Karl Bleibtreu Weltgericht Tragödie in 2 Theilen und 5 Akten 1. Teil Personen Personen. Danton, früher Winkeladvokat, Marat, Redakteur, früher Erfinder, Arzt und Romanzier, , Führer der Jakobiner. Marquis Condorcet, Naturforscher, Frau Roland, Schriftstellerin, , Führer der Girondisten. Collot d'Herbois, früher Schauspieler; Deputirter; später Volksrepräsentant. St. Just, früher Dichterling; Deputirter; später Volksrepräsentant und Mitglied des Wohlfahrtsausschusses. Talleyrand, früher Bischof von Autun, Volksrepräsentant. Theroigne aus Mericourt, früher Schauspielerin. Henriot, Marktschreier; später Stadtkommandant von Paris und Divisionsgeneral. Hoche, Hauptmann, später kommandirender General Biron, Herzog von Lauzun, General. Marie, Marquise von Sombreuil. Gräfin Theresa Cabarrus, Madame Tallien genannt. Napoleon Bonaparte. Leuchen Duplay, Tischlerstochter. Katharina Theos, Wahrsagerin. Ein Sanskulott. Zwei Adjutanten. Ein Wachtposten. Ein Gensdarm. 1. Akt Erster Akt. Saal in den Tuilerien. Links ein Schreibtisch, an welchem Danton und die Andern sitzen, lesend und schreibend. Es ist Nacht. Mächtige Leuchter brennen. Im Hintergrund links ein Erker mit offenem Altan, durch den man nach Paris hineinschaut. – Links und rechts Thüren. Rechts im Hintergrund offene Thür, von wo man in Nebensäle sieht. Danton. Barras. Talleyrand. Collot. Theroigne. steht auf. Bist Du fertig? Zu Talleyrand. steht auf. Ich bin fertig. Uebergiebt ihm ein Papier. Die Kriegserklärung an England! liest. »Sintemal die englische Regierung sich erfrechte, Maßregeln des Convents zu mißbilligen ...« Sehr gut. Lieber Talleyrand, vormals Bischof, das Kanzel-Pathos laß' ich mir gefallen! Zu Collot. Expedire das! Collot ab nach Hintergrund rechts. Ganz Europa marschirt wider uns. Parbleu, das bläst aus allen vier Winden. Blast nur drein, ihr fremden Trompeten ... wir ersäufen euer freches Getön im Chorgesang unsrer Kanonen. Vorwärts, alle Fahnen, mit dem brausenden Fittich der Freiheit! Draußen ein lang anhaltender Trommelwirbel unter dem Altan. unten. Rapell! Rataplan, rataplan! ... Eins, zwei, drei! Die Trommeln schweigen plötzlich. Tiefe Stille. an den Altan tretend. Henriot! unten. Zu Befehl, Herr Justiz! Stehn Deine Banden alle versammelt? unten. Wir sind alle beisammen, Herr Justiz. Und Deine Leute, Theroigne? Alles bereit. Verlies den Herren da unten noch mal das Dekret der vollziehenden Gewalt! tritt an den Altan und liest. »Im Namen des Ueberwachungsausschusses der Kommune! Auf den Rapell, der geschlagen wird, darf kein Bürger mehr sein Haus verlassen. Das Weitere wird sich finden.« Es wird sich finden. Marsch! unten. Ma – arsch! Ma – rsch! Musik der Marseillaise, die sich rasch in der Ferne verliert. Collot kommt rechts zurück. Barras, sind meine Befehle vollzogen? Die schwarze Fahne weht von den Thürmen der Kathedrale. Die Lärmkanone wird von Stunde zu Stunde abgefeuert. Hat Marats Zeitung gehörig eingeheizt? Sein Wisch trieft förmlich von Blut. Lacht. Was werden Deine Kollegen sagen, Justizminister, daß Du alle Ministerien zugleich in Dir vereinst ... aus eigner Machtvollkommenheit? Sie werden mir sagen lassen, daß sie mir etwas ins Ohr sagen wollen. Ich aber werde schreien ... durch Thaten. ... Ich bin die vollstreckende Behörde der Republik. Justiz, Finanz, Krieg, Marine, Inneres und Aeußeres, alles miteinander fällt unter mein Ressort. ... Talleyrand, Barras, jetzt in den Stadtrath! ... Ihr wißt, ich hab' Euch zu Repräsentanten für den Süden ernannt, Toulon und Marseille! Wir erwarten unsre Vollmachten. Beide links ab. Nun zur Vendée! großartig. Die Vendée muß erwürgt werden in ihrem eigenen Unrath. Brav, lieber Junge! Man muß sie umschnüren mit einem Gürtel von glühendem Erz, von Kanonen und brennenden Dörfern. Und Lyon? heiser die Faust ballend. Ja, Lyon? Nieder damit in Schutt und Asche! Stößt ihn vertraulich an. Du Collot, Du bist der Mann dafür. aufspringend, mit verzerrtem Gesicht. Ja, ich! In Lyon ... da ... das weißt Du wohl nicht, Danton ... Wie, welches Verbrechen an der Menschheit hat Lyon verübt? ausbrechend. Ausgepfiffen haben sie mich, die Elenden! Einen Künstler wie mich! Mit dieser Stimme, dieser Haltung! ernsthaft, bedauernd. Du, der geborene Komödiant! ebenso. Der schon im täglichen Leben sich wie auf der Bühne bewegt! Nicht wahr? O geniale Köpfe wie Ihr verstehen mich. Aber sie, die Krämer, die Heringsseelen ... Ich spielte Tamerlan den Großen ... mein Benefiz ... grandios, gigantisch ... Mit Pose, den Arm ausreckend. immer ernsthaft, ihn nachahmend. So! ... So wie Du eben bist! mit Würde. Just so ... wie ich bin. Und sie ... sie haben gelacht ... Schluchzt. über Collot d'Herbois, diese Zierde der gallischen Bühne! Furchtbar ausbrechend mit geballten Fäusten. Ich will euch weinen lehren. immer trocken, überlegen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Du wirst die Bühne Lyons noch einmal betreten ... als Tamerlan der Große. mit kindisch wahnsinnigem Gekicher. Da brauch' ich keinen Souffleur ... als Ober-Regisseur der ganzen Inscenirung ... Dein Stichwort kennst Du wohl, wie? Macht die Gebärde des Dolch-Stoßens und dann des Kopf-Abschlagens. Ritsch, ratsch! Vorhang fällt. fällt ihr zu Füßen. O Theroigne, göttliche Muse! Du verstehst mich ganz. Gieb mir den Schwesterkuß, o Edelste der Frauen! Da, Schmachtlappen! Küßt ihn. brummt. Immer zu! Ich erlaub's! plötzlich ruhig, steht auf. Wer wird die Armee führen? Vielleicht Ronsin ... hastig. Ach, nur Ronsin! Ich bitt schön! Der arme Kerl! War nämlich dramatischer Dichter ... Ach du lieber Gott! Und seine Tragödien, seht ihr ... unter uns, ein rechtes Gesudel, aber das schadet nichts ... ernsthaft. Das Talent ist ein aristokratischer Unfug. ungeduldig. Und Ronsin's Tragödien fielen wohl durch, he? salbungsvoll. In Lyon. Hihihi, faule Aeppel und Eier ... nein, das ist mir noch nie passirt ... ach, der arme Ronsin! notirt. Genug, Ronsin ist Chef der Revolutionsarmee gegen Lyon. Seine besondere Befähigung für diese Aufgabe ist erwiesen. Ich der arme Ronsin ... wir geben unser Benefiz ... hoho, für effektvolle Aktschlüsse sorg' ich schon ... es bleiben Leichen genug auf der Bühne liegen ... man wird uns Beifall klatschen von allen Gallerien ... Tanzt wie verrückt umher, trällert. Draußen Kanonenschuß. Das Massacre beginnt! Ist der Offizier draußen, den ich herbefahl? Er wartet seit einer Stunde. winkt. Theroigne und Collot nach Hintergrund rechts ab. Danton setzt sich an den Schreibtisch links und kramt in Papieren. – Hoche tritt von dort ein, in schlichter Uniform. ohne aufzusehen. Hauptmann Hoche? Der bin ich. wie oben. Fünfundzwanzig Jahre alt? So ist's. Ein schönes Alter. Die Söldner der Tyrannen gehorchen sechzigjährigen Eseln. – Armer Leute Kind? Sohn eines Hundewärters? Sieht plötzlich Hoche an. Siehst nicht so aus, vornehmes Herrchen! Doch das soll Dir bei uns nichts schaden. Die Republik bedarf der Jugend, sie ist selber jung. Sturmläuten hinter der Scene, verwirrtes Geschrei. horcht auf. Bartholomäusnacht?! Pah, pah! Nur etwas Verjüngung. Man läßt zur Ader. Plötzlich aufspringend. Habe keine Zeit mehr. Mach', daß Du zur Armee kommst. Da! Reicht ihm ein Papier. Adieu! betreten. Bürger Minister, ist das Alles, weswegen Du mich rufen ließest? Ach so, er ahnt noch nichts. Da Er hebt ein Manuskript vom Pult auf. ist Deine neuliche Denkschrift über die matte Kriegführung. Sag's noch mal in zwei Worten! eifrig. Massen bilden. Wir verzetteln unsre Kräfte. Vorwärts, in große Armeen vereint! Die Defensive verdirbt uns. Hindernisse? Die giebt es nicht. majestätisch die Hand in der Brustöffnung. Genug, mein Lieber. Du hast meine Intentionen mit Klarheit und Verständniß erfaßt. – Du bist Generalissimus. erregt. Bürger Danton, Scherz oder Ernst? Ich scherze nie, gilt es das Wohl der Republik. Lies doch! Du hältst das Dekret in Händen. liest. Danton, wie soll ich Dir danken! Durch einen Sieg. Deine Vorgänger benahmen sich unwürdig, verstanden nicht zu siegen – Kopf ab! Und Du, willst Du den Deinen wagen? fest. Ich will. Sollten wir auch dabei ertrinken, laßt uns waten durch's rothe Meer! schiebt ihn jovial zur Thür hinaus. Bravo, mein Junge! Siege, siege – oder –! lacht. »Kopf ab?!« Es lebe die Republik! Ab links. Es lebe Danton! Was ist die Republik ohne mich! Schellt. Theroigne tritt ein. Der Bürger Biron, vormals Herzog von Lauzun? Wartet im Vorzimmer auf Deine Ordre. Er ist nicht allein. Eine verschleierte Dame kam mit ihm. Damen – was! In solcher Nacht! – Laß die Donna draußen und führ' ihn herein. Theroigne ab, kommt gleich darauf mit Biron zurück, vom Hintergrund rechts. jovial eintretend, in Husaren-Uniform. Guten Abend, Schwerenöther! Ihr habt mich von der Rheinarmee nach Paris befohlen. Ei, die vielen Papiere! Mein Verhaftsbefehl darunter? Na, was gebt Ihr hier wieder an? Bringt Anderen Eure Begriffe von Freiheit bei, he? geht. Ueberlaß das uns! kneift sie in die Backen. Reizende Schelmin! Zwei Pistolen am Busen lehnend! Zwei Säuglinge wäre besser! Die Freiheit bedarf der Rekruten. Womöglich Drillinge! Theroigne ab. ein versiegeltes Papier vom Tisch nehmend u. ihm überreichend. Bürger Biron, vormals Herzog von Lauzun, Du bist von der Rheinarmee versetzt zur Armee der Vendée und erhältst ein Armeekorps. In die Vendée?! Pfui Teufel! Gegen Landsleute! Gegen Aristokraten. – Fort mit Dir und daß Du Dein Aeußerstes thust! Denn, Du ahnst wohl, wenn Du Vormals-Aristokrat nicht gegen Deine Vettern und Onkels doppelten Eifer entfaltest – So werd' ich doppelt geköpft, denn euch ist Alles möglich! Deswegen hast Du mich gewählt, Du Taugenichts. – Her mit dem Dekret! – Draußen steht eine Dame, die ich auf Deinen Passirschein durchschmuggelte – haha, man glaubte wohl, ich kuppelte Dir ein Dirnchen zu – Eine Bittstellerin? Jetzt? Bist Du toll? Es blieb sonst keine Wahl. Thu's um meinetwillen! Eine Cousine – nicht wahr? Marie von Sombreuil. winkt. Adieu, Du schneidiger Kerl! Biron links ab. Gleich darauf vom Hintergrund rechts tritt Marie ein, tief verschleiert. nach einer Pause. Sie stehen vor Danton. Vor dem Justizminister. Herr Minister, es geht etwas Furchtbares vor. Alle Straßen verödet, nur Banden von Pikenmännern suchen die Häuser ab. Die ganze Stadt scheint ein Gefangener, den man knebelt. – Was, o was bezwecken diese Maßregeln? Meine Gnädige, das kann ich Ihnen in wenigen Sätzen expliziren. Kurz, bestimmt, im Kommandoton. Sperrung der Hauptstadt, 48 Stunden lang. Haussuchung nach allen Verdächtigen. Kurz, alle Gefängnisse überfüllen, um sie sofort wieder zu leeren – durch's Messer. aufschreiend. Gräßlich! In dem Augenblick, wo Paris in dichten Schaaren ausrückt gegen den Landesfeind, muß man Verräther durch Schrecken bändigen. Wir wollen keine Banditen in unserm Rücken zurücklassen ... heftig. Sprachen die Banditen! O mein Gott! Und mein Vater – Jawohl, ich weiß, warum Sie kommen. In welchem Gefängniß sitzt er? In La Force. wie vor sich hin. Hm, das kommt zuletzt dran. Zuletzt –? Es ist also wahr? O schändlich ungeheure Frevelthat! wohlgefällig. Ja, Europa wird einen Schrei ausstoßen. Nur durch Erschütterung kann unser Boden die fremden Heere von sich wegschnellen. Sie halten Ihr Verbrechen noch für Genie?! Warum nicht? Die alten Kutscher von Europa werfen um! Ich bin der Staatsmann Europas. höhnisch. Sie putzen sich eitel mit Ihren Freveln. Das ist wie ein Affe, der sich eine Tigerlarve vor's Gesicht pinselt. Weil ihre blutunterlaufenen Augen flimmern, sehen sie eine Aureole über ihrem Stierschädel, und weil sie Unmenschen sind, halten sie sich für Uebermenschen, die freundlichen Herrn Jakobiner! aufflammend. Weißt Du, Aristokratin, die Du nur Mannsbilder kennst in seidenen Strümpfen, mit denen ihr eleganten Damen galante Fächersprache pflegt – weißt Du, Französin, wer sie sind, diese Jakobiner? Was sagst Du zu diesem Sturm, der in Millionen Herzen den Stolz des Sieges entzündet noch vor dem Siege? Ihm wollt ihr widerstehen, ihr Zwerge, der euch knickt wie gebrechliches Rohr? Zupft nur den schlummernden Löwen, sein Gebrüll wird euch bald verscheuchen, bis ihr unter die Erde kriecht! Schreibt hastig links. Hören Sie mich wohl, meine Gnädige: Was halt' ich in meiner Hand? Den strengsten Befehl, Ihren Vater sofort in Freiheit zu setzen und in Sicherheit aus Paris auf den Schub zu bringen. stürzt jubelnd auf ihn zu. Großherziger Mann! da sie das Papier an sich nahmen will. Pardon, noch eine kleine Formalität. Ich gewähre viel, es könnte mir Kopf und Kragen kosten, wär' ich nicht der Danton ... aber umsonst ist der Tod. Wenn ich Leben schenke, so will ich mein Leben genießen. zitternd. Was denn meinen Sie? Umsonst .. ja, nehmen Sie Alles, was ich besitze, was wir besitzen ... auch mein Vater wird seinen ewigen Dank .. Ihren Vater kenn' ich nicht. Sein Dank interessirt mich nicht. Aber Sie .. Ich? Meine treue Erinnerung .. meine Thränen werden Ihr beflecktes Bild reinigen .. meine ewige Achtung .. Achtung? Pah! Die Frau soll lieben. Lieben? Aber ich kann doch nicht ... Sieht ihn an, versteht, zurückschaudernd. Ah! mit heiserem Flüsterton, an sie herantretend. Morgen früh wird man Sie zu Ihrem Vater geleiten, frei mögt ihr Beide heimkehren auf euer altes Feudalkastell, von seinen Zinnen hochwohlgeboren herabzulächeln. Verstehst Du, morgen früh! Aber diese Nacht ... diese kurze, fast schon zerronnene Nacht gehört mir! auf einen Stuhl sinkend, das Gesicht in den Händen verbergend. Ah, Scheusal! cynisch lachend. Hasse mich, ekele Dich vor Danton dem Plebejer! Aber ruhen werde ich an Deinem Busen, wühlen werd' ich in Deinen seidenen Haaren und ruhen wird mein Mund auf Deinen stolzen Lippen. stürzt fort. Hinweg! Gut. – Dein Vater stirbt. Sterbe er denn! Er würde sein Leben nie erkaufen wollen durch meine Schmach. cynisch. Wieviel Geschrei um ein paar Küsse! Verächtlicher! Schon Deine Worte sind Entehrung. Sie will fliehen. Dies Billet geht nGicht ab, aber dafür ein andres, an Henriot, den Kommandeur der Mordbanden: Dein Vater stirbt tausend Tode. aufschreiend. Gott! Zusammenbrechend. Vernichtung! Leben und Freiheit für eine Stunde in Dantons Armen – Sie aufrichtend. Liebchen, komm, sei mein! O gerechter Gott, könnt' ich diesen elenden Leib zerschmettern in tausend Stücke, eh' dieser Satan ihn befleckt! Könnt' ich mir das Herz ausreißen und gegen die Erde schleudern, die solche Frevler trägt! Plötzlich ruhig. Umsonst ist der Tod. – Sende den Freiheitsbefehl, ich bin Deine Sklavin. klingelt. Collot kommt. Marie verschleiert sich. Diese Ordre sofort an Henriot! Zu Marie, nach rechts weisend. Dorthinein! Marie ab durch Thür rechts. Ich bin bis Morgen für Niemand zu sprechen. possenhaft. Ich lächle verständnißvoll. Trällert. Heimliche Liebe, von der Niemand nichts weiß .. Ab. Danton ab nach rechts. Man hört die Thür verriegeln. JUST hinter der Scene links. Botschaft von Robespierre! Collot eilt nach links ab, ihm entgegen. Kurze Pause. Dann St. Just von links mit Collot. Frech! Mir den Eintritt weigern, Mir? Befehl des Ministers – JUST. Befehl! Fängt Das schon an? Danton schläft! JUST. Ah, Danton der Große – er kann schlafen! Halblaut. Bis wir ihn wecken! ... Blut fließt wie Wasser in den Gossen und er ... Bah, wer in Revolutionen noch Herz haben will, der hat ... hehe ... das Herz nicht auf dem rechten Fleck! Schlaflosigkeit? Kommt Alles von den Nerven. JUST kalt. Ich arbeite, das hält mich wach. Frau Roland und Condorcet hastig von links. noch hinter der Scene. Platz für die Botschaft der Gironde! Einlaß im Namen des Convents! Wo ist Danton? Verkriecht er sich vor dem Morgenstern, der seine Werke sieht? Scheußliche Banden verhüllen ganz Paris wie ein blutsaugerisch Spinngewebe. Uns wollten sie den Weg versperren, den Vertretern der Nation! Der Minister ist nicht zu sprechen. heftig. Er soll und muß und wird! torkelt von links herein. Danton, große Kunde! Zweitausend Tote! Verfluchte Royalistenhunde, Verschwörer wider die Majestät des souveränen Volkes! mit Ekel. Wünsch' gute Verrichtung! will sie umarmen. Gegrüßt, theure Frau, Freundin der Menschheit! mit Abscheu abwehrend. Du riechst nach Blut und Branntwein. Das ist der Freiheit ein lieber Geruch! Eh! Will St. Just umarmen. JUST. Hebe Dich von dannen! Und mag Dich die Botschaft nüchtern machen: Robespierre mißbilligt Alles! erschrocken. Robespierre?! O weh! spöttisch. Im Voraus! Er weiß zwar noch nichts, er mißbilligt nur! Lärm draußen. blickt nach links. Herrje, das kann hübsch werden! Nun wird die Baracke voll! Stimmen hinter der Seene links »Hoch Marat!« begrüßt. Der Vater des Volkes! Marat wirb links von zwei Sanskulotten hereingetragen und sieht sich mißtrauisch um. Die Sanskulotten entfernen sich wieder. Ungethüm! Als ob das gute Herz nur durch zerrissene Lumpen scheinen könnte! Die Kröte aus dem Kellerloch! zu St. Just. Ich lobe Eure Wohlanständigkeit, Robespierre und St. Just! Ironisch. Ihr dürft Euch diesen Luxus gestatten, Meister wie Jünger. Ein Andrer würde verdächtig der Mäßigung. Doch über diesen Verdacht seid ihr erhaben! kreischt. Man belege die Hofbuchdruckerei mit Beschlag ... sie hat vier Druckerpressen ... es darf überhaupt nichts mehr gedruckt werden ... Außer Dir natürlich! fährt ihn an. Man schwatze keine Selbstverständlichkeiten! Alles Andre konfiscirt ... Nur so kann ein volksthümliches Schriftthum gegründet werden. Schmeißt Zeitungen herum. Man lese meinen Leitartikel über die Minister, diese Liberalen von Zucker! Da die Liste dieser Brüllassen! liest. Lauter Gelehrte! Sie fallen in Ohnmacht, wenn sie den Schweiß des Volkes riechen. Wer ist denn Monge? Ein Automat. Lavoisier? Ein Plagiator. Laplace? Eine Rechenmaschine. Und wer ist Roland? Ein Hanswurst. Ich kenn' ihn. Ein Weinfälscher! Ich danke meinem ehrenwerthen Freund, der soeben gesprochen. Er hat dem Steckbrief unseres Premierministers einen feinen Zug hinzugefügt. Na und Condorcet ... vortretend. Hier! Bitte? über ihn weg. Ein Tartüffe in Bäffchen! Vergniaud ... ein Gaukler, Brisson ein Spitzel ... o überall Scorpionen, Schmeißfliegen, Schlangen ... Schlag zu, schlag zu! Volk, laß dich nicht verblüffen! Ich suche gesunde Geister, Originale, mit einem Wort Naturmenschen! Ich bin ein Naturmensch, ich! Diogeneslaterne, mit Galle geschmiert! Man hört nicht auf den politischen Arzt! Mine Diagnose war immer sicher, meine Prognose unfehlbar, meine Therapeutik human und äußerst wohlthätig. Zittert vor falschem Mitleid! Anfangs genügten wenige Köpfe, etwa fünfhundert, eine Kleinigkeit. Aber je mehr der Krebs um sich greift, desto breiter die Amputation. Als geprüfter Chirurge schätzte ich neulich die Zahl der abzuhauenden Köpfe auf vierzigtausend, heute muß ich auf dreihunderttausend bestehen! Die allein thun's! Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, oder Tod! Fällt Henriot erschöpft in die Arme. Alter ehrlicher Schmierfink! Der macht keine »langen Finger«: hat sie krumm geschmiert! Diese Kannibalen der Schreibstube wollen nichts übrig lassen! Achtung! Das Kulturmensch legt wieder los! Ach der soziale Aussatz wuchs wunderbar! Versteht mich wohl, ihr Lieben, nur eine gründliche Operation ... JUST höhnisch. Keine Bange! Wir ernennen Dich zum vereidigten Staatsoperateur. Wer ist denn Lafayette? Ein Gassenjunge. Ging nach Amerika, um für die Freiheit zu fechten? Lächerbar! Er litt an Liebesgram für eine geschminkte Vettel! Da haben wir's! Stille Wasser sind tief! Ich kenne diese Geschichte, ich war selbst dabei. prustet vor Lachen. Marat war der glückliche Rivale! zu St. Just. Soll man den »Naturmenschen« noch länger rasen lassen? JUST bedächtig. Dieser große Patriot hat doch in seinem Wahnsinn viel Methode. Laut. Ein tiefer Denker! Brüder Naturmenschen! Gründen wir die einzig wahre Gleichheit: die Gütergemeinschaft! Nieder mit der Schlechtigkeit! Der Schrecken muß zur Tagesordnung erhoben werden! Der Schrecken! rechts an der Thür. Verriegelt? Klopft. Erkorener Richter, Justizminister, ich rufe Dich im Namen des Gesetzes! drinnen, mürrisch. Ich komme. zu Condorcet. Ha, Du Akademiker! Du besaßest einige wissenschaftliche Kenntnisse. Du und ähnliche nicht unbegabte Köpfe, ihr bildet ein Komplott wider mich. Ihr engen Geister thatet Euch zusammen, um mich zu erdrücken. O, wie hat man mich verfolgt, mein Genie stückweis vernichtet! achselzuckend. Verfolgungswahn aus Größenwahn! grimmig. Du Verlehrter! Sprich, daß ich Dich examinire: habe ich nicht Newtons Gravitationsgesetz in meiner »Optik« widerlegt? Dich selbst widerlegtest Du ... durch Deine Widersprüche. Schweig, Elender! Ja, ich bin ein zweiter Newton und mehr wie das. Selbst die Charlatane eures sogenannten wissenschaftlichen Körpers erkannten, daß meine intuitive Methode über das nervöse Fluidum all ihre Arbeiten zur Vergessenheit verdammt! Das merke Dir, sonst geht's Dir schlimm! O ungeheuerlich! Predigt seinerseits. Die Philosophie, die allen Vorurtheilen den Garaus macht – Die Philosophie ist auch ein Vorurtheil! Danton von rechts, die Thür hinter sich schließend. Das sieht Dir ähnlich, Abtrünniger der Wissenschaft! Doch wisse, ich glaube an die Allmacht der menschlichen Vernunft. Alle Schranken der Materie wird sie durchbrechen, alle verborgenen Quellen des Urgrunds entdecken. O Bürger, wann beginnt dies goldene Zeitalter? Wir werden das Angesicht des Universums erneuern! Mit weihevoller Pose. zu St. Just. Ein wahres Tollhaus! Eine fixe Idee tobt gegen die andere. Wir positiven Geister – was sagst Du dazu? JUST mit unheimlichem Flüsterton. Ich sage: die Naturwissenschaft ist der Materialismus. Dieser Götzendienst muß vertilgt werden – als anti-republikanisch. schüttelt den Kopf, halblaut. Der hat auch seine fixe Idee. Danton, als Bevollmächtigte der ganzen Partei der Gironde fordern wir Aufklärung über die schaudervollen Ereignisse dieser Nacht! grüßt. Zu Befehl, Madame, fordern Sie gütigst! Die Anarchie ist der Anfang vom Ende. Nach den Gesetzen der historischen Drehung ... lacht. Die machen wir selbst! Und wehe, wer den Kopf nicht dreht, wohin uns beliebt! Sind Freiheit und Gleichheit nur Tigerinnen, die sich zerfleischen? Schwestern sollten sie sein, so sich zärtlich umschlingen, wie Ismene und Antigone! grob. Ihr ollen Griechen, wir brauchen nicht Attisches Salz, sondern Pariser Mutterwitz! wüthend, daß Danton ihn nicht beachtet, predigt auf Henriot los. Man muß eine enorme Quantität von Messern fabriciren. Diese Messerei muß von Staatswegen obligatorisch werden. Verstanden, Ihr Esel? Und nun los wie alte Römer! Danton lacht. Glaubt man, ich lasse mir imponiren von gewissen Leuten, die große Herren wurden und sich von ihrem Raub einen Bauch anmästen? Ich bin der öffentliche Ankläger, und ich vergöttere in Mir die Diktatur des Proletariats. die Faust gegen ihn ballend. Du, Du! Kusch Dich! auf Danton zutretend, halblaut. Sage Dich los von den Mordbuben, verleugne und verdamme die feige Schlächterei! stolz. Meine eigenen Werke bestrafen? Nimmermehr! Ich bin zu groß, um zu heucheln, zu stark, es zu müssen! Du sollst ... Sollst! Reizt nicht den Tiger auf, sein Sprung tödtet! ... Ihr glaubt, die Entbindung gehe schmerzlos ab, aus der eine Welt sich neugebären soll? Höre mich, Danton! Die Männer begeistern sich für einen Gedanken, die Frauen verlieben sich in ihn. Ich ... ich liebe die Revolution wie einen ... Geliebten! lacht cynisch. Ja wohl ... platonisch! kreischt. Die Roland hat Größenwahn. Hält sich für die Schloßherrin der Republik. Das ist ihre fixe Idee. Grüßt. Küss' die Hand, Frau Königin! Ich verschmähe es, einer solchen Kreatur zu antworten. Ihr alter Mann hockt auf dem Rathhaus und sie geht hier mit jungen Leuten spazieren! von links eingetreten. Die Roland, was will denn Die? Kommandirt wie ein Polizeiwachtmeister! Dieses Bürgerdämchen ... das verreckt noch an lauter Hochgefühlen! Hat sie nicht neulich getüftelt: ›Man muß das Volk zur Freiheit erziehen!‹ Uns erziehen? lacht. Wir sind schon ungezogen genug! mit Pose. Du bist ihr hundertfach über. Sie hat noch nicht mal einen Liebhaber, Du – na, wer war der neunundneunzigste? brüllt. Hoch die Hundertmännerfrau, hoch die Riesendame! zornig. Duckmäuser! War auch mal ein Mädchen wie andre ... Ihr lacht, Jungens, traut Ihr mir das nicht zu? Ist's möglich? Doch ... doch ... ich kann's bezeugen ... Theroigne war auch mal Würgt. Mädchen ... Tropf, was weißt Du? Aber da kam so'n Herr Marquis ... Teufel, was mich erinnern! unten. Danton, Danton heraus! JUST rennt an den Altan, kehrt bleich zurück. Dort unten steh'n die Banden Kopf an Kopf und heben die blutigen Picken empor, auf jeder – – Nun was? JUST schaudernd. Sieh selber nach! kaltblütig. Vermutlich einen abgehauenen Kopf. Das ist die neueste Mode. krächzt und fuchtelt mit der Hand. Köpfe als Fehdehandschuh! unwirsch. Was schreit der Schreiber, als ob er am Spieß stäke! klopft ihm auf die Schulter. Du Lictorbeil, das vor dem Konsul einhergeht! brummt. Wenn nur's Beil nich mal hin ter euch dreinkommt, ihr Maulhelden! begeistert. Thränen der Rührung träufen mir die Backen herunter ... wie vor'm Bastillesturm! JUST trocken. Ich erinnre mich. Nachher beim Sturm sah man Dich weniger. Er bleibt bis Schluß mit verschränkten Armen im Hintergrund stehn. unten. Herr Justiz, Herr Justiz! Wir wollen Sold. Sold woll'n wir haben. »Arbeiter« in Menschenfleisch! erscheint mit dem Kopf über die Rampe. Wir sind die armen Arbeiter der Kommune. Bei solchen schlechten Zeiten! schaudernd. Die Bestien! Da! Da habt ihr die Spähne von der ganzen Holzhackerei! MARIE'S STIMME von rechts. Danton!! Man hört einen dumpfen Fall. Unten lauter Lärm. JUST an den Altan stürzend. Ein junges Mädchen hat sich aus dem Fenster gestürzt – sie ist todt – – setzt sich mit wankenden Knieen. Mit unheimlich rauher Stimme. Mußt Du denn Alles beschnüffeln, Du Reporter? Danton fixirend. Sie stürzte aus dem Fenster dort rechts nebenan – die verriegelte Thüre – packt Collot am Arme. Das Billet, das ich Dir gab – ruhig, dicht an Danton herantretend. Ich fing den Boten auf. Man hat Deine Handschrift gefälscht. mit furchtbarem Blick. Prächtig, Theroigne! Du wachst über mir wie ein – guter Engel. Er wendet sich gegen die Wand. Es – hat mich etwas angegriffen! Er erhebt sich langsam. Ich habe meinem Verbrechen in's Angesicht geseh'n und ich habe es begangen. ruhig. Schrei nicht so! Du übertönst doch nicht die Stimme Deines Gewissens. unten. Platz dem Bevollmächtigten der Kommune! Barras von links. mit der Trikolorenschärpe umgürtet, schreitet feierlich auf Danton zu. Bürger Minister, ich nahe Dir im Namen der Stadt Paris. Die Munizipalität hat dekretirt, daß Du Dich wohlverdient gemacht um's Vaterland. mimt. Roth dampft es über Paris – ist das die Morgenröthe, ist es das Blut der Verräther? Ja, die Morgenröthe der Freiheit! verächtlich. Blut! krächzt der Rabe ohne Unterlaß – einst hat er mehr als ihm lieb ist: erstickt noch dran! Ich gönn's ihm! Barras tritt an den Altan. Drunten wüstes Geschrei. Er spricht hinunter. Meine Freunde, meine lieben Freunde, Gejohl. meine hochverehrten Mitbürger, die Kommune schickt mich zu Euch, um Euch bemerklich zu machen ... oben. Wir merken nischt! Schickt lieber Branntewein! fortfahrend. Ich bitte um geneigtes Gehör! – – bemerklich zu machen, daß Ihr diesen schönen Tag entehrt. Man hat der Kommune berichtet – unten. Ein Berichterstatter! Schlagt ihn todt! mit erhobener Stimme. – berichtet, daß Ihr die Schufte von Aristokraten plündert, nachdem Ihr Gerechtigkeit an ihnen geübt. Laßt Geld und Geldeswerth, was die Kadaver an sich tragen, ganz unberührt – Is nich! Haut ihm! mit Stentorstimme. Ich bitte um Ruhe. Ich stehe hier im Namen der Kommune. Kommun genug bist Du. Wir sind die Kommune. Der große Akt der Gerechtigkeit, den Ihr so bieder vollzogen habt, verursacht der Kommune namhafte Kosten und diese sollen nämlich mit der Hinterlassenschaft jener Verbrecher bestritten werden. So 'ne Gemeinheit! Jedoch, versteht mich wohl, Ihr Lieben – was Euch angeht, da seid unbesorgt! Man zahlt Euch den bedungenen Tagelohn sechs Franks pro Kopf. oben. Lohnt sich auch g'rade, für so 'nen Spottpreis so 'ne saure Mühe! Danton, Danton, wir wollen Danton seh'n! Danton 'raus! Wirds bald? bedeckt seine Augen mit der Rechten. halblaut. Danton, Du weinst?! Ja, ich .. Gefaßt. Ihr kennt nicht meine Kraft. Wir haben die Kraft des guten Gewissens. bitter. Da habt Ihr was rechts! Wohl wissen wir, es geht auf Leben und Tod. Die Revolution ist wie Saturn: Sie wird ihre Kinder verschlingen. Haha, auch ihre eig'nen Väter. Wenn Ihr fallt – – Dumpf. And're werden folgen. Tritt an den Altan und spricht hinaus. Ihr Leute, brav gemacht! Ihr seid die Geburtshelfer der Revolution. unten. Hahaha! Danton soll leben! Dreimal hoch! Ihr seid die Leibmörder der Freiheit. Ich grüße euch, ich der Minister des Todes! Tumult hinter der Scene und Musik der Marseillaise. geht; der Tag bricht an. Die Sonne bringt es an den Tag, die Blutschuld raucht zum Himmel. gen Himmel deutend. Wohl! Wie heißt der Stern, der uns am nächsten schimmert? Der rothe Mars – heut sind wir Marsbewohner! Der Vorhang fällt. 2. Akt Zweiter Akt. Dieselbe Dekoration. Um einen gedeckten Tisch rechts sitzen Barras, Talleyrand, den Federhut der Volksrepräsentanten auf dem Kopf, Theroigne und Madame Tallien. Danton am oberen Ende des Tisches erhebt sich soeben und bewillkommnet Hoche, der von links eintritt. Dort in der offenen Thür steht ein Grenadier-Wachtposten, der vor Hoche präsentirt. stellt vor. General Hoche! Unser Jüngster und Größter! erhebt ihr Glas. Der Sieger von Weißenburg und Wörth! geziert. O so viele Berühmtheiten! So viele gezähmte Löwen! stellt sie Hoche vor. Und Löwenbändigerinnen! Die Bürgerin Tallien ... von unserem Kollegen in Bordeaux! Hoche ins Ohr. Noch unverehelicht! Genire Dich nicht! ölig. Unser Hoche in Paris? Der gehört doch an die Grenze zum Ruhm der französischen Waffen! setzt sich. Plötzlich herberufen! Carnot will den Feldzug besprechen. Carnot? Die Puppe! Was, der Organisator des Sieges? Draußen bei euch, Du naiver Krieger! Daheim da unterschreibt er einfach, was Robespierre ihm vorschreibt und St. Just. auffahrend. St. Just? Den kenn' ich ... nur zu gut! War ja Diktator im Elsaß! Und bei mir im Feldlager! Er zerbricht die Armee in meinen Händen. Ach, man jage uns Generale fort oder Euch Volksrepräsentanten! Talleyrand und Barras trinken ihm lächelnd zu. Ist's wahr, der junge St. Just ist ein Frauenhasser? O wie unanständig! Jeder hat seine kleinen Schwächen, St. Just keine. Da ist seine große Schwäche. Und erst sein Meister! Eine Spukgestalt! Der Unbestechliche und Unerbittliche! Hu! Seh' ich meinen Schatten, erschreck' ich, als schleiche Er hinter mir her! heftig. Dieser Pfaffe im schwarzen Talar? Der Schafskopf ist nicht fähig, ein Ei zu kochen ... und gackert, als lege er das Ei des Columbus! Ei, der Schulfuchs versteckt sein Messer in glattpolirter Scheide, ein philosophischer Raubmörder. Früher schnurrte er wie ein Hauskater, heut fletscht er die Zähne wie eine Tigerkatze. Die Krallen bleiben dieselben! schlägt an ihren Säbel. Bah, wir haben Tatzen! ... Dieser heilige Knochenmann präparirt sich lebendig zur Reliquien-Mumie. nachdenklich. Frau Roland auf dem Blutgerüst, mit ihr die ganze Gironde! Und Marat auch hinabgefahren ins ewige Nichts! Sei ihm die Erde leicht, auf der er so giftig herumkroch! Erhebt den Becher. Einer frißt den Andern. Wann kommen wir dran? draußen. Präsentirt das Gewehr! Der Posten präsentirt. Wer naht so ungeladen? JUST von links, grüßt leicht, im Eingang. Danton amüsirt sich? Alle starren ihn an. lacht. Der steinerne Gast im »Don Juan«! faßt sich. Ah Du, St. Just? Du siehst ja feierlich aus wie ein Küster. Wie ist mir doch? Wer war gleich der Chevalier von St. Just, der sich mit dem Balletcorps herumtrieb und in die Garde-du- Corps eintrat und eine lüderliche Dichtung verfaßte ... JUST feierlich. Ja, ich war der verlorene Sohn und nährte mich von Trüffeln in Gesellschaft unzüchtiger Weiber. Aber mein Tag von Damaskus kam, da ich Ihn, den Meister geschaut. Du vermagst nicht in das Mysterium einzudringen, also laß ab, daran zu deuteln! klopft ihm auf die Schulter. Junger Mensch, Du bist ja verrückt! JUST zuckt auf, sieht über ihn weg auf Barras und Talleyrand. Sieh da, zwei Henker in Gala! auffahrend. Oho! Bleib' bei Dir selber! JUST immer stehenbleibend. Ew. Majestäten sind wohl nicht gerne hier? In den Provinzen lebte sich's flotter! Zurückberufen ... wir wissen, wem wir's verdanken! JUST sich umschauend. Ich vermisse den Kollegen Collot. Wird noch erwartet. JUST. Ist's wahr, daß Lyon jetzt »Stadt ohne Namen« heißt? pompös. Das Weltgericht muß auf die Verräther fallen wie der Blitz und nur Asche übrig lassen. Lyon kämpfte gegen die Freiheit, Lyon ist nicht mehr. JUST kalt. Eine nette Wirthschaft ... Collot in Lyon, Tallien in Bordeaux Zu Barras. Du in Marseille Zu Talleyrand. Du in Toulon! Ihr habt ja gewüstet wie Heliogabal! Brennende Städte und Tafelmusik! Schauderhaft! Habe Dich doch nicht wie ein galvanisirter Frosch! Sollte man etwa Ritterfräuleins schicken, um die Leute zu schlagen? Nein, starke Geister ohne Skrupel! JUST. Ja, an Skrupeln leidet ihr nicht. Du etwa?! ... Man mußte einen Begriff von der Erhabenheit unsrer Stellung einflößen. Hat das Volk sich nicht vor jedem Prinzen geduckt? Wieviel mehr vor uns, die so viel mehr sind als Prinzen: Volksrepräsentanten! JUST kalt. Ja, Ihr repräsentirt ... Euch selbst! hinter der Scene. Präsent ... stürzt von links herein, wüthend, drängt den Posten bei Seite. Als er St. Just erblickt, wirft er sich auf ihn und will ihn würgen. Ah, da find' ich Dich! Brigant! Usurpator! Diktator! Er ist berauscht und stottert. JUST ihn abwehrend. Viel auf einmal. Geh' zu Bett! Was fehlt unserm theuren Collot? weinerlich. O theure Jungfrau – zittre, edle Frauen schauen auf Dich! ungeduldig. Woher kommst Du? Vom Jakobinerklub. Sie haben Hand gelegt an den Gesalbten des Volkes, sich vergriffen an der Majestät seines Erwählten ... Ein Attentat? groß. Nein, man hat mich geprügelt! Gelächter. JUST höhnisch. Das geht noch über die faulen Aepfel von Lyon! rasend, ringt mit ihm. Du lügst! Ronsin war's, der große Dramatiker, den man mit Aeppeln warf ... aber Dich werd' ich in den Staub werfen, Du ... Du Sejan des Tiberius! unwirsch, drängt ihn fort. Verschlaf' Deinen Rausch! JUST. Wir kennen Deine Weinrechnungen in Lyon. Ich hab' sie revidirt, Du Spaßvogel! schluchzt. St. Just, Du hast kein Gemüth! JUST kalt und trocken zu dem Wachtposten links. Man geleite den Mann an die freie Luft! halb hinausgeworfen. Ich, der ich Tamerlan den Großen mit so durchschlagendem Erfolg ... Ab. hebt ein Papier auf, das St. Just beim Ringen mit Collot entfiel. Was ist denn das? ... Ah, die berühmte Aechtungsliste! St. Just will den Convent »säubern« ... die halbe Welt steht hier verzeichnet! JUST entreißt ihm das Papier und steckt es ein. Unterschlage gütigst kein fremdes Manuskript ... wenn Du auch sonst im Unterschlagen groß bist! stellt sich ihm vor. Wie geht es Dir? JUST kalt. Nicht gut. Und Dir? Gut. Wir sahen uns zuletzt auf dem Schlachtfeld. laut, bedeutungsvoll. Heut' vielleicht auf der ... Schlachtbank! der St. Just beobachtet hat, unwillig. Darf ich nun endlich fragen, Gebieter, weshalb Du mich beehrst? JUST setzt sich seitwärts auf den angebotenen Stuhl, schiebt aber ein Weinglas zurück. Wohlfahrtsausschuß ... Vollmacht von Robespierre. Bewegung. Erschreckte Pause. keck überm Tisch, Ellenbogen aufstützend. Wie geht's mit der Gesundheit, St. Just? Dieser sieht sie kalt an und schweigt. Kennst Du mich nicht mehr? JUST kalt, schneidend. Ich kenne Deine Liebeskorrespondenz mit verschiedenen Banquiers. verlegen, faßt sich. Und war ich die Buhlerin des Reichthums, so hab' ich mein Gold dem Vaterland geopfert. JUST. Man bedarf nicht Deines Goldes, man bedarf der weiblichen Würde. Wer stand in der vordersten Reihe, als man das Gitterthor der Bastille erbrach? JUST. Betrübend genug, wenn Du dies warst. Die Republik wünscht keine Mannweiber, sondern züchtige Hausfrauen. Du hast Deinen Lohn dahin, hast Dich in Genüssen und Ideen berauscht, die Revolution war Dir ein Hochzeitsfest. War! Wirfst Du mich schon zu den Todten? JUST salbungsvoll. Der Tod ist der Sünde Sold. Pedant! Was ist Sünde! Und was ist Wahrheit! Wir Alle rennen umher mit einem Visir. Und ihr wollt die Wahrheit pachten, ihr Theoretiker! JUST. O die Wahrheit hat ergreifende schreckliche Töne. Die Lüge kann sie so wenig nachahmen wie die Donnerkeile des Himmels! Auch verfrühte Wahrheiten sind Wahrheiten. Ist es schwachen Menschen erlaubt, sich zum Henkersknecht der Wahrheit aufzuwerfen? Hüte sich, wer das Schwert schwingt! Es ist zweischneidig und kehrt sich gegen ihn selber. JUST trocken, auf Hoche's Säbel blickend. Du liebst das Schwert nicht? Dafür kann Rath werden! Was soll das heißen? Eine kleine Ueberraschung? Was will der gute Mann? Sei ruhig! Nach so vielen Diensten, die Du dem Staat geleistet ... JUST. Der Staat! Was ist das für ein Ding? Der Staat ist das Volk. hinter der Scene. Präsentirt das Gewehr! Draußen Trommelwirbel. Was soll's schon wieder? Geht an die Rampe und blickt hinaus. Pest und Schwefel! Ein Bataillon um den Palast? Warum? JUST gelassen. Was weiß ich! Wohl eine Parade. Frag' Henriot! soeben mit zwei Adjutanten von links hereinpolternd. Da is er schon! ... Stillgesessen, Bürger und Bürgerinnen! Bruder Danton, hier ist's gemüthlich, Du Saukerl! Da sagt' ich zu mir in meinem Gemüthe: willst mal raufsteigen und zugucken, wie Danton säuft! Brüder Patrioten, wo's fidel ist, da bin ich alle Mal Derjenige welcher! Geräuschvoll verlegene Begrüßung. – St. Just bleibt sitzen, Henriot grüßt ihn devot. Zu Hoche. Ah, Kamerad Hoche! Hoche nickt kalt und vornehm. Wie geht's, wie steht's da draußen im Felde? Ja wir, Kamerad, machen auch gute Arbeit daheim. Stellt sich ihm vor. Der kommandirende General der Gewaltsarmee von Paris! verächtlich. Ja, ihr seid eine gewaltige Gewaltsarmee ... gegen Wehrlose. rasselt mit dem Säbel. Ein Aristokrat, he?! Halt's Maul! Respekt vor dem Vertheidiger des Vaterlandes! Das Zivil schweige! Mustert den Tisch. Na, hier geht's ja hoch her! – Bürger Adjutanten des kommandirenden Generals der Gewaltsarmee, notiren Sie meinen Tagesbefehl: Die Adjutanten notiren eifrig in Schreibtafeln. »Bürger, Soldaten! Vor Paris nichts Neues. Mögen die Tyrannen Paläste bauen, wir wollen als Asyl nur eine Hütte Rülpst. na ... als Reichthümer reine Sitten.« lacht. Er meint wohl seine Loge in der komischen Oper! bitter zu Barras. Eine neue fixe Idee! Der Säuferwahnsinn! donnert. Das Zivil schweige! Trinkt. Na, Prost! Den Mein mißbilligend. Du ... der ist verdächtig! Zu St. Just. Fahre in Deiner schönen Ergießung fort, ehrwürdiger Vater des Volkes! Ich bin Dein lieber Sohn, an dem Du Wohlgefallen hast! Meine Adjutanten, hierher zu meiner Rechten und zu meiner Lenken! Lauschen wir gemeinsam den Orakeln! vornehm zu Danton, halblaut. Man muß den Menschen hinausbringen! Hör mal Du – hier wird keine Volksversammlung abgehalten! schlägt sich auf die Brust. Henriot in eigener Person genügt für eine Volksversammlung! barsch. Lärmmacher! Stillgestanden im Dienst! Ich bin Dein Vorgesetzter im Rang. Wa – as? Wo hat sich dieser Fremdling herverirrt? zornig zu St. Just. Ein Hexenkessel, dies Paris! Zuckungen wie Todeskrämpfe, Labyrinth voll herzloser Teufel – und wo der Ariadnefaden? JUST. Gerechtigkeit. Wer strauchelt, der falle nur! Gerechtigkeit ist kein Brot. Das Volk hat nichts zu essen. JUST. Der Mensch lebt nicht von Brot allein. Sondern von jeglichem Wort, das aus dem Mund Robespierres gehet? Verwandle lieber Steine in Brot, wenn Du Messias bist! JUST. Ich bin nur Apostel. Petrus, der dreinschlägt? Tugendapostel mit Wasser in den Adern! Nehmt euch in Acht, Robespierre hat eure Tugend gewogen und – na, ihr wurdet zu leicht befunden. faßt sich. Man soll nie gegen sein Vaterland murren. Es bleibt uns're Mutter, auch wenn es uns stiefmütterlich behandelt. JUST ist aufgestanden, legt seine Hand auf Hoches Schulter. General, es will Dich Jemand sprechen. aufspringend. Wer, wo? JUST kalt, tückisch. Draußen vor der Thür. Wer? – weiß nicht. begreift; laut. Man meldet mir, das Vaterland wünsche mich zu sprechen. Betretene Bewegung. hohnvoll gravitätisch. Gestatte, daß ich Dich begleite! hoch herab. Ich führte die Heere der Republik zum Sieg, ich bin nicht gewohnt, geführt zu werden Halblaut. zum Tode. Ab nach links. laut, grimmig. Auch ich würde auf solch Geleit verzichten. JUST gedehnt. Wirklich? halblaut. In diesem Ton klirrt das Beil. mit Barras beiseit zu Danton. Was wird das? Euch Beiden will er ans Leder. Doch noch bin Ich die Arche Noah! Ich rett' euch aus der Sintflut! Zu St. Just. Was that euch Hoche? JUST. Ehrgeiz ist eine schöne Gottesgabe, aber Alles mit Maß. Der eitle Kriegsruhm ist immer verdächtig. Ihr werdet bald keine Generale mehr haben. reckt sich. Oho! Bür ger -Generale! JUST boshaft. Du übertreibst. Wir haben z.B. Biron .. ja, Der ist übel auf Dich zu sprechen .. ich beklage es. Du erinnerst Dich wohl seiner Cousine – wie hieß sie doch? zusammenschauernd. O! Auf St. Just los, heftig. Spaziert zum Monde zurück, woher ihr kommt! Eure Allmacht ist die Ohnmacht! JUST boshaft. Liebhaber der Freiheit! Bist Du eifersüchtig? brüllt die Faust auf den Tisch schlagend. Jetzt haben wir adlige Passionen, ja wir Plebejer! Seht mich an, den Grandseigneur der Ohnehosen! JUST zimperlich. Schone meine Ohren! Erröthen sie so leicht? Hier singt man keine Sonnette von Petrarka! Sich in Positur werfend, hochmüthig St. Just messend. Danton – und wer bist Du?! JUST erhebt sich gleichfalls, stolz. St. Just – und was bist Du?! Heftig. Eiserne Stirn und eiserne Stimme! Wer wärest Du im bürgerlichen Leben? Ein Räuberhauptmann, der eine Bande sucht! Danton will sich auf ihn stürzen, Henriot tritt dazwischen. sucht nach einem Schimpfwort. Du .. Du freundlicher Jugendgreis! JUST elegisch. O ich weiß, mein Meister und ich, wir schleifen uns tausend Dolche, wir überliefern uns den Verruchten! Die sind froh, wenn Du sie nur zufrieden läßt! JUST. Wir werden den Tod wie eine Wohlthat empfangen, nachdem unser ganzes Leben ein Opfer war! faltet die Hände. Thu uns die einzige Wohlthat und verschone uns als Opfer! JUST seufzt. Ach, mein Untergang naht sich mit schnellen Schritten! Bin ich Kain? Ach, ich bin Abel. O Du Gottergebener! Verschone uns mit duftigen Poesieen! Ich wittere Leichenduft. Ausbrechend. Wessen Kopf willst Du? JUST düster. Es müssen wohl noch viele Köpfe fallen. Macht nur so weiter! Bald wird Frankreich eine Wüste sein, wo nur Trappisten murmeln: Memento mori! JUST steht plötzlich auf; drohend, scharf. Und wenn sie sich in die Eingeweide der Erde verkröchen, wir werden die Würmer mit Schwertstreichen herausschneiden. zu Talleyrand. Er verschlingt uns schon mit den Augen, der herzige Junge! JUST gesteigert. Wenig liegt daran, wieviel Eitelkeiten man in das Nichts zurückschickt. Man wird Bescheidenheit lernen und Redlichkeit. Du wärst mir der Rechte dazu! zu Barras, ironisch ängstlich. »Redlichkeit?« uns gilt's! unwirsch. Fühlst Du Dich getroffen? JUST. Nein, wir wollen kein Vorrecht, wir wollen keine Götzen. aufspringend. Jetzt kommt der Schlag! ruhig. Nur Muth, ich schütze euch! JUST. Noch lebt ein Einzelner unter uns, der sein Cyklopenhaupt emporreckt über die heilige Gleichheit – es soll fallen! mit beiden Adjutanten plötzlich Danton ergreifend. Im Namen der Republik! Bürger Danton .. Der Vorhang fällt. 3. Akt Dritter Akt. Dieselbe Dekoration. Um den Tisch links, auf dem allerlei Akten und eine Klingel, daneben Austern und Champagner, Barras, Collot, Talleyrand in begeisterter Triumph-Stellung. Victoria! Schwingt einen Kelch. Das Blut Robespierres ist das Abendmahl der Freiheit! Nehmet hin zu seinem Gedächtniß! feierlich. Weihrauch und Weihwasser der neuen Zeit! Immer bedacht auf Menschlichkeit, wollen wir jetzt ... Barras klingelt. Ein kleines Gebäck für Dame Guillotine zurecht machen. Das eiserne Naschmaul soll alle Finger danach schlecken. Gendarm tritt ein aus Hintergrund rechts. Ist Robespierre abgeführt? Laß sehen, ob ihn das Beil nicht reden macht, den großen Schweiger! Nun herein mit St. Just! Gendarm ab. Kinder, jetzt die goldene Mittelstraße! Die Schreckenszeit soll ja zu Ende sein ... pro forma ... doch man muß dem Pöbel Angst machen. Nicht zu streng, nicht zu milde, ein kleines Bouquet von Köpfen, etwa Fünf ... grinst. Fünf ist eine heilige Zahl. St. Just tritt von Hintergrund recht ein. Hehe, Besieger Dantons, da wirst Du nun selbst verspeist. O heilige Nemesis! Wenn ich nur wüßte, Du Dummkopf, warum ihr uns geschont habt? JUST kalt. Aus Verachtung. Wer fürchtet Genüßlinge! Krocht ihr nicht unterthänig zu unsern Füßen? Hehe, um in die Ferse zu stechen! JUST. Schlange! Zu Barras. Du Hofkoch der Intrigue, mansche nur in Deinen blutigen Saucen! Mit Lorbeer gewürzt! JUST. Du heisrer Wärwolf, Marius des Theaters! ... Ja ihr Alle, Herodiasse in Mannsröcken, tanzt nur mit unserm blutigen Haupt in eurer unsaubern Schüssel! neigt sich höhnisch. Johannes der Bluttäufer! JUST. Die Freiheit ist keine Kokette, die uns Fußtritte versetzt, damit wir um so brünstiger in sie vernarrt sind. Sie giebt uns den Laufpaß ... wir gehen. Bravo, Schwätzer! Klingelt. JUST sieht ihn an. Du kannst ja kaum erwarten, bis mein Mund mit Erde gestopft! Gendarm tritt ein. Fort mit ihm zum Richtplatz! JUST im Gehen feierlich die Hand erhebend. Es giebt eine andre Welt! lacht. Du wirst ja sehen. JUST drohend. Auf Wiedersehen! Ab nach links. – Dann kommt Condorcet von Hintergrund rechts, von einem Sanskulotten geführt – dem »Arbeiter«-Sprecher aus dem 1. Akt – der ihn vor den Richtern aufpflanzt. Du kannst mich jetzt loslassen, guter Freund. Holla, der Ex-Präsident des selig entschlafenen Reichstags, der letzte Girondist! Schon damals gefaßt, entwischte er aus der Haft! Droht ihm. Einer unserer gefährlichsten Ausbrecher! feierlich. Ah, ich fühle selig erschauernd den Odem der Göttin Vernunft, welche da leitet der Sterblichen Lauf. Heut naht der große Tag der Vergeltung. ... Condorcet, Dein Leben ist verwirkt. Das hoff' ich. schreibt. Also Condorcet, vormals Marquis ... vornehm. Das ist wohl jetzt gleichgültig. O Brüder, dieser wenig intelligent aussehende Greis war der Fluch meines Lebens. Ich werde euch mein Herz ausschütten. Was Teufel! Du hast ein Herz? Stille! Seit zarter Kindheit von der edeln Liebe zum Ruhm verzehrt, war ich stets groß, gut und original. Willst Du verstockt in's Antlitz des ewigen Nichts die Wahrheit verleugnen? Ich will ihr Blutzeuge sein. Wisset denn, daß ich in Mußestunden meines Künstlerberufes das lenkbare Luftschiff erfunden! lacht. Er segelt durch die Lüfte! furchtbar. Ah, Du willst spaßen! Höre, ich bin milde, langmüthig. Du hast mit mir eine gräuliche Fehde geführt, Deine Form war roh und unwissenschaftlich ... Armer Idiot! weinerlich. Da hört ihr! Selbst unterm Messer übt er seine teuflische Verfolgungssucht an mir! He, Präsident der Akademie! Was ich mir daraus mache, der Erfinder des Luftschiffs! Ich, ihr altersschwachen Perrücken, bin ein junger Adler! O, Du stirbst in deinen Sünden! Fort mit diesem Akademiker! Er werde ausgewischt! Du hast die Anklage-Akte gelesen? Leider, sie wimmelt von orthographischen Fehlern. Der gesunde Menschenverstand tritt einen unordentlichen Rückzug an. entrüstet. O Du verderbter Greis! Die Republik bedarf keiner Gelehrten. plötzlich zu dem Sanskulotten. Eure Messer, laut chemischer Analyse festgestellt, setzen leicht Rost an, infolge eifrigen Gebrauchs ... zeigt sein Messer. Det stimmt. Von wegen ville Blutflecken. Dem muß mein Experiment abhelfen. Erlaube mal .. Nimmt das Messer. So Ersticht sich. setzt man – keinen – Rost – an. Stirbt. Alle springen zu. die Hand über die Leiche ausstreckend. Ein Monument gelehrter Ueberhebung! wüthend. Un' wo bleibt meine Belohnigung? Hab' ihm doch springlebendig abgeliefert! Melde Dich bei der Staatskasse! Klingelt. Det kennen wir! Da giebt's nie nischt! Merkst de wat? Der eintretende Gendarm und der Sanskulott schleifen die Leiche hinaus. Zwei wären expedirt! Nummer Drei! Biron tritt ein, vom Hintergrund rechts in Uniform. Dein Name? hoch herab. Steht in den Blättern der Kriegsgeschichte. schreibt. Biron, vormals Herzog ... Pah, Kohl, Rübe, Herzog, das ist Alles egal. Bald eine handvoll Staub. Verlohnt nicht der Mühe, über solche Bagatelle nachzudenken. Ja ja, Zivilisten, so tödtet Ihr ... mit der Feder. Mit dem Degen auf zwei Schritt Distanz ... da wär' nun wieder ich euch überlegen! Jeder nach seinem Geschmack! klingelt. Angeklagter, man wird Sie zur Ruhe bringen! Junger Murrkops! Alter Zungendrescher! Unverschämter, dein Verrath in der Vendée – Schweigt, Ignoranten! Ich that meine Pflicht als ehrlicher Soldat. Nimmt eine Citrone von der Tafel. Ausgequetscht! Aber die Citrone war gut! Gensdarm tritt ein. Nicht mal füsilirt, geköpft wie ein Schneider ... na, ich bin fertig, da habt ihr mich! Sonst nichts zu Ihrer Vertheidigung? Nichts als: lieber heut als morgen sterben. Gewährt. Winkt dem Gensdarmen. Sofort zum Richtplatz! »Kopf ab!« Das ist Alles, was ihr zu sagen habt, und Das Dreht ihnen den Rücken. was ich dazu sage! – Na, alter Sünder, wo wartet dein Charonskarren? – Gesegnete Mahlzeit! Wird links abgeführt. Barras klingelt. näselt. Geköpft, aber immer elegant! Katharine Theos von Hintergrund rechts tritt ein, Greisin, phantastisch gekleidet. Katharine Theos, »Abgesandte Gottes« – Sie wankt. Ist Dir nicht wohl? Bald wird mir wohl sein. Geständig fanatischen Aberglaubens? Spart euren Athem! Gott sei gepriesen, der mich des Martyriums würdig fand! Papperlapapp! Du betriebst 'n blühendes Geschäft in Schwindel und schwungvollen Handel mit Hokuspokus! Das nennt sich Theosophie! Na, ältliche Maria Magdalena, wo hängt dein spindelbeiniger Robespierre? Futsch ist der ganze Kultus, heidi! Ungläubiger, was ich geweissagt, ist wahr. Wer der Erwählte, sagte mir keine Stimme. feierlich. Kinder, es geschehen noch Zeichen und Wunder! Wie wär's, wenn wir mal hohepriestern ließen? lacht. Geprüfte Seherin, lege uns Karten! Mach' Kunststücke vor! Was ist deine Wahrheit? beschwört theatralisch. »Erschein', erschein', erscheine hier! Den du im Geist geschaut, verlangt nach dir!« spricht mit gellender Stimme, verzückt. Die Kanone grollt. spöttisch. Das thut sie schon lange. Hört ihr Posaune Jerichos? Wir sind schwerhörig. Menschen, was seid ihr? Zweibeinige Hammel. Seid ihr Wesen, seid ihr nur Schatten? Spurlos, ziellos huscht ihr dahin. Na, die Blutspur ist doch recht deutlich. Ein schwarzer See um uns her, schlägt über uns zusammen ... der Tod. Herrje, die Neuigkeit! Zu so viel Geist citirst du Geister? Die haben ja ihren Geist aufgegeben, verstehst de! Aus weltferner Aetherhöh' strahlt ein matter Stern. O Uebernatürliches, das uns zu Häupten schwebt, was bist du? giebt Collot einen Nasenstüber. Ja, das möchtest du wohl wissen! Die Wunder sind deine ahnungsvollen Schatten. Sehr schattenhaft! Zeig' mal erst die Wunder! theatralisch nachäffend. O meine Ahnung! Das Genie ist ein Funke vom Quell des ewigen Lichts! Genie! So was giebt's ja gar nicht! Los, daß die Funken stieben! Jetzt ist sie im Zuge! Die kalte Vernunft betet ihr an, ihr Narren? Diese große Zeit, die uns schaukelte auf Sturmeswogen, war sie ein Werk des rechnenden Verstandes? cynisch lachend. Oho, wir rechneten genug! Siehe die Staatskasse! Spitzt Talleyrand Tinte ins Gesicht. Das muß wahr sein, du hast Dich manchmal verrechnet .. aber nie zu deinem Schaden. Des Schicksals Finger zeichnet die Gnadenwahl geheim in die Seele, nicht auf die Stirn, wo jeder Kurzsichtige es sehen könnte. Eine ganze Zeit, verkörpert sich im Unbekannten, Unscheinbaren, Ungeahnten! Er kommt, der Gewaltige des Herrn, die unsichtbare Idee neben ihm schreitend. In die Ferne. Du bist das letzte Wort der Revolution, wird man es lesen können? Vorwärts, Oedipus, sprich das letzte Wort, auf daß die Sphinx sich in den Abgrund stürze! Sehr laut. Das letzte Wort, Kaiser des Geistes! grimmig. Kaiser?! Was haben wir mit Geist zu schaffen! – Brauchen wir weiter Zeugniß? Klingelt, der Gensdarm tritt ein. Zum Block! Theos links abgeführt. Das sind ja lauter Rebusse! Klingelt. Lenchen Duplay tritt ein, von Hintergrund rechts. nach kurzer Musterung. Dein Name? einfach und bescheiden. Lenchen Duplay. lauernd. Du bist die Bürgerin Duplay, Tischlerstochter, mit welcher Ex-Diktator Robespierre lebte? aufhorchend. Ex-Diktator? Was heißt das? ... Ja, Bürger Präsident, und bei uns lebt der gute Bürger Robespierre. So, lebt er? – Der gute Bürger Robespierre hat wohl auch Dich in seine Pläne eingeweiht? verblüfft. Ich dummes Ding! Der große Mann wird mir seine Pläne ... Traurig. Ach, er, der so einsam und verschlossen ist! Ich möchte ja wohl ... o so gern ... wenn er mir was anvertrauen wollte, o das würde ich still verwahren wie einen heiligen Schatz ... Naiv. Ja, das könnt Ihr mir glauben, Bürger ... Hm. Hast Du viel mit ihm verkehrt? Ach nein. Er arbeitet ja immer, Tag und Nacht. Aber er gab mir botanische Stunden. boshaft. Ei, meine Tochter, was Du sagst! Und hat er Dich nur in botanische Geheimnisse eingeweiht oder ... hihi ... auch in andre? naiv. Ach, Du meinst, wegen der Geschichtsstunden, die er mir geben wollte? Das wißt Ihr auch? Ja, er mußte selbst eine Geschichtsstunde nehmen. ... Also von der Verschwörung weißt Du nichts? erregt. Wie, eine Verschwörung gegen Robespierre? O deswegen hab' ich ihn immer laut reden hören, wenn er in seinem Zimmer auf- und abging und ich ... Hold verlegen. ich horchte an der Thür ... Ihn nachahmend. »Die Buben, die Verräther!« Unruhige Bewegung der Anwesenden. mißmuthig. Bürgerin, Du kannst abtreten. Man ist von Deiner Unschuld überzeugt. Unschuld? Ja wie denn ... sollte ich etwa ... an einer Verschwörung ... ich ... gegen Ihn. .. pathetisch. Das ist die Stimme der Liebe! zurückschreckend. Liebe ... Verwirrt. Präsident, darf ich nun gehen? von links hereinstürzend, triumphirend. Robespierre ist todt! Lenchen schreit auf. Hussa! ... Wo ist Kollege Tallien? Erwartet uns bei Freundin Josefine. Wirst den Andern Kußhände zu. aufstehend zu Lenchen. Fasse Dich, mein Kind! Der Tyrann ist hingerichtet wegen seiner Verbrechen gegen den Staat. Klingelt. Der Gensdarm tritt ein. Verbrechen? Er?! ... Ah, das also Eure Verschwörung gegen den besten der Menschen? Gensdarm, führ' sie weg! Wohin? Nach Haus, wo er nie mehr ... Aufschluchzend. nie mehr sein wird?! Weg?! Ja, wo er hingegangen ist ... Sich aufrichtend. Bürger Präsident, ich bin sehr schuldig. Oftmals hörte ich ihn sagen, Ihr wäret lauter elende Schurken, und ich ... ich hab' es ihm von Herzen geglaubt. Weg! gerührt. Wär's nicht Barmherzigkeit, sie den andern nachzuschicken?! sinnend. Freilich, wir brauchen noch ein Gebäck. Es sind zu wenig. Entschlossen. Bürgerin, Dein Geständniß verändert die Sachlage. Bist Du Verschwörerin gegen den Staat, so mußt Du sterben. aufschreiend. O Glück! ... Ja, den Staat kenn' ich nicht, aber Robespierre kenn' ich, den Weisesten und Besten. Und wer ihn ermorden konnte ... das müssen ja gräuliche Menschen sein, so recht ruchlos, daß die liebe Sonne sich schämt ... klingelt. Genug. ... Man führe sie zum Schafott! froh. Ich komme. Abgehend. Es lebe die Republik! E r hat sie so geliebt! Ab. pathetisch. O Liebe, Du bist stärker als der Tod! Pause. rasch. Wie starb er? Z.B. Danton ... Nachahmend. »Henker, zeige meinen Kopf dem Volke! Er ist es werth!« Und Robespierre? Er schwieg. starr. Was, er hat gar nichts gesagt?! Gar nichts. Er nahm sein Geheimniß mit in's Grab ... wenn er eins hatte. Pause. schüttelt seine olympischen Locken. Ich habe diesen Menschen doch immer überschätzt. Er wußte also nicht einmal zu sterben!! Auf dem Schafott ... eine Gelegenheit, die sich nicht zweimal bietet ... die jeder Höhenmensch zu Geistreichigkeiten benutzt! Ich z.B. würde ... Macht eine Pose. So stirbt ein wahrhaft großer Mann. Nicht einmal einen guten »Abgang« hat er gehabt. mit düstrem Hohn. Ja, darin ist ihm jeder Schauspieler »über«. Sich aufraffend. Gehen wir! Das Tribunal ist aufgehoben. die Listen aufraffend, stutzt. Halt! Da steht ja noch einer auf der Liste. Liest. »Bonaparte, Brigadegeneral.« Bona – was das für eine Name ist! Den wird sich kein Mensch merken! klingelt. Unnöthig! Wir haben ja jetzt die runde Zahl fünf als Guillotinenfutter. Ja, hätten wir die kleine Duplay losgelassen ... Bonaparte in schäbiger Uniform von Hintergrund rechts tritt ein. ihn musternd. Hm, der sieht ungefährlich aus. ... Machen wir's kurz! General Popaparte, Sie sind angeklagt der Mitschuld an der Verschwörung. Ich weiß von Nichts. Gegen wen? Gegen die Freiheit des französischen Volkes. tiefergriffen. Ich gegen die Freiheit! ... Ich verdächtig! Doch mich tröstet mein Gewissen, daß ich mir selber nicht verdächtig bin. Jede Verschwörung verabscheue ich, gewohnt, nur die Prinzipien im Auge zu halten. Ein harmloser Exaltado! Bessern Sie sich, Pipaparte! Und schimpfen Sie nicht wieder auf die »Federfuchser«! Zeigt auf die Anklage-Akte. Solche Anzüglichkeiten verbitt' ich mir! O, deine Feder ... ich verehre sie! Sie schärft sich zum Schwert ... sie gab Tyrannen den Todesstoß ... Nimmt eine Feder vom Tisch und salutirt militärisch. ... ich salutire! nimmt eine Prise, wohlwollend. Nicht übel! Ein Streber! posirend. Mäßigung, junger Mann, Mäßigung. Eins ist noth: Weisheit und Tugend. O Bürger, Ihr erinnert mich an die Konsuln Roms, an die geheimen Drei Venedigs. Hier endlich geht mir ein Licht auf, worum die hohe Politik sich dreht. Wer war denn dieser Robespierre? Ein Ideologe. gelangweilt. Schluß! Der Champagner wird noch heiß werden, wenn ihr euch länger heiße Köpfe macht! O der Instinkt göttlicher Weiber! die beiden Andern unter den Arm nehmend. Champagnern wir! winkt dem Gendarmen über die Achsel, nach Bonaparte hin. Laßt ihn laufen! Schluß des ersten Theils. 2. Teil Personen Personen. Barras, Präsident des Convents, Carnot, Kriegsminister, , Häupter des Direktoriums. Menou, Kommandant von Paris. Talleyrand, Conventsmitglied. Bonaparte. Murat, Kavalleriehauptmann. Junot, Infanterieleutnant. Talma, Schauspieler. Josefine Beauharnais. Madame Tallien. Ein Redakteur. Ein betrunkener Muscadin. Eine Dame. Conventsmitglieder. Ordonnanzoffiziere. Sanskulotten. Muscadins. 4. Akt Vierter Akt. Dieselbe Dekoration wie im ersten Theil: Saal in den Tuilerien. Prachtvolle Ausstattung im Stil jener Zeit. Rechts und links klei e Tische mit Stühlen. Im Hintergrund Sopha. Man sieht rechts Hintergrund in Nebensäle, wo bunte Gruppen von Gästen ab-und zugehen. Ballmusik hinter der Scene. Im Hintergrunde links ein Erkerfenster mit einer Nische, wo ein Fauteuil placirt ist. Vorn links kleiner Sekretär, an weichem Carnot und Barras beim Aufgehen des Vorhangs sitzen, einige Papiere vor sich. Von rechts unter lautem Lärm kommen mehrere Muscadins und eine Dame, Champagnergläser in der Hand, die Karmagnole tanzend. Indem sie sich zutrinken, rezitieren sie in singendem Ton. In trautem Verein tanzt Bein an Bein, Die Vernunft soll Königin sein! Der eine Muscadin sinkt lallend auf einen Stuhl rechts im Hintergrund. lacht. Auf schwachen Füßen steht die Vernunft! Steht auf. grimmig. Hinaus hier! Hat man nirgends einen Winkel, um über ernste Dinge zu reden? Springt auf mit drohender Geste. lachend zu dem Muscadin. Du, nimm dich in Acht! Da ist der Kriegsminister! Der steckt dich in die Armee! erschreckt. Um Gottes willen! lacht. Der ist abgeschafft! Droht mit dem Finger. Kleine Vergeßlichkeit! erschrocken. O, ich meinte nur das »höchste Wesen«! Das ist doch amtlich ernannt! Ach, meine Dame, seit dies »Wesen« von uns angestellt wurde ... da oben, geht hier unten Alles schief. »Es« entsprach nicht den gehegten Erwartungen! Aber die Göttin der Vernunft ... die habt ihr doch eingesetzt ... schäkernd. Wir verehren sie im Fleisch und in der Wahrheit ... Lorgnettirt ihre Füßchen. Sie lebt nicht auf großem Fuß, diese Göttin! lallt. Ich kenne das Mä'chen. Markthallen rechts um die Ecke ... Wir haben, was wir brauchen. Gelächter. Die Muscadins, erschrocken vor Carnot's Ernst, ziehen den Betrunkenen fort. Dich soll die heilige Guillotine in Stücke frikassiren! Du nüchterner Verräther! Die Freiheit hat Durst, viel Durst ... Die Muscadins u.s.w. ab nach rechts Hintergrund. So enden Tragikomödien .. der Clown schneidet Grimassen! Hört Cato reden! Tragödiante! Komödiante! – Der fünfte Akt ist noch nicht aus. Am Erker hinausblickend. Wenn wieder die Sturmglocke bellt, ein eiserner Bluthund ... O, der Strom scheint Blut zu wälzen! Gewitterwolken ... dahinter hängt Blutregen! Schwaches Wetterleuchten. Gegen ganz Europa im Kampf! So weit haben wir's glücklich gebracht! Moreau über den Rhein geworfen! zeigt einen Brief. Trostlose Nachricht aus Italien! Truppen ohne Schuh und Strümpfe! Die Armee existirt nicht mehr. gähnt. Die Regierung kann nicht an Alles denken. Weil sie nur an sich selber denkt. Das muß sie. Sieht's nicht auch kriegerisch aus in Paris? Alle Stadtviertel haben ihre Nationalgarden einberufen. Habe Ordre gesandt: Garnison in den Kasernen marschbereit. klingelt. Darauf wag' ich's. Was wollen die Nachtmützen? Noch mehr Freiheit? Junot von links; nimmt ein Schriftstück links vom Sekretär. »An den sogenannten Centralausschuß der Wahlbezirke«. Junot ab nach links. Ich verlange sofortige Auflösung. Widrigenfalls – Waffengewalt! von rechts Hintergrund ist der Redakteur des »Merkur« aufgetreten und sucht sich nach links fortzuschleichen. Carnot wendet sich und attrappirt ihn. Heda, guter Freund! Hm – ich wollte nicht stören – Ach, Du? Zu Carnot. Unser Offiziosus! Der Redakteur des »Merkur«. zu Carnot, der unwirsch nickt. Der »Merkur«, Organ der wahren Demokratie, ist das einzig lesenswerthe Pariser Tageblatt. Alles andere ist Gift. Und Du das Gegengift. Dazu gehört ein guter Magen. Hast Deine Notizen über unser Fest gesammelt? Willst jetzt in den Convent? tückisch lächelnd. Habe anderswo zu thun. Zieht eine Zeitung hervor und liest. Artikel der heutigen Abendnummer. »Man gehe nie in diese Zusammenrottung großmäuliger Berufsschwätzer, ohne sich die Taschen mit allerlei Steine zu füllen. Denn warum? Man soll Alle steinigen, die andrer Meinung sind als wir.« Ja, zündend geschrieben ... Ueberschrift: »Achtung, es hagelt!« Mein Tageblatt bringt nur Gediegenes. starr vor Zorn, reißt ihm die Zeitung weg, die er selber durchfliegt. Mensch, Du unterstehst Dich –?! Und hier noch .. »Vermahnung an Carnot über Armeereform!« bieder. Mir ist die Kriegskunst nicht fremd. Und hier .. »Steckbrief wider den neuen Präsidenten des Gemeinderaths«?! Augen gen Himmel. Stehlen kann dieser Mensch – unbezahlbar!! liest weiter in der Zeitung. Ah, Ausfälle auf Kollege Talleyrand? gelassen. Bekanntlich ein Giftmischer. liest. Was seh' ich! Nicht mal Frau Tallien ist Dir heilig? Ein anrüchiges Frauenzimmer ist doch kein Engel. Bedaure. Unentwegt thut ihre Pflicht die Presse. bitter. Es lebe die Preßfreiheit! Das nennst Du eine Zeitung für öffentliche Angelegenheiten? Für öffentliche Persönlichkeiten. Er kopirt den seligen Marat! Wie wär's mit dem hochseligen Danton? Parodirt. »Die dröhnende Sturmglocke ist der Stoß auf's Herz der Verräther ...« Ja, der Aufruhr brüllt in Deinem Blatt. Haben wir's dazu subventionirt? Reicht Carnot die Zeitung, der darin liest. frech. Euch reinzuwaschen? Ach so! Vertraulich. Es thut mir wohl, daß noch hohe Beamtenposten zu vergeben sind. Wir suchen tugendhafte Patrioten ... Bis in die Kloaken hinein Feierlich. Hebe Dich weg, Versucher! Ein reines Herz ist der Gottheit schönster Tempel. Ein wahres Idyll! Jetzt mimt er zur Abwechslung den »Unbestechlichen«! Der Redakteur, immer mehr links an der Thür, setzt plötzlich eine rothe Mütze auf. Nu?! Ist hier Maskenball? Jakobinermütze in meinem Salon? bieder. Ich bin ein Naturmensch. Seit wann? – Ich kenne den Tarif Deiner Ueberzeugung, versteigert an den Meistbietenden. Talleyrand kommt von rechts, von den Anderen ungesehen. liest in der Zeitung. Hört, hört! »Aus allen unlauteren Quellen ist Geld in Barras' Taschen geflossen, doch wie ein Danaidenfaß bleiben sie ewig leer ...« in der Thür retirirend. O ich kenne eine Geschichte zum Kranklachen ... handelt sich um 'ne Million ... welch' ein Sumpf! Weil er nicht mitsumpfen darf! will ihn am Kragen packen. Wicht! Noch bin ich auf der Höhe der Situation und Frankreich hängt an meiner gerunzelten Braue. rasch hinzutretend zwischen Barras und den Redakteur tretend. Laß es hängen! Und wohin hängen wir den Galgenstrick? den Redakteur scharf ansehend. Hm, die Presse ist doch immer da, wo die Macht ist? bieder. Das sind wir unsern Lesern schuldig. Ah! Also Deiner erleuchteten Meinung nach ist heut' die Macht ... Wo anders! Entwischt rasch nach links durch die offene Thür. will nach. Er ist ... nimmt eine Prise. Auf der Höhe der Situation. Sehr bedenklich! Der heult immer mit den Wölfen. spöttisch. Klappert Dir der rothe Schrecken in den Gebeinen? verächtlich. Wenn man so viel zu erschrecken hat wie Du! zornig. Das mir? Du trägst Dein Haupt so feierlich wie eine Monstranz und verbirgst Deinen Ehrgeiz schlecht hinter Deiner steifen Kravatte! Du taumelst von einem Bachanal in's andre. Man wird Dich die eigne Zeche bezahlen lassen. Heftig. Du ruinirtest die Rheinarmee! Frieden, Frieden! Schweig Du! Deine Erpressungen im Departement du Nord ... Als ob nicht Alles von rechtswegen den Patrioten gehörte! Diese Verleumdung wird ausgestreut ... Durch die Wahrheit! Beißend. Theatergrößen, im ersten Fach beschäftigt! Ihr spielt brillant eure Rolle! Man sieht rechts im offnen Nebensaal Josefine den Menou begrüßen. entzückt, Kußhände werfend. Ach, die göttliche Circe! trocken. Wie ungalant! Circe verwandelte ihre Anbeter in Schweine. Halblaut. Das kommt bei Dir zu spät. Madame Tallien. Josefine Beauharnais. General Menou treten rechts herein. imposante Figur, pomphaft im Auftreten. Also hier muß man die Väter des Vaterlandes suchen! ihr die Hand küssend. Zu den Füßen der Mütter des Vaterlandes! stattlicher Mann, affektirtes Benehmen zu Josefine. Reiche fallen, Ihr Szepter bewahrt seine Macht! Ihr Kostüm bewundernd. Beim Amor! Das sind die Revolutionen nach meinem Geschmack! eifersüchtig, ihr vertraulich nahetretend. Theure Freundin, wie schmiegt sich die Rose an Ihre Brust! O Madame, diese Rose wäre ein Ordensband, das selbst ein hartgesottener Republikaner mit Wonne empfinge. Aus der Hand der schönsten Königin. Geht rechts in's Nebenzimmer. Menou, Carnot, Tallien rechts. – Barras und Josefine links. zu Barras. Eine Bitte an den Herrn von Frankreich! galant. Herrin! Welchen Kopf willst Du, Herodias? lachend. Den Kopf des Barras ... für Maler David. jovial. Ich will ihm sitzen ... ein Bein in die Luft, zwei Beine in die Luft. Der malt Alles, was ihm unter die Finger kommt! Hofmaler der Republik! zu Barras, links vorn. Vergaß, Dir zu sagen: habe Jemand herbestellt, der mir die Thüre einläuft. Immer abgewiesen ... heut' will ihn mal anseh'n. pikirt. Thu', als ob ich ... nicht zu Hause wäre! Wer ist's denn? Ein gewisser Bonaparte. Ach der! Ein lästiger Bursche. Bombardirt mich mit Denkschriften über Feldzug in Italien. Steckt was dahinter? Das Narrenhaus. Tritt zu Menou. Nun, General Menou, Paris ist in voller Gährung. selbstgefällig. Paris hat einen Kommandanten. Unsicher. Soll wirklich Waffengewalt –? jovial. Nur im Nothfall, versteht sich. Die Noth findet sich immer. Gewalt, i wo werd' ich! Ich bin ein friedfertiger Mensch. Aber wenn man dem Gesetze trotzt, dann werd' ich unangenehm. brummt halblaut. Das Gesetz im Munde von Banditen! Talleyrand und mehrere andere Gäste kommen von rechts. ein Spiel Karten in der Hand. Ein Königreich für einen Whistspieler! lacht. Königreiche sind heute wohlfeil. lächelnd. Frau von Beauharnais, eigentlich ist's gegen mein Prinzip, ein Spiel mit schönen Damen aufzunehmen. Die behalten immer den letzten Trumpf, nämlich das Coeuraß. Ihr den Arm bietend. Darf ich bitten? ablehnend. Ich bin nicht ganz wohl. Zu Barras. Darf ich mich etwas zurückziehen? Weist nach links auf die Erkernische. nickt. Meine Herren und Damen ... pardon, Bürger und Bürgerinnen ... Spieltische im Nebenzimmer! Vor dem Souper noch ein Kunstgenuß! Alle ab nach rechts, Hintergrund außer Josefine. im Abgehen zu Josefine. Ein Gewitter scheint im Anzug .. Ab, während Josefine sich in der Nische setzt, halb verdeckt. tritt auf von links. Er trägt den Hut unter dem Arm; seine Kleidung ist alt und schäbig, ohne Degen. Er gestikulirt lebhaft vor sich hin und spricht laut in abgerissenen Sätzen. Man muß in Masse vorbrechen. Kraft einer Armee: Masse, multiplizirt mit Schnelligkeit! Josefine wird aufmerksam und beobachtet ihn. von links her eilig durchs Zimmer gehend, stutzt beim Anblick Bonapartes. Grüßt militärisch, Hand an der Stirn. Alle guten Geister! .. Mein alter Chef! wie aus einem Traum auffahrend. Ei, Sergeant Junot? Rührt euch! Winkt ab. Ah, ich sehe, Lieutenant geworden? Ordonnanz des Präsidenten Barras. Ah, die schillernde Seidenraupe, am eigenen Schleim hinaufgekrochene Schnecke! In den Nebensaal rechts blickend. Alles antik – bis auf die Seelen. Fragend, nach rechts deutend. Dies lebende Bild, um das sich die Kunstliebhaber drängen? Madame Tallien. Halblaut Bonaparte ins Ohr. – Hofmarschallin des Palastes: Frau Josefine Beauharnais. gleichgültig. Die Geliebte des Barras? – Parfürmirte Nichtse, Wachs in der Hand der Weiber! O, die kennen das Geheimniß Simsons! – Doch ich halte Dich auf, mein Braver. Junot ab nach rechts. die sich erhoben hat und ihm lächelnd zuhört. Armer Simson! Tritt rasch vor. sich umwendend, verbeugt sich. Verzeihung, ich glaubte mich allein. lächelnd. Ich hörte Schreckliches. Ein Frauenfeind? Durchaus nicht. Sanfte unterwürfige Frauen – die schätz' ich. Man schätzt die Tugenden, die man selber nicht hat. Ihn musternd. Herr Militär ohne Degen! lächelt. Errathen! Verbeugt sich leicht. Außer Diensten .. wegen Ungehorsam und Widersetzlichkeit .. Was hör' ich! Wohl gar Jakobiner? verächtlich. Ach die! Abgestandene Sahne, versalzene Heringe! lacht. Köstlich! ... Warum denn ungehorsam? Weil man auf mich nicht hören will. lacht. Auch ein Grund! Und gar widersetzlich? Wozu hat man Vorgesetzte! ... Ich tauge nicht für den Beruf! Für welchen denn? Für gar keinen. Brodlose Künste! spöttisch. Werden Sie doch Revolutionär! Das ist heut einträglich. Projektenmacher und Mißvergnügte sind ein begehrter Artikel. Schönen Dank! Abschaum schwimmt oben, Perlen lieben die Tiefe. Ach Sie arme Perle! Will kein Taucher Sie holen? Ich warte. Stürme wühlen die Tiefe auf. Und spülen Perlen zum Strande? Bisher nur häßlich Gewürm. Verlangen Sie noch ärgere Stürme? Die alte Gesellschaft ging unter in der großen Fluth. Sie zog den Lebenswein auf Flaschen ab und drückte Etiquetten drauf, die Korkflaschen dumpfer Schablone liegen in Scherben. Aber der neue Kelch für den neuen Wein ... der kam noch nicht aus dem Schmelztiegel. belustigt. Also Metall? Gold? Stahl ... Die Natur ist zu ruhig. Man muß umwälzen, um zu erneuern. Den Umsturz von unter haben wir, jetzt braucht's den Umsturz von oben. betrachtet ihn verwundert. Sie reden wie ein Buch ... aber mit sieben Siegeln. Man möchte Ihre Gedanken ... lesen. Und Ihren ... Autornamen. versteht den Wink. Bonaparte. Ei, auch ich bin Insulanerin ... aus Westindien ... Nach dem Altan, hinaufblickend. Dort leuchten hellere Sterne. mystisch. Die Columbus lockten zum Bethlehem einer neuen Welt .... Und zu einsamem Leid auf fremdem Schiff in Ketten und Banden. ... Also Beide fremd in Frankreich! rasch. Da müssen wir zusammenhalten. Wir sympathisieren. lächelnd. Finden Sie? ... Madame Tallien kommt von rechts. Machen Sie uns den Hof und wir werden Ihnen unsre Protektion schenken! Dies ist Frau Tallien und ich bin Josefine Beauharnais. auffahrend, halblaut. Die Maitresse dieses Barras! Und ich Thor ... Laut. Ich verzichte auf jede Damenprotektion. Geht mit steifem Gruß an ihnen vorüber. von rechts, Bonaparte salutirend. Ah, Chef! Bonaparte winkt und geht rechts in's Nebenzimmer. empört. Was bedeutet dieser Auftritt? Das ist ja unerhört! Dieser häßliche kleine Mensch mit den giftigen Augen ... das ist ja der reine Republikaner! lacht. Das ist uns Republikanerinnen ein Gräuel. Ruft. Lieutenant Junot! Reden leise. Warum nannten Sie den Herrn da Chef? Nun, weil er mein Chef war – vor Toulon. Von rechts Carnot, Menou und Murat. Gäste gehen ab und zu. Von links Duroc. durch den Saal gehend, winkt Junot. salutirend. Verzeihung, gnädige Bürgerinnen, der Dienst ruft. Geht zu Carnot. tritt zu den Damen, Murat präsentirend. Gestatten Sie, meine Damen, Ihnen meinen Adjutanten vorzustellen: Hauptmann Joachim Murat von den Jägern zu Pferde. Verbeugungen. Sprechen leise weiter. Die Damen setzen sich rechts. zu Junot. Also scharf patrouilliren und unverzüglich Rapport erstatten! Junot links ab. der auf Carnot stößt, sich vorstellend. Hauptmann Duroe – zweites Regiment Fußartillerie. Beide vorn links. freundlich. Vor Toulon avancirt, nicht? verbeugt sich. Ihr Gedächtniß, Bürger Kriegsminister – Hm, der stand ja auch vor Toulon – kennen Sie einen gewissen Bonaparte? begeistert. Das ist mein Meister. Sprechen leise. Barras aus dem Nebenzimmer rechts, im Gespräch mit Bonaparte. Ja, mein Bester, man wirft Ihnen viel vor. Besonders Arroganz. Tritt rechts zu den Damen. Bonaparte begrüßend. Soeben sprach man von Dir. Spricht leise mit ihm, vorn links. Bonaparte betrachtend. Ein Kaltgestellter? Wollen mal nobel sein. Stellt sich Bonaparte verbindlich vor. Kamerad – Hauptmann Murat von der Leichten Kavallerie. herablassend. Eine schöne Waffe. Man versteht sie nur noch nicht. Der Aufklärungsdienst muß reformirt werden. Duroc nach hinten zu Carnot und Menou, Mitte. brummig. Die Artillerie hat's Pulver erfunden. Schuster, bleib' bei Deinen Kanonen! docirend. Die Schwere Reiterei ... das bisherige System taugt nichts ... Massenformation, geschlossener Antritt. lebhaft. Massenattacken .. vorzüglich! Das zündet in mir. Zieht Bonaparte am Arm bei Seite und redet eifrig auf ihn ein. Talma von rechts. ihm entgegen. Ah, unser gefeierter Tragödie! Stellt vor. Der Bürger Talma, der Ihnen allen seinem Ruhme nach bekannt ist. Talma rechts bei den Damen. Bisher konnte man Sie nur im Theater auf dem antiken Cothurn bewundern. verbeugt sich. Bürgerin Tallien, heut fällt uns die Schauspielkunst leicht. Man copirt nur die Wirklichkeit, in welcher die tragische Muse uns Muster der Antike bietet ... sei es in Rednern und Helden, sei es in der Schönheit einer Aspasia. zu Josefine. Er ist von feinstem Ton, dieser Schauspieler. zu dem an ihn vorübergehenden Bonaparte jovial. Ich begrüße Dich, Feldherr! herzlich. Mein Alter! Drückt ihm die Hand. rasch. Sie sind befreundet? herablassend. Ich liebe die Künstler. Mit einem kalten Blick an den Damen vorüber auf Carnot zugehend. zu Talma. Sie kennen ihn näher? Sie reden lebhaft weiter. militairisch Carnot begrüßend. Bürger Kriegsminister ... Stehen in der Mitte vorn. Barras, Menou, Murat im Hintergrund. mißt ihn kühl. Sie haben Denkschriften geliefert. Der kommandirende General Scherer hat sie geprüft. lebhaft. Und was sagt er? trocken. Der die Pläne gemacht hätte, möchte sie auch ausführen. stolz. Treffend gesagt. ihn von oben bis unten messend. Das geht nicht so himmelstürmend, mein Lieber. Wer nicht gehorchen kann, wie Sie, kann auch nicht befehlen. Das bestreite ich durchaus. Ja, daß Sie im Bestreiten groß sind, wissen wir. Wenden Sie sich an Direktor Barras! Er dreht ihn den Rücken und tritt zu Barras, mit dem er flüstert. der mit beiden Damen sprechend die Scene beobachtet hat. Wenn Sie, Frau von Beauharnais, dem Armen Ihren Schutz gönnen wollten! betroffen. Ich?! lächelnd, sich verneigend. Ein Wort von Ihnen an den Allmächtigen ist allmächtig. Josefine tritt nach links zu Bonaparte, der in sich gekehrt bei Seite steht. spricht etwas mit Barras und geht rechts ab. zu Bonaparte. Soll ich ein gutes Wort für Sie einlegen? Bei Barras? Sie? Nein. nimmt die Rose von ihrer Brust. Wenn ich diese Blume, um die er mich bat, Barras reichte – Ich verzichte. Geht in den Hintergrund, spricht mit Duroc. sich ihr von links nähernd. O Josefine, diese Rose – fast zugleich, von rechts. Madame, wer wird der Glückliche sein – die Rose vor's Gesicht haltend, stummes Spiel, reicht sie Menou. O, Sie beseligen mich! Barras wendet sich wüthend um. im Hintergrund, zu Barras. Bürger Direktor – ärgerlich. Warten Sie mit mehr Geduld! Läßt ihn stehen. Meine Damen und Herren – ah pardon, Bürger und Bürgerinnen – ein seltener Kunstgenuß steht uns bevor. Unser Talma wird vortragen: »Der Tod Cäsars«. Charmant! Josefine von rechts. Bonaparte links am Erkerfenster. eine Prise nehmend. Ein todter Cäsar ist ungefährlich. Setzt sich Bonaparte gegenüber. salbungsvoll. Möge die Freiheit stets einen Brutus finden. schmeichelnd. Wir haben einen Barras! lächelt. Dann bin ich Cassius. – Ach, Brutus ist nicht mehr Mode. Zu Bonaparte. Sie junger Mann, Sie haben eine Brutusmiene. Sie blicken ja schon Dolche. Die Gesellschaft dreht sich lachend zu Bonaparte um. Alle haben sich im Halbkreis gesetzt. Er bleibt allein aufrecht im Hintergrund stehen. – Es wird künstliche Dunkelheit erzeugt, so daß alles Licht auf Talma fällt, der in einer umgeworfenen Purpurtoga und einem Lorbeerkranz auf dem Haupt von rechts aus dem Nebenzimmer tritt. Ah! als Cäsar deklamirend. Den Sulla ehrte des Diktators Name, Marius war Konsul, und Pompejus hieß Euch Imperator. Den besiegte ich Und darum muß ein neuer Name nun Das neue Herrscherrecht gebührend zieren: Ein größrer Name, einst gehaßt in Rom, Doch von dem ganzen Erdkreis nun begehrt. Durch alle Lande fliegt ein dumpf Gerücht Der Prophezeiung, daß die Feinde Roms Nur ein Monarch besiegen kann. Ich Cäsar, Ich kann's und will's, doch heiße nicht Monarch. Er versinkt in Nachdenken. Pause. murmeln. Sehr interessant! zu Josefine. Du, sag' Deinem Maler David: nach so viel Brutussen soll er mal einen Cäsar malen. Aber wer sitzt ihm als Modell? Rom, das die Welt zerstört, zerstört sich selbst. Dieser Koloß, den Erdball niederwuchtend, Stürzt selber um; mein Arm allein vermag Ihn noch zu stützen. Eure Tugenden Sind Namen nur. In tief verderbter Zeit Sprecht ihr, als wäret ihr noch alte Römer. So unterwerft euch denn dem großen Mann, Den euch das Schicksal hat als Herrn bestimmt! Er streckt den Arm unwillkürlich auf Bonaparte zu aus. Im selben Moment ein greller Blitzstrahl, der diesen vom Fenster aus beleuchtet. Donner. – Alle wenden sich instinktiv dieser Richtung zu. Leises Gelächter. zusammenfahrend, indem sie Bonaparte betrachtet, der mit leuchtendem Auge, den Kopf in den Nacken geworfen, in die Höhe blickt. Wahrhaftig – Cäsar! Dumpfes, donnerähnliches Geräusch, ununterbrochen fortdauernd. Brillant, magnifique! Ein Knalleffekt mit Feuerwerk! Bravo, Cäsar! ... Aber welch lang anhaltendes Donnerkonzert! Das donnerähnliche Geräusch dauert fort. lauschend. Sapristi, welch' seltsamer Donner! sich erhebend, halblaut. Bei Gott, das klingt wie ... Zum Henker, dies Konzert wird unangenehm. Das donnert ja wie ein Erdbeben. ... Die Fenster klirren ... scharf und bestimmt. Das ist kein Donner, das sind Kanonen. Heftige Erregung, Alle springen auf. sich heftig umwendend. Wer hat Sie gefragt? Wie wissen Sie ... ihn groß anschauend. Ich kenne das ... von Toulon. von seinem Blick betroffen, vor sich hin. Der Mensch hat den bösen Blick. ... Was geht denn vor? von links athemlos hereinstürzend. Wo ist der Direktor Barras? hastig. Was soll's? Der Aufruhr tobt in den Straßen. Heftige Bewegung. Ein einziger Schrei durch ganz Paris: »Nieder mit dem Convent!« Ha, Verräther! Heftige Kanonenschläge hinter der Scene. durcheinander. Nach Hause! ... Zu Hülfe! Rette sich wer kann! General Menou, Sie zögern noch? in großer Verwirrung. O, ich ... zögere nie ... wenn die Stimme der Ehre ... Sucht seinen Hut. findet ihn auf dem Kaminsims, mit ernsthaftem Ton. Erlauben Sie, mein General! Stülpt den ungeheuren Dreimaster mit der riesigen Feder dem Menou auf den Kopf. mit gewaltigen Schritten auf- und abgehend. Man lasse zum Angriff blasen! Mein Adjutant! wüthend. Ja, ich warte schon. groß. Man ... führe mein Streitroß vor! ruft zum Fenster hinaus. Allarmsignal! Hinter der Scene Trommelwirbel und Trompetensignale. zu den ihn umringenden Herren und Damen. Hier gilt es große Entschlüsse ... der im Hintergrunde Befehle gab, barsch. Damit Sie endlich zu Ihrem großen Entschlusse kommen, empfehle ich Ihnen, das Waffenarsenal der Nationalgarde zu schließen. großartig. Ich entwaffne ganz Paris. brummt höhnisch. Entwaffnen Sie gütigst! Wir aber, Barras, in den Convent! zu Josefine. Auch wir! verwirrt. Ja, ja, berathen ... das ist die Hauptsache! Alle drängen sich dem Ausgang zu. allein zurückbleibend, lacht heiser und häßlich auf. sich nach ihm umwendend. Sie lachen? Sturmglocken hinter der Scene. ergreift ihre Hand und führt sie an's Fenster. Sehen Sie dort den Stern, Madame? scheu, hypnotisirt. Den großen hellen? Ist das der Jupiter? starr hinaufblickend. Ich glaube, es ist der meine. Indem Josefine halb im Abgehen hypnotisirt auf Bonaparte blickt, fällt der Vorhang. 5. Akt Fünfter Akt. Conventsaal. In der Mitte im Hintergrund eine offene Thüre, vor welcher ein Posten patroullirt. – Die Bühne stellt rechts die Gallerie-Tribüne des Conventsaals dar, zu welcher man ganz rechts einen Treppenabsatz aus dem Conventssaal hinanführen sieht. Die Gallerie ist mit Säulen abgetheilt. In der Mitte eine kleine halbvergitterte Loge mit dem Wappen der Republik. In der Loge Josefine und Madame Tallien. – Auf der linken Seite der Bühne sieht man die erste Reihe des Conventssaals. Davor eine breite Schranke, hinter welcher, Tisch und Stuhl des Präsidenten, in der Mitte der Bühne. Beim Aufgehen des Vorhanges sieht man Barras auf dem Präsidentenstuhl in nachdenklicher Stellung. Daneben Carnot, Papiere in der Hand, eifrig lesend. – Auf der wenig besetzten ersten Reihe des Eonvents sieht man Talleyrand. – An der Schranke Junot vorn links mit zwei Grenadieren als Wachthabender. – Auf der Gallerie nur wenige Personen. Von links her, wo der Convent zu denken ist und von woher die Stimmen in der Debatte laut werden, monotones Gemurmel wie von halblaut Durcheinanderredenden. zu Carnot. Noch nichts? zuckt die Achseln. Die Sache muß längst entschieden sein! winkt Junot. Bringen Sie uns Kunde! Junot durch die Mittelthür im Hintergrund ab. Also die heutige Geschäftsordnung ... Gemurmel links im Convent. – Von rechts auf der Gallerie erscheint Bonaparte, wie etwas suchend. Erblickt Josefine und verbirgt sich halb hinter einer Säule. Die Gallerie füllt sich allmählich mit Leuten, darunter später auch Talma. erscheint rechts auf der Gallerie, stößt an Bonaparte. Du auch hier? Die Empörer ... halblaut. Ständ' ich an ihrer Spitze! Wie wollt' ich die Seifensieder wegblasen! Der Rest liefe noch nach Jahren! Aber ... der Fahneneid! Ich bin nicht wählerisch. Convent oder Volk, mir gleich! Beiden in die Rippen fuchteln! Hinter der Scene dumpfe Kanonenschläge. Junot tritt hastig auf durch die offene Mittelthür. Adjutant Murat verlangt stürmisch Einlaß. Ah, der kommt aus dem Gefecht. Der bringt Nachricht. Sofort herein! Pause. erscheint durch die offene Mittelthür. Er ist ohne Czako, athemlos. Sie sind athemlos. Fassen Sie sich! TALLEYRAND'S STIMME. Sie sind der Adjutant des Kommandanten? losbrechend. Der Teufel sei sein Adjutant ... ich nicht. Was geht denn vor? Verrätherei und Felonie! Große Bewegung hinter der Scene. Ruhe! Hören wir ihn. Reden Sie! Auf der großen Straße Vivienne Barrikaden und Kettensperrung! Na denk' ich: Gewehr rechts zur Attaque! Marsch, marsch! Reitet die Barikaden um! Ein guter Hieb haut jeden Knoten durch ... Bewahre! Menou nimmt Gewehr bei Fuß und unterhandelt. Hin- und Hergeschwätz! Waffenstillstand! Bewegung. Schändlich! ... Aber diese Schüsse, die wir hörten ... bitter lachend. Blinder Lärm! Friedliche Böller! Um unserm Rückzug einen Hohn nachzuschicken, schießen die Rebellen Victoria. Das Vaterland ist in Gefahr. erhebt sich. Ich beantrage sofortige Entsetzung. Dekret! Ist's angenommen? Einstimmig. TALLEYRAND'S STIMME. Man stelle den Elenden vor ein Kriegsgericht! Murat, Sie haben sich um das Vaterland wohlverdient gemacht. Schaffen Sie uns jetzt Ihren General zur Stelle ... sofort, hier vor die Schranken des Hauses! Er folgt mir auf dem Fuß, um sich persönlich zu verantworten. hinter der Scene. Einlaß für den Kommandanten. Bewegung. Ruhe und Würde, meine Bürger! Empfanget ihn mit unheildrohendem Schweigen. Ruft. Man lasse ihn passiren. Menou durch die offene Mittelthür. Der Posten präsentirt. verwirrt. Hochweise Bürger des Convents, glaubet mir ... Keine schönen Redensarten! Seht, Freunde! So sehen Verräther aus. Sie haben unser Vertrauen mißbraucht. Ich protestire gegen Verdächtigung. O Bürger, die Aufrührer sind stark! Feigling! würdevoll. Man kränke nicht meine soldatische Ehre! höhnisch. Man rufe sein Streitroß! Bürgerkrieg ... ein schweres Wort! Das Blut der Mitbürger vergießen ... ach, das erweckt moralische Bedenken! Gelächter. spöttisch. Wir ehren Ihr Zartgefühl. Sie sind abgesetzt, mein Bester. TALLEYRAND'S STIMME. Man stelle ihn unter Bewachung. Man verklage ihn auf Leben und Tod. Er ist verdächtig. Er ist verdächtig. gebrochen. O Bürger, nein, verdächtig bin ich nicht. Er sei also in Anklagezustand versetzt? Bejahungen und Beifall. Läutet. Lieutenant Junot, nehmen Sie den General bis auf Weiteres in Gewahrsam! Im Namen der Republik! Ihren Degen, Bürger Menou. ihn übergebend. Ich bin verloren. Er bleibt im Hintergrund an den Schranken, zwischen Junot und den zwei Grenadieren. TALLEYRAND'S STIMME. Präsident, das Wort! Bürger Talleyrand hat das Wort. an die Schranken tretend. Liebe Brüder, wer ist der Würdige, der an seine Stelle tritt? Mögen die Konsuln zusehn, daß der Staat nicht Schaden erleide! Vielleicht wird unser verehrter Kriegsminister ... ablehnend. Ich war nie aktiv. Ja, wen haben wir denn sonst noch? Etwa General Berruyer? Der morsche Greis? Unbrauchbar. Oder Carteaux? Hat sich vor Toulon genug blamirt. Weiß denn Jemand sonst irgend Einen? Pause. Schweigen. Unsere Generale steh'n ja alle vor dem Feind. Heftiges Durcheinanderreden. der bisher mit Junot plauderte, mit Zeichen der Ungeduld, entfernt sich hastig durch die Mittelthür. Wer bleibt uns denn also in dieser Gefahr? sich plötzlich erhebend und an die Brüstung tretend. Ich! Großer Tumult hinter der Scene. Ruf: »Wer, was?« auffahrend. Der Korse! Man hört die Glocke des Präsidenten. Zur Ordnung! Ruhe! Wer hat da gerufen? aufrecht stehen bleibend. Ich, der General Bonaparte! Hinter der Scene Rufe durcheinander: »Bonaparte?« »Wer ist das?« »Ein ganz obscurer Mensch!« Eine Stimme: »Kann man ihm vertrauen?« Männer des Convents, ich bitte um Ruhe. ... Uns ist soeben ein Vorschlag gemacht. Prüfen wir ihn! Mir ist der Bonaparte bekannt. Er bekleidet den Grad eines Brigadegenerals von der Artillerie. Zu Carnot. Wenigstens ist der ungefährlich. Warum ist er nicht bei der Armee? Hm. ja, wegen Vergehen gegen die Subordination. Man höre den Kriegsminister! Wegen Ungehorsams und Widersetzlichkeit. Das Durcheinander beginnt wieder. Schlechte Bürgschaft für ein Kommando. Talleyrand hat Recht. Man sehe ihn an! Der junge Mann sieht sehr unmilitärisch aus. durcheinander. Gar kein Schneid, Unvortheilhafte Erscheinung! Ohne alle soldatische Grazie. Sieh' ihn Dir an, Josefine! mit eigener Betonung. Ja, ich sehe ihn mir an. ruft. Wie ist's mit dem Ungehorsam? O Bürger, ihr kennt mich nicht! ironisch. Wir wollen Dich eben kennen lernen. Ist nicht mal Franzose. Was kann aus Korsika Gutes kommen! geschickt einfallend. Ja, als Sohn jener freien Insel hab' ich mit der Muttermilch jene hehre Gesinnung eingesogen, die Euch, o Volksvertreter, beseelt! Hat einen guten Vortrag! Sitzt Metall in der Stimme. Nur fehlt die oratorische Schulung. barsch. Das lernt man nicht im Feldlager. ... Nur weiter im Text! Nehmt mein Leben, aber schenkt mir eure Achtung! Bravo! Ein unverdorbener junger Mensch! In herber Dürftigkeit lebe ich meinen Studien. Nur Begeisterung für Freiheit und Menschheit lebt in meiner Seele. Ihr werdet in mir jene Entschlossenheit finden, welche mit Aufopferung des eigenen Ich's zu dienen weiß. Pause. Dann lautes »Hört ihn!« »Bravo!« und Händeklatschen. Diese Rede macht einen guten Eindruck. Ein antiker Geist! Ein junger Römer! Die treffliche Rede dieses ausgezeichneten jungen Mannes ... dazwischen. Bürger Talleyrand, Sie haben nicht immer das Wort. ... Wünscht der Convent, daß zu sofortiger Abstimmung geschritten werde? Ja, ja! läutet. Zur Abstimmung! Lärm hinter der Scene. erhebt sich und winkt Bonaparte mit dem Taschentuch zu. Wir gratuliren, Bürger Kommandant. der sich links an den Schranken seit einiger Zeit entfernt hat, erscheint rechts auf dem Treppenabsatz und eilt stürmisch auf Bonaparte los. Gestatten Sie, edler Bürger, daß ich der Erste bin, der Ihnen warm die Hand drückt und sich Ihrer Freundschaft empfiehlt! Kennen Sie mich? trocken. Wie sollte ich nicht! Der Herzog und Bischof Talleyrand ... Erkennen Sie in mir den Bürger Talleyrand, den Verehrer aller guten Patrioten, welche Ihnen ähnlich sehen. immer trocken und überlegen. Welche mir ähnlich sehen. Ich ahne in Ihnen eine verwandle Seele!! mit einem kurzen Blick. Ich auch. begeistert, indem er Bonaparte's Hand an's Herz drückt. Sie sind der französische Washington. Und Sie der dazu gehörige Franklin. Hinter der Scene lebhaftes Durcheinanderrufen: »Gewählt, gewählt!« sich plötzlich aus ihrer Loge beugend. General! rasch zu ihr herantretend. Was befehlen Sie, Bürgerin Beauharnais? über die Brüstung gebeugt, ihm zuflüsternd. Sehen Sie dort den armen General Menou! Wenn Sie ein gutes Wort für ihn einlegten! ruhig. Sie haben befohlen. läutet mit der Präsidentenglocke. Ich bitte um Ruhe ... Der Bürger Bonaparte ist mit überwiegender Majorität gewählt. Bravo, bravo! Man rufe ihn! ... Vor die Schranken des Hauses! Vor die Schranken! Ich komme. halblaut ihm zurufend. Vergessen Sie nicht! Ich vergesse nichts und Niemanden. Man sieht ihn auf dem Treppenabsatz verschwinden. Duroc folgt Bonaparte. Talleyrand bleibt beobachtend auf der Gallerie. Rufe hinter der Scene: »Was bringen Sie wieder?« »Laßt ihn durch!« »Es ist Murat!« Murat stürzt durch die offene Mittelthür vor den Präsidententisch. Im selben Augenblick erscheint Bonaparte hinter den Sesseln der Direktoren. durcheinander. Reden, reden! Die Aufrührer ... man schätzt sie auf 40000 ... alle Anzeichen sprechen dafür, daß sie den Konvent selbst attaquiren wollen. Großer Tumult hinter der Scene und auf den Gallerien. durcheinander. Wer rettet uns? GAPARIN'S STIMME. Bonaparte. mit starker Stimme, um den Präsidententisch herumtretend. Hier ist er. ... Zur That! Bürger Präsident, wieviel Geschütz? Wir haben 5000 Mann und ... barsch. Ich frage nicht, was ich schon weiß. Sich umschauend. ... Joachim Murat, ich rufe Dich. salutirend. Hier, mein General. bei Seite zu ihm. Kennst Du den kürzesten Weg nach Sablons? Gewiß, was soll ich dort? Vierzig Kanonen stehen dort parkirt. Schreibt auf ein Blatt seines Notizbuches. Hier die Ordre. Bringst Du die Kanonen? fest. Ich bringe sie. Eilig ab durch die Mittelthür. der wie die Uebrigen Bonaparte gespannt beobachtet. Welchen Auftrag gabst Du ... barsch. Das geht Dich nichts an. ... Ordonnanzen her! Rasch, rasch! Wird's bald? Man hört den Ruf im Hintergrund sich fortflanzen »Ordonnanzen«. Hauptmann Duroc! salutirend. Meister! Ich übergebe Dir das Kommando der Artillerie im Hof der Tuilerien. Du stellst sofort eine Batterie gegenüber der Kirche St. Roche auf. Hier Ordre an die dort stehenden Infanterie-Offizie re. Schreibt. »Der Cul de Sac Dauphine, wo die Straße St. Honoré mündet, ist stark mit Scharfschützen zu besetzen.« Mehrere Ordonnanz-Offiziere erscheinen durch die Mittelthür. dem eine Ordonnanz einen Zettel überreicht hat, erhebt sich. Bürger, eine schlimme Nachricht. Die Insurgenten haben das linke Ufer der Seine besetzt. Andere Massen wälzen sich auf dem rechten Ufer durch die Straße l'Echelle heran. Sie wollen direkt den Conventssaal umzingeln. Allgemeiner Tumult im Hintergrunde: »Rette sich, wer kann!« Heben wir die Sitzung auf! Die Waffen niederlegen! Der Convent ziehe sich nach St. Cloud zurück! Barras läutet umsonst mit der Glocke. mit dem Fuß aufstampfend. Eine Memme, wer das sagt! ... Lieutenant Junot! salutirend. Chef! schreibt. Hier Ordre an den Vorsteher des Zeughauses! Man schaffe achthundert Gewehre in den Convent, um ihn zu bewaffnen. Will ein Franzose seine Ehre wahren, so vertheidigt er sie. Lieber sterben, als den Tod fürchten. Junot ab. Pause. halblaut, begeistert. Beim Himmel, dieser Mann ist schön. Bravo, Korse! Allgemeines Bravo und Händeklatschen. hebt sich, streng. Aber Kommandant, Du überschreitest Deine Befugnisse! Lieutenant Junot ist von mir, dem Kriegsminister, zur Bewachung General Menou's bestimmt. mit lauter Stimme. General Menou, Sie übernehmen das Kommando der Reserve! verwirrt. Ich? auffahrend. Sind Sie toll, Bonaparte? Bin ich Kommandant oder nicht? Zum Convent gewandt. Ein tüchtiger Offizier, den ich nicht entbehren kann. Ich bürge für ihn. Pause. Man lasse ihn frei! winkt den Grenadieren, Menou freizulassen. Es lebe Bonaparte! Bonaparte blickt langsam nach oben. von oben mit dem Taschentuch wehend. Er lebe! eilig durch die Mittelthür an die Schranken eilend. Präsident, ein Parlamentär der Sektionen erschien am Thor und übergab dies Schreiben. Sie drohen mit ihrer enormen Uebermacht und verlangen unbedingte Waffenstreckung. will das Schreiben nehmen. Ich ... ich ... es ihm vor der Nase wegnehmend und in Stücke reißend. Das die Antwort! Man jage den Parlamentär mit Flintenschüssen davon. ... Vorwärts, es wird Ernst. Eine Karte von Paris her! Nein, nicht nöthig. Hab' sie im Kopf. ... Ordonnanzen! Diktirt. An den General Carteaux. Schreiben Sie! »Die Neue Brücke besetzen. Vierhundert Mann mit vier Geschützen. Die gleiche Stärke an der Brücke Tournant und den Rest am Eingang der Avenuen vertheilen.« Fort! ... »An den General Berryuer. An der Königsbrücke Kanonen aufpflanzen und mit drei Bataillonen Posto fassen.« Fort! Wie erklärend, zum Convent hingewandt. Den Feind auf beiden Ufern trennen! Die Ordonnanzen ab durch die Mittelthür. Und wenn er uns auf die Flanken fällt? Innere Linie ... neues Gesetz ... Davon versteht ihr Alten nichts. Zu Menou. Reserve auf dem Revolutionsplatz! Aufsparen, bis ich disponire. Menou links ab. Man schlage den Sturmmarsch! ... Antreten im Tuilerienhof! ... Strengster Befehl: kein Schuß abgefeuert, bis Massen herankommen: Dann Generalsalven von allen Seiten! Die Befehle werden hinter der Scene undeutlich wiederholt. Nachtgefecht? gelassen. Wir fechten unter den Sternen. durch die Mittelthür hereinstürzend. Man umzingelt uns! Gewehrfeuer hinter der Scene und Wirbel des pas de charge. mit schmetternder Stimme. Ich durchbreche das Centrum. durcheinander. Zehnfache Uebermacht! Friert euch? Ich will euch einheizen ... mit Kartätschen. Ich bin da und zu Allem bereit. Heftiges Getöse hinter der Scene. laut. Muth, verzagtes Geschlecht! Er predigt Dir mit Feuerschlünden! Es lebe der Retter! auf der Gallerie, zu Josefine. Und wer rettet uns vor ihm? träumerisch. Wer rettet uns vor ihm? Der Feind dringt vor ... die Schlacht geht verloren! Geschrei, Lärm, Schüsse, Trommeln. Man hört eine Glocke laut vier Uhr schlagen. lauscht darauf. In fünfzig Minuten Murat hier ... die Schlacht ist gewonnen! Musik der Marseillaise hinter der Scene. Allgemeiner tumultuarischer Aufbruch. Es lebe die Republik! allein unbeweglich, mit verschränkten Armen. »Der Tag des Ruhms bricht an!« Die Schranke links wird in der wilden Erregung niedergebrochen, so daß im Folgenden direkt von links Personen auftreten können. Vorhang fällt. Zwischenvorhang. Gleiche Dekoration. Hinter der Scene Musik der Marseillaise. Der Vorhang geht auf: Morgenröthe und zunehmender Sonnenglanz. Bonaparte steht allein inmitten des Conventsaals am Präsidententisch, ein Fernrohr in der Hand, Säbel und Trikolorenschärpe umgeschnallt in die Ferne blickend. Hinter der Scene lauter Siegesjubel. – Duroc mit einem Redakteur hastig von links her. dringend zu dem unbeweglich stehenden Bonaparte. Ich bin Redakteur des »Merkur« und bitte um Notizen über Ihren Lebenslauf. Wenden Sie sich an meinen Adjutanten! Weist auf Duroc. kriechend. Mein Blatt steht Ihnen fortan unbedingt zur Verfügung! kurz befehlend. Dann immer nur von mir reden! Redakteur unter Verbeugung links ab. lacht. Die Presse! Wo das Aas ist, sammeln sich die Raben. Jetzt bist Du »durch«! Die Rubikon ist überschritten. immer kalt, gelassen. War nur ein winziger Bach. Reißende Ströme hat Cäsar zu durchschwimmen, eh' er sein Ziel erreicht. Welches Ziel? Gleichviel! Vabanque-Spiel! Murat mit Soldaten von links, gefangene Sanskulotten hereintreibend. auf die Gefangenen deutend. Anführer der Rebellen! Die Hände! Man zeigt sie. Pulver? An die Mauer! Winkt, sie abzuführen. Die Gefangenen mit Murat und Soldaten ab. Unser Verlust? Wieviel Pferde? Fünf Offiziere gefallen und ... Wieviel Pferde? Menschen sind leicht ersetzt, die Bespannung nicht. eilig von links. Hoher Besuch! Talleyrand! Weshalb so hoch? Zum Minister des Auswärtigen ernannt. Führ' mir den Auswärtigen vor! Junot ab. Aha, das Direktorium mausert sich. Wo steckt denn Barras ... und der Convent? Nach Hause gelaufen? Schlotterichte Zivilisten! Das ängstigt sich 'ne Gänsehaut über den Advokatenrücken! kommt von links, die amtliche Trikolorenschärpe umgebunden wie Bonaparte. Beide lüften den Hut. Duroc ab. Gratulire, Bürger General. Gratulire, Bürger Minister. Beide ganz vorn. Ich verschaffe mir die Ehre, Ihnen sofort Huldigung auszudrücken. Hm, ich begrüße die Schärpe des Chefgenerals mit besonderem Vergnügen, sie hebt die spartanische Einfachheit Ihres Gewandes. Man fühlt sich lasterhaft sybaritisch neben Ihnen. Offen gesagt, Liebster ... Sie wissen, meine Offenheit ist berühmt ... die sanskulottische Ruppigkeit ist nicht mehr Mode. Kleider machen Leute. Es giebt Leute, welche Kleider machen. Man schneidet die ... Ministerröcke Andrer zu! Hm! Sie haben Ihre Aufgabe mit einer Rücksichtslosigkeit angefaßt ... höhnisch. Aus Rücksicht für Sie, der durch meine Kugeln in's Ministerium flog! O, ich darf wohl sagen, ich bin Ihr wärmster Vertheidiger. Ja, redete ich Barras zu, dieser biedre Kriegergeist paßt nicht für bürgerliche Zwistigkeiten. Er muß hinaus in die Ferne, wo die Drommeten schmettern zu Frankreichs Ruhm ... Sie haben die erste Stufe der Staatskunst erklommen, Sie sind beinah' ein Staatsmann: Sie lügen sehr gut. General! Lächelt. Doch ... wir sind ja unter uns. Ernst. Franzosen sind doch kein Schlachtvieh. Sie haben die Plätze mit Kartätschen gefegt, mit dem Diensteifer eines Straßenkehrers. Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war ein Fehler. heftig. Menschen sind Zahlen. Wer die Kastanien aus dem Feuer holt, verbrennt sich die Finger. Aber ich habe Eisenhandschuhe und die packen fest zu. Schauspielernd. Ich habe die Freiheit gerettet, die Freiheit bedarf meiner noch. Ein Enthusiast wie ich haßt alle Fuchsschliche, Patriot vom Wirbel bis zur Zehe. nimmt eine Prise. Sie stellten vorhin eine Theorie über die Staatskunst auf. Ich ... gebe das Kompliment zurück. Ha! ... Doch wir sind ja unter uns. Dicht vor ihn hintretend. Täuscht euch nicht, ihr Bastarde des Alterthums, ich stamme aus Plutarch. Auch meine Toga trägt den historischen Zipfel: Krieg oder Frieden?! verbeugt sich. Diplomatie der Grobheit! Mit verändertem Ton. In Revolutionen muß man Hammer oder Amboß sein. Hm! Die persönliche Größe, weit entfernt die Gleichheit anzutasten, ist vielmehr ihr schönster Trumpf. Der Sinn dieser Phrase, aus dem ... Talleyrand'schen in's ... Bonaparte'sche übersetzt? lächelt fein. Ich melde dem Direktorium, daß ich in Ihnen einen erzgegossenen Cato fand, dem nur ein Ideal vor Augen schwebt: die Pflicht. barsch. Man halte mich ja nicht für einen Dummkopf! sich tief verneigend. Vor meiner Verkennung sind Sie sicher! Ab nach links. niedergeschlagen düster. Man liebt die That und haßt den Thäter. Basta. Ich gehe nach Korsika. In's Weite starrend, halb visionär. Noch giebt's Reiche zu erobern im eigenen Innern. Wäre Homer minder groß, wenn er seine Ilias verbrannt hätte? während des Letzten mit Josefine oben in der Loge erschienen laut. Das hätte die Republik sich auch nicht träumen lassen: Im Convent das Hauptquartier eines Generals! ohne sich umzuwenden. Ich habe kein anderes. Frau v. Beauharnais hat Dir etwas mitzutheilen ... ich ziehe mich diskret zurück. Ab oben nach rechts. Bonaparte fährt auf, wendet sich, sieht Josefine oben sitzen. etwas befangen. Mein Herz drängt mich, Ihnen sofort zu danken, daß Sie dem armen Menou Ihren Beistand liehen ... Bonaparte schweigt. Noch eine Bitte: Würden Sie meinen Salon durch Ihre Gegenwart auszeichnen? ruhig. Bedaure. Ich gehe nach Korsika. sieht auf. Das Spiel aufgeben? Sie verläßt die Loge und geht zu ihm nach unten. Fortuna ist ein Weib. Wer sie heut' verfehlt, der hoffe nicht, sie morgen wiederzufinden. Von seinen Worten betroffen, auf Josefine blickend. Der hoffe nicht, sie wiederzufinden?! lächelt. Wie genau Sie die Frauen kennen! ... Meistern Sie doch das Glück! Wer weiß, ob nicht ich Ihnen gute Botschaft bringe. Ich komme von Barras ... bitter. Natürlich! Gleichgültig. Was giebt's denn Neues in diesen hohen Regionen? langsam, ihn beobachtend. Leichthin. Carnot hat General Scherer aus Italien abberufen. O! Meine Armee! Meine hundert Pläne! Auf und ab rennend wie ein Verzweifelter. Und ich hier, eine lebendige Lüge ... o ich hasse dies Paris! gemessen. Es ist nicht Ihr Vaterland. Ich habe keins. Die Erde ist mein Vaterland. Nur frei muß ich sein, frei ... lieber Ziegen hüten in Korsika. fein. Ach, Sie sagen mit Cäsar: Lieber der Erste im Dorfe, als der Zweite in Rom. Und der Erste ein Barras! Ha! Wir verstehen zu hassen, wir Korsen. halblaut. Nicht zu lieben? sieht sie an. Wollen Sie wissen, warum ich Frankreich verlasse? verlegen, ahnungsvoll. Ich werde Ihnen rathen, so gut ich vermag. energisch. Werden Sie? Nun wohlan, Madame, ich liebe Sie. erregt. Wie? Sie? Mich? Gefaßt, lacht leise. Sie machen eine Liebeserklärung wie einen Staatsstreich. Nicht viel Federlesens! grimmig. Das kam über mich wie ein Naturgesetz. Aber ich stampfe es nieder und bringe das Weltmeer zwischen mich und meine Leidenschaft. Mein Stern war ein Irrlicht. Ich glaube nicht mehr an mich. halblaut. Aber ich glaube. Zirpt nur weiter wie die Motten um's Licht, ... das Meer zwischen mich und meine Flammen! Das kühlt. lächelt. Aber das sind ja lauter Monologe, unverständliche. Ich dachte, die Liebe wäre ein ... Dialog? Wenn Sie über das Weltmeer rennen, kann ich ja gar nicht zu Worte kommen. Ein Weib, das in den Armen eines Barras lag ...! Er will sich nach links entfernen. in heftige Bewegung. Ein Irrthum und eine Beleidigung. Ich war nie die Geliebte des Barras. erregt. Warum sind Sie an ihn geschmiedet wie eine Galeerensklavin? Beim Sturz der Schreckensmänner fand ich mich allein in der Welt, mein Vermögen Nationaleigenthum, als Aristokratin geächtet. Da nahte mir Barras mit dem Vorschlag, in seinen Salons die Honneurs zu machen. Er sprach davon, die höfische Geselligkeit des Ancien Regime zu erneuern, den rüden Ton der Jakobiner ein für allemal zu verbannen. Da er aber unvermählt sei, bedürfe er einer Dame, um mit Takt die Gastfreundschaft der Tuilerien zu leiten, einer Aristokratin, um die Gegensätze zu versöhnen. Und so bin ich ... lächelt. Zeremonienmeisterin der Republik. Bonaparte, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Ich leugne es nicht, ich liebe den Luxus, die Toiletten, die Feste. Und dennoch war ich oft versucht, das Alles im Stich zu lassen und Gott weiß wovon zu leben. Wie schwer es fällt, unter diesen Umständen eine honnette Frau zu bleiben, können Sie sich kaum vorstellen. Ich muß lavieren. Seine Geliebte bin ich nicht und werde es niemals sein. Ich gehe nicht nach Korsika. Fest, auf sie zutretend. Empor aus diesem Schlamm, empor zur Höhe! Wie kann ich das? Als mein Weib! Pause. Wer den Demant der großen Liebe fand, der geizt nicht um Pfennige der Alltagsmoral. verwirrt. Ich schwöre, ... ich war ... ich bin ... Was Du warst, begrub ich. Du bist meine ... Illusion! eilig von links. Dekret vom Direktorium! Ueberreicht ihm ein versiegeltes Schreiben, ab. rasch. Ich weiß. Das war's, worum ich Barras bat. finster. Ihn ... für mich? Ohne den Brief zu lesen. Sie erhalten den Oberbefehl einer Armee. außer sich. An der Spitze einer Armee! Welcher Armee? Denken Sie nach! Italien! Liest. Der Würfel ist gefallen. rasch neckisch. Mein Wurf, meine ... Sie stockt. ergänzend, langsam. Deine ... Mitgift? Was wird die meine sein? Ich habe nichts als meinen Degen. Aufflammend. Ich will Dir einen Ruhm bringen, so leuchtend, so glühend, daß seine Strahlen auch Dich verklären sollen. träumerisch. Auch mich verklären sollen? ... Du sonderbarer Kauz mit Deiner lächerlichen Sicherheit! umschlingt sie mit wilder Leidenschaft. Deine Augen machen mich unwiderstehlich. ... Heut' die Hochzeit, morgen in's Feld! Heut? Aber ... ich sagte noch nicht ... Ja! Doch! Du blicktest es, Bürgerin Bonaparte. ... Man muß der Mann seines Schicksals sein. an ihn geschmiegt. Und auch ein wenig der Mann seiner Frau. Wie ungalant. Morgen schon fort? Und Du hier allein? Barras ... Dumpf. Fürchte den Dolch Othellos! Ist er drollig! So bleib! finster. Wir tragen Macbeths Dolch im eigenen Busen. Er funkelt vor uns her ... zu Mord oder Selbstmord, zu Sieg oder Untergang! Kalt, trocken. Ein Danaergeschenk ... man will mich los sein. An der Armee scheint nichts mehr zu verderben, eine meuternde Lumpenbande, ein verlorener Posten. Ballt die Faust. Ah, ich will euch, ihr Rechenmeister! Was willst Du thun? Alles. Falsch ist die Algebra der Wirklichkeit, ihr fehlt das unbekannte X ... da oben. Blickt visionär in die Höhe. scheu, zweifelnd. Höhere Mathematik?! vor sich hin. Mailand ... die Alpen ... querdurch nach Wien! Schmettre, Fanfare, bis an's Ende der Erde! Die Ouverture einer Heldenoper? Wirst Du sie dann noch hören, meine arme Stimme? in's Weite starrend. O, sie klingt süß, die Stimme meiner Legionen ... so süß wie Deine Stimme! »Legionen«?! Bist Du schon Imperator? Ich bin, der ich bin. Durch die Mittelthür stürzen Murat, Duroc, Junot herein, mit geschwungenem Degen, jubelnd. Hoch die Armee von Italien! ... General-en- Chef, ich melde mich zum Dienst! Wir Alle! Auf nach Italien! Endlich die Sonne! durch die Mitte mit lärmenden Soldaten, die eine Fahne schwingen. Gratulire ... gratulire! ... Sieh' Dein Feldzeichen! zur Fahne hin. O Trikolore, Du birgst in Deinen Falten den Donner künftiger Schlachten, den blitzenden Keil des Jupiter! ... Nichts mehr vom gallischen Hahn! Das ist ein Prahler, der auf dem Miste kräht: ich, Franzosen, ich bringe euch den Adler! Jubelnde Zustimmung, Trommelwirbel. Vorwärts mit Trommelschall! Unser Sturmmarsch soll Europa über den Haufen rennen! Was will denn dies Oesterreich? Wir werden es von der Landkarte wischen! Wir werden Rußland hinter die Wolga werfen! Nieder mit England! Es werde ausgemerzt! begeistert. Auf der Adler zur Sonne der Weltherrschaft! Sie umarmen sich enthusiastisch im Hintergrunde. kalt, unbeweglich vorn zu Josefine. Phantasten! So sind die Menschen! Da sehen sie schon den Zauberpalast ... »Tausend und eine Nacht!« Ja, in tausend Nächten wird man ihn zimmern ... Stein auf Stein, vulkanischer Granit, bis in die Wolken! angstvoll auf ihn starrend. Thurmbau zu Babel?! Mir graut. fest. Nimrod, der Gewaltige des Herrn ... der Löwe jagt, die Zeit der Marder ist vorüber. zu Bonaparte heran, eifrig, halblaut. Und reingekehrt mit solchem Besen Degen schüttelnd. die ganze Bude hier! ebenso. Die Fuhrmannskneipe, wo man um Trinkgelder balgt! ebenso, geziert. Die Lotterbuben, die subalternen Wühler! Barras ... der taugt zu gar nichts als zum Steuereinnehmer! Amtswohnung in Cayenne ... auf der Teufelsinsel! verächtlich vor sich hin. So sind die Menschen. Der Erfolg ist ihr Gott. Doch nicht der meine. Weiter nach vorn. rechts neben ihm. Die Republik? Ein Märchen! Es war einmal. Zermalme, erwürge sie, die »große« Revolution! kalt, unbeweglich, ganz vorn an der Rampe. Das wirft den Ocean mit Steinen! Die kaum des Forschers Senkblei je erreicht, was wisset ihr von Meeretiefe und was, ihr Blinden, wisset ihr von Mir? Ich weiß, woher ich kam, wohin ich gehe ... Die Revolution und Ich, wir sind nur eins. Das Welt gesetz das ist das Welt gericht. Laut, sich aufrichtend. Ein Größerer denn ich ist über mir: wer sich von Ihm gerufen fühlt, kann nicht widerstehen. Er steht ruhig da in blendendem Sonnenglanz.