Diskret Bei Mädchen, die einen schlechten Lebenswandel führen Und sich dabei nicht einmal zieren, Bei Mädchen, die, wenn es dämmert, spazieren, Indem sie sich in den Hüften wiegen, Während sie sonst meistens im Bette liegen Oder Patience legen Oder einer Lektüre pflegen, Die man nicht anders als mißbilligen kann, Weil sie die Seele nicht hinan, Sondern hinunter führt in Sphären, Wo reine Seelen niemals verkehren, Bei Mädchen, sag ich, solcher Sorte, Daß, sie nach Gebühr zu charakterisieren, Die deutsche Sprache ermangelt der Worte, Weil sich sogar die ältesten Adjektive genieren, Bei solchen Mädchen, kurz und gut, Sieht man, legt man seinen Hut Auf der Kommode oder sonstwo nieder, Hergestellt durch Photographie Oft eine ganze Bildergalerie Von Männerantlitzen brav und bieder. Zumal die Armee und Reichsmarine Steuert dazu bei manche stolze Miene Von kriegerischer Entschlossenheit Und Schnurrbartesisterreichtigkeit. Aus allen Truppen treffen sich hier Korporal, Sergeant und Unteroffizier, Wobei natürlich der Kavallerist Immer bei weitem der schönste ist. Das Zivil ist nicht so stark vertreten, Und wenn, so sind es meist Athleten, Die auf dem Bizeps eingegraben Einen blauen Reichsadler haben Oder das Bildnis seiner Majestät Oder eine schöne Nudität Oder ein nützliches Gerät, Z.B. einen Anker oder eine Kanone. Zum Beweise aber, daß auch Gefühl in ihnen wohne, Sieht man auf ihrer Mannesbrust zumeist Ein Herz, aus dem eine Flamme schlägt, Was, gut und richtig ausgelegt, Auch bei Athleten soviel wie Liebe heißt. Trotzdem ist, wenn man den Mädchen glaubt, Der Gedanke an Liebe hier nicht erlaubt. Alle diese Gefreiten und Sergeanten Gehören zu Annas Anverwandten, Desgleichen ein jeder Kraftathlet Zu ihr in Verwandtschaftsbeziehungen steht (Woraus ein jeder ersehen mag: Sie ist von einem guten Schlag), Doch ist es besser, sie offenbart Ihre tüchtige Herkunft auf aktive Art, Denn, ohne ungalant zu sein, Möchte ich mir zu bemerken erlauben, Es ist diesen Mädchen nicht sehr zu glauben, Sie sind geübt in Schwindelein. Ein jeder weiß, daß jede erzählt, Sie sei die Tochter eines Pastoren Und zu was anderem geboren Und sei auch schon Gouvernante gewesen, Habe einer alten Gräfin vorgelesen Und was so mehr Geschichten sind, Bis zum bewußten ersten Kind Vom sittenlosen Sohn des Hauses, der Ihr plötzlich raubte ihre Ehr. In solchen Romanen haben sie Eine Ossip Schubinische Phantasie. Und also mag man den Lilienstengeln Auch in Hinsicht der vielen Cousängeln Mit einigem Mißtrauen entgegentreten: Es sind die Krieger und Athleten Nicht mehr mit ihr verwandt als wie Ein jeder andre Besucher und sie. Woher dann aber die Photographie? Das, wertes Publikum, ist die Magie Der Liebe, ist die Wahlverwandtschaft, Hier waltet mehr als flüchtge Bekanntschaft, Hier waltet tiefe Sympathie. Was hier auf lichtempfindlichen Papieren Gerahmt in Plüsch und Zelluloid Mit starrem Aug bezahltes Karressieren Allstündlich vor sich gehen sieht, Ist der Beweis, daß auch in Annas Seele Die Liebe lebt, die gratis sich ergibt.