Pandora Als ich heute früh im schönen Parke, Der voll lauter Birken steht, spazierte, Sah ich (nun, ihr brauchts ja nicht zu glauben) Eine nackte Dame auf mich zugehn. – Sag, wer bist du, sprach ich, nackte Dame? Reizend scheinst du mir und liebenswürdig, Eine auserlesne Augenweide. Selten sah ich noch so schöne Beine Und so wohlgefügte volle Brüste, Selten noch so schöne Haut: atlassen Glänzend und vom Blut des frohsten Lebens So von innen her erwärmt, durchleuchtet. O wie schön (laß mich dich nah betrachten!), O wie schön sind deiner weißen Brüste Blasse Rosen, holder Frühlingsgarten. Ach, und welch Entzücken darf ich fühlen, Sieht mein Aug den Glanz der blonden Haare, Wie sie von der Stirn im schönsten Bogen, Aber wellig, hintenüber fallen Und hinab den Rücken fließen bis zum Wohlig rundlichen Geschwisterpaare Zweier ganz vollkommnen Hemigloben. Diese Grübchenhände! Diese Füßchen! Jedes Glied ein tadellos Gebilde, Jedes Nägelchen ein Schild der Schönheit, Und der Mund: des Eros goldner Bogen. Denn aus Gold sind deine Lippen, – seltsam, Bernsteingoldig deine Augen, – seltsam, Und dein Nabel eine weiße Perle. Ei, was trägst du da in deinen Händen? Solch ein kostbar Kästchen sah ich niemals: Mattes Gold, durchsetzt mit Glutrubinen, Die, ein Rosenkranz von Licht und Farbe, Ringsherum wie trunkne Augen leuchten. Also sprach ich und sank in die Knie, Küßte ihrer Füße Lilienblätter Und ließ meine Lippen an den Füßen, Wünschend, daß ich ewig liegen dürfte In so selig klarer, voller Andacht. Da umflossen mich die gelben Haare Wie ein Strom von allen Wohlgerüchen: Rosen, Veilchen, Lilien und Narzissen, Alle eins geworden, alle Düfte Frühlings und des Sommers eins geworden: Höchsten Lebens Atem, stark und lieblich. Und die Schöne sprach zu meinen Häupten: Weil du gläubig bist und immer wieder Deine Hände, Adorant der Schönheit, Betend, hoffend hebst ins Licht der Sonne, Unbeirrt ein Jünger der Bejahung Und der Künste allertreuster Diener, Bin ich Nackte vor dich hingetreten, Ich: Pandora, des Hephaistos Bildwerk. Ich entstamme nicht der Kraft der Lenden, Mich erschuf die Kunst des Feuergottes; Nicht geboren ward ich: ward gedichtet. Darum sind von Golde meine Lippen Und von Bernstein meine großen Augen, Und es leuchtet mir an Nabels Stelle Eine Perle wie ein blindes Auge. Andern heiße ich nur Schein des Lebens, Spuk und Blendwerk, Spiel verzückter Sinne, Doch dem Künstler bin ich höchstes Leben. Ihm allein bin ich die Allbegabte, Ihm allein gehören die Geschenke Meines goldenen, verkleinodierten Schreines, der des Daseins holdste Gaben Alle in sich birgt. Willst du sie nehmen? Bebend griff ich nach dem goldnen Kästchen, Das mir nun die Wunderbare reichte, Und ich sprach, mit Schleiern vor den Blicken: Gib! Ich weiß, die Gaben der Pandora Heißen Übel, und die Weisen fliehn sie, Murmelnd, daß sie Gift und Wahnsinn seien, Nebelgüter, die das Licht der Wahrheit, Scheinbar hold, doch trügerisch verhängen. Ach, die Weisen mit den blinden Augen! Ach, die Weisen mit den Tranlaternchen! Mögen sie die graue Wahrheit suchen Und die Schönheit als ein Trugbild schelten: Ich will lieber deiner Hände Gaben Fromm empfangen, ob sie auch vergehen Und nur schöne Formen sind und Farben. Seiens Gifte, nebelnde Gespinste: Ich will lieber alle Gaben missen, Die die andern wahre Güter nennen, Und in ihrem Netze selig sterben. Sprach die Göttin: Schilt mir nicht die Weisen! Irre sind sie auf gewundnen Wegen, Wunderlich Beseßne, doch sie suchen Mich auf ihre Art. Der Götter Träume Sind unendlich vielgestalt; die Weisen Sind der Götterträume Nebelbilder, Und sie selber träumen Nebelhaftes. Denn ein jeder träumt nur, was er selber In der Götter Traum ist: Blumen – Blumen, Sterne – Sterne, Menschen – Menschen, und die Dichter Sind, weil sie wie Götter schaffend träumen, In der Götter Traum die hellsten Träume, Denn sie wissen einzig, daß sie Traum sind. Freue dich! Es gibt nicht höhre Gabe. Selig, wer es fühlt, daß er geträumt wird, Selig, wer ein guter, stiller Traum ist, Selig, wer so stark ist, so zu träumen, Daß Gestalten wie im Traum der Götter Aus ihm gehen: tiefsten Lebens Zeugnis. – Willst du, daß ich nun das Kästchen öffne? Es ist leer, dein Herz ist viel, viel reicher. Nur ein Klang ist in ihm. Lausche, Lieber, Und laß nie aus Ohr und Herz dir schwinden Dieses Klanges tiefe Offenbarung. Lauschend legte ich mein Ohr ans Kästchen, Und es schwoll wie von entfernten Harfen Ein Gesang ins Herz mir: diese Worte: Liebe ist des Traums der ewigen Götter Einziger Sinn, wer Liebe träumt, den lieben Sie als ihren schönsten Traum. O träume Liebe, Dichter, sei kein Alp der Götter! Leis verklang das Singen in dem Kästchen, Brausen regte sich im Birkenwäldchen, Lautlos schwand die Herrliche. Ich sah sie Eine Kußhand noch herübersenden Und ein Lächeln mit dem goldnen Munde. Weiße Wölkchen stiegen aus den Birken Und zerwehten schnell wie seidne Flocken Zart am blaßblau klaren Morgenhimmel. Harfen haben mich nach Haus begleitet, Harfen klingen durch mein ganzes Leben, Seit Pandoren ich gesehn. Die goldnen Lippen meiner Lieben Frau vom Traume Leuchten mir durch alle meine Tage.