Zwischen den Schlachten (Eine schleppversfüßige Betrachtung) Das Geschäft in Bomben und Torpedos geht Augenblicklich in Ostasien ziemlich stille. Seitdem die japanische Flotte nach Wladiwostock Für zweimalhunderttausend Rubel Stahlzylinder geschmissen hat, Ohne beträchtlichen Schaden anzurichten und, Infolgedessen, ohne der Weltgeschichte Ein neues Kapitel einzuverleiben, ist So gut wie noch weniger passiert, es sei denn, Daß ich die Äußerung jenes Adjutanten Des Generals Kuropatkin erwähne, der Sich heute schon einen alten Hut voll freut, indem er Sich vorstellt, wie er mit den übrigen Helden Des heiligen Rußland eine Spritztour durch Japan Macht und die niedlichen Geishas aus nächster Nähe Kennen lernt und statt Wuttki Sake säuft. Aus diesem Grunde scheint es angebracht, Betrachtungen Ganz allgemeiner Natur darüber anzustellen, Wohin sich nun wohl eigentlich unsre Sympathien zu wenden haben; denn Das Vergnügen an einem auswärtigen Kriege ist nur halb, Wenn man nicht ganz genau und sicher weiß: Welcher der beiden ist meiner Teilnahme würdig? Nun könnte man freilich sagen: »Dummes Zeug, sie sind Mir alle beide gleichermaßen pipe,« – aber Dann ist die Sache eben ohne jeden Reiz. – Nein: Ich möchte wirklich wissen: Wünsche ich Väterchen den Sieg oder dem Mikado? Väterchen ist mir wohlbekannt; er ist Mit dem Großherzoge von Hessen verwandt, und Jedes Jahr wohnt er ein paar Wochen in Darmstadt. Dort geht er spazieren wie ein gewöhnlicher Mensch, Hat ein kleines, weiches Hütchen auf und interessiert sich Für Professor Olbrichs Dreieckornamente. Manchmal unterhält er sich mit Ernst Ludwig Über die verflossene Künstlerkolonie und Über das Wetter: Daß es veränderlich ist, Wie Fürstenlaunen, und manchmal läßt er Eine Bemerkung darüber fallen, daß Seinem Geschmacke Darm-Athen besser behagt, als Berlin an der Spree, obwohl oder weil in dieser Stadt ... jedoch Das führt zu weit. – Vom japanischen Mikado weiß Ich weniger. Das Bild, das Sullivan Von ihm in Walzertakten entworfen hat, Scheint stark geschmeichelt zu sein; es heißt, Er sei nicht halb so amüsant in Wirklichkeit; doch Soll er einen Garten voll Chrysanthemen besitzen, in dem So viele Arten dieser Blume wachsen, wie Ein Europäer es sich durchaus nicht vorstellen kann. Demnach stünde der Zar mir zweifellos näher, und Ich habe auch wirklich einige Neigung, ihm Den Sieg zu wünschen, aber ich sage mir Dennoch manchmal: ein paar Hiebe Könnten den Russen auch nicht schaden, denn Schießt die Knute (das Bild ist kühn) zu sehr ins Kraut, Langt sie am Ende zu uns herüber, und Eigentlich haben wir selber schon genug Knutoïde Einrichtungen im Deutschen Reiche. Wendet sich aber mein Sinn sympathisch dann Hin zum Reiche der aufgehenden Sonne, so Wird mir doch gleich bange, denn schließlich: Was in aller Welt geht mich denn Japan an? Kawakami zwar hat in Erstaunen mich, Muß ich gestehen, heftiger gesetzt, als selbst Josef Kainz, denn sein Harakiri War eine angenehme Leistung, und seine reizende Frau, Sadda – Yakko, ist ein süßes Ding, das Nur mit immer neuer Rührung ich Lachen und weinen als Kesah sah. Aber, Selbst wenn ich Hokusai und Utamaro und Noch ein Dutzend schwer merkbarer Namen mir Ins Gedächtnis rufe und mit Dankbarkeit An Lackschatullen denke und Räuchergefäße Und seidene Kockemonos und die Dichterin sei Schonagon, – ich Kann mir nicht helfen, mir wird nicht warm dabei; Die gelben Äffchen bleiben mir ewig Hose wie Jacke. Was also tu ich mit meiner Sympathie? Zähl ich die Knöpfe an meinem Überrock ab, oder Rupf ich die Blättchen einem Chrysanthemümchen aus: Mikado – Väterchen, Mikado – Väterchen? Oder Wart ichs ergeben ab, was Bernhard Bülow in seiner Eigenschaft Als Kanzler des Deutschen Reiches für richtig finden wird? Oder gedulde ich mich so lange, bis der männermordende Gott der Schlachten mit sich ins reine gekommen ist, wem Von den beiden er seine Sympathie schenken soll? Nein, nichts von alledem gedenke ich zu tun: ich Lege mein nächstes Honorar (und wärens gleich zwanzig Mark) In Japan- oder Russen-Papieren an, je nachdem Mein Leibbankier die Konjunktur beurteilt, – und Von diesem Augenblicke an weiß ich bestimmt, wohin Die Nadel meiner Sympathie sich wenden muß.