man leichter den Wohllaut findet als vermeidet, so hoffe ich, man wird auch die Mängel in meinem Werk nachsichtig entschuldigen, denn mit dem größten, bis jetzt in dieser Form noch unübertroffenen Meister, Ariosto, wetteifern zu wollen, so weit hat mich mein Muth niemals geführt. Es bleibt mir nun noch übrig zu bemerken, daß ich die altdeutsche Form der Sprache nur in sofern beibehalten habe, als sie vollkommen verständlich bleibt, und dazu beiträgt, den Wohllaut zu vermehren. So habe ich zuweilen die Endigungen der Alten: Freundinne statt Freundin , und Königinne für Königin behalten, weil es oft den Vers weicher macht, und oft der härtere männliche Reim dadurch vermieden wird. Da Flore und Blanscheflur ursprünglich aus dem Französischen her stammt, so, wie wohl alle Gedichte des Mittelalters, die sich auf Arthur und die Tafelrunde, oder auf Karl den Großen und seinen Hof beziehen; so finden sich im alten Gedicht viele Spuren französischer höflicher Redensarten, welche ich nicht verschmäht habe beizubehalten, als zum Beispiel, der häufig vorkommende Gebrauch der Redensart, mit Gnade , welches die wörtliche Uebersetzung des noch jetzt in der französischen Sprache üblichen, de grace , ist; eben so die Anrede: Königin, welches im verliebten Gespräch bloß Königin des Herzens bedeutet und keine andre Würde bezeichnen soll. In vielen Gedichten des Mittelalters kommt der Ameral als eine Person von hoher Würde vor, welcher viele andere Könige untergeordnet sind, und auch in Flore und Blanscheflur nimmt er eine bedeutende Stelle ein. Ich habe einige Male in neuern Poesien diese Benennung Ameral, in Admiral verwandelt gefunden, welches ich für unrichtig halte, obgleich die Aehnlichkeit sehr nahe liegt; denn ein Admiral, wie reich, mächtig und angesehen er auch seyn mag, ist immer seinem Monarchen untergeordnet, und ihm können nicht viele Könige unterworfen seyn. In der Beschreibung der Reise und Wallfahrt des Grafen Johann von Solms im Jahr 1483 nach dem gelobten Lande, werden drei Personen als die Regenten von Alt-Cairo, oder wie es dort geschrieben ist Alkayr, genannt, wovon der Erste der Soldan, der Nächste in der Ordnung der Amiraldus genannt wird, der Dritte Dyodarus. Von diesen dreien Regenten wird ausdrücklich gesagt, daß sie über die ganze Heidenschaft herrschen, und die verschiedenen Gebieter einsetzen. Noch in einer andern Reisebeschreibung aus derselben Zeit, kommt die Würde des Amerals vor, und wird ausdrücklich von ihm gesagt, daß ihm viele Könige unterthan sind; ich habe aber die mir hierüber aufgeschriebene Notiz verloren, und kann mich nicht auf den Titel des Buchs besinnen. Nach diesen wenigen Bemerkungen, die es mir nothwendig schien meinem Werke voran zu schicken, muß ich es nun erwarten, welchen Eindruck die zärtliche Liebe dieser beiden Blumen-Kinder auf die Leser machen wird. Sophie von Knorring . Vorrede des Herausgebers [August Wilhelm Schlegel] Vorrede des Herausgebers Seit einiger Zeit hat sich, nicht bloß in Deutschland, sondern auch in andern Ländern Europa's, eine lebhafte Neigung sowohl zu den Dichtungen, als zu geschichtlichen oder dichterischen Darstellungen des Mittelalters kund gegeben. Es ist vielleicht um so anziehender, sich in die vaterländische Vorzeit zu versetzen, je fremder ihre Sitte uns geworden, und je mehr die damalige Verfassung der Gesellschaft in der heutigen Wirklichkeit ausgelöscht ist. Glücklich begabte Dichter haben sich darin gefallen, ihre eignen Erfindungen in die Tracht der ritterlichen Zeit zu kleiden. Allein dieß ist ein bedenkliches Unternehmen: denn es steht kaum zu erwarten, daß eine freye Erdichtung menschlicher Leidenschaften, Handlungen und Lebens-Auftritte nicht in gewissem Grade das Gepräge ihrer Zeit tragen sollte: und wenn das der Fall ist, so wird das gewählte Costum nicht ganz zu dem Grundgewebe passen, und ein Mangel an sichrer Haltung zu spüren seyn. Ueberhaupt sind die einfachen, kräftigen, und eben deswegen gläubigen Zeitalter am glücklichsten im Erfinden; ich meine im Hervorbringen solcher Erdichtungen, die, wenn sie einmal vorhanden sind, in die Reihe der Wirklichkeiten einzutreten, und die Mannichfaltigkeit des Weltschauspiels zu bereichern scheinen. Ausbilden und vollenden hingegen, auch die bewußtlose Tiefe ergründen, ist der eigentliche Beruf solcher Zeitalter, in welchen die Besonnenheit und der zweifelnde Verstand vorwaltet. Es dürfte also auf alle Weise das gerathenste seyn, bei einem solchen Vorhaben sich an die ächten und noch vorhandenen Dichtungen des Mittelalters anzuschließen. Hier ist durch die Bewegung der Charakter der Gestalten schon gegeben; die verloschenen Umrisse dürfen nur aufgefrischt, und mit ihren eigenthümlichen Farben ausgefüllt werden, um ein anschauliches Bild der ritterlichen Zeit in vollkommener Einstimmung mit sich selbst hervortreten zu lassen. Man hat sich auf verschiedene Art bemüht, die zuvor ganz in Vergessenheit begrabenen alten Ritterromane wieder ans Licht zu ziehn. Zuvörderst durch prosaische Auszüge: dieß ist besonders in Frankreich geschehen, aber ohne Kritik, ohne Kenntniß der wahren Quellen, nach vergleichungsweise sehr späten und verfälschten Bearbeitungen, in einem gezierten Vortrage, der mit der Unschuld und Treuherzigkeit der Dichtungen in schneidendem Widerspruche stand; man schien die feine Lesewelt gleichsam um Verzeihung zu bitten, daß man sie von solchen Albernheiten unterhalte. Nur in Deutschland ist bisher eine beträchtliche Anzahl der in Versen abgefaßten Originale aus dem dreyzehnten Jahrhundert treu in der alten Sprache abgedruckt. In England, wiewohl man dort den Gehalt dieser Dichtungen zu ahnden anfängt, hat man sich meistens mit Proben begnügt, übrigens Auszüge, zum Theil ziemlich verständige, geliefert. In Frankreich, wo durch Raynouard's meisterhafte Arbeiten ein neues Licht über die Provenzalische Litteratur aufgeht, hat man im Nordfranzösischen nur von dem Fabliaux und dem allegorischen Roman von der Rose genaue Ausgaben veranstaltet; an die Ritterromane ist die Reihe noch gar nicht gekommen. Indessen müssen sie, auch durch treue Abdrücke vor dem gänzlichen Untergange bewahrt, dennoch den meisten Lesern unzugänglich bleiben. Denn sie sind in einer veralteten Sprache geschrieben; und was das schlimmste ist, in einer Sprache, welche zwar schwer verständlich, aber doch die unsrige ist. Wenn es um den Genuß ausländischer Poesie zu thun ist, so versetzen wir uns willig zu dem Dichter auf sein eignes Gebiet. Hier aber wird man beständig durch die Erinnerung an den verschiedenen Sprachgebrauch, und die veränderte Geltung der Wörter gestört, und gelangt nur durch lange fortgesetzte und eigentlich gelehrte Uebung zu einem reinen Eindruck. Es kommt jedoch ein viel wesentlicher Umstand hinzu, weswegen die alten erzählenden Gedichte nicht bloß einen Sprachausleger, sondern einen dichterischen Dollmetscher erwarten. Ihre Form ist meistens sehr unvollkommen: ich hoffe durch dieses Geständniß die Verehrer der Vorzeit um so weniger zu kränken, je entschiedener ich mich über den unermeßlich hohen Werth der Dichtungen selbst, und das Unvermögen der jetzigen Zeit, etwas ähnliches hervorzubringen, ausgesprochen habe. Die Erzählung ist unbeholfen: es fehlt ihr auf der einen Seite an rascher Gewandtheit und gedrängter Kürze, welche vorzüglich in den bloß zur Verständigung unentbehrlichen und des Schmuckes wenig empfänglichen Theilen erfodert wird; auf der andern Seite an gleichmäßig vertheilter, und in leichtem Schwunge vorübereilender Fülle. Es ist, als fühlten die Erzähler die Unzulänglichkeit ihrer Worte für das, was sie so treu und gemüthlich empfinden: sie wollen ihren Gegenstand erschöpfen, sie nehmen verschiedentlich einen neuen Anlauf, und verfallen in Weitschweifigkeit. Insbesondre wissen sie die Wendepunkte der Begebenheiten nicht genugsam herauszuheben, und weder allmählich vorzubereiten, noch zu verschweigen und auszusparen, wo Ueberraschung bewirkt werden soll. An diesen Gebrechen hat die unglücklich gewählte Versart der kurzen Reimpaare keinen geringen Antheil. Es ist nicht zu läugnen, die schnelle Folge der Reime hat den Dichtern oft befremdliche und störende Wendungen abgenöthigt, ja zuweilen Verse, die ganz wie müßige Einschiebsel aussehn. Diese Versart ist von einer auch dem geübtesten Vorleser unüberwindlichen Eintönigkeit: die kunstreicheren Meister haben diese, jedoch vergeblich, dadurch zu heben versucht, daß sie mit dem Sinne beständig aus einem Reimpaare in das andre hinüberschreiten, und also durch die Wortfügung, der Natur des Reimes zuwider, verbinden was er trennt, und trennen was er verbindet. Welcher Kunsterfahrene möchte es unternehmen, in dieser Versart ein langes erzählendes Gedicht durchzuführen? Bey dem Gebrauch des Reimes ist irgend eine Abtheilung in Strophen dazu ganz unentbehrlich. An dem Bruchstücke des ächten Titurel in vierzeiligen Strophen, einigermaßen auch noch an der Umarbeitung in siebenzeiligen, sieht man die günstige Rückwirkung einer schicklicher gewählten Form auf die Darstellung. Es versteht sich, daß wir nicht von dem Liede der Nibelungen reden, welches durch Ton und Farbe eben so wesentlich von den welschen Ritterromanen ausgesondert ist, als durch seine Heimath und die verschiedene Art der Entstehung. Von diesem Gedichte behaupte ich allerdings, und berufe mich dabey auf die schon gemachten Erfahrungen, daß es keine Erneuerung, die der Aussprache beym mündlichen Vortrage ausgenommen, weder bedürfe noch dulde, um lebendig auf die Gemüther zu wirken. Wenn man mir im Obigen beystimmt, so wird man mir auch zugeben, den alten Ritterromanen sey nicht etwa damit zu helfen, wenn man durch Wegnahme des Unverständlichen, Ueberflüssigen und Mißfälligen stellenweise nachbesserte, im Ganzen aber Form und Manier beybehielte. Hiedurch würde nichts anderes bewirkt werden, als ein zwitterhaftes Wesen; eine unerlaubte Verfälschung des Alten, ohne daß doch ein wahrhaft Neues aufgestellt, und in sich selbst begründet wäre. Nein: man muß sich ganz an das Wesen halten, die Hülle aber fahren lassen; der Geist der alten Dichtung, aus einem künstlerischen Sinne wiedergebohren, muß sich aufs neue in einer sprechenden und einnehmenden Gestalt verkörpern. Eben dieses Recht haben die alten Dichter an ihren Vorgängern geübt, von welchen sie Ueberlieferung oder Erfindung überkamen: sie schmückten das Ererbte nach den Foderungen ihrer Zeitgenossen; wir müssen das Gleiche für die unsrigen thun, denn niemand kann für seine Altvordern schreiben. Solche Gedanken haben mich oft beschäftigt, als ich der Poesie noch jugendliche Stunden zu widmen hatte. Meine Bewunderung für den Ariosto hielt mich nicht ab, sein wahres Verhältniß zu den Ritterromanen einzusehn. Er hat nur die späteren Bearbeitungen in Prosa gekannt, und an diesen schien ihm erlaubt, alle Willkühr zu üben: ihre Namen und Abentheuer dienten ihm nur zum Vorwande seiner fantastischen Einfälle. Er hat fremde Schätze mannichfaltig darauf zusammengehäuft, keinesweges aber die Dichtung aus ihren eignen Mitteln bereichert; er hat sie übertrieben, ohne sie natürlich zu entfalten. Seine künstlerische Meisterschaft lobt man am besten, wenn man sagt, was erweislich wahr ist, daß er sein Gedicht ohne einen Entwurf angefangen, und ohne einen Entwurf fortgeführt hat; daß er von Gesang zu Gesang, wie von Tage zu Tage gelebt; endlich daß er, während er den bunten Teppich ohne Maaß und Ziel fortwebt, dennoch die Wiederholung der Figuren zu verkleiden, und die Zuschauer bey der Betrachtung festzuhalten weiß. Wenn aber von Haltung und Einheit die Rede ist, so gestehe ich gern, daß ich den prosaischen Roman von Fierabras , so roh und wild er auch seyn mag, vorziehe; wenn von ergreifender Wirkung auf die Gemüther, daß im rasenden Roland nichts mit der Ertränkung des Rosses Bayard in den alten Heymons-Kindern verglichen werden kann. Unter den Italiänischen Dichtern hat Dante noch die ächten Ritterromane gekannt, und nach seiner großen Weise gefühlt: seine wenigen Erwähnungen, vom Lancelot (wer gedenkt nicht dieser?) vom Artus, vom Tristan, von Ronceval und Rolands gewaltigem Horn, haben einen ganz anders zauberischen Anklang als Ariosto's verschwendete und sich gegenseitig im Preise herabsetzende Wunder-Erscheinungen. An einer Dichtung, mit deren tiefer Leidenschaftlichkeit nichts anders aus demselben Kreise verglichen werden kann, am Tristan , unternahm ich, was meinem Sinne vorschwebte, zu verwirklichen. Der erste Versuch schien mir hinlänglich gelungen zu seyn, um mich zu der Fortsetzung aufzumuntern; und ich würde das Werk rasch zu seinem Ziele fortgeführt haben, wenn ich nicht durch unglückliche Vorfälle unterbrochen worden wäre. Nachher ist es mir in einem mannigfaltig bewegten Leben niemals geglückt, den abgerissenen Faden wieder anzuknüpfen; so daß ich mich endlich entschloß, den ersten Gesang, nur als Zeugniß eines unvollendet gebliebenen Vorhabens, dem Publicum mitzutheilen. Jetzt gewährt es mir eine ungemeine Befriedigung, was ich ehemals zu leisten mich bemüht hatte, an einer andern Lieblings-Dichtung des Mittelalters, mit zartem Sinne, mit leichter und glücklicher Hand, ausgeführt zu sehn. Die Geschichte von Flore und Blanscheflur ist eine anmuthige Kinder-Idylle unter den Ritterromanen. Sie war so allgemein beliebt, daß sie in alle Europäische Sprachen, worin man vom dreyzehnten bis zum sechszehnten Jahrhundert zu schreiben und zu dichten pflegte, verschiedentlich übertragen worden ist. Die bibliographischen Nachrichten hierüber, so wie über die Handschriften und Drucke, wird man leicht in den Büchern finden, wo man dergleichen zu suchen gewohnt ist. Den Geist der Dichtung hat mein Bruder Friedrich von Schlegel in seiner Nachricht von den poetischen Werken des Boccaccio bey Gelegenheit des Filocopo treffend geschildert. Die eben genannte Jugendschrift des berühmten Italiäners ist nämlich nichts anders als die Geschichte von Flore und Blanscheflur, aber durch gesuchte Pracht der Schreibart, durch die hinzugedichtete Einwirkung überirdischer Wesen unter heidnischen Namen, und allerley andere fremde Zuthaten zu einem weitläuftigen heroischen Roman in Prosa hinaufgeschraubt. An dieser unerträglichen Verkleidung eines lieblichen Mährchens kann man lernen, wie man es nicht machen muß, wenn man Dichtungen des Mittelalters erneuern will; aber der mit so großer Anstrengung unternommene ehrgeizige Versuch beweist wenigstens, daß im vierzehnten Jahrhundert die Geschichte auch in Italien volksmäßig verbreitet war, und in hohem Rufe stand. Was den Ursprung des Romans von Flore und Blanscheflur betrifft, so ist die Meynung einiger Gelehrten, Spanien sey dessen Heimath, ohne allen Grund, und vielleicht nur durch den Schauplatz der Handlung in der ersten Hälfte veranlaßt worden. Die älteste bisher bekannt gewordene Behandlung ist die welsche, worauf unser alter Meister mit Nennung des Verfassers Robert von Orbent (wofern die Leseart richtig ist) sich beruft. Ob diese noch in der Königlichen Bibliothek zu Paris, oder sonst irgendwo vorhanden seyn mag, kann ich nicht sagen. Allein ich halte Frankreich dennoch nicht für das Geburtsland der Dichtung, und bin geneigt zu glauben, sie sey, wie so manche andre, aus dem Morgenlande, diese aber zunächst aus dem christlichen Morgenlande nach Europa gekommen, und vielleicht durch Vermittlung des Griechischen und Lateinischen in den lebenden Volkssprachen verbreitet worden. Der feindliche Gegensatz zwischen Christenthum und Islam fand im Occident eben so wohl Statt, als im Orient. Den Schauplatz und die Erwähnung der Pilgerfahrt zu St. Jakob von Compostella wird man nicht als eine erhebliche Einwendung anführen: die geographischen Angaben konnten bei der Uebertragung verändert werden: sie sind überdieß meistens verwirrt und unbestimmt genug; Boccaccio hat sie vollends unverantwortlich entstellt. Da ich gegenwärtig die Hülfsmittel nicht zur Hand habe, welche erfodert werden, um eine solche Spur weiter zu verfolgen, so gebe ich meine Ansicht für nichts weiter aus, als eine bloße Vermuthung. Aber da es bey uns Sitte geworden ist, die alten Gedichte nach Fabelkreisen zu ordnen, und ich sehe, daß Flore und Blanscheflur, wegen der am Schlusse beygefügten Genealogie, zu dem Fabelkreise von Karl dem Großen gerechnet wird, so finde ich nöthig zu bemerken, daß diese Dichtung mit jenem Fabelkreise nicht das mindeste zu schaffen hat, sondern, wo sie auch entstanden seyn mag, unabhängig für sich besteht. Ein solcher genealogischer Zusatz, ganz willkührlich ersonnen, war wohlfeilen Kaufs zu haben; und nichts ist bei den alten Erzählern gebräuchlicher, als dieses Mittel, die Namen ihrer Helden an schon berühmt gewordene anzuknüpfen. Wir haben zwei Bearbeitungen in alten Reimen, die eine in Oberdeutscher, die andre in Niederdeutscher Mundart. Die letztere hat Bruns , Professor in Helmstädt, in einer Sammlung Niederdeutscher Gedichte herausgegeben; der gelehrte Eschenburg besaß eine bessere Handschrift davon. (S. dessen Denkmäler altdeutscher Dichtkunst . S. 209 – 230.) Sie scheint sehr jung zu seyn: schwerlich darf man sie höher hinaufsetzen, als in die letzte Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts. Die Erzählung ist ungemein abgekürzt, ja sogar durch Weglassung der eigentlichen Züge (z.B. des Schachspiels, wodurch Flore des Pförtners Gunst gewinnt) häufig verstümmelt. Die Verse sind unförmlich, die Ausdrücke gemein, die bei jedem Abschnitte wiederholte bänkelsängerische Auffoderung, dem Vorleser zu trinken zu geben, ist wohl nur dem Abschreiber zuzurechnen. Aber das Ganze ist in dichterischer Hinsicht völlig werthlos. Der einzige Gesichtspunkt, aus welchem es einige Aufmerksamkeit verdienen möchte, ist die abweichende Angabe einiger Namen und Oerter, woraus hervorgeht, daß das Buch, auf welches der Niederdeutsche Verfasser sich beruft, nicht die vorhandene oberdeutsche Bearbeitung war. Vielleicht hat er mittelbar oder unmittelbar aus einer Lateinischen Quelle geschöpft. Die Vermuthung scheint durch die Abänderung der Namen in Flos und Blankflos begünstigt zu werden. Das Oberdeutsche Gedicht von Floren und Blanscheflur ist durch C. H. Müller in der bekannten Sammlung zum Druck befördert worden: bis zur Unlesbarkeit fehlerhaft, wie alles, was durch die Hände dieses unwissenden Herausgebers gegangen ist. Der Verfasser hat, wie ich oben bemerkte, den Urheber der welschen Fabel , aber, gegen die Sitte des Zeitalters, nicht seinen eignen Namen genannt. Man nimmt an, er habe Herr Conrad Flecke geheißen, weil Rudolph Dienstmann von Montfort einen Ritter dieses Namens als Erzähler der Geschichte von Flore und Blanscheflur rühmt; wogegen auch nichts einzuwenden ist, so lange wir nur Eine so alte Behandlung kennen. Hieraus folgt dann, daß das Gedicht früher als Wilhelm von Orleans geschrieben worden. Der Verfasser spricht sehr bescheiden von sich selbst. Es war sein erster Versuch, und er glaubt deswegen auf Nachsicht Anspruch machen zu dürfen. Wanne zu nuwen listen ist las Ein vngeflissen synn. Dis ist myn erste begynn, Des soll ich genießen, Indeß, wiewohl er weder an erfindungsreicher Tiefe mit Herrn Wolfram von Eschenbach , noch an blühender Anmuth mit Meister Gottfried von Straßburg , noch an gewandter Leichtigkeit und Fülle mit Meister Conrad von Würzburg verglichen werden kann, so fehlt es doch seiner Erzählung nicht an gemüthlichen Zügen, an treffenden Ausdrücken und Bildern, welche ganz unverändert noch jetzt gefallen können. Diese hat die Dichterin sorgsam bewahrt, oft einen versprechenden Keim entfaltet, zuweilen das ausführlich geschilderte zusammengedrängt. Was die Umstände der Geschichte betrifft, ist sie mit allem Rechte dieser ächtesten Ueberlieferung Schritt vor Schritt gefolgt, und hat sich nur da kleine Abweichungen erlaubt, wo ein verändertes Gefühl der Schicklichkeiten sie nothwendig machte. Auch diese Wendung ist dem alten Dichter abgeliehen, daß die Erzählung in einem ritterlichen Kreise von Herrn und Frauen, in einer lachenden Frühlings-Umgebung, durch eine edle Frau gleichsam wie vor einem Liebeshofe vorgetragen wird. Allein jener hat dieses nachher fahren lassen; hier ist hingegen dadurch zu Anfange jedes Gesanges ein Ruhepunkt gewonnen, wo statt der beim Ariost und den übrigen Italiänischen Erzählern von Rittergedichten üblichen allgemeinen Betrachtungen, an eine schon sonst bekannte romantische Dichtung, welche Beziehung auf die Lagen und Schicksale der Liebenden hat, erinnert wird. Mit kunstreicher Symmetrie ist dann in dem Laufe jedes Gesanges irgend ein mythologisches Beyspiel eingeflochten. Man würde irren, wenn man glaubte, die Dichterin sey hiedurch aus der Gedankensphäre des Zeitalters, in welches sie uns versetzen will, hinausgetreten. Die Bilder der alten Mythologie waren im Mittelalter niemals ganz vergessen, sie lebten in dem Sinn der damaligen Menschen nach ihrer allgemeinen Bedeutsamkeit, wenn sie sich gleich auf eigne Weise gestalteten: wie zum Beyspiel Ritter Ulrich von Lichtenstein sich die Göttin Venus zum Helmzimier gewählt hatte, aber vorgestellt als eine Königin im Purpurgewande, mit Krone, Szepter und Fackel. Ein Troubadour vergleicht den Mund seiner Geliebten, der ihn durch einen Kuß verwundet hatte, mit der Peleischen Lanze, welche allein die geschlagenen Wunden zu heilen vermochte; sich selbst, indem er sich in ihren Augen spiegelt, mit dem Narcissus. In einer Geschichte, wo der Sohn eines Mohrischen Königes in Spanien aus der Liebeskunst des weisen Meisters Ovidius Latein lernt, wo nachher ein wunderbarer mit der Geschichte des Paris und der Helena verzierter Becher vorkommt, waren mythologische Erwähnungen doppelt veranlaßt und gerechtfertigt. Auch stand nicht zu besorgen, daß solche kleine Episoden die Theilnahme unwillkommen stören möchten, denn sie steigt niemals bis zu einer schmerzlichen Spannung, weil man vom Anfange an der glücklichen Lösung entgegensieht. In der Sprache hat die Dichterin einen leisen Anstrich von Alterthümlichkeit mit der heutigen Ausbildung glücklich gepaart; hierin, so wie in der Wahl des Sylbenmaaßes, in der Behandlung der Reime, der wechselnden Rhythmen und Einschnitte hat sie ungefähr dasselbe vor Augen gehabt, was ich bei der Ausarbeitung meines Tristan erstrebte. Ich würde vieles bewundernd zu bemerken, nur hier und da gegen einzelne Ausdrücke, gegen die Gliederung der Sätze und manche grammatische Freyheiten etwas zu erinnern finden, wenn ich das Amt eines Kunstbeurtheilers, und nicht das willkommenere eines Herausgebers übernommen hätte. Es steht mir nicht zu, dem Gefühle der Leser und Leserinnen vorzugreifen, denen ich nur geschichtlich die Verhältnisse der Dichtung habe darlegen oder ins Gedächtniß zurückrufen wollen. Die zarte Geschichte von zwey sittsamen Blumenkindern, wo Unschuld und Liebesglut als Lilie und Rose persönlich erscheinen, mit frischem und farbigem Schmuck ausgestattet, wird ohne Zweifel auch jetzt wie ehemals sich Wohlgefallen und Zuneigung erwerben. Bonn im Junius 1822. A. W. von Schlegel . 1. Gesang Erster Gesang Zu einer Zeit, wenn Sommerluft bezwungen Den Winter, wenn die Blumen neu entspringen, Und Gras und Kräuter aus dem Boden drungen Und tausend Vögel aus den Lüften singen; Die Bäche lieblich hin durch Grün geschlungen Im Laufe über Kiesel scherzend klingen; Wann bald April nun weicht der Lust des Maien Wo alle Wonnen lieblich sich erneuen; Da prangt im vollen Grün ein schöner Garten, Dort konnte man versammelt herrlich schauen Was man von Sommerwonne mag erwarten, Das Laub des Waldes, und den Schmuck der Auen, Die Glanz noch Duft noch keine Farbe sparten, Und eine Schaar von Rittern und von Frauen, Die so von Schönheit, Lieblichkeit umfunkelt, Daß sie den Glanz des Gartens fast verdunkelt. Der Sommer grünete in voller Güte, Die Nachtigall vor allen Vögeln sang, Es färbte sich roth, weiß, blau jede Blüte, Die aus dem Boden, aus den Zweigen sprang, Da lebten recht von neuem im Gemüthe Die Wünsche derer, die die Minne zwang. Durch Blumenglanz und holder Frauen Scherzen Traf Liebesweh die unbewehrten Herzen. Von Stämmen großen, Zweigen vielen breiten So standen Bäume in des Gartens Mitte, Die süßen Duft und Schatten rings verbreiten, Kein Sonnenstrahl, der scharf und feindlich schnitte, Konnte den Schein durch ihre Wipfel leiten, Dahin lenkt nun die holde Schaar die Tritte; Der Ort war würdiglich die zu empfangen, Die wie die Frühlingsblumen leuchtend prangen. Hier schimmerte im mannigfachen Grün Ein Oelbaum, sanft sich regend mit den Zweigen, Ein Lorbeer dessen Wuchs und Rauschen kühn, Und ein Cypressus will sich traurend neigen, Im Sonnenlicht sieht man den Cedrus glühn, Des Stamm sich müht zum Himmel aufzusteigen, Die wählte man mit Pracht sie zu bekleiden, Und man umhing sie mit thessal'scher Seiden. Und zwischen diesen Bäumen sprang ein Bronnen, Der hin sich wonniglich durch Blumen goß, Nicht glaub' ich, daß noch größere Lust gewonnen Mag werden, als die Schaar allhier genoß, Wo Wasser, Bäume, Blumen, alle Wonnen, Da wurden ihre Herzen sorgenlos, Und nur die süße Sorge um die Minne Beherrschte minniglich ihr aller Sinne. Die Frau'n und Ritter saßen in dem Zelte Und hörten an der süßen Vöglein Toben, Was Herz und Auge, jeder Sinn sich wählte Das fand er hier, und mußt es dankend loben, Von Minne sprachen sie, die Leid vergelte, So daß es oft zur Seeligkeit erhoben, Wie öfter noch der zarten Minne Süße Ein ewig sehnend Leid, mit Schmerzen büße. An Tristan dachten sie, der seelig trunken Sein Herz der blonden Königin ergeben, Und wie Isalde süßes Gift getrunken, Daß beid' in Sehnsucht Minne athmend leben. Wie dann ihr Glück in Finsterniß versunken, Des Helden Geist um Lieben mußt entschweben; Isalde sterben an dem todten Herzen: So klagten sie der Minne Leid und Schmerzen. Wie wollt ihr doch die Minne wohl verklagen Sprach eine Frau jetzt süß und minniglich; Was wollt ihr uns von ihren Leiden sagen Da nichts sich ihrer Seeligkeit verglich? In Vögeln, Blumen, und in Sommertagen Singt, duftet und bewegt die Liebe sich, Die Seele fühlt mit wollustreichem Beben Wie Klang und Duft das Herz zu fesseln streben. Doch wer die Minne will darum vermeiden Weil sie so oft uns schwere Arbeit giebt, Verdienet nicht ihr Glück, und ihre Leiden, Wer Leid nicht kennt, kennt Liebe nicht die liebt, Und gern mag der vom Hof der Minne scheiden, Der ihren Dienst mit halber Seele übt, Nur wird sein freudenreiches Ziel erstreben Wer ganz sein Herz in Liebe hat ergeben. Ich will euch hier von holder Liebe sagen Die einst gelebt in zweien Blumenkinden; Wie früh sie Leid im Herzen schon getragen, Der Minne Weh in Kindheit schon empfinden; Bis endlich sie nach Weinen, Leiden, Klagen Der Minne Lohn im sel'gen Herzen finden. So glänzend blühn nie Blumen auf der Flur, Als Flore einst und seine Blanscheflur. Und jedem ward, der diese Rede hörte, Erfreut das Herz, sie riefen eine Stille, Daß kein Geräusch die holde Fraue störte, Zum Dienst der Liebe neigt sich jeder Wille: (Und welcher Sinn, der sich der Macht empörte?) Die Frau hub an, daß sie ihr Wort erfüllte Der Liebe Weh' der Liebe Seeligkeit Trug sie nun vor mit holder Lieblichkeit: Ein altes Lied, sprach sie, ist mir erklungen, Wie einst ein Graf sich treu bewährt in Liebe, Bis er sein Ziel in sel'ger Lust errungen, Durch Minne Gunst gekrönt des Herzens Triebe. Ein holdes Weib ihn liebend hielt umschlungen, Daß süßer Schmerz nicht ungestillt ihm bliebe. So heilte sie des edlen Ritters Wunde Durch sanften Kuß von rosenrothem Munde. Da brachte nicht der Mai so holde Blüte, Die Vögel nicht so wonnigliches Singen, Die höher ihm geleuchtet im Gemüthe Das näher ihm zum Herzen konnte dringen, Als dieser Frauen Schönheit, ihre Güte, Es könnte spielend ihrem Blick gelingen; Schon frei mocht' ihn von aller Sorge machen Von ihrem Aug' ein minnigliches Lachen. So sprach auch sie: O wohl mir seelig Weib! Der Minne Lohn, wie hab ich ihn erfunden, Daß ich des edlen Ritters schönem Leib In Liebe ward zur heil'gen Eh' verbunden! – So lebten heid' in Wonn' und Seeligkeit, Und sieben Jahre waren so verschwunden, Da senkte zärtlich zu der Liebe Lust Ein sanfter Schmerz sich in die treue Brust. Wenn nun in Liebe rosenroth erblühen Die holden Wangen, ringt doch inn'res Sehnen Feucht zu verhüllen der Sternen Augen Glühen, Die Wange netzend wie mit Thaues Thränen. »Der Minne Huld wird nimmer uns entfliehen Sprach sie, doch muß ich traurend wähnen: Den Herrn erbarmt nicht wie die Seele klagt, Weil er ein Kind als höchstes Glück versagt. Von diesem Schmerz ward unser Herz betroffen, Erseufzt der Graf, nicht kann ich ihn bezwingen. Von Gottes Gnade, mit inbrünst'gem Hoffen Gebeten, Seufzern, wollt' ich es erringen, Des Himmels Thor war nicht dem Flehen offen, Ließ nicht hindurch die inn'gen Seufzer dringen.« Er küßte sie, und in der Liebe Sehnen Floß beider Leid und Schmerz in heißen Thränen. Ermuthigt sprach sie: laß uns nicht verzagen Wir woll'n vor Gott und allen Heil'gen knien, Und in der Brust noch eine Hoffnung wagen, Laß uns zum fernen Compostella ziehen, Dem heil'gen Jakob unser Leiden klagen Er sprach: sobald die Blumen neu erblühen Bin ich bereit die Wallfahrt anzutreten, Demüthig dort Sankt Jakob anzubeten. Sie thaten dies Gelübd' aus frommen Herzen, Und sah'n auch schon ihr Leid der Sehnsucht enden, Wie klagend sie geseufzet in den Schmerzen Das will der Himmel nun in Freuden wenden, Ein Kindlein fühlt sie unter ihrem Herzen Da sie doch das Gelibd' noch nicht vollenden; Sie waren freudig jeder Sorg entladen Und dankend rühmen sie des Himmels Gnaden. Doch wollten sie auch ihr Gelübd' erfüllen Das recht aus ihren Herzen kommen war, Die heil'ge Sehnsucht eilten sie zu stillen, Sich ein'gend einer frommen Pilgerschaar, Die so wie sie geführt von heil'gem Willen Nicht achtete Beschwerden und Gefahr. Und alle zogen nach Hispania fort, Nach Compostell'as heil'gem Wunderort. Dort wird beherrscht im Uebermuth das Land; Die Christen sind vom Schwerdte überwunden Der Heiden, deren Götzen man nun fand Wo erst die Bilder unsers Heilands stunden. Dort drückt die Christen schwer ein eisern Band, Trost war wie Hoffnung ihnen fast entschwunden. Felix hieß der, deß herbes Joch sie quälte, Der ihnen nahm, was ihren Geist beseelte. Nicht dort allein wollt' er den Christen schaden, Er sandte aus ein kräftig Heer zum Streiten, Und hieß mit Speise, Schiffe reich beladen, Und alles wohl zur langen Fahrt bereiten. Die Ritter neigten tief sich seiner Gnaden, Sie segelten hin durch die Meeresweiten In einem Christenhafen anzulanden, Wo sie für Mord und Raubsucht Beute fanden. Mit Rotten schweiften sie im weiten Lande Sie tödteten und fingen viele Christen, Die legten sie in enge Sclavenbande, Die so sich mochten vor dem Tode fristen; Dann ward verheert mit Raube und mit Brande Die Gegend ganz nach ihren wilden Lüsten; Weil keine Hand den Uebermüth'gen wehrt Und jeder nur zur Flucht sich eilig kehrt. So ward das Land verwüstet zwanzig Meilen, Sie trugen was sie raubten zu den Schiffen, Damit sie gleich, wann sie nicht möchten weilen In Eil zurück nach Spanien könnten schiffen: So ward es, um die Fluten zu zertheilen Wurden die Ruder kräftiglich ergriffen, Nachdem sie einen Monat und zehn Tage Gesäumet dorten zu des Landes Plage. Zu selber Zeit zeigt man dem König an, Daß fromme Pilger in sein Land gekommen, Wovon der Heid' im heft'gen Zorn entbrann; Ihr Leben sey von meiner Hand genommen! So sprach im Uebermuth der stolze Mann; Es soll kein einz'ger meinem Schwerdt entkommen, Fünfhundert Ritter, die zurück vom Meer Gekehrt, führ' ich mit mir in voller Wehr! Es soll sie nichts vor meinem Schwerdte fristen, Wie schwer hab ich mein Joch auf sie geladen, Und dennoch wagen es die frechen Christen In Zuversicht auf ihres Heil'gen Gnaden, Daß sie sich nahen dürfen diesen Küsten. Mein Zorn soll sich in ihrem Blute baden; Kein Pilger sey von eurer Hand gefangen, Tödtet sie all', laßt keinen Gnad' erlangen! Es trieb die Heiden an ein wilder Zorn, Sie trugen nach den Christen solch Verlangen, Daß sie die Pferde schlugen mit dem Sporn, Daß sie die Schwerdter in den Lüften schwangen, Die Armen, die zum Tode auserkohrn, Die fromm andächtig viele Lieder sangen, Sie gingen sorglos fort auf ihrer Bahn, Da trafen sie die wilden Räuber an. Wie manches Haupt muß sich dem Schwerdte neigen, Wie mancher Mund, der eben fromm noch sang, Muß nun verstummend wohl auf ewig schweigen, Wie mancher Jammerton die Luft durchdrang. Doch will sich nirgend kein Erbarmen zeigen, Nichts hemmt die Wuth die Mörder-Eisen schwang, Es kühlt sich nicht des wilden Hasses Glut, Bis daß verströmt der frommen Pilger Blut. Der Graf will sich noch, und sein Weib beschützen, Er stellt den Heiden kämpfend sich entgegen, Sie sieht die blut'gen Schwerdter furchtbar blitzen, Die Heiden treffen ihn mit schnellen Schlägen. Ach, nichts kann ihn mehr vor dem Tode schützen, Ermattet fleht er um des Himmels Seegen; Und schon ist er hin auf das Gras gesunken, Und schon entflohn ist ihm der Lebensfunken. Es sah sein Weib den edlen Grafen sterben, Roth strömt sein Blut hin über grünes Gras, Das er im Tode will wie Blumen färben; Da wurde nicht vor Schmerz ihr Auge naß, Sie selber will das Todeslos erwerben, Und wird wie eine Leiche selber blaß; Doch glimmt im Herzen ihr der Lebensfunken, Nicht todt ist sie zum Todten hingesunken. Sie hebt sich auf, denn unter ihrem Herzen Trägt sie ein Kind, das ihr noch Leben giebt, Sie fürchtet es getödtet von den Schmerzen Um ihn, den sie mehr als sich selber liebt; Ach, wie rang nun das dopple Leid im Herzen! Wohl nie hat solche Pein ein Weib geübt; Ihr einzig Glück, ihr Gatte liegt erschlagen. Wie kann sie hemmen, oder finden Klagen? Die Krieger hoben auf das schwache Weib, Sie achten nicht ihr Jammern, ihre Leiden Sie sprachen: hier an diesem Orte bleib, Es soll dein Schicksal unser Herr entscheiden! Der König sah den ad'lich schönen Leib Und sprach: sie soll den Tod nicht mit erleiden; Ich will sie führen zu der Königin Der ziemt sie wohl als eine Dienerin. Da ihr den Christen solchen Schaden brachtet, So sprach der König zu den Rittern nun; Kehrt heim mit mir, als tapfer seid geachtet, Und so mögt ihr von eurer Arbeit ruhn. Das Gut, das ihr vom Christenlande brachtet Sey, um euch meine Liebe kund zu thun Das eure, wie ihr mögt, es zu verwalten Dies Weib will ich der Königin behalten. Davon ward aller Ritter Freude groß; Trompetenton weckt auf den Wiederhall; Der Christin Aug' in Thränen überfloß, Wie sie vernahm den übermüth'gen Schall. Als wilder Grimm des Gatten Blut vergoß Das roth umströmt die zarten Blümlein all', Da zuckt ein Weh verwundend durch ihr Herz Das langsam nun verblutet an dem Schmerz. Weit vor dem König zogen her die Boten, Die sagten ihres Herrn Ankunft an, Da ward ihm Ehre von dem Volk geboten, Entgegen jauchzt' ihm jeder Unterthan; Er führt die Frau, tief trauernd um den Todten, Dünkt der das Leben nur ein trüber Wahn. Er kommt zum Pallast mit erfreutem Sinn, Wo holden Gruß ihm neigt die Königin. Der König sprach: das Gold hieß ich vertheilen Den Rittern, die es dort im Land erbeutet, Dir kann ich nichts, o holde Frau ertheilen, Als dieses Weib, die ich hierher geleitet, Sie mag als Dienerin bey dir verweilen, Wenn jene Stund herauf der Himmel leitet, An die mein Herz mit Freude nur kann denken, Wenn du mir wirst den theuren Erben schenken. Sey mir in Gott willkommen, o du Arme, Die Königin in milder Güte sprach, Ihr Herz rieth ihr, daß sie sich mild erbarme, Die Fremde sprach ein einzig schmerzlich Ach! In tiefer Trauer ging die Freuden-Arme Und einsam kniet sie nieder im Gemach. Zu Boden ist ihr irdisch Glück getreten, Ihr Trost ist nun andächtiglich zu beten. Es ward ein Trost von Gott der armen Frauen Den sie im Herzen trägt mit treuer Minne An dessen Wunden sie sich will erbauen. Gott lenkte so der milden Kön'gin Sinne, Daß Liebe sie und zärtliches Vertrauen Zu der gefang'nen Christin bald gewinne; Und bleibt des Königs Sinn auch rauh und wild, Wird doch die Fürstin allen Christen mild. So kam es, daß man nur die Fürstin sah Mit ihrer Christin fast in allen Stunden, Viel lieber Dienst ihr von der Frau geschah, Doch die fühlt nur des Herzens tiefste Wunden; Die Kön'gin sprach: mein Herz ist dir so nah In Liebe, laß den Jammer seyn verschwunden; Die Christin seufzt, will doch getröstet scheinen, Des Mundrs Lächeln straft der Augen Weinen. Es hatte oft die Königin gehöret Die Fremden reden in französ'scher Sprache, Von diesem Klang ward so ihr Ohr bethöret, So wunderlieblich dünkt sie diese Sache, Daß sie die Christin bittet, oft beschwört; O Holde, sey mir Lehrerin und mache, Daß diese Sprache wir doch reden beide, Das schafft uns viel Gewinn und süße Freude. Die Christin ist dazu sogleich bereit, Mit Fleiß und Treu sagt sie ihr alle Worte, Daß sie das Herz der Königin erfreut. Nun saßen beid' oft am einsamen Orte, Sprachen von Herzensliebe, Herzensleid, Und kleideten es ein in fremde Worte; Süß träumend rühmten sie das Spiel der Jugend, Am Minne Lohn ausübend jede Tugend. Mich, sprach die Fürstin, hat mit Stahl und Waffen Die Liebe kriegrisch scherzend überwunden, Trompeten weckten Flammen, die geschlafen, Und Amors Lanze mußte mich verwunden, Wie Brust an Brust sich kühne Ritter trafen: Doch höre wie die Minne mich umwunden Mein Herz besiegt, sie wollte triumphiren Bey einem Fest, beym glänzenden Turniren. Es war der Platz bereitet, jeder Kühne Des ganzen Reiches hatte sich gestellt, Die Richter saßen würdig auf der Bühne Ob Ehre sich dem lock'gen Haupt gesellt, Ob hingestürzet auf des Rasens Grüne Der Jüngling dort mit Schmach zu Boden fällt. Dieß alles wird durch ihren Mund erklärt, Vor allen, wer des höchsten Preises werth. Der höchste Preis war eine gold'ne Krone, Worin viel Stein' und edler Schmuck gewoben, Dem sollt' sie reichen meine Hand zum Lohne Den alle als den würdigsten erproben; So ruht sie neben meinem reichen Throue, Auf den ich war vor aller Welt erhoben, Umgeben von den allerschönsten Frauen Die mit mir auf die Ritter niederschauen. Die Ritter trugen alle Liebeszeichen, Die farbig, flatternd in den Lüften spielen, Und schöner Augen Blicke sah ich schleichen, Ob wohl ihr Liebling wird den Preis erzielen, Den sie ihm gern vor allen würden reichen. Der Minne süße Sorgen mir gefielen, Und lachend nannt ich Lieben ein Verbrechen, Da fühlt' ich schon der Minne Kraft sich rächen. Ein Ritter naht mit würdiger Gebehrde Dem Thron, worauf ich saß mit meinen Frauen, Er beugt sein stolzes Knie zur grünen Erde; Demüthig sprach er: magst du auf mich schauen, Bin ich es werth, daß hochbeglückt ich werde, Daß du mir willst ein theures Pfand vertrauen, Noch mangelt mir zu diesem Kampf die Zierde, In deinem Dienste streit ich mit Begierde. Beschämt ließ ich ihm reichen eine Binde, Ich sah, daß er um seine Brust sie schlang, Ihm folgt mein Blick, ich sah wie er geschwinde Hinauf sich zu dem muth'gen Rosse schwang, Trompetenschall verbreiteten die Winde, Wie eilig er da in die Schranken sprang, Wie leicht konnt' er sein wildes Roß bewegen, Mit Pfeilesschnelle jedem Kampf entgegen! Umsonst versuchten es die tapfern Ritter, Von innerm Feuer schien sein Herz entzündet. Er glich dem furchtbar schmetternden Gewitter Des schnellen Strahl voraus kein Droh'n verkündet. An seiner Brust zersprangen Schäft' in Splitter Wie an dem Fels im Boden fest begründet; Und alle riefen, daß nur er die Krone Als Tapferster verdient zum Ehrenlohne. Man führt ihn zu mir, und im bangen Zagen, Weil im Turniere er so rauh und wild, Will kaum mein Aug' ihn anzublicken wagen, Da sah ich ihn, sein glühend Auge mild. – Der Mund verschließt, so scheint es, Liebesklagen, Und vor mir kniet des Ueberwund'nen Bild. Die Krone drückt ich auf sein lockig Haupt Des flehend Auge meine Freiheit raubt. Sanft sprach er: Schönste du von allen Schönen, Den reichen König aus Hispaniens Lande Hast du gewürdigt, ruhmvoll hier zu krönen, Er folgt dein Diener, ewig deinem Bande, Gehorcht er einmal nicht des Mundes Tönen Entweich' ihm Ehre, treff' ihn ew'ge Schande! Mehr Worte durfte nicht der Mund entbieten Die alle doch die Augen mir verriethen. Es folgt ein Tanz den kühnen Waffenspielen, Musik strömt aus, und die melod'schen Wogen Umrauschen mich, und nach dem Herzen zielen Der Blicke Pfeile von dem dunklen Bogen. Gefangen war ich, und dem Sinn gefielen Die Fesseln, willig ward das Haupt gebogen, Ich war bereit den meinen Herrn zu heißen Der kniend erst die Herrschaft mir verheißen. Geschlossen war der Bund, und süßen Wonnen Geöffnet nun das liebedurst'ge Herz. Vom Glück umleuchtet wie vom Strahl der Sonnen Entflohen Tag' und Jahr' im seel'gen Scherz; Doch bald in Schatten war der Glanz zerronnen, Mit Glück und Lust vermischte sich der Schmerz. Am Mittagsstrahl erbleicht die Morgenrose, So waren stets der süßen Minne Loose. Die Fürstin schwieg, und seufzt ein leises Ach! Die Christin rief: nein, meiner Liebe Blüte Ward so bewahrt, daß nie ein Sturm sie brach, Daß sie an keinem heißen Strahl verglühte. Indem ihr Mund mit Zärtlichkeit so sprach Blüht neu der Lieb' Erinnerung im Gemüthe. Der Fürstin muß sie all ihr Leid erzählen, Wie Lieb' und Trauer ihre Seele quälen. Sie sprach, welch Leid den Gatten ihr genommen, Und wieder strömt das Auge heiße Thränen; Die Fürstin sprach: mir ist das Herz beklommen Bey deinem Leid, doch eines muß ich wähnen, Daß Hülfe nicht von eurem Gott mag kommen, Daß er nicht achtet Klagen, Leiden, Sehnen, Wie treu hast du ihn immer müssen lieben, Doch ist Dir seine Huld nicht treu geblieben. Und hat er nicht dein eigen Herz gelenkt? Sprach nun die Christin mit entflammten Augen. Ist er es nicht, der meiner ewig denkt? An dessen Wunden alle Tröstung saugen? Der uns des ew'gen Lebens Balsam schenkt, Und mag es nicht ihm noch zur Ehre taugen, Daß er mich her in Sklaverei geführt? Den Erd' und Himmel wird von ihm regiert. Die Heidin schwieg, es war ihr Herz getroffen, Verwundrungsvoll sah sie das treue Lieben, Das feste Zutrau'n und das inn'ge Hoffen Das in dem Elend war der Frau geblieben. Stets ist der Himmel noch den Frommen offen, Dachte die Christin, nicht hinweggetrieben Sind wir, o Vater, je von deiner Thür, Sey gnädig auch, wie ich gesündigt, mir. So sah man stets beisammen beide Frauen, Zur Arbeit nie getrennt, so wie zur Freude; Es wirkten ihre Hände einen Pfauen, Den nähten sie in eine Fahne beide. Zur Lust des Königs sollte man ihn schauen In Lüften fliegen auf der grünen Heide; Die Gräfin muß ermattet plötzlich schweigen, Das Haupt erbleicht auf ihre Schulter neigen. Die Königin war weise wohl genug, Sie konnt' es deutlich an der Christin sehen, Es müsse bald das Kindlein, das sie trug Hervor zur Welt, und zu dem Lichte gehen, Und als sie drum die Gräfin freundlich frug, Da mochte sie zu ihrer Lust verstehen, Daß sie wohl beide ihrer schweren Bürden Zu einer Zeit von Gott erlöset würden. Palm-Ostern wars, als beide viel erlitten, Und mit den herben Schmerzen seufzend rangen, Die Heidin hört man ihre Götter bitten, Die Christen spricht mit brünstigem Verlangen: O Herr und Gott, der du für uns gestritten, Laß doch mein Kind zum Tageslicht gelangen, Von Qual und Weh' erlöse bald uns beide, Schenk' uns doch Trost, und unserm Herzen Freude! Der Himmel nahm sie bald aus den Gefahren, Man gab die Kinder hin an ihren Herzen, Die beid' in einer Stunde sie gebaren; Matt sprach die Fürstin, doch mit holdem Scherzen: Die Kinder glaub' ich, schon im Bunde waren, Daß sie zugleich uns fügen Freud' und Schmerzen; Nun will ich auch, da sie uns so geschenkt, Daß eine Amme nur sie beide tränkt. Hoch stand der holden Königin Vergnügen Als sie den Sohn an ihrem Busen drückt; Der Gräfin Loos will so der Himmel fügen, Daß er mit einer Tochter sie beglückt. Der Bote eilt, als ob ihn Winde trügen, Des Königs Herz wird durch sein Wort entzückt, Wie er in Wonne zu dem Herren spricht: Dir ist entzündet neuer Freuden Licht. In hoher Freude steht des Königs Muth, Die Boten lohnte reich des Herren Sold, Es strömt und drängt zum Herzen ihm das Blut, Der ganzen Welt ist er nun mild und hold. Er that was noch ein jeder Edle thut: Frei theilte seine Hand sein rothes Gold. So eilt er hin im freudigen Entzücken, Sein Kind und Weib an seine Brust zu drücken. Der König sprach: man soll dem Volke sagen, Daß ich gewonnen meinem Reich den Erben, Hoch soll der Freude gold'ner Fittig schlagen. Und jeder soll um Lust und Wonne werben. Es soll im Land in vollen vierzehn Tagen Nicht wieder aus der Klang der Freude sterben, Nein, Jauchzen soll im ganzen Land erklingen, Den Göttern soll man herrlich Opfer bringen. Nun hatten es die Christen auch vernommen, Die hier gebeugt im Heiden-Joche leben, So sprach ihr Bote: Herr dir ist gekommen Vom Himmel, was dein Herz nur möcht' erstreben, Laß einen Strahl der Gnade zu uns kommen, Laß unser Herz auch heut' in Freude schweben; Das größte Heil ist heute dir geschehen, Laß feiernd uns auch unser Fest begehen. Nur um die Königin und um ihr Lieben Bewilligte der König es in Gnaden; So ward sein wildes Herz zum Haß getrieben. Die Christen hat er so mit Zorn beladen. Es wäre unerfüllt ihr Flehn geblieben, Die Königin bat: ihr mögt sie so begnaden, Es sey in eurem Reich nicht einer heut, Des Herz sich nicht in hoher Lust erfreut. Es schmücken nun die Christen aus mit Blumen Die Kirchen, dahin sieht man Schaaren dringen, Sie knien nieder in den Heiligthumen. Der Orgel Ton, der Christen frommes Singen Blüht schwebend auf wie lichte Himmelsblumen Und rauscht hernieder wie auf Engels Schwingen, Wie milde Brunnen fließen ihre Thränen, Wie Flammen lebt in ihrer Brust das Sehnen. Es glimmt in ihrer Brust der Hoffnung Funken, So streun sie Blumen aus auf allen Wegen, Ja Christen sieht man auf die Knie gesunken Zu flehn vom Himmel für den König Seegen. So ist ihr Herz in schöner Freude trunken, Des Königs Haus mit Blumenschmuck belegen Sie fröhlich, alle Säle, selbst die Wiegen, Worin die beiden Kinder lächelnd liegen. Ob die schon zu einander freundlich lachten, Das weiß ich nicht, sie lagen zwischen Blüten, Die nur den Glanz der Schönheit höher machten, Der Antlitz', die die Blumen überblühten. Und holde Grüße sich die Augen brachten, Und auch die Lippen die wie Rosen glühten; So sagte scherzend oft die Königin; Sie wandten stets sich zu einander hin. Die Christin tauft ihr Kind mit frommem Sinne, Weit bist du weg von heimatlicher Flur, So sprach sie, doch den Herren immer minne, Von seiner Gnad' ist aller Orten Spur, Daß dieses Tags Gedächtniß nicht zerrinne, Drum nenn' ich dich, du Holde, Blanscheflur, Und Flore ward des Königs Sohn genannt, Weil jeder ihn so lieblich schön erfand. 2. Gesang Zweiter Gesang Ein wenig schwieg der rosenrothe Mund Der Herz und Ohr von allen hielt gefangen, Sie schaut die Blumen an, die auf dem Grund In allen Farben aus dem Grün erprangen. Ein Ritter sprach: thut uns noch ferner kund Wie Leid und Weh das Liebesglück bezwangen, Daß wir nicht thörigt bess're Hoffnung wagen, Und männlich hemmen eig'ne Liebesklagen. Es schaut die Frau ihn an; ein lieblich Lachen Schwebt um den Mund, und freundlich spricht die Süße: Die Blumen, welche Sehnsucht uns anfachen, Die ich mit Herzen, wie mit Augen grüße, Sie können euch die Liebe deutlich machen. Und auch die klaren hellen Wasserflüsse, Die scherzend hin durch bunte Blumen springen, In jedem Ton hört ihr die Liebe klingen. Der Ritter sprach: als sich auf Blumenau'n Der Ritter von Provenze muß vertiefen, Die ihm das Bild von seiner holden Frau'n Mit Düften, Farben vor die Seele riefen, Daß seine Augen Thränen niederthau'n, Aufsteigen Seufzer aus des Herzens Tiefen, Da brachten Blumen selbst der Minne Schaden, Durch ihre Schuld ward er mit Noth beladen. Und als die Wasser willig sind zu tragen Hinweg sein Schifflein mit gelindem Rauschen, Wind, Blum' und Wasser keine Kund' ihm sagen, Und er sein Glück mit Elend muß vertauschen, Einsam verbleiben mit den Liebesklagen, Wollte Verrath nicht in den Blumen lauschen? Und in dem Winde der die Seegel rührt? Im Wasser das sein Glück und Heil entführt? Arm blieb der Graf und einsam an dem Strande, Sein Schatz war mit dem Schiff hinweggeschwommen, Doch führt es Wind und Wasser zu dem Lande Wohin Mag'lone früher war gekommen; So sprach die Frau: dort in des Herzens Brande Sucht Kühlung die im Leben einer Frommen. Die Schiffer legten als andächt'ge Gabe In ihre Hand des Grafen reiche Habe. Gott herrlich einen Tempel zu begründen Wird dann das Gold von ihrer Hand verwendet, Krank muß der Graf, und arm die Wege finden Zu selbem Hause wo sein Leid sich endet! Als sie vom Haupte lößt des Schleiers Binden, Da wird sein trübes Loos in Glück gewendet, Die goldnen Haare fließen von dem Haupt Der Frommen, die als Fürstin er geraubt. So endet Liebe Leiden stets und Klagen, Glückseelig wer der Minne Dienst erkohren, Drum dürfen auch die Kindlein nicht verzagen, Wähnen sie auch der Minne Huld verloren, Bald wird aus Leiden und aus bangen Klagen, Den Schönen höchste Seeligkeit geboren. Schmuck sind die Thränen ausgepreßt vom Leide, So ist der Thau der Blümelein Geschmeide. Die Minne zwang schon ihre Kindesherzen, Zusammen neigt sie stets die kleinen Süßen; Ihr Tändeln, Lachen, all' ihr Spielen, Scherzen, Ist nur der Liebe zärtlich holdes Grüßen; Getrennt müssen mit Weinen, und mit Schmerzen Die zarten Kinder die Entfernung büßen; Zu jung erkannten sie nicht ihr Gebot Und fühlten doch der Minne sehnende Noth. Die Kinder wuchsen in der Liebe Pflegen, Wie Blumen die im Sonnenglanz entsprossen, Die milde Frühlingslüfte lieblich hegen, Und Farb' und Duft sich um sie her ergossen, Bis sie die Blätter auseinander legen. Wie Rosen, die den Morgenthau genossen, Wie Lilien, die sich auf zum Licht geschwungen: So waren sie von Schönheitsglanz durchdrungen. Sie waren so fünf Jahre alt geworden, Da sprach der König: Kind, du bist mein Blut, Und zierest einst wie ich den Ritterorden, Dein Müßiggehn ist dir nicht länger gut, Unwissend bleibst du sonst gleich rohen Horden, Drum geb' ich dich in eines Meisters Hut, Ihn sollst du stets in allen Dingen ehren Er soll dir Weisheit aus den Büchern lehren. Als Flore diese Rede hat vernommen, Da wurden seine lichten Augen naß, Er seufzte schwer, so war sein Herz beklommen Und weinend sprach er: trägst du mir nicht Haß, Ist deine Gnade je zu mir gekommen, Dann thu', wie ich dich Vater bitte, laß Von mir nicht seyn getrennet Blanscheflur Mit ihr glaub' ich, lern' ich die Bücher nur. Denn, sprach der Klare sollt' ich sie vermeiden, So hört ich nimmer was der Meister spricht, Und muß dann immer Furcht und Strafe leiden, Seh' ich die liebliche Gespielin nicht. – Der Vater sprach: von allem Kummer scheiden Will ich dich gern, erheitere dein Gesicht, Wie groß dein Eifer werd' ich nunmehr sehen, Sie mag denn also mit zur Schule gehen. Der zarte Flore und sein hold Gespiel, Da sie zusammen in die Schule gingen, Hatten der Freuden und der Wonne viel, Wenn sie sich freundlich bey den Händen fingen, Da war zu ferne ihnen nie kein Ziel, Wie leichte muß es ihrem Fleiß gelingen, Sie sprachen beide: sieh wie ich so gerne Im süßen Spiel mit dir wetteifernd lerne. Drum waren nimmer Kinder unterwiesen In allen Wissenschaften also gut, Die Liebe selber war es, welche diesen So hoch gestellt, so wonniglich den Muth, Daß sie den Lehren solchen Fleiß bewiesen, Es zwang dazu sie ihrer Herzen Glut. Ihr Alter war viel kleiner als die Sinne, Denn die beherrscht lieblich Sehnsucht der Minne. Dieses bewiesen sie in jeder Stunde Mit ihrer leichten Augen süßem Blicken, Mit Worten aus dem wohl redenden Munde, Wenn sie die Händ' einander innig drücken, Sie geben sich von ihrer Liebe Kunde Mit Seufzern, die sie aus dem Herzen schicken. Die Herzen schlugen unter ihren Brüsten, Wenn sich die rothen Lippen zärtlich küßten Sie wußten nicht, daß sie im Dienst der Minne In allen ihren Jahren stets gewesen, Da wurde erst das Lernen zum Gewinne Als sie in Büchern von der Minne lesen, Wie die mit Sehnen quälet Herz und Sinne, Von deren Wunden keiner noch genesen, Wie sie mit Leid oft will die Seele kränken, Und bald das Herz mit Himmelsfreuden tränken. Davon ward ihr Gemüth erst recht erhoben Und all' ihr Sinn auf Bücher hingerichtet, Sie lasen stets, was von der Liebe Proben Die größten Meister immer nur gedichtet, So daß der Lehrer ihren Fleiß muß loben Und dieses Lob dem Könige berichtet, So kam's, daß bald die Worte vor den Leuten Sie konnten im Lateinischen bedeuten. Vernehmt nun ferner was die Holden thaten, Als sie erfahren was ihr Herz bezwang, Wann sie gelernt, wie freundlich sie dann baten, Daß gleich hinaus ins Freie sey ihr Gang Zu einem Platz, gar lieblich wohl berathen Mit Blumen, Bäumen und mit Vogelsang, Von milder Luft durchwehet stand ein Garten, Da sieht man jeden Tag die holden Zarten. Da setzten sie sich hin auf grünen Rasen, Der war mit Blumen farbig überblüht, Von milder Luft die Bäume angeblasen, Durch die kein scharfer Strahl der Sonne glüht, Daß alle Herzen wohl vom Weh genasen, Und mild in jeder Brust die Freude blüht, So lieblich tönte hier der Vögel Singen, Man hörte sie von tausend Zweigen klingen. Da sprach Flore: Ach, holde Blanscheflur! – Und unterbrach die Rede doch mit Küssen; Sie sah ihn an, und seufzte leise nur, Es müssen ihn die Augen zärtlich grüßen, Sie brachen Blumen von der grünen Flur: Die mußten nun den Schmerz der Sehnsucht büßen. Sie wußten nicht von welcher süßen Wunde Sie redeten mit rosenfarbnem Munde. Und Flore sprach: mit Gnade Königinne, Wie kommt es doch, daß so mit ganzer Treu Mein junges Herz beherrscht die Noth der Minne, Daß jeden Tag mir eure Liebe neu, Und ich nur darauf immer denk' und sinne Wie ich nicht fern von euren Augen sey? So mag die Mutter wohl ihr Kindlein lieben, Doch inn'ger noch werd' ich zu euch getrieben. Und Blanscheflur muß ihm so Antwort geben: Ja Flore, du mein lieber süßer Freund, Ich möchte wohl nicht einen Tag so leben, Daß mir kein Blick aus deinen Augen scheint, Gehst du nur von mir, ist es als entschweben Die Wonnen all', als sey die Welt mir feind, Drum lieb ich, so wie du, und Gott nur weiß, Hat meine Liebe nicht noch höhern Preis. Ich bin ein Kind, und thu mir oft die Frage, Warum ich Kummer leide jede Stunde, Den ich, mein Freund, von deinen Schulden trage, Du bringst ja in mein Herz die süße Wunde, Du rufst hervor die liebe holde Plage Mit einem Kuß von deinem rothen Munde; Doch küssest du mich also sanft und süße, Drum denk' ich, ohne Kuß ich sterben müsse. Ja und noch mehr muß ich darnach mich sehnen, Als je ein Kind nach seiner Mutter Brust. – Aus ihren Augen fielen helle Thränen, Die gaben Floren beides Schmerz und Lust: Er drückt sie an sein Herz in süßem Wähnen Kaum seiner, sie kaum ihrer sich bewußt, So war ihr Herz in starker Minne Bangen In Kindesjugend lieblich doch befangen. Nun höret, wie sie ihre Zeit vertrieben, Wann sie nicht konnten bei einander seyn, Sie dann mit ihren goldnen Griffeln schrieben Auf Täfelein von weißem Elfenbein. Der König zeigte, wie er mochte lieben Die Kinder, die in seiner Gnade Schein Aufwuchsen, er hieß selber ihnen geben Die Kleinod', freudig sollten beide leben. Von Blumen schrieben sie, wie die entspringen, Von Bächen, wie sie hin durch Wälder rauschen, Von Vögeln, die in grünen Zweigen singen, Daß Laub und Gras den süßen Tönen lauschen, Von Sonnenstralen. die durch Bäume dringen, Daß die ihr Grün um leuchtend Gold vertauschen; So ist Bach, Wald, Blum', Vogel ihr Gedicht, Wie Klang, Ton, Rauschen, Singen Liebe spricht. So stand ihr Leben in der Freude trunken, Es hatte hoch das Glücke sie erhoben, Es barg ihr Auge nicht der Liebe Funken: Da fingen Neid und Mißgunst an zu toben, Und all' ihr Glück war leider bald versunken. Ach, alle, die den Dienst der Minne loben, Verbergen sollten sie das süße Band! Das ward an Flor' und Blanscheflur erkannt. Zwey Kinder waren sie einfältiglich, Drum sandten sich die Augen holde Grüße In lieber Unschuld, die den Engeln glich, Man sahe wie sie spielten um die Küsse, Zum neuen Kuß er nur den Lippen wich, Daß er sein Glück in kurzer Trennung büße: Da rangen nun die Diener nach Gewinne, Verriethen roh der zarten Kinder Minne. Auch sah' es nun der König selber klar, Daß zärtlich liebend beider Herz entbrannt, Im wilden Grimm betrachtend die Gefahr, Die seinem Stolz droht, dieser Minne Band; Bereut im Zorn er, wie so manches Jahr Dem Mägdlein sanft in seiner Huld verschwand. Gesteigert wird sein flammender Verdruß, Durch jedes Wort, durch jeden linden Kuß. Er ging zum Saal, wo er die Kön'gin fand, Ihr wollt' er seiner Seele Kummer klagen, Er nahm die Fraue heftig bey der Hand, – Vor wildem Zorn konnt' er nicht Worte sagen; Die bange Fürstin hätte gern erkannt Die Leiden, die das stolze Herz ihm nagen. Er winkt, die Diener gehn; als sie allein Beginnt er schnell von seiner Wuth und Pein. O, Gnade, Frau, o helft und rathet mir! Ich muß vor euch in bangem Kummer stehen, Der Krone Ehre, unsre höchste Zier Muß ich beinahe schon verloren sehen, Euch trift das Leid, wie mich, erfahret ihr Was mir erregt den Grimm, die Herzenswehen: An Blanscheflur ist unser Sohn gebannt Die Liebe bringet Schmach auf unser Land. Und irrig seyd ihr, wenn ihr immer glaubt, Daß er zur Eh' je eine andre werbe, Denn beide sind der Sinne schier beraubt, Darum ist besser, daß die eine sterbe, Und Blanscheflur verliere gleich ihr Haupt Eh' unsers Sohnes Ehre ganz verderbe. Liebste der weisen Weiber, gebet Rath Ob ich beschleunigen soll diese That? Es sprach die Königin: ach, Liebster, nein, Bewahret euch vor dieser großen Schande, Laßt milde Weisheit euren Führer seyn Und legt den grimmen Zorn in enge Bande, Wir finden dann wohl Rath für unsre Pein, Damit man nicht in unserm weiten Lande Mit frechem Mund mag also von euch sagen: Der König hat ein schuldlos Kind erschlagen. Drum, theurer König, höret meinen Rath, Zu tödten sind noch dieser Reigung Keime, Wir selber streuten aus die schlimme Saat, Mitsammen lasen sie die Liebesreime, Sie trennen nun sey unsre nächste That, Dann löschen aus in unserm Sohn die Träume; So sprach die Königin noch manches Wort, Bis sie gewendet Blanscheflurens Mord. Der König alsbald von der Fürstin schied, Und was sie wollte wurde gleich gethan, Krank war der Meister, wie die Frau es rieth Der doch von Schmerzen keine Pein gewann, Von Lust und Liebe schrieben manches Lied Die, deren herbes Leiden schon begann; Des dritten Tages Ende war gekommen, Da hieß der König Flore zu sich kommen. Der Vater that dem Sohn den Willen kund, Wie für sein Wohl es möge nöthig seyn, Daß er hin nach Montmore geh' zur Stund; Da faßt den armen Flore grimme Pein, Zum Reden will er zwingen seinen Mund, Doch kann er nichts als nur voll Jammer schrein, Die Thränen stürzen auf den Boden hin Voll Mitleid seufzt die schöne Königin. Doch endlich, sprach er: wollt ihr Gnade haben, Mein theurer Vater, sendet mit mir die, An deren Blick sich meine Augen laben, Denn glaubt ich sterbe wahrlich ohne sie. Der König sprach zu dem betrübten Knaben: Willst du, daß sie von ihrer Mutter zieh, Die krank darnieder liegt an schweren Peinen? Soll die verlassen um die Tochter weinen? Auf denn, mein Sohn, und trockne deine Thränen, Kann nur vom Weh die Mutter erst gesunden, Sollst du dich nach der Freundin nicht mehr sehnen, Ich sende sie dir nach in kurzen Stunden, Und wie ich bey mir selber wohl kann wähnen, So ist wohl kaum der zehnte Tag verschwunden, So folget nach Montmore deiner Spur Die liebe Freundin, deine Blanscheflur. Flore muß gehn, darf keine Antwort wagen, Obwohl sein Zürnen und sein Jammer groß, Er will zu ihr, erregen ihre Klagen, Daß sie wie er nun werde freudenlos, Da sieht er sie, wie muß sein Herz verzagen, Das sonst beym Anblick Seeligkeit genoß. Heut wird es schwach, die Glieder ohne Macht; So sinkt er hin wie in des Grabes Nacht. Erschrecken faßt die arme Blanscheflur, Sie eilt zu ihm, sie drückt ihn an ihr Herz; Geliebter Flore, ach! ein Zeichen nur Von Leben gieb, o du mein eigen Herz! O wehe mir unsel'gen Creatur! Woran stirbst du? an welchem herben Schmerz? Von ihrer Stimme ward sein Herz getroffen, Er seufzt, es stehn die Augen wieder offen. Sie fährt nun fort mit lieblich lindem Kosen, Sie küßt ihn oft, doch bleibt die Trauer gleich: Es blühten deine Wangen sonst wie Rosen Von meinem Kuß, wie bist du jetzt so bleich? So spricht sie traurig zu dem Hoffnungslosen: Ach, lieber Flore, nur nicht länger schweig! Wie muß ich doch so groß den Kummer finden, Daß er vor Wort und Kuß nicht will verschwinden? Du sprichst noch nicht; mein Herz ist auch voll Gram, Der mir gesendet diese Nacht im Traume; Zwey Tauben sah ich, lieblich, weiß und zahm, Die nisteten auf einem grünen Baume, Ich sah sie fliegen, und ein jedes kam Und trug zum Nest, das sie im engen Raume So lieblich wirkten, zärtlich sich gewogen: Da kam ein grimmer Habicht her geflogen. Er will das Taubenpaar in Gier verderben, Weil liebend er sein eignes Junges hegt, Die zarten Weißen wollen doch nicht sterben, Drum wird zum Flug das Flügelein geregt, Ich sah in heft'ger Eil den Habicht werben, Von seinem Fittig war die Luft bewegt, So lange folgt er nach den armen beiden, Bis sie in Aengsten von einander scheiden. Getroffen war im Innern mein Gemüthe, Und dieser Traum gab Kummer mir, und Pein, Wär' nicht der Meister krank, durch seine Güte Sagt er uns gern, was dies Gesicht soll seyn, Mich freut im Garten heute keine Blüthe, Nun hab' ich auch erblichen noch den Schein Von deinen holden Wangen sehen müssen, Den nicht zurücke meine Lippen küssen. Ach liebe Frau, du holdeste Freundinne, Des Traumes Meinung kann ich deuten dir, Die beiden Tauben, die sind unsre Minne, Sie wohnt in deinem Herzen wie in mir, Ich fürchte jetzt, daß sie in Schmerz entrinne Durch eines grimmen Habichts wilde Gier. – So hob nun Flore an sein Leid zu sagen, Doch Thränen hemmten oft des Kindes Klagen. Dem Vater, fürcht' ich, ist die Minne leid Die unser Herz treu hegt in jeder Stunde, Drum sendet er von deinem Blick mich weit Wo mich kein Kuß erfreut von deinem Munde, Von deinem Herzen reißt er mich noch heut, Es kümmert ihn nicht meiner Seele Wunde. Es will dein trübes Traumgesicht sich enden, Mich will der Vater nach Montmora senden. – Geliebter Freund, mein innigstes Verlangen, Ist es denn wahr, was deine Zunge sprach? Wie wird nach dir dann meine Seele bangen! Sie ziehet dir in langen Seufzern nach. So sagte sie, und hielt ihn fest umfangen, So daß ihr Herz an seinem Herzen lag: Will man dich weg von meinem Herzen treiben, So kann mein Herz nicht mehr lebendig bleiben. Wir müssen, Liebste, auf zehn Tage scheiöen. Sprach Flore, weil der König es gebot, Doch soll ich länger die Verbannung leiden Nur einen Tag, so tödte mich dann Gott, Denselben Tag, den ich dich soll vermeiden, Der mir verlängert meine Todesnoth. Nein, Liebste, mein, man bringt dich dann zu mir, Wenn nicht, so reit ich wieder her zu dir. Es spricht nun Blanscheflur mit bangem Munde: Bist du denn selber, liebster Flore, kalt? Kannst du dir denken unsre Trennungsstunde? Magst du dich fügen grimmiger Gewalt? Es bricht mein Herz, ich sterb' an dieser Wunde, Und bin ein Kind, und nicht zum sterben alt! O weh, wie bald ist doch mein Glück entflohn! Wie tödtet mich denn Gram und Kränkung schon? Ach Gott und Herr, von dem mir kam das Leben Du hegst und liebst ja jede Creatur, Die Lehre hat die Mutter mir gegeben, Ich wandelte doch stets auf deiner Spur. Warum muß denn mein Glück und Heil entschweben? Warum vergissest du die Blanscheflur? Weshalb hab' ich des Himmels Huld verloren? O wehe mir! wozu ward ich geboren? Doch war mein junges Leben so gewendet, Daß ich der Liebe süßen Balsam trank In jeder Stunde, das ist nun geendet, Es liegt mein Glück mein Herz und Leben krank. Vom Himmel war es mir herabgesendet, Zum Himmel stieg auch jeden Tag mein Dank, Nun wird mein Herz getödtet in der Brust, Vom Himmel auch kommt mir nun der Verlust. Nein, Flore, nein, und keinen Trost versuche, Mein vorig Heil, es sey nicht mehr gepriesen! Ja Glück und Heil, das ist's, was ich verfluche, Die haben falsche Bilder mir gewiesen, Die ich vergeblich wohl im Leben suche; Nein, besser ist mein Herz nun unterwiesen, Schmerz, Gram, Angst, jedes Leid, Pein und Unheil Sind meines armen ird'schen Lebens Theil. Wie sollte man der Minne Bande scheuen Und sich in ihrem Schutz nicht seelig wähnen? Wie muß es mich so armes Kind gereuen, Wie nimmt sie mir das Lachen, giebt mir Thränen! Und doch dient ich ihr stets mit ganzen Treuen, In meiner Brust war ja kein ander Sehnen; Mit falscher Hoffnung bin ich nun betrogen, Der kurze Traum von Glück ist schnell entflogen. Wer bist du, Minne, die mein Herz beladen? Wie bist du also listig, also arg, Daß du die Herzen fängst mit milden Gnaden, Und dann bist du so grimmig und so stark? Fühlt nur ein Herz erst, was du ihm zu schaden Vermagst, bist du mit deiner Gnade karg, Am Ende bitter, anfangs sanft und süße, Bist Minne du, die Gott verderben müsse. Ach, Gott im Himmel laß mich nicht mehr klagen, Laß hier nur seyn des schwachen Lebens Ende, Es kann mein Herz so großes Leid nicht tragen, Drum nimm die Seele doch in deine Hände! – Es wollte mehr von ihrem Schmerz noch sagen Die Freudenarme, kummervoll Elende, Da sank erbleicht sie hin in Florens Schoos, Der war wie sie von allen Freuden bloß. Nun schlang er seine Arm' um ihren Leib Und küßt in Thränen ihren rothen Mund; Ach, Blanscheflur, du holdes süßes Weib Gieb durch ein Zeichen nur dein Leben kund! Ach, nicht in kalten Todesbanden bleib, Auch mich belebtest du in dieser Stund' Wie schleunig drang dein Wort zu meinem Herzen, Wie bald erweckt' es mich zu herben Schmerzen. Ermattet hebt sie nun die Augen auf, Da will er tröstend milde zu ihr sprechen, Doch was er sagt, sie höret nicht darauf, Es will ihr Herz in ihrem Busen brechen, Und nur den Thränen läßt sie ihren Lauf, Einfältiglich will sie ihr Leiden rächen; Ich hatte einen Trost, wohin ich sehe, So spricht sie, hab' ich jetzt nur herbes Wehe. Als Dido einst am Ufer einsam stand Mit Thränen mehrt' des weiten Meeres Fluten, Auf denen falsch Aeneas ihr entschwand, Ihr Auge weint, die Herzenwunden bluten, Mit scharfem Dolch bewaffnet sie die Hand Die inn'ren Flammen löschend in den Gluten, Die ihre Schwester fromm zum Opfer fachte, Der Minne Opfer sie sich selber brachte. Ihr Loos hab' ich in meinem Leid erkoren, Wie Dido will ich enden meine Pein, Da ich wie sie zu Schmerzen nur geboren! – Sie faßte schnell ihr goldnes Griffelein, Damit will sie die weiße Brust durchbohren: Ach, Blanscheflur, du liebste Fraue mein! So Flor' in Hast voll Angst und Schmerzen sprach, Er nahm den Griffel eh' sie sich durchstach. Ach, Gnade Frau, durch unsern Herrn und Gott! Ist dies wohl eines sanften Kindes Scherz? Es ist ein sündlich freventlicher Spott, Wenn sich ein Mensch ermorden will im Schmerz; Erkanntet ihr einst gern der Minn' Gebot, So fügt in ihrem Dienst nun euer Herz, Und wollet auch nicht, Liebste, ganz verzagen, Seh' ich euch wieder doch nach zehen Tagen. Mein Vater war im Muthe grimmiglich, Als er mir sagt', daß eure Mutter krank, Will er nun auch von hier entfernen mich, Treu ist mein Herz euch ewig ohne Wank, So treu, daß keine Liebe meiner glich, Die ich in deinen süßen Küssen trank; Die Trennung muß ich, Holdeste, wohl leiden, Doch kann er nicht mein Herz von deinem scheiden. Die Trennung (weh! das hab' ich wohl erkannt) Sie muß ich dulden, das raubt mir die Sinne, Doch würd' ich auch noch weiter weggesandt, Glüht stärker nur in meiner Brust die Minne, Ja risse man mich hin durch zwanzig Land, Im Wahn, daß so der Minne Strom zerrinne: Nein, nie vergäß' ich, Holde, deinen Leib, Nie sieht mein Aug' in Lieb' ein ander Weib. Und sollte mir so herbes Leid geschehen, Und fügte so sich meines Herzens Pein, Daß ich nicht sollte mehr dein Auge sehen, Wollt' ich darum in ew'ger Trauer seyn! – So linderte er ihres Herzens Wehen Und gab ihr wieder ferner Hoffnung Schein, Da sie nun doch sich von ihm scheiden muß, Drückt sie ihm liebend auf noch manchen Kuß. Ach kann ich nur auf deine Treue bauen, So will ich noch, spricht sie, mein Klagen stillen, Doch nun siehst du ach! viele schön're Frauen, Die tragen alle wohl dir holden Willen; Denkst du an mich, wenn du wirst andre schauen, Wirst du mir noch dein Liebeswort erfüllen, Kein andrer Ton in deiner Seele klingen, Du immer meine Liebesreime singen? – So mag von mir des Himmels Gnade wanken, Wenn meine Treue wankt an einem Tage, Wenn nicht der Seele innerste Gedanken, Um dich geschlungen sind in treuer Klage, Es mag mein Leib zum Tode dann erkranken; Ach, holde Frau, nun Lebewohl! mir sage, Und Gott der Herr, der hohe Gnad' uns thut, Behalte, Liebste dich in seiner Huth! So thu' er euch durch seine große Güte, Der immer eure treue Liebe schau! Sprach Blanscheflur, daß ihr stets im Gemüthe, Mich liebend hegt und keine andere Frau. Sie stand vor ihm wie eine Frühlingsblüthe In Thränen glänzend wie im Morgenthau; Den goldnen Griffel, den sie erst zum Tod Gezückt, sie ihm mit süßem Lächeln bot. Er nahm ihn gern, und reicht ihr hin den seinen: Gedenke, sprach er, wie mein Herze wund, Wie meine Augen immer nach dir weinen! Er küßte ihr wohl tausendmal den Mund. Da sieht er einen Diener schon erscheinen, Der thut des strengen Königs Willen kund: Zur Reise, spricht er, ist nun höchste Zeit, Die Pferd' und Diener stehen euch bereit. Gedenke, Fraue, das was ich dich bat, Sprach er. Sie muß im bangen Schmerzen schweigen, Sie geht mit ihm wie er zum Saal austrat, Wo nun sein Roß der Jüngling soll besteigen; Wie seine Hand den Zaum des Pferdes hat, Faßt sie den Bügel, will ihm dienstlich neigen, Da wurden traurig seine Wangen blaß, Und ihr Gewand von ihren Thränen naß. Ach, wie war wohl so hart und schwer ein Scheiden! Wie ofte sieht der Jüngling noch zurücke Nach Blanscheflur, die er muß schmerzlich meiden. Noch folgen ihm der Schönen Liebesblicke, Nun ist er fort. Es lebt in ihnen beiden, Wie sie geschieden, nur ein Herz und Glücke, Wie fest gezaubert Blanscheflur noch stand, Da er schon lange ihrem Blick entschwand. 3. Gesang Dritter Gesang Die Fraue schwieg. Hinziehet nach Montmore, So sprach der Ritter, nach dem Ort voll Klagen Mit inn'rem Weh, der freudenarme Flore, Das lehrt mein Herz an seinem Heil verzagen. Noch lebt der Klang furchtbar in jedem Ohre Was hier Verrath durft' an der Minne wagen, Mit Dolchen Ines zarte Brust bestürmen, Die Lufitaniens Held nicht konnte schirmen. Ein einsam Haus, von Bäumen rings umstellt Im dunkeln Walde rauschend mit den Zweigen, Hat Liebe sich zum Schutzort auserwählt, Nur süßer Klang stört hier das heil'ge Schweigen, Und weckt die Vögel in dem grünen Zelt, Lehrt Baum und Blume sich melodisch neigen, Wenn Ines Wort in blauen Lüften klingt, Ihr Liebeshauch aus schönstem Busen dringt. Dann oft im Ton wie gold'nen Lichtes Strahl Zuckt schmetternd durch der Bäume heimlich Flüstern, Es spricht ihm nach der scheue Wiederhall, Verkündet so die Liebesbotschaft lüstern, Und weckt damit die fromme Nachtigall, Der Träume noch das kleine Haupt umdüstern; Dann naht der Jäger allerschönstes Bild, Dem nicht entflieht, entgegenspringt sein Wild. Doch ach! wie bald zerrann der Freude Bronnen, Wie bald verstummten dieser Lieder Weisen! Das trunk'ne Herz, die Quelle seel'ger Wonnen Durchstochen ward's von schnöder Mörder Eisen; Und für die Kron ein finst'res Grab gewonnen. Pedro, der Held, den alle Zungen preisen, Sieht stumm versinken seine Blumenmatten, Und fühlt sein Herz von ew'ger Nacht umschatten. Nach diesem Ort der unglückseel'gen Liebe Zieht Flore hin, und ahndungsvoll befeuchtet Sind uns're Augen um des Kindes Triebe; Selbst Sonnenglanz, der herrlich erst geleuchtet, Ist nun durch flieh'nde Wolkenbilder trübe. So klagt der Ritter, wenn von Glück umleuchtet Der Kinder treue Lieb' uns dürft' erscheinen, So würden nicht des Himmels Augen weinen. Doch lacht er weinend, also sprach die Frau, Denn seht die Tropfen in der Sonne funkeln, Die wie Geschmeide fallen auf die Au', Auch mögen Wolken nicht die Stirn umdunkeln Des Himmels, denn er zeigt sein herrlich Blau, Und sind wir kühl umschattet hier im Dunkeln, So schirmt vor Strahl und Regen uns im Grünen Der Bäume Dach, lebend'ge Baldachinen. Drum weiche böse Ahndung von dem Herzen, Und wenn ihr wein't sey'n eure Thränen mild, Wohl schmerzen mich des Portugiesen Schmerzen Die ihn entflammt zur Rache also wild, Daß nur den Brand gekühlt der Feinde Herzen; Doch bleibt mir Lieb' ein anmuthreiches Bild, Der Huld'gung willig alle Sinne zollen, Will sie auch selbst des Tods Panier entrollen. Und seht, es läßt der Himmel schon sein Weinen, Die Vögel wirbeln schmetternd ihre Lieder, In jeder Blume seht nun Funken scheinen, Der Himmel senkt sie in die Kelche nieder: Sieht man die Blumen, sollte man nicht meinen Wie sie die Häupter neigen hin und wieder, Und scherzend mit den lauen Winden spielen, Daß sie sich stolz im Schmuck des Himmels fühlen? Ach, aber Wind, du raubest ihre Gaben, Zwingst ihnen Himmelsthränen aus den Augen, Die muß nun gleich die kalte Erde haben, Sie will begierig alle Tropfen saugen, Und Sonne selbst, die glänzend uns will laben, Dem Schmuck der Blumen kann sie doch nicht taugen, Ihr heißer Strahl hat schon den Thau getrunken, Der aus dem Blau in jeden Kelch gesunken. Der Himmel muß um uns erbarmend weinen, Wir fühlen dann im Herzen tief sein Lieben, Wir möchten uns inbrünstig ihm vereinen, Sehnsüchtig will die Seele sich betrüben, Dem süßen Schmerz als Zeichen muß erscheinen Die Thräne klagend: ach, im Bunde blieben Wir gern! die Thränen, dieser Schmerzen Lächeln – Ein leichter Wind mag sie vom Auge fächeln. Nur wer im Herzen trägt die treue Minne, Der bleibt in Liebe auch dem Himmel treu; So Blanscheflur, die hoch betrübt im Sinne, Von jeder Falschheit ist ihr Busen frey, Daß nicht der holden Minne Strom zerrinne, Daß rein wie sie auch immer Flore sey, Daß sie den Freund bald möge wiedersehen, Dies sind die Wünsche, ihre Herzenswehen. Und Flore reitet hin im trüben Muth, Er spricht kein Wort bis sie den Weg vollenden Zum Herzog Guras hin, in dessen Hut Der König will den kranken Jüngling senden; Und der empfieng ihn, wie man Freunden thut, Er wähnte bald den Kummer ihm zu wenden Mit seinem Weib', der Herzogin Sybillen; Sie fügten gerne sich der Kön'gin Willen. Als nun der Herzog Floren hat empfangen, Führt er ihn hin die Herzogin zu grüßen, Da kam das Kind an Guras Hand gegangen, Die Frau erhebt sich seine Stirn zu küssen, Und sanft spricht sie: längst trugen wir Verlangen Euch hier zu sehn, und freundlich zu begrüßen; Erfüllt ist unser Wunsch, mit Dank erkannt Sey es dem Vater der euch hergesandt. Drauf ließ herbey sie ihre Frauen kommen, Und die begannen mancherhande Spiel; Wem auch das Herz von schwerem Gram beklommen, Er fände Freud' und Wonnen hier so viel, Es würde alles Leid von ihm genommen, Nur Floren nicht, dem keine Lust gefiel; Im Scherz und Tanzen höret man sein Ach, Daß fast der Seufzer seine Brust zerbrach. Das sahen alle an dem werthen Gast, Und dennoch sprachen Ritter so wie Frauen: Beugt ihn auch nieder jetzt des Kummers Last Sind durch die Thränen die herab ihm thauen Auch seine Rosenwangen fast verblaßt, Kann man doch keinen schönern Jüngling schauen; Wie Sonnenschein so muß es fröhlich machen Wenn dieser Mund und diese Augen lachen. Die Herzogin bedenkt mit treuen Sorgen Wie sie den Kummer will geringer machen, Sie rufen sechzig Kinder nächsten Morgen, Die alle wie die Frühlingsrosen lachen, Wenn sie noch halb in Knospen sind verborgen, Um Lust und Leben wieder anzufachen Dem kranken Kind, sie freundlich ihn empfingen, Und mit ihm traulich in die Schule gingen. Sie mühten sich den Gram ihm zu vertreiben, Doch war ihr Thun und Reden in den Wind, Er will im Schmerze ungetröstet bleiben, Es sehnt nach Blanschefluren sich das Kind; Beim Spiel der Frau'n und ihren Zeitvertreiben. Es sprach zu ihm die Herzogin gelind: Stets muß ich Thränen dir im Auge schauen, Erheit're dich bey Rittern und bey Frauen. Er schleicht hinweg, er sucht des Himmels Blau, In einem Garten ist er stets zu finden, Wo Blumen glänzend von dem frischen Thau Geküsset von den kühlen Morgenwinden Wie Sterne prangen auf der grünen Au, Kein Schlummer mag mehr seine Augen binden, Wenn kaum die Nacht dem jungen Tag muß weichen, Sieht man wehmüthig ihn zum Garten schleichen. Da steht er träumend wo die Lilien blühen, Es dringt sein Auge in die weißen Sterne, Er sieht den klaren Blick, des Mundes Glühen, Dann meint er wohl, sie sey ihm nicht mehr ferne; Ihm dünkt, sie muß aus jedem Kelch erblühen, Mit seinen Lippen naht er ihnen gerne, So ist sein Herz von Lieb' und Sehnsucht wund, Die Blumen küßt statt Blanscheflur sein Mund. Wenn Himmelsodem an die Blumen rührt, Daß hin und her die weißen Kelche schwanken, Dann wird sein Herz von süßer Pein berührt, Ihm dünkt, daß seiner Freundinne Gedanken Des Himmels Wind gelinde zu ihm führt, Daß ihre Minne treu und ohne Wanken. Er hört, daß dieß die Blumen zu ihm sagen, Sie trösten ihn, sie wollen mit ihm klagen. Die Hoffnung will dann freundlich ihn umschlingen, Zehn Tage nur, dann sind ja überstanden Die Schmerzen, die die Seele dir durchdringen, Es giebt das Leid dich frey aus seinen Banden, Du hörst die holde Stimme wieder klingen, Die Arme die sich um den Nacken wanden So traulich oft, die drücken dann dein Herz An ihre Brust und todt ist jeder Schmerz. So täuschte Hoffnung ihn in jeder Stunde, Er hat noch nicht sein Leiden ganz erkannt Er glaubt den Worten aus verstelltem Munde, Daß Blanscheflur ihm werde nachgesandt; Noch hört er nicht von seiner Freundin Kunde, Ob heute schon der zehnte Tag verschwand, Auch will man ihn nicht lassen zu ihr ziehen, Nun muß ihm Trost und jede Hoffnung fliehen. Er ließ die Schaam, mit Klagen, lautem Weinen, Er immer Blanscheflur, du Süße rief; So duldete das arme Kind in Peinen, Daß er nicht Speise nahm, nicht trank, nicht schlief, Zum Garten, wo die weißen Blumen scheinen, Er stets voll Angst in jeder Stunde lief; Er hört kein tröstend Wort, nur sein Verlangen; Der Herzog muß, die Herzogin erbangen. Durch seinen Kämmerer ließ der es sagen Dem König, wie es sey mit seinem Kinde, Daß in der Trauer, in den Herzensklagen Die blüh'nde Jugend seines Sohns verschwinde, Und daß an seinem Leben sie verzagen, Wenn er nicht bald die Freundin wiederfinde. Das reizt zum grimmen Zorn des Königs Blut; Wild rief er aus: Er komme, dünkt's ihm gut. Mit glühn'den Augen er zur Fürstin ging In Wuth entbrannt auf seinen Sohn und Erben, Er achtet nicht, wie ihn die Frau empfing, Er rief: nun seht, wie Heil und Ehr' uns sterben, Der Wahnsinn, der des Sohnes Herz umfing, Zwingt ihn, nur stets um Blanscheflur zu werben; Er lebt in Jammer, Klagen, und in Peinen, Er will zurück, der Sclavin sich vereinen. Soll ich so seine Ehre sehn erliegen, Daß knechtisch er an ihren Blick gebannt? Wähnt sie sein thörigt Herz so zu besiegen, Daß er als Königin sie krönt im Land? Nein, wohl zu lange haben wir geschwiegen, Es treffe schwer sie strafend meine Hand; Daß ich des Sohnes Ehre mag erretten, Erlösen ihn aus schmachvoll engen Ketten. Es haßt mein Herz mit vollem Recht die Christen Bey dem Gedanken wird mein Blut empört, Daß diese wohl mit frechen Zauberlisten So stark hat unsers Sohnes Herz bethört, Daß nun, so lang sie mag ihr Leben fristen, So Leib wie Seele einzig ihr gehört; Drum schlag' ich ab das frevelhafte Haupt, Das Ruhe, Glück und Frieden mir geraubt. Er läßt sie nicht, durch keine Qual und Noth Wird er die Sinne nimmer von ihr wenden, Ich seh' es wohl, daß nur allein der Tod Den Liebeswahn und uns're Schmach kann enden. Laut rufend nun der König es gebot Man solle hin nach Blanschefluren senden; Die Arme, ach! sie saß im tiefen Sinnen, Und ahndet nicht so grauenvoll Beginnen. Ihr war die List von keinem Zauber kund, Wohl that sie's nicht mit böser Künste Zwang, Unwissend macht ihr rosenrother Mund Den holden Freund an süßen Schmerzen krank; Und wie er selbst, war sie von Liebe wund, Die jeder von des andern Lippen trank; Die Kinder waren rein, einfältiglich In Liebe, die der Lieb' der Engel glich. Sie in der Weise einer Turtel-Tauben Die ihr Gespiel, den süßen Freund verlor, Die, wenn Geschick ihr muß den einen rauben, Sie nimmer dann den zweyten sich erkohr; Aus Mund und Augen dieser weißen Tauben Gehn Thränen, Seufzer schmerzlich nur hervor; Doch will man sie als Schuldige verklagen, Sie soll die Schuld der Pein des andern tragen. So grimmig ist der König und so wild, Daß er kaum hört der Fürstin sanftes Werben. Er hört nur seinen Zorn der aus ihm schilt. Sie spricht: müßt ihr auch Blanscheflur verderben, Zertrümmert nicht so göttlich schönes Bild. Befreit von Schmach der Krone einz'gen Erben, Die Schuld'ge sey von unserm Blick verbannt, Verkauft als Sclavin in ein fremdes Land. Ja sendet sie nach weit entlegnem Ort, Laßt über Meer ein fremdes Schiff sie tragen, So wendet ihr von euch des Leumunds Wort Und Flore wird die Kunde nie erfragen; Sonst spräche man, es sey ein schnöder Mord, Wenn schuldlos ihr ein armes Kind erschlagen. Ein Ritter soll beschirmen jedes Weib, Und ihr wollt tödten einer Jungfrau'n Leib. Der König sprach in wilden Zornes-Toben; Es gnügt dem Sinn nur dieser Sclavin Leben, Doch muß ich, Herrin, eure Weisheit loben, Mein Grimm muß sich der Ehre nun ergeben, Sie unverdient ein mild'res Loos erproben. – Er hieß alsbald sie fremden Kaufherrn geben; Führt sie, befahl er, schnell zur Stadt hinaus, Nicht weile sie im königlichen Haus. Sie gaben ihm viel Edelsteine, Gold, Brokate, Sammet, leuchtendes Gewand. Wie Blanscheflur auch trauert, bleibt so hold Ihr Anblick, daß er Wilde überwand; Drum gaben gern so mannigfachen Sold Die Kaufherrn, Schmuck, fern aus Egypten-Land; Und daß man königlich die Magd bezahle Zum letzten Preis noch eine gold'ne Schale. Wie schwer das reiche Gold auch mogte wiegen, War doch das Gold die allerkleinste Pracht, Ein Bildwerk sah man um den Rand sich schmiegen, So schön geformt durch Kunst und Zaubermacht, Des rothe Schimmer jedes Auge trügen Als sey im Glanze Leben angefacht. Stolz, Neid und Gram, und Liebe, die entzückt, Man schmachtend, leidend, glühend hier erblickt. Stolz zeigen sich im Streit drei Götterfrauen, Mit Neid hegehrend höchster Schönheit Sold, Sie lassen sich vom jungen Paris schauen, Die bietet Weisheit, jene bietet Gold; Doch Venus zeigt auf hellbeblümten Auen Ein lieblich Frauenbild, wie Blumen hold, Verheißt mit Lächeln dann dem Hirtenknaben An ihrer Brust der süßen Minne Gaben. Der Liebe ward der Apfel zuerkannt; Und Paris Augen sah man hell erglänzen, Entzückt verkündend, wie sein Herz entbrannt. Am schmalen Bach, den Blumen sanft umkränzen, Das holde Bild der schönsten Fraue stand, Die schnell entführt von jugendlichen Tänzen Sich schüchtern zwar abwendet wie die Tauben, Zitternd in Lust, sich willig doch läßt rauben. Und Menelaus, von der schlimmen Kunde, Am Felsen lehnend, sitzt er tief gebeugt, Es zeigt der Blick wie von der Herzens-Wunde Im glühn'den Zorn er annoch traurend schweigt, Doch feurig bald mit wohlberedtem Munde Er sich in fürstlicher Versammlung zeigt, Wie Liebe, Zorn, Schmach, Sehnsucht weckt die Glut, So daß er dürstet nach der Feinde Blut. Wann nun im Becher funkelt gold'ner Wein, Ein edler Mann ihn will zum Munde führen, So fühlt das Herz durch Kraft der Zauberei'n, Wenn seine Lippen Paris Bildniß rühren, Mit Lust der Minne wundersüße Pein, Er fühlt von sanften Küssen sich berühren, Und preis't sich seelig, daß die Lippen dürfen Den Wonnetrank aus diesem Becher schlürfen. Doch zornig schwillt des kühnen Ritters Herz, Des Lippen trinkend Menelaus grüßen, Er wähnt die Brust umschirme sich mit Erz, Sieht Troja sinkend Liebesfrevel büßen, Und eines Königs wild entbrannten Schmerz: Mit Freude fühlt er dann den Zorn versüßen, Ihn dünkt, es stürzen Thurm und Maur zusammen, Im Weine sieht er lodern Troja's Flammen. An diesem Becher prangte reich Gefunkel Von edlen Steinen, und mit Herrlichkeit Diente als Knopf dem Deckel ein Karfunkel, Der sendet seine gold'nen Strahlen weit, Daß rothen Schimmer gießend durch das Dunkel Er durch die Finsternisse Lichter streut, Wenn ihn der Schenke zu den Gästen brachte So war die Nacht, als wenn der Morgen lachte. So ward mit reicher Gabe nun vergolten Das holde Kind, die wunderschöne Frau, Vom Lande strebt das Schiff, die Wellen rollten, Der Himmel heiter, Winde bliesen lau; So schwamm der Kiel, wie es die Kaufherrn wollten Nach Babyloniens weit entlegner Au; Hier wurde tief verschleyert, wohl bewacht, Das Fräulein vor den Ameral gebracht. Der Fürst gebot den Schleier wegzuheben, Und fühlt, sie schauend, süße Liebes-Qual; Den Kaufherrn hieß er Gold, Gesteine geben, Bis sie befriedigt schieden aus dem Saal. Er sprach zu Blanscheflur: nicht mußt du beben, Zur höchsten Fürstin macht dich meine Wahl; Nie war mein Herz in trunk'ner Liebe wund, Weil ich nie sah so wundersüßen Mund. Mit Sorgfalt ließ in einen Thurm er schließen Das holde Kind, sein Wort macht unterthan Ihr viele Mägde, dennoch sah er fließen Der Thränen Strom, und fragt, um welchen Wahn Muß sich auf's neu dein Auge stets ergießen? Weil meine Augen nie solch Wunder sahn, Und mich dein Blick in Sehnsucht hält gefangen, Trag' ich nun dich zu trösten mild Verlangen. Ich fürchte, daß ein ander Bildniß lebt In eurer Brust, darum will ich gestatten, Daß ihr der Trauer euch ein Jahr ergebt; In solcher Frist vergeßt den fernen Schatten, Daß wenn herauf die gold'ne Stunde schwebt Ihr heiter mich umschlingt als euren Gatten; Vergeblich Hoffen laßt nicht euer Herz bethören Nach Jahresfrist müßt ihr die Treu mir schwören. Er ging, und Blanscheflur sprach: o mein Gott Wie dank' ich dir für dieses Jahres Frist! Du rettest wohl mich von der Heiden Spott, Und wenn mein Herz sein großes Leid ermißt, Erlöst in diesem Jahr mich noch der Tod; Darum nun fleh ich dich durch Jesum Christ, Der unser Mittler ist bey dir gewesen, Daß wir durch ihn vom ew'gen Tod genesen. In Schmerz und Trauer lebte nun die Gute, In Seufzen, Weinen und in steter Klage, In solchem Weh und mit so schwerem Muthe, Daß ich zu viel nicht von der Armen sage, Sprech' ich, daß keine Nonn' in Klosters Hute, Kein Mönch, kein Klausner lebte seine Tage In solcher Qual, in solchen herben Peinen, Wann sie die schwersten Sünden auch beweinen. Sie seufzte oft: o Gott, deine Gewalt Kann mir wohl lindern meines Herzens Leiden, Die jetzt so bitter grausam mannigfalt Mit ihren Dolchen meine Seele schneiden; Nun werd' ich hier in solchem Elend alt, Muß immer meines Freundes Blick vermeiden, Und schuldlos bin ich, laß es dich erbarmen, O sende Rettung der hülflosen Armen. Mit Freuden hub sich an mein traurig Leben, Doch ach! die Freude brachte nicht Gewinn, Es mußte bald die Seeligkeit entschweben, Daß ich im großen Leid unseelig bin, Wornach mein Herz und alle Sinne streben O wehe mir! auf ewig ist es hin; Und vor mir liegt die kummervolle Zeit, Die mir herbeigeführet Haß und Neid. Nun Gott erhöre mich durch deine Güte, Da Haß und Neid mir solchen Kummer machen, So daß in ew'ger Trauer mein Gemüthe, Da mir nicht mehr des Freundes Augen lachen, Der mir entgegen wie die Rose blühte Wenn ihre Farben Sommerlüft' anfachen; Doch Haß und Neid, die aus der Hölle Grunde, Ach, laß sie, Vater, dort in jeder Stunde! Das bitt' ich, wenn auch mir nicht zum Gewinne, Das Aergste hat mir Haß und Neid gethan, Wie ringt mein Herz, wie lebt die Kraft der Minne Um ihn! und wohl ist es kein falscher Wahn, Daß er die Qual auch fühlt in jedem Sinne, Denn ach! mein Blick und Wort kann ihm nicht nah'n; Er trauert, klaget, weinet, sehnet sich In gleicher Art wie ich inbrünstiglich. Er ist ein Heide, aber herzlich treu; Bin ich getauft, so kann ich doch nicht wähnen, Daß Gott die Liebe ungefällig sey; Wir sind geschieden, sonst bät' ich mit Thränen: Tritt Flore, doch dem heil'gen Bunde bey! Er würde bald sich nach der Taufe sehnen; Wohl mochten sie mich seinethalb verkaufen, Daß sich nun nie mein traut Gespiel läßt taufen. Es trauerte mit Recht wohl unser Muth, Als ihn Gewalt von meinem Herzen schied, Verschwunden war der Wangen Rosenglut, Wie todt der Blick mit dem er mich vermied! O wehe dir, du Flamme, Herzensglut, Die unser Glück dem Könige verrieth! Weil Minne hat sein treues Herz umfangen Drum bin ich hier im Elend nun gefangen. Doch bleibt mein Muth und Herze ihm getreu, Und nimmer soll die Seele sich vermessen Wie weit ich auch von ihm entführet sey, Daß ich je will den süßen Freund vergessen; Nein, ewig wohnet mir sein Bildniß bey, Nur jetzt kann ich mein vorig Glück ermessen. Ja wahrlich wohl ich wäre im Unsinne Vergäß' ich ihn und seine süße Minne. Er ist so edel, treu, unwandelbar, Stolz, bieder und in höchster Güte gut, Hübsch, wohlgestaltet ist er ganz und gar, Hat reines Herz und wonniglichen Muth, An seiner Liebe leid' ich nicht Gefahr, Treu ist sein Herz und edel wie sein Blut: O süßer Freund, den Preis habt ihr vor allen, Drum müßt ihr ewig einzig mir gefallen. O weh! der schönen wonniglichen Augen Gedenk' ich nur, wie sie mich angelacht, So muß mir das zu Leid und Schmerzen taugen Was mich so oft recht innig froh gemacht; Es muß mein Herz an der Erinn'rung saugen, Wie oft der Glanz mir Freude sonst gebracht Von braunen Edelsteinen, leuchtend klar Unter gelocktem dunkelgelben Haar. Und dann die süßen minniglichen Wangen, Auf ganzer Erde ich nichts Schön'res weiß, Wie sie mit rother Farbe sind umfangen, Gemischet doch mit zartem Schein von Weiß; Und wie die vollen Lippen herrlich prangen, Als wären sie der Rosen schönster Preis, Und immer spricht im Lächeln euer Mund: Nun küsse mich und küß dein Herze wund. Im Lächeln dann der Zähne Elfenbein Schien glänzend aus der rosenrothen Pforte Wie Vogelsang im Frühlings-Sonnenschein Im Wald ertönt, flogen die sanften Worte, Sie küßten meine Seele; o der Pein! Getrennt von dir, müssen an diesem Orte Mich schlafend, wachend die Gedanken kränken, Wie sie auch dich, mein süßer Freund, nur denken. Die Bäume sagen rauschend von den Wonnen. Die unser waren, so die Winde singen, Von unsrer Liebe träumen alle Bronnen Mit Liebesworten spielend; farbig schwingen Die Blumen ihre Flüglein zu den Sonnen Und nennen dich die Vögel wie sie springen; Durch Laub und Blüten, Berge, Sonne, Flur Sprechen: Dir treu bleibt ewig Blanscheflur. – – So tönte jammervoll der Holden Klage Mit vielen Thränen in der Einsamkeit, In stiller Nacht so wie am hellen Tage; Viel Jungfrau'n sind zu ihrem Dienst bereit, Doch wünscht sie nur, daß keiner nach ihr frage, Daß sie nur sey mit ihrem großen Leid; Statt Floren möchte sie, von allen Blicken Entfernt, den Schmerz an ihren Busen drücken. Die Boten, die der König ausgesendet Kamen mit ihrem reichen Schatz zurücke Für den das holde Mägdlein war verpfändet, Da trübten sich der schönen Fürstin Blicke; Den Tod der Holden hatte sie gewendet, Doch auch das Herz zerrissen, und das Glücke Der Frau getödtet, die sie Freundin nennt, Von der das einz'ge Kind sie schmerzlich trennt. Die fromme Mutter ganz in Gott ergeben Empfieng den Schlag des Schicksals mit Geduld: Laß sie in deinem Schutz, o Vater, leben, Sprach sie, bewahr' ihr junges Herz vor Schuld; Als auf dies Kind du Hoffnung mir gegeben Erschien es mir ein Zeichen deiner Huld, Nun ist sie grausam meinem Arm entrissen, Laß sie entfernt nicht deine Gnade missen. Zum König sprach die Königin mit Weinen: Ach, Blanscheflur ist nun dahin gegeben, Nun lasset, Herr, auch eure Weisheit scheinen, Daß wir erhalten unsers Kindes Leben; Hört er die Wahrheit, wird in herben Peinen Die Seele bald dem schönen Leib entschweben; Wir werden, fürcht' ich, Leid und Schmerzen tragen, Daß sie verkauft, noch jammernd es beklagen. Ihr müßt mit klugen Sinnen das beenden, Sprach König Felix, sinnt auf eine List. Sie sprach: daß wir des Sohnes Tod abwenden, Verkünden wir, daß sie gestorben ist; Und laßt uns hin nach meiner Schwester senden, Daß sie ihn bey sich halte kurze Frist, Weil Blanscheflure krank, so mag sie sagen, Er soll die Freundin sehn in wen'gen Tagen. So sprach die Königin, und laßt geschwinde Ein Grab errichten, kommt er wieder nun, Dann sagen wir zu dem betrübten Kinde, Daß drunter Blanscheflur's Gebeine ruhn, Mit Lieb ihn tröstend, daß er überwinde Sein großes Leid. Das laß uns eilig thun, Sprach schnell der König. Nun ward ausgesandt Nach klugen Meistern in dem ganzen Land. 4. Gesang Vierter Gesang Du armer Flore! ach, wie wirst du klagen, So sprach ein Ritter, deine Noth den Steinen! Wie gute Lehre kann dies Bild uns sagen, Wenn wir vor Frauen oft vergeblich weinen, Und nicht sie rühren unsers Herzens Plagen! Sehn wir sie an, wir sollten freilich meinen, Daß unters Busen Marmor weiß erhaben Ein liebend Herze müss' auch seyn begraben. Und wollt ihr uns, so sprach die Frau, gewinnen, Wenn ihr mit Tod und Steinen uns vergleicht? Zu einer Zeit da Lebensadern rinnen, Ein süßer Geist aus Bach, Baum, Blume steigt, Die Vögel all' auf neue Lieder sinnen, Die Blätter flüstern und kein Hälmchen schweigt, Von warmem Liebes-Odem angefacht: Wie kalt habt ihr solch Gleichniß ausgedacht. Bey dieses Grabmals Täuschung denkt mit Beben Mein Geist an Tristan: durch der Freundin Scherzen Verlor der Held, der hoffend lag, sein Leben. Er war erkrankt an langer Trennung Schmerzen Und fleht' Isalde Beistand ihm zu geben; Die fühlt sein Weh in ihrem eignen Herzen, Eilfertig wird Arznei von ihr ergriffen, Sie ist bereit zu Tristan hin zu schiffen. Nach seiner Bitte gleich dem weißen Schwane Sieht man mit Segeln hin das Schifflein zieh'n, Daß sich Isalde naht auf nasser Bahne Bedeutet dieß, daß sie noch glüht für ihn, Doch schwarz ist ihm des bittern Todes Fahne Und heißt, daß Treu' und Liebe von ihm flieh'n, Treu liebend hofft er in der Liebe Glauben, Die Seele schmachtet nach dem Weiß der Tauben. Zur Gattin spricht er, die am Fenster steht: Seht ihr noch nicht die weißen Segel fliegen, Wie sie der Wind an unser Ufer weht? Sie will aus Schalkheit den Gemahl belügen, Und spricht: ein schwarzes hat mein Aug' erspäht. Dem Worte mußte Tristan unterliegen Durch diesen Wahn im Tode sich entfärben, Und auch Isalde nach dem Liebling sterben. Drum müssen wir, so fuhr sie fort, beklagen Der Täuschung Wort dem Liebenden erklungen; Des Knaben Herze will im Wahn verzagen, Die Seele wird vom gift'gen Pfeil durchdrungen, Weil alle ihm mit falschem Munde sagen In Grabes Nacht sey Blanscheflur verschlungen; Wie rieth' er wohl, ihr Tod sey nur erdichtet? Sein Auge sieht ihr Denkmal aufgerichtet. Die Meister sollten es mit Fleiß erbauen, Aus einem feinen weißen Marmelstein, Auf Erden kann man nichts so kunstreich schauen, Als all das Bildwerk, so sie in dem Stein Mit weisen Sinnen wundervoll gehauen, Es täuscht die Augen mit des Lebens Schein; Vier ehr'ne Löwen tragen ihn empor Mit Grimme blickend unterm Rand hervor. Kein Grabmal sah man je so seltsam zieren Von manchem Bilde wunderlich umschwebt, Von sanften Lämmern und von wilden Thieren, Was nur auf Triften und in Wäldern lebt; Wie Vögelein den kleinen Fittig rühren, Als ob die Brust lebend'ger Athem hebt: Dies wirkten sie aus den vier kostbarn Sachen Aus denen Künstler trefflich Bildwerk machen. Gold, Silber, Perlen, edeles Gestein, Die bilden aller Farben bunter Flimmer, Worin die Sonne strahlt im Wiederschein, Und ruft hervor des Regenbogens Schimmer; Doch alle Zier, wie groß sie möge seyn, Erreicht den Preis vom höchsten Wunder nimmer Wovon die Red' ich je vernommen habe: Zwey Bilder waren's oben auf dem Grabe, Die lebensgleich die klugen Meister machten, Weil sie der Fürstin zu gefallen zielten: Zwey Kinder die in Liebe sich anlachten, Als ob sie freundlich miteinander spielten, Und sich in Unschuld zum Geschenke brachten Die Blumen, so die zarten Hände hielten; Kein Mangel war an den getriebnen Bildern Die Floren recht und Blanschefluren schildern. Das eine Kindlein, welches Floren glich, Hielt eine Ros' erglüht in Purpur roth, Aus feinem Gold gewirket meisterlich, Die er holdseelig seiner Freundin bot, Und Blanscheflur neigt zu dem Knaben sich, Als zwänge sie der Minne Herzens-Noth; Die schlanke Lilie reicht sie ihrem Freund, Die zwar aus Gold doch weiß wie Silber scheint. Ihr beider Haupt schmückt einer Krone Glanz, Mit solcher Pracht war künstlich die geschlagen, Daß ohne Schmach so goldgeblümten Kranz Des reichsten Königs Stirne dürfte tragen; Doch heller strahlten, wie mit Sternen-Glanz Die Steine so in Florens Krone lagen, Und ein Karfunkel füllt mit Herrlichkeit Die Spitze vorn, hinleuchtend weit und breit. Voll großer Wunder sah man diesen Ort: Wenn sanft sich rührten laue Sommerwinde Dann zwang sie so der Meister Zauberwort. Daß innerlich ihr Athem regt die Kinde, Und wandelt sich in Menschenstimmen dort. Wenn Himmelslüfte weh'ten noch so linde, Alsbald durch Zauberlisten es geschach, Daß wie beseelt solch schön Geschmeide sprach. Und Florens Bildniß hauchte Wort' also: Nun küsse mich, o holdes Mägdlein süße, Denn nimmer werd' ich doch von Herzen froh, Als wenn ich deine süßen Lippen küsse. Was neidet man nur unsre Minne so? Daß Uebel drum dem Neid geschehen müsse! Trotz allem Neid bleib ich dir ewig hold. Dann sprach zurücke gleich das andre Gold: Und red'st du wahr, so bin ich wahrlich reich Im Herzen treu lebt ewig mir die Minne, So sagt das Bildniß, Blanschefluren gleich: Mag es gescheh'n, daß ich je Heil gewinne, So kommt das, theurer Flore, nur von euch, Zu euch gewendet sind mir Herz und Sinne. – Darnach dann beide lieblich küßten sich Mit gold'nem Mund der rothen Lippen glich. So lang des Windes lauer Athem blies, Durften die Kinder sich in Freuden küssen, Doch wenn der Wind von seinen Kräften ließ, So müssen es die schönen Bilder büßen, Es fehlt am Hauche der sie unterwies' Wie sie in Liebeshuld sich mögen grüßen, Dann schauen sie einander an in Ruh Und jedes lacht dem andern lieblich zu. Dies Wunderwerk vor eines Münsters Thor Ward es erhaben, daß sich's jedem zeigt, Der ein zum Münster geht, und keinem Ohr Kein Mund die große Herrlichkeit verschweigt Von diesem Grab, das schnell und kühn hervor So wunderbar aus grünem Boden steigt; Was Dichter je von fremden Künsten sangen, Die sieht man all' an diesem Grabmal prangen. Auch war der Ort mit Bäumen rings besetzt Es zu beschatten hoch und wohl umlaubt, Die nie ein Wind an keinem Zweig verletzt, Noch je ein Blatt von ihren Wipfeln raubt. Ein blüh'nder Bisem ward dahin gesetzt Wo man bezeichnet Blanscheflurens Haupt, Um dort, sich regend mit den blüh'nden Zweigen Der Farben Spiel im dunklen Grün zu zeigen. Ein schlanker Baum erhob sich zu den Füßen, Der seinen Balsam noch in Blüten trug, Der Duft entströmt ihm wie mit Regengüssen, Den lauer Wind mit seinem Flügel schlug. Weß Lippen je gekostet von den süßen Saftschwell'nden Beeren, die als Frucht er trug, Erprobt in ihnen wunderbare Tugend, Durch ihre Kräft' blüht er in ew'ger Jugend. An seiner Seite stand ein Ebanus, Deß Kraft-Tugend wir also ächt erkennen, Daß sie im Feuer sich bewähren muß, Es kann ihn nimmer keine Glut verbrennen. Wohl fühlt mein Herz im Inn'ren den Verdruß, Daß ich den Wunderbaum nicht weiß zu nennen Der hingepflanzet an der linken Hand Als höchstes Wunder bey dem Grabe stand. In farb'gen Blumen sprossend und im Gras Sind seine Blüten, röther, wie die Rosen, Den ganzen Tag im Thaue glänzend naß; Wenn Winde auch gelinde mit ihm kosen, So leise rühren sie ihn küssend, daß Von keinem Blatte fallen ab die losen Thauperlen, nein, sein funkelndes Geschmeide Bewahren sie, behütend ihn vor Leide. Ein duft'ger Strom aus seinen Blüten drang, Drin baden sich die bunten Vögelein, Gelinde schwebend, wirbelnd den Gesang, In Thauestropfen spiegelt Sonnenschein; Glanz, Duft und Farben, heller Stimmen Klang, Des Baumes Rauschen laden zaub'risch ein Der Minne süßen Balsamwein zu trinken; In Liebesträumen liebend zu versinken. Und dies lebendige Blühen, Duften, Rauschen, Ein Zeichen sollt' es seyn dem bittern Tod, In diesem Zauberspiel verborgen lauschen Auf Flore Schrecken, Trauer, Pein und Noth, Um Elend soll er Liebesglück vertauschen Weil strenge so des Königs Stolz gebot. Der ließ dem Stein mit gold'ner Schrift eingraben: Da drunter liege Blanscheflur begraben. Die Worte zeigen an, daß sie an Güte Vor allen Blumen trug den höchsten Preis; Daß Florens Herz in Minne für sie glühte, Wie ihre Brust von Liebes-Flammen heiß: Bis sterbend mußte welken diese Blüte So die Natur gepflegt mit Lieb' und Fleiß, Um die nun schmerzlich aller Augen weinen Da ihre Sternen-Augen nicht mehr scheinen. In Eile war des Grabes Bau vollendet, Daß es dem Werk an keiner Zier gebrach; Als es vollbracht, da ward ein Mann gesendet Zu Floren, und der König also sprach: Ein großes Unheil hab' ich abgewendet Woran der Krone Ehre fast zerbrach; Wenn Flore kommt, so lieb euch euer Leben Sollt ihr ihm nicht wahrhafte Nachricht geben. Es kam der Tag, auszog nun von Montmore Das holde Kind zum erstenmal erfreut, Kaum öffnete das Morgenroth die Thore Ritt schon der frohe Zug; es sprengte weit Voran durch Thau und Blumen lachend Flore, Nicht dacht' er mehr an Sorge, Qual und Leid; Still in sich lächelnd spricht er immer nur: Bald seh' ich dich, geliebte Blanscheflur. So freudig und in heißer Sehnsucht Bangen Tritt nun das Kind zu seinen Eltern ein. Der Vater hält, die Mutter ihn umfangen: Befreit mein Herz, spricht er, von aller Pein, Stillt nun in mir das brünstige Verlangen, Die Seele schmachtet nach dem Himmelswein, Den Blanscheflurens Lippen in mich küssen; Drum laßt mich gehn, mein hold Gespiel begrüßen. Er kam dahin wo ihre Mutter saß, Die sehr erschrak als sie erblickt das Kind; Er sah' es nicht wie ihre Wangen blaß: Wo Blanscheflur das fragt er nur geschwind. Der Mutter Auge netzt ein schmerzlich Naß: Ich weiß es nicht, so sagte sie gelind, Wir ist so Weh' in meiner Brust geschehn, Drei Wochen schon hab' ich sie nicht geseh'n. O laßt die Rede, sprach er, treibt nicht Spott! Wollt doch von meinem Kummer mich belehren. Die Mutter sagt: Es ist mein Kind bey Gott; Sie kann den inn'ren Schmerzen nicht mehr wehren, Ihr bittres Leid, des Herzens große Noth, Erzwingen aus den Augen heiße Zähren; Und Flore muß den Tod der Freundin glauben, Das will ihm Sinn und die Gedanken rauben. Die Wangen und die Lippen sind erbleicht, Sein Auge nur starrt noch die Christin an, Und als sie seufzt und weint und wieder schweigt, Und recht sein Herz das große Leid gewann, Wie eine Blume sich zu Boden neigt, Verwelkt, erbleicht, sich nicht mehr halten kann: So sinkt er nieder zu der Christin Füßen, Auf ewig scheint sein Auge sich zu schließen. Laut schreit die Christin: Jammer, Leid und Klagen In ew'gen Thränen nun mein Auge schwimme! – Der König eilt zu ihr, will selber fragen; Die Kön'gin auch als sie gehört die Stimme. Sie seh'n den Sohn, da muß ihr Herz verzagen; Wie auch der König sonst getobt im Grimme, Sein Herz sich schien den Kindern zu versteinen, Muß er doch jetzt in bangen Aengsten weinen. Die Kön'gin küßte ihres Kindes Mund: Ach Flore! ist es Jammers nicht genug? Gieb durch ein Zeichen doch dein Leben kund Der, die dich unter ihrem Herzen trug! Von scharfen Leiden ward ihr Busen wund, Bis er die schönen Augen matt aufschlug, Und weinend bat um diese einz'ge Gabe, Daß man ihn bringe zu der Freundin Grabe. Dahin will ihn die Kön'gin selber führen; Es schmerzt sie tief des zarten Kindes Leiden. Er will den kalten Grabesstein berühren, In rechtem Schmerz sein liebend Herz noch waiden. Die Steine selbst muß wohl der Anblick rühren, Wie sehr er trauert um der Freundin Scheiden; Und weher noch dem armen Kind geschah, Als er das Grab und seine Bilder sah. Hier fühlt er recht der glühn'den Sehnsucht Schmachten, Nach seiner holden süßen Blanscheflur, Als er die Bilder sah die sich anlachten, Und eines glich der schönen Creatur, Das and're ihm, wie sie sich Gaben brachten, Der Liebe Zeichen von der blüh'nden Flur. Er steht im Sinnen, liest mit lautem Weinen, Die gold'nen Wort auf kalten Marmorsteinen: Hier liegt die schöne Blanscheflur, in Güte Vor allen Blumen trug sie höchsten Preis, Für die in Liebe Flore zärtlich glühte, So hegt' ihr Herz die Minne gleicher Weis'. – Ach wohl! sprach er, warst du die schönste Blüte, Du schlanke Lilie himmlisch rein und weiß! Mehr kann er nicht vor bangen Schmerzen sagen Muß stumm sein Leid im inn'ren Busen tragen. Man sieht das Kind hin an dem Grabe knien, Und als er Wort und Rede wieder fand Da rief er laut: allein wollt'st du entfliehen? Vergassest du denn unsrer Minne Band? Zwei Blumen mußten wir zugleich erblühen, Wie kommt es denn, daß nur dein Stern hinschwand? Wie eine Stunde Leben gab uns beiden, So sollten wir in einer auch verscheiden. Der Himmel hatte mir an dir gegeben So wonniglicher süßer Wonne viel, Du leitetest, ein goldner Stern, mein Leben, Und glänzend schien vor meiner Bahn das Ziel; In Himmelsgnaden sah' ich hoch dich schweben, Dem Herrn der Welten glaub' ich selbst gefiel, Daß er dich schön geformt zur Lust der Erden, Liebreizend so Gang, Stellung und Geberden. Drum war dein Haupt mir eine lichte Sonne, Es floß dein Haar herab ein goldner Schein: Dein Auge lacht; Glück, Heil und Herzenswonne Erblüht sogleich aus diesem Edelstein – Ach! nicht ein Stein, des Strahlen aus der Sonne, Darf mir ein Bild von deinen Augen seyn; Zwei blaue Himmel sind's die so sich schmiegen, Daß sie im Kelche einer Lilie liegen. Ja eine Lilie warst du, holde Blume, Die still ihr Haupt in milden Lüften wiegt, Wann du dich regtest war's zu deinem Ruhme, Von deinem Hauch ward jedes Herz besiegt, Es war ein Wort aus Gottes Heiligthume, Weh mir! all diese Wonn' im Grabe liegt! Qual, Pein und Jammer treffen dessen Sinne Den sonst umstrahlt die Lichter deiner Minne. Wie drängt sich mir zu meinem Leid und Schmerz Erinn'rung jeder süßen Stunde ein, Wie wir getrieben holder Minne Scherz, Ihn heimlich leise sprechend in Latein; Oft wagte nicht der Mund so wie das Herz Zu reden, dann an unser Täfelein Schrieben wir dreist in wonnesüßen Briefen Recht alle Worte aus des Herzens Tiefen. Durch welche That verdient' ich diesen Gram? Warum nur schlug der Tod mir solche Wunde, Daß er die weg von meinem Herzen nahm, Aus deren Augen, wie aus ihrem Munde, Des ew'gen Lebens Balsam auf mich kam? Sie brachte stets mir von dem Himmel Kunde; Der hat mein Herz, so scheint es, nun verstoßen, Die Himmels-Augen, weh mir! sind geschlossen. O wehe dir! du unbescheidner Tod! Du nahmst hinweg das allerschönste Leben. O wehe mir! zu meiner Herzensnoth Ward dir an Blanschefluren Macht gegeben, Warum muß sie sich beugen dem Gebot? Warum darfst du nach solcher Beute streben? Da tausend welke Lippen zu dir flehen? Erloschne Augen sehnend nach dir spähen? Doch, nein, o Tod! nicht fluch' ich der Gewalt, Sieh' meine harten Worte mich bereuen, Ist sie gestorben und ich würde alt? Und stürbe doch so gern an Herzenstreuen? Komm Tod zu mir, mir bist du wohlgestalt, Dein Anblick wird mein krankes Herz erfreuen, Wie hab' ich erst nur fluchen dir gewollt? Mein Herz ist dir in rechten Treuen hold. Stehst du mir bei, wie bald bin ich gesund, O, Liebster, komm, dies Grab hier ist mein Ziel; Ja du erneuerst unsrer Liebe Bund, Und führst mir zu mein holdestes Gespiel, Die Augen und den allersüß'ten Mund. Doch warum fleh' ich thöricht dich so viel? Wenn einer will von Herzen gerne sterben, Der braucht nicht erst um deine Gunst zu werben. Hast du an ihr bewiesen deine Macht, So zwinget, Tod, dich selber nun mein Sinn, Du hast die Liebste schnöde umgebracht, Drum bist du selbst mein einziger Gewinn, Du führst mich sicherlich noch eh' es Nacht Zu meiner treuen Blanscheflure hin; Vergeblich ließest du dich sanft beschwören, Nun zwing' ich dich, nun mußt du mich erhören. Es schwieg sein Mund, doch gab sein Auge Schein, Wie er zum Tode trug ein heiß Gelüsten. Er zog hervor ein goldnes Griffelein, Und wie das zitternd seine Lippen küßten, Da brach sein Herz fast in der grimmen Pein, Bis milde Tropfen ihm sein Leid versüßten, In Strömen stürzend aus den Augen nieder, Da fand das Kind auch seine Sprache wieder. Im Weinen sprach er zu dem lichten Gold: Nichts blieb mir von der süßesten Freundinne, Als Herzensleid, und du; du hast gesollt Ein Zeichen seyn wie treu mir ihre Minne; Sie sprach dabei: bleib du mir ewig hold, Es folgen dir mein Herz und meine Sinne, Mein trauter Freund, und was mir auch geschehe, Gieb Gott, daß ich nur bald dich wiedersehe! Dies waren ihre lieben letzten Worte, Sie gab dich mir, so ende du mein Jammern, Und öffne mir die schwarze Todespforte, Ein gold'ner Schlüssel zu den dunkeln Kammern, Wo sie mein harrt am einsam stillen Orte, Sie mag mein Weh' in Thränen wohl bejammern! Sie gab dich mir als Zeichen wie sie liebe, Drum eine du auf's neue uns're Liebe. Die Königin sah' all sein Thun und Leiden, Sie war bei ihm, dem Kinde unbewußt, Und mußte jede Pein mit ihm erleiden. Den Griffel riß sie von des Knaben Brust, Eh' er sich konnte von dem Leben scheiden; Bekämpfe, rief sie, frevelhafte Lust. Schwer duldet er von ihr der Liebe Zwang, Weil nach dem Tod' sein ganzes Herze rang. Da schaut er an die Mutteraugen mild, Das linderte in seiner Brust die Glut, Die sanft ihr Mund mit Liebesworten stillt: Mein Kind, sprach sie, du bist mein Herz, mein Blut, Wie handelst du nun wider mich so wild, Daß du den Tod erwählst zum höchsten Gut, Und du dir willst um irren Wahn und Glauben, So frev'le That an meinem Blut erlauben? Vernimm mein Wort, mein vielgeliebter Sohn, Schon oftmals wandte böser Sterne Walten In Nacht und Tod der Minne süßen Lohn Durch täuschend Blendwerk wilder Truggestalten: O höre auf der Mutterliebe Ton! Wie meine Arme an mein Herz dich halten, Muß ich dein herbes Leid beweinend sagen: Um Wahn zerstört dich herzzerreißend Klagen. Dich trügt dein Schmerz, dich lockt ein falsches Wähnen, Gedenk' an Thisbe und an Pyramus, Wie die gequält von inn'ger Liebe Sehnen Im Herzen schmachtend nach der Minne Gruß; In stiller Nacht, als glänzend Luna's Thränen Die Blumen schon befeuchtet, schleicht ihr Fuß Zu Ninus Grab, um Aug' in Aug' zu blicken, Und Herz an Herz sich liebend fest zu drücken. Ausstreut die keusche Göttin ihre Lichter, Der Mondenglanz rührt Ros' und Lilie an, Die Blumen heben auf die Angesichter, Um jede spielt ein liebevoller Wahn; Der Epheu schlingt sich um die Bäume dichter, Sein leises Flüstern deutet Sehnsucht an: Baum, Blume seh'n durch Schatten Thisbe kommen, Mit Duft und Rauschen rufen sie willkommen. Heimlich verliebt die Mondes-Strahlen spielen Mit Baum und Gras: es flüstern alle Blüten, Auf feuchtem Grund schleicht her zu Liebesspielen Das holde Weib; die Augen, Wangen glühten, Sie schaut mit Lust, wie Mondes-Schimmer zielen Nach Rosen, die wie Liebesträume glühten; Doch wie sie naht und sie zu brechen denkt, Sieht sie, daß Blut den grünen Rasen tränkt. Und ach! des Liebsten Herze war der Bronnen, Aus dem entsprang die purpurrothe Flut, Er wähnt getödtet seiner Liehe Wonnen, Wähnt zu erblicken seiner Thisbe Blut; So war um Wahn der Minne Heil zerronnen, In Todes-Nacht verlöscht die inn'ge Glut; So mußte roth das sanfte Grün sich färben, Thisbe im Schmerz und er im Wahne sterben. Daran gedenk' und stille deine Thränen, Du magst mit milderm Schmerz dich nach dem Gruß Der Liebe, des holdseeligen Kindes sehnen, Wie ich es auch in jeder Stunde muß: – So spricht die Mutter: läßt sein Haupt noch lehnen An ihrer Brust, drückt einen sanften Kuß Auf seinen Mund, und fragt mit süßem Ton: Hörst du mein Wort, mein vielgeliebter Sohn? Er hört die Mutter an, und sanfter weinen Sieht sie den Sohn; zum Grabe sinkt er nieder, Er will dem Marmor, scheint es sich vereinen Im Schmerz bewegt er weder Haupt noch Glieder; Nur seine Thränen glänzen auf den Steinen, Dann küßt sein Mund den kalten Marmor wieder; So stumm beim Grabe läßt das holde Kind Die Mutter, eilt zum Könige geschwind. Als sie ihn sieht, kniet sie zu seinen Füßen, Und schlingt die Arme fest um seine Knie: Ach! mochtet ihr mich einst in Liebe grüßen, Wenn mir der Himmel je die Huld verlieh, So laßt mich, Herr, nicht länger traurend büßen, Daß nicht der Hauch des Lebens mir entflieh. So sprach die Königin, von Weh durchdrungen, Hielt stets ihr Arm des Königs Knie umschlungen. Er sieht auf sie, und milde wird sein Blick, Ein Wehmuthslächeln schwebt um seinen Mund, Vergangenheit ruft ihm sein Herz zurück Wie er zuerst von ihrer Liebe wund, Wie ihn belohnt der Minne holdes Glück, Wie durch ihr Wort sein krankes Herz gesund. Nun fühlt er neu die herrschenden Gewalten, Sein Auge kann die Thränen nicht mehr halten. Er hebt sie auf und spricht mit nassen Wangen: Mußt du vor mir also im Staube flehen Wie trug ich dir zu dienen nicht Verlangen, Nun hat mein Aug' erniedrigt dich gesehen; An Ehr' und Liebe hab' ich mich vergangen, Beschämt muß ich vor deinen Blicken stehen. O! woll' in Liebe mein Vergehn verschonen, Auf's neu' als Herrin mir im Herzen thronen. Wie bin ich, Herr, in Glück und Liebe trunken, So sprach die Frau; neu blüht in eurer Brust, Was ich schon wähnt' in ew'ge Nacht versunken, Erhöht mein Glück nun zu des Himmels Lust. Verzweifelnd ist zum Grabe hingesunken Mein einig Kind, tief klagend den Verlust Der treu'sten Liebe, ihm durch Tod entrissen: Vergönnt dem Sohn sein wahres Leid zu wissen. Ihr seid mir Herrin, und seid völlig frei, So sprach der König: thut nach eurem Willen, Daß ich noch treu dem alten Eide sei, In Lieb? euch will mein Ritterwort erfüllen, Das schwör' ich, Holde, heute euch auf's neu! – So eil' ich erst des Kindes Leid zu stillen Sprach sie, und dann will ich an Sonnenblicken Erneuter Liebe meine Brust erquicken. Sie fand ihr Kind noch stumm am Grabe klagen, Wangen und Mund vom bittern Leide blaß, Trostlos will er die Schmerzen nicht mehr sagen, Die Gräser rings sind von den Thränen naß; So muß ihr Herz bey seinem Anblick zagen, Daß sie erschreckend fast den Trost vergaß, Womit sie heilen wollte seine Wunde, Aengstlich spricht sie mit lächelnd blassem Munde. Das kranke Kind hört kaum auf den Bericht, Giebt sich verloren: in der Herzens-Pein Hält er der Mutter Rede für Gedicht, Die ihn zu trösten sinn' auf falschen Schein; Doch als die Fürstin nun befehlend spricht: Hinweggenommen sey der Marmorstein; Und man des Grabmahls Decke aufgehoben, Daß er nun selbst die Wahrheit kann erproben, Wer mag mit Worten nur die Freude schmücken, Die Florens Herze seelig hielt umfangen, Sie zündet an die Lichter in den Blicken, Läßt neu erblüh'n die Rosen auf den Wangen; Er steht am Grab in trunkenem Entzücken, Mund, Wang' und Aug' in vor'ger Schönheit prangen, Sein Herz erzittert, Jauchzen, Schreck und Lust Durchfliegt wie Blitze seine junge Brust. Und da sein Herz die Worte wiederfand, Vermaß er sich mit tausend, tausend Eiden: Ist sie geführt durch zwanzig weite Land, Ich will so lange jede Ruhe meiden, Zu fest umschlungen von der Minne Band, Kann selbst der Tod nicht uns're Liebe scheiden, Mein hold Gespiel, die Freundin zu befrei'n Will ich im Kampf mit Meer und Stürmen seyn. Ein Wunder war der Kinder treues Minnen; Ein Bach der silbern in dem Fels entsprang Kann lautrer nicht durch grüne Thäler rinnen, Als Liebes-Strom durch ihre Herzen drang. Bereit sind gleich die kindisch jungen Sinnen. Wann nur ein Ton der holden Minn' erklang, Ihr dienten sie, ihr lebten sie zum Preise; Sie führt auch jetzt den Jüngling auf die Reise. Vom Grab hinweg an seiner Mutter Hand Ging er, und blieb vor seinem Vater stehen: Wenn Gnad' ich je vor euren Augen fand So sprach er: laßt, o Herr, mich eilig gehen, Und nennet mir durch eure Huld das Land Wo ich die Freundin möge wiedersehen; Daß ich zu ihr kann meinen Schritt beflügeln, Denn nicht läßt sich mein sehnend Herz mehr zügeln. Der König sah in seinem Sohn die Glut, Die auf den Wangen, in den Augen brannte. Zur Frau sprach er, gebeugt im trüben Muth: Weh' mir, daß ich euch weise je erkannte! Sie zu verkaufen, spracht ihr, wäre gut; Nun weiß ich nicht, wohin das Schiff sich wandte. – Wohl, sagt die Königin, gab ich den Rath, Der euch bewahrte von der schlimmern That. Fluch, rief der König, der unseel'gen Stunde, Als jener Pilger nach Hispania kam; Als ich zu meines eignen Herzens Wunde Das schwangre Weib mit als Gefang'ne nahm! Da war ich selber wider mich im Bunde, Und beugte dem Geschick mich knechtisch zahm. Die Götter ehrend wollt' ich Ruhm erjagen, Das zeugte mir die herzzerstör'nden Plagen. Versucht ward von dem König mit gelinden Worten, zu beugen seines Knaben Willen. Viel sprach er ihm von furchtbar grausen Winden Die keines fleh'nden Kindes Klagen stillen. Mit Liebe sucht er schlau ihn zu umwinden, Mit Thränen die aus Mutteraugen quillen, Von Gram erzeugt, wie sie stets seufzen werde: Nun kämpft mein Sohn mit Himmel, Meer und Erde. Dann sprach er noch: viel Schönen ohne Zahl, Im Mayenglanz der ersten Jugend prangen, Und jede Blume neigt sich deiner Wahl, Jedwede wird mit Freuden dich empfangen; Ein freier Herr sei über Berg und Thal. Dich locken schön're Lippen, schön're Wangen, Und edles Blut das dich noch selbst mag adeln, Daß dein Gemahl kein schnöder Blick darf tadeln. Doch Flore sprach: nur eine will ich lieben Der auch mein Herz mein ganzes Leben bleibe, Zu Blanscheflur sehnsüchtig hin getrieben, Erring' ich diese einzig mir zum Weibe; Ihr Blick ist ewig in mein Herz geschrieben, Darum vergönnt, daß ich nicht länger bleibe. Mein Herz belebt ein ahndungsvolles Hoffen, Mein hold Gespiel wird balde angetroffen. Der König sah', der Schluß war nicht zu wenden; So sprach er: wohl, zieh' hin aus meinen Reichen Ich will auf ungewisse Fahrt dich senden, Doch sollst du nicht dem schnöden Bettler gleichen. Ein kostbar Gut will ich auf dich verwenden, Von meiner Huld erwarte jedes Zeichen, Gewänder, Silber, Steine, rothes Gold; Und Flore neigt dem Vater, der ihm hold. 5. Gesang Fünfter Gesang Die Frau schwieg still und wendet ihre Blicke Dem Ritter zu, des Herze ganz versunken, Beherrscht von zweier Liebenden Geschicke; Wie hat mein Ohr nicht jeden Ton getrunken, So rief er aus, nun wendet sich ihr Glücke, Und dämmern seh' ich schon der Hoffnung Funken; O Liebe, leih' dem Knaben deine Schwingen, Daß sie ihn sanft zu seiner Freundin bringen. Wie rührt mich nicht dies Wort aus eurem Munde So spricht die Frau, ein grünes Lorbeer-Reis War euer Ziel in mancher heißen Stunde, Wenn ihr geworben um der Ehre Preis, Und jetzt schmerzt euch der Kinder Liebes-Wunde, So fühlt das Herz der Minne sanft Geheiß, Daß ich in eurem Auge sehe Thränen Erglänzen um zwei holder Kinder Sehnen. Erst für den Herrn, so streiten unsre Waffen, Muß liebend ihr der Ritter Antwort geben; Im hohen Dienste müßten wir erschlaffen, Die Ehre selbst würd' unserm Haupt entschweben, Doch süße Blicke, die uns liebend trafen, Das Herz mit Kraft zur kühnsten That erheben: Drum neigt ein Ritter willig Herz und Sinne Zum Dienst der Frauen und um Lohn der Minne. Ihr redet recht, antwortet ihm die Frau, In jedem Herzen muß die Liebe thronen Das sie ernährt mit süßem Himmelsthau, Wir würden nur in öden Wüsten wohnen, Uns trübte sich des Himmels leuchtend Blau, Wenn Liebe nicht mehr liebend dürfte lohnen; Vergeblich ist's die Herzen zu bewahren Die Minne lockt, selbst lieblich in Gefahren. Der Ritter sprach, die Liebe und die Waffen, Sind nicht den edlen Herzen zu verbergen. Wie Parzival zum Ritterthum erschaffen, Auch ländlich, einsam wohnte in den Bergen; Seit den Gemahl der Feinde Lanzen trafen Wollte den Sohn Herzeloide bergen, Und in dem Kind' den Adel eh' vernichten Als ihn vom Streit und Waffen unterrichten. So schweift einst bäurisch durch den Wald der Held, Und sieht im grünen Schatten Goldesflimmer, Sein staunend Auge auf zwei Ritter fällt, Die hellumleuchtet von der Waffen Schimmer; Es denkt das Kind: Bewohner dieser Welt Sind diese lichte Glanzgestalten nimmer; Einfältig kniet er, beugend tief sein Haupt, Weil er zwei Engel zu begrüßen glaubt. Daß er mit Rittern sprach hat er erfahren; Nun lebt Begier in ihm nach Kampf und Streit. Die Mutter kann den Sohn nicht mehr bewahren, Sein kühnes Herz erringt ein Waffenkleid. Mit tapfrer Brust begegnend den Gefahren, Beglückt ihn bald der Minne Süßigkeit; In treuer Liebe ewig ohne Wanken Fesselt Conduiramur Herz und Gedanken. Und Herz'loidens traurig einsam Klagen, So sprach die Frau, erfüllt mein Herz mit Leiden; Die Kön'gin muß im gleichen Jammer zagen, Es will der Sohn von ihrem Herzen scheiden. Der König hieß herbei die Schätze tragen Gold, Silber, edle Stein und farb'ge Seiden: Dieß haben wir für Blanscheflur genommen, Sprach er, doch dreimal mehr sollst du bekommen. Von diesem Schatz bewahr' die goldne Schale, Worauf des Helden Paris Lieb ergraben. Zieh'st über Berge du durch ferne Thale, Mag stets der Wein aus diesem Gold dich laben; Doch wenn er glänzend funkelt bei dem Mahle Mußt du für dieses Kleinod Sorge haben. Sein Anblick reizet so der Menschen Sinne, Daß jeder trachtet wie er es gewinne. Ein selt'nes Roß geb' ich dir noch zu eigen, Man soll es her vor deine Augen bringen. Als kaum des Königs letzte Worte schweigen, Hört Flore schon die gold'nen Schellen klingen; Ein Wunder will sich seinen Blicken zeigen Im Tanze naht mit zierlich leichtem Springen Das stolze Roß, mit Glanz und wildem Leben, Scheint es im Takte der Musik zu schweben. Klug blickt es um sich als es vorgeführt, Klein war sein Haupt, kräftig die breite Brust, Flüchtig sein Huf der kaum den Boden rührt, Das Auge leuchtend wie in hoher Lust, Und wie es selbst sein edles Feuer spürt, So ists auch seiner Schönheit sich bewußt; Wirft stolz sein Haupt, daß kühn die Mähnen fliegen, Die glänzend rein das Weiß des Schnees besiegen. Den Sattel man auf seinem Rücken schaute Erleuchtend roth, wie dunkler Rosen Glut, Die Sattelbogen worauf man ihn baute Gewann einst eines kühnen Ritters Muth Von einem Meeresfisch, den er zerhaute, Den Sieg errang, ob eines Thieres Wuth. Als er das Ungeheu'r hat zerspalten, Hat er die Knochen als Trophä'n behalten. Vom Pferd' herab floß schimmerndes Gewand, So reich gewürkt, daß es die Augen blendet, Ein breiter Borten um die Brust sich wand, Woran die Kunst den höchsten Fleiß gewendet, Aus feinstem Gold sinnreich gewürkt dies Band, Mit edlen Steinen ist die Pracht vollendet An gold'nen Glöckchen, die beim kleinsten Regen Melodisch gleich sich zur Musik bewegen. Der Meister hat zu diesem Schmuck genommen Nur Silber, Gold, die edelsten Gesteine, Die ferne aus Egypten Lande kommen, Und auch arab'sche Seid' im farb'gen Scheine. Der König sprach, schwer war sein Herz beklommen: Daß ich, wie ich dich liebe, dir bescheine, Empfang dies Roß, mein Sohn, aus meiner Hand, Das einst, mich ehrend, Zauberer gesandt. Schwer seufzend sprach im Schmerz die Königinne: Da wir des Himmels Fügung müssen leiden, Und du willst ziehen in dem Dienst der Minne, Dein Haus, dein Land und deine Aeltern meiden, Und mich bedrängt, verwirrt die bangen Sinne, Das Herzensweh, zu jammervolles Scheiden, So nimm, mein Sohn, von meiner Hand die Gabe, Das edelste von deiner Mutter Habe. Nimm diesen Ring, bewahr' dies Kleinod gut, Mit ihm darfst du in keiner Noth verzagen, Weil Zauberkraft im dunkeln Steine ruht. Und willst du auch die kühnste Bitte wagen, So wirkt der Zauber durch des Steines Glut, Das rauh'ste Herz wird niemals, nein, dir sagen; Auch wenn Gefahr dein junges Haupt bedroht, Schirmt dich der Ring vor jeder Todesnoth. Wie zärtlich dankte Flore nun mit Thränen, Dann, sprach er, laßt mit eurer Huld mich fort, Mich reißt hinweg unwiderstehlich Sehnen. Die für sich sprach: du strebst nach fernem Ort, Ich einsam jammernd muß nun trostlos wähnen, Nie grüßt dich mehr der Mutter zärtlich Wort. Der König will noch Abschiedsworte sagen, Die inn'rer Schmerz und Thränen ihm versagen. Als nun der Jüngling leicht sein Roß bestiegen, Die Schaar ihm naht zu seinem Dienst erkohren, Da wähnt dem Schmerz der König zu erliegen. Die Kön'gin klagt um ihn, den sie geboren; Doch Flore sprach: mein Weh' muß ich besiegen, Ihr Freunde wißt, wie ich mein Heil verloren, Drum woll't mir alle euren Rath nun schenken, Wohin wir suchend uns're Reise lenken. Die Diener sagten: ziehn wir, Herr, dahin, Wo man zuerst verkaufet hat die Fraue: – Ihr rathet gut, und klug ist euer Sinn Sprach Flore; auf des Himmels Huld ich baue, Sie führe mich zum herrlichsten Gewinn. Sie zogen fort, durch Felder, Flur und Aue Bis endlich zu dem Thor der Stadt sie kamen, Worin die erste Nachtherberg sie nahmen. Der Prinz befahl nun seinem Kämmerer: Geh' such die beste Herberg' uns geschwind. Dem Treuen fügt es so das Ohngefähr, Daß sie die Nacht in selbem Hause sind, Wo tief betrübt, recht aus dem Herzen schwer Geseufzet hatte das holdsel'ge Kind, Wo Blanscheflur geweinet eine Nacht, Eh' sie die Kaufherrn auf ihr Schiff gebracht. Man bot dem Prinzen freundlichen Willkommen; Der schickt die Diener eilig in die Stadt, Um süßen Wein und Speisen zu bekommen. Sie gehn zum Markt, und manche Frage that Das Volk, wer sie doch sey'n? woher gekommen? Den Bürgern sagten sie durch weisen Rath, Sie wären Kaufleut' fahrend um Gewinn, Mit reichen Stoffen über Meer dahin. Die Tische stehn bereitet und das Essen, Der Wein lacht funkelnd alle Gäste an, Einladend, froh die Sorgen zu vergessen; Nur Flore seufzt, der nicht beherrschen kann Sein innig Leid, wie er am Tisch gesessen; Und neben ihm der Wirth ein kluger Mann, Vor dessen Augen gern der junge Gast Verborgen hätte seines Herzens Last. Doch war's, daß Klag' und Seufzer ihn umschwebte, Die Blanscheflur hier ausgehaucht in Pein? Vor seinem Blick ihr holdes Bild sich webte, Es lacht ihn an der klaren Augen Schein, Daß er versenkt in süßen Träumen lebte, Kaum Speise rührte, kaum genoß den Wein; Kein Wort vernimmt, auf jede Frage schweigt, Verwundert sich zum Wirth die Wirthin neigt. Wie mag es doch dem Jüngling seyn ergangen? Sprach heimlich sie, mich rührt sein bitt'rer Schmerz, Der diese Kindesseele hält umfangen, Daß nach Gewinn er zieht, ist wohl nur Scherz, Ich glaub' ihn zieht ein brünstiger Verlangen; Der Minne Band bemeistert wohl sein Herz. Es sprach der Wirth: die Ursach seiner Klagen, Will ich mit kluger Rede wohl erfragen. Mit Freundlichkeit ließ er die Augen ruhn Auf Flor' und sprach: ich frag' euch, Herr, durch Güte, Drum möget ihr bescheidentlich geruhn Zu sagen, wie in eurer Jugend Blüte, Des Kummers Dornen euch so wehe thun. So lang ich euch mit meinen Augen hüte, Seitdem zum Mahl bereit die Tische stunden, Hat euer Herz nur bittre Pein empfunden. Quält sich so junges Blut denn schon mit Sorgen, Wie eure Fahrt sich wende zum Gewinn? Hier war bei mir ein Jungfräulein verborgen Die anders wohl gerichtet ihren Sinn, Die klagte, weinte, seufzte bis zum Morgen, Als man sie führte nach dem Meere hin. In Trauer lieblich, weinend minniglich, Holdseelig schmachtend, liebend inniglich. Ach, daß so heiß mir Schmerz im Busen brennt, Sprach sie im Weh': das duld' ich um die Minne; Doch wird das Liebesband drum nicht getrennt, Mir thront im Herzen, es beherrscht die Sinne Der süße Freund, der sich mein eigen nennt, Der liebend mich erkohren zur Freundinne. Sie war getauft und er vom Stamm der Heiden, Drum, glaub' ich, wollte man die Liebe scheiden. Ach, rief sie schmerzlich, wie würd' es ihn kränken Säh' er mich schweben auf den Meereswellen, Verzweiflungsvoll muß ich nun sein gedenken, Da sich zur Reise schon die Segel schwellen, Dürfte den Schritt die freie Willkühr lenken, Durch blum'ge Wiesen und vorbei den Quellen, Gleich Byblis einst im Schatten dunkler Buchen, Der Seele liebsten Bruder aufzusuchen. Und fänd' ich dann wie Byblis nicht die Spur, Mit heißen Klagen, in dem irren Wähnen, So sänk' ich nieder auf die grüne Flur, Den Himmel rührte wohl mein innig Sehnen, Gleich Byblis wandelte er Blanscheflur, Und eine Silberquelle ew'ger Thränen Von Liebe warm, müßte durch Blumen fließen, Die duftend gern am Borde würden sprießen. Ein liebend Herz wär' dann im Quell begraben, Die kleinen Wellen flüsterten von Liebe, Und würden tröstend Liebedurst'ge laben, Die Sehnsucht hin zu ihrem Ufer triebe. Nun möge sie des Himmels Tröstung haben! Ihr junges Herz war mild umströmt von Liebe, Das sehnsuchtsvoll den einz'gen Freund begehrt; Wohl ist ihr Herz des besten Freundes werth. Mit Grausamkeit ward sie hinweggeführt, Es nannten sie die Kaufherrn Blanscheflur, Von hier ward sie nach Babylon geführt, (Die Schiffer sprachen so) weil einzig nur Der reiche Ameral, wie sich's gebührt Vergelten kann die schöne Kreatur. Sie schied hinweg mit inn'ger Herzens Pein Und mochte wohl in eurem Alter seyn. Als Flore diese Rede hat vernommen, Erzittert ihm vor Liebe Herz und Mund, In sel'ger Freude war sein Herz entglommen, Daß so ihm ward die Bahn der Freundin kund, Nach welchem Land sie auf der Flut geschwommen. Vertieft in Träumen saß sehnsüchtig wund, Sich unbewußt er, denkend sie allein, Und schüttet um den Becher süßen Wein. Als er so stumm will keine Antwort sagen, Da sieht der Wirth wohl welch' ein Leid ihn beugt, Und als er träumend in den inn'ren Plagen Sein schönes Haupt wie eine Rose neigt, Da sprach der Wirth: ich seh' den Grund der Klagen, Und weiß warum ihr jetzt süß träumend schweigt; Daß ihr auf Kaufmannschaft die Sinne richtet, Habt ihr zum Schein nur, junger Herr, erdichtet. Und Flor' erschrak, mit Lächeln sprach er dann: Mit Gnade, Herr, sag' ich ohn' arge List, Wovon mein Herz so bittres Leid gewann, Weil kundig euch der Minne Zauber ist; Hört denn, ich war ein freudeloser Mann, Ihr labtet mich nach traurig langer Frist. Getrennt bin ich von Blanscheflur ohn' Schulden, Und muß der Minne sehnend Weh' erdulden. Doch ihr habt nun mein leidend Herz erfreut, Ich weiß wohin ich meine Fahrt soll wenden, Die Hoffnung ist in meiner Brust erneut, Mein Kummer mag in Freuden bald sich enden. Wie Flore nun dem Kämmerer gebeut, Empfängt er bald aus dessen treuen Händen Von Golde einen Becher leuchtend rein, Er selber gießt hinein den klaren Wein. Herr Wirth, sprach er, laßt höflich mich vergelten, Daß ich verschüttet euren edlen Wein, Ihr möchtet unbescheiden sonst mich schelten, So mied' auch ich gern böser Sitten Schein. Wie erst die Sorgen meinen Busen schwellten, Zu Tisch mir folgten bitt're Qual und Pein, So habt ihr süßen Honig mir gegeben, Der mehr als Speis' und Trank erfrischt mein Leben. Weiß ich doch nun wohin ich mich soll kehren, Stets bleibt mein Herz für den Bericht euch hold, Weil euer Wort getrocknet meine Zähren, Empfangt den Becher als der Liebe Sold. Es sprach der Wirth, als Denkmal euch zu ehren Empfang ich willig dieses reine Gold, Und fleh' die Götter hülfreich euch zu seyn, Daß bald sich lind're eures Busens Pein. Der süßen Rede freut der Jüngling sich Anblickend nun die treuen Reis'gefährten, Mit Mund und Augen lachend minniglich, Sprach er, die Schmerzen, die mein Herz versehrten, So daß mein Leben düstern Träumen glich, So lange wir der Hoffnung Strahl entbehrten, Entweichen nun; drum woll't an ird'schen Gaben An Speis' und Trank, ihr Freund', euch freud'ger laben. Obwohl im Hafen manche Schiffe lagen Nach Babylon, muß doch das arme Kind, Mit Schmerz und Weh' die lange Zög'rung klagen. Denn auf dem Meere tobt ein wilder Wind, Kein Schiff darf sich jetzt aus dem Hafen wagen. Doch endlich wird das Wetter klar und lind; Ein günst'ger Wind macht sich im Westen auf, Flügelt ihr Schiff zum allerschnellsten Lauf. Nun hörte man Trompeten laut erschallen Und Flore rief den Seinen zu in Eile: Hört ihr die Töne von den Schiffen hallen, Sie mahnen uns, daß keiner länger weile. Hastig ward nun die Stadt geräumt von allen; Die Schiffe ungeduldig an dem Seile Der Anker, warten nicht mehr, sprach das Kind, Jetzt sind der Liebe freundlich Meer und Wind. Er redet höflich mit des Schiffes Herrn Wie er von seinem Wirth den Rath empfangen, Und sagte dreist, ich wär' in Babel gern, Eh' noch beginnt der reichen Feste Prangen; Dort sammeln Fürsten sich von nah' und fern, Um Handel möcht' ich früher hin gelangen. Der Schiffer sprach: wird Wind uns günstig seyn. Treft ihr noch vor dem Fest in Babel ein. Nun wurden schnell die Segel aufgezogen, Da zeigt der Wind gefällig sich genug; Ein Pfeil, so schnitt das Schiff hin durch die Wogen, Ein Vogel schien es Flore, dessen Flug So eilig, weil er zärtlich ihm gewogen, Ihn liebend zur barbarschen Küste trug, Wo Blanscheflur sein harrt; die Meereswellen Sieht er zum Liebesdienst sich eilig schwellen. Und wie die Wasser in einander schweben, Bei stiller Nacht die Sterne drinnen blinken, Sieht er ihr Bild in jeder Welle beben; Die gold'nen Stern' ihm wie ihr Auge winken, Der Minne Sehnen muß die Brust ihm heben, Der reiche Strom noch seine Thränen trinken; Recht innig fühlt er seines Herzens Wunde, Nach Küssen schmachtend von der Freundin Munde. In solchen Träumen ist er hingefahren, Viel Tag' und Nächte über See geschwommen Und ahndet nicht wie viel sie erst Gefahren Bekämpft, eh' sie vor Baldach angekommen. Als nun am Lande alle fröhlich waren Hat reichen Sold der Schiffsherr noch bekommen, Daß er mit Dank sprach: stets will ich euch preisen, So viel gewann ich nie auf meinen Reisen. In Freuden gab so reich des Jünglings Hand, Weil er sich näher der Geliebten weiß; Weil ihn und sie nun hegt dasselbe Land, Das ihn umgiebt wie ein befreundter Kreis. Doch ach, wie bald des Jünglings Freud' entschwand; Nicht sagt er mehr den hohen Göttern Preis, Als man auf seine Frag' ihm angezeigt: Babel wird kaum in zwanzig Tag erreicht. Ein Bürger nahm als Gäste freundlich auf, Die erst entkommen nun der wilden Flut; Vom Schiffe trug man Florens Schätz' herauf. Der Zöllner sprach: von diesem reichen Gut, Gebt nun den Zoll, und wißt, der Tod steht drauf, Wenn ihr aus Geiz so großen Frevel thut, Und mich vom Werth wollt fälschlich unterrichten, Den zehnten Theil müßt ihr als Zoll entrichten. Und Flore gab von seinem Schatz dahin Den zehnten Theil und nahm es kaum in Acht; Es rang sein Herz nach anderem Gewinn, Und andre Noth hat Sorgen ihm gebracht. Wie fröhlich zieh'n zum Wirth die Diener hin, Der hält bereit ein Mahl mit großer Pracht, Wo jeden labt so Speis', als edlen Wein, Nur Floren nicht, der sitzt in stummer Pein. Da sprach der Wirth zu ihm: mein werther Gast, Wie seid ihr doch so aller Freude bloß? Ich wähn' ich kenne eures Kummers Last, Des Amerales Zoll ist euch zu groß? Doch wenn ihr drum dem Gram euch überlaßt, So daß euer Mund nicht Speis' und Wein genoß, So tröstet euch, was hier euch muß zerrinnen, Könnt dreifach ihr in Babylon gewinnen. Doch wenn mein Blick auf eu'rem Antlitz ruht Und ich es seh' wie ihr in Träumen lebt, Durch Schmerz gemindert eures Auges Glut, An dessen Wimper eine Thräne bebt, Ihr stumm versinkt in eurem trüben Muth, Ein tiefer Seufzer euren Busen hebt, Und ihr so schön seyd in der Traurigkeit: So denk' ich wohl, daß ihr kein Kaufmann seyd. Wie ihr da sitzt, und lichte Mondesstrahlen Euch um die Stirn und lock'gen Haare spielen, Scheint ihr Endymion, und Liebesqualen Mag wiederum die keusche Luna fühlen. Wenn diese Wangen purpurroth sich malen, Und Thränen nicht die sanfte Glut mehr kühlen, Kann euch kein Herz zu widerstreben wagen, Göttinnen müssen eu're Fesseln tragen. Schweift ihr als Jäger dann durch Waldesgrüne, Und flüstert euch in Schlummer rauschend Laub, Wird wohl das Herz der Himmelsjungfrau kühne, Und sie begeht auf's neu den schönsten Raub; Der dunkle Grund erhöh't zu Amors Bühne, Macht euer Ohr dem Waldgefieder taub; Wenn tausend auch von tausend Zweigen klingen, Die euer Glück in trunk'nen Liedern singen. Vergebt den Scherz und laßt die Augen schauen, Die Wimpern bergen doch nicht eure Thränen, Bei eurem Schmerz gedenk' ich einer Frauen, Der hold wie ihr, verzehrt von Leid und Sehnen Ich Tropfen sah' aus blauen Augen thauen Auf lichte Wänglein, daß mir kam ein Wähnen, Ich sähe Himmelsthau auf Lilien scheinen, So lieblich war des holden Fräuleins Weinen. Kaufleute brachten sie mit meinen Schiffen, Sie war erhandelt auf Hispaniens Flur. Ihr Klagen tönte: ach! dies Leid ergriffen Hat einzig doch mich um die Minne nur, Die leider früh mein kindisch Herz ergriffen. Im Weinen schied die holde Blanscheflur: Ihr Abschied mußte Felsenherzen rühren, Ich sah hinweg nach Babylon sie führen. Als Flore nur von seiner Freundin hört, Fühlt er sein Herz in solcher Glut entzünden, Daß sich sein Blut wie zum Verrath empört. Es konnte leicht der schlaue Wirth ergründen, Warum der Knab' ihn wie bezaubert hört, Der braunen Augen Lichter sich entzünden, Er lächelnd sitzt, und Mund und Wang' ihm glüht, Daß eine Ros' er scheint am Stamm erblüht. Der Wirth errieth die zärtlichen Gedanken Die so beherrschen seines Gastes Sinne, Drum schmeichelt er das Herz des Liebekranken, Daß er die Huld des Jünglings sich gewinne; Und Flore muß dem schlauen Manne danken, Der kosend spricht von Blanscheflurens Minne, Ihm lieblich malt des holden Fräuleins Klagen, Bis daß der Jüngling liebevoll muß sagen: Seht diesen Mantel, Herr, von Hermelin, Empfanget ihn um Blanscheflur zu ehren, Und selber hing er um die Schultern ihn. Als so der Wirth sich sah vom Gaste ehren Rief er entzückt: Nun Seegen und Gewinn, Mag huldvoll euch der Himmel stets gewähren! Daß ihr die führt mit Freuden aus dem Land, Um die ihr schenkt ein also reich Gewand. Der Wirth sprach tröstend noch zum holden Kinde, Und fesselt Florens Blick an seinem Munde; Schlau macht des Jünglings Schmerzen er gelinde, Von Blanscheflur spricht er wohl manche Stunde. Die Nacht brach ein, für Floren zu geschwinde, Der hörte gern noch von der Freundin Kunde; Der Wirth kann länger nicht die Holde preisen, Und muß zur Ruh die müden Gäste weisen. 6. Gesang Sechster Gesang Es traf das Ohr so wundersüßes Singen Von einem Vögelein, daß alle schweigen Und lächelnd schauen, wie mit sanftem Springen Die Vögel nahen, auf den schlanken Zweigen Die Köpfe wiegend bei dem holden Klingen, Und endlich sie wie halb entschlummert neigen; So tief versunken in dem Wunderklang, Daß sie vergessen eigenen Gesang. Nun regt der Trieb sich zu melod'schen Kriegen, Sie fühlen auch in ihrer Brust die Klänge, Wie sie gelind die zarten Flüglein wiegen Jauchzen in Luft sie wirbelnde Gesänge, Daß sich entzückt so Laub wie Blume biegen. Ein Ton wird dann der Töne süß Gedränge; So schmelzend süß, als wären alle Wonnen In diesen einen Liebeshauch zerronnen. Wer liebt, und fühlt nicht diese süßen Peinen? So spricht der Ritter inniglich gerührt; Was zwang dies Vöglein zum harmon'schen Weinen? Das Herz der Welt aus ihm die Sprache führt; Wie muß der Liebende die zarten Kleinen Beneiden, wenn solch Lied sein Herz berührt. O! wär uns doch des Zaubers Kraft verliehn Der Liebesweh' aushaucht in Melodien. Und ist uns nicht ein größ'rer Zauber eigen? So spricht die Frau mit lachend süßem Munde; Wenn selbst der Töne Melodien schweigen Giebt unser Auge von der Minne Kunde, Wenn wir das Herz der Liebesherrschaft neigen Erspäht das Aug' in unserm Freund die Wunde, Und sagt mit Blicken, gleich den süßen Tönen: Ich will dein Herz mit höchster Wonne krönen. Ist nicht so holdes Vöglein unser Auge, Das seine Flügel, gold'ne Wimpern, regt, Und unserm Freund, was ihm zum Troste tauge, In Tönen ungehört zum Herzen trägt? Dann spricht es auch: aus meinen Tiefen sauge, Was nur dein Herz zur inn'gen Lust bewegt; Und wie durch Zauber wandelt sich's zum Bronnen, Der in der Tiefe hegt die ew'gen Wonnen. Doch nicht will ich der Liebe Zauber lehren, Ich will ihn euch erzählend nur berichten. Bald wird die Liebe glänzend sich verklären, In jeder Brust, in Worten und Gedichten, Jedwedes Herz zum Dienst der Minne kehren, Und jeder wird der alten Zeit Geschichten Vernehmen gern, mit innigem Verlangen, Als ächte Liebesreime süß erklangen. Und wieder müssen junge Herzen fühlen Den holden Klageton aus blüh'nder Linde, Wie flüsternd, rauschend in den Blättern wühlen Mit Liebeseifer alle sanften Winde, Mit ihrem Kuß das Aug', den Mund zu kühlen Des zarten Fräuleins, das hier klagt so linde. Ach, nimmer drang so wonn'ger Schmerzesschall Durch Baumes Laub von keiner Nachtigall, Als hier im Wipfel thronend gleich der Taube Sygune ausströmt durch den Waldesgrund, In grüner Dämm'rung dicht gewölbt zur Laube Hält sie den Freund, durch Zaubereien wund. Es hofft in Liebe noch ihr frommer Glaube, Lebendig küssen könne ihn ihr Mund; Doch bleibt er todt, nun läßt sie Klagen tönen, Die sie, die Welt, und ihren Schmerz verschönen. Es kann mein Wort die Glut so süß nicht schildern, Die stillgeflammt, das innige Verlangen In beiden Kindern, holden Blumenbildern, Die selbst ihr Leid in manchen Weisen sangen. Der Knabe hofft durch Eil sein Weh zu mildern, Drum als kaum matt des Tages Lichter prangen, Ruft er den schlafenden Gefährten zu: Erwacht! zu lang' schon pflegten wir der Ruh. Die Diener sind dem Prinzen gleich bereit, Aus Liebe willig folgend den Befehlen Zieh'n sie von dannen wie sein Wort gebeut. Er seufzt, wie nun die Sehnsucht mich mag quälen, Verbergen muß mein Herz die Traurigkeit, Und ach! aus List die Freude selbst verhelen, Die zum Verrath mich wider Willen zwingt, Wenn Blanscheflurens süßer Nam' erklingt. In dunkler Nacht ward Herberg erst genommen; Es sah den Wirth der Knabe forschend an, Schwer ward sein Herz in inn'rer Brust beklommen, Weil niemand hier von Blanscheflur begann. Kaum war des Tages erster Strahl entglommen Vor dem noch kaum die Dunkelheit zerrann, Da zieht das Kind durch Thal, Berg, Wälder fort, Sein großes Leid nicht lindernd durch ein Wort. Am Abend hat er Balsam erst gefunden, Damit zu lindern seiner Seele Pein, Der in des kranken Jünglings Herzenswunden, Sich tröstend flößt als süße Rede ein. Ein Bürger ließ ihn ruh'n die nächt'gen Stunden In seinem Haus, und gab ihm Himmelswein, Weil er die holde Blanscheflur ihm nannte, Ihr Liebesleid und ihre Trauer kannte. Er setzte fort sein mühevolles Reisen Durch Wälder bald, bald über grüne Flur, Oft will kein Schimmer sich dem Jüngling weisen, Der liebend schmachtet nach der holden Spur; Dann wieder dankbar muß sein Glück er preisen, Ihm tönt der süße Nahme Blanscheflur; Dann glaubt den Himmel mild er sich gewogen, So fürchtend, hoffend ist er fortgezogen. Mit seiner Schaar kommt einer Stadt er nah, Die jenseits eines breiten Wassers liegt; Flor' an dem Ufer stehend traurig sah Wie sanft bewegt sich Well' in Welle schmiegt. O weh! sprach er, dem Ziele nun so nah, Hat uns zuletzt das Unglück noch besiegt; Kein Schiff regt sich auf diesem Wasserspiegel, Den Vögeln neid' ich ihre leichten Flügel. Zum Trost erblicken sie an Baumes Zweigen, Befestigt stark ein tönend Horn von Erz, Und Flore ließ die bangen Klagen schweigen, Ein neuer Muth belebt sein zagend Herz, Die lauten Töne läßt er schmetternd steigen, Ein brüllend Echo trägt sie felsenwärts: Da sehn sie Schiffe durch die Wasser gleiten, Die ems'ge Führer zu dem Ufer leiten. Der Fährmann nahte bald mit zweien Schiffen, Und ladet Flore auf sein Fahrzeug ein, Die Rosse wurden bei dem Zaum ergriffen, Man führt behutsam zu dem Schiff sie ein. Dann eilte man die Fluten zu durchschiffen, Die bebend funkeln in der Sonne Schein. Still sah der Schiffer lang den Jüngling an, Bis endlich freundlich fragend er begann: Was konnt' euch, junger Herr, doch wohl bewegen, Daß ihr die zarte Jugend bringt in Noth, Arbeit bekämpft, auf mühevollen Wegen Gefahr nicht achtet, die dem Wand'rer droht? Welch heft'ger Wunsch reizt euch, daß ihr verwegen Auf Land und Meer getrotzt, so jung, dem Tod? Und Flore sprach: da ich ein Kaufmann bin, Führt mein Geschäft nach Babilon mich hin. Daß um Gewinn so weite Reis' ihr wagt, Erwiedert ihm der Fährmann, glaubt' ich nicht, Hätt' es ein andrer als ihr selbst gesagt; Denn wenn eu'r Mund auch nicht von Leiden spricht, So scheint mir doch, daß eure Seele klagt, Und täuschen will eu'r freundlich Angesicht: So schmerzlich lächelt euer schöner Mund, Als wär' eur' Herz in heißer Liebe wund. Wie nun die Ruder krause Wellen rühren Und ich eu'r spielend dunkles Auge schau, Denk' ich, die gleiche Sehnsucht mag euch führen, Wie einst Leandern, zur geliebten Frau, Der fühlt sein Herz von Amors Pfeil berühren, Bei Liebesfesten, auf beblümter Au, Und Hero gab, die schöne Priesterin, Im Dienst der Liebe sich der Liebe hin. Citheres Fest zerrann, und einsam wohnt In Sestos Hero; in der Minne Glut Klagt sie ihr Leid am dunkeln Hellespont: Ach! seufzt sie tief, es braust die Silberflut Und trennt die Liebe, dort vom Strahl umsonnt Des holden Phöbus; klagt im trüben Muth An Asiens Ufer wohl mein Freund in Thränen, Muß sich, wie ich, nach Gruß der Liebe sehnen. Leander steht, und hört es wie die Wellen Das Ufer rühren, und ihm scheinen Stimmen Dem rauschenden Gewässer zu entquellen, Ihn freundlich ladend, durch die Flut zu schwimmen; Von Sehnsucht fühlt er seinen Busen schwellen, Ihn trägt das Meer, er wagt's hinauf zu klimmen Zum Ufer, und an Hero's treuer Brust Entflieht das Leid, winkt Lieb' ihm nur und Lust. Und jede Nacht erneut Gefahr und Wonnen, Man sieht am Thurm schon Hero's Fackel leuchten, Wenn kaum erbleicht der letzte Strahl der Sonnen, Die leiten soll den Freund auf seiner feuchten Und wilden Bahn, in dunkler Nacht begonnen, Die Phöbus nicht, nicht Luna darf erleuchten; Und Freude blinkt der hellen Fackel Schimmer In's kühne Herz, dem liebedurst'gen Schwimmer. So wagt die Jugend um der Minne Lohn Das kühne Herz, in der sehnsücht'gen Glut Spricht es den Leiden, den Gefahren Hohn. Doch dünkt's mich seltsam, daß so junges Blut Auf Gold gerichtet die Gedanken schon, Daß um Gewinn ihr übt so kühnen Muth, So daß vor Sturm und Wetter euch nicht graut, Ihr sorglos euch dem wilden Meer vertraut. So weise barg der Jüngling seine Pein, Daß er den Mund freundlich zu lächeln zwang, Holdseelig sprach: fällt euch Leander ein, Des Herz in glühnder Liebessehnsucht krank Ihn so beherrscht, daß er beim Dämmerschein Der fernen Fackel mit den Wogen rang, Mit kräft'gem Arm die Wellen seitwärts schlug, Wenn ihn das Meer zu der Geliebten trug; Dann sollet ihr auch weisen Sinns betrachten Sein traurig Loos, das mich erfüllt mit Grausen, Wie finst're Wolken Todesnoth ihm brachten, Wie er des fernen Sturmes drohend Sausen, In Liebessehnsucht wagte zu verachten, Hinüber will trotz aller Winde Brausen; Da löscht der Sturm der fernen Fackel Schimmer Und dunkle Flut verschlingt den kühnen Schwimmer. Und, Hero, ach! die in der dunklen Nacht Gezagt, geweint, gebetet für den Freund, Die langen Stunden qualvoll so durchwacht, Als endlich nun der Sturm ermattet scheint, Der gold'ne Morgen freundlich tröstend lacht, Und Welle sich mit Welle friedlich eint, Da sieht sie, weh! mein Mund spricht es mit Beben Den todten Freund auf sanften Wogen schweben. Nun scheints, das Wasser liebkos't seine Glieder, So trägt ihn Wog' um Woge, und am Rand Des Ufers legt die letzte sanft ihn nieder. Als Hero nun ihr grauses Weh erkannt, Stürzt sie vom Thurme sich verzweifelnd nieder Zu ihm, mit dem die Minne sie verband. So endete ihr zärtlich Liebeswerben, So mußten beid' um süße Minne sterben. Tief seufzte Flor als er dies Wort vollbracht. Der Fährmann sprach: verzeiht mir die Beschwerde, Die, wie es scheint, Leanders Tod euch macht; Ich dacht' an ihn, weil ich erinnert werde Durch euren Anblick, wie durch Zaubermacht, An eine Frau, die schönste war's der Erde: Tief traurend schien der Schmerz sie zu verzehren, Und Himmels Reiz im Schmerz sie zu verklären. Dies Schifflein hat das schöne Kind getragen, Wie euch, gelinde über diese Flut; Bei mir hat sie geseufzt die Herzensklagen, Im meinem Hause eine Nacht geruht. Ich hörte sie die Minne streng verklagen, Die ihr geweckt der Seele heiße Glut, Das Herz durchbohrt mit Jammer, Pein und Leider Weil man sie durfte vom Geliebten scheiden. Wie Himmelsthau so flossen ihre Thränen; Bis ich den Tod zu meinem Heil gewinne, Rief sie, werd' ich nach meinem Freund mich sehnen – Ihr wär't ihr Freund, und treu der holden Minne, Mußt ich bethört bei eurem Anblick wähnen. So sehr beherrscht der Jüngling seine Sinne, Daß er nur fragt, wie auch sein Herz beklommen: Wißt ihr, wohin die schöne Frau gekommen? Die Antwort war: nach Babilon, sagt man, Ward sie verkauft, nebst vielen andern Schönen, Wo sie die Huld des Amerals gewann, Daß er sie will als seine Gattin krönen. Doch wird ihr Fürst und Land auch unterthan Wird sie doch nie sich ihrem Loos versöhnen. Flore fragt nun: herbergt ihr uns die Nacht, Nachdem ihr uns zum Ufer hingebracht? Der Schiffmann sprach: ich thue, Herr, es gern, Ihr seid so schön, so höflich eure Sitten, Eu'r Auge leuchtet wie ein Himmelsstern, Ich kann nicht weigern was ihr auch mögt bitten. Ihr kommt aus fremden Landen, die uns fern, Nach der Beschwer auf weitem Weg erlitten, Nach Müh' und Arbeit mögt ihr fröhlich nun In meinem Hause ohne Sorgen ruhn. Sie landeten: Gleich nahe bei dem Hafen War seine Wohnung; alle gingen ein, Und Florens Diener waren bald entschlafen, Nur er allein klagt in der Herzens-Pein. Es liegt auf ihm wie schwere Buß' und Strafen, Daß Blanscheflur's nicht mehr gedacht soll seyn, Er sie nicht nennen darf aus bangen Sorgen; Dies Leid erhält ihn wachend bis zum Morgen. Und kaum ertönt der Lerche Morgensang, Der Sonne erster Strahl hat kaum geschienen, Der, bleiches Gold, zu Florens Lager drang, Rief er: stets treu will ich der Minne dienen; Und mit dem Wort vom Lager er aufsprang, Die zu erwecken, welche ihn bedienen. Die Rosse hieß er eilig sie bereiten, In kurzer Frist nach Babilon zu reiten. Nun eilt er Dank dem Wirthe noch zu sagen Für Fahrt und Herberg höflich ihm gewährt, Lohnt beides reichlich, sprach: gern möcht' ich fragen, Wenn meine Dreistigkeit euch nicht beschwert! Könnt ihr von einem treuen Mann mir sagen, Dess' Wort in Babilon mich recht belehrt, So daß ich könnt' auf seine Weisheit bauen, Dem ich mich dürfte kühnlich anvertrauen? Zum treusten Mann will ich in Lieb' euch senden, Sprach drauf der Wirth, den ich auf Erden weiß, Nehmt diesen Ring willig aus meinen Händen, Und achtet auf den gold'nen Reif mit Fleiß; Denn eh' ihr mögt die Tagereis' vollenden Erblickt ihr ihn, der aller Treue Preis, Dem huld'gen werden eures Herzens Triebe, Weil er mit Weisheit eint die reinste Liebe. Nun reitet fort; und eh noch wird ermatten Der Tag, seht ihr schon Babiloniens Zinnen Und vor der Stadt durch smaragdgrüne Matten Hell wie Cristall ein schäumend Wasser rinnen, Ein großer Baum giebt an der Brücke Schatten, Bei der die Bürger reichen Zoll gewinnen. Mein Oheim, dessen Rath euch nützen soll, Empfängt bei dieser Brücke selbst den Zoll. Den gold'nen Reif gebt dann in seine Hand, Dies Kleinod wird dem werthen Manne zeigen, Daß ich es bin, der euch zu ihm gesandt, Und Dienst und Rath wird er euch gern erzeigen. Wie sehr der Jüngling diese Mild' erkannt, Sah wohl der Wirth; denn lange muß er schweigen, Eh' er den Dank in Worten kann ergießen, Weil Thränen hemmend aus den Augen fließen. Dann zieht er fort durch Wälder und durch Auen, Bis er zum grünen Ufer hingekommen, Wo seine Augen Baum und Brücke schauen. Am Wasser stehend seüfzt das Kind beklommen: So nahe nun der vielgeliebten Frauen Würd' ich doch nun dem bangem Weh' entnommen, Wüßt' ich doch nun recht höflich, recht mit süßen Worten den Pförtner lieblich zu begrüßen. Der hält das Thor der Brücke freundlich offen Und redet zu dem Knaben minniglich, Bei seinem Anblick wird der Prinz betroffen, Denn sein Gewand ist reich und adelich. Doch wagt sein Herz mit Schüchternheit zu hoffen, Des Greises Wort klingt mild und väterlich, Obwohl das Haupt, die Braunen und der Bart Vom Alter ihm gebleicht wie Silber ward. Der Greis fragt freundlich nach des Jünglings Reise, Als dieser ihm den Zoll hat abgetragen: Lieblich strebt nun nach seiner Hofes-Weise Der Prinz auf alles Antwort ihm zu sagen. Indem ich euren Neffen würdig preise, Sprach er zuletzt, will ich mein Heil nun wagen: Gab mit dem Wort hin in des Greises Hand Den Ring und sagt, weshalb er ward gesandt. Mild sprach der Greis: Wohl, alles was ich kann Will ich euch, holder Jüngling, gern gewähren, Nehmt diesen Ring von meinen Händen an, Es soll die That euch, was ich sprach bewähren; Daß nie mein Haus noch liebern Gast gewann, So wird dies Kleinod auch mein Weib belehren. Gebt ihr den Reif, den ich sonst stets getragen Und sie wird freundlich euch Willkommen sagen. Mein Amt heißt mich am Ufer noch verweilen, Doch ist der Tag in Purpur erst verglommen, Werd' ich sogleich nach meinem Hause eilen Bezeugend wie mir solcher Gast willkommen. Die Nachricht mögt' ihr meinem Weib ertheilen, Daß ihr von unserm Neffen seid gekommen. Ihr find't mein Haus leicht, zu der Gattin Freude, Nah' bei dem Thurm ein prächtiges Gebäude. Wie höflich nun begann sich Flore neigen Bis er des würd'gen Greises Blick entschwand, Von seinem Rosse muß er balde steigen, Weil er sich an des Hauses Thor befand. Ein Diener eilt die Herrin ihm zu zeigen, Die trug so kostbar schimmerndes Gewand, Daß es ihn blendet, er verwirrt im Muth, Des Greises Wort nur schüchtern kund ihr thut. Doch als die Frau des Gatten Ring gesehen Beginnt den Gast sie minniglich zu grüßen Und spricht: Was kann zu eurem Dienst geschehen? Um euch die Müh' der Reise zu versüßen Sollt alles ihr in Eil bereiten sehen. Sie ruft die Diener, welche balde müssen Erfüllen alles was die Herrin sprach, Die sorgt, daß nichts dem werthen Gast gebrach. Sprach dann zum Jüngling: ich laß euch allein Auf kurze Zeit, bald wird der Hausherr kommen, Dann woll'n wir beide euch Gesellschaft seyn. Als sie hinweg, seufzt Flore, nicht genommen Ist noch von meiner Brust die große Pein; Obwohl ich bin nach Babilon gekommen, Zeigt wohl kein Rath sich mein Gespiel zu sehen, Und ich muß sterben an den Herzenswehen. Kaum hat die Zagheit seine Brust berührt So flüstert ihm die Weisheit leise zu: Ein übler Wahn hat dich hieher geführt In Thoren Weise handelst kindisch du; Von Wahnsinn wird dein junges Herz regiert, Du fliehst dein Land, die Eltern, süße Ruh', Und eiltst hieher wo alles fremd dir ist, Wo niemand lebt, bezeugend wer du bist. Und darfst du wohl dem Greise dich vertrauen, Darfst du ihm klagen deines Herzens Pein? Nur darauf kannst mit Sicherheit du bauen Es bricht Verderben auf dein Haupt herein. Du kannst es ja mit deinen Augen schauen, Daß er muß reich selbst wie ein König seyn. Die Hoffnung laß auf seinen Dienst entschweben, Was könntest du ihm zu gewinnen geben? Den Tod find'st du hier in den fremden Landen! Dich rührten nicht der lieben Mutter Klagen, Als ihre Arme dich zuletzt umwanden Da fühltest du des bangen Herzens Schlagen, Und rissest dennoch wild der Liebe Banden; Du konntest freudig Lebewohl ihr sagen, Dich mit Gewalt aus Mutterarmen winden Um Elend hier und sichern Tod zu finden. Und willst du denn verzagen? sprach die Minne, Von Blanscheflur dich schnöd' in Feigheit wenden, Herrscht sie nicht stets als Königin der Sinne, Muß nicht dein Leben ohne Liebe enden? Ach nur der Weisheit kaltem Rath entrinne, Sie will hinweg von deinem Heil dich senden; Nie wird dann mehr der holde Blick dich grüßen Nie darfst du mehr die Purpurlippen küssen. Schwurst du nicht kühn, dich in Gefahr zu wagen Als Meere, weite Länder euch getrennt, Und lehrt dich Weisheit feige nun verzagen Weil sie gefahrvoll deine Bahn erkennt? Willst du wie feige Knechte nur dich schlagen, Von denen jeder zu den Waffen rennt, Wenn noch der Feind in weiter Ferne steht, Doch schnell entflieht, wenn ihn der Blick erspäht. Wie anders that ein Weib; als durch ihr Fehlen Der holden Psyche Gatte war entflohn, In grimmen Schmerzen, die das Herz ihr quälen Spricht sie dem Trost, und jeder Hoffnung Hohn. Voll Jammer will sie selber sich entseelen, Sich selber gebend ihres Frevels Lohn, Und stürzt verzweifelnd sich in Fluten nieder, Die sanft umschmeicheln ihre zarten Glieder. Sie sind mit ihr zum Ufer hingelitten, Wo sie den alten Gott der Hirten fand, Der tönend Rohr zu Flöten sich geschnitten, Und weise nun melodisch es verband. Als der vernahm den Schmerz so sie erlitten Da sich der Gott aus ihren Armen wand, Da sprach er tröstend zu der holden Schönen, Dein Dienen kann den Liebesgott versöhnen. Durch Thäler, Berge, Wälder sie nun schweift, Ihn suchend in Litäres Pallast dringt, Die sie um Schönheit hassend, schnell ergreift, Das holde Kind zu Sclavendiensten zwingt, Gefahren ihr, Unmöglichkeiten häuft; Das schwerste Werk durch Amors Macht gelingt, Der heimlich seiner Gattin Hülfe beut Die sich ihm ganz mit inn'ger Liebe weiht. Sein Wort befiehlt, und Würmer sind ihr Hülfe, Gemischte Körner scheiden sie beginnen, Und eine Stimme flüstert aus dem Schilfe Wie leicht die gold'ne Welle zu gewinnen; Selbst Jovis starker Adler naht zur Hülfe, Eilt zu den Quellen, welche lieblich rinnen, Schöpft die cristall'nen Wogen, obgleich Drachen Den klaren Wunderbrunnen wild bewachen. Ein Thurm muß weise rathend, mild sich zeigen, Als Psyche auf der grauenvollsten Bahn, Als sie hinunter soll zum Orkus steigen, Venus aus Neid und eifersücht'gem Wahn, Will sie verderben, Nacht und ew'ges Schweigen, Hofft sie, wird nun die holde Schön' empfahn. Doch die entgeht den hinterlistgen Schlingen, Ob sie zur Unterwelt auch mußte dringen. Der alte Charon führt sie willig über Die murr'nde Flut des Styx und Cerberus, Befriedigt läßt die holde Frau vorüber, Die von der Schattenkönigin empfangen muß, Den gift'gen Balsam, und nun scheint vorüber Ihr Leben; da erweckt sie Liebesgruß Zur seel'gen Wonne, zur Unsterblichkeit, Die Jovis Wort auf Amors Flehn verleiht. So rang ein Weib, den Liebsten zu gewinnen, Und du vergißt der Minne holdes Grüßen! Ist denn entrückt den kindisch schwachen Sinnen Wie wonniglich die süßen Lippen küssen! Gedenkst du nicht, daß alle Quellen rinnen, Die Bäume säuseln, Felsen hallen müssen Im Dienst der Liebe! Gieb dich ihr zu eigen, Und Liebesmacht wird kräft'ge Hülf' erzeigen. So muß der Arme inn'ren Streit erleiden, Doch bald erringt die Lieb' im Kampf die Krone, Ihm dünkt es sanfter bittern Tod zu leiden, Als daß er in Hispania glorreich throne Und müßte ohne sie von hinnen scheiden. O süße Minne, fleht er nun, belohne Den treuen Dienst, steh' du mir bei, mein Leben Will ich ja gerne deinem Dienst ergeben. Nun sinnt er nur, wie er wohl Hülfe fände, Sinkt auf die Knie, und faltet minniglich, In Lieb' und Andacht zum Gebet die Hände, Zu Gott dem Herrn, und fleht dann inniglich: An deine Huld ich mich voll Zutrau'n wende, Erbarme du dich meiner gnädiglich, Oft flehte Blanscheflur zu dir mit Liebe Nun wend' ich mich an dich aus gleichem Triebe. Der Abend senkt sich auf die Flur hernieder, Die Purpurschimmer sind beinah verblaßt, Der Schlummer wiegt das leichte Waldgefieder Und noch drückt Floren seines Kummers Last. Doch endlich kehrt der würd'ge Hausherr wieder Und grüßt mit Liebe seinen werthen Gast: Er sieht wie lang der Prinz in Trauer zagt, Ob auch der Mund nicht eine Sylbe wagt. Und sprach drum mild: Mög' es euch doch gefallen Zu sagen, was euch Leides ist gescheh'n? Da Thränen, Perlen gleich, vom Aug' euch fallen Verrathet ihr des innren Herzens Wehn. Vertraut euch mir, von euren Freunden allen Werd't ihr in mir den treusten immer sehn; Und wollt ihr mir Vertrauen erst gewähren, Kann Leid vielleicht in Freud' ich euch verkehren. Der Jüngling sprach: was gütig ihr wollt fragen Vertrau' ich gern: es zwingt mich Herzensleid, Ich muß in Trauer den Verlust beklagen Von eines Schatzes Wunderherrlichkeit; Ihn hat ein Schiff nach Babilon getragen, Er zieht mich nach sich, und dem Gram geweiht Fürcht' ich den Himmelsglanz nicht mehr zu finden, Drum seht ihr so mich Schmerzen überwinden. Ach! wenn ein Freund mir Liebe möchte hegen, Daß er in Weisheit wollte Rath mir sagen, Könnte mein Leid ein treues Herz bewegen, Daß Mitleid fänden meine inn'gen Klagen: Dann würde Hoffnung sich im Herzen regen, Dann würf' ich ab mein kummervolles Zagen, Und spräche gern: mein Gold magst du empfangen, Hilf den verlornen Schatz mir nur erlangen. Er mußte schweigen, denn die Frau trat ein. Die Kerzen leuchten herrlich schon im Dunkeln, Und geben in dem Golde Wiederschein, Worin die Speisen auf dem Tische funkeln. In gold'nen Schalen blinkt der gold'ne Wein, Und sucht den Glanz der Becher zu verdunkeln, Nun soll sich Flor' nach langer Reise letzen, Zu Tisch sich zwischen Wirth und Wirthin setzen. Es sind die Speisen würzereich und gut, Anmuthig schimmernd lockt der lautre Trank, Doch Flore ist so hoch betrübt im Muth, Daß er den Wein gemischt mit Thränen trank. Und bald erbleicht der Wangen Rosenglut, Des dunkeln Auges Schein wird matt und krank; Denn vor ihm steht, und regt ihm Sehnsuchtsqual, Voll süßen Weins sein goldener Pokal. Wen sollte wohl der Jüngling nicht erbarmen? Wie er sich will aus seinem Becher laben Fühlt er sein Herz von doppler Glut erwarmen. Paris scheint ihm lebend'gen Hauch zu haben, Die Schöne ruht beglückt in seinen Armen, Als künstlich Bildwerk ein dem Gold' gegraben; Die Hände zittern ihm bei inn'ren Schmerzen, So dringt verstärkt die Sehnsucht ihm zu Herzen. Ach! dacht' er: Gott, durch deine große Güte Laß mich es nur ein armes Mal erlangen, Laß mich die holde süße Lilienblüte Mit meinen Armen nur ein Mal umfangen, Daß sich der Schmerz der lang im Herzen glühte Nur einmal kühlen darf an ihren Wangen; Dann ist mein Weh' auf lange wohl gestillt, Das jetzt so brennend in der Brust mir quillt. Mein Leben, Herr, befehl' ich deinen Händen Und fleh' um Beistand inniglich zu dir, Ich will mich dreist an diesen Mann hier wenden O! lenke du sein treues Herz zu mir. Durch seinen Rath kann wohl mein Kummer enden. Doch muß ich unbeglückt auch sterben hier, Verlischt doch auch mit meines Lebens Schein, In meiner Brust der Lieb' und Sehnsucht Pein. Entschlossen waren so des Jünglings Sinne Sein Heil und Leben kühnlich hier zu wagen. Wie er geboren ward zum Dienst der Minne, Will er dem würd'gen Greise treulich sagen, Ihm, daß er Huld und Mitleid sich gewinne, Die tiefsten Schmerzen seiner Seele klagen, Will zeigen wie er Blanscheflur muß lieben; Bis nach dem Mahl die Rede nur verschieben. 7. Gesang Siebenter Gesang Wie ist die Liebe doch ein tiefer Bronnen, Und ungesehn sind ihre inn'ren Quellen, Die bald mit Leid und bald mit Himmels Wonnen Die Herzen in dem Busen sehnend schwellen; Wie Regen fällt im milden Schein der Sonnen, So fließen Thränen in gelinden Wellen Und wollen labend unsre Herzen kühlen, Worin dann wieder glüh'nde Flammen wühlen. So sprach der Ritter: willst du es gewähren, Wird uns, o holde Frau, dein schöner Mund Von diesem Wunder die Bedeutung lehren. Sie antwort't ihm: thut mir der Quell denn kund, Wenn ich auch fragend will zu ihm mich kehren, Warum er sich verbirgt im tiefen Grund? Womit er dort sich stärkend labt und tränkt, Der hier den Strom aufwärts zum Himmel lenkt. Tief ruht das Wasser in der Erde Schooß, Und hat im Himmel Ursprung doch genommen, Oft macht es sich von seinen Banden los, Und hofft, die alte Heimath wird erklommen. Doch ist die Macht der Erde noch zu groß, Im kühnsten Lauf wird ihm die Kraft benommen, Dann fällt der Strom in Thränen schluchzend nieder, Und grüßt mit Liehe doch die Erde wieder. Sanft klagend fließt er ruhig durch die Auen Und blickt die Wiesenblumen milde an, Die in den Bach mit kind'schem Lachen schauen, Von ihm jedwed' ihr Leben nur gewann. In seinen Kindern möcht' er Lust erbauen, Hegt drum die Blumen liebend wie er kann, Bis sie ihn selbst mit Lebenslust durchdringen, Daß man ihn scherzend über Kies sieht springen. Wie Blumen sind dem Wasser wir verbunden, Bezeugen es mit unsrer Augen Thränen; Und weil am Quell dies Bündniß wird empfunden, Erwacht in unsrer Brust ein zärtlich Sehnen. Das Wasser hält uns, das Gestirn umwunden, Von dem die Augen ihren Strahl entlehnen, Und oft des Menschen Schicksal zu begründen, Will sich Planet und Element verbinden. Des Wassers Macht hielt Melusin' umfangen, Des jungen Raymunds Loos lenkt ein Gestirne, Sein Oheim sah's am Himmel leuchtend prangen; Er hob empor die weisheitsvolle Stirne, Und sprach: jetzt wird ein schnöder Mord begangen, Worüber ich im Herzen heftig zürne: Ein Diener, welcher Wohlthat stets genossen, Wird undankbar den Herren niederstoßen. Und kaum noch war die Rede ganz verklungen. Liegt schuldlos er, vom Raymund schon erschlagen, Waldeinwärts floh, durch Büsche dicht verschlungen Der junge Graf mit Herz durchdring'den Klagen. Die muntern Töne bey der Jagd erklungen Hört er fern ab, und grauenvolles Zagen Durchbebt sein Herz, so wird er angehalten Im Mondenschein von lieblichen Gestalten. Von dreien Jungfrau'n freundlich eingeladen Ruht er an eines kühlen Bronnens Rande, Worin sich keusche Mondesstrahlen baden. Die Schönste löst' ihn aus des Kummers Bande, Kein feindliches Gestirn darf ihm mehr schaden, Sie wird sein Weib, er Herr von weitem Lande; Von treuer Liebe ist ihr Herz durchdrungen, und hat treuliebend das Gestirn bezwungen. Und Melusine hofft, es werde lösen Auch sie des Gatten zärtlich treues Lieben. Er konnte sie vom Element erlösen, Wär' er nur treu dem theuren Eid geblieben, Doch schlau gereizt vom schnöden Rath der Bösen Wird wild sein Herz zur Eifersucht getrieben; So eilt er hin, wo er zuerst sie schaute, Wo um den Brunnen ein Gemach sie baute. Er will der Frau geheimes Thun belauschen, Und sieht sie wunderbar im Brunnen schwimmen, Sanft plätschernd Wellen ihren Leib umrauschen, Die sich bemühn zum Busen aufzuklimmen; Halb ist sie Weib, halb Meeresfisch. Vertauschen Muß er mit Staunen feindliches Ergrimmen. Und als melodisch ihre Stimm' erklang Dünkt ihm, er hört Syrena's Zaubersang. Ihm scheint, daß Farben aus den Tönen blühn, Die spielend laufen auf und ab die Wände, Im Wasser sieht er funkelnd Lichter glühn, Ihr goldnes Haar löst sie durch ihre Hände, Und singt im Schmerz: laß nicht die Treu' entfliehn, Gieb, daß die Liebe die Erlösung ende; Der Wohllaut scheint die Fluten zu durchdringen, So schmelzend hört der Graf die Tön' erklingen. Er schleicht hinweg, und wähnt sie schon verlor'n. In Trauer sinkt er auf sein Lager nieder, Er hat verletzt was er so hoch beschwor'n; In milder Liebe naht die Frau ihm wieder. Doch bald reizt ihn noch einmal wilder Zorn Und bleich erzittern seiner Gattin Glieder, Als rauh sein Mund es öffentlich verkündet, Wie sehr sein Weib dem Element verbündet. Behüt' dich Gott, mein vielgeliebter Freund, Klagt sie: Es siegen feindliche Gewalten, Weil schwach in dir der Liebe Macht erscheint. Zum Meeresweib muß sie sich umgestalten; Der Schmerzenston, womit sie schreiend weint Droht jedes Herz mit Jammer zu zerspalten, Laut klagend muß sie in der Luft nun kreisen, Ihr Haus mit Schmerzen dreimal noch umkreisen. Es fühlt der Graf sein Herz von Weh durchdringen, Er hört in ihrem Schrei'n ihr angstvoll Lieben Ohnmächtig mit dem Elemente ringen. Sehnsüchtig nun zum Wasser hingetrieben Hört er den Ton in jedem Bächlein klingen, Und ist am Bach im Walde stets geblieben; Entflohn auf immer seinem reichen Hause, Lebt er dort traurend in einsamer Klause. Nie wird die ächte Lieb' im Kampf erliegen, Aus Düft' und Tönen kann sie Kräfte saugen, Darf kühnlich selbst das Element bekriegen. In Floren lebt sie; obgleich seine Augen In Thränen strömen, Schmerzen ihn besiegen, Weil er nicht Worte findet die ihm taugen, Des Greises Sinn bewältigend durch Klagen, Sein Herzensweh recht lieblich vorzutragen. Daries hieß der tugendreiche Mann, Den schmerzten tief des zarten Jünglings Leiden, Mit Vaterliebe sah er mild ihn an, Und sprach: ihr müßt so herbes Weh' erleiden; Vertraut euch mir, ob euch vielleicht noch kann Mein treuer Rath von eurem Jammer scheiden; Schon lang hab' ich an euch es wahrgenommen, Um Kaufmannschaft seid ihr nicht hergekommen. Die Wirthin sprach: mit gleichem Weh' gestritten Hat einst ein Fräulein hier aus fernen Landen, Ach! nichts vermochten treuer Freundschaft Bitten, Trostlos rief sie: daß ich in Sklavenbanden Der Trennung Weh' von meinem Freund erlitten, Weil wir der Minne süße Glut empfanden, Darum will ich in schmerzlich herben Peinen. Mein Leben trostlos, klagend nun verweinen. Zehn Tage mußte sie im Haus' hier weilen, – Sie war so jung, so herrlich wie auch ihr, – Den Schmerz der schönen Blanscheflur zu theilen: Drum fürcht' ich, holder Jüngling, seid ihr hier. Und Flore rief: ja sie muß ich ereilen, Ihr schlägt mein Herz, es lebt ihr Bild in mir; Der Minne Glut hat uns're Brust durchdrungen Ihr seelig Band verein'gend uns umschlungen. Der Jüngling fühlt' es wie er sich vergaß, In Liebes Eifer glühend fortgezogen, Drum ward vor Schrecken seine Wange blaß, Und ängstlich sprach er: O! bleibt mir gewogen; Vergebt, daß ich so kühnlich mich vermaß, Und euer Ohr das falsche Wort betrogen: Daß meine Schwester als Geliebt' euch nannte, Weil mich der Schmerz verwirrend übermannte. Mild sprach der Wirth: es mag die Wahrheit seyn, Doch wird euch nichts in meinem Hause kränken, Glüht euch im Herzen auch der Minne Pein; Nur eines mögt ihr weise wohl bedenken: Es dringt kein Mensch zur schönen Jungfrau ein, Vergeblich ists den Sinn darauf zu lenken; Versuchtet ihr den Mächt'gen zu betrügen, Ihr würdet kläglich im Versuch erliegen. Weckt nicht die wilden eifersücht'gen Flammen, Ach! denkt, wie Acis einst am Meergestade Die Nymphe rief im liebenden Entflammen, Und Galathea aus kristall'nem Bade Steigt feucht empor, umschlungen ruhn beisammen Am grünen Ufer sie in Liebesgnade, Und sind vom wilden Polyphem belauscht, Wie zärtlich Kuß um Kuß die Lippe tauscht. Die Nymphe sieht ihn zitternd, und in schnellen Sprüngen flieht dem befreundten Meer sie zu, Willig empfangen von den grünen Wellen Ruft sie dem Acis: flieh Geliebter, du! Der Riese sieht wie sich die Wogen schwellen Mit sanftem Rauschen strömen sie hinzu, Es scheint im Naß die Schöne zu verschmelzen Ergrimmt reißt er vom Aetna einen Felsen, Und wirft ihn mächtig auf den Acis nieder, Der schwere Fels schlägt in dem Boden ein, Zermalmend ganz des schönen Jünglings Glieder, Daß nur sein Blut quillt strömend unterm Stein. Bebend in Angst kehrt Galathea wieder, Ihr leises Wort, gehaucht in Herzenspein, Wandelt das Blut so unterm Stein noch fließet Zum Quell, der aus dem Felsen sich ergießet. Doch schüchtern scheint er fliehend stets zu eilen, Nicht Blumen achtend die den Bord umkränzen, Nicht Galatheas Sehnsucht mehr zu theilen; Wann Mondesschimmer sanft im Grün erglänzen, Sieht man am Quell die schöne Nymphe weilen, Um dort ihr Haupt mit Blumen zu bekränzen, Und hingelehnt an kalten Felsensteinen Zum Quell hinab mit bitterm Schmerz zu weinen. Wie Acis sei ihr, junger Herr, bedroht, Wenn Argwohn ihr dem Ameral erweckt. Und Flore seufzt: in meiner Qual und Noth Fühl' ich von Grabesnacht mein Herz bedeckt. Find' ich nun ohne sie den bittren Tod, Wie würd' ich durch den Tod wohl abgeschreckt Nach diesem höchsten Himmelsglück zu ringen, Die holde Jungfrau zärtlich zu umschlingen. O, fänd' ich doch der inn'gen Liebe Ton! Verlieh mir Gott die Wort' euch zu erbitten, Ach! dächtet ihr doch, ich sey euer Sohn Und fühltet väterlich, was ich erlitten, Euch rührte dann der Schmerz, mit dem ich schon Viel Tag' und Nächte jammervoll gestritten; Und dürft' ich dann, wollt't hülfreich ihr erscheinen, Mein Gold euch bieten samt den Edelsteinen. Es sprach der Greis: ich kann es euch nicht fügen; Weiß mir zum Schmerz euch keinen Rath zu sagen. Was hilft es, euch mit falscher Hoffnung trügen; Ihr würdet es nur schmerzlicher beklagen, Wollt ich euch jetzt mit süßem Wort belügen; Vergeblich würden alle die es wagen, So jetzo leben in des Fürsten Landen, Was ihr allein euch kecklich unterstanden. Habt ihr auf eurer Reise nicht vernommen, Wie mächtig herrscht der Ameral im Reiche? So daß in seine Dienstbarkeit gekommen – Ein Wunder ist es, – siebzig Königreiche. Damit ihr einseht, was ihr unternommen Und jede Täuschung eurem Sinn entweiche, Will ich von ihm die wahre Kund' euch geben, Von selbst wird dann die Hoffnung euch entschweben. Der große Fürst hat Macht und alle Sinnen Gewendet dran, die Frauen zu erhalten, Die seine Schätz' in weiter Welt gewinnen. List ist vergebens, feindliche Gewalten Würden umsonst am hohen Thurm zerrinnen, Den er befahl, ein Wunder, zu gestalten; Daß sie ein einzger Marmorfelsen scheinen, So ließ die hohen Mauren er vereinen. Gewölbe sind mit kühner Hand geschlagen Und breite Stiegen laufen auf und nieder, Weil diese Bogen siebzig Kammern tragen, Wozu die Wege führen hin und wieder. Aus den Gemächern dringt ein traurig Klagen, Und keiner Brust entströmen frohe Lieder, Obwohl drin leben also schöne Frauen, Daß sie verdunkeln Blumenschmuck der Auen. Auch sind geziert in höchster Pracht die Wände Mit Gold, Lasuren, schimmernden Cristallen, Dem feinsten Werk geschickter Menschenhände, Reichthum und Kunst prangt in den Kammern allen, Daß sich der Blick von nichts mit Unmuth wende, Und fast bezaubernd jedes muß gefallen; So daß man in den anmuthreichen Räumen, Entzückt sich könnt' im Paradiese träumen, Der Wunderthurm ward nicht mit Stein bedeckt, Ein reiches Gold ist künstlich so gebogen, Daß es als Kuppel kühn sich drüber streckt; Die Sonn' ist stets dem Goldesglanz gewogen, Den sie mit Strahlen lieblich kosend weckt, Wenn die das Gold begierig eingesogen, Wird es entzündet, und ein Feuerbronnen Entgegen glüht es, der erglühnden Sonnen. Als Spitze ist ein gold'ner Stab erhoben, Und darauf ruht ein wunderbarer Stein, Dess' mag'sche Kräfte seltsam sich erproben: Sobald erlischt des lichten Tages Schein, Leuchtet erglühend der Karfunkel oben, So daß es scheint, es wolle dienstlich seyn In jeder Nacht mit sanftem Lichtes Strahl Der volle Mond dem stolzen Ameral. Mit Weisheit ward der kühne Bau begonnen Den stolz ihr seht bis zu den Wolken ragen, Man fand im Grunde einen kühlen Bronnen, Den muß nun aufwärts eine Säule tragen; Gleich einem Baum, so ward das Werk ersonnen, Ward die von Silber, innen hohl, geschlagen Mit vielen Röhren künstlich so geleitet, Daß sie der Baum wie seine Zweig' ausbreitet. Nach jeder Kammer muß ein Bogen gehn, Und wunderlieblich ist es anzuschaun, Wenn vor dem klaren Wasser freundlich stehn Mit holdem Auge sieht die süßen Frauen Sich lächelnd im kristall'nen Spiegel sehn; Ganz wunderbar das Wunder zu erbauen, Ruht oben wo der Säule Schaft geschlossen Schwer ein Koloß aus dunkelm Erz gegossen. Das Wasser quillt ihm aus dem offnen Munde, Das sich, ein silberheller Strom, ergießt, Und nieder zu dem Quell im dunklen Grunde Durch einen andern Gang der Säule fließt. Steht ihr davor betrachtend manche Stunde, Wie stets mit neuer Kraft das Wasser schießt, Müßt ihr bekennen, nur durch Zaubereien Kann zur Vollendung solch' ein Werk gedeihen. Will jemand dem Gebäude nah sich wagen, Wird er sogleich von rauhem Wort bedroht Der Wächter, die stets bösen Willen tragen; Es lautet so des strengen Herrn Gebot: Wen auch die Hüter bei dem Thurm erschlagen, Sie leiden nimmer darum Straf' und Noth, Drum ist's vergeblich darnach nur zu ringen, In diesen Thurm mit Klugheit einzudringen. In seiner Mitte prangt ein weiter Saal Wo übermüth'ge Pracht und Herrlichkeiten Verschwendet hat der stolze Ameral, Wo sich die Wonnen um den Vorrang streiten, Die süßen Düft' und freudenreicher Schall Sich schwebend um sein Lager üppig breiten, Und zärtlich scheint es um den Herrn sich schmiegen, Bis Tön' und Düft' ihn süß in Schlummer wiegen. Oft läßt er auch zum Saal herniedersteigen Aus siebzig Kammern siebzig schöne Frauen, Die alle zitternd dem Gebot sich neigen; Wohl manche Schöne bebt im innern Grauen, Die spielend sich und singend ihm muß zeigen. Der holde Chor so lieblich anzuschauen, Haucht süße Wort' in mancher Lieder Weisen, Der Liebe Zauber vor dem Herrn zu preisen. Doch zwei besonders sind von ihm ernannt, Den strengen Fürsten lieblich zu bedienen, Wenn kaum die Nacht vor Phöbus Strahl entschwand Sind vor sein Lager diese stets erschienen, Und eine rührt ihn sanft mit zarter Hand, Spricht zu ihm freundlich mit holdseel'gen Mienen: Gefällt dirs, Herr, dich gnädig zu erheben? Durch einen Wink uns dienend zu beleben. Dann bietet sie im glänzend gold'nen Becken Das Wasser ihm, so klar wie die Cristallen; Sie scheinen ihn zu seel'ger Lust zu wecken. Tief beugt sich nun die schönste Frau von allen, Und eilt ein zartes Handtuch hinzustrecken; Dem Ameral muß solcher Dienst gefallen, Denn lächelnd spricht er: groß ist meine Ehre Zwei schöne Frau'n sind meine Kammerere. Es führt zum Thurm noch eine schmale Pforte Die sorgsam stets ein wilder Mann verschloß, Nie weicht er einen Augenblick vom Orte, Nie ist sein Leib vom Waffenkleide bloß; Sein Mund spricht nimmer freundlich, holde Worte, Und wie sein Grimm ist seine Schalkheit groß, Weil er nie wohl, und immer übel thut, Drum wähn' ich wird er niemals froh gemuth. Er braucht kein Unrecht, das er thut, zu büßen, Es ist des Amerales Wille so, Damit ihn alle sorgend fürchten müssen, Rauh ist sein Herz, die Sitte wild und roh; Vergeblich ist's ihn freundlich zu begrüßen, Sein tückisch Auge lacht nur schadenfroh, Kann er verletzen, oder gar erschlagen, Die thöricht nach dem Wunderthurm sich wagen. Bös' ist der Wächter der mit Freuden kränkt; Wie Felsen hart, unmöglich zu bewegen, Der Fürst, dess' Sinn sich wunderbar gelenkt, Barbarisch will er fremde Sitte pflegen; Wenn er sein Herz nach freier Wahl verschenkt, Scheint er in Liebe sein Gemahl zu hegen Mit Herrlichkeit die Schöne zu umkränzen, Er läßt als Königin gekrönt sie glänzen. Doch nur ein Jahr kann er dieselbe minnen, Der Blumen Glanz, spricht er, ist bald zerronnen, Nicht kann mehr schmeicheln den verwöhnten Sinnen Die Rose, die zu welken schon begonnen. Ach! keine kann dem harten Loos' entrinnen, Das seltsam hier ein wildes Herz ersonnen; Erbarmungslos läßt er das Weib erschlagen, Die neben ihm die Kron' ein Jahr getragen. Kaum ist der grau'voll schnöde Mord vollendet, Die Fürstin kaum zum Grabe hingesunken, Nach andern Blüten ist dann schon gewendet Der Sinn, das Herz hat neue Lust getrunken; Herolde werden eilig ausgesendet, Neu glühen soll der höchsten Freude Funken, Zur neuen Krönung läßt er her bescheiden Die Fürsten alle, die sein Joch erleiden. Zum Garten läßt er dann die Herren führen, Und wenn Trompetenton die Luft durchdringt, Muß deren Knie den Boden schnell berühren; Dann naht er selbst, des Uebermuth sie zwingt Ihm so zu huld'gen, er läßt mit sich führen Der Jungfrau'n Schaar, und Harfenton erklingt, Die Schönen zärtlich schmeichelnd zu begleiten, Die sich in Angst zur neuen Wahl bereiten. Wie schild're ich euch des Gartens Herrlichkeit, Worin ertönt der allersüß'ste Klang, Der grün bewahrt sein Laub zu jeder Zeit, Wo nie verstummt der Vöglein Lobgesang Der nimmer leidet von des Winters Neid. Wer jemals durch dies Thor der Wonnen drang, Dem bleibt entzückt das Herz in seel'ger Brust, Er hat erprobt die wahre Gartenlust. Wie lieblich grün stehn Bäum' auf grüner Wiese Auf deren Wipfel Sonnenstrahlen spielen, Doch schlüpfen sie auch golden hin durch diese, Sind andre auch die dunkel schattend kühlen. Das Herz gefesselt muß im Paradiese Sich trunken in dem Zaubergarten fühlen, So süß schwebt Rauschen, Duften, Tönen drinnen, Daß Rauschen, Ton und Duft umstrickt die Sinnen. Was seltsam mag die Fantasie erträumen, Jedwede Frucht, wornach der Gaumen lüstern, Prangt lockend hier an üppig blüh'nden Bäumen, Und schalkhaft scheint das zarte Laub zu flüstern. Doch will das Herz von süßen Schmerzen träumen, So führen Pfade zu den schaurig düstern Baumlabyrinthen, wo das ernste Schweigen Nur Zweige stören, die sich rauschend neigen. Ein Silberstrom, der schäumend hier entspringt Verherrlicht wie den Garten so das Land, Der sich als Quell den Felsen hier entringt, Ist weit berühmt und herrlich wohl bekannt, Weil kühn sein Lauf durch' ferne Länder dringt; Euphratus wird der stolze Fluß genannt, Des Ursprung Glanz dem Wunderort ertheilet, Der hier als Quell der Erde Schooß enteilet. Doch was sag' ich von jenem Wunderbaum, Der in des Gartens Mitte herrlich blüht? Aus fremden Welten scheint er euch ein Traum, Weil er wie eine Rose leuchtend glüht, So reich an Blumen hat er keinen Raum Für grünes Laub, aus jeder Blüte sprüht Ein lichter Stern die Strahlen euch entgegen, Die ros'ge Kelch' als Thauestropfen hegen. Auf diesem Baum nun thront die Nachtigall Und wirbelt, jauchzet, schmettert die Gesänge. Mit Blumendüften zieht der süße Schall Durch würzereiche Lüfte gold'ne Klänge, Nicht schweigen kann der ferne Wiederhall, Als ob die Felsen Liebesglut durchdränge, So hallt die Stimme in den Klüften wieder Nachseufzend süß, des Vögleins süße Lieder. Das geht dann oft und schlürft den Himmelswein, Den ros'ge Blumenkelche in sich halten, In klaren Tropfen funkelnd glüh'nden Schein Der Sonne, drum kann nie das Vöglein alten, Und muß im Herzen übermüthig seyn, In neuer Lust stets Lieder neu gestalten; So daß man hört am süßesten Gesang, Wie fern von hier des rauhen Winters Zwang. Und unter diesem Baum entspringt ein Bronnen, Der aufwärts trägt zum Himmel die Cristallen, Sie schimmernd funkeln läßt im Strahl der Sonnen Und plätschernd nieder dann zur Erde fallen, Wo sie sanft murmelnd von der Liebe Wonnen Durch grüner Wiesen Blumen-Ufer wallen, Und zarte Blumen alle Wogen grüßen Die Silber-Wogen alle Blumen küssen. An diesem Bach versammeln sich die Frauen, Die hold wie Blumen um sein Ufer stehn, Sie müssen in den Silberspiegel schauen, Und drüber hin, dann auch zurücke gehn. Zu diesem Zauber hegt der Fürst Vertrauen, Die Probe müssen alle Frau'n bestehn, Hat ein' ein Mann schon als sein Weib gewonnen, So zeigt es an der klare Wunderbronnen. Sein Lilienweiß wird glühend rosenroth, Die Wellen kraus, wenn hin und wieder schreitet Ein Weib, das durch der Minne süß Gebot, Ach! allzu schwach und zärtlich ward verleitet; Es trifft sogleich sie grauenvolle Noth, Um die der Bach wie blüh'nde Rosen gleitet; Die liebend sich schon einem Mann ergeben, Büßt dies Vergeh'n sogleich mit ihrem Leben. Wenn reine Jungfrau'n hin und her geschritten, Bleibt weiß der Bach wie silberhelles Glas, Und sanft und milde wie er stets gelitten, So küßt er schmeichelnd funkelnd grünes Gras; Und alle Blumen die um Gunst ihn bitten Macht er mit kleinen Wogen scherzend naß; Sieht er am Ufer dann sie lächelnd weinen, Ergötzt ihn Spiel, plätschernd mit Kieselsteinen. Sind nun geendigt mit den Frau'n die Proben Dann müssen alle unterm Baum sich finden. Die für dies Jahr zur Königin erhoben, Sich ihrem Herren traurig muß verbinden, Zeigt eine Rose, die vom Wipfel oben Herabgetragen wird von lauen Winden, Und auf der Jungfrau schönes Haupt gesenkt, Die für dies Jahr der Fürst zu krönen denkt. Dann tönt sogleich des Freuderufens Schall, Die Fürsten alle müssen ihr sich neigen, Gebieterin sie heißen überall, In Demuth ihr die größte Ehr' bezeigen. Doch alle so gekrönt vom Ameral, In tiefer Traurigkeit sah man sie schweigen, Denn jede weiß, die er zur Kön'gin wählt, In kurzer Frist wird sie dem Tod vermählt. Er hat das harte Wort schon ausgesprochen Die Fürsten haben seinen Ruf vernommen, Sie müssen all' nach dreien kurzen Wochen In großer Pracht versammelt vor ihn kommen; Dann wird die schönste Blume wohl gebrochen, So je in zarter Farben-Pracht entglommen Als reine Lilie wunderherrlich blüht, Für die sein Herz in heißer Sehnsucht glüht. Auf Blanscheflur hat er den Sinn gewendet, Sie dient ihm schon mit ängstlich banger Scheu; Ihr Lebensweg ist leider bald vollendet, Man krönt sie bald mit lauter Freude Schrei. Und bald ist dann ihr Loos in Nacht gewendet, Nichts macht sie mehr von diesen Banden frei; Drum rath' ich euch: entfliehet dem Verderben, Denn ihr könnt nichts als kläglich mit ihr sterben. Der Jüngling saß in stummen bangen Thränen, Und faltet still die Hände vor sich hin; Dann sprach er: soll ich sie verloren wähnen, So ist der Tod auch einzig mein Gewinn; Mein Herz muß sich in Liebe nach ihr sehnen Inbrünstiglich dieweil ich lebend bin, Und so mag Gott nun gnädig mit mir walten, Soll ich das Leben, muß ich sie behalten. Auch ist es gegen meines Adels Ehre Und nie gewönn' ich ritterlichen Preis, Wenn ich nun ohne sie von hinnen kehre, Die ich in Todesnoth hier elend weiß. Laßt euch erbitten, gönnt mir Rath und Lehre, Ein Kind fleh' ich zu euch, o edler Greis! Die Weisheit nur kann mir mein Heil bewahren, Die ihr erwarbt in langen Lebensjahren. Doch laßt ihr euch durch Thränen nicht erflehn, Die schmerzlich zeigen meines Herzens Brand, So will ich selbst in mein Verderben gehn, Will selbst der holden Minne zartes Band Dem rohen Fürsten und dem Volk gestehn; Was je mein Herz für Blanscheflur empfand, Das sei nicht mehr dem Ameral verschwiegen, Müßt' ich auch gleich ihm todt zu Füßen liegen. Und mich braucht man nicht weinend zu beklagen, An mir verdirbt nicht Ritters Preis und Ehre; Es ward schon mancher tapfre Mann erschlagen, Der mehr als ich wohl zu bejammern wäre. Mit dreistem Muth will ich den Anspruch wagen, Wenn ich vom Fürsten meine Braut begehre; Mich liebt ihr Herz, mir ist sie treu und eigen, Und Schande wärs mein Recht ihm zu verschweigen. Der Greis sprach sanft: mit euch fühl' ich die Pein Das herbe Leid, so euer Busen hegt, In meine Brust dringt eure Klage ein, Zum inn'gen Mitleid fühl' ich mich bewegt, Doch nicht um Lohn will ich euch dienstlich seyn, Ihr habt mein Herz im Busen angeregt. Ein Felsen würde eurer Liebe dienen, So lieblich fleh'n die holden Engelsmienen. Ich will auf Rath und Hülfe für euch sinnen Und ferne dämmern seh' ich Hoffnungsschein. Wäre der Weg mit Weisheit zu ersinnen, Wie ihr durch Gold und edeles Gestein Des Pförtners Habsucht wüßtet zu gewinnen, So daß er treu und dienstlich euch zu seyn Sich durch den höchsten Eid verbindlich macht, Dann könnte schwinden eures Grames Nacht. Ach! habt doch Gnad' und tausendfachen Dank Für diese Rede, tröstlich mild und gut, Rief nun der Jüngling, den die Minne zwang, So daß er bebt in fieberhafte' Glut. Ich war, sprach er, zum Tode schmerzlich krank, Ihr habt erneut den fast entschwund'nen Muth, Durch süßen Trost, den eure Worte geben, Schenkt ihr mir neu mein schon verlornes Leben. Laßt uns der Ruh', so sprach der Greis, nun pflegen, Und morgen will ich euch die Weise sagen, Wodurch den Pförtner wir vielleicht bewegen Euch beizustehn in eures Herzens Klagen. Ach! seufzte Flor', noch muß ich Zweifel hegen, Ob himmlisch Licht die Schatten wird verjagen, Worin mein Herz in dunkler Nacht beklommen, Ob Morgenlicht wird tröstend zu mir kommen. Der Morgen kam, und Flore war bereit. Es rieth der Greis, zum Heil für seine Minne, Daß er anlegt ein glänzend reiches Kleid, Auf feine Wort' und kluge Reden sinne, Und dann des Wächters schnöd' Habgierigkeit Für sich durch reiche Gaben klug gewinne. Auch lehrt er ihm wie er es machen sollte, Wenn nicht der Pförtner mit ihm reden wollte. Nach solchen Worten führt er ihn von dann, Hin vor den Thurm, der zu den Wolken steigt, Und sieht mit Vaterliebe Floren an, Drückt zärtlich seine Hände dann und schweigt. Die Götter, spricht et endlich, fleh' ich an, Sie seyen hülfreich eurem Thun geneigt, Und mögen gnädig euer Haupt bewahren, Daß ihr nicht Leid, nur Freude mögt erfahren. 8. Gesang Achter Gesang Es beugen sich der Liebe alle Herzen, So rief der Ritter, wer kann sich entziehn? Oft wird der Sieg durch kindisch lieblich Scherzen, Lächeln und Spiel, ihr williglich verliehn, Doch oft kämpft sie mit tausendfachen Schmerzen, Und läßt im Leid den Muth doch nicht entfliehn. Mit Thränen hofft sie die zu überwinden, Die nicht des Lächelns Zauberkraft empfinden. Doch ist die Lieb' ein Kindlein nur und schwach, So sprach die Frau: wenn sich die Feinde regen, Seufz't es in Wehmuth ein tief klagend Ach! Und eilt der Treue Panzer anzulegen, Dann wird in seinem Busen Hoffnung wach, Das Schwerdt des Muthes streckt es kühn entgegen Den Feinden, die es kämpfend, wild bestürmen, Der Schild des Glaubens muß die Brust ihm schirmen. Bald wird die Liebe ihre Glorie sehn, Sie hat gesiegt durch Panzer, Schwerdt und Schild, Und alle müssen nun um Gnade flehn, Die erst gekämpft so trotzig, rauh und wild. Doch rächt sie nicht das Leid so ihr geschehn, Ihr Götter-Aug' ist wie ihr Busen mild: Nur kindisch stolz will sie nun triumphiren, Im Siegeszuge die Besiegten führen. Und übermüthig führt an seiner Hand Das Kindlein sie, die ihm noch ungern dienen, Nicht schützte sie ihr eisernes Gewand, Vergebens drohten ihre trotz'gen Mienen, Die erst die Minne kämpfend überwand, Die Gegner ihrer holden Macht geschienen: Sie tragen bald mit himmlischem Entzücken Der Liebe Bande, die das Herz beglücken. So woll'n in frommer Demuth wir uns neigen, Sprach nun der Ritter, da wir all' empfunden, Daß Lieb' im Kampf sich stets wird siegreich zeigen, Weil bald der Muth zum Widerstand entschwunden; Was athmend lebt giebt sich der Minne eigen, Und fühlt entzückt die füßen Herzens-Wunden. Nur Phönix flieht zum einsam düstern Wald, Sein stolzes Herz bleibt für die Liebe kalt. Nennt ihr ihn kalt? erwiedert ihm die Frau, Weil einsam klagt sein Schmerz in Waldes Nacht, Weil Abendglut am reinen Himmelsblau Der Sehnsucht Flamm' ihm heißer glühend facht, Weil nimmer mild erquickend Morgenthau Des Trostes Kühlung in sein Herz gebracht; Denn niemals wird er Gegenliebe finden, Mag auch sein Herz die höchste Glut empfinden. Ach! muß er nicht in solchem Schmerz und Pein Zum Himmel seufzen seiner Sehnsucht Klagen? Muß unerwiedert seine Glut stets seyn, Wie soll im Jammer er dann nicht verzagen? Er muß sich selbst dem heißen Tode weihn, Den gold'nen Fittich auseinander schlagen, Entschloss'nen Muths die Todesflamm' anwehn, In äuss'rer Flamm' und inn'rer Glut vergehn. Und kaum versunken sind die stolzen Glieder, So spricht der Ritter, in des Feuers Glut, So regt sich auch die Asche seltsam wieder, Und Phönix schwingt, voll neuem Lebensmuth Zum Himmel auf das glänzende Gefieder. So Liebesweh, das uns im Herzen ruht, Wie oft wir es getödtet fälschlich wähnen, Es lebt auf's neu' als Wunsch und zärtlich Sehnen. Drum schmiegt euch willig in der Minne Band, Umsonst wird jeder Widerstand verübt: Das fühlt der Held Sigfried von Niederland, Dess' kühnen Muth nie eine Sorge trübt, Der wunderbar gewann so Schätz' als Land, Dess' Stolz niemals die sanfte Bitte übt; Bis Minn' uns zeigt wie leicht sie überwinde Den kühnen Sohn der schönen Sigelinde. Wie übermüthig war nach Worms gezogen Der junge Held; siegreich wollt' er bezwingen So die Burgunden, daß, ihr Knie gebogen, Sie ihn in Demuth als den Herrn empfingen; Doch anders hat die Minne es erwogen: Wie schwer mußt' er in ihrem Dienst nun ringen, Um holden Blick der Herrin zu verdienen, Mußt' er nun selber den Burgunden dienen. Nie hätte Gunter wohl die Braut errungen Die kriegrisch lebte auf dem Isenstein, Wenn Sigfrieds Kraft die Jungfrau nicht bezwungen, Der König nennt die schöne Brunhild sein; Das kühne Spiel ist durch den Freund gelungen Der selbst nun schmachtend in der süßen Pein Demüthig will des Königs Bügel halten, Um nur von ihm die Schwester zu erhalten. Wohl, sprach die Frau, und da errang er Ehren Und süßen Lohn von allen schönen Frauen, Den sie noch jetzt mit Thränen ihm gewähren, Wenn sie es denken, wie auf Blumen-Auen Sein leuchtend Loos in Nacht sich muß verkehren, Und er mit Blut die Blumen muß bethauen Wo durch Verrath er litt den Todesschmerz Wo Hagens Speer furchtbar durchbohrt sein Herz. Selig wer treu um Minne-Lohn gerungen, Und gern gedient hat um der Schönen Huld, Nicht wird sein Name durch die Zeit verschlungen; Wie er geübt, so Liebe, als Geduld, Wird preisend stets von allen Frau'n gesungen, Mit süßen Thränen zahlen sie die Schuld, Die dankend immer deß Gedächtniß ehrt, Der ritterlich der Frauen Ruhm vermehrt. So lebt auch Flore, liebend stand er da, Die Rosenröthe wurde lilienblaß, Als er die Wohnung seiner Freundin sah; Von Sehnsuchtsthränen ward die Wang' ihm naß, Sein Herz erbebt, daß, ob dem Thurm auch nah' Er doch Daries Wort beinah vergaß, Der ihn gelehrt, im Hin- und Wiederschreiten Den Bau zu messen rings von allen Seiten. Und ach! wie süß war ihm doch jeder Gang: Ich bin dir nah', so dacht' er, Blanscheflur; Wie sehr sein Herz sehnsüchtig liebeskrank Zeigt im Gesicht doch nicht die kleinste Spur. Er maß mit Ernst, wie breit der Thurm und lang, Als reizte ihn die selt'ne Bauart nur; Dies trieb er fort so lang bis es geschahe, Daß ihn des Thurmes wilder Hüter sahe. Der kam heraus, er trug ein Waffenkleid, Und zornig blieb er vor dem Jüngling stehn. Was sucht ihr hier? rief er, entfernt euch weit, Was wollt ihr in des Thurmes Näh' erspähn? Weil ihr ein Knabe noch und wehrlos seid, Befehl' ich euch in Frieden fortzugehn, Und rath' es euch die Lehre wohl zu achten: Kein Mensch darf nah den Wunderthurm betrachten. Der Jüngling, wie Daries ihn belehrt, Sprach: warum zürnt ihr? mein Vergehn ist klein, Ich seh' nicht ein, was euch den Muth beschwert, Wenn ich betrachte diesen Bau von Stein. Er scheint ein Wunder, der Betrachtung werth; Doch sollt' ich auch unwissend sträflich seyn, So sagt es nur, daß mein Vergehn ich büße, Und euch den Zorn den ich erregt versüße. Ich sag' euch gern was mich hieher gebracht: Mich dünkt der Thurm unüberwindlich fest, So hab' ich auch wie ich ihn sah gedacht, Daß er durch List sich kaum erobern läßt: Wenn ihr den Zorn den ich euch angefacht, Durch meine Bitte freundlich nun vergeßt, Und mir erlaubt dies Wunder recht zu schauen, Denk' ich mir selbst solch' einen Thurm zu bauen. Wenn ich so weislich Kunst des Bauens lerne, Dann schließ' ich Gold und andres Gut hinein. Darum beschaut' ich ihn inwendig gerne, Weislich geordnet muß dort alles seyn, Hier außen bleib ich von den Künsten ferne; Doch laßt ihr höflich durch das Thor mich ein, Dann seh' ich manche Kunst dort angebracht, Die große Meister weislich sich erdacht. Und sprecht, was thät's, wenn ihr hinein mich ließet? Ich lohnt' euch reich, wär't meinem Wunsch ihr hold, Und doch geschäh' auch nichts was euch verdrießet; Denn wenn im Thurm auch leuchtend reines Gold Kostbar Gewand und edle Stein' ihr schließet, Und ängstlich darum Sorge haben wollt; Wohl thöricht wäre solche Furcht bei mir, Ich bin so reich und reicher wohl als ihr. Wer wär' so hart, wenn er die Rede hörte, Und Flore säh' ihn freundlich lächelnd an, Daß Wort und Lächeln nicht sein Herz bethörte, Da er den Pförtner schmeichelnd selbst gewann? So daß er mild des Knaben Worte hörte, Nicht widerstehn dem holden Zauber kann, Womit der Jüngling ihm das Herz bezwang, Ihm dünkt die Red' ein lieblicher Gesang. Zu Flore wandt' er sich und sprach: ein Wahn War es, der fälschlich täuschend mich betrog, Als meine Augen auf euch zürnend sahn, Der ungestüm zu schelten mich bewog, Und übel hab' ich, junger Herr, gethan, Daß ich nicht besser meine Red' erwog; Denn wohl seht ihr nicht einem Späher gleich, So edel seid ihr, schön gekleid't und reich. Wohl größre Dienste würd' ich gern erzeigen, Um mich mit euch in Frieden zu versöhnen, Doch kann ich nicht den inn'ren Thurm euch zeigen, Wie alle Künste ihn zum Wunder krönen: Nur was mir drin als arme Wohnung eigen Wollt ihr durch eure Gegenwart verschönen, Den Theil des Thurms; und bleibt ihr drum mir hold, So tretet ein, und seht ihn wie ihr wollt. Und darf ich euch in Lieb' und Ehre fragen: Habt, junger Herr, vom Spiel im Schach ihr Kunde? Und wollt ihr eins zum Scherze mit mir wagen, Ergötzen wir daran uns eine Stunde. So will der Pförtner süße Rede sagen, Die schwer sich fügt dem ungewohnten Munde, Und führt so Flor' an seiner Wünsche Ziel Als er ihn sanft und freundlich lud zum Spiel. Zur hohen Pforte traten beide ein, Der Pförtner eilt geschäftig aufzufinden Das Bret zum Schach. Er ordnet jeden Stein, Und hofft den Jüngling leicht zu überwinden, Als Flore sprach: laßt uns bedacht drauf seyn Mit Ernst den Sinn am edlen Schach zu binden. Auf daß mit Scharfsinn wir das Spiel regieren Setz' ich hier dreißig Unzen zu verlieren. Und hundert Unzen leg' ich noch hiebei. Daß, wem so hold sich zeigt die süße Minne, Daß sie ihm steht in seinen Kämpfen bei, Er sie im nächsten Spiele dann gewinne. Des Pförtners Herz war leicht und sorgenfrei, Gewonnen hat er schon das Gold im Sinne, Da Flor', ein Kind fast, vor dem Alten stand, Der längst als Meister war im Schach bekannt. Er sprach zum Jüngling: dünkt euch Spiel der Liebe, Was mir erscheint als listig schlaues Kriegen? Wie leicht doch sind der Minne schwache Triebe Durch Schwerdt und Lanze krieg'risch zu besiegen, Wenn selbst getreu der Knabe Amor bliebe, Den schalkhaft ihr von Spiel zu Spiel seht fliegen, Und die verlachen, so ihm erst vertraut, Ihr Heil und Glück auf seine Huld gebaut. Stand nicht Ariadne einst an Naxos Strande Und schaut hinaus weit auf die Meeres-Wellen; Sie steht und klagt am nakten Felsenrande Die Augen wandelnd in zwei Thränen Quellen, Theseus zerriß der schwachen Liebe Bande, Weit abwärts läßt sein weißes Segel schwellen Ihm günst'ger Wind; einsam hallt noch ihr Klagen, Da ihn die Wogen längst hinweggetragen. Drauf sprach der Prinz: als sich der Schlummer senkte An Naxos Strand auf Theseus Augenlieder, Nach langer Fahrt ihm mild Erquickung schenkte, Da stieg ein Gott zum edlen Jüngling nieder, Der ihm das Herz im kühnen Busen lenkte, Deß Dräuen trieb ihn zu den Schiffen wieder. Mit Schmerz entfloh er, der entschlaf'nen Schönen, Die bald erwacht, ihn ruft mit Klagetönen. Im wilden Schmerz läßt sie die Klagen steigen Zum Himmel auf, das Glück dünkt ihr ein Wahn; Doch plötzlich muß der laute Jammer schweigen, Sie fühlt von milden Lüften sich umfahn: Ein Wunder will sich der Erstaunten zeigen, Der Weinbekränzte Gott ihr zärtlich nahn. Um süße Huld im Schmeichelton zu werben, Erbebend glaubt sie in der Luft zu sterben. Wie innig hält der Gott sie nun umschlungen, Wie zärtlich flehn die seelig trunk'nen Augen? Von Götterglut ist ihre Brust durchdrungen, Kein ird'scher Schmerz kann für die Seel'gen taugen, Was Dichter je von Himmelslust gesungen Durchströmt ihr Herz, wenn ihre Lippen saugen Den süßen Nektar von des Gottes Munde; Und sanft geheilt ist ihres Herzens Wunde. Es kann die wahre Liebe nie verlieren, Auf Liebe hoffend hab' ich drum gesetzt. Wollt ihr nun Krieg mit holder Minne führen, So tretet her, das Schlachtfeld ist besetzt, Und klug mag jeder nun den Kampf regieren. Doch Florens Macht ward ernstlich bald verletzt; Denn stand der Jüngling weis' ihm auch entgegen War doch der Alt' in Weisheit überlegen. Daries Rath fällt nun dem Jüngling ein Und listig sucht er sich beim Spiel zu schützen Durch seines Ringes wunderbaren Schein, Er dreht ihn so, daß seine Strahlen blitzen, Recht lockend aus dem glühend rothen Stein, Und grade in des Pförtners Aug' erblitzen; Er hofft, an Schach soll er nicht ernst mehr denken, Und die Betrachtung zu dem Kleinod lenken. Und so geschahs, der Alte hat verloren, Er mußte Floren dreißig Unzen geben; Es sah der Prinz den glühend heißen Zorn, Und sprach: ich will euch zu versöhnen streben, Ein neues Spiel sei muthig nun erkohren, Dann mag das Glück euch huldreich wohl umschweben; Seht hier: ich setze hundert Unzen Gold, Setzt auch so viel, seid ihr dem Schach noch hold. Es reizt das Gold, der Pförtner will gewinnen, Erneuert wird mit Scharfsinn nun der Krieg Auf den sie beide ernst bedächtig sinnen, Und jeder hofft durch seine Kunst den Sieg; Der Jüngling treu im holden Dienst der Minnen, Saß, in sein Spiel versunken, ernst und schwieg, Da hätte bald sein Gegner Sieg getragen, Der Krieg die Liebe aus dem Feld geschlagen. Schutz giebt des Ringes wunderbarer Schein, Und Flore sieht gewendet bald sein Loos, Welch seltsames Juwel im Ring mag seyn, Gedenkt der Pförtner, und die Lust wird groß Sich zu erwerben diesen Wunderstein. Durch die Begierde siegt sein Spielgenoß; Er sieht den Prinzen all sein Gold erwerben Und will aus Schmerz bey diesem Anblick sterben. Doch ward sein Leid in Freude bald gekehrt: Der Jüngling reicht ihm das gewonn'ne Gut, Wie ihn Daries kluges Wort belehrt, Und sprach holdseelig: Nicht betrübt den Muth, Zu spielen hab' ich nur mit euch begehrt; Da ihr so höflich meinen Willen thut, Müßt ihr das Gold so ich von euch gewonnen Und was ich setzt' als bill'gen Lohn bekommen. Entzückt empfing der Alte Florens Gold, Wie Crösus reich muß dieser Jüngling seyn, So dacht' er schweigend, blieb' er mir doch hold, Ihm dünkt ein jeder Schatz gering und klein; Und so wie es des Prinzen List gewollt, Lud ihn der Alte höflich schmeichelnd ein, Und sprach: möcht' es doch morgen euch belieben, Daß wir wie heut die Zeit mit Schach vertrieben. Wie gern versprach der Jüngling doch zu kommen, Der mit dem Tage hoffnungsfroh erwachte. Dem Pförtner war sein Anblick hoch willkommen, Als er es sah, daß Flore mit sich brachte Schwer tausend Unzen Gold; er seufzt beklommen Als er entbrannt in schnöder Habsucht dachte: Heut muß besiegt im Schach der Knabe seyn, Dann ist sein Schatz in wen'gen Stunden mein. Und freundlich sprach er: Krieg hab' ich ersonnen. Denkt ihr nun wieder auf ein Liebes-Spiel, So wird der Sieg von meiner Hand gewonnen, Denn Liebe lockt auch täuschend ab vom Ziel. Habt ihr auch glorreich euren Lauf begonnen, Geschahs weils stets der Minne noch gefiel Im Anfang euch mit holdem Gruß zu heucheln, Wie Circe einst, euch beim Empfang zu schmeicheln. Wie hold empfing im schimmerreichen Saale Die Griechen sie, vom wilden Sturm verschlagen, Sie selber ladet freundlich ein zum Mahle, Willkommen, eilt den Helden, sie zu sagen, Und bietet selbst zum Trank die gold'ne Schale, Doch alle die daraus zu trinken wagen, In Thiere wandelt sie der schnöde Gruß, Und kaum allein entfloh Eurylochus. Und doch muß Weisheit über Zauber siegen, So sprach des Jünglings lächelnd süßer Mund; Es hofft wohl Circe ihr werd' unterliegen Der Held, so mit den Himmlischen im Bund. Odysseus naht ihr, und gewohnt zu siegen, That sich auch hier die Macht der Weisheit kund; Sie bietet kaum den Trank von Wundersäften Und sieht erstaunt den Zauber schon entkräften. Als Circe durch Odysseus Schwerdt soll sterben, Fühlt sie ihr Herz in Liebesflamm' erglüht, Sucht zärtlich schmeichelnd Huld nur zu erwerben Vom zorn'gen Helden, der in Schönheit blüht. Wie er sie lieblich sieht demüthig werben, Faßt Ahndung ihn der Wonne so ihm blüht; Vom Zauber sind die Griechen bald befreit, Sie bietet sichernd ihm den Götter-Eid. Und nun wie oft, in Wonne ganz versunken Wie zärtlich sie an ihrer Brust ihn wiegt, Bis süßer Schlummer auf sein Haupt gesunken, Er ruhig träumend ihr am Busen liegt; Sie hat vom höchsten Zauber nun getrunken Sieht ihre Macht durch Liebes Macht besiegt. So hoff' auch ich, daß ich im Streit gewinne, Paart Weisheit sich doch gerne mit der Minne. Doch ward er durch des Alten Kunst bedroht, Und schützt sich oft durch seines Ringes Schein; Wenn die Gefahr ihm allzunah schon droht, Füllt seine Wunderschaale er mit Wein Den er süß lächelnd dann dem Pförtner bot; Der seufzt in sich, wär Ring und Becher mein; Muß mit Begier dann beides lang betrachten, Und kann mit Ernst nicht auf sein Spiel mehr achten. Er sah mit Schmerz den Prinzen oft gewinnen, Ein großer Schlag, rief er, soll nun entscheiden, Kann ich dem bösen Schicksal nicht entrinnen, Muß ich verzweifelnd von dem Golde scheiden; Und führt ihr siegreich meinen Schatz von hinnen, So will ich nicht die Qual mehr langsam leiden, Seht her, auf einmal setz' ich all mein Gut, Wagts nun mit mir habt ihr den gleichen Muth. Und Flore sprach: auch mir erregt es Pein, Daß wenig ward in jedem Spiel gewagt, Drum geh' ich willig euren Vorschlag ein, Und setze all mein Gold nun unverzagt. Jetzt hofft der Alte siegreich noch zu seyn, Bedächtig prüfend sinnt er, eh' er wagt, Verbirgt dann schlau den Plan so klug ersonnen, Dieß Spiel, hofft er, wird endlich nun gewonnen. In der Gefahr worin der Jüngling schwebt, Gedenkt er zärtlich, wie er treu sich schwur Der süßen Minne, ihr nur dienend lebt, Und hofft auch nun auf ihrer Gnade Spur; Wie auch das Herz in inn'rer Brust ihm bebt, Glaubt er doch fest, daß ihn und Blanscheflur Die Liebe schirmt, braucht Schaal' und Zauberstein, Und so ward bald das Gold des Pförtners sein. Bleich, stumm, wie von des Todes Hand berührt Starrt erst der Pförtner, kann dann nicht bezwingen Des Busens Qual. Weh' wer hat mich verführt Rief er: muß es so jungen Kind gelingen, Daß seine Hand all' meine Hab' entführt, Und ich mein Loos in Armuth muß vollbringen? Weh mir, daß ich ein Schachbret je gesehen! Wie ist mir drum solch gräßlich Leid geschehen. Der Prinz sprach sanft: nehmt euer Gut zurück, Gewinn soll mir die große Ehre seyn, Daß euch, den Meister hat besiegt mein Glück. Kommt, trinkt versöhnt aus meiner Schale Wein, Und schaut auf mich liebreich mit Freundes Blick; Denn all dies Gold, ich nenn' es nicht mehr mein, Was ich gebracht um hier es zu verlieren, Kann einzig euch als rechtem Herrn gebühren. Als ob ein Zauber lähmend ihn befangen, So stand der Pförtner lange regungslos, Bis endlich Thränen aus den Augen drangen, Er heftig rief: O süßer Spielgenoß! Wie konnt' ich eure Huld also erlangen, Daß ich erprüft, die Gnade fürstlich groß. Nun wollt mir eines gnädig noch gewähren: Laßt als mein Gast euch morgen von mir ehren. Drauf sagte Flore: leicht ist zu erfüllen Was ehrend mich, noch dienen mag vielleicht Den liebsten Wunsch in meiner Brust zu stillen; Drum wenn die Nacht dem Glanz des Tages weicht, Komm' ich nach meinem mehr, als eurem Willen. Der Jüngling geht; der Alte sinnt und schweigt, So reich beschenkt ist er nicht Goldes satt, Bis er den Wunderbecher auch noch hat. Der dünkte ihm das allerhöchste Gut, Nach dem sein Herz je Sehnsucht noch empfand, Und heißer brannt ihn der Begierde Glut Am Morgen, als den Becher in der Hand Der Jüngling naht: habt ihr zum Schach heut Muth? Rief er ihm zu, als er ihn kaum erkannt; Und Flore sagt': ich eilte so zu kommen, Daß ich in Eil' kein Gold mit mir genommen. Dem Alten winkt der glühend rothe Schein, Den Sonnenstrahlen im Pokal entzünden, Und Flore füllt mit blinkend gold'nem Wein Die Schal' und sagt: laßt allen Unmuth schwinden, Und laßt uns heut von Herzen fröhlich seyn. Der Alte spricht, mögt Lust am Spiel ihr finden, So sagt wie hoch ihr euer Kleinod schätzt, Das wird von mir in baarem Gold gesetzt. Nein, sagte Flore, lassen wir das Spiel, Es ziemt mir nicht den Becher zu verlieren. Der Alte sieht sich traurend, weit vom Ziel, Und kann im Leid sein Herz nicht mehr regieren. Der Prinz sprach, dem des Pförtners Qual gefiel: Wollt nach der Mahlzeit Krieg im Schach ihr führen, So geh' ich dann, und bringe her mein Gold, Und wir versuchen wem das Glück heut hold. An Gold nur kann der karge Pförtner denken, Das bei der Mahlzeit recht sein Herz bestrickt, Nicht vom Pokal kann er die Augen lenken, Und wenn er sinnend auf den Becher blickt, Fühlt er ein Weh in seine Brust sich senken Das ihm das Herz in Angst beinah zerdrückt. Ihm dünkt er muß die gold'ne Schal' erlangen, Sonst kühlt ihm nichts das brünstige Verlangen. Der Jüngling sah wohl der Begierde Flammen, Worin der Alte tödtlich fast bedroht, Mühsam bringt der die Worte nur zusammen, Womit dem Prinzen tausend Mark er bot; Ja er verrieth sein gieriges Entflammen, Und sprach, wenn selbst zu klein noch das Gebot Dem Jüngling für den Becher dünken sollte, Er auch noch mehr dafür ihm zahlen wollte. Und Flore sprach: mir ward er so zu Theil, Daß jeder Preis im Kaufe zu gering Und Schande wär' mirs böt' ich je ihn feil; Doch sagt er schlau: als ich die Schaal' empfing Da war verloren meines Lebens Heil; Und in der Nacht die meine Seel' umfing, Hab' ich als Gabe sie dem Freund gelobt, Deß Liebe sich am treusten mir erprobt. Nun rief der Alt' in Wahnsinn fast versunken, Wenn je mein Herz zu wanken sich erfrecht, So sprach der Pförtner, in Begierde trunken, So strafe mich des Himmels strengstes Recht. Und seht mich, nun zu Füßen euch gesunken, Gelob' ich mich euch als leibeigner Knecht, Und wähnte wohl, daß Gott mich von sich stieße, Wenn in Gefahr ich jemals euch verließe. Gebt eure Hand und laßt darin mich schwören, Nun kann mich nichts von eurem Dienst mehr scheiden, In Treu' muß ich nun ewig euch gehören Muß jede Noth um euch geduldig leiden; Nie darf mein Herz sich wider euch empören, Nie darf ich um Gefahr euch furchtsam meiden. Da ich als eigner Mann mich euch ergeben, Gehört mein Thun euch wie mein ganzes Leben. Und Flor' in Thränen lächelt seelig froh, Da er den Pförtner nun so treu sich weiß: O wohl, Daries, riethest du mir so, Durch deinen Rath erring' ich nun den Preis, So sprach der Jüngling dessen Schmerz entfloh: O wohl, auch mir! In treuer Liebe heiß, Hab' ich so wunderbarlich gut gespielt, Daß nun mein Spiel den höchsten Preis erzielt. Zum Pförtner neigt er sich, ihn zu umfangen, Dann bittet er ihn liebreich aufzustehn, Aus seiner Hand das Kleinod zu empfangen. Lang muß der Alte den Pokal ansehn, Das Gold kühlt ihm sein brünstiges Verlangen, Und lindert seines Busens scharfe Wehn; Tief athmend spricht er freundlich: nun sagt an Welch lieben Dienst ich euch nun leisten kann? Und Flore sprach: den Kummer lang getragen, Die Quaal so lang' in treuer Brust verschlossen Will ich euch nun mit froher Hoffnung sagen; Ach, wüßtet ihr wie schmerzlich heiß geflossen Die Thränen sind, in meinen nächt'gen Klagen, So hoff' ich würd' mein Paradies erschlossen; Ihr ließt mich ein zur süßesten Freundinne, Die ganz mein eigen durch die Kraft der Minne. Nun möge Gott doch eurem Sinn gebieten, Daß ihr treu haltet was der Mund erst schwur, Und gern euch mögt zum lieben Dienst erbieten: Da mir entrissen wurde Blanscheflur, Weil Haß und Neid so grausam uns verriethen; So laßt mich ein zur holden Kreatur, Um sie zu sehn, müßt ihr mir Beistand geben, Wollt ihr im Ernst mir fristen noch das Leben. Bei dieser Red' erschrak des Pförtners Herz. Weh! rief er traurig, ihr verderbt uns beide, Und Flore seufzt im tiefen Seelenschmerz, Und spricht: bedenkt die Qual so ich erleide; Ist euch das Herz im Busen nicht von Erz, So helft, daß ich von meinem Jammer scheide. Der Alte klagt, wie ich den Schwur bereue, So darf ich doch nicht brechen meine Treue. Mir hilft es nicht nun ängstlich zu verzagen, Zeigt das Geschick sich feindlich auch und böse, Drum schließ' ich in mein Herz die bittern Klagen, Und sinne nur wie ich die Eide löse; Das kühnste Unternehmen will ich wagen, Damit ich euch von Liebespein erlöse, Ihr sollt hinein, ihr müßt die Freundin sehn, Mag mir hernach das Aergst' auch drum geschehn. Nach dreien Tagen, merkt die Rede gut, Kommt her zum Thurm', und thut nach meinem Rath: Tragt ein Gewand so roth wie Rosenblut; Wenn so gekleidet ihr dem Thurme naht, Dann stählt das junge Herz mit Heldenmuth; Wir unternehmen dann die kühnste That, Wodurch vielleicht ihr euer Heil erwerbt, Doch auch vielleicht schmachvoll mit mir verderbt. Als Flore diese Trostesworte hörte Schlug froh sein Herz, und seine Wang' erglühte. Ach! keine Furcht vor Todesqual zerstörte Der Liebe Muth im zärtlichen Gemüthe, Das eigen ganz der Minne angehörte; Ein sanfter Thau fällt auf die Rosenblüte, Die Stimme wird, der Blick so zärtlich lind, Vor Liebe weinend spricht das holde Kind: Es mög' euch Gott die selt'ne Treu belohnen, Die muthvoll euch, mir edel dienen heißt. Die euch bewegt euch selber nicht zu schonen, Damit ihr mich der Marter nur entreißt, Und ich gelange zu der Wonne Kronen. Ich werde thun wie ihr mich unterweis't; Drei Tage leidet nun mein Herz noch Pein, Dann führt ihr mich zu seel'ger Wonne ein. So schieden sie, und Flore ging zur Stadt Nun dünkt in Sehnsucht ihm noch weit sein Ziel, Als ihn Daries freundlich sagen bat, Wie mit dem Pförtner ihm gelang das Spiel. Der kluge Greis hört sinnend auf den Rath Des schlauen Pförtners, der ihm wohl gefiel. Er sorget selbst, daß man Gewand nun schneidet Und Floren roth wie rothe Rosen kleidet. Wohl! ruft der Jüngling, wohl! es muß gelingen; Dann flüstern leise ängstliche Gedanken: Doch wenn des Pförtners Herz nun Sorgen zwingen, Und Furcht ihn lehrt an seiner Treue wanken, So daß die Hoffnungen mir untergingen: Nein, spricht er dann, nicht soll mein Herz erkranken In schnöder Furcht; ach, möchte nur entschweben Die Sonne, und die Nacht mir Ruhe geben. Bei Nachte seufzt dem Tag er dann entgegen Und jede Stunde mehrt sich ihm die Qual, Wenn sich die Morgenwinde sanft bewegen, Die Stern' erblassen vor des Tages Strahl; Wenn kaum die Vögel ihren Fittich regen In Traum noch leise zwitschern allzumal, Dann springt er auf, sein Lager schon zu meiden: So heiße Qual der Sehnsucht muß er leiden. 9. Gesang Neunter Gesang Sieh, sprach der Ritter, wie um still zu lauschen Die Vöglein nun auf grünen Zweigen sitzen, Und tobende Gesänge nicht mehr tauschen, Gemildert ist der Sonnenstrahlen Blitzen; Die Blätter hüten sich vor lautem Rauschen, Und kaum bewegt das Gras die zarten Spitzen; Von Liebe will Baum, Blum' und Vogel hören, Durch keinen Laut die süße Rede stören. Das Brünnlein einzig murmelt schwatzend fort, Sucht deine Rede kindisch nachzulallen, Der Quell empfängt das süße Liebeswort, Wenn kaum die Tön' aus deinem Mund' erschallen, Und trägt es eilig zu dem Bächlein dort, Wenn seine Wasser plätschernd niederfallen: Er ist in deine Rede nur gedrungen, Weil er sich fühlt vom süßen Wort durchklungen. Die Frau sprach sanft: da Sonnenglanz sich mildern Am Himmel will, wird bald der Tag uns meiden, Dann seh'n wir leichte Abendwolken schildern Der Liebe Glut, wenn sie in Roth sich kleiden; Ach, wie so schwer von diesen Wolkenbildern Kann sich mein Aug' und sehnend Herz doch scheiden. Wenn sie in Purpur halbdurchsichtig glimmen, Und in der Sonne Glorie dann verschwimmen. Als Zeichen müssen sie der Seele dienen Für das, was nicht der Mund zu nennen wagt; Im lichten Glanze sind mir oft erschienen Gebilde, denen ich mein Weh geklagt. Die Kindlein mit den holden Engelsmienen In farb'gen Wolken haben mir gesagt, Was meine Sehnsucht inn'ger Liebe wollte, Was unsre Liebe hier bedeuten sollte. Wenn reine Lieb' im Herzen freudig blüht Kann ich die Deutung, sprach der Ritter, fassen; Doch wenn der Trennung Weh' im Busen glüht, Hoffnung und Trost die Liebe will verlassen, Und wider sie Haß seinen Geifer sprüht, Die Liebenden in Todesschmerz erblassen, In Grabes Nacht die Klagen endlich schweigen, Kann sie uns dann wohl Gunst des Himmels zeigen? Wer könnte wohl die herben Schmerzen malen, Die ferner Zeit der Ruf noch wird verkünden, Des zarten Busens namenlose Qualen; Wer könnte ganz das tiefe Weh' ergründen, Das sich erzeugt, als flammenreiche Strahlen Aus Romeos Augen Julias Herz entzünden, So daß bei Nacht mit schmelzend süßem Laut, Den Sternen sie ihr Liebesweh vertraut. Stand da nicht Romeo in Wonne trunken, Und hört entzückt die wundersüßen Klagen; Ein jeder Laut dünkt ihm ein Himmelsfunken, Den milde Lüfte freundlich zu ihm tragen; Es scheint die Welt vor seinem Blick versunken, Und glüh'nde Sehnsucht reizt ihn kühn zu wagen, Als Julias sanfte Liebes-Worte schweigen Im Garten der Geliebten sich zu zeigen. Mild, spricht sie, hält mich Dunkelheit umfangen Und birgt dir schonend mein beschämend Glühn, Da spielt das Mondenlicht um ihre Wangen Und Romeo sieht die Purpurrosen blühn, Der dunkeln Augen sternengleiches Prangen; Nur Wonnen ahndend, so ihm neu erblühn, Nicht Todesschmerzen die verborgen lauschen, Fühlt er in Lieb' und Sehnsucht sich berauschen. Nun scheint der Haß die Liebe zu besiegen, Der wüthend lang' in beiden Stämmen tobt; Zwei blüh'nde Zweige woll'n in eins sich schmiegen, Der Minne Bund wird freudig nun gelobt; Doch Ach! wie muß die Minne unterliegen, Wie grausam wird des Schicksals Tück' erprobt; In Lieb', in Weh wähnt Julia zu verzagen, Als Romeos Hand den Vetter mußt' erschlagen. In solchen Schmerzen wurden sie vereint, Verzweifelnd mußt' er von der Gattin fliehn, Als matt des Tages erster Strahl kaum scheint; Und ach! der Seele bange Seufzer ziehn Dem Flüchtling nach, um den sie schmerzlich weint: Wie bittre Gunst hat Minne da verliehn; Kein Trost wird nun den Armen mehr gespendet Bis sich ihr Loos zum dunklen Abgrund wendet. Lehrst du uns nun, daß wer geduldet habe Im Dienst der Liebe Leid und Herzenswehn; Daß reich ihn lohnt der Minne süße Gabe, Und hast doch Julias traurig Loos gesehn? Wie furchtbar war ihr Auferstehn im Grabe, Ein Blick zeigt ihr was Gräßliches geschehn; Sie eilt mit Romeos Dolch sich zu durchboren, Um Lieb' ist er und Julia verloren. Die Frau sprach sanft: wohl beide sind gefallen, Und schon entsprießen ihrem Grabe Halmen; Doch mild beweint ist ihr Geschick von allen, Und sterbend selbst trägt Liebe Siegespalmen. Der Zwietracht Stimme hörtet ihr verhallen, Seitdem an ihrer Gruft ertönt die Psalmen; Romeo und Julia ruhn sanft beisammen, Und Thränen löschten alten Hasses Flammen. Doch nicht sind traurig alle Liebes-Loose, Kein Blut befleckt den zarten holden Knaben, Der nun gekleidet gleich der rothen Rose, Sehnsüchtig schmachtet nach der Minne Gaben. Nicht bin ich mehr der Trost- und Hoffnungslose, Heut soll mein Herz an ihrem Blick sich laben, So seufzt' er zärtlich, als zum Thurm er ging, Wo ihn der Pförtner minniglich empfing. Hört, sprach der lächelnd, was ich schlau erdacht Um meinen Eid euch treulich zu erfüllen: Die Körbe dort, voll farb'ger Blumen Pracht Aus denen süße Balsamdüfte quillen, Sie werden zu den schönen Frau'n gebracht; Den einen nun werd' ich mit Rosen füllen, Den kühnen Dienst will ich mit ihnen wagen, Ich laß' euch drin zu euer Freundin tragen. Geendet nun sei eures Herzens Noth, Geht ein in diesen Korb voll süßer Rosen, Ihr selbst wie eine Rose lieblich roth, Seht wie sie kindisch eurer Wange kosen, Die Blumenschein doch zu verdunkeln droht. Ihr seid die Zierde aller Liebesrosen; Doch ob ihr schöner gleich als Blumen blüht, Seid ihr versteckt doch drin und überblüht. Der Alte ging und öffnet nun die Pforte, Es zagt sein Herz in banger Sorg' und Pein, Die Knechte harren am bestimmten Orte; Tragt zu den Frau'n die Blumen nun hinein Sprach er; und merkt verständig meine Worte: Weil Blanscheflur liebt junger Rosen Schein, Sollt ihr den Korb in ihre Kammer tragen; Nach diesem Wort ward Flore fortgetragen. Ein Träger sprach: Blumen und frisches Gras So in den Korb der Alt' uns wollte legen Wähn' ich sind noch vom Morgenthaue naß, Weil Blanscheflur sie so mag lieber hegen. Oft wurden ihr die lichten Wänglein blaß Und sanft genetzt vom milden Augen-Regen, So daß ihr Lieb' und Weh zugleich geschieht, Wenn sie den Thau auf blüh'nden Rosen sieht. Der andre sprach: Jedoch erregt dies Spiel Und dieses Kindes traurig Blumen-Lieben Für meine Schulter mir der Last zu viel. Vor einer Pforte sind sie stehn geblieben, Hier, riefen sie, ist unsres Weges Ziel. Von Eifer sind die Diener angetrieben, Sich von der Blumen Bürde zu befrein, Und tragen schnell den Korb zur Kammer ein. Nun hatte farb'ge Blumen jede Frau, Doch Blanscheflur die Rose nicht gewonnen, Die sanft erglänzte in des Himmels Thau; Vergeblich schien des Pförtners List ersonnen, Klaris empfing den holden Schmuck der Au'; Sie ahndet nicht die Schmerzen und die Wonnen, Der Minne Süße, die das Herz durchglüht, Der schönsten Rose die im Korbe blüht. Als Blumen lachend nun im farb'gen Schein, Den süßen Duft zu ihr emporgesandt; Griff sie begierig in den Korb hinein, Und faßte junge Rosen mit der Hand; Und Flore bebt in wundersüßer Pein, Als er die Hand von einer Frau empfand: Die Liebes-Rose ging nun schnell hervor, Entzückt hebt er sein schönes Haupt empor. Wie Rosenglanz am Mittagsstrahl verschwindet, So bleicht sein Schein, als er nicht Blanscheflur, Die holde Freundin, bei dem Korbe findet. Zum Leid und Weh bin ich geboren nur! Klagt er im Schmerz den seine Seel' empfindet. Nun war erloschen jede Hoffnungs-Spur; Er birgt sich schnell, als könn' es ihm noch nützen, Der Blütenglanz sein Leben noch beschützen. Er wußte nicht wie hold das Glück ihn hegte, Als man zur schönen Klaris ihn getragen, Wie oft der Schmerz die Seele ihr bewegte, Wenn sie vernahm der holden Freundin Klagen, Und Mitleid sich im schönen Busen regte, Wenn Blanscheflur stets weinend mußte sagen: Mein holder Freund, ach! wüßt' er mich nur hier, So eilte Flore sicher her zu mir. An diese Reden mußte Klaris denken; Wie großen Schrecken auch ihr Herz gewann, So wußte sie es weise doch zu lenken, Kein lauter Schrei verrieth den kühnen Mann. Und auch will sie ihm keine Hoffnung schenken; Drum stand sie vor dem Blumenkorb und sann Wie sie erfahren möchte wahre Kunde, Ob er es sei, aus Blanscheflurens Munde. Nur eine Thüre scheidet beide Frauen, Sie öffnet schnell, und tritt zur Freundin ein, Doch tief bewegt muß sie die Arme schauen, Die schmerzlich ringt mit ihrer Herzenspein. Ach! seufzte Blanscheflur, ein banges Grauen Durchbebt mein Herz beim milden Tagesschein; Weil jeder Morgen den die Nacht gebiert, Mich näher dem verhaßten Ziele führt. O Gott! laß mich zum Tode nur erkranken, Laß mich nur sterben hier in Feindes Land, Ich kann, ich will nicht an der Treue wanken, Nicht an der Minne, die mein Herz empfand, Eh' noch gebildet zärtliche Gedanken, Eh' noch der Geist das süße Joch erkannt. Drum laß mich, Herr, so schmerzlich lang nicht leben, Um meine Hand dem Ameral zu geben! In solcher Pein, grausamer Herzensqual, Beachtet sie wohl keine Art von Spiel, Nicht süßen Duft der Blumen allzumal, Von denen sonst ihr jede wohlgefiel; Leid fesselt so ihr Herz, daß nicht ein mal Ihr Blick auf diese Frühlingskinder fiel, Wie sie auch duftend, glänzend vor ihr stehn, Sie will nicht Duft, noch Glanz, noch Farben sehn. Und Klaris naht mit lachend süßem Munde, Und spricht: mein traut Gespiel wie trauerst du Im tiefen Schmerz doch jede Tagesstunde; Es winken Dir die Blumen lachend zu, Ihr frischer Glanz will kühlen deine Wunde, Ihr süßer Duft strömt in dein Herz die Ruh. Willst Du nur selbst so wird ihr Duft und Schein, Dein schmerzlich Weh' im Herzen dir zerstreun. Sprichst du doch selbst, daß eines Gottes Huth Dich schirmt, der nimmer Lieb' und Treue bricht? So fasse dann im Herzen frischen Muth, Erheb' die Stirn mit neuer Zuversicht. Sieh freudig an der jungen Rosen Blut; Ihr süßer Duft, ihr Schein und Farbenlicht Versüßt die Leiden, welche du erfahren, Und wird dein Herz vor neuem Weh bewahren. Und wieder sprach mit Thränen Blanscheflur: Mich freut nicht mehr der Blumen lichter Schein, Da eine Rose prangend auf der Flur So ferne muß von meinem Herzen seyn. In bangen Qualen lebt die Seele nur, Und Rosenblut weckt meines Busens Pein, Lacht mir entgegen wie sein rother Mund; Dann fühl' ich erst wie sehr das Herz mir wund. Drum wolle nicht, ich soll mein Trauern enden, Du kennst mein Leid ja, holdestes Gespiel, Weißt welchen Weg ich bald nun soll vollenden, Wie schon so nah mir das verhaßte Ziel, Daß nur allein der Tod mein Loos kann wenden; Drum wär'n hier Blumen tausendfach so viel, Und taucht in Wonn' auch jedes Herz ihr Schein, Wie gäb' das Trost für meines Herzens Pein? Ach! wie der Nymph einst in des Waldes Grüne, Wenn Baum und Büsche leise zu ihr flüstern: Wohlauf es naht zur Jagd herbei der Kühne! Wenn sie dann eilig schweifte durch die düstern Waldwege hin, suchend der Liebe Bühne In Sehnsucht krank, nach seinen Küssen lüstern; Und er entfloh, ein scheu gejagtes Wild, Wenn er erblickt der kranken Echo Bild. Zerrissen ist mein Herz von gleicher Qual; Und doch sind ungleich unsrer Liebe Loose. Narziß floh vor der Nymphe durch das Thal; Mich sucht in Sehnsucht meine süße Rose. Sie schmachtet hin an ihres Herzens Wahl; In dunkler Kluft in nackter Felsen Schooße Ist doch die Stimm' als Wiederhall geblieben; O fänd' ich solchen Trost nur für mein Lieben! Ach! käme Flore dann zum Wiederhall, Würd' er im Waldesgrunde innig weinen, Säng' ihn zu trösten auch die Nachtigall, Von Thränen würd' ein Bächlein bald erscheinen, Zum Thal abfließen mit gelindem Fall, Ausweichen gerne allen Kieselsteinen: Dann würd' am grünen Rande Flore schmachten, Und in dem Bach sein traurig Bild betrachten. Nicht wie Narziß um selber sich zu lieben, Nein, weil er mir ein Quell war seel'ger Wonnen, Als Blume ist Narziß empor getrieben, Wo er sich spiegelte im Silberbronnen. Wär' Flore todt am Thränen-Quell geblieben, Hätte die Welt viel schön're Zier gewonnen; Gern ließ die Erd' entkeimen ihrem Schooße Des Freundes Herz als schönste Purpurrose. Klaris sprach drauf: verseufzt ward Echos Leben, So daß sie selber ward zum luft'gen Hauchen. Könnte dem Stein das zarte Kind entschweben, Und leichten Windes sanften Fittich brauchen, Sie würde zärtlich um die Blume schweben, Sie küssend sich in seel'ge Wonnen tauchen, Den Freund umschlingend, ewig dorten weilen; Denn nun könnt' ihr Narziß nicht mehr enteilen. O komm mit mir! ich zeig' dir eine Blume Vor der verschwindet aller Rosen Pracht; Schaust du sie an, wie zu der Minne Ruhme Das holde Kind in Glanz und Farben lacht, Wähnst du durch Wunder, aus dem Heiligthume Des Paradieses sei sie mir gebracht, Und sicherlich dein rother Mund dann spricht: Versage mir die Wunderblume nicht. Vergeblich sind der schönen Klaris Bitten, Denn Blanscheflur will ungetröstet seyn; In scharfen Weh'n die ihre Brust durchschnitten Seufzt sie nur leise in des Herzens Pein; Doch zärtlich sanft in ihrer Hände Mitten Schloß Klaris nun die Hand der Freundin ein, Sprach schmeichelnd dann: du mußt den Wunsch erfüllen, Ich flehe drum, einzig um Florens willen. Wie kaum den Namen Blanscheflur hört klingen Muß auch ihr Herz dem süßen Laut erliegen, Den Zauber fühlt sie durch die Seele dringen, Und läßt von ihm sich williglich besiegen. Sie wähnt gefächelt sanft von Engelsschwingen Will sich die Luft an ihre Wangen schmiegen, Die von dem Klang so lieblich erst durchbebt, Worin des Freundes holder Name schwebt. Und Flore lag verborgen in den Rosen, Er hört wie beide zärtlich Worte tauschen, Die seine Seele linde schmeichelnd kosen, Sein liebend Herz mit seel'ger Lust berauschen. Die Augen schließend schmiegt er sich in Rosen Süß träumend so, in Seeligkeit zu lauschen; Er wagt es nicht die Wimpern zu erheben, Daß nicht die Bilder luftig ihm entschweben. Doch als ihm naht nun die geliebte Frau, Als Blanscheflur sich zu den Blumen neigt, Als ihn ihr sanfter Athem mild' und lau Gemischt mit süßer Rosen Duft erreicht: Da schüttelt von den Blüten er den Thau, Als er empor aus feuchten Rosen steigt, Die dunkeln Augen ihm wie Sterne glänzen, Die Blüten rings ihn liebend noch umkränzen. Wie er aus Blumen auf das Estrich sprang, Daß durch die Kammer sich hinstreu'n die Blüten, Wähnt sie es tönt ein wunderbarer Klang Durch den die Lüfte rosenroth erglühten, Und drin erbebt der süßeste Gesang, Und als vermischt Licht' Tön' und Farb' ihr blühten War ihr der Freund im Himmelsglanz entschwunden, Doch bald ihr Stern sein liebend Aug' gefunden. Und beide wären fast dahingesunken Erliegend ihrer Wonn' und Seeligkeit; In ihren Augen leuchten Himmelsfunken, Aus Liebe scheinen sie im Wiederstreit Weß Seele mehr von schönem Wahnsinn trunken. Die Herzen bebend in der Süßigkeit, Preisen den Tag vor allen seel'gen Tagen, Als auf zum Thurm die Rose ward getragen. Nun küßten sie einander Aug' und Wangen, Und suchten dürstend ihren rothen Mund, Die Arme hielten innig sich umfangen. War erst in Leid ihr junger Busen wund, Nun ist gekühlt das brünstige Verlangen; Doch gab kein Wort noch ihre Wonne kund, So sehr beherrscht ihr Herz die seel'ge Freude, Sie sind verstummt in dem Entzücken beide. Daß sich im Paradies zwei Engel grüßen, Muß Klaris bei dem holden Anblick wähnen, Wie sie die Lippen brünstiglich sich küssen, Und sanft vermischen ihrer Augen Thränen; Mit Lächeln dann des Weinens Schmerz versüßen Und sich aufs neu' nach Thrän' und Küssen sehnen, Die Lippen regen um ein Wort zu finden, Das ungesagt im Kusse muß verschwinden. Nun, sprach die Freundin inniglich gerührt: Dein Herz wird mir die Blumengabe danken Zu der ich dich gezwungen fast geführt, Es ward geheilt dein schmachtendes Erkranken Als dich die Wunderblume kaum berührt, Als kaum die Lippen ihren Balsam tranken Sprach ohne Wort dein lächelnd süßer Mund Nun ist mein Herz von jeder Qual gesund. Und Blanscheflur in süßer Lust befangen Spricht zärtlich weinend, trautestes Gespiel, Mit meinen Armen halt' ich den umfangen, Der mir vor Blumen in der Welt gefiel, Wonach so Klag' als Thrän' und Seufzer rangen Der innig glühn'den Liebes-Sehnsucht Ziel; Den holden Freund drück' ich an meine Brust, Fast stirbt mein Herz in dieser seel'gen Lust. Und diese Wonne dank' ich dir nächst Gott, Wie leichten Hauch fühl' ich mein Leid verwehn; Doch willst du enden alle Herzens-Noth Muß treuer Dienst mir ferner noch gescheh'n; Du kennst das Schicksal so der Minne droht, Wird je bei mir der süße Freund gesehn; Drum mußt du treulich dein Geschenk verschweigen Die Rose bleibt ganz heimlich nur mein eigen. Und Klaris sagt: stets wirst du treu mich finden Die süße Blüte helf' ich dir bewahren, Mög' sie dir nie ein hart Geschick entwinden. Mich rührt es tief, daß Minne trotz Gefahren, Den Weg ihn lehrt in deine Arme finden. O mögt ihr nun des Himmels Schutz erfahren! Daß ihr fortan mitsammen lebt nun beide, Kein strenger Rathschluß eure Herzen scheide. Dank sagten ihr, die seelig in der Minne In Blanscheflurens Kammer nun eingingen. Die holde Jungfrau, als ihr Freund darinne, Wie zärtlich ihre Arm' ihn da umfingen. Daß nicht auf's neu mein Glück mir nun entrinne, Sprach lächelnd sie, leg' ich's in feste Schlingen; Und er umarmt die schöne Freundin wieder, So sanken beide auf ein Ruhbett nieder. Als sie in Lieb' umschlungen nun drauf saßen Wie leicht sie da durch süße Red' und Lachen Ihr schweres Leid wie einen Traum vergaßen. Der Jüngling sprach: Wie kann dein Blick doch machen, Daß alle Schmerzen meine Brust verlassen, Und seel'ge Freuden sanft dafür erwachen. Ach, süßes Kind, wie mir so wohl doch ist, Durch deinen Anblick in der kurzen Frist! Und daß ich Rede hör' aus deinem Munde, Wornach mein Herz beinah' verschmachten muß, Fühl' ich entzückt so tief der Liebe Wunde, Daß ich mich trunken wähn' am Lebens-Schluß; Dann macht dein Haupt, daß ich sogleich gesunde, Mich labt dein Wort, mich stärkt dein linder Kuß; Wie nicht'ger Staub ist jedes Leid zerronnen, Lebendig blüh'n nur unsrer Liebe Wonnen. Ach! sagte Blanscheflur, seit Gott erschaffen Die Blumen so im Paradies geblüht, Wohl niemals Augen lieb're Rosen trafen, Als die mir heut! auf deiner Wang' erblüht. Dich, süße Blume, wollte mir entraffen Der Haß, mit Weh'n zerreißen mein Gemüth, So daß im Schmerz mir Sinn' und Herz erstarben, Nun stärk' ich mich an lichter Rosen Farben. Seit man mich grausam deinem Arm entrissen Wie schmerzlich sah' ich jeden Tag vollenden, Nur Gott allein kann meine Qualen wissen; Jetzt ruht nun meine Hand in deinen Händen, Wie sollt' ich and're Wonnen noch vermissen – Das Herz des Amerals wird auch sich wenden, Nicht zweifeln will ich, nur in Lust versinken, An deiner Brust der Liebe Balsam trinken. Sie wollten gern von ihrem Leid sich sagen, Doch Blick und Kuß macht jedes Leid zu nichte. Wenn sie auch sprachen von des Herzens Klagen Gab doch der Mund stets lächelnd die Berichte; Wie sie so gern der Minne Qual ertragen, Verflochten sie in ihres Leids Geschichte, Und zeigten stets, wie süß und seelig wund Ihr Herz, wenn von Gefahr auch sprach der Mund. Als so der Jüngling bei der Freundin saß, Sich beid' anschaun mit glänzend klaren Augen, In Wonne wurden ihre Wimpern naß, Und jeder muß des andern Thränen saugen. Wie nun ihr seel'ges Herz die Welt vergaß, Und Liebe dürstend sucht in trunknen Augen; Nur Liebe fleht, um Liebe nur will werben, Da wähnten sie in seel'ger Lust zu sterben. Doch wie sie auch zärtlich im Liebes-Spiel Entzückt wetteifern wer den Preis gewinne, Stets war ein Kuß der höchste Preis im Spiel, Und niemals kam in ihre Kindes Sinne, Was manchem dünkt, einzig der Liebe Ziel; Es kränkt mit solchem Wort die zarte Minne Wer roh nicht achtet süße Red' und Kuß, Nicht zärtlich wirbt um holder Liebe Gruß. Mit solchem sei dann nimmermehr gemein Ein edles Weib; nie möge sie ihn grüßen. Dünkt ihm die höchste Liebes-Gabe klein, Warum sollt' ihm die Minne den versüßen, Wenn er auch duldet bitt're Qual und Pein, Sein Leid, durch rother Lippen zärtlich Küssen? Nein, wer in Schmach die reine Minne wendet, Der sei mit Schmach von ihr hinweggesendet. Wie Flor' auch muß den Liebes-Becher trinken Vom Mund ihr saugen süßen Himmelswein; Wie sie auch mögt' in seinem Blick versinken, Durch seine Augen in die Seel' hinein; Wie höchste Lust verführerisch mag winken, Hüllt Unschuld sie in lichter Glorie Schein; Daß sie gleich Engeln die aus Blumen steigen, In zarter Liebe sich verein'gend neigen. So wurden zwanzig Tage hingebracht, Die Freundin nahm mit Treuen ihrer wahr, Er theilt ihr Lager freundlich jede Nacht, Im süßen Rausch vergißt er die Gefahr, Wenn nur ihr Aug' ihm mild und zärtlich lacht. Doch wie der Minn' auch Klaris hülfreich war, Kann sie doch nicht die wilden Stürm' ablenken, Die sich herab nun auf die Kinder senken. Sie naht dem holden Lager einen Morgen, Und weckt aus süßem Schlummer Blanscheflur, Der Sterne mattes Licht ist schon verborgen Spricht sie: Die Sonn' erleuchtet schon die Flur, Drum komm, den Dienst des Herren zu versorgen, Und jene sagt: Ich folge geh' Du nur. Schnell fing nun Klaris hellen Wassers Strahl In gold'ner Schal' und eilt hinab zum Saal. Und Blanscheflur schaut an den jungen Freund, Der schlummernd noch mit süßen Träumen spielt; Wie roth, spricht sie, dein lieber Mund doch scheint, Die Rose hätte Lunas Schmerz gekühlt, Als an. Endymions Lager sie geweint, O süße Lust, so süß noch nie gefühlt. Dein Kuß verscheucht so Angst als jeden Kummer; Sie küßt ihn träumend, und versank in Schlummer, Klaris trat sanft zum stolzen Ameral, Warum, fragt der, nahst du mir heut allein Und weshalb ist nicht Blanscheflur im Saal? Sein strenger Blick erregt der Armen Pein, Sie zagt, und will doch in der bangen Qual Zärtlich getreu der holden Freundschaft seyn, Sprach drum: Ihr Aug' hält Schlummer noch verschlossen, Weil im Gebet die Nacht ihr ist verflossen. Ich hörte sie mit lauter Stimme lesen, Dank und Gebet ward ihrem Gott gebracht; Weil ihr sie habt zur Königin erlesen, So flehte sie für euch zur Himmelsmacht. Ich bin erzürnt, so sprach der Fürst, gewesen; Doch weil die nächt'gen Stunden sie durchwacht, Um dem Gebet für mich sich zu ergeben, So will ich ihr den Morgenschlaf vergeben. So half wohl Klaris treuer Liebe, schlau, Doch schützt sie nur für eine kurze Frist; Wie Flor auch kaum mit der geliebten Frau Errettet wurde durch der Freundschaft List; Sprach er doch gleich, des Himmels reines Blau Dein holdes Aug mein süßes Mägdlein ist, Und fleht zu ihm den Himmelsstrahl zu lenken, Statt die Gefahr mit Weisheit zu bedenken. So kams, daß Klaris an dem andern Tage Von neuem vor der Freundin Lager stand: Wacht Blanscheflur? ist ihre sanfte Frage; Ja wohl, sprach die: geh' nur, daß mein Gewand Ich eilig erst um meine Glieder schlage; Du nimmst die gold'ne Schale kaum zur Hand Erreich' ich dich schon wieder auf dem Gange, So macht der Zorn des Amerals mir hange. Nur einmal spricht sie, will ich noch umschlingen Dich süßes Herz, verhüllt ist noch der Stern, Deß Strahlen zaubrisch mir zum Herzen dringen; Bin ich von seinem lieben Lichte fern, Welch bitt'res Weh muß dann mein Herz bezwingen; Doch dir so nah weicht jeder Kummer gern; Laß' holde Ros' im Kuß den Duft mich saugen, Und in dem Kuß deckt. Schlummer ihr die Augen. Die schöne Klaris hat schon aufgefangen Das Wasser, funkelnd in des Goldes Schein, Voll Treue eilend hegt sie das Verlangen, Dienend gefällig ihrem Herrn zu seyn, Und hofft die Freundin sei ihr nachgegangen; Doch wie erschrak sie, und in welcher Pein Ward ihr das Herz in großer Angst beklommen, Als vor sein Lager sie allein gekommen. Entgegen rief der Fürst ihr schon die Frage: Was Blanscheflur will jeden Morgen thun? Warum den Dienst sie zu versäumen wage, Um ohne Furcht im süßen Schlaf zu ruhn? Nicht weiß nun Klaris was sie klüglich sage, Durch welch ein Wort sie beide schirme nun; Gedrängt in Angst spricht endlich sie: nach mir Kommt sie sogleich, ich wähnte sie schon hier. Der Ameral rief zornig: viel zu spät Kommt sie herbei, lies't für mein Heil zu lange, Da meinem Wort sie trotzig widersteht, Ist ihr zu wenig für mein Zürnen bange; Ich will beend'gen Psalter und Gebet. Dem Kämmerer befahl er: im Gesange Soll Blanscheflur nun länger nicht verweilen, Geh, und befiehl ihr gleich herbei zu eilen. Der Diener naht dem Lager, wo umfangen Die beiden Kinder lieblich schlummernd lagen, Wo von den Küssen, liebevoll empfangen, Die rothen Lippen Mund an Mund noch sagen, Und wo gelehnt zusammen beider Wangen, Die Arme traulich um die Brust geschlagen; Vereinigt schwebt ihr Athem in der Luft, Von ros'gen Lippen süßer Blumenduft. Der Bote sah erstaunt die schönen Blüten, Doch wußt' er nicht ob Flore Weib ob Mann; Da seine Lippen purpurroth erglühten, Da noch zu jung sein Kinn nicht Bart gewann, Und zarte Farben seine Wang' umblühten, Sah' er ihn leicht für eine Jungfrau an; Und wagt es nicht zwei Engel zu erwecken, Aus süßem Schlaf sie rufend aufzuschrecken. Er eilte hin dem Ameral zu sagen, Welch schönes Wunder erst sein Blick gefunden; Und sprach: Ich sah zu Klaris Liebe tragen Wohl Blanscheflur in jüngst verfloss'nen Stunden, Auch glaub' ich wohl, daß sie mitsammen pflagen Der Ruh', in Freundschaft zärtlich treu verbunden; Doch jetzt liegt traulich ihrer Freundin nahe Ein Mägdlein das ich nie im Thurm noch sahe. Und doch mag sie wohl leicht die Schönste seyn, Die hier bewahrt sorglich die strengste Huth; Es schimmert sanft, wie zarter Rosenschein In ihren Wangen minniglich das Blut. Du sandtest mich nach Blanscheflur, allein Es fehlte mir sie zu erwecken Muth; Und lieblich schlafend ließ ich beide liegen Die sich wie Blumen aneinander schmiegen. Der Ameral entbrannt in Zornes-Flammen Auf Klaris ruht sein Auge voll Mißtrauen, Er sprach: dahin wo beide ruh'n beisammen Will ich, und die Gespielin selber schauen, Zu der in Liebe Blanscheflur entflammen So heftig kann; niemand will ich vertrauen. Gebt her zu diesem Gang mein scharfes Schwerdt; Man reicht den Stahl, in Wuth von ihm begehrt. Ach! wie sie furchtbar in Gefahr nun sind, Die ohne Angst noch süßer Schlummer wiegt, Um die ein Liebestraum sich zärtlich lind Mit sanftem Schmeicheln lieblich kosend schmiegt. Ach, wie entflieht der holde Traum geschwind, Als nun der Fürst, vom wilden Grimm besiegt Dem Lager nah' tritt, wo im Schutz der Minne Sich Flore wähnt, im liebestrunknen Sinne. Zum Jüngling neigt sich seiner kaum bewußt, Der Fürst, ob es ein Weib sei zu erfahren, Und sieht des schönen Knaben nackte Brust; Es rührt ihn nicht, daß beid' in Kindesjahren, Sie zu ermorden regt sich wilde Lust. Er steht nur an die Ehre zu bewahren, Sonst hätt' in Tod gewandelt er ihr Schlafen, Er hieß sie wecken, um sie zu bestrafen. Als lauter Ruf den Schlummer wild vertrieben, Und sie die gold'nen Wimpern scheu erheben, Wie mußten sie, die sich so innig lieben Nun vor dem Zorn des Amerals erbeben; Durch Eifersucht zu grimm'ger Wuth getrieben, Sprach der, es soll alsbald ihr Geist entschweben. Nun hofften sie wohl nichts mehr zu erwerben, In solcher Noth, als ein gemeinsam Sterben. Gebunden führt man sie vom Thurm hernieder; An Heil und Leben ist nicht mehr zu denken. Gefesselt sind die schönen zarten Glieder, Mit jeder Schmach will sie der Fürst noch kränken. Im Hofe drunten stellt sie vor mir nieder, Dort soll ihr Blut den dürren Boden tränken, So rief er wild: also ist mein Gebot! Beschlossen war der holden Kinder Tod. 10. Gesang Zehnter Gesang Es schwieg die Frau: anblickte sie die Schaar, Es war zu bald der Kinder Heil entflogen. So Frau'n als Ritter jeglicher da war Der zarten Minne holdem Bund gewogen. Gern hätten muthig kämpfend der Gefahr Die ihnen droht, die Ritter sie entzogen; Doch die der Ameral ließ grausam binden, Sind leider nicht auf Erden mehr zu finden. Entfloh'nes Glück, entschwund'ne Liebesträume, So sprach der Ritter, regen auf den Schmerz In unsrer Brust; drum gütig nicht versäume, O holde Frau, zu trösten unser Herz, Denn sieh', die langen Schatten dieser Bäume, Sie zeigen an, bald flieht des Tages Scherz, Und bald wird uns der lichten Sonne Funkeln Der schwarze Mantel düstrer Nacht umdunkeln. Noch, sprach sie, ist der Himmel lieblich blau, Ihn müssen goldne Wolken erst umziehen, Und niederregnen Perlenschmuck als Thau, Im Tagesglanz dann hoch erleuchtet glühen, Sanft angeblasen von den Winden lau, Der Sonne zu, wie gold'ne Schifflein, ziehen, Und glorreich dann in ihrem Glanz versinken, Um mit der Sonn' ins dunkle Meer zu sinken. Der Ritter antwort't: da in Nacht gewandelt Der seel'gen Minne hellster Tagesschein, Da Haß und Zorn so grimmig wild nun handelt, Die jungen Herzen überhäuft mit Pein, Schien mir die Welt in Trauer auch verwandelt. Es floh' das Licht, dünkt mich, und bräch' herein Da sie verloren ihre Sonne hatten, Schon mit Gewalt der abendliche Schatten. Ach! armer Flore, der aus süßem Schlaf Erweckt, nun schaut in seines Feindes Auge, Das ihn wie Blick des wilden Drachen traf, Auf daß er Tod aus dessen Anschaun sauge. Wie anders wandelt sich der Todes-Schlaf, So daß er ihm zu Heil und Leben tauge, Des kranken Wilhelm, den so Minn' auch zwang, Daß er gleich Flor' als Kind um Liebe rang. Der junge Prinz war kommen von Brabant, Daß Ritterschaft er an dem Hofe lerne Des ruhmvoll reichen Herrn von Engelland. Und als der Knabe ankam aus der Ferne, Nahm ihn der König freundlich bei der Hand, Führt' ihn zur Königinn; empfang ihn gerne, Sprach er, geliebte Frau, und führe du Der Tochter ihn als Spielgesellen zu. Das kleine Fräulein sprach: sei mir willkommen, Und spiele freundlich mit mir meine Spiele Was konnt' in ihre Kindes-Sinne kommen? Sie fragt ob ihm der Decken Schmuck gefiele, Dann ward er freundlich bei der Hand genommen, Sie zeigt ihm Vögel, bunte Blumen viele, Und fragt dann lieblich: freut dich wohl der Klang, Liebst du die Blumen, holder Vögel Sang? Aus dem Geschwätz sog süßes Gift er ein, Hört Nachtigall'n aus ihrem Munde flöten; Lobt sie der Rosen lichten Purpurschein, Sieht schön're Glut er ihren Mund noch röthen, Und fühlt der Minne wundersüße Pein; Er klagt sein Weh'; mit schüchternem Erröthen Wird er von ihr was Minne ist gefragt, Und sie entflieht als er kaum Antwort sagt. Es fleht der Prinz, doch sie will nicht mehr hören, Er folgt ihr traurend einst zu der Kapelle, Und sprach: »Willst du mein Leiden nicht erhören, Daß sich durch Trost des Herzens Nacht erhelle, So sieh mich feierlich zum Himmel schwören: Verschmachten soll dein trauter Spielgeselle; Versagst du Trost, verschmäh' ich Speis' und Trank,« Er hielt den Schwur und ward zum Tode krank. Vier Tage hat er peinlich hingeschmachtet, Er fühlt sich wie in schwarzer Dämm'rung schweben, Es hat der Tod ihn schon beinah' umnachtet, Schon will entfliehn aus seiner Brust das Leben, Verloren ward der Knabe schon geachtet, Da fühlt ihr Herz das Fräulein schmerzlich beben. Sie naht dem Lager, wo des Umhangs Falten Den kranken Prinzen still verborgen halten. Die Mutter führt sie, und sprach so mit Thränen: Mein liebend Wort erreicht nicht mehr sein Herz; Ich muß, Amalie, ihn verloren wähnen, Der dein Genoß war, hold bei Spiel und Scherz. Des Fräuleins Busen hebt ein zärtlich Sehnen, Sie theilt sein Leid, den bittren Todes-Schmerz, Und beugt sich liebend zu dem Jüngling nieder, Ruft so zurück die flieh'nde Seele wieder. Und zärtlich sprach sie: »Laß dich mir versöhnen, Nicht trotz' ich mehr mit wildem Sinn der Minne, Will ihre Macht in dir nicht mehr verhöhnen.« Er lag in Todesschlummer, doch die Sinne Durchdrang der Stimme lieblich süßes Tönen, Ihm dünkt, daß er der finstern Nacht entrinne, Aus Glanz und Licht ein holdes Bild sich webt, Die Freundin zärtlich ihm entgegen schwebt. Durch dies Gesicht gewann er Kraft zum Leben, Er fühlt den Schmerz in seiner Brust versüßen, Und wagt es nun die Augen aufzuheben. Wie ihre Blick' ihn liebevoll begrüßen, Und er entzückt mit wonnevollem Beben, Den Mund sich fühlt von ros'gen Lippen küssen, Sie weinend sprach: »Ach, theurer Freund, gesunde,« Wie bald genaß er von der Todeswunde. Ein dumpfer Schlaf beendigt Wilhelms Noth, So sprach die Frau: doch Flore ist vom Haß Und Blanscheflur um süßen Schlaf bedroht. Zum Ameral der schon im Hofe saß Führt man sie beide, er will ihren Tod; Es macht die Furcht nun ihre Wangen blaß, Als deutlich sie an seinem Blick erkannten, Wie wild in ihm des Grimmes Flammen brannten. Und als sein Wort mit rauhem Ton erschallt, Gab Blanscheflur sich und den Freund verloren; Es sprach der Ameral: »Ihr sterbt alsbald, Gerechter Zorn hat euch den Tod geschworen, Doch will ich wissen wer sich mit Gewalt Dem Weib' genaht, die ich mir auserkohren; Sobald ich weiß wer sich die That erlaubt, Schlägt man auch ab dir das Verräther-Haupt.« Und Flore sprach: »Wollt ihr noch wer ich bin Erfahren eh' ich hier verderben soll; So stellt mich vor des Landes Richter hin, Und Stand und Nahmen sag' ich denen wohl; Dann handelt ihr nach ächter Fürsten Sinn. Es bleibt mein Tod für euch sonst schandenvoll, Wollt ihr nicht deutlich mein Verbrechen sagen, Und darf ich nicht mich zu vertheid'gen wagen.« Es sprach der Fürst in Wuth: »Bist du so keck Und foderst du zum Leben dir noch Frist, So hör' es denn, und stirb an diesem Schreck, Daß morgen hier mein Hof versammelt ist; Es rafft sein Spruch dich aus dem Leben weg, Bis morgen nur dient kärglich dir die List; Dann sollst du sehn, daß alle meine Fürsten, Gleich ihrem Herrn nach deinem Blute dürsten.« Man führt sie weg, und legt sie eng gefangen, Umsonst würd' es versucht sie zu befrein, Trüg' auch ein Mensch so menschliches Verlangen, Es dringt kein Sonnenstrahl zu ihnen ein; Wie sie sich still im Finstern nun umfangen, Ihr junges Herz durchzuckt wird von der Pein, Und sie in Todesangst auch schmerzlich beben Zagt doch nur jeder für des Andern Leben. Nun zogen ein aus nah und fernem Lande Die Fürsten reich geschmückt in Babilon, Und als der Hof versammelt sich befande, Verkündigt laut es der Trompetenton. Der Ameral will knüpfen neue Bande, Begraben ist die vor'ge Gattin schon, Auch will der Fürst, daß seine Schmach sie rächen, Und beider Kinder Todesurtheil sprechen. Und schnell des Herrn eilfert'ge Boten liefen Von ihm gesandt durch seine weite Stadt, Damit die Bürger sie zusammenriefen, Die sollen hören, daß gekränkt man hat Den Ameral recht in des Herzens Tiefen, Und um zu strafen diese Missethat, Mit Fürst und Adel öffentlich im Garten Am andern Morgen des Gerichtes warten. Da Flor' und Blanscheflur nun glauben müssen, Daß sie in kurzer Frist den Tod gewinnen, So soll die letzten Stunden noch versüßen Ein hold Gespräch. Wie sie so treu sich minnen, Wenn sie umschlungen brünstiglich sich küssen, So dünkt es liebend den getäuschten Sinnen, Da sie mitsammen nun den Tod erwerben Es sei nicht hart, zärtlich vereint zu sterben. Und Flore sagt: »Darf ich nur dich umschlingen, Die Worte hören aus dem süßen Munde, Ist mirs als ob die Nachtigallen singen, Es bringt der Laut vom Paradies mir Kunde. So fühl' ich Liebe meine Brust durchdringen; Nicht Cephalus empfand so süß die Wunde Obgleich sein Nahm' im herrlichen Gesang Der großen Dichter oftmals schon erklang. Nein, sprach sie, denn sein zärtliches Bewerben Hat Mißtrau'n doch in schönster Blüt' umdunkelt Da er verstellt um Procris wollte werben Als fremder König; wunderbar umfunkelt Die gold'ne Krone bietet. Leicht erwerben Konnt' er die Frau, weil ihr sein Auge funkelt, Und Cephalus sie immer zu sich zwingt, Ob fremd Gewand ihn täuschend auch umschlingt. Wie wild entbrannt' er um unschuldig Lieben Sie mußte fliehn, sich fremde Heimath finden, Von seiner Brust in Wuth hinweg getrieben. Du könntest nie dich meinem Arm entwinden, Weil inn'ger du als Cephalus mußt lieben. Könnt' ich in Nacht der Eifersucht erblinden,« Sagt Flore drauf: »du würdest doch nicht scheiden Und nicht wie Procris meinen Anblick meiden. Als nun die Arme hin nach Creta flieht Um einsam traurend dorten zu verweilen,« Sprach Blanscheflur: »sie krank den König sieht Und ihr gelingt den langen Schmerz zu heilen. Wie lieber Dienst vom Fürsten ihr geschieht, Zwang Sehnsucht doch sie zum Gemahl zu eilen, Der sie im Wald' als Jägerin sieht prangen Mit Hund und Speer, von Minos erst empfangen. Ach! seufzte Flore, zärtlich muß ich's denken, Als er die Arm' um ihren Leib geschlungen So innig fleht: vergib mein rauhes Kränken, Wie himmlisch ihm die Stimme ist erklungen, Die weinend sprach: nicht will ichs mehr gedenken. Doch kaum hat er sein süßes Glück errungen, Kaum fühlt sein Herz getröstet Cephalus Fällt Procris schon durch seinen raschen Schuß. Zu schwer gebüßt wird eifersücht'ge Schuld, Sie hört den Gatten zärtlich einsam klagen, Und wähnt er werbe um Auroras Huld; Sie schleicht ihm nach, er meint ein Wild zu jagen Und wirft den Speer, sie tödtend ohne Schuld. Hör' auf den Tod der Procris zu beklagen,« Sprach Blanscheflur: »glückseelig wär' mein Sterben Könnt' ich den Tod von deiner Hand erwerben. Doch morgen ach! sind beide wir verloren, Zugleich droht uns des bittren Todes Pein, Wie uns, die wir zu gleicher Zeit geboren Zugleich auch küßt' des Tages milder Schein. Doch sind wir nun zum Tod auch auserkohren, So woll'n wir dennoch treu der Minn' uns weihn, Und süßen Trost in dem Gedanken finden, Daß uns zugleich das Leben wird entschwinden.« Der Morgen kam, weg drängten von den Straßen, Die vom Pallast zum Garten niederführen, Trabanten alles Volk; Bahn ward gelassen, Trompeten schmettern, Trommeln hört man rühren; Es naht dem Ort, wo schon die Fürsten saßen Der Ameral, um streng Gericht zu führen. So wie er naht, muß Ehr' ihm zu erzeigen. Der Fürsten Knie sich vor dem Herren beugen. Er grüßt sie, und besteigt dann seinen Thron. Die tiefste Stille herrscht da er nicht spricht; Sie sehn den Zorn aus seinen Augen drohn, Und als er nun zuletzt das Schweigen bricht, Wankt seine Stimme im gedämpften Ton, Und glüh'nde Röthe deckt sein Angesicht; So sehr bewältigt ihn die inn're Wuth Womit er dürstet nach der Kinder Blut. Er sprach: »Ihr, die als Richter ich beschieden, Vernehmt nun eures Herrn gerechte Klagen, Und wenn ihr hört wer meines Busens Frieden So sträflich durfte zu vernichten wagen, So wird auch bald ihr Loos durch euch entschieden; Es wird mir euer treuer Rathschluß sagen, Durch welchen Tod die jungen Frevler beide Ich mir zum Trost, vom Glück und Leben scheide. Ein Weib, fernher von fremder Flur gesandt Für die ich gab so edle Stein' als Gold, Weil ich für Sie der Liebe Glut empfand, So daß ich heute krönen sie gewollt: Vernehmt wie ich die dreiste Sclavin fand, Die ihr zum Tode jetzt verdammen sollt. Süß schlummernd ward die Magd von mir gefunden, Und zärtlich hielt ein Jüngling sie umwunden. Wie er hinauf zum Thurme mocht' gelangen, Ich weiß es nicht, doch reizt es meine Wuth, Und weckt in mir das brünstige Verlangen Gleich zu verströmen des Verräthers Blut. Ich selber nahm die Frevler erst gefangen; So sprecht, und kühlt nun meines Herzens Glut, Laßt Lindrung mich in meiner Qual erwerben: Wie soll die Magd samt ihrem Buhlen sterben?« Ein König der als Lehn die Krone trug, Wagt es empor zum Ameral zu sehn Und sprach mit Würde: »Herr! nicht ist genug Dem strengen Recht, so wie mich dünkt, geschehn, Das ungehört nie den Verbrecher schlug; Laßt beide drum vor unser Antlitz stehn, Daß wir sie hören, dann erst Strafe fügen, Sie so dem Recht, nicht der Gewalt erliegen.« Gassier der Nubier Fürst nahm nun das Wort, Sein harter Stolz war allem Volk bekannt: »Habt ihr vergessen denn, an welchem Ort,« Sprach er: »der Ameral sie beide fand? War nicht der Jüngling in dem Thurme dort? Drum wird der Tod mit Recht ihm zuerkannt. Und wer wagt wohl die Magd noch zu vertheid'gen Die sich erfrecht den Herren zu beleid'gen. Da sie so sträflich heiß in Lieb' entflammen, Daß die Begier durch alle Dämme bricht, Wird ihnen auch dafür der Tod in Flammen, Wenn Weisheit hier gerechtes Urtheil spricht. Führt sie herbei, so rath ich selbst, zusammen Und stellt sie nun vor unser Angesicht; Nicht um mit list'gem Wort' uns zu bethören, Nein, um ihr Todesurtheil anzuhören.« Es schaute Gassier um sich in die Runde. Der Ameral winkt stolz ihm Beifall zu, Und nun erscholl der Ruf aus jedem Munde: »Recht dünkt es uns strafst so den Frevel du!« Jetzt naht herbei die herbste Lebensstunde Wo schwer gebüßt soll werden süße Ruh, Die Flor' und Blanscheflur mitsammen pflagen Als sie vereint in holden Träumen lagen. Zwei Herren hat der Ameral gesendet, Die führten beide Kinder vor Gericht. »Ach! seufzte Flore, daß mein Leben endet Beklag' ich also schmerzlich weinend nicht; Doch daß sich Blanscheflur zum Grabe wendet, Ihr bald erlischt das milde Tageslicht, Und nirgends dämmert ferner Hoffnung Strahl Ist schlimm're Pein als eigne Todesqual.« Als sie nun beide traurig auf dem Wege, Sprach er in Thränen: »Holdes Mägdelein, Weil ich im Herzen liebend dich stets hege, Muß ich nun Ursach deines Todes seyn. O! träfen mich allein des Schicksals Schläge, Wie gerne duld't ich die schwerste Pein, Und freudig ging ich in den bitt'ren Tod, Wär' nicht zugleich dein theures Haupt bedroht.« Sanft weinend sprach drauf also Blanscheflur: »Du weißt ich kann um mich nur mäßig trauern, Die Schmerzensklagen müssen einzig nur Dein frühes Scheiden, süßer Freund, bedauern, Ja litt' ein zweifach Sterben die Natur Ich wollte nicht vor dem Gedanken schauern, Mit Freuden wollt' ich für mich einmal sterben, Den zweiten Tod dann für dein Heil erwerben.« So klagten beide, zwar dem Tod ergeben, Will jeder gerne sich als Opfer weih'n Zagt drum nur ängstlich für des Andern Leben Und Flore will in dieser Herzens Pein Die Hände faltend zum Gebet erheben, Da fühlt er plötzlich seines Ringes Stein, Und ruft entzückt: »Ich rette deine Jugend, Dich schirmt, Geliebte, dieses Kleinods Tugend. Wie konnte nur dem inn'ren Sinn entschweben Der Ring, den mir der lieben Mutter Hand Zum Schutz in jeder Todesnoth gegeben, Als ich mich ihrer Zärtlichkeit entwand; Nun braucht mein Herz vor keiner Qual zu beben Da ich ein Mittel dich zu retten fand. Leicht duld' ich nun was mir auch mag geschehen, Brauch' ich doch nicht dein Todesloos zu sehn. Nun wolle Gott nicht, sprach darauf die Frau, Daß, stürbest du mein lieber süßer Freund, Je mehr auf mich vom reinen Himmelsblau Herab der gold'ne Strahl des Tages scheint. Wenn mir genetzt der Thränen heißer Thau Die Wangen, schmerzlich hab' ich dann geweint, Weil mir das Herz so thörigt durfte zagen, Mein armes Leben trauernd zu beklagen? Die traur'ge Gabe die mein Leben schirmt, Wie möcht' ich sie, mein trauter Freund, erwerben, Und dich, vom Grimm des Amerals bestürmt, Dann kläglich sehn vor meinen Augen sterben? Doch Dank dem Himmel der in dir beschirmt Geliebter Eltern theuren Sohn und Erben. Nun scheid ich froh; mit diesem letzten Kuß Empfang der inn'gen Liebe letzten Gruß. Auf, nimm den Ring nun, bitt' ich willig hin, Und gönne mir zu folgen meiner Wahl, Da ich zum Tode fest entschlossen bin, Erregt dein Weigern mir die herbste Qual.« Und Flore will bemeistern ihren Sinn Beschwört sie, bittet flehend tausendmal, So hub sich an der wunderbarste Streit, Der inn'gen Lieb' und höchster Zärtlichkeit. Mit Worten konnten sie es nicht entscheiden In wessen Hand das Kleinod schützend bliebe. Er sprach: »Als Mann will ich den Tod erleiden So fodert es die Ehre und die Liebe. O! hab' Erbarmen doch mit meinen Leiden.« Sprach sie: »und handle nicht nach wildem Triebe, Laß dich erflehn die bange Qual zu enden, Und nimm den Ring zurück aus meinen Händen.« Doch was sie that, er ließ sich nicht erbitten. »So sei dann, sprach sie, unser Streit geschlichtet, Gemeinsam sei die Todesqual erlitten, Und jedes Zaubers Wunderkraft vernichtet. Sieh' hier den Ring um den wir erst gestritten, Da Liebe nun zu sterben mich verpflichtet, Und du nicht willst, daß er dir Schutz soll geben, Werf' ich ihn von mir, wie ohn' dich mein Leben.« Als Blanscheflur das Kleinod von sich warf, Bückt sich ein Herzog, nach dem edlen Stein, Der hin sie leitet, wo die Richter scharf Bestrafen wollen süße Liebespein, Und Flore nicht sein Recht vertheid'gen darf. Er sieht erschreckt das zarte Mägdelein, Umringt von Kriegern, rauher Waffen Schall, Und Feindes Blicke drohend überall. Sie beben zwar nun vor des Todes Streichen, Doch weinen sie so hold in den Gefahren, Daß sie im Schmerz betrübten. Engeln gleichen. Wie feindlich auch die Richter ihnen waren, Doch fühlt manch Herz zur Milde sich erweichen, Und möcht' ihr Leben schützend gern bewahren; So wirkt ihr holder Anblick zaubernd, daß In mancher Brust vertilgt schon war der Haß. Kein reich Gewand erhob der Schönheit Pracht, Mit Farb' und Glanz den Gliedern liebzukosen, Zwar schmückte sonst als adlich reiche Tracht, Wohl Flor' ein Kleid wie leuchtend junge Rosen, Und weißer Sammt war Blanscheflurens Pracht; Doch hatte man den armen Hoffnungslosen, Als sie zum Todesurtheil sollten kommen, Die schönen Mäntel höhnend abgenommen. Doch mangelt nicht ein prächtiges Gewand, Da ihre Schönheit selbst sie leuchtend schmückt. Als Flor' in Mitten seiner Feinde stand, Wie sehr der Schmerz auch seine Seele drückt, Den zärtlich er um Blanscheflur empfand, Doch schaut verwundert, ja beinah entzückt, Auf ihn die Schaar, die hart nun soll verdammen, Den schönen Jüngling zu dem Tod' in Flammen. Sein edles Haupt mit weich gelockten Haaren Die reich anmuthig ihm die Stirn' umspielen, Mehr glänzend Gold als dunkelbraun noch waren, Und seine Augen deren Blick' erzielen, Daß vor der Macht sich niemand kann bewahren, Wenn sie gleich Pfeilen nach dem Herzen zielen, Die abgeschnellt sind von den schmalen Bogen, Die auf der Stirne Elfenbein gezogen, Beklagen all', die hart ihn sehn gefangen; Es regt der Schmerz in mancher Brust sich heiß. Ach! wie er steht, die ros'ge Glut der Wangen Gemildert durch der Lilien zartes Weiß, Spricht mancher: wer nach Rosen trug Verlangen, Heißt seinen Mund wohl aller Rosen Preis, Und sicher würde nicht der Knab' erschlagen, Wenn dieser Mund zu bitten dürfte wagen. Sein Hals trägt edel hoch das schöne Haupt, Daß ob zwar jung er Ehrfurcht sich erzwingt, Und ist er jetzt der Freiheit auch beraubt, Sieht man, daß Uebermacht ihn nur bezwingt; Kühn steht er da, und jeder Richter glaubt, Daß edles Blut die Adern ihm durchdringt, Und sich unwillig nun im Herzen regt, Das heftig schwellend seine Brust bewegt. Und sieht man sie: das schöne Mägdelein, Wie sehr den Sinn die Sorge auch beschwert, Steht sie so lieblich in der großen Pein, Daß ihre Schönheit ihren Schmerz verklärt, Und sie umleuchtet wie mit Himmelsschein, So große Huld ihr in der Noth gewährt, Daß sie da steht wie eine spiel'nde Sonne Zu aller Augen, aller Herzen Wonne. Wie herrlich leuchtet glänzend goldnes Haar, Daß es den milden Sonnenstrahlen glich, Die ihre Stirn umspielten, die so klar, Daß selbst die Lilie ihr an Reinheit wich, Wenn in der Näh' der weißen Stirn sie war. Und wer erwehrt des süßen Zaubers sich Womit deß Seele fesselnd sie umstrickt Auf den ihr Auge lieblich flehend blickt? Wen rühren nicht die zart gefärbten Wangen, Die, weil das Herz in manchen Leiden wund, Ein leichter Rosenschimmer nur umfangen, Nur Thränen geben ihre Schmerzen kund; Kein Lächeln sieht man auf dem Antlitz prangen, Und doch ist also mild ihr süßer Mund, Daß, scheint es, Tön' ihm lieblich nur entblühn, Die wie Musik durch laue Lüfte ziehn. Ihr Hals und Nacken ist so sanft gebogen, Daß er dem Schwan gleicht der 'ne Blüte trägt, Die Himmelsthau als Nahrung eingesogen, Und sich nun stolz mit seiner Last bewegt, Wenn er durchschwimmt die silberglatten Wogen. Wie sanft ihr Busen liebevoll sich regt, Verschweig' ich, denn ganz würdig dieser Schönen Kann doch kein Leid zu ihrem Preis' ertönen. So standen fromm nun beid' in der Gefahr, Wie Engel beide lieblich von Gestalt, In Kindesjugend; denn erst funfzehn Jahr, Sind beide voll in diesen Tagen alt. Und als ihr Sinn dem Tod ergeben war, Besiegten sie die Herzen mit Gewalt, Daß jedes Aug' um ihre Schmerzen weint, Und nur der Ameral sich hart versteint. So gierig dürstet der nach ihrem Blut, Er will sich weiden an der Kinder Noth, Und glaubt ihm kühlt des Zornes heiße Glut Auf Erden nichts, als nur ihr schneller Tod; Drum reizt ihn wild des Herzens grimm'ge Wuth, Daß er mit lauter Stimme rufend es gebot: »Laßt sie nun sterben eilig in den Flammen, Wie Rechtes Spruch sie strafend muß verdammen.« Jetzt wurde manches Richters Wange blaß, Da unabwendbar schien der Armen Loos, Von Thränen wurden manche Wimpern naß, Die ungehemmt der inn're Schmerz vergoß, Und mancher der so Mild' als Recht vergaß Fühlt nun im Inn'ren wie die Schuld so groß, Wenn Recht sich beugt nach strenger Herrschaft Willen, Um Haß und Wuth der Mächtigen zu stillen. Wie hart das Urtheil, doch beginnt ohn' Klagen Den Schmerzensweg so Flor' als Blanscheflur, Wie sehr sie vor dem Tod' in Flammen zagen Verräth kein Wort, ein leiser Seufzer nur. Es darf kein Laut sie zu betrauren wagen, Nur Thränen sind des stummen Schmerzes Spur; Doch endlich sieht man, daß der Herzog naht Dem Thron des Herrn, der Florens Kleinod hat. Er beugt seine Knie, bricht dann das dumpfe Schweigen Und fleht: »O, Herr! versag' uns Gnade nicht, Und wolle dich uns göttlich mild erzeigen, Vernimm mit Huld von mir nun den Bericht; Und will dein Ohr sich meiner Rede neigen, Willst du erwägen was die Treue spricht; So meidest du der späten Reue Kummer, Strafst nicht so hart der Kinder süßen Schlummer. Dein Wort hieß mich sie vor dein Antlitz bringen, Drum naht' ich mich dem Ort, wo sie gefangen, Den Sonnenstrahlen wärmend nie durchdringen; Im feuchten Kerker hielt sie ihn umfangen, Und nun hört' ich so süß und lieblich singen, Daß himmlisch mir die Melodien erklangen; Und sah den Knaben ihr am Busen liegen Und sie bemüht in Schlummer ihn zu wiegen. Beim Lampenschein sah' ich des Schmerzes Zähren, Des Knaben Haupt ruht sanft in ihrem Schooße. Ach! wenn die Menschen nicht so grausam wären Sprach sie, so schonten sie dich süße Rose, Bald wird nun Gott zum Engel dich verklären. Mir schien's als ob auf feuchtem grünem Moose Ich Venus säh' sich an Adonis schmiegen, Verwundet ihn, in ihren Armen liegen. Und da gedacht' ich, – gönn' es mir zu sagen, Und strafe nicht die Treue, weil sie kühn, Es wollte dich mein Herz zu tadeln wagen. Ich sah' dich, Herr, in Eifersucht erglühn; Und dachte, wie um Mavors Wuth erschlagen Adonis ward, so soll nun auch verblühn Des holden Knaben jugendliches Leben, Um Eifersucht muß ihm die Seel' entschweben. Zwar färbt' Adonis Blut die grünen Moose, Der Liebe Göttin klagt im Schmerzenstone, Als er dahin, der zarten Liebe Loose; Doch ruft ihr Wort hervor die Anemone Aus seinem Blut. Hast du geknickt die Rose, Giebst du den Tod für selt'ne Treu zum Lohne, So muß der höchsten Liebe Spur verschwinden, Die jemals noch auf Erden war zu finden. Als ich mein Traumgesicht nun ließ entschweben, Mit lautem Ruf sie fodernd vor Gericht, Da sah' ich ihn der Frau dies Kleinod geben; Durch diesen Ring, sprach er, verdirbst du nicht. Sie fleht: er möge durch den Zauber leben; Bis sie, da er ihr zärtlich widerspricht, Und sie für ihn nicht liebend sterben darf, Das Kleinod weit, verächtlich von sich warf. So ward es mein; und nun fleh' ich in Treuen: Verschone sie, die du hinweggesandt Um sie dem bittern Flammentod zu weihen.« So war der Ameral in Wuth entbrannt, Daß nicht die zarte Liebe der Getreuen Den wilden Grimm im Herzen überwand, Obgleich er sie zurück nun führen hieß Und wieder vor sein Antlitz stellen ließ. Er sprach zu Flore: »Nur will ich dich fragen, Wie heißt dein Nahme, und dein Mutterland, Deß Schooß dich hat zu meiner Qual getragen?« Und Flore sprach: »Wenn ich mich dir genannt, Wird dir das Herz im eignen Busen sagen, Daheim wär' ich so leicht nicht übermannt; Du müßtest erst bekämpfen mein Geschlecht Und Sieger blieben wir wohl im Gefecht. Denn Flore heiß' ich, bin ein Königssohn, Weit hin erstreckt am Meer sich das Gebiet Des Vaters, er schmückt glänzend Spaniens Thron; Hätt' ich gethan wie er mir liebend rieth, So litt' ich hier nicht meiner Feinde Hohn; Mich zwang die Minne, daß ich von ihm schied, Und lehrte mich das holde Mägdlein finden, An die mich tausend Liebesketten binden. Auch ist mein Loos hier wen'ger zu beklagen, Als wenn ich noch in meinem Lande wäre, Und müßte ohne sie die Krone tragen; So glaub' auch nicht, daß ich mich drum beschwere, Wenn du in mir den Schuld'gen willst erschlagen; Nur mahn' ich dich an ritterliche Ehre, Für ihre Unschuld biet' ich tausend Eide, Gebiete denn, daß sie nicht schuldlos leide. Nein, Herr, rief nun in Sorgen die Getreue, Fügt meinem Freund' auch nicht das kleinste Leid, Damit es euch in Zukunft nicht gereue. Ach, hört mein Wort! O glaubt doch meinem Eid! Er redet falsch damit er mich befreie, Was führt ihn her aus seiner Heimath weit, Weshalb durchglitt er kühn die Meereswogen? Ich nur allein, ich hab' ihn hergezogen. Und ich, die Schuld'ge bin in eurer Hand, Drum handelt nun nach aller Kön'ge Recht, Und kränkt nicht mit der Fesseln eisern Band In ihm mehr hart sein fürstliches Geschlecht. Wenn eig'ne Würde je das Herz empfand, Wenn ihr als Richter und als König sprecht, So dürft ihr nicht sein edles Blut vergießen Nur meines mög' euch zu versöhnen fließen. Ach! seht in ihm die ros'ge Jugend blühn, Laßt eure Huld ihn, hoher Herr, erwerben, Und fühlt ihr Zorn euch heiß im Busen glühn, So tödtet nicht des reichen Spaniens Erben. Ich wiedersetzte eurem Wort mich kühn, Mich eure Sclavin laßt mit Recht ihr sterben; Gern will ich mich dem frühen Grabe weihn, Kann nur den Freund mein schneller Tod befrein.« Im Grimm faßt nun sein Schwerdt der Ameral, Die Wange deckt des Zornes glüh'ndes Roth, Er sprach in Wuth: »Du meines Herzens Wahl, Die heut zu krönen erst mein Wort gebot, Du sollst nun stillen meines Busens Qual, Dein Frevel sei gebüßt durch deinen Tod. Kein Urtheil will ich, keine Meinung fragen, Mit eigner Hand dich kühnes Weib erschlagen.« Wie zeigt sich Lieb' in Blanscheflur nun groß, Anmuthig sinkt auf ihre Knie die Schöne, Und beut ihr Haupt dem Tode sorgenlos, Daß höchste Treu' die höchste Lieb' auch kröne. Für Florens Herz war's mehr als Todesstoß, Verzweifelnd rief zum Himmel er: »versöhne Dich endlich uns, zeig' endlich uns Erbarmen« Und riß die Frau empor mit beiden Armen. Sprach heftig nun: »Ich bin ja doch ein Mann Und hab' auch drum ein größ'res Recht zu sterben; Den Tod schaut kühn ein männlich Herz stets an, Doch sollen Frau'n um unsern Beistand werben; Drum wenn ich jemals deine Huld gewann, So lebe du, laß mich den Tod erwerben;« Und mit dem Wort fiel nieder er und bot Sein schönes Haupt hin gegen Schwerdt und Tod. In Wuth erblindet will der Fürst ihn schlagen, Verzweiflungsvoll verdrängt ihn Blanscheflur: »Laß mich die Bitt' an deine Gnade wagen, Rief sie, und tödte mich die Schuld'ge nur. Du würdest stets die rasche That beklagen, Sprach Flore, die holdseel'ge Kreatur, Die von dem Herrn zur Freude ward erschaffen, Wie darfst du sie um meine Schuld bestrafen?« Weil jeder nur den Tod für sich begehrt, So rangen beid' im wunderbarsten Streit, Und drängten sich wetteifernd hin zum Schwerdt. Da jeder sich dem Tode freudig weiht, Und nur das Leben ängstlich von sich wehrt, Erregt ihr Kampf der Wehmuth süßes Leid In jeder Brust, kein Herz kann sich versteinen, Es muß zuletzt ihr strengster Richter weinen. Es fühlt der Ameral befremdet, daß Er selbst bewältigt ward durch sanfte Güte, Es wurden endlich seine Wimpern naß, Und mild erweicht sein felsenhart Gemüthe, Als nun das Volk in seinem Blick schon las, Daß mild'res Feuer ihm im Busen glühte, Daß seine Härte schmelzen nun beginnt, Wie Eis am warmen Sonnenstrahl zerrinnt; Da riefen All': »Es ist der Gnade Zeit, Schenkt Gnade, Herr, so oft an euch begehrt. O schaut sie an in holder Lieblichkeit! Was nützt doch eurer Hand das breite Schwerdt? Die ihr dem Tode zürnend habt geweiht, Sie sind der Liebe und des Lebens werth. Könnt ihr noch grausam diese Blüten brechen, Vermögt ihr es an Kindern euch zu rächen?« Stumm saß der Ameral, vertieft im Sinnen, Wie sie ihm kürzlich noch so wohl gefiel, Daß er sie zärtlich mußt' im Herzen minnen, Und sie ihm war der liebsten Wünsche Ziel. Durch dieses Träumen weicht der Zorn von hinnen, So daß der Hand das breite Schwerdt entfiel. Nun sank, so Volk als Fürsten, knieend nieder, Und Gnade, hallt ein vielfach Echo wieder. 11. Gesang Eilfter Gesang Es schwieg die Frau, weil sanft ein lauer Regen Benetzt der Bäume lieblich schimmernd Grün, Die sich im milden Sonnenschein bewegen, So daß die Tropfen in dem Strahl erglühn, Und wie Geschmeid' an jeden Zweig sich legen, Dann rauscht der Wind durch ihre Wipfel kühn, Und zwingt die Bäume weit hin zu verstreu'n Den Schmuck, so erst der Himmel wollte leih'n. Der Ritter seufzt: ein traurig Bild des Lebens Will uns des Tages schneller Wechsel zeigen, Drum fürchten wir die Hoffnung sei vergebens, Die freundlich wollte zu uns nieder steigen. Denn oftmals schien erreicht das Ziel des Strebens, Und plötzlich sah' Gespenster man sich zeigen, Die furchtbar schon errung'nes Glück verjagen, Wie uns belehren Octavianus Klagen. Ruht nicht Felicitas in süßer Liebe An seiner Brust, umspielt mit holdem Scherzen Liebkosend den Gemahl; doch wilde Triebe Der Eifersucht erregt in seinem Herzen Der bösen Mutter Wort; daß nichts ihm bliebe, Er einsam traure in den wilden Schmerzen, Ihm nichts vermag die bitt're Qual zu lindern, Verbannt er selbst sein Weib mit seinen Kindern. Und ach! der Bosheit muß die Fürstin weichen, Wie müde irrt sie einsam durch den Wald, Sie glaubt der Schlaf will tröstend zu ihr schleichen, Und überläßt sich willig der Gewalt; Doch ist ihr Schlaf nur ihres Unglücks Zeichen. Wie laut, wie schmerzlich nun ihr Klagen hallt, Als sie die Kinder nicht mehr bei sich findet, Nachdem der kurze Schlummer bald entschwindet. Und Florens ward ihr vielgeliebter Sohn, Um Gold verhandelt an des Meeres Strande. Es kauft ihn, der geboren für den Thron, Ein Pilger kommend aus dem heil'gen Lande. So spricht das Schicksal oft der Liebe Hohn; Der edle Prinz muß nun im niedern Stande Befehl und Droh'n vom Bürger oft vernehmen, Den kühnen Geist nach dessen Sinn bequemen. Die Frau sprach lächelnd: dürft ihr ihn beklagen, Der in Paris der Ehre Preis errang? Die schönste Beute kühn hofft zu erjagen, Als er in Marzibillas Lager drang, Nachdem er kaum den Riesen hat erschlagen. Ob sein Geschick ihn feindlich wohl bezwang Daß ihr als Kind den Prinzen mögt betrauern, So könnt ihr ihn als Jüngling nicht bedauern. Winkt ihm nicht Huld aus brauner Augen Glanz, Die den Franzosen drohten zornig wild, Nicht mehr reizt nun die Fürstin Krieges Glanz, Der weißen Hand entsinkt der gold'ne Schild, Und sie entsagt dem frischen Lorbeerkranz. Nun ist ihr Herz im schönen Busen mild, Der Zorn erstirbt in sanfter Minne Gluten Als sie mit ihm durchschifft der Seine Fluten. Und er fühlt sich von hoher Lust durchdringen, Zum neuen Leben ist sein Herz erwacht; Spät werden noch entzückte Dichter singen, Wie wonnevoll ihr Aug' ihm einst gelacht, Und wenn die Reime lieblich tönend klingen In stiller lauer mondbeglänzter Nacht, Dann wird im Wald der Liebe Tempel seyn, Und der Gesang manch' edles Herz erfreu'n. So große Huld gewährt ihm schon die Minne, Eh' er sich kannt' als Sproß vom Kaiserstamme, Liebend beherrscht er Marzibillas Sinne, Gleich brennt in ihr, so wie in ihm, die Flamme. Doch daß auch endlich Reue Trost gewinne, Und Liebe ohn' Erbarmen nicht verdamme, So wird auch Octavianus noch beglückt, Als Söhn' und Weib er an den Busen drückt. Laßt als des Lebens wechselnd schönes Bild, Drum diesen Tag euch im Gedächtniß bleiben, Mich dünkt, daß sich jetzt Liebesworte mild Am Himmelsblau mit gold'nen Ziffern schreiben. Ach! bleibt wohl ein Gedanke roh und wild, Den sanfte Winde nicht im Spiel vertreiben, Die vor der Sonne das Gewölk verjagen, Das sie uns wollte zu verdunkeln wagen. Seht Erd' und Himmel liebend jetzt durchdrungen, In farb'ger Glut den Bogen sich ausspannen, Der Himmel hält die Erde nun umschlungen. Was seel'ge Herzen liebend sich ersannen, Ist zu der Erde liebevoll gedrungen. Und Schmerzen die wir liebend erst gewannen, Nun uns erblüht der lichte Friedensbogen, Sind sie hinweg aus unsrer Brust gezogen. Ach! erst die Tropfen so am Grase funkeln, Sie schimmerten dem inn'ren Aug' als Wellen, Wann sich die Blicke thränenschwer umdunkeln, Dann hört der Geist die Wasser brausend schwellen Bis sie der Blumen lichten Schein verdunkeln; Doch endlich muß sich Finsterniß erhellen, In seel'ger Freude wird es dann erkannt, Weß Hand den Bogen tröstend aufgespannt. Drum ist so seelig unser Herz im Weinen, Es hat der Schmerz die Lieb' herabgezogen, Die spielend will in unsre Thränen scheinen, Ihr sanfter Strahl hat küssend sie gesogen. Wenn Lieb' und Thränen innig sich vereinen, Erglüht ein blühend Paradies im Bogen, Dann fühlen wir der süßen Wehmuth Schmerz Die wahre Heimath ahndet unser Herz. Doch was mir jetzt so glühn'de Sehnsucht regt, Vermag ein Laut den süßen Schmerz zu klagen? Was unser Busen zärtlich liebend hegt Kann nur das Auge, nie ein Wort euch sagen. Drum soll von dem was innig euch bewegt Der Mund vor euch nicht mehr zu stammeln wagen; Und eh' die Nacht in Dunkel hüllt die Flur, Vollenden wir von Flor' und Blanscheflur. Stumm saß der Fürst in seines Hofes Mitten Und jeder rief: es ist der Gnade Zeit, Laß endlich, Herr, dein edles Herz erbitten. Der Ameral, noch mit sich selbst entzweit, In dessen Brust noch Haß und Liebe stritten, Sprach endlich: »Sagt, weß Hülf euch war bereit, Wer hat um euch die Treue mir gebrochen? Dies sagt, dann sey Verzeihung euch versprochen. Viel lieber will ich zwiefach schmählich sterben, Sprach Flor', als daß ich meine Treu' so bräche, Daß ich um meine Freunde zu verderben, Nun schändlich treulos ihren Namen spräche; Es wäre dann ich könnte Huld erwerben, Daß mir dein Mund es, hoher Herr, verspräche: Du wollest nicht aus deiner Huld verstoßen, Die freundlich mir des Himmels Thor erschlossen.« Im Zorne wendet sich der Ameral, Und schon ergreift sein Volk ein neues Leid; Doch Mitleids Thränen sieht er überall, So Volk als Adel kränkt der lange Streit. Da nähert sich ein würdiger Vasall, Ihn schmerzte längst des Fürsten Grausamkeit, Ein Bischoff wagt's sich an den Herrn zu wenden, Hofft durch sein Wort die lange Qual zu enden. »Laß dir die Red' in Gnaden, Herr, gefallen, Sprach er: daß sie die Treu' nicht wollen brechen Muß an den zarten Kindern dir gefallen; Drum straf' nicht ihre Tugend gleich Verbrechen, Laß nicht umsonst mein flehend Wort erschallen, Du hörst durch mich all' deine Völker sprechen; Laß mild der Kinder Schicksal sich entscheiden, Und nicht den Tod für Treue sie erleiden.« Der Herzog welcher Florens Ring gefunden, Naht sich, und sprach: »Des Zornes letzte Glut Sei durch die Gnade völlig überwunden. Die Liebe gab den Kindern Heldenmuth In jeder Pein die schon ihr Herz empfunden; Du kannst nun nicht verströmen mehr ihr Blut, Da wir dein Aug' in Thränen schon gesehen, Solch Wunder ist durch Lieb' und Treu geschehen. Doch recht fragst du, und weislich, wer es sei? Der Floren von dem Herzenskummer schied, Sprich nur, es sei von jeder Strafe frei, Wer ihm den Weg zum festen Thurm verrieth. Dann hören wir, ob ihm durch Zauberei, Ob ihm durch List der kühne Plan gerieth, Und wissen wir, wie er erschlossen ward, So wird der Thurm in Zukunft wohl bewahrt.« Nun endlich spricht der Fürst der Gnade Wort, Damit der Prinz nur länger nicht verschweigt, Weß List ihm half, daß er den Zauberort So kühn und schlau, und so geheim erreicht. Lang setzt der Freude lauter Ruf sich fort, Der jubelnd auf zum blauen Himmel steigt. Da nun in Freude sich gewandelt Klagen, Muß auch der Jüngling sein Geheimniß sagen. Gern sprach er nun, wie erst der Pförtner arg, Ihn drohend wollte von dem Thurme scheuchen; Doch, sagt er, wußt' ich wie sein Herz so karg, Drum konnt' ich leicht mir seine Gunst erschleichen, Daß er zuletzt mich gern in Rosen barg. So half er mir der Sehnsucht Ziel erreichen; Mit rothen Rosen deckt er leicht mich nur, Und sandte mich der holden Blanscheflur. Ach! wie war uns nun Tag und Nacht so süße, Nun durften wir in Blicken uns vertiefen, Nun stammelten wir tausend Liebesgrüße, Die Seufzer zärtlich aus dem Herzen riefen; Und uns berauschten wonnigliche Küsse, So kam's daß wir die beiden Morgen schliefen, Und vor dem Ameral die Furcht vergaßen, Wir hatten ganz der Minn' uns überlassen. Als dies der Knabe sagt mit glühnden Wangen, Umschwebt ein Lächeln auch den strengsten Mund, Ja selbst der Fürst, der erst ihn hielt gefangen, Sah lächelnd wie sein junger Busen wund, Durchglüht von innigbrünstigem Verlangen, Das Flore gab in voller Unschuld kund. Nun dünkt der Kinder Minn' ihm holder Scherz Und allzuhart ihr schon erlitt'ner Schmerz. Vor ihm sinkt Flore zierlich auf ein Knie Und sprach: »Nun such' ich Gnade meines Herrn, Macht' daß mein Leid vor eurem Hauch entflieh'; Da Zorn entwich von eurem Herzen fern, So werb' ich nun mit dreistem Muth um sie: Bewilligt meine Seeligkeit nun gern, Und gebt mir frei die süßeste Freundinne, Mein eigen ist sie längst durch Huld der Minne.« Der Ameral verwandelt im Gemüthe, Hört sanft des Prinzen inniges Verlangen, Hob dann ihn auf mit königlicher Güte, Winkt Blanscheflur, küßt sie auf beide Wangen; So war der Zorn, der erst sein Herz durchglühte, Besiegt durch Liebe unter nun gegangen, Daß er die Hand des Jünglings und der Schönen Vereint, um ihren Liebesbund zu krönen. Ein lautes Jauchzen, freudenreicher Schall Erhob sich mächtig, wogend in der Luft. Wohl tausend Stimmen riefen Wiederhall Aus tiefem Schlummer in bemoster Kluft. Posaunenton verkündigt's überall: Die zu verschlingen drohte erst die Gruft, Sie haben Gnade vor dem Herrn gefunden, Durch Liebe ward die Härte überwunden. So süße Lust fühlt Flore sich umwehn, Da frei er darf die Hand der Freundin nehmen, Daß ihm die Sinn' im Taumel fast vergehn, Entzücken droht die Seel' ihm zu entnehmen. Nun riefen viele: »Wie konnt' es geschehn, Dies möchten wir durch eure Huld vernehmen, Daß ihr so früh in Trübsal seid gekommen, Und schon so jung von eurer Heimath kommen?« Der Prinz ist willig gern es zu berichten, Welch Band ihn hielt und Blanscheflur umschlungen, Er spricht, entzückt von zärtlichen Gedichten, Worin schon früh die Liebe süß erklungen, Und mancher Greis hört lächelnd die Geschichten. In manche Brust ist sanfter Schmerz gedrungen, Als er bewegt sein innig Trauern klagt, Da man sie todt im Wundergrabe sagt. Und als er schildert wie ihn überwand Die Minne, daß der Mutter Stimme Ton Ihn nicht zurück hielt in des Vaters Land, Wie er erreicht das stolze Babilon; Hier väterlich gesinnt Daries fand, Deß Weisheit rieth, wie er durch goldnen Lohn, Und kluges Spiel den Pförtner sich gewinne, Auf daß durch ihn sein schmerzlich Leid entrinne. Als Flore kaum mit dem Bericht zu Ende, Sah er den Wächter und Daries stehn; Dem Pförtner bot er freundlich beide Hände, Und sprach: »vergebt, was euch zur Angst geschehn, Wofür ich gern noch reiche Gab' euch sende.« Doch als er will zum würd'gen Greise gehn, Daries dankend in die Arme schließen, Da muß die Lieb' in Thränen überfließen. Bewältigt von der Seele mächt'gem Triebe Wirft er sich weinend an des Greises Herz, »Euch biet' ich nichts als meine inn'ge Liebe Rief er in Thränen zwischen Lust und Schmerz, Womit ich gern, mein Vater, bei euch bliebe.« Daries drückt ihn zärtlich an sein Herz, Sprach dann so mild, wie zu dem eig'nen Sohn, »Genießt nun froh der Lieb' und Treue Lohn.« Der Ameral hat alles wohl vernommen, Liebt inn'ger drum noch Flor' und Blanscheflur, Er sprach zum Prinzen: »Da ihr seid gekommen Zu mir, so weit von eurer Heimath Flur, Zum Zeichen, daß ihr freundlich aufgenommen, Verlaßt als Ritter meinen Hof ihr nur. Die Edlen auch so euch begleitend kamen, Entlaß' ich nur mit diesem Ehrennamen.« Man rief die Herren, wie der Fürst befohlen, Jedweden Schmuck der ritterlichen Zier Eilt man geschäftig dann herbeyzuholen, Und als nicht mangelt mehr die kleinste Zier, Schmückt man sie reich vom Haupte zu den Sohlen. Und ehrt so Flore, daß voll Ruhmbegier Ein Ritter längst durch Waffenthat bekannt An keinem Hof noch größ're Ehre fand. Mit reichen Teppichen hieß man belegen Den Boden, und die Fürsten sich bereiten, Damit der Prinz vom Ameral den Degen Empfing, wohin zwei Könige ihn leiten. Es gab der Herr so Schwerdt als Rittersegen, Gebot für Recht und Ehre nur zu streiten; Worauf die Fürsten zu des Prinzen Ehren, Dann gleiche Huld den Dienern auch gewähren. Nun sprach der Ameral: »Da ich belohnt So Lieb' als Treu' will ich Vergehn auch strafen. Daß zwanzig Tag' ihr habt im Thurm gewohnt, Und zwanzig Nächt' an ihrer Brust verschlafen, In deren Herz als König ihr gethront, Soll ihr Beschämung, Rache mir verschaffen. So roth wie jetzt noch ihre Wangen blühn, Soll nun der Bach durch ihre Schuld erglühn. Drum sei gewohnte Prob' ihr nicht erlassen, Ich führe selbst sie zu des Bachs Kristallen. Steht sie am Rande zitternd auf den nassen, Bethauten Gräsern, sieht ihn silbern Wallen, Und muß beschämt dann ihre Wang' erblassen, So mög' es ihr um süße Schuld gefallen, Daß ihr Geheimniß in den Wogen klingt, Und ros'ge Glut den kleinen Bach durchdringt.« Und Blanscheflur stand schüchtern an der Quelle, Sah still das Bächlein hin durch Blumen gleiten, Nachdem sie sich gespiegelt in der Welle, Muß sie das schmale Wasser überschreiten. Sanft murmelnd fließt die Woge silberhelle; Um höchsten Preis der Jungfrau zu bereiten Ertönt im Wasser wonniglicher Klang Als sie zurück zum andern Ufer sprang. Gesang nun jubeln Nachtigall'n vom Throne, So hoch errichtet auf dem Wunderbaum, Daß jede Ehre Blanscheflur belohne. Als in der Luft die Kläng' erbebt noch kaum, Rührt linder Wind des Baumes ros'ge Krone, Pflückt so die Blüten, haucht sie durch den Raum, Und senkt sie wirbelnd auf das Haupt der Schönen, In ihr den Ruhm von allen Frau 'n zu krönen. Nun scheint es neigt sich jeder Baum mit Rauschen; Den Fuß netzt ihr die Woge sie zu grüßen; In grünen Zelten zarte Vög'lein tauschen Gesänge, ihr die Glorie zu versüßen; Die Winde fühlt sie lieblich sich umrauschen, Ihr linde kühlend Wang' und Mund zu küssen. So steht die Jungfrau behend an der Quelle, Und senkt den glüh'nden Blick zur kühlen Welle. Erstaunen hält die Zungen lang gebunden, Es stört kein Wort das Jauchzen der Natur, Doch als die Sprache endlich ward gefunden, Tönt in der Luft nur Flor' und Blanscheflur. Holdseelig lächelnd hielt er sie umwunden, Sie lehnt an ihn, zwei Blumen auf der Flur, Sie schmiegen sich so lieblich nicht zusammen, Als beide in unschuld'ger Liebe Flammen. Es sprach der Fürst: »Ein Wunder ward verkündet, Und dessen Kraft verwandelt mein Gemüthe, Du holdes Kind, in Minne Glut entzündet, Indeß dein Freund in gleicher Flamm' erglühte; Und beide ihr so innig nah verbündet Verletztet nie der Keuschheit zarte Blüte. Verwirrt, beschämt muß ich all' dies vernehmen Und mich vergang'ner Grausamkeiten schämen. Stets wird die Liebe über Zauber siegen, Vergeblich ward der Thurm so fest erbaut; Doch will ein Weib sich zärtlich an uns schmiegen, Ist thöricht auch, wer ihr dann nicht vertraut. Drum soll die Liebe Grausamkeit besiegen Damit ihr heut das größte Wunder schaut, So sei des Thurmes hohe Pfort' erschlossen, Und keine Jungfrau bleibe drin verschlossen. Es übt mein Wort befehlend nicht mehr Zwang. Auch soll kein Weib die mich beglückt mehr sterben, Gemildert sei der rauhen Stimme Klang, Der Zunge lehr' ich zärtlich schmeichelnd werben, Dasselbe Glück, so himmlisch euch umschlang, Möcht' ich als Lohn im Dienst der Minn' erwerben; Gefürchtet nicht, geliebt möcht' ich mich sehn, Aus Lieb' erhört mein inn'ges Liebe-Flehn. Und so steig' ich von meinem Thron hernieder, Und will mich dir, o schöne Klaris, nah'n Du schlägst die Augen ängstlich nieder, Willst du mit Huld des Königs Huld empfah'n? O flieh' mich nicht, ein schüchtern bang Gefieder, Gieb auf im Herzen Mißtrau'n, Furcht und Wahn; Und um den Glanz der Krone zu verschönen, Vergönn' es mir dein Haupt damit zu krönen.« Klaris hob still die treuen Augen auf, Und sah ihn an mit Innigkeit der Liebe, Doch ungehemmt strömt bald der Thränen Lauf. »Nicht zweifle länger an der Macht der Liebe, Sprach mild der Fürst, gieb deine Sorgen auf, In mir getödtet sind die wilden Triebe; Willst du dich zärtlich mir vereinen nun, Will ich stets treu an deinem Busen ruhn.« Der letzte Grund des Kummers war zerronnen, Es dankt dem Ameral sein Volk zu Füßen, Weil das Gesetz so greulich wild ersonnen, Nicht kurzen Glanz durch Tod mehr zwingt zu büßen. Nun war der Muth zur höchsten Lust gewonnen, Man eilt herbei die Fürstin zu begrüßen, Und sieht mit lauter Freude Jubeltönen Als Herrin nun die schöne Klaris krönen. In aller Augen leuchtet freud'ge Glut Als aller Stimmen segnend sich erheben. So mild und fröhlich war des Fürsten Muth; Er hieß sein Gold als Lohn dem dankend geben, Deß Kunst erhöht der Freude Uebermuth; Drum sah man eifrig nach dem Pallast streben, Mit anderm, auch Gesang und Harfenspiel, Und jeder Gast wählt Lust so ihm gefiel. Es schwärmten viel' durch Babiloniens Gassen, Und sangen ihre Freude laut in Chören, Es hat die Schwachheit jeden Greis verlassen, Der Schmerz schien nicht die Kranken mehr zu stören; Man sah sie lächelnd bei der Hand sich fassen Und selber jubelnd andrer Freude hören. So hat die Lust ins Freie all' getrieben, In stillen Häusern ist kein Mensch geblieben. Im Pallast saßen andere beisammen, Die ihre Kunst im edlen Schach erproben, Obgleich der Knab' entbrannt in Liebes-Flammen Ist seine Kunst im Schache doch zu loben: Dies sprachen diese lächelnd hier mitsammen, Indeß gelinde auf und ab gehoben, Im Tanze andre, auf melod'schen Wogen, Die süße Lust der Freude eingesogen. Im Hofe wollten andere turnieren, Und Flore auch sich dort als Ritter zeigen, Zierlich geschickt weiß er den Speer zu führen, Und jeder muß sich überwunden neigen. Wie könnt' er auch ein einzig Spiel verlieren? So holder Liebreiz war dem Jüngling eigen, Daß jeder gern den Blicken unterliegt Den seine Hand im Kampfe nicht besiegt. Als sich ins Meer die Sonne will versenken, Da hört man laut Trompetenton erschallen, Und große Schaaren sieht den Schritt man lenken Zum Garten hin, aus dem die Tön' erhallen, Dort sind bereit so Truchsesse als Schenken, Der Fürst sieht ihren Dienst mit Wohlgefallen, Weil höflich sie mit Speis' und Trank empfingen So viel nur mochten in den Garten dringen. Der Ameral saß an der Tafel oben, Zur Rechten Klaris, links ihm Blanscheflur, Die hörte nicht der lauten Freude Toben, Mit Flore flüsternd Liebesworte nur. Ach! beide sind zur Seeligkeit erhoben, Zu glücklich sind sie, daß den Liebes-Schwur Sie offen nun sich wiederholen dürfen, Und süßen Nektar von den Lippen schlürfen. Es sah der Hof ihr kindisches Entzücken, Und lächelnd sprach zu Floren mancher Mund: »Wie sehr der Minne Gaben euch beglücken, Gebt ihr zu offen, junger Herr, uns kund. Ihr mögt euch nicht an ird'scher Speis' erquicken, Und für den Schmerz wovon das Herz euch wund, Wollt ihr, daß eure Lippen nur und Augen Den Balsam von der schönsten Blüte saugen.« Doch Flore hört nicht wie die Wort' erklingen, Obwohl umschwebt von Freud' und lauten Scherzen, Kann diese Lust die Seel' ihm nicht durchdringen; Doch bebend fühlt er seel'ge Glut im Herzen, Wenn seine Arme Blanscheflur umschlingen. So saßen sie im Garten, wo der Kerzen Zahllose Strahlen, Licht verbreitend flimmern, Und Sternen gleich durch Laub und Blüten schimmern. Und nun erhob von Harfen, Zittern, Geigen, Ein süßer Klang sich der die Luft erfüllt, Es zwingt der Ton den lauten Scherz zum Schweigen, Weil zärtlich Weh' in jeder Brust nun quillt, Daß wie die Töne auf und nieder steigen, Sich bald erregt, und bald sich wieder stillt. So herrschte lieblich der harmon'sche Klang, Der jedes Herz mit süßer Lust bezwang. Es schweigt das Saitenspiel, Gesang will preisen Der Liebe Macht durch himmlisch süße Klänge, Die Muse wollte Orpheus unterweisen, Daß Harmonie die ganze Welt durchdränge. So tönt Gesang; drum lehrt sie ihm die Weisen Der lieblichsten, der zärtlichsten Gesänge, Entzündend in der Brust ein himmlisch Feuer, Und selbst Apoll reicht ihm die gold'ne Leier. Er schlug die Töne und der Winde Sausen Gefesselt darf die Harmonie nicht stören, Der wilden Wasser furchtbar lautes Brausen Verstummt, in Demuth den Gesang zu hören, Was sich entzweit, gefloh'n in bangem Grausen Vereinigt sich zu liebevollen Chören. Wenn seiner Leier Wunderton erklingt, Wenn sein Gesang die milde Luft durchdringt. Zwar wollt' die Muse selber ihn erziehn; Zwar lehrt der Gott ihm selbst der Leier Töne Doch wär' ihm nicht die Wunderkraft verliehn, Durchzitterten nicht himmlisch süße Töne Sein eignes Herz, die auf als Lieder blühn, Und huld'gend zeigen, daß die lieblich schöne Euridice, ihm thront in Herz und Sinne, Daß ihn begeistert seel'ge Glut der Minne. Ach! wenn sie wandelt auf den frischen Auen, Und sucht in Blumen ihrer Liebe Spur, Läßt er die Töne schmelzend niederthauen Und frischer lacht, neu glänzend die Natur. So huldigt er der schönsten aller Frauen, So wandelt sie still seelig durch die Flur, Wo ihren Fuß der Schlange Biß durchdringt, Und sie hinab zum finstern Orkus zwingt. Der Sänger, in verzweiflungsvollen Klagen Eilt selbst hinab zu Plutos dunkeln Reichen; Sein Saitenspiel mit Wunderkraft geschlagen, Zwingt von der Pforte Cerberus zu weichen, Es öffnet sich das Thor der Nacht und Klagen, Befremdet fühlt der Fürst sein Herz exweichen, Als schwellend eindringt wunderbarer Klang, Sein Ohr berührt der süßeste Gesang. Durch diese Töne scheint die Nacht zu schmelzen, Licht zu erblüh'n in grauenvollen Dunkeln, Und Sysiphus hört auf den Stein zu wälzen; Es ruht, indeß die Lichter ihn umfunkeln, Die Last, gehalten oben auf dem Felsen; Die Danaiden sehn die Schimmer funkeln, Und lehnen sinnend still sich an die Fässer, Nicht schöpfend mehr entschlüpfende Gewässer. Die Liebe ist zum Tartarus gedrungen, Drum hören auf die Strafen und die Qualen. Als kaum die süßen Wundertön' erklungen, Scheint Wärm' und Licht den Orkus zu durchstrahlen. Der finstre Gott, zu Thränen fast gezwungen, Sprach: Wandle nicht den Ort der herben Qualen, »Laß Wonnelaut im Orkus nicht mehr beben Ich will zurück dir die Geliebte geben.« Kunstreich vereint von lieblich süßen Stimmen, Die zärtlich mild in lauer Luft erklungen, Indeß die Stern' am Firmamente glimmen, Ward so der Tön' und Liebe Macht besungen; Wie in der Luft die holden Töne schwimmen, Fühlt sich das Herz von Seeligkeit durchdrungen, Und als verhallt sind des Gesanges Worte Schleicht träumend jeder durch des Gartens Pforte. In höchster Pracht war das Gemach bereitet, Das nun der Fürst mit seiner Braut betrat, Wo süßer Duft sich schwellend um sie breitet. Wie zärtlich er um Minne nun auch hat, Ward doch sein Herz nicht von dem Trieb geleitet, Der Florens Brust seelig entzündet hat; Stets irdisch bleibt des Amerales Streben, Fühlt er sein Herz in Lust und Wonn' auch beben. Und Flore ward zu dem Gemach geführt, Das heimlich ihn schon hegte manche Nacht, Wie zärtlich ward sein junges Herz gerührt, Welch inn'ge Glut im Busen angefacht, Als er nun hier der Freundin Hand berührt, Ihr himmlisch Aug' ihm hold entgegen lacht; In dem Entzücken, kaum sich selbst bewußt, Umschlingt er sie, und preßt sie an die Brust. Berauscht in Wonne schließen sie die Augen, Und nahen zärtlich küssend sich dem Munde, Den holden Balsam dürstend einzusaugen Für ihres Herzens lieblich süße Wunde. Ach! fleht der Jüngling, laß mich schau'n die Augen, Daß mich ihr Strahl erhell' in dieser Stunde, Und ich vermag in Ehrfurcht zu erwägen: Uns mangle noch der Kirche heil'ger Seegen. Als sie die Augen zärtlich aufgeschlagen, Fühlt er sich fast vom lichten Glanz geblendet; Ihm dünkt daß Wolken die Geliebte tragen, Die Glanz und Duft rings um sie her gespendet, Daß Kund' ihm von des Himmels Freuden sagen, Die Blicke liebreich zu ihm hingewendet; Daß in dem Auge dessen Strahl er trinkt, Ein Engel ihn hinauf zum Himmel winkt. In seel'ger Freude war die Nacht verschwunden, Der Ameral hat jede Lust getrunken, Die wilder sonst sein stolzes Herz empfunden. Flor' ist in Wonne träumend noch versunken, Das sanfte Glück in stiller Nacht gefunden, Ruht in der Brust ihm wie ein Himmelsfunken; Und als er naht mit Blanscheflur dem Saal, Verletzt ihn fast der lauten Freude Schall. Nun meldet man, daß Boten sind gekommen In fremder Tracht, am Hofe unbekannt. Es sprach der Fürst: »Heißt freundlich sie willkommen, Und führt sie her, auf daß wer sie gesandt, Und weshalb sie die Reise unternommen, Uns schleunig sei durch ihren Mund bekannt.« Der Marschall that wie ihm der Herr geboten, Und führt herbei die adelichen Boten. Die ließen höflich auf ein Knie sich nieder, Und sprachen: »Herr, wir nahen deinem Thron, Und bitten, gieb uns unsern Prinzen wieder, Verwaist ist Spanien allzulange schon; Es schloß der Tod des Königs Augenlieder, Und hier verweilt der ein'ge Erb und Sohn, Der Spaniens Krone längst nun hat erworben, Weil vor sechs Monden Felix schon gestorben. Die Kön'gin sandte uns ihn aufzufinden, Und wir erforschten seiner Reise Spur, Vertrauten uns dem Meer und günst'gen Winden, Treu übend der Vasallen Pflichten nur. Hier fühlen wir des Kummers Last entschwinden, Er steht vor uns, und mit ihm Blanscheflur. Der Mutter Auftrag treulich auszurichten, Erlaub' uns nun das Wort an ihn zu richten.« Zu Flore sprachen sie: »Ihr säumt zu lange, Es klagt um euch das väterliche Land; Daß nicht in Sorgen mehr die Mutter bange, Weil ihr in euch, deß Lebens Trost entschwand. Daß eure Hand das Scepter nun empfange, Und euer Erbrecht werde anerkannt, Dürft ihr nicht länger ruhig hier mehr säumen, Müßt Babilon schon morgen mit uns räumen.« Es kann der Prinz nicht gleich drauf Antwort sagen, Die Rede hemmend fließen Schmerzeszähren, Womit er muß des Vaters Tod beklagen. Und Blanscheflur spricht: »Woll es mir gewähren, Laß nicht dein Herz in seinem Leid verzagen. Sie will ihn trösten, und muß selber ehren Des Königs Tod durch Schmerz, der zärtlich weint Und mit dem Leid des Freundes sich vereint.« 12. Gesang Zwölfter Gesang Wie oft doch wechselt süße Lust und Pein, So sprach der Ritter, heut' in unsern Herzen, Wir sahen eben bei der Sterne Schein Umschwebt den Jüngling von Gesang und Scherzen; Und schon dringt neues Leiden auf ihn ein, Es fühlt auf's neu' der junge Busen Schmerzen, Die ihm bethau'n das Angesicht mit Thränen, Da kaum gestillt der inn'gen Liebe Sehnen. Oft muß ich in Betrachtung mich versenken, Wie gleich und ungleich alle Liebes-Sagen, Nie wollte Minne ihre Kronen schenken Dem, der nicht ihre Leiden auch ertragen; Ja wer getäuscht sich früh beglückt will denken, Muß plötzlich jammernd in der Pein verzagen, Wie uns des kühnen Iwains Schmerz belehrt, Dem Minne scheinbar frühe Huld gewährt. Doch ach! wie bald schweift er durch Waldes Dunkel, Vernimmt nur halb wie süß die Vöglein singen, Dann flimmert vor ihm silbernes Gefunkel, Er hört im Fels Gewässer rauschend klingen. Schwach dämmert auf durch inn're Nacht und Dunkel Erinn'rung so, wie schnelle Lichter dringen Durch Baumes-Wipfel, zartes Moos erreichen, Die mächt'ge Schatten wieder gleich verscheuchen. Und wieder steht vor ihm die hohe Linde, Den Fuß umspielt von schäumenden Kristallen, Es säuseln in den Blättern laue Winde, Gesang hört er von allen Zweigen schallen. Nun zwingt Erinn'rung ihn, daß er empfinde, Wie Ehr' und Liebe von ihm abgefallen, Erneut in ihm wird Liebe so wie Schmerz, Wahnsinn ergreift mit wilder Qual sein Herz. Er faßt die Bäume in des Herzens Toben, Die festen Wurzeln werden los gerüttet, Und alle Vögel die gesungen droben, Samt Laub und Blüten in das Gras geschüttet; Dem Wind entgegen stürmt sein fruchtlos Toben. Im grausen Wahn der ihm den Sinn zerrüttet, Ruft Baum und Quell, Wind, Donner ihm stets zu: Von Ehre, Liebe, Licht verbannt bist du. So Minne die ihm gütig erst geschienen, Jagt ihn nun wild umher in wüsten Räumen, Mit schweren Bußen muß er Huld verdienen; Und lange wollte Minne zögernd säumen, Eh' inn'res Licht ihm wiederum geschienen, Eh' er erlös't ward von den wilden Träumen, Die Gattin liebend wieder ihn umschlingt, Sein alter Ruhm in neuer Weise klingt. Doch schnell entfliegen laß ich Iwains Bild, Längst ist vertilgt schon seines Schmerzes Spur; Es sprach die Frau: Nicht ist das Leid so wild, Das Flore kränkt und seine Blanscheflur; Die Minne ist der jungen Brust ein Schild, Drum treffen halb des Schmerzes Pfeile nur; Still unterdrückt der Jüngling seine Peinen, Weil er drum sieht die Freundin zärtlich weinen. Gefaßt nahm er des holden Mägdleins Hand, Trat vor dem Thron des Amerales hin, Und sprach: »O Herr! dir ist mein Leid bekannt, Du weißt daß ich jetzt Spaniens König bin, Drum gieb mir Urlaub nun, daß ich mein Land Begrüßen mag, und dankbar wird der Sinn Der großen Huld Gedächtniß stets bewahren, Die du mich ließest, hoher Herr, erfahren. Es fühlt der Ameral sein Herz bewegen, Die stolzen Augen schmerzlich sich befeuchten; Soll ich dich nicht mehr, spricht er, liebend hegen, Soll mir dein Auge freundlich nicht mehr leuchten, Wird täglich neu der Schmerz sich mir drum regen, Und traurend wird es meiner Seele däuchten, Hast du dich selbst entrissen meinen Armen, Daß einsam ich an Freuden muß verarmen. O nie bis jetzt hat mir solch schmerzlich Weh' Den festen Sinn, das kühne Herz durchdrungen, Gieb auf das Land jenseits der wilden See; Manch Opfer hat die Woge schon verschlungen, Drum bleib' bei mir und meide jedes Weh', Sprich ja, und ist dies Wort mir nur erklungen, So krönt dich freudig meine will'ge Hand, Und schenkt dir mehr als du verlierst an Land.« Es herrscht im Saal ein ehrfurchtvolles Schweigen, So lange bis der Herr sein Wort vollendet; Doch nun darf sich die Liebe offen zeigen, Die jedes Herz dem Jüngling zugewendet. »Laß deinen Sinn, so sprachen viele, beugen, Und da der Ameral dir hat gespendet So große Huld, so hör' auf unsre Bitten, Entreiß dich nicht aus deiner Freunde Mitten.« Doch Flore sprach: »Von jenseits klingt der Ton Der lieben Mutter lockend mir herüber, Oft fühlt' ich traurend ihn im Herzen schon, Es führten Träume mich nach Spanien über; Sie weint zu lang um den entfernten Sohn, Es zieht die Liebe mich zu ihr hinüber, Und um zu end'gen einer Mutter Klagen, Muß ich nun scheidend Lebewohl euch sagen.« Da nicht der Prinz ihr Bitten will gewähren, Kein Flehn vermag die Reise abzuwenden, Entströmen manchem Auge bitt're Zähren; Als gäben sie ein Kleinod aus den Händen, Das sie mit höchsten Schmerzen nur entbehren, Um unbekannten Freunden es zu spenden, So dünkt es sie: »Ach! sprachen sie zu beiden, Ihr kränkt uns schwer, da ihr von uns wollt scheiden.« Der Ameral sprach: »Traurend muß ich klagen, Daß nicht dein Herz mein Lieben hat erkannt, Doch sollen drum die Reise nicht beklagen, Die man um dich zu suchen ausgesandt. Als mein Geschenk soll jeder künftig tragen Köstlich Geschmeid' und fürstlich reich Gewand, Und auch für dich als Zeichen meiner Gnaden, Heiß' ich mit Gold zehn Rosse reich beladen.« Drauf küßt er Blanscheflur auf Stirn' und Wangen, Und drückte Flore zärtlich an die Brust, So hatten beide Urlaub nun empfangen; Und weil zu schwer ihm wurde der Verlust, War aus dem Saal der Fürst hinweggegangen. Schmerz regt in Flore sich gemischt mit Lust, Als er noch einmal nun mit beiden Armen, Fest, innig, eilt Daries zu umarmen. Und Blanscheflur nimmt Abschied von der Schaar Der holden Frau'n, küßt jede auf den Mund; Doch als sie nun allein mit Klaris war, Da wurden ihr der Trennung Schmerzen kund. »Als ängstlich, sprach sie, mich bedroht Gefahr, Als mir das Herz in Lieb' und Sehnsucht wund, Da weintest zärtlich du um meine Leiden, Drum muß ich jetzt in Thränen von dir scheiden.« Die Rosse standen stampfend schon das Gras, Die Diener sprachen, alles ist bereit; Nun wurden Blanscheflurens Wangen blaß, Und Florens Aug' umschattet Traurigkeit; So viele Wimpern netzt ein schmerzlich Naß Als Zeichen nun der inn'ren Zärtlichkeit, Daß mancher König wohl schon ward begraben Den nicht beweint so vieler Augen haben. Als endlich alle auf den Rossen saßen, Und durch die Pforten des Pallastes zogen, Da drängte sich in Babiloniens Straßen Das Volk in Schaaren wie in großen Wogen. Es will sie niemand ohne Abschied lassen, Weit vor das Thor sind viele mitgezogen: »Es schütz' euch Gott, er mög' euch gnädig pflegen!« So tönt ihr Ruf, als allgemeiner Seegen. Und Flore reitet seelig nun zurück Denselben Weg, den er voll Sorgen kam, Und führt sie mit sich deren Liebesblick Die Schmerzen all' aus seinem Busen nahm, Die weit hinweg durch feindlich Mißgeschick Zu seiner Qual von seiner Brust entkam; Nun in Triumph nach heimathlicher Flur, Führt er zurück die holde Blanscheflur. Und innig ward sein Herz noch oft gerührt, Er drückte zärtlich seiner Freundin Hand, Wenn er die Orte wieder nun berührt, Wo er die Spuren ihrer Reise fand. »Wie treu, sprach er, hat Minne mich geführt. Sie hat den Sinn des Amerals gewandt; Weil ich ihr stets geweiht mein ganzes Leben, Hat sie mir nun den schönsten Lohn gegeben.« Ein Diener sprach: »Es weidet' einst die Schafe Der Musen-Gott dem Kön'ge unbekannt, Weil die Cyklopen sanken seiner Waffe, Geschleudert zornig von des Gottes Hand, Hat Jovis Wort zur Buss' ihn und zur Strafe Von gold'nen Höhen des Olymps verbannt. So dünkt ein Gott im Prinzen mich verborgen, Der bald entschwebt; drum muß ich ängstlich sorgen.« Ein And'rer sprach: »Uns lehrt der Vorwelt Kunde, Wie dem Admet Apoll als Freund ergeben; So dünkt mich Flore mit dem Gott im Bunde, Drum seht ihr Liebreiz zaubernd ihn umschweben, Und jeder Bitt' aus seinem ros'gen Munde, Würd' euer Herz vergeblich widerstreben; Wie dem Admet der Gott einst wollte dienen. So ist er Floren hülfreich auch erscheinen. Mit Götterkraft einst für Admet verscheuchen Wollt' er die Drachen von gewohnter Spur, So List, Gewalt, als Zauber mußten weichen, Und Flor' erreicht die holde Blanscheflur. Doch nun bedarf er höchster Gnade Zeichen, Als man ihn fing, da rettet einzig nur Des Gottes Huld, der wundersüßen Klang Der Stimme lieh', die jedes Herz bezwang.« Ein And'rer sprach: »Ist er so hoch erhoben, Ist ihm der Gott gleich dem Admet ergeben, So werden wir des Mägdleins Treu' erproben; Will einst sein Geist zur Schattenwelt entschweben, Wird sie für ihn dem Tode sich geloben, Ein zwiefach Leben wird ihr Liebling leben. Sie wird hinab gern zu den Schatten steigen, Der Nacht sich beigesell'n und ew'gem Schweigen. Und wie nach Babilon würd' er dann eilen, So riefen all', hin zu des Orkus Strande, Des Styxes Fluten würde Charon theilen, Die träg' hingleiten zu dem dunklen Lande, Wo Blanscheflur nicht lange durfte weilen. Es lös'te Pluto willig ihre Bande, Weil Florens Wort ihm leicht das Herz durchdränge, Er so den Gott gleich Babels Herrn bezwänge.« In den Gesprächen ward ein Schiff bestiegen, Die sanften Winde zeigten sich gewogen, Die Segel schwellend, indeß lind sich wiegen Im weiten Raum die glatten Silberwogen. Kein schwarz Gewölk ist drohend aufgestiegen, Rein blieb und klar der blaue Himmelsbogen, Und eh' die Sonn' in dunkle Flut kann sinken, Sah' man schon matt so Mond als Sterne blinken. Zu Spaniens Küste war der Kiel geschwommen, Und kaum berührten sie des Ufers Grün, Erschallt ein jauchzend tausendfach Willkommen; Man sah die Freud' in aller Augen glühn, Die sie begrüßend hin zum Strand gekommen. Nun wird uns neu so Heil als Seegen blühn: So riefen all'. »Gott möge dich erhalten, Dein erblich Land nun würdig zu verwalten.« Das Freudejauchzen tönt von Ort zu Orte Bis seines Landes Hauptstadt sie erreichen, Bis sie nun stehn vor des Pallastes Pforte, Wo ihn empfängt mit höchster Liebe Zeichen, In Thränen stumm, die mehr beredt als Worte, Gleich hellen Perlen von den Wangen schleichen, Die Königin; sie drückt in seel'ger Lust Den theuren Sohn fest an die treue Brust. Und Blanscheflurens Mutter eilt herbei, Ihr süßes Kind mit Thränen zu umarmen: »Des Himmels Gnade steht mir hülfreich bei, Rief sie, ich fasse dich in meinen Armen; Von langer Qual ist nun mein Busen frei, Aus höchster Mild' und göttlichem Erbarmen Ward mehr als ich verdient mir heut gegeben; Den Herrn zu preisen will ich fortan leben.« Als des Entzückens Taumel war zerronnen, Der Freude Wogen sich gelinder regen, Da sprach der Prinz: »Ernstlich sei drauf gesonnen, Daß wir mit Würde nun der Krone pflegen. Drum sei nach altem Brauch damit begonnen, Daß um den Schwur der Treu' mir abzulegen, Die würdigen Vasallen sich vereinen, Um vor mein Antlitz huld'gend zu erscheinen.« Als den Befehl der König ausgesprochen, Ward es mit Eil' im Lande kund gethan: Es soll'n die Lehn auf's neue nach sechs Wochen Die Kron-Vasallen von dem Herrn empfahn, Wenn ihm zuvor ihr Eid die Treu' versprochen. Man sah die Fürsten mit Gepränge nah'n. Doch konnte leicht das Auge unterscheiden, Die übermüth'ge Pracht der stolzen Heiden. Man sah die Fahnen in der Luft entrollen, Posaunenton klingt in des Windes Weh'n, Als sie dem Kön'ge all' nun huld gen wollen, Liebend bereit im weiten Hofe stehn, Mit will'gem Knie dem Jüngling Ehrfurcht zollen, Als sie ihn endlich auf dem Altan sehn. Laut tönt der Ruf, als lächelnd er erschienen, »Stets laß uns Gott so edlen Herrn verdienen.« Und Flore sprach: »Demüthig hat erkannt Mein Sinn den wahren Gott im Himmel droben, Der mild in Licht die Finsterniß gewandt, Drum soll mein Herz den Einzigen nur loben; Von seiner Mild' aus gnadenreicher Hand, Ob unwerth auch, empfing ich tausend Proben. Sein heil'ges Wort ward liebend mir verkündet, Für ihn mein Herz in reinster Glut entzündet. Und ach! weß Herz ist wohl so grausam wild, Wenn es ihn denkt wie er gekreuzigt starb, Wie er im Tod' aus höchster Liebe mild Für uns um Gnade seines Vaters warb, Sich selber gab der sünd'gen Welt als Schild, Damit sie nicht an Satans List verdarb; Und sich für uns zum Opfer wollte spenden, Daß er noch wild sich könnte von ihm wenden? Drum seid ihr mir in inn'rer Seele treu, Fleht Jesum an, daß er voll Huld und Gnaden Das Herz euch mach' vom sünd'gen Wahne frei, Womit ihr es abgöttisch überladen. Dann steht er euch erleuchtend mild wohl bei, Und ihr sehnt euch die Sünd' hinweg zu baden, Wie mir gebietet meines Herzens Glut, Durch heil'ger Taufe silberreine Flut.« Zum Kön'ge ward ein Bischoff nun gerufen, Dem frommen Greif' entträufeln milde Zähren, Als still er sieht an des Altares Stufen Den Jüngling knien voll brünstigem Begehren. »Euch hat der Herr, sprach er, zum Heil berufen, Er wollte Trost der Christenheit gewähren, Und froh befolgend Gottes heil'gen Willen, Eil' ich die fromme Sehnsucht euch zu stillen.« Beglückend ward der Taufe Heil gespendet Dem Kön'ge erst, dann tausend tausend Heiden; Sie glauben Flore sei von Gott gesendet, Daß sie der Wahrheit Bahn nicht länger meiden. Zum Kreuz des Heilands sind nun viel gewendet, Durch deren Haß, so Schmerz als bitt'res Leiden Die Christenheit vor kurzem noch gewann; Sie beten nun in Demuth Christum an. Nun eilte man den neuen Herrn zu krönen, Und leistet ihm entzückt der Treue Schwur; Der Liebe Ruf hört jauchzend man ertönen: Gott segne stets so Flor' als Blanscheflur, Es mög' ihr Leben jedes Glück verschönen! Und Flore wartet still sehnsüchtig nur, Eh' er sich zu der holden Freundin wendet, Bis sich der Freude lauter Taumel endet. Doch nun lohnt ihm mit höchstem Glück die Minne. Nun darf er Lust aus ihrem Auge trinken, Er faßt die Hand der lieblichen Freundinne, Und wähnt im Meer der Wonne zu versinken. Ein gold'ner Glanz verblendet ihm die Sinne, Ihm ist als ob ihm seel'ge Engel winken, Und innerlich tönt ihm des Himmels Chor; So führt er sie hin zu des Münsters Thor. Die reichen Fürsten folgten seinem Zug; Und Christen die sich traurend nicht mehr härmen, Was Flur und Garten nur an Blumen trug, Das bringen die herbei mit frohem Lärmen, Daß Windes Flügel süße Düfte schlug, Als sie mit Blumen durch die Gassen schwärmen, Um auf den Weg nun freudig sie zu streu'n, Der Floren führt zum hohen Münster ein. Die Kirche war im reichsten Schmuck gezieret, Ein Bischoff stand an dem Altar bereit; Als kaum des Königs Fuß die Schwelle rühret, Ertönt ein Chor in voller Herrlichkeit, Deß sanfter Strom, der mild die Herzen rühret, Sie ahnden läßt die ew'ge Seeligkeit. Die heil'ge Messe ward also gesungen, Und jedes Herz von Andacht heiß durchdrungen. Mit Würde war der Gottesdienst begangen, Nun fleht der König um der Kirche Seegen. Der Bischoff stillt sein brünstiges Verlangen, Will beider Hände ineinander legen. Nun haben sich in heil'ger Eh' empfangen, Die sich so innig liebend mußten hegen; Er führt die Gattin zum Pallast zurück. Ihm aus den Augen strahlt sein himmlisch Glück. Denn nun darf er ihr Spaniens Krone geben, Und sie erheben auf den Königs Thron. Das süße Weib mit wonniglichem Beben Denkt, nun ist Leid aus meinem Kreis' entfloh'n, Und gold'ne Wonnen seh' ich mich umschweben, Mir naht' die Lust der seel'gen Engel schon; Der Wonne Strom ist durch mein Herz geflossen, Das Paradies ward neu mir aufgeschlossen. Manch festlich Spiel sah man nun wohl bereiten Dem Volk und Adel, kühnliches Turnieren, Gesang und Tanz sich um den Vorrang streiten; Doch Florens Herz kann solche Lust nicht rühren, Er sitzt in Liebe Blanscheflur zur Seiten, Kann nicht sein Herz vor Wonne mehr regieren, Und weint mit ihr die allersüßten Thränen, Um nur zu lindern seines Busens Sehnen. Doch endlich muß der Feste Lärm verrauschen Und sie umgiebt der Liebe Liebstes, Stille; Nun zärtlich träumend können beide lauschen, Auf süße Red', und süßer Liebe Wille. Wann Blick' und Küsse ohne Wort sie tauschen, Dann lebt ihr Herz in anmuthreicher Stille: Die Seele wähnt sich glühend erst durchdrungen, Seitdem sie beid' als Gatten sich umschlungen. Und Blanscheflurens Mutter still gesonnen, Hat die, wie Gott ihr große Huld gewährt. »Weil meiner Jugend Glanz, sprach sie, zerronnen, So bitt'res Leid das Herz mir oft beschwert, Dadurch ist mancher Heide nun gewonnen, Und Christus Schaar um Tausende vermehrt. Es führte Gott als Sclavin mich hier ein, Um durch mein Kind die Christen zu befrei'n.« Als reiflich dies ihr frommer Sinn erwogen, Will sie nicht länger in der Welt mehr leben, Als bis sie sieht auf Säulen und auf Bogen Ein geistlich Haus zu Gottes Ehren schweben. Bald wurde dies nach Florens Wort vollzogen, Den kühnen Bau sah man zum Himmel streben; So Kirch' als hundert Zellen steh'n erhoben, Für hundert Jungfrau'n, Gott darin zu loben. Nun, sprach die Fromme, inniglich gerührt: »Verschwunden ist so mein' als eure Pein. Gott der uns gnädig bis hieher geführt, Mag ferner auch euch Trost und Schützer seyn. Nur der Betrachtung, wie so mild regiert Uns seine Huld, will ich mein Leben weih'n; Noch heut die Welt und ihre Täuschung meiden, Doch wird mein Seegen nimmer von euch scheiden.« Und Flor' und Blanscheflur, zärtlich mitsammen Verleben Tage, Wochen, Monden, Jahre, Und stets sind gleich der inn'gen Liebe Flammen, Daß selt'ne Treu' erstaunt die Welt erfahre; Auf daß die Glut die früh sie ließ entflammen, Ihr Herz in Reinheit immerdar bewahre, So durfte nie in all' den Lebensstunden Ein kränkend Wort den andern je verwunden. Doch sind sie immer ohne Kind geblieben, Bis endlich sie der höchste Herr erfreut; Am Weihnachtstage wollt' es Gott gelieben, Daß er belohnt die reinste Zärtlichkeit. Es seegnet drum ihr innig treues Lieben, Die höchste Lieb' in seegenvollster Zeit; Nachdem sie glücklich zwanzig Jahr vermählt Und fünf und dreißig schon ihr Leben zählt. Da ward ihr holdes Töchterlein geboren, Bertha hat sie der Eltern Wunsch genannt, Die einst Pipin sich zum Gemahl erkohren; Es ward ihr Name glorreich weit bekannt, Tönt süß melodisch in der Gläub'gen Ohren, Die sich zum Kreuz vertrauungsvoll gewandt; Denn ewig lebt der Ruhm auf allen Zungen Des Helden, der aus Berthas Schooß entsprungen. Der große Karol, der die Welt entzündet, Daß sie in wahrer Gottes-Lieb' entbrannt, Deß Macht gewaltig Christus Wort verkündet, Die wilden Heiden zügelnd überwand, Der Wahrheit Reich durch Wort und Lehre gründet, Als willig horchend sich gefügt das Land: Er ist die Frucht so seelig reiner Triebe, Er ward erzeugt durch süßer Blüten Liebe. Sanft schwinden Flor' und Blanscheflurens Tage, Ihr Athmen wird dem Volke reicher Seegen. Ihr milder Blick stillt tröstend jede Klage, Es will den Schmerz ihr Aug' in Fesseln legen. Wenn hülfreich sie verscheucht der Armuth Plage, Von Herzen die sich schwer gedrückt bewegen, Wann milder Trost den Leidenden erschienen, Dann lächeln sanft die holden Engelsmienen. So lebten beid' in Liebe hundert Jahre; Wie sie geboren, so sind sie gestorben. In einer Stunde, und auf einer Bahre Ward für sie beid' ein einig Grab erworben. »Gott segne dich, so daß er dich bewahre,« Dies sprachen sie zuletzt, eh' sie gestorben; Und Gott erhörte, vor der Seelen Scheiden Dies inn'ge Flehn, wohl den Getreuen beiden. Nun dienen sie mit Glorie wohl umgeben, Als lichte Engel längst vor Gottes Thron, Und müssen dort in ew'ger Wonne schweben; Sie finden nun der Liebe seel'gen Lohn, Der sich ihr Herz auf Erden schon ergeben: So sprach die Frau im wehmuthssüßen Ton, Und endet nun von Flor' und Blanscheflur, Da Dämmrung schon beinah' umhüllt die Flur. Und still ist jeder in sich selbst versunken, Hegt zärtlich träumend liebende Gedanken, Sie haben all' von süßem Gift getrunken, Und fühlen sich im linden Schmerz erkranken. Doch macht dies Weh' ihr Herz so wonnetrunken, Daß sie der Minne für die Gabe danken; So schauten alle sinnend vor sich nieder Da sprach die Frau mit süßer Stimme wieder. Schon alle Wolken die so mild erglänzten, Im rothen Feuer leuchtend erst geblüht, Wie Rosen die des Himmels Saum umkränzten, Sie sind im warmen milden Duft verglüht, Und dienten nur daß sie die Pracht ergänzten Der Sonne die versinkend Strahlen sprüht. Die farb'gen Blumen haben Thau genossen, Und müde Augen träumend nun geschlossen. Das zeigt uns an wir müssen von den Bäumen, Von Bach und Blumen, von dem Ort nun scheiden, Wo uns umschwebt der Liebe süßes Träumen. Der Ritter seufzt, er fühlt ein herbes Leiden, Und darf doch nicht im Garten länger säumen, Der Schmerz des Abschieds läßt sich nicht vermeiden, Doch will er vor der Trennung es noch wagen, Sein Liebesweh der holden Frau zu klagen. Und als sie wandeln durch die dunkeln Gänge, Die alten Bäume leise rauschend flüstern, Da sprach er sanft: »Wenn es mir nun gelänge, In diesen süßen, anmuthreichen, düstern Baumlabyrinthen, liebliche Gesänge Dem großen Meister zärtlich nachzuflüstern, Dann möcht' ich hier sein Wort an dich noch richten, Ich sei Petrarc, und Laura du, erdichten. Viel tausendmal, o süße Kriegerinne! Bot ich mein Herz euch dar, damit mir Frieden, – Vollenden kann ich nicht mit scheuem Sinne, Ich wähne schon mich wie Petrarc gemieden, Eh' ich mein zärtlich Klagen noch beginne. O seelig Loos, dem Sänger hold beschieden! Es wird sein Leid in jedem Busen leben, Weil süß im Wohllaut seine Klagen schweben.« Er sprach im Schmerz: »Ich bin der Hoffnungslose, Und weiß den Schmerz so lieblich zart zu klagen, Daß mit der Tön' holdseeligem Gekose, Wohl niemand darf den kühnen Wettstreit wagen.« Tief seufzend bricht der Ritter eine Rose, Und spricht: Ich muß im stummen Weh' verzagen. Noch hat die Frau kein Wort zu ihm gesprochen, Nur eine Lilie sinnend abgebrochen. Doch jetzt spricht sie: »Seht, dünkt euch nicht das Thor Des blauen Himmels weit nun aufgeschlossen, Im goldnen Glanz schwebend der Englein Chor, Die nach Gesang die Lippen kaum geschlossen, Deß leiser Nachhall noch berührt das Ohr; Und Blumen nun, im Paradies entsprossen, Zur Erde streu'n, wo sie gleich Lichtern schimmern, So Blum' als Baum mit gold'nem Glanz umflimmern. Und du stehst da ein leuchtend Heil'gen-Bild,« So muß der Ritter liebend Antwort sagen; »Als Zeichen wie dein Herz so rein und mild, Soll deine Hand die weiße Lilie tragen. Für dich sind wohl auch sanfte Wünsche wild, Und Sehnsucht darf dir ihren Schmerz nicht klagen. Verstummen muß der inn'gen Liebe Qual, Da dich umleuchtet lichter Glorie Strahl.« Süß lächelnd sprach die Frau: »Mich zu entkleiden Vom falschen Glanz, tret' ich in dunkle Schatten; Die Nacht bricht ein, und seufzend muß ich meiden Die Wonnen all' die wir versammelt hatten, Da ich vom Garten traurend nun soll scheiden. Wir ruhten sanft auf frischen Blumenmatten, So Bäum' als Wasser rauschten, Sonn-Gefunkel Durchzitterte der Bäume lieblich Dunkel. Die Welt war mir geschlossen in dem Kreise, Der hier versammelt gütig wollte hören, Der Kinder Lieb' in holder Blumen Weise. O könnte mir der Wohllaut angehören, Der in Petrarca lebt in mancher Weise! Dann würde sich kein Sinn der Macht empören, Es würden lieblich meine Reim' erklingen, Und sanfte Glut wohl jede Brust durchdringen. Dann fänden all' ihr eignes Herz gespiegelt Die auf mein Wort im stillen Schatten lauschen, Ihr süß Geheimniß lieblich hier entsiegelt; Doch dann würd' ich die Melodien vertauschen, Und hätt' ich es dem inn'ren Sinn entriegelt, Wie Waldungen in einem Baume rauschen, Dann fühltet ihr die Liebe der Natur, Geschmiegt in zweien Blumen von der Flur. Doch da ich zaubrisch nicht vermag zu schildern, Seh' ich in Wehmuth beide Blumen blühn. In unsern Händen werden sie zu Bildern Der Flammen, so die Seele uns durchglühn, Um freundlich dein und meinen Schmerz zu mildern Soll deine Ros' an meiner Brust verblühn, Und was zwei Herzen zärtlich in sich tragen, Mag dir von meiner Hand die Lilie sagen.« Sie reicht die Blume und ein Druck der Hand Durchzitterte des seel'gen Mannes Brust. Ob auch die Glorie nun vom Himmel schwand, Er ihr vom Aug' auch scheiden nun gemußt, Hat in dem Stern er doch die Lieb' erkannt; Dadurch erbebt sein Herz in seel'ger Lust, Die spielt um ihn wie lichter Sterne Funkeln, Drum kann die Nacht sein Glück ihm nicht verdunkeln. Im Garten ist der Liebe Ton verklungen, In dunklem Schatten ruht er still versunken, Die Vögel haben längst nicht mehr gesungen, In nächt'gen Träumen wiegen sie sich trunken, Und schwarz Gewölk am Himmel wild verschlungen, Verlöscht nun bald der letzten Sterne Funken, Gießt Regen strömend nieder viele Stunden, Bis Finsterniß vor Morgenglanz verschwunden.