An die Langeweile Unsterbliche, geliebte Schöne, Bei deren Lob ich jetzt schon gähne, Dich preise heute mein Gesang: Was uns kein Aesculap kann geben, Gibst du uns; denn du machst das Leben Uns bis zum Ueberdrusse lang. In deinem Arm allein verweilet Die Göttin, die so schnell sonst eilet, Die gold'ne, ach! so flücht'ge Zeit; Und wenn du auch im Himmel wohnest, Und dort die Sterblichen belohnest, Wie freu'n wir uns der Ewigkeit! Du lehrst des Lebens uns geniessen, Zu deinen bleibeschwerten Füssen Gähnt seufzend eine halbe Welt: Die göttlichste aus allen Gaben, Die Ruhe, kann Gott selbst nicht haben, Wenn er sie nicht durch dich erhält. Du lehrst Sultane Bilder schnitzen, Die Damen ihre Zungen spitzen, Und auf des Nächsten Leumund schmäh'n. Ja, deine schönen Siegstrophäen Kann man in allen Assembleen An hundert offnen Mäulern seh'n. Der Mönch auf seinem harten Brette, Der Abt auf seinem Flaumenbette, Umarmen gleich inbrünstig dich, Und manche Prediger ereifern Auf unsern Kanzeln bis zum Geifern Allein für deine Ehre sich. Du thronst auf grossen Folianten: Ein ungeheures Heer Pedanten Steht immerdar in deinem Sold, Und ach, du lieber Gott! was thäten Romanenschreiber und Poeten, Wärst du nicht auch den Schluckern hold? Du wohnst in prächtigen Pallästen, Du präsidirst bei allen Festen, Die man an Fürstenhöfen hält; Und o! die Grossen dieser Erde, Was hätten sie wohl für Beschwerde, Wärst du's nicht, was sie manchmal quält? Von dir begeistert, weist die Schöne Dem Stutzer ihre weissen Zähne, Und gähnet ihn extasisch an: Du hüllst dich in die reichsten Kleider, Und nur zu oft trifft man dich, leider! Auf schönen Mädchenlippen an. Um deine Freundin Zeit zu tödten Erfand man zwar in grossen Städten Spektakel, Feuerwerk und Spiel; Allein man gähnet bei Raketten, Bei Trauerspielen, Operetten, So wie bei Lomber und Quadrill, Ja selbst in diesem Augenblicke Beweist zu meiner Leier Glücke Sich deine grosse Macht an mir: Denn dieses Loblied, das ich singe, Und das ich dir zum Opfer bringe, Sing' ich aus langer Weile dir.