Schwesterngesundheit ausgebracht bei einer Schwesterntafel den 10. des Wintermonats 1782. Hört, edle Schwestern! eh' wir, voll Des Maurersinns, auf euer Wohl Die Trinkpistolen leeren, Will ich den Ursprung, und anbei Sogar den Zweck der Maurerei In kurzem euch erklären. Es sind beinahe tausend Jahr, Daß unser Stifter Merlin war, Der Table ronde Erfinder. Er fing die Tafellogen an, Und König Arthur pflanzte dann Sie fort auf seine Kinder. Und die, so er zu Rittern schlug, Die waren alle fromm und klug, Voll Muth und Seelenadel, Und jeder dieser Ritter war Im Feld, bei Tische, ja sogar – Im Bette ohne Tadel. Wie König Arthur, wenn er aß, An einer runden Tafel saß, So sitzen wir in Kreisen: Ihm schuf ein mächt'ger Zauberer Die niedlichsten Gerichte her, Uns hext ein Koch die Speisen. Und alle Ritter tranken bloß Aus einem Tummler, Mörsergroß, Den wir auch leeren müssen: Allein aus diesem Trinkgeschirr, Zu groß für Damen, liessen wir Für heut' Pistolen giessen. Die Ritter weihten feierlich Sich einer Dame, der sie sich In jeder Noth empfohlen; Es steht, ihr Schönen, nur bei euch, Ob wir in diesem Punkt auch gleich Den Rittern werden sollen. Wenn einer in die Ferne ritt, Nahm er der Dame Armband mit, Die Zeit sich zu verkürzen: Wir sind hierin den Rittern gleich, Und tragen auch etwas von euch Beständig an den Schürzen. Und was selbst mehr, als Tapferkeit', Die holden Damen einst erfreut', Das war des Ritters Treue: Wir lieben sehr die dritte Zahl, Und diese ist ja allemal Ein Sinnbild ächter Treue. Die Dame war dem Ritter hold; Von ihr ward oft der Minnesold Dem Glücklichen beschieden: Wir fordern nicht einmal so viel, Und sind, wenn man uns lohnen will, Mit einem Kuß zufrieden. Doch dafür schwur auch jederzeit Der Ritter ihr Verschwiegenheit Bei seinem Liebesbunde: Auch Maurerritter plaudern nicht, Und halten stets ob dieser Pflicht Den Finger vor dem Munde. Und endlich war's der Ritter Brauch, Die Damen ihres Herzens auch In Liedern zu verehren. Der Brauch ist noch: darum ließ heut Auch uns're Dichterwenigkeit Zu eu'rem Lob sich hören. So weit geht uns're Aehnlichkeit Mit jenen Rittern alter Zeit, Die wir zu Vätern hatten: Und nun entdeck' ich ohne Scheu Euch auch den Zweck der Maurerei, Den noch kein Mensch errathen. Die ersten Ritter uns'rer Art Entschlossen sich zu einer Fahrt, Und gingen einst auf Reisen: Ganz Asien und Afrika Durchreisten sie, und suchten da Den selt'nen Stein der Weisen. Ihr denkt, was mag wohl dieser Stein Der Weisen für ein Wunder sein? Geduld! ihr sollt es hören. Nur müßt ihr mir durch einen Eid Die pünktlichste Verschwiegenheit Auf Lebelang beschwören. Nun also, Schwestern, sey euch kund: Der Stein der Weisen ist – der Bund Der Schönheit mit der Tugend. Die Schönheit ist dem Alter feind. Und ach, die andere vereint Sich selten mit der Jugend. Allein die Schwester selt'ner Art, In der sich Reiz mit Tugend paart, Die mag sich selig preisen! Sie ist's, wornach der Maurer strebt, Sie ist's, wornach das Herz ihm bebt, Sie ist – der Stein der Weisen. Wohlauf, ihr Brüder, laßt uns freu'n! Stellt alles weit're Suchen ein, Der Stein ist nun gefunden: Blickt auf, wohin das Auge fällt, Hat Reiz mit Tugend sich vermählt, Und schwesterlich verbunden! Auf, Brüder, laßt uns nun durch Wein Den seltenen, gefund'nen Stein Zur Huld für uns erweichen: Heil euch, ihr Schwestern, für und für! Heil allen Schwestern, die wie ihr Dem Stein der Weisen gleichen!