Joachim Wilhelm von Brawe Der Freigeist ein Trauerspiel in Prosa und fünf Aufzügen Personen Personen des Trauerspiels: Klerdon. Granville. Miß Amalia Granville. Henley. Truworth, Klerdons Diener. Widston, Henleys Diener. Ein Bedienter. 1. Akt 1 Erster Auftritt. Henley. Widston. Welch ein unvermutheter Zufall! Was habe ich erblickt! Meine Anschläge, meine Rache, – alles ist hin! ich Unglücklicher! – Indem er sich umsieht. du folgst mir? Ja, mein Herr, Ihre heftige Bestürzung beunruhiget mich. Werden Sie mir vergeben, wenn ich mich nach der Ursache dieser schleunigen Veränderung mich erkundige? Kanntest du den Fremden, der eben itzt so schnell bey uns vorbey gieng? Eine dunkle Erinnerung, daß ich ihn irgend einmal gesehn – Du betrogst dich nicht, es war Granville, mit dem ich in London durch den Klerdon in eine kurze Bekanntschaft gerieth. Und seine Gegenwart kann in Ihnen so heftige Bewegungen erregen? Sie ist für mich der widrigste Zufall, mit dem ein feindselig Geschick mich nur straffen konnte. Meine Rache, eine Rache, nach der meine Seele lechzet, steht in Gefahr hintergangen zu wer den. Du kennst mich, Widston, du mußt also die Qual kennen, die jetzt mein Herz zerfoltert – Jedoch alle meine Worte werden dir unauflösliche Räthsel scheinen; ich sehe es, deine neubegierigen Augen fragen mich bereits um ein Geheimniß, daß du verdientest eher erfahren zu haben. Entschuldige mich. Du bist meines Vertrauens würdig. Die letztere Probe, die du mir davon gegeben, redet zu stark für dich. Ich gestehe es, vor dieser stand ich noch an, so sehr ich dich auch geprüfet hatte, dir dieß Geheimniß anzuvertrauen. Itzt soll sich dir mein ganzes Herz aufschließen. – Du kennst die Verhältnisse, in denen ich mit dem Klerdon stehe. Unsre beiden Häuser sind stets Theils durch die Bande der Verwandtschaft, Theils durch die Nachbarschaft ihrer Güter, und andre Umstände verknüpft gewesen, und eben diese genauen Verbindungen haben unaufhörlich eine geheime Eifersucht unter ihnen genähret. Ich ward mit dem Klerdon bey meiner Rückkehr von Reisen, wie du weist, bekannt. Sein schimmernder Charakter zog jedermanns Aufmerksamkeit auf sich. Der Christ, der rechtschaffene Mann, wie alle von ihm rühmten – – du wirst bald sehen, daß ich dieß zur Verherrlichung meines Triumphs wiederhole – – vereinigte sich in ihm mit den vorzüglichsten Gaben des Geistes. Ueberall verdunkelte er alle seine Freunde, man vergaß ihrer oder kannte sie nur unter dem Charakter – seiner Freunde. Meine Eifersucht ward aufgebracht. Sie verdoppelte sich, da er bey verschiedenen Gelegenheiten, als wir uns um einerley Bedienungen bewarben, Hoffnungen erhielt, die man mir versagte. Ueberall mußten wir Nebenbuhler seyn, und überall siegte er. Ich ward sein unversöhnlichster Feind. Du weißt selbst, wie oft ich gegen dich meinen Zorn und Verdruß über dieß widrige Geschick aushauchte. Endlich verwickelte uns eben dasselbe in einen Kampf, der den Ueberwundnen eben so schamroth machen, als mit Wut entflammen mußte: Wir strebten beide nach der Gunst der Schwester des Granville, einer Schönheit, die damals aller Wünsche reizte. Sie besitzt nicht gemeine Vorzüge, – doch verabscheuet sey das Lob, das ich ihr gebe, ihr, die ich itzt tödtlich hasse! Ich will mich nicht länger bey den Tagen meines Schimpfes verweilen. Sie verwarf mich; – das letztere Geschäffte, das dir mein ganzes Vertrauen erworben, zwang dich damals, dich von mir zu entfernen; – Sie zog mir den Klerdon vor, und versprach ihm ihre Hand. Klerdon ist Ihr Nebenbuhler und, noch mehr, ein begünstigter? und Klerdon lebt noch? Du erstaunst? Kenne meinen ganzen Charakter. So eine gemeine und geringe Rache, als der Tod, war meiner unwürdig. Ich hätte den Klerdon durchbohrt: ein Augenblick wäre seine Strafe gewesen. Nein, eine empfindlichere, eine langwierige Strafe, eine Strafe, die mir selbst, da ich sie ausdachte, einen Schauer einjagte, soll meine Schmach ahnden. Eben diese glänzenden Vorzüge, diese so gerühmten Tugenden, durch die er mir überlegen ward, beschloß ich ihm zu rauben: aus dieser erhabenen Sphäre ihn herabzustoßen, ihn zum Lasterhaften, zum Frevler, ja, wo möglich, zum Ungeheuer zu erniedrigen, ihn mit eben so viel Schande zu überhäufen, als ihn zuvor Ehre krönte; und endlich, wenn ich ihn zu den schwärzesten Verbrechen hingerissen, ihn noch vielleicht jenseit des Grabes – o! wie schwellt mein Herz der stolze Gedanke auf! – beseufzen zu lassen, daß er mich jemals beleidigte: dieß war mein großer Entwurf. Und sie konnten hoffen – – – Ich rief die Verstellung zu Hülfe; ich überkleidete den Todfeind mit dem einnehmenden Schein eines Bewunderers und Freundes. Ich stellte mich, als hätte ich die vorige Leidenschaft der Freundschaft aufgeopfert: und es gelang mir. Mein erster Versuch war, seine Liebe zur Religion zu bekämpfen, eher durfte ichs nicht wagen, ihn mit dem Laster bekannt zu machen. Ich verstrickte ihn in unendliche Zerstreuungen. Ich verführte ihn zu kleinen Vergehungen, die ihn beunruhigten, und bald in ihm einen heimlichen Widerwillen gegen die Religion, die ihn deswegen bestrafete. Ich hatte gewonnen, ich bestritt ihn mit einem Heere von Zweifeln; ich empörte seinen Ehrgeiz; mit dem Pöbel einerley zu denken, stellte ich ihm als schimpflich vor: er ward ein Freygeist. In diesem Augenblicke war meine Rache gesichert. Umsonst führte er in seinen Gedanken das hinfällige Gebäude der Religion eines rechtschaffenen Mannes auf. Ich lobte diesen Vorsatz. Doch bald riß ich ihn von Verbrechen zu Verbrechen hin. Seine stärkste Rüstung schützte ihn nicht mehr. Er ergab sich den zügellosesten Verschwendungen. Stürzten ihn seine Laster in den Abgrund eines fürchterlichen Mangels, so bewog ich ihn, sich durch neue daraus zu retten. Er erpreßte auf die grausamste Weise von seinem Vater die ansehnlichsten Summen; dieser opferte alles für einen Sohn auf, der bisher seine ganze Freude gewesen war. Dieser gutwillige Greis litte bald die Strafe, die Klerdons Ausschweifungen verdienten; er versank in die schmählichste Dürftigkeit. Ich wußte ihn mit seinem besten Freunde dem Granville, und, – dieß war mein vorzüglichster Triumph! – mit seiner Geliebten zu entzweyen. Itzt entwich die Scham, die ihn noch bisher zurück gehalten hatte; itzt fieng er an, sich öffentlich wider die Religion aufzulehnen, die er schon lange heimlich gehaßt hatte. Seine Schulden nöthigten ihn endlich London zu verlassen, mit dem letzten Raube seines unglücklichen Vaters beladen: Er kam mit mir in diesen nordlichen Theil Englands, wo er unbekannt – doch was sehe ich? Du entfärbst dich? du zitterst? deine Blicke verrathen Abscheu und Entsetzen? – Feiger! Wie sehr habe ich mich betrogen: Gewöhnt an das, was der Pöbel Frevel nennt, bebst du vor diesem? – Treibe deine Beleidigung nicht weiter; deine mir erwiesnen Dienste vertheidigen dich noch. Hüte dich die Zaghaftigkeit bis zur Verrätherey zu treiben, sonst lerne für dein Leben zittern! Sie könnten glauben – – – Verlaß mich, es nähert sich jemand; so bald ich allein bin, eile wieder zu mir. 2 Zweyter Auftritt. Henley. Klerdon. unruhig. Ich muß zu Ihnen, liebster Freund, meine Zuflucht nehmen. – Eine tödtende Unruhe jagt mich überall herum; – meine ganze Seele ist Aufruhr. Ich erstanne, Klerdon! welche eine plötzliche Ursache – – – Nicht plötzliche, Henley! Schon seit einiger Zeit haben die oft erwachenden – – – wie soll ich sie nennen? – – Vorurtheile der Kindheit – – ja, diese mögen es zu meiner Beruhigung seyn! – – – mein Innres in eine qualvolle Zerrüttung gesetzt; schon lange hat das Andenken meines unglücklichen Vaters alle Ruhe aus meiner Seele verwiesen. Ich weiß es, ich kenne die unmännliche Schwermuth, die Sie manchmal befällt, und ich erröthe Ihrentwegen darüber. Aber ein so wildes Entsetzen, eine so außerordentliche Bangigkeit nahm ich nie an Ihnen wahr. Nein, ich darf Ihnen die Ursache nicht eröffnen. Sie würden meiner spotten. Ich Ihrer spotten! Beleidigende Vermuthung! Nein, Klerdon, ich bin weder ein Unmensch, noch ein verächtlicher Leichtsinniger. Eins von bei den muß der seyn, der über einen Freund in der Betrübniß spotten kann. Ich würde fürchten müssen, daß Ihre Freundschaft gegen mich zu ermatten anfienge, wenn Sie länger anstünden, mir Ihre Bekümmernisse mitzutheilen. Was werden Sie sagen, wenn ich Ihnen gestehe, daß ich unmännlich, daß ich klein genug bin, mich durch die nächtliche Geburt einer beunruhigten Einbildung so aufbringen zu lassen? Wie? Ists möglich – – – Ja, meine Schande ist Ihnen nunmehr bekannt; o! könnte ich sie vor mir selbst verbergen! Haben Sie Mitleiden mit meiner Schwachheit – Doch lassen Sie mir Gerechtigkeit wiederfahren; nicht das fürchterliche Schicksal, das mir verkündigt zu werden scheint, schrecket mich: Diese Drohungen, die eiteln Geschöpfe eines aufgebrachten Blutes, war ich nie zu achten gewohnt; nur das Andenken meines Vaters, das so stark in mir rege gemacht worden, quälet mich. Mir kam es vor, als sähe ich ihn diese Nacht, und wie? – peinigende Vorstellung! – sterbend zu meinen Füßen liegen. Schon hatte eine tödtliche Blässe sich über sein ehrwürdiges Gesicht gezogen. Seine Augen, die in Thränen schwammen, richteten sich flehend nach mir empor. Kein Unwille flammte in ihnen; sie kündigten nur den gütigen, den versöhnten Vater an. Er breitete seine zitternden Hände gegen mich aus, und bat mich mit gebrochner und sterbender, doch, Henley, mit so rührender Stimme, daß mein Innerstes sie hörte: – mich einem fürchterlichen Abgrunde nicht zu nähern, zu welchem nicht fern von uns ein lockendes Ungeheuer (das Schrecken hat gemacht, daß ich seine Gestalt vergessen) mich hinrief. Er fiel endlich todt zu meinen Füßen nieder. Ganz außer mir, ward ich von Empfindungen, die allen Ausdruck übersteigen, durchstürmt – – – Vielleicht haben die beständigen zaghaften Vorstellungen – – – Hören Sie den Erfolg. Mich dünkte, die schmeichelnde Stimme des Ungeheuers besänftigte nach und nach diese brau'enden Bewegungen. Ja, bewundern Sie, Freund, die Gewalt derselben; sie zwang mich die Ermahnungen meines Vaters zu vergessen, und mich dem Abgrunde zu nähern. Doch in dem Augenblicke schien eine glänzende Wolke eine prächtige Gestalt aus ihrem Schooße herabzulassen, in der ich die Züge des Granville, der sonst mein Freund war, zu erkennen glaubte, nur daß sie mit etwas Feyerlichem und Erhabnem vermischt waren, das über die Menschheit, selbst in ihrer größten Würde, ist. Ein majestätischer Schimmer durchfloß den ganzen Raum um ihn her. Mit freundlicher Hand wollte er mich von dem gefährlichen Orte hinwegwenden; verächtlich stieß ich sie zurück, und in diesem Augenblick kam es mir vor, als wenn das Ungeheuer meinen Freund vor meinen Augen tödtete. Wütend stürzte ich mich auf dasselbe los, ihn zu rächen, als plötzlich (wie flieht meine Seele vor der schrecklichen Erinnerung zurück!) der ganze Himmel sich über uns öffnete, und Feuer und Ungewitter ward. Ein stürmender Donner schleuderte mich und den Vorwurf meiner Rache in den gräßlichsten Abgrund hinab, und ich erwachte. Allzu schwacher Freund! dieß kann Sie ängstigen? Ich gestehe es, ich schäme mich vor mir selbst; und was mir Erstaunen erweckt, so scheint seit einiger Zeit meine ganze Natur ausgeartet zu seyn, und eine gewisse, unwiderstehbare Schwermuth ihr Gift durch meine Seele ergossen zu haben. Ueberall öffnen sich mir dunkle melancholische Aussichten; überall bin ich, wie mich dünkt, von Gefahren belagert. Dieß macht, weil Sie Sich noch nicht ganz von dem Joche der alten Vorurtheile entfesselt, Sich noch nicht weit genug über den Pöbel hinweg geschwungen haben, und immer schüchtern zurück sehn. Sollte denn aber dieser innre Zwang, dieses unüberwindliche Gefühl, dieses Schwerdt, das – – ich will aufrichtig reden! – – – meine Brust oft mitten unter den Spöttereyen durchbohrte, mit denen ich die Religion angriff, sollte dieß alles nur Gewohnheit, nur Vorurtheil seyn? Nicht anders! Gewohnheit, Vorurtheil, Milzbeschwerung, wie Sie es nennen wollen. Wie sind Sie doch heute so überaus kleinmüthig! Ein Traum – – – denken Sie mir nicht mehr daran! es schmerzt mich zu sehr, Sie so erniedrigt zu sehn. nach einigem Nachsinnen. Unglücklicher, liebreicher Vater, wie grausam habe ich dir begegnet! Hören Sie auf! Sie werden immer schwermüthiger. – Doch eben itzt finde ich ein bequemes Mittel darwider. Die blühenden Gänge des Gartens dieses Hauses scheinen Sie zu rufen. Dieser entzückende, Morgen hat alle ihre Schönheiten erhöht. Versuchen Sie es; vielleicht verwehen frischere Lüfte die Nebel Ihres Gemüthes. Sie müßten sehr fühllos seyn, wenn bey dem Anblicke jener lachenden Aussichten, keine sanfte Wollust sich Ihrer bemeistern sollte. Ich würde Sie begleiten, wenn nicht einige Geschäffte mich zurück hielten. Klerdon geht ab. 3 Dritter Auftritt. Henley, und hernach Widston. Wie kleinmüthig wird er! Ich muß meine Vorsicht verdoppeln, daß mein Sieg mir nicht aus den Händen schlüpft. Widston tritt auf. Danke es deinen mir geleisteten Diensten, daß ich deine vorige Weichherzigkeit vergessen kann; allein mache dich meines Vertrauens nicht unwürdig. Dieß Verbrechen ist mir unmöglich. Vernimm nunmehr, was mich vorhin so bestürzt gemacht hat. – So bald Klerdon hier angelangt war, bewog ich ihn, sich allen möglichen Lustbarkeiten zu überlassen. Doch alle diese Zerstreuungen haben nicht hindern können, daß ich nicht oft die Spuren einer tiefen Schwermuth an ihm bemerkt hätte. Kurz, Klerdon büßet bereits für seine Verbrechen. Wie angenehm würde seine Marter meinem Hasse seyn, wenn sie mir nicht wegen seiner künftigen Veränderung Furcht erweckte. Jedoch sein Ehrgeiz, den ich zu rechter Zeit rege zu machen weiß, die Zerstreuungen, in denen er durch mich beständig herum irrt, und der Charakter eines Freygeists, den er öffentlich angenommen hat, werden ihm schon den Weg zur Besserung verschließen. Noch ein oder zwey Verbrechen mehr, so artet seine Schwermuth in Verzweiflung aus, so wird er vollkommen unglücklich, und ich glücklich und gerächt. – Doch ich zittere, wenn ich bedenke, was für eine furchtbare Hinderniß meiner Absichten ich heute erblickt habe. Granvillen, – einst seinen besten Freund. Nun wird deine Verwunderung über meine Bestürzung aufhören. Dieser kömmt gewiß ihn zu retten. Was meine Furcht vergrößert, ist daß, wie man mir gemeldet, seine Schwester ihn begleitet, beide diese Nacht hier angekommen, und den untern Theil dieses Hauses bezogen haben. – Welcher Unglückselige muß ihm unsern Aufenthalt verrathen haben? Weiß Klerdon schon – – – Er weiß noch nichts. Indessen muß er es bald erfahren. Und meine Rache – – doch was fürchte ich? diese soll mir dennoch nicht fehlschlagen. Klerdon triumphire noch nicht! Himmel und Erden sollen ihn dafür nicht schützen können. Eher will ich seinen Freund, seine Geliebte – – Umsonst sind sie zu seiner Rettung gekommen; – – sie mögen für sich selbst zittern! meine Rache soll sie gemeinschaftlich ergreifen! ihr gemeinschaftliches Verderben soll meinen Triumph erhöhen! – Ja, Widston, ich werde ein Mittel finden, sie alle dreye, einen durch den andern aufzuopfern. Wird nicht Ihre Liebe zum mindsten Miß Granville ausnehmen? Was? Liebe? Wer mich beleidigt, und wäre er die Vollkommenheit selbst, und hätte ich ihm mein Leben zu danken, ich könnte ihn nicht lieben. Wünschte ich ja noch, sie zu besitzen, so wäre es, um ihr Henker zu seyn und sie unaussprechlich elend zu machen. Doch dazu bietet sich mir ein leichterer Weg an. Klerdon liebt sie noch. Klerdon ist höchst eifersüchtig. Ehrgeiz und Eifersucht, beide tyrannisieren über sein Herz in gleich heftigem Grade. Beide sollen sein Verderben und die Diener meines Hasses seyn. – Nun kennst du den ganzen Plan meiner Rache! Sage, ist er nicht meiner würdig? Gemeine Geister sind zufrieden, wenn sie ihren Gegnern nur ihre jetzigen Tage vergiften. So enge Grenzen sind für mich nicht gemacht. Ich will meinen Beleidiger, wo es möglich ist, noch bis über die Pforten des Grabes verfolgen, und mich an der stolzen Vorstellung ergetzen, ihm selbst jenes Glück vernichtet zu haben, das sonst über alle sterbliche Gewalt erhaben ist. Sie setzen mich in Verwunderung. Wie? Gedanken von jener Zukunft können Sie beschäfftigen, ohne diesen Anschlag in Ihnen zu ersticken? Wundre dich darüber nicht; rede ich gleich die Sprache des Freygeists, so fällt es mir doch schwer, so zu denken. – Wie sehr wünschte ich das Gegentheil! – Vielleicht würde ich selbst ein eifriger Verehrer der Religion seyn, besäße ich nicht das, was große Geister Ehre, der gemeine Haufe Rachgier nennt. Die Religion verbeut es, ich kann sie nicht lieben. Diese Leidenschaft ist mir so theuer geworden, hat sich meine ganze Seele so unterwürfig gemacht, daß ich eines Feindes Verderben selbst mit meinem eignen erkaufen wollte. Und bin ich nicht durch Jugend und Gesundheit gesichert? Das Alter wird vielleicht dieß gewaltige Feuer in mir bändigen, und wenn meine Feinde schon lange eine Beute des Verderbens geworden sind, werde ich noch Zeit haben – – – doch hinweg mit dergleichen Gedanken! jetzt entferne ich mich, auf Mittel zu denken, Granvillens Gegenwart fruchtlos, und vielleicht beiden verderblich zu machen. Folge mir bald nach, vielleicht möchte ich deiner dabey bedürftig seyn. Nur erinnere dich, wem solche Geheimnisse anvertrauet sind, der muß zu schweigen, oder zu sterben wissen. Geht ab. 4 Vierter Auftritt. allein. Welch entsetzliches Vorhaben! – welch ein Gemisch von Frevel, von Unmenschlichkeit, von widernatürlichen – – – wie soll ich es nennen? kein Wort vermag die Abscheulichkeiten dieses Anschlags auszudrücken. Ich zittre! Wie schrecklich, wie ungeheuer muß er seyn! Mir erweckt er Grausen – mir, der ich ein so gefälliger Diener der Bosheit meines Herrn bin; mir, der ich Verbrechen genug verübt, selbst dieses Unmenschen Vertrauen zu gewinnen. – Mich selbst lehrt er die vergeßne Menschlichkeit wieder. – Ja, ich folge ihrem Rufe, ich folge dem deinigen, o Himmel! Vielleicht öffnest du mir hier einen Weg, alle meine Verbrechen zu vergütigen; ich entdecke es dem Klerdon. – Doch die wütende Rache meines Herrn, wenn er es erführe: – ein entsetzlicher Tod – – – und schreckte er dich, Elender, wann du zum Frevel eiltest? Nur dann, wann Tugend ihn auffordert, versagt sich ihr dein Muth. – Und dennoch könnte man vielleicht – – – Klerdon kömmt! ich muß ihn vermeiden. In dieser Ungewißheit und Zerrüttung kann ich ihn unmöglich sprechen. Ich gehe, ein Mittel zu erfinden, ihn und mich zugleich zu retten. Geht ab. 5 Fünfter Auftritt. Klerdon. Truworth. Umsonst, Truworth, nichts kann meine Unruhe verdrängen – Da er den Widston erblickt, der sich entfernt. War das nicht Widston, der itzt so eilig hinweg gieng? Wo muß sein Herr seyn? Ich glaubte ihn hier zu finden. Sein Umgang ist vielleicht das einzige, was meine Schwermuth aufheitern kann. Vergebens sind alle Versuche mich zu zerstreuen; gleich unversöhnlicken Feinden, dringen mir quälende Vorstellungen überall nach, und verkleiden auch die freudigsten Aussichten um mich her in eine finstre Gestalt. Und Sie haben mir bis itzt die ausserordentliche Ursache dieser Betrübniß verhehlt? Du weißt, daß ich einen Vater, eine Geliebte, einen Freund hatte, daß ich sie unverzeihlich beleidigt, und meine Betrübniß befremdet dich? – Ach! mein Vater wie schrecklich wirst du an dem Unmenschen gerächt, der dich betrüben konnte! Ja, Truworth! dieser ehrwürdige Greis schwebt zu meiner Verzweiflung mir stets vor Augen. Wie zerreißt nicht mein Herz das Andenken jener Beleidigung, die ich ihm, kurz vor meiner Flucht zufügte? Meine Ausschweifungen hatten mich aufs neue in einen fürchterlichen Mangel gestürzt: mit unbändiger Frechheit eilte ich zu diesem liebreichen Vater, der mich ihm so oft schon entrissen hatte. Wie trotzig foderte ich neue Hülfe! wie mußte sein Herz bey meinen harten und drohenden Worten bluten! Er schwieg; mit unaussprechlicher Zärtlichkeit heftete er seine gütigen Augen auf mich; Thränen brachen aus ihnen mit Gewalt hervor. Ohne mir Vorwürfe zu machen, übergab er mir den letzten Rest seines Vermögens, umarmte mich, benetzte mich mit seinen Thränen, und sagte Worte, die mich itzt mehr peinigen, als tausend Folterer vermöchten. Dank sei der Vorsicht, sprach er, daß mir so viel übrig geblieben ist, deinen dürftigen Umständen, mein Sohn, beyzustehen. Was schadet es, daß ich selbst nichts mehr habe? Laß mich, Gott! laß mich unglücklich seyn: nur mache meinen Sohn glücklich und tugendhaft! Und dieß konnte mich nicht rühren? Und ich konnte ihn verlassen, diesen theuren, diesen so sehr gekränkten Vater? – Ich Unmensch! Wie ergötzend ist es für mich, diese Empfindungen bey Ihnen zu bemerken! Verzeihen Sie einem alten Diener, der schon lange Jahre gewohnt war, Sie zu lieben, und – ja, ich darf es kühnlich sagen, – Sie als ein Vater zu lieben: – Ich sehe die Tugend wieder in Ihnen aufleben: und ich wünsche Ihnen Glück dazu. – Wie lange beweinte ich die unselige Verblendung, die Sie gefesselt hielt! itzt ist sie zertheilt: kommen Sie, mein Herr, kehren Sie nach London zurück; Tugend und Religion – – – Was? Religion? ein Phantom, vor dem ich schon lange nicht mehr erzitterte. Wie? mein Herr, Sie verachten etwas, das Sie sonst so liebenswürdig, so geehrt und, darf ichs sagen? ruhiger machte, als Sie ietzt sind? Mein Verstand ist zwar viel zu geringe, als daß ich über so wichtige Sachen mit Ihnen zu streiten, mich erkühnen sollte: allein es ist ja nur kurze Zeit, daß Sie das, was Sie ietzt Aberglauben nennen, noch eifrigst verehrten. Haben Ihre Einsichten in so weniger Zeit einen so außerordentlichen Zuwachs bekommen? Höre auf! Der Pöbel und Kinder mögen die Religion glauben, ich nicht. Eins erlauben Sie mir hinzu zu setzen. Warum sind Ihnen nach Ihrer Veränderung so viele Widerwärtigkeiten zugestoßen? Ihr vorher so stolz erhabenes Glück liegt zerstört, nichts als Mangel und Elend drohn Ihnen; wie traurig und schwermüthig erblicke ich Sie ietzt! Sollte sich der Himmel vielleicht – ich zittere es auszusprechen – sollte er sich rächen! Er wirft sich ihm zu Füßen. Ach, mein Herr! mit Thränen muß ich Ihre Knie umfassen – entschuldigen Sie meinen Eifer – lassen Sie die letzten Tage Ihres Vaters heiter seyn; lassen Sie ihn nicht mit Angst über Ihr künftiges Schicksal ins Grab sinken. Beschleunigen Sie nicht die Strafe des Himmels, die zu zögern scheint. – Sollte es geschehen, was ich befürchte: – Ihr Unglück würde mein Tod seyn. Stehe auf! Deine Treue zu belohnen, will ich deine Unbescheidenheit vergessen. Allein ich gebiete es dir, rede mir niemals mehr davon. – Was meinen Vater betrifft, so habe ich bereits darauf gedacht, ob ich nicht wieder zu ihm zurück kehre. Der Gedanke, ihn länger vielleicht in den kläglichsten Umständen schmachten zu lassen, ist mir unerträglich. Ich gehe, mich mit meinem Freunde Henley darüber zu entschließen. Er Ihr Freund? Vertrauen Sie Sich ihm nicht; seit seiner unglücklichen Bekanntschaft – – – ja, ich will reden, ich will mein Herz entledigen; länger zu schweigen, wäre ein Verbrechen: – er ist Ihr Verführer, Ihr Feind, Ihr Verderber. Schweig, Unverschämter! – Und du wagst es den Namen meines Freundes, den mir so heiligen Namen, mit Unehrerbietung zu nennen? Und du wagst es – – – Fliehe meinen Zorn, Elender! sonst dürfte ich vielleicht vergessen, daß du meiner Rache unwürdig bist. Sie gehn auf verschiednen Seiten ab. Ende des ersten Aufzugs. 2. Akt 1 Erster Auftritt. Granville. Miß Amalia. Wie glücklich sind wir, meine Schwester! Nach einer so langen Entfernung, befinden wir uns wieder so nahe bey unserm bedrängten Freunde. Hast du ihn bereits gesehen? Ich sahe ihn vorhin, ohne von ihm bemerkt zu werden. Er eilte in den Garten an diesem Hause. Doch wie sehr – – Sage mir vorher, ob wir fürchten müssen, daß ihm unsre Ankunft, bevor es zu unserm Vorhaben bequem ist, bekannt werden wird? Ich fürchte nichts. Ich glaube genugsame Mittel darwider vorgekehrt zu haben. So hast du den unglücklichen Klerdon gesehen? Er beleidigte mich, – dennoch kann ich für sein Schicksal nicht unempfindlich seyn. Deine Empfindungen sind gerecht, er war für dich bestimmt. Ein gleiches heiliges Band verknüpfte ihn mit mir; er war mein Freund. Trauriger Gedanke! vielleicht haßt er mich itzt, da ich ihn zu retten komme. Als ich ihn sah, – wie wahr hat uns Truworths Brief seinen Zustand geschildert! – wie verändert war er! Nicht mehr der blühende Jüngling, den die Gesundheit, die Freude und Lebhaftigkeit überall zu begleiten schienen. Sein verfallnes Gesicht war in kranke Schwermuth und finstern Verdruß eingehüllt, seine wankenden Schritte verriethen Angst und Entsetzen. Der strafende Arm des Himmels muß über ihn schon ausgestreckt seyn; er büsset bereits – – – du weinst, Schwester? Du kennst mich, und es befremdet dich, mich bey seinen Leiden gerührt zu sehn? Unglücklicher Jüngling! vielleicht sind dieß die Boten deines nahen Verderbens. Laß uns beßre Hoffnung fassen. Vielleicht wird diese Schwermuth zur Quelle seines Glücks. Was ist der Zweck unsrer Reise? Ist es nicht einen liebenswürdigen jungen Menschen der Tugend und Religion wieder zuzuführen, dessen Herz dieser Bemühung nicht unwürdig ist? Und könnte wohl etwas unserm Vorhaben günstiger seyn, als wenn das in ihm wieder entfesselte Gewissen uns den Weg dazu bahnte? Klerdon ist kein Unmensch. Ein Bösewicht hat ihn verführt, allein seine Verblendung kann nicht ewig währen. Du entzückst mich, Bruder; ja, mein Herz überläßt sich dieser liebkosenden Hoffnung. Ich werde den Klerdon wieder tugendhaft, wieder getreu sehn; ich werde ihn ohne Tadel wieder lieben können: Mit welcher Freude werde ich mein Vermögen mit ihm theilen! Sein Unglück, das ihm alles, nur mein Herz nicht geraubt hat, macht ihn mir werther. Ich werde ihm also seine Ruhe, seinen Wohlstand, seine Freude wiedergeben können. Entzückender Gedanke! – Aber vielleicht liebt er mich nicht mehr; – sollte dieses seyn – – – und warum zweifle ich? – Fürchte nichts! Er wäre deiner unwürdig, – ein Ungeheuer, könnte er dich vergessen. Eine Liebe, wie die seinige, kann durch lärmende Ausschweifungen übertäubt, niemals ganz unterdrückt werden. Du selbst hast vor deiner Flucht aus London häufige Merkmale davon gehabt; – doch itzt entferne dich. Ich habe den Klerdon um diese Zeit hieher rufen lassen. Ich werde ihn rühren. Der unglückliche Fall, von dem ich ihm Nachricht bringen muß – – Sollte ihn auch diese Nachricht zu sehr niederschlagen? Sie ist schrecklich; ich kenne sein zärtlich Gefühl, und überdieß, seine Schwermuth – – – ach! sein Herz braucht keine neue Wunden! Schone ihn, setze ihn nicht in Verzweiflung. Deine Neigung verführt dich. Einen Freygeist zu rühren, – Thränen entfallen mir, da ich dieß von meinem besten Freunde sagen muß, – kann nichts schrecklich genug seyn. – Entferne dich nur, und überlaß meiner Freundschaft diese Sorge. Du weißt, ich bin nicht gemacht, jemand grausam zu begegnen. Amalia geht ab. 2 Zweyter Auftritt. Ich werde ihn sprechen; – wie schauert mir vor dieser ersten Zusammenkunft! – und dennoch liebe ich ihn unaussprechlich. Wie wird er mich empfangen? vielleicht kaltsinnig. Doch selbst gegen seine Härte, soll meine Freundschaft gegen ihn unüberwindlich seyn. Er begegne mir grausam! – es wird mich schmerzen; – ich will ihn beschämen und glücklich machen. Er kömmt. 3 Dritter Auftritt. Granville. Klerdon. zu einem Bedienten, der ihn bis an die Thüre begleitet. Dies ist also das Zimmer des Fremden, der mich zu sprechen verlangt? Indem er sich umsieht. Wen seh ich? ich erstaune! – Granville? – Umarmen Sie mich, liebster Freund! lassen Sie mich eines so lange entbehrten Glücks wieder genießen. Sie nennen mich Ihren Freund! Sie wollen mich umarmen? Entweihen Sie diese Liebkosungen nicht, die Sie an einem Elenden verschwenden, der nichts als Unwillen verdient. Lassen Sie mich Sie fliehen. Ihre Gegenwart ist mir ein zu marternder Vorwurf. Halten Sie ein mit diesen Reden, liebster Klerdon. Wäre ich nicht unwerth jemals ihr Freund gewesen zu seyn, wenn die geringen Nebel, die neulich einige Zeit unsre Freundschaft umzogen, mich diesen Namen ganz hätten vergessen lassen? Und zu welcher Zeit? Zu der, da die Pflichten desselben am heiligsten seyn müssen, da mein Freund in bedrängten Umständen ist. Vielleicht hatte ich Sie beleidigt; – Sie haben mich bestraft. Die kurze Zeit, da ich Ihre Gegenwart entbehren müssen, und die für mich so quälend war, wird mich lehren, künftig vorsichtiger zu seyn. Vergeben Sie mir meinen Fehler, und lassen Sie mich wieder den süßen Namen Freund von den Lippen meines Klerdons hören. Zu großmüthiger Freund! mit Zittern nenne ich dieses Wort, dessen ich unwürdig bin – wie durchbohren Sie mein Herz! Ich, nur ich, hatte Sie beleidigt, und warum? weil Sie mich liebten, weil Sie mir die Hand reichten, mich von einem Abgrunde zu retten, an dem ich sorglos herumirrte. Ich Elender! wütend stieß ich diese mitleidige Hand zurück – Noch einmal, Klerdon! hören Sie auf davon zu reden. Lassen Sie das das Zeichen seyn, daß Sie mir Ihr Herz wieder schenken, daß Sie von den traurigen Zufällen schweigen, die mir es entwandt hatten. Die ersten Tage unserer wieder auflebenden Freundschaft, die uns so freudig und heiter seyn sollten, werden ohnedem wolkicht genug seyn. Ich habe Ihnen Nachrichten zu bringen – – – bereiten Sie Ihr Herz den fürchterlichsten Anfällen des Schreckens und der Betrübniß Widerstand zu thun: – Ihr Vater – Sie stocken – genug, Freund! mein Unglück, mein Verderben ist auf seinem Gipffel: – meine Verzweiflung muß es auch seyn – Er will abgehn. hält ihn zurück. Wohin, Klerdon? Unmännliche Verzweiflung: Rufen Sie jenen Muth zurück, der Sie sonst über andre erhob. Ihr Vater, es ist andem, ist dahin; doch, so tief ihn auch sein Unglück erniedrigte, so starb er dennoch nicht in Verzweiflung. Welch ein Heldenmuth in seinen letzten Stunden! – Jetzt zürnt er vielleicht, daß ihm sein Sohn so unähnlich ist. Nein, er wird diesen Elenden seines Andenkens unwürdig halten, und denkt er an ihn, so wird er ihn verabscheuen. Schonen Sie meiner nicht, sagen Sie mir das Schrecklichste, das mir noch übrig bleibt, erzählen Sie mir die fürchterlichen Flüche, die sein Zorn in seinen letzten Stunden wider mich aussprach! – – ich hatte sie verdient. – Konnte er meinen Namen ohne Entsetzen hören? foderte er nicht Elend und Verderben über einen Sohn auf, der sein Verderben geworden! Marternder Gedanke! – Lassen Sie mich, Freundlich eile, ihn zu rächen. – – – Nein, ihn aufs neue zu beleidigen. – Sein Gebot, das Gebot Ihres sterbenden Vaters, befiehlt Ihnen etwas anderes. Bezähmen Sie diese stürmende Betrübniß, und hören Sie von mir die Empfindungen seiner letzten Stunden. Wie unähnlich sind sie Ihren Besorgnissen, die einen so zärtlichen Vater beleidigen! – Ich übergehe die genauern Umstände seines Todes, Ihre zu sehr aufgebrachten Leidenschaften verstatten diese Erzählung nicht. – Meine Thränen verrathen mich: – sie waren traurig – Nur zu sehr sagen mir diese Thränen, wie schrecklich sie gewesen sind. Ich war damals entfernt. So bald ich seinen gefährlichen Zustand vernommen, kehrte ich nach London zurück. Ich sah ihn. Alle seine Züge verkündigten den kommenden Tod; doch herrschte eine Gelassenheit in ihnen, die seine ganze edle Seele entfaltete, »Sie sehn es, sagte er mit leiser, gebrochner Stimme, das Ende meiner Bedrängnisse nahet heran. Ich sehe ihm mit Freuden entgegen, ich segne die erlösende Hand des Todes, und ich würde ganz Heiterkeit seyn, wenn nicht Eine Betrachtung mich noch mit Schmerz erfüllte. Mein Sohn« – – – hier ward seine Sprache von Seufzern erstickt, Thränen überflossen sein bleiches Gesicht – »Mein Sohn ist fern, in Gefahr, in Unglück, ich muß sterben und kann ihn nicht zuvor wieder glücklich wissen. Eilen Sie zu ihm, erheitern Sie zum mindesten seine Seele mit Trost; sagen Sie ihm, daß ich ihn liebe, daß ich ihm vergebe, daß diese ohnmächtigen Hände sich für ihn zum letztenmale falten, diese sterbenden Lippen für sein Wohl die letzten Gebete stammeln, daß meine letzte Thräne für ihn geflossen ist. Bringen Sie ihm meinen Segen; und sollte ihn mein Tod betrüben: – denn vielleicht liebt er mich noch: – so beschwören Sie ihn, seinen Schmerz nicht ausschweifen zu lassen; doch sagen Sie ihm zugleich: – hier erhub sich seine Stimme, sein Ansehn ward feyerlicher: – wo die Bitten, das Gebot seines sterbenden Vaters, wo die Stimme seines warnenden Schutzengels, der vielleicht durch mich redet, etwas über ihn vermögen, so soll er zur Tugend und Religion zurück kehren, dann werde er glücklich seyn« – Ich habe mich bestrebt, die Worte Ihres Vaters beyzubehalten, keine andre können seine Regungen lebendiger ausdrücken. – So bald er sie geredet, sammelte er den letzten Rest seiner hinsinkenden Kräfte, richtete sich empor, hub seine Augen gen Himmel und that die feyerlichsten Wünsche für Ihre Aenderung und Glückseligkeit. Unter diesem Gebete überraschte ihn der Tod, und sein letztes Wort war der Name seines Sohnes. – Und nun, liebster Freund, gehorchen Sie der Bitte Ihres Vaters, lassen Sie Sich durch die Last Ihrer Schmerzen nicht überwältigen – Sie schweigen? eine trunkne Betäubung scheint Sie fühllos gemacht zu haben? – Durchbohren Sie mich nicht länger durch diesen Anblick. Zu zärtlicher Freund eines Unwürdigen, überlassen Sie mich einige Augenblicke mir selbst, geben Sie mir Muße, mich aus diesem Wirbel aufrührischer Leidenschaften heraus zu arbeiten. Ich gehorche; wenn Sie es erlauben, werde ich bald wieder zurück kehren. Geht ab. 4 Vierter Auftritt. nach einigem Stillschweigen. Welche unbekannte Regungen bemeistern sich meiner? Sind sie die Folgen jener schrecklichen Nachricht, die alles um mich her in melancholische Schatten verhüllt? Lagen sie vielleicht schon unter der nagenden Traurigkeit verdeckt, die mich seit einiger Zeit verzehrte? Es ist mir, als rufte eine geheime Stimme mir zu, ich sey strafbar – Strafbar? – ja ich bin es, ich fühle es, meine Ausschweifungen, die den besten der Väter in Dürftigkeit, Gram, und endlich – denn was verhehle ich es vor mir selbst? – ins Grab gestürzt, kann ich diese entschuldigen? – Doch fühle ich nicht noch etwas, noch einen geheimen Vorwurf? Sollte auch wohl die Verlassung eines Aberglaubens ein Verbrechen seyn? – Ja, es war Aberglaube! – wie martert es mich, daß ich dir, beruhigender Gedanke, nicht ganz glauben kann, es war Aberglaube! – Sind diese Zweifel Schwachheit? sind sie Gewissen? – in welcher Nacht irre ich? – 5 Fünfter Auftritt. Klerdon. Henley. indem er herein tritt, für sich. Ich muß diese glücklichen Augenblicke nutzen, da er allein ist; wie bald kann Granville wieder kommen. Zum Klerdon. Sie sind tiefsinnig, Klerdon? ich hatte mich dessen nicht versehn! Ich kam her, ein Zeuge Ihrer Freude über den Besuch Ihres Freundes, des Granville, zu seyn. Seyn Sie ein Zeuge meiner Verzweiflung. Ich bin verloren, Freund. Mein Vater ist dahin. Sein Tod ist von den schrecklichsten Umständen begleitet worden. Granville, dessen zu sorgsame Freundschaft ihre Erzählung meinen Schmerzen ersparen wollte, ließ wider Willen Thränen fallen, da er ihrer erwähnte. Und diese Nachricht schlägt meinen Freund, den muthigen Klerdon, so nieder? die Weichlichkeit eines schwachen Granville theilt sich auch seinem heldenmüthigen Geiste mit? Ein abgelebter Greis muß dem gemeinen Schicksale gehorchen, er wird zugleich von den Beschwernissen des Alters befreyt. Ist dieß die wichtige Ursache Ihrer Verzweiflung? Wie können Sie meines Schmerzens so spotten! War dieser ehrwürdige Greis nicht mein Vater? War er nicht so unerschöpflich gegen mich an Wohlthaten, als ich in dem letzten Zeitpunkte seines Lebens unerschöpflich gegen ihn an Beleidigungen war? Sie wissen es selbst, mit welcher Bereitwilligkeit er sein ganzes Vermögen mir zu Liebe aufopferte. Haben nicht meine Ausschweifungen seine Tage verkürzt? Bin ich nicht sein Mörder, der Mörder meines Vaters, meines Wohlthäters! O Gedanke, der mein Innerstes gleich dem Donner zermalmt! Welch eine Verantwortung, welch eine Rache muß meiner erwarten! Was reden Sie von Rache und Verantwortung? Daß doch die Vorurtheile unsrer thierischen Jahre, auch wenn wir sie ganz erstickt zu haben glauben, uns so oft überraschen! Fassen Sie Sich, Klerdon, zeigen Sie den Mann, der, wie in allem, so auch in dem, was den Pöbel niederzuschlagen pflegt, über ihn erhaben ist. Weil Ihr Bezeigen, Ihr so vernünftiges Bezeigen, dem eigensinnigen Alter Ihres Vaters zuletzt nicht stets gefallen wollte, so meynen Sie, der Gram hierüber habe seinen letzten Tag beschleunigt? Nichtige Furcht! Ich sollte glauben, der Tod eines Greises bedürfe keiner so außerordentlichen Ursache. Nach einigem Innehalten. Ich errathe die Quelle Ihrer schwermüthigen Besorgnisse. Sie wissen, daß kein Mensch an mehrern Vorurtheilen und unüberwindlichem Aberglauben krank liegt, als Granville. Sie kennen seinen Stolz, seine Lüsternheit ein Muster zu seyn, und die ganze Welt, wäre es möglich, so schwach, als er selbst ist, zu machen; Sie kennen seine Begierde, über die Gemüther zu herrschen – Sie vergessen seine Verdienste, die gewiß seine Fehler, wenn er auch welche hat, weit überwiegen. Ich begehre dieß nicht zu leugnen. Indessen wissen Sie selbst, daß die stolze Art, mit welcher er über Sie eine Herrschaft behaupten wollte, Sie damals in London nöthigte, seinen Umgang zu fliehen. Itzt kömmt er mit einer künstlich erfundnen rührenden Erzählung von dem Tode Ihres Vaters, sich in Ihr erweichtes Herz wieder einzuschmeicheln. Gelingt es ihm, so wird er Ihnen die alten Fesseln wieder anlegen; dann wird er Sie bereden nach London zurück zu kehren, und daselbst als sein Sklave mit ihm ein finstres, einsames, freudenloses, oder, wie er es nennt, tugendhaftes Leben zu führen. Sie irren Sich; nicht er, sondern mein sterbender Vater selbst, gebeut mir meine vorigen Grundsätze wieder anzunehmen. Und Sie wollen gehorchen, Klerdon? Sie wollen gehorchen? Granville nennt sich Ihren Freund, und dennoch – ja, ich muß es sagen, mein Eifer, meine Zärtlichkeit für Sie übermannt mich – ist er Ihr schädlichster Feind. – Schon sehe ich Sie, von Verachtung niedergebeugt, herum schleichen, Ihre schüchterne Augen wagen es nicht sich von der Erde zu erheben, die Scham glüht auf Ihrer Wange, und überall verfolgt Sie das Gelächter des Spottes. »Klerdon,« wird die Welt sprechen, »empfieng von der Natur mit dem edelmüthigsten Herzen den durchdringendsten Geist. Seine herrlichen Vorzüge machten, daß er gar bald die sklavischen Fesseln des Aberglaubens zerbrach, an die man seine Kindheit gewöhnt hatte. Er fing an frey, groß, unpöbelhaft zu denken. Doch eine plötzliche Veränderung! Sein Vater, ein abgelebter Greis, stirbt. Eine so gar außerordentliche Begebenheit mußte freylich den nun wieder frommen Klerdon rühren. Zahm und gebeugt kehrt er in seine alte Knechtschaft zurück, und wird der Abgott der Einfalt, der Gegenstand des Mitleidens seiner Freunde, und der Spott der Vernünftigen.« So wird die Welt sprechen. Doch ich will Sie von Ihrem glorreichen Vorhaben nicht zurück halten. Bald werden Sie das seltne Glück genießen, wie der gemeinste Verstand zu denken, und noch dazu durch eine Wankelmüthigkeit in Ihren Gesinnungen, die gemeiniglich das prangende Merkmal kleiner Geister ist, sich eine unsterbliche Bewunderung zu erwerben. Ich wünsche Ihnen Glück dazu! Halten Sie ein mit diesem grausamen Spotte; es ist mir unerträglich, verachtet zu werden. – Ja Sie haben mich von diesem schimpflichen Schlummer, der meinen Geist bald gänzlich überwältigt hätte, erweckt; ich will nicht der Spott der Welt werden! – Ich muß es gestehen, Freund, ich war im Begriff es zu werden. Eine Unruhe, die mich seit der Aenderung meiner Grundsätze öfters befallen hat, und die meine Zaghaftigkeit dieser Aenderung zuschrieb, der Befehl eines sterbenden Vaters, der Schmerz über seinen Tod, alles bestürmte meine Standhaftigkeit. Schon drohte sie zu fallen; doch Ihre Reden haben Sie mit neuer Kraft begeistert. Ich bin mir wieder selbst gleich, ich bin würdig Ihr Freund zu seyn. Ich höre jemand kommen, vermuthlich ist es Granville. Ich verlasse Sie; erinnern Sie Sich Ihrer Entschlüsse. Rüsten Sie Sich mit unbezwinglicher Stärke gegen seine überredenden Lockungen. Entweder Sie zerstören itzt auf einmal seine thörichten Hoffnungen, oder Sie sind auf ewig sein Sklave. Geht ab. 6 Sechster Auftritt. Klerdon. Granville. Finde ich meinen Freund ruhiger! Zum mindesten wünschte ich es. Ihre edle Gesinnung, und der vielleicht nicht ganz unnütze Eifer meiner Freundschaft werden, wie ich mir schmeichle, über Ihren Schmerz endlich die Oberhand gewinnen. Nicht als wünschte ich in Ihnen ganz das Andenken Ihres Vaters zu ersticken; nein, beweinen Sie seinen Tod. Die Tugend liebt diese Thränen. Den Rechtschaffnen bedauern, verräth das Bestreben ihm gleich zu seyn. Nur beweinen Sie ihn, als ein Weiser, der weitere, erhabnere Aussichten vor sich hat. Doch es ist unnöthig, Ihnen das zu wiederholen, was Ihnen Ihre eigne Ueberlegung bereits sagt. – Entdecken Sie mir nunmehr Ihre Absichten; sind Sie gesonnen, nach London zurück zu kehren? Ich hatte mich dazu entschlossen, ehe ich den Tod meines Vaters erfuhr. Aber itzt werde ich London nie wieder sehn. Glauben Sie, mein Schmerz könne einen solchen Anblick ertragen? Würden nicht selbst diese Gegenden mit stummen Vorwürfen mich ängstigen? Würde nicht jenes Haus, das meinen Vater einst in solchem Glanze, und dann durch mich in solcher Dürftigkeit erblickt hat, das vielleicht von dem frohlockenden Jauchzen der Besitzer seiner unglücklichen Beute ertönt, würde nicht dieses wider mich reden? Würde es mich nicht als den Zerstörer seines Glücks anklagen? – Und überdieß ist noch etwas in London, das zu schmerzliche Regungen in mir aufwiegeln würde – Warum sollte ichs Ihnen verhehlen? Ich war ein Unmensch, ich wagte es, diejenige zu beleidigen – – – darf ich sie noch nennen? – und die liebenswürdigste, – Ihre Schwester – – und dennoch habe ich sie stets verehrt, und noch itzt bete ich sie mehr als jemals an. Sie wird, sie muß mich hassen, und ich sollte es wagen, ihr so nahe, und doch von ihr gehaßt zu seyn? Umarmen Sie mich, Klerdon! welch Entzücken überströmet mich! Ja ich finde den Freund, den edeln Klerdon wieder, den ich sonst in Ihnen fand. Nun sind meine Wünsche befriedigt. Sie werden glücklich sein, und wie glücklich bin ich, daß ich etwas dazu beitragen kann! Wenn der Anblick von London Ihrem annoch unbeugsamen Schmerz unerträglich ist, so begleiten Sie mich auf mein Landgut; meine Schwester – – doch, Klerdon, noch ein schrecklicher Zweifel widersteht dem vollen Ausbruche meiner Freude. Entlästigen Sie mich seiner. Wollen Sie dem Befehle Ihres Vaters gehorchen? Wollen Sie dem schmählichen, dem verhaßten Namen, und den Grundsätzen eines Freygeistes entsagen? Entschuldigen Sie mich, wenn ich offenherzig rede. Ich halte es für sehr unrühmlich, Vorurtheilen, die man einmal besiegt hat, sich gütwillig wieder zu unterwerfen. Was höre ich? – Klerdon, mein Freund! ach wüßten Sie, wie empfindlich Sie jetzt mein Herz durchbohrten! Meine schönsten Hoffnungen haben Sie in ihrer Blüte verheert. So halten Sie es denn für rühmlicher, von dem größten, dem edelsten, und dem vernünftigsten Theile abzuweichen, und sich zu einer Rotte verwegner Bösewichter zu gesellen, die in Ansehung Ihres Verstandes des Tollhauses, und in Ansehung Ihres Herzens der schimpflichsten Todesstrafe würdig wären? – Verzeihen sie mir, wenn ich mich zu heftig ausdrücke; wie schwer wird es, gelaßner hiervon zu reden! Heftige Ausdrücke beleidigen; aber sie beweisen nichts. Sind hier Beweise nöthig? Würde ich nicht diesen so oft beschämten, so oft wiederholten Zweifeln zu viel Ehre erzeigen, wenn ich sie einer neuen Beantwortung würdigen wollte? Würde ich nicht zugleich Ihrem Verstande einen gewiß ungerechten Vorwurf machen, gleich als wüßten Sie nicht bereits, wie man diese ohnmächtigen Phantomen, die Bosheit und Unverstand erschaffen, niederkämpfen kann? Sie kennen Ihre Religion. Es war eine Zeit, da Sie es würden für eine Beleidigung angesehen haben, wenn man an Ihrer Verehrung gegen dieselbe gezweifelt hätte. Durchforschen Sie Sich unparteyisch. Wenn wurden Sie ein Freygeist? War es nicht der unglückliche Zeitpunkt, mit dem sich zugleich Ihre Ausschweifungen anfingen? War es nicht der Haß gegen eine verdrüßliche Lehrerin, die Ihnen Ihre Fehler verwies? War es nicht Stolz, Eitelkeit, Zerstreuung, die Sie wider Ihren Schöpfer – – – Schöpfer, Granville? Setzen Sie mich in die Klasse der Gottesleugner? Nein, Klerdon! eines solchen Grades der Raserey sind nur die Verworfensten des menschlichen Geschlechts fähig. Ich will es Ihnen zugestehn, Sie gehören zu denen, die auf das stolze Bekenntniß einer natürlichen Religion trotzen. Allein muß Ihr System davon nicht das verächtlichste Gespinnst seyn, das je ein menschlicher Wahn zusammen gewebt hat? Vernünftig handeln wollen, und mitten in einem verschwenderisch um uns her ausgegoßnen Ueberflusse von Licht, mit Gewalt sich die Augen zudrücken; einen Schöpfer verehren, ihn erkennen wollen, und doch den vorzüglichsten Weg, uns von ihm zu unterrichten, so gleich im voraus, ohne alle Ursache, sich verschließen, und zugleich sich muthwillig in Gefahr stürzen, als der undankbarste Frevler gegen ihn zu handeln, wenn eine aus Parteylichkeit verworfne Religion wahr seyn sollte, die uns ihn – – – Halten Sie ein! Mein Entschluß bleibt unerschüttert, erwarten Sie nichts von Ihren Bemühungen. Können Sie in diesem einzigen Punkte so unbeweglich seyn? So durchdrungen von dem Tode eines beleidigten Vaters, so beugsam gegen das Andenken Ihrer vorigen Vergehungen, und doch so unüberwindlich gegen die Religion? Unbezwinglicher Stolz! – Ich muß das Aeußerste versuchen. Mit Schmerzen thu ichs; doch Sie wollen es! – Hören Sie also die schrecklichen Umstände, die den Tod Ihres Vaters begleiteten! vielleicht machen Ihnen diese sein letztes Gebot heiliger: – Er starb im Kerker. Ihre Gläubiger – Sie kennen die niedrigen und pöbelhaften Gesinnungen derselben, entblößten ihn erst von allen, selbst den nothdürftigsten Gütern. Von einem grausamen Rechte unterstützt, da er, wie Sie wissen, alle Ihre Schulden auf sich genommen, und Sie ihn vor Ihrer Entfernung von London aller Mittel, sie zu tilgen, beraubt hatten, warfen sie ihn in das schmählichste Gefängnis, ohne von dem hülflosen und zitternden Alter dieses redlichen Greises, das sie stillschweigend um Mitleiden anflehte, gerührt zu werden. Die Unmenschen! – Entsetzliche Nachricht! – kann ich sie nur anhören? Die Armseligkeit der Nahrungsmittel, nebst dem Mangel der Wartung, entschieden hier bald sein Schicksal. Könnte ich Ihnen alle Gegenstände des Jammers, die ihn umringten, schildern, da ich ihn das letztemal erblickte; könnte ich Ihnen seine verfallne, von den Spuren des traurigsten Mangels überdeckte Gestalt, seine Mienen – Grausamer Granville! Nehmen Sie mein Leben, nehmen Sie es; nur hören Sie auf, mich so zu peinigen. Und Sie wollen die Bitte eines Vaters, der durch Sie so viel erlitten, und Sie doch so unaussprechlich, selbst da er es litte, geliebt hat, fruchtlos seyn lassen? Sie wollen in dem zerstörenden Ungewitter, das Ihr Haus überfallen, nicht die Winke Ihres beleidigten Schöpfers erkennen? Alles warnt sie vor Ihrem Verderben, und Sie sind gegen alles taub? Geben Sie der vereinigten Stimme der Pflicht und Freundschaft Gehör. Ihr Vater ruft Ihnen aus jenen glänzenden Gegenden zu: folgen Sie ihm. Lassen Sie nicht das Gebet, das er sterbend für Sie that, umsonst gethan, die Thränen, die er für Sie vergossen, umsonst vergossen seyn! Hören Sie die Bitten Ihres Granville. Nur Ihr Wohl ist meine, Absicht, Sie werden es dereinst erfahren. Sie sollen in mir einen Freund, und den, den Sie jetzt beweinen, zugleich finden. Meine Schwester, Ihre Amalia – Sie lieben sie ja noch – fleht Sie mit mir mit Thränen an: hören Sie auf, Ihr eigner tödtlicher Feind zu seyn – Und was für Sie das Wichtigste seyn muß, selbst Ihr Gott, den Sie so treulos verlassen, wider den sie sich so frevelhaft aufgelehnt haben, ermahnt Sie: kehren Sie zurück. – Denken Sie, er rede durch meine Stimme. Hüten Sie Sich, seine Warnung zu verachten. Vielleicht ist es die letzte. Noch schont er Ihrer; noch brennt er, Sie zu retten, da Sie Sich bestreben, überall seine Verehrung zu vertilgen. Vielleicht ist er ermüdet, vielleicht waffnet sich schon das Verderben. – O wende es ab, wende es ab, Langmüthigster! Nimm mein Blut, mein Leben; nur laß meinen Freund dir wieder unterwürfig werden! – Sie scheinen erweicht, Klerdon? Ihre Thränen bekräftigen es. Glückliches Merkmal! Versprechen Sie mir zum mindsten, eine ernstliche Untersuchung darüber anzustellen, und ich habe gesiegt. Sie sind unwiderstehlich, Granville. Wenn es denn – ich weiß nicht, was ich sagen soll – Sie wollen es, und ich muß – 7 Siebenter Auftritt. Klerdon. Granville. Henley. der zugehört hat, für sich. Ha! mein Opfer entgeht mir Zum Granville. Schreiben Sie es meiner Ungeduld Sie zu sehen zu, daß ich Sie in einem vielleicht wichtigen Gespräche überfalle. Ich vernahm eben itzt Ihre Ankunft. Ich kann es nicht leugnen, mein Herr, unser Gespräch war sehr ernsthaft. Für sich. Das ist sein Verderber; kann ich seinen Anblick ertragen? So bitte ich Sie denn, mich zu entschuldigen. Erlauben Sie mir indessen, daß ich Ihnen in dieser Umarmung – der sich von ihm los macht. Verzeihen Sie mir, daß ich mich itzt entferne, ohne Ihnen alles entdecken zu konnen, was mein Herz für diesen Ihren freundschaftlichen Eifer empfindet. Ich nehme ihn so an, wie ich soll! Aber ein wichtig Geschäffte ruft mich von hier. Zum Klerdon. Ich verlasse Sie Klerdon, denken Sie unserm Gespräche ernsthaft nach. Erinnern Sie Sich, daß die Langmuth ermüdet, wenn man nicht aufhört ihr zu trotzen, und daß zu oft verschmähte Warnungen den Untergang gebären. Geht ab. indem er ihm nachsieht, bey Seite. Wäre dieser Gang doch sein letzter! dürfte ich ihm doch nacheilen und den tötenden Dolch rauchend aus seiner durchbohrten Brust ziehn! 8 Achter Auftritt. Klerdon. Henley. Der Abschied war sehr feyerlich; die Unterredung wird, glaube ich, noch erbaulicher gewesen seyn! – So sprachlos, so bestürzt, Klerdon? Schon wieder angesteckt? nach einigem Nachsinnen. Vielleicht, Henley, – wie furchtbar ist dieser Gedanke – irren wir. Wir denken Weisen zu seyn, – vielleicht sind wir thörichte Bösewichter. Ich erschrecke, Klerdon. So abergläubisch hörte ich Sie noch nie reden. Und Sie thun es, ohne zu erröthen? Möchte doch Granville – doch er spricht, er sey Ihr Freund. – Auf! kommen Sie mit mir; eine kurze Zerstreuung wird diese rebellischen Vorurtheile bald wieder zum Schweigen zwingen. Ich gehe, es zu versuchen. – Eine traurige Ahndung bemächtigt sich meiner: vielleicht gehe ich, mich tiefer in mein Verderben zu verstricken. Ende des zweiten Aufzugs. 3. Akt 1 Erster Auftritt. Endlich habe ich ihn beruhigt – zum zweytenmale habe ich über den Granville triumphiert; doch ein schwer erstrittner Triumph! Ich sehe es, dieser geschäftige Freund wird mir noch das Opfer meiner Rache entführen. Klerdon wankt. Stolz und Gewissen kämpfen in ihm. Der Feige! er hat nicht das Herz ganz ein Bösewicht zu seyn. Doch, er soll es werden – und der gestrafteste dazu. Dieser Brief Er zieht einen Brief hervor. soll sein Verderben vollenden. – Aber wird er ihm auch glauben? wird ihn die erkünstelte Hand seines Freundes auch hintergehen? Er kennt den Granville, den großmüthigen, den zärtlichen Granville. Wird er ihn auch zu einer solchen That für fähig halten? – Hinweg Zweifel! Klerdon ist stolz, hitzig, eifersüchtig. Ich herrsche über sein Herz; es muß mir gelingen. – Und gesetzt, es mißlingt: – dann werf ich die Maske hinweg, dann zeige ich mich ihm als seinen Todfeind, und in dem Augenblicke stoße ich ihm den Dolch ins Herz. Von seinem Blute noch rauchend eile ich zu seinem Freunde, und auch diesen – – – mich dünkt, es nähert sich jemand. Meine Hitze könnte mich verrathen. 2 Zweyter Auftritt. Henley. Klerdon. So eilig und bestürzt, Klerdon? Retten Sie mich, Henley! retten Sie Ihren Freund! Man sinnt auf meinen Untergang; man ist noch nicht mit den Bedrängnissen vergnügt, die mich bereits niederbeugen. Ich habe Feinde, ich kenne sie nicht, – vielleicht habe ich sie nie beleidigt. – Eine dunkle und unterbrochene Warnung, ein Brief von einer verborgnen Hand, lehrt mich sie fürchten, ohne sie mir zu nennen. Meine Bestürzung gleicht der Ihrigen. Befriedigen Sie meine Ungeduld. Entwickeln Sie diese fürchterlichen Geheimnisse. Ihr Diener begegnete mir heute. Sein bleiches und verändertes Gesicht verrieth die aufgebrachten Bewegungen seiner Seele. Schrecken und Abscheu schienen ihn ganz überwältigt zu haben. Er verlangte von mir ein vertrautes Gehör. Seine dunkeln, abgebrochnen, schüchternen Reden, ließen mich so viel errathen, daß man mich unter der Decke der Freundschaft hintergehen und unglücklich machen will. Er entfernte sich, ohne sich deutlicher auszudrücken. Die Furcht schien ihn mit Gewalt zurück zu halten. für sich. Ha! der Verräther! Kaum daß ich meine Wut bezähmen kann! Dieses würde mich noch wenig beunruhigen. Doch itzt erhalte ich einen Brief von einem Unbekannten, der meine Besorgnis nur zu gegründet macht. Hören Sie ihn selbst; Sie werden mir beyfallen. Er liest. »Man glaubt sich um Sie verdient zu machen, wenn man Sie vor einer Gefahr warnt, die eine unbegreifliche Verblendung Ihren Blicken verbirgt. Hüten Sie Sich. Eine Hand, die um so gefährlicher ist, da sie versteckt ist, droht Ihnen den tödtlichsten Streich. Sie haben einen Freund, Sie schätzen ihn über alles, Ihr ganzes Herz ist ihm offen; und er – ist ein Bösewicht, Ihr Todfeind. Durch entsetzliche und unerhörte Verbrechen, bereitet er Ihnen insgeheim den Untergang. Die Furcht, entdeckt zu werden, befiehlt seinen Namen zu verschweigen. Sie werden selbst die besten Mittel wissen, diesen frevelhaften Absichten zuvor zu kommen; dieß einzige bittet man Sie, gehn Sie mit diesem Briefe behutsam um; sein Urheber ist verloren, wo man ihn entdeckt.« – Nun? ist meine Furcht ungerecht? für sich. Wie nahe verrathen zu werden? ich zittre – der Bösewicht! auch dieser Brief ist von ihm. Sie antworten nichts, Henley? für sich. Itzt komme ich auf die glücklichste List, selbst dieser Brief soll mir behülflich seyn, ihn wider Granvillen aufzubringen. Zum Klerdon. Entschuldigen Sie mich, daß ich Ihnen nicht gleich antwortete. Ein innerlicher Kampf band meine Zunge. Ich fürchtete, wenn ich Ihnen das eröffnete, was dieses ganze unglückliche Geheimniß aufschließen muß, mir den Schein eines niederträchtigen Zerstörers freundschaftlicher Verbindungen zu zuziehn. Doch Ihre dringende Noth siegt über alle meine Bedenklichkeiten: Sie sollen es erfahren, – – die entsetzlichste Treulosigkeit, die jemals ausgedacht worden: Granville – Sie zittern, da Sie diesen Namen hören; bald wird er Ihnen nichts als Schauer und Abscheu erwecken: – Granville hat mir eben itzt einen Brief übersendet. Sie wissen, wie frostig er sich vorhin gegen mich bezeigte; sollten Sie wohl glauben, daß dieses alles nur Verstellung war? Sein Brief bezeuget es. Er fängt mit den heftigsten Klagen über die Beleidigungen an, die ihm und seiner Schwester von Ihnen widerfahren sind. Er hielte sie, wie er versichert, für unverzeihlich, und sich zur strengsten Rache berechtigt. Eben diese sey die Absicht seiner Reise; doch müsse er sich noch gegen Sie verstellen. Die Anwesenheit seiner Schwester, die ihn hieher begleitet, habe er Ihnen mit Fleiß verhehlt; er wüßte, wie eifrig ich mich einst um ihre Gunst beworben; itzt böte er sie mir mit der Hälfte seines väterlichen Vermögens an. Unsre Verbindung sollte sogleich vollzogen werden. Was höre ich? Mein ganzes Blut erstarrt. Er setzte hinzu, er wüßte, Sie beteten seine Schwester an, und eben darum wollte er Sie auf der empfindlichsten Seite angreifen; dieß würde der geschickteste Weg seyn, seine verletzte Ehre zu rächen, Sie gänzlich niederzuschlagen, und öffentlich über Sie zu triumphiren, wenn er Ihnen Ihre Verlobte und mit ihr alle Mittel raubte, Ihren bedrängten Umständen jemals wieder aufzuhelfen. Nein, ehe soll er sterben, der Unmensch! – Was hält meine Wuth noch zurück? – ich eile zu ihm – von meiner Hand soll er sterben, der Treulose! – Doch Sie, Henley, befreyen Sie mich von diesem quälenden Zweifel: haben auch Sie Sich wider mich verschworen? Wie können Sie einen solchen Argwohn bey sich aufsteigen lassen? Widerspricht ihm nicht mein ganzes Verfahren? Würde ich nicht geschwiegen haben, wäre ich nur im mindesten zweifelhaft gewesen? Es ist wahr, ich liebte Miß Granville, so lange der Vorzug, den man Ihnen gab, meine Liebe nicht strafbar machte; Eine günstige Gelegenheit bietet sie mir itzt an; ein ansehnlich Vermögen erhöht noch die schimmernde Lockung; meine Umstände – Sie wissen es selbst – rathen mir, es nicht auszuschlagen: doch verabscheut sey das Glück, das sich auf den Ruinen meines Freundes erhebt! Nein, Klerdon, ich will den Gesetzen der Freundschaft mein Glück, ja meine zärtlichste Leidenschaft aufopfern. Ich liebe Sie mehr als mich selbst. Sie sollen es erfahren, Sie sollen erkennen lernen, wer von uns beiden den Vorzug in der Freundschaft verdient, Granville oder ich. Sie sind die Großmuth selbst. Mein Leben ist eine zu geringe Belohnung für diese edle Gesinnung. So viel Zärtlichkeit, Uneigennützigkeit, Hoheit der Seele – ach! verzeihen Sie, daß ich zwischen Ihnen und Granvillen jemals zweifelhaft gewesen bin. – Doch ists möglich? kann ich diese abscheuliche Niederträchtigkeit glauben? So ein schwarzes Verbrechen von Granvillen? Mir selbst war es anfangs unbegreiflich. Ich wagte es nicht, meinen Augen zu trauen. Doch alles bekräftigt es unwidersprechlich. Selbst der Brief, den Sie empfangen haben, erklärt ihn für schuldig. Denn, wen könnte er sonst anklagen? Vermuthlich hat Granville einem gemeinschaftlichen Freunde von ihnen beiden seine rachgierigen Absichten anvertraut, dem haben Sie diese Warnung zu danken. staunend. Granville kann treulos handeln! Hätte Ihnen doch Ihr edelmüthiges und über alles Mißtrauen erhabnes Herz eher erlaubt, die Falten des seinigen zu durchschauen. Ich bekenne es, schon lange haben nur zu gewisse Nachrichten einen geheimen Argwohn gegen ihn bey mir unterhalten: – vielleicht wäre es meine Schuldigkeit gewesen, es Ihnen eher zu melden: – ich fürchte, seine verborgene Feindschaft hat nicht wenig beygetragen, Ihre Gläubiger mit unerbittlicher Strenge zu bewaffnen. Granville kann treulos handeln! Ich sehe es, Ihr Herz weigert sich, ihn für einen Verräther zu halten. So lesen Sie denn diesen Brief selbst; Sie kennen seine Hand. Dieser muß Sie einem vielleicht schmeichelhaften, aber gefährlichem Irrthume entreißen – – Für sich, indem Klerdon liest. Seine Blicke sind Wut – ich triumphire. nachdem er ihn durchgelesen. Ich habe ihn durchgelesen, und ich verfluche seinen Urheber. Dieser Augenblick ist der Tod unsrer Freundschaft. Wo Rache, Wut, Verzweiflung – – – Worte mangeln meinen Empfindungen. – Welche abscheuliche Gesinnungen entweihen dieses Blatt! Er beschwört Sie – der Treulose! – er beschwört Sie, mir alles so lange zu verhehlen, bis die Verbindung mit seiner Schwester völlig geschlossen, und Sie dann beide öffentlich über mich triumphiren könnten – triumphiren? Ja, ich will ihm die Freude dieses Triumphs verbittern. Lassen sie mich, ich eile zu ihm, meine Rache – der ihn zurück hält. Wo wollen Sie hin, Klerdon? Ihre Hitze macht Sie unbedachtsam. Granville kann vielleicht den Augenblick zu Ihnen kommen. Allein, wo Ihnen unsre Freundschaft theuer ist, wo Sie mir einige Erkenntlichkeit für das, was ich Ihnen heute aufopfre, schuldig zu seyn glauben, so verhehlen Sie ihm unsre Unterredung. Nie kann man vorsichtig genug seyn, Freundschaften aufzurichten, und nie vorsichtig genug, schon geschloßne zu trennen. Es ist wahr, Sie haben bereits unverwerfliche Zeugnisse von Granvillens Treulosigkeit. Wird es indessen nicht besser seyn, auch den mindsten Scheine der Ungewißheit auszuweichen? Reden Sie mit dem Granville, verstellen Sie Sich, thun Sie, als hätte Sie sein Vorschlag, mit ihm ein Einsiedler zu werden, überredet. Lenken Sie das Gespräch auf seine Schwester. Finden Sie, daß uns der Brief nicht hintergangen hat, daß seine Schwester gegenwärtig ist, und er es doch vor Ihnen verborgen hat, so ist leider – – – Sie werden es selbst wissen, welche unglückliche Folgerung Sie daraus ziehen müssen. – Doch wie sehr wünschte ich, wir irrten uns, und Granville wäre unschuldig! Ich fürchte, dieser Versuch wird mir Mühe kosten. Ich war stets zu stolz, die Verstellung zu Hülfe zu rufen, und da ich in ihren Künsten ein Fremdling bin, versagt sie mir vielleicht itzt ihren Beystand. Und dennoch müssen Sie alle Ihre Kräfte aufbieten, in diesem Versuch glücklich zu seyn. Ich wiederhole es, so theuer Ihnen unsere Freundschaft, ja Ihr eigen Wohl ist – – – doch es kommt jemand; vielleicht ists Granville. – Noch einmal, liebster Klerdon, beschwöre ich Sie – – – Fürchten Sie nichts; Ihren Wunsch zu befriedigen, würde ich auch das schwerste Geschäfte nicht ausschlagen. Henley geht ab. 3 Dritter Auftritt. Klerdon. Granville. für sich. Ja er ists; beherrsche dich, aufwallendes Herz! Ich suchte Sie, Klerdon. Ich bin voll Ungeduld, unser unterbrochnes Gespräch zu erneuern. Sie schienen überwunden zu seyn; darf ich mir mit diesem glorreichen Triumphe noch schmeicheln. Ihre Gründe, Granville, sind bey mir nicht fruchtlos gewesen. So bin ich der Glücklichste der Menschen! Ein Ueberfluß unaussprechlicher Freuden drängt sich in mich. Itzt umarme ich in Ihnen den nicht mehr verdunkelten Klerdon, – den Verehrer der Tugend und der Religion. O Klerdon, seyn Sie stolz auf diesen Namen! Wenn einst der Glanz aller übrigen wird dahin seyn, so wird dessen Schimmer noch unsterbliche Stralen von sich werfen. – Was sehe ich; Sie wenden Sich von mir? – Sie scheinen meine Umarmungen zu fliehn? Wider Ihren Willen dringen Seufzer hervor? was verkündigt mir dieses ungewöhnliche Bezeigen? Bey meinen itzigen Umständen befremden Sie die Spuren der Traurigkeit, die Sie an mir bemerken? Umsonst suchen Sie mir auszuweichen. Ihr Gesicht verräth einen geheimen Schmerz, es verräth Abscheu, Mißtrauen; – Ihre Blicke weigern sich, den meinigen zu begegnen. – Klerdon, ists möglich? – war ich fähig, Sie zu beleidigen? Sie sind mein Freund, Granville? Sie fragen mich das, und eine Thräne zittert in Ihrem Auge, da Sie es thun? Womit verdiente ich dieses quälende Mißtrauen? Fände ich doch gleich itzt Gelegenheit, Ihr Glück mit meinem Leben zu erkaufen! dieß sollte meine Antwort seyn. für sich. Der Treulose! wie unterwiesen er in der Verstellung ist! Sie antworten nichts, Klerdon? Ein schrecklicher Argwohn muß sich Ihrer bemächtigt haben. Eröffnen Sie mir ihn; fürchten Sie nicht, mich zu beleidigen; so schimpflich er auch seyn mag, so werde ich nichts thun, als mich vertheidigen, und es denen verzeihen, die ihn vielleicht erweckten. Sie kennen mich: mein Herz erniedrigte sich nie zu dem, was man Rache nennt. Sie werden zu leicht unruhig. Ich setze kein Mißtrauen in Ihre Freundschaft. Die Verwirrung Ihrer Blicke und der Kaltsinn Ihrer Versichrungen widerlegen Sie. – Doch vielleicht wollen Sie nicht, daß ich diesem Geheimnisse weiter nachforschen soll; ich gehorche Ihnen, so marternd mir auch diese Ungewißheit ist. – Welcher Qual wollte ich mich nicht unterwerfen, Ihnen gefällig zu seyn! – Nur um dieses einzige beschwöre ich Sie, versichern Sie mich, daß Sie mich noch lieben. Schlagen sie mir diese Bitte nicht ab; sie ist meinem Herzen von unschätzbarem Werthe. Lieben Sie mich noch, Klerdon? Ob ich Sie liebe? Sie seufzen, Sie stocken – mein Unglück ist gewiß! kaltsinnig. Nein doch – ich liebe Sie. Ich danke Ihnen unendlich für diese Versichrung, ob gleich eine Zeit war, da Sie vielleicht weniger Kaltsinn würde begleitet haben. nach einigem Stillschweigen. Sie urtheilen stets gerecht, Granville. Was würden Sie wohl von einem Freunde halten, dessen Herz zu der Zeit, da seine Lippen von Zärtlichkeit überflossen, von dem Vorhaben voll wäre, einen bedrängten Freund gänzlich zu verderben, seine Liebe, seine Ehre, alles, was ihm das Kostbarste ist, anzugreifen, und zur Beschönigung – Halten sie ein mit diesem schrecklichen Abrisse. Ein Ungeheuer wäre er, würdig, zu der niedrigsten Klasse der Bösewichter verstoßen zu werden. – Ich erstaune über diese Frage von Ihnen. Sie scheinen heute besonders fruchtbar an Erstaunungen zu seyn. – Wir wollen einen angenehmern Stoff zu unsrer Unterredung wählen. – Man hat mir gesagt, Miß Amalia, Ihre Schwester habe Sie hieher begleitet. Ich habe diesem Gerüchte nicht trauen können. Granville sollte mir aus etwas ein Geheimniß gemacht haben von dem er weiß, wie zärtlich es mich angeht? Für sich. Er ist schuldig, seine Verwirrung ist sein Verräther. Ich bin verdrüßlich, daß man Ihnen etwas zeitiger eröffnet hat – – – erhitzt. Wie? so ist es denn an dem? Ein so feindselig Mißtrauen von dem, der sich meinen Freund nennt! – in einer Sache, die mir die theuerste ist! – ja, mein Argwohn ist gewiß. Umsonst suchen Ihre einnehmenden Liebkosungen ihn einzuschläfern: ich bin hintergangen; Treulosigkeit und Rachsucht – – – Sie reden von Treulosigkeit, von Rachsucht, und das mit mir? für sich. Meine Hitze verräth mich. Zum Granville. Verzeihen Sie diesen jählinchen Aufwallungen einer beleidigten Ehre und Freundschaft. Dieser Schein des Mißtrauens, ich leugne es nicht, schmerzet mich. Ein geheimes Gift, das unsrer Freundschaft den Tod droht, muß Ihr Innerstes durchdrungen haben. Ihr ganzes Bezeigen sagt mir etwas, dessen genauere Bestimmung Ihre Lippen mir so unerbittlich verweigern. Ich sehe zum Voraus – – nein, ich kann diese traurige Ahndung nicht aussprechen. Könnte ich doch dieses unglückliche Geheimniß so leicht entwickeln, als es mir leicht seyn wird, mein Verhalten gegen alle Vorwürfe des Mißtrauens zu rechtfertigen. Vergönnen Sie mir, daß ich mich entferne; ich werde bald wieder bey Ihnen seyn, und allen Ihren Argwohn zerstreuen. Geht ab. 4 Vierter Auftritt. Geh nur, Elender! und hoffe es dann, wenn du mich eben so blödsinnig wirst gemacht haben, als du mich unglücklich zu machen gedenkst. Alle meine Zweifel sind nun verschwunden. Seine Treulosigkeit ist nur zu gewiß. Umsonst scheute sich mein Herz dem Henley zu glauben. – Und warum? – Kannte ich nicht die Hand des Verräthers? Nur ihr, zu standhafte Triebe einer betrogenen Freundschaft, nur ihr strittet für ihn! – Hinweg! euch höre ich nicht mehr; die Gewißheit soll die Wut meiner Rache verdoppeln. Sein Verderben, sein gänzliches Verderben – 5 Fünfter Auftritt. Klerdon. Henley. sobald er den Henley erblickt. Er ist schuldig, Henley! Mitten unter den erkünstelten Schmeicheleyen, die wider meinen Verdacht kämpften, drang ich bis zu seinen entsetzlichen Absichten hindurch. Ich nannte seine Schwester; er gerieth in Verwirrung, er gestand – – Freund, nehmen Sie Theil an meiner Wut. Granville ist schuldig, er ist der niederträchtigste Treulose. Sie verließen einander ohne Zweifel sehr aufgebracht? Noch wollte er sich verteidigen, noch glaubte er sich unter den Hüllen der Verstellung sicher: so gewiß war er seiner Erfahrung in derselben, mit so vieler Kunst suchte er mich ins Verderben zu stürzen; er versicherte mich, da er mich verließ, er wolle bald zurück kehren, und sich vollkommen rechtfertigen. Wie sehr fürchte ich, er werde sich endlich Ihres Vertrauens wieder bemeistern, und dann sind Sie der ganzen Willkühr seiner geheimen Feindschaft überlassen. Er ist ein zu großer Künstler im Betruge. Besorgen Sie nichts; ich werde unüberwindlich gegen seine List seyn. Alles redet wider ihn, sein eigner schändlicher Brief, die Warnung des Unbekannten, die für mich geheimgehaltene Gegenwart seiner Schwester. – Ja, Henley, Sie selbst würde ich für meinen Feind achten, wollten Sie ihn noch entschuldigen. Auch Ihr Haß, so fürchterlich er mir sonst ist, würde mir nicht abschrecken, Freunde wieder zu versöhnen – das freudigste Geschäffte für edelmüthige Seelen! – wäre nur nicht – mit Schmerzen bekenne ich es – aller Weg ihn zu entschuldigen, verschlossen. – Was sind indessen Ihre Absichten? Von mir können Sie überzeugt seyn, daß ich eher den Tod wählen, als mit dem Raube meines Freundes mich bereichern würde: ein anderer wird also das Werkzeug werden, durch das man Ihnen den tödtenden Streich beybringt. Wollen Sie wohl einem andern diejenige geruhig überlassen. – – Der bloße Gedanke einer solchen Niederträchtigkeit beschimpft mich. Sollte ich meine Ehre, meine Liebe – denn ich muß es Ihnen gestehn, noch itzt liebe ich Miß Granville, und ich fühle es, diese Leidenschaft wird nur mit mir selbst sterben. Mitten unter meinen Ausschweifungen, da jedermann sie für erstickt hielt, da ich mich recht ängstlich zu bestreben schien, mich der, die ich so unaussprechlich liebte, zum Abscheu zu machen, selbst da war sie nur betäubt, und oft war es an dem, daß sie mich siegend zu ihren Füßen zurück führen sollte. Bey meiner Entfernung von London erwachte sie völlig. Ich verhehlte Ihnen meine Schwachheit. Dank sey meinem Unglücke, ich fand stets Ursache genug, meine Schwermuth zu rechtfertigen, ohne des Antheils, den diese daran hatte, zu erwähnen. – Und ich sollte den Anblick ertragen können, diejenige, die ich anbete, die schon durch die heiligsten Versicherungen die meinige ist, in eines andern Armen – – dieser Triumph sollte des Elenden Untergang seyn! – Ich sollte sehen, daß Granville, dieser Niederträchtige, dieses Ungeheuer – – hier vereinigten sich alle meine empörten Bewegungen, hier wird meine ganze Seele Rache. Ich will, wenn es möglich ist, grausamer, unmenschlicher gegen ihn seyn, als er es gegen mich ist. Wie freue ich mich, Sie in einer Ihrer so würdigen Verfassung zu erblicken! So lange man es mit einiger Hoffnung versuchen konnte, entschuldigte ich Granvillen. Jetzt würde ich ihm ähnlich und gleich treulos seyn, wenn ich nicht den edelmüthigen Zorn Ihrer beleidigten Ehre billigen sollte. Ja, eilen Sie zu ihm; ohne ihm Zeit zu lassen, zu erkünstelten Entschuldigungen zu flüchten, müsse ein rächender Dolch – – aufgebracht. Was rathen Sie mir, Henley? Was die Ehre befiehlt, was Ihre Pflicht ist – Granvillen zu tödten. Granvillen zu tödten? Sie stutzen? sind Sie noch zweifelhaft? Ich soll niedrig genug seyn, mich der Schmach eines Meuchelmordes zu unterwerfen? Ich soll ehrlos werden, die Rechte meiner verletzten Ehre zu ahnden? Mein Eifer hat verursacht, daß ich zweydeutig redete. Zwingen Sie ihn zum Zweykampf, nur unter solchen Umständen, daß er ihn nicht ausschlagen kann. Geben Sie ihm Raum sich zu entschuldigen, so sind Sie verloren. Wozu muß mich dieser Unglückselige bringen! Ach Henley, wüßten Sie, welch ein Tumult, welch ein Kampf widerwärtiger Bewegungen diese Brust zerreißt! – Wie sehr habe ich ihn nicht geliebt! Mit Freuden hätte ich einst mein Blut für ihn verschwendet. Und er mußte mich so treulos hintergehen? und ich soll ihn – – Sie sehn meine Thränen hervorbrechen; tadeln Sie sie nicht! sie beweinen den Tod einer Freundschaft, die sonst das Glück meiner Tage war. Ich beklage Sie, und verabscheue den Granville immer heftiger. Jede Thräne, die Sie um ihn weinen, erhöht sein Verbrechen. Doch jetzt müssen Sie alle diese erweichenden Vorstellungen entfernen. Sie würden nur Ihren strafenden Arm ohnmächtiger machen. Töten Sie den Verräther, und dann bedauern Sie, daß er Sie dazu zwang. Werde ich mich aber hierdurch dem Ziel meiner Wünsche nähern? Wird seine Schwester eine Hand annehmen, von der das Blut ihres Bruders herabträufelt? Unsinn wär es, dieß nur zu denken. Und werden Ihre Wünsche vergnügt werden, wenn Sie es unterlassen? Werden Sie nicht zugleich unglücklich in Ihrer Liebe, beschimpft, ungestraft beleidigt, erniedrigt in den Augen Ihrer Freunde, und der Spott des frohlockenden Granville seyn? Nein, Klerdon, rächen Sie Sich, und überlassen Sie das übrige dem Geschicke. Vielleicht kann man die Hand vor ihr verbergen, durch die ihr Bruder fiel. – Vielleicht kann die Zeit – – doch was erwähne ich das? Sie können unmöglich klein genug seyn, daß solche Gedanken Ihre Rache entwaffnen sollten. – Noch sind Sie zweifelhaft? Ich muß gestehn, es war eine Zeit, da ich nicht vortheilhaft von dem Zweikampfe dachte. Ich hielt ihn für einen nur feyerlichern Frevel, für eine prahlende Niederträchtigkeit. O! erwähnen Sie niemals, ohne schamroth zu werden, die schimpflichen Zeiten Ihrer Verblendung! Alles nichts als Vorurtheile, die uns zu Verzagten erniedrigen wollen? Danken Sie es Ihrem Geschicke, daß Sie diesen abergläubischen Irrthümern entsagt haben, die jetzt Ihre zur Rache schon aufgehabne Hand fesseln würden – – Ein Geräusch erhebt sich! vermuthlich ists Granville, der zu Ihnen zurück kehrt. Ich muß seiner Gegenwart ausweichen. Erinnern Sie Sich, wie heilig Sie mir versprochen, nichts gegen ihn von mir und seinem Vorhaben zu gedenken. Daß Sie es wissen, darf er nicht eher erfahren, als bis er Sie im Begriff sieht, es zu strafen. Geht ab. 6 Sechster Auftritt. Klerdon. Amalia. Granville. für sich. Was seh ich! – Himmel! – Granvillens Schwester! – Entschuldige mich, meine Schwester, bey unserm Freunde, daß ich ihm deine Anwesenheit nicht eher entdeckt habe. Er zürnt mit mir wegen dieser Verbergung; deine Fürsprache wird ihn vielleicht besänftigen. Zum Klerdon. So bestürzt, Klerdon? Verzeihen Sie mir, Miß, meine Verwirrung – – dieß unvermuthete Glück – – Ihre Gegenwart – – das Andenken meiner Verbrechen – – Die Bewegung, in der ich Sie erblicke, läßt mich hoffen, daß mein Andenken bey Ihnen noch nicht ganz erloschen ist. Ich sollte Sie vergessen – Wie? haben Sie jemals einen so grausamen Gedanken von mir fassen können? – Doch worüber beschwere ich mich? Haben Sie nicht meine frevelhaften Ausschweifungen – Erwähnen Sie ihrer nicht, Klerdon; auf ewig müssen sie künftig aus unsern Unterredungen verbannt seyn. Sie müssen dieses marternde Andenken unterdrücken. Kann ich es jemals, da ich Sie, Miß, dadurch beleidigte? Doch Sie sind gerächt. Ich seufze unter einer Last von Unglücksfällen: – und ich habe sie alle verdient; – zwar nie dadurch, daß ich aufgehöret hätte, Sie anzubeten; nein, Miß, nicht einen Augenblick ist Ihr Bild aus meinem Herzen verdrängt worden, selbst da nicht, da ich der unempfindlichste Bösewicht zu seyn schien; selbst da ängstete es mich mit rächenden Qualen. Der Gedanke, von Ihnen gehasset zu werden, hat alle meine Leiden zu einer Höhe empor getrieben, die mir den Tod Wünschens werth macht. Ich fühle seine herannahende zerstörende Gewalt, und vielleicht wird im kurzen – Sie scheinen gerührt, Miß, Ihre Augen fließen von gütigem Mitleiden über. Er wirft sich zu ihren Füßen. Ach ich bin dessen unwerth! Stehn Sie auf; mein Herz redet für Sie. Ich weiß nicht mehr, daß mich Klerdon jemals beleidigte. Himmlische Gütigkeit – theuerste, großmüthigste Miß, können Sie das zu einem so verworfnen Verbrecher sagen? Unaussprechliches Glück! ich kann es nicht fassen. Vergeben Sie diesen überströmenden Freuden, dieser hinreißenden Zärtlichkeit – – hier zu Ihren Füßen lassen Sie mich Er will sich ihr zu Füßen werfen. – doch – was thue ich? Für sich. ich soll sie verlieren? Entsetzlicher Gedanke! Sie erschrecken mich, Klerdon. Woher diese plötzliche Veränderung? Sie wenden Sich weg, die Verzweiflung ist in Ihren Augen. ausser sich. Ich soll Sie verlieren! Welche entsetzliche Blicke werfen Sie auf mich? Fassen Sie Sich, Klerdon, rufen Sie Ihre verirrten Sinne zurück. Liebster Klerdon – das Entsetzen widersteht meinen Worten – Liebster Klerdon, erwachen Sie aus dieser schauervollen Betäubung. Kennen Sie mich nicht mehr, kennen Sie nicht mehr Ihren Granville? heftig. Ja ich kenne ihn. Ihr Ton ist wütend? Ihre Blicke stralen nichts als Grimm und Abscheu auf mich? Sie stoßen meine Arme, die Sie zu umfassen begehrten, mit Unwillen zurück? O mein Freund! – – Entweihen Sie diesen Namen nicht; es war eine Zeit, da er die Wollust meines Ohres war – Und diese Zeit ist vorbey? und das mußte ich jemals von Ihnen hören? Doch Sie bleiben mein Freund. Mit so vieler Grausamkeit Sie mir auch begegnen, so können sich meine Lippen doch nicht gewöhnen, Sie anders als Freund zu nennen. Warum zerreißen Sie mein Herz, Unglücklicher? Es ist zu schwach, Ihren schmeichelnden Künsten zu widerstehn. Nehmen Sie mein Leben, ich überlasse es Ihnen, suchen Sie nicht durch marternde Umschweife eine Rache zu sättigen – Ich an Ihnen meine Rache sättigen? ich Ihr Leben rauben? Mit Entzücken würde ich für Sie das meinige aufopfern – Ihr Bezeigen, Klerdon, bes t nur zu sehr meine Furcht – Sie müssen etwas vor mir verhehlt halten – einen Verdacht, der mich in Ihren Augen zum Ungeheuer macht. Ihre Reden haben alles in mir in Aufruhr gesetzt. Klären Sie, ich beschwöre Sie, die fürchterlichen Geheimnisse auf. Möchte eine ewige Nacht sie begraben! möchte ich diese Abscheulichkeiten nie erkannt haben! Grausamer Freund, daß du sie mir eröffnetest! Warum werde ich nicht unwissend ihr Opfer? Können Sie gegen meine Bitten so fühllos seyn? Wo Sie mich jemals geliebt haben, Klerdon, – und Sie versicherten mich ja, daß Sie mich noch liebten, so stillen Sie mein Verlangen, erklären Sie dieses traurige Geheimniß. Wo Sie es noch nicht wissen, so wünschen Sie es nie zu erfahren. Graun und Entsetzen ruhen drauf, eine Hölle von Frevel ist darinnen beisammen. Noch einmal beschwöre ich Sie, Miß, dringen Sie nicht weiter in mich; ich würde die heiligsten Rechte der Freundschaft und Vertraulichkeit verletzen, wenn ich Ihnen gehorchte. So wollen Sie unerbittlich bleiben? so wollen Sie mich der Angst, dem Schrecken, den heftigsten Qualen, – und die ich für Ihr Schicksal fühle, – aufopfern? Können Sie mich über eine Sache, die Ihr Wohl so nahe angeht, unruhig lassen? – Vielleicht wissen Sie nicht, wie nahe das meinige damit verwandt ist – Hören Sie auf, meinem Flehen länger zu widerstehen. Wenden Sie Ihre Blicke nicht weg, suchen Sie Sich nicht gegen die Gewalt meiner Thränen zu verhärten. Ihr Herz, Klerdon, schien einst nicht zur Fühllosigkeit geschaffen zu seyn. Geben Sie den vereinigten Bemühungen der Liebe und Freundschaft nach. Haben Sie Mitleiden mit den tödtenden Schmerzen, womit Ihr hartnäckiges Schweigen mich erfüllt. Vormals in den glücklichen Tagen unserer Freundschaft – – warum mußten diese so schnell vorüber rauschen? – empfanden Sie die geringste Bekümmerniß, die mich angriff, heftiger als ich selbst. Ich fühle es, meine Standhaftigkeit ermattet. Wie schwer ist es, Ihnen zu widerstehen, Miß! Ihre Reden haben einen Kampf in mir entzündet, den ich nicht länger aushalten kann. Ich würde treulos handeln, wo ich Sie nicht flöhe. Entschuldigen Sie mich, eine gebieterische Nothwendigkeit zwingt mich dazu. Geht ab. 7 Siebenter Auftritt. Amalia. Granville. Er verläßt uns in einer solchen Bewegung, – in einer so qualvollen Ungewißheit – Traurige Anzeichen! wie wird mir das Vergnügen ihn wieder zu sehn vergiftet! Nur zu sehr fängt dieses unglückliche Geheimniß an, sich mir aufzuhellen. Ein Treuloser hat sein Herz wieder mich aufgebracht. – Sollte es wohl Henley seyn? Er war der Zerstörer seiner Tugend. – Doch ihn eines so schwarzen Frevels anzuklagen, bloß weil er andre begangen, wäre ungerecht. – Komm, meine Schwester, wir müssen alles versuchen, uns aus dieser Ungewißheit heraus zu helfen. Gelingt es mir, so will ich bald das Herz meines Klerdons wieder erobern, aller Argwohn soll sogleich verschwinden, und dann bestrafe ihn durch die zärtlichsten Liebkosungen, daß er so ungerecht von mir dachte. Sie gehen zusammen ab. Ende des dritten Aufzugs. 4. Akt 1 Erster Auftritt. Bald wäre ich überwunden worden! – Bald hätte diese schmeichelnde, diese zärtliche Stimme, an deren sanfte Herrschaft mein Herz so gewöhnt ist, alle meine Anschläge triumphirend zernichtet! – wäre nicht Granville dabey gewesen. Dank sey dem verhaßten Anblicke dieses Treulosen: ich empfieng von ihm Wut genug, der gebieterischen Macht so vieler Reizungen zu widerstehn. – Doch, warum führte er sie zu mir? Sollte er – – nein, er kann nicht unschuldig seyn! der Brief des Unbekannten, – sein eigner, – diese mißtrauische Verhehlung, – Henley, (den in Verdacht eines Betruges zu haben, ein Frevel wäre,) alles ist wider ihn! – Und ich muß mich also rächen? – in seinem Blute – Blut meines Freundes, dich soll ich vergießen? Er soll sterben, er, für den ich mein Leben einst mit Freuden würde hingegeben haben? er, der Bruder derjenigen, die ich anbete? Und werde ich nicht ihr zugleich den Dolch in die Brust stoßen? Werde ich stark – – unmenschlich genug seyn, den Anblick auszuhalten? Werden mich ihre bangen, angstvollen Blicke, ihr liebenswürdiges, Gesicht, mit einer Flut von Thränen überschwemmt, ihre Seufzer, ihre rührenden Klagen, ihre Verzweiflung, wenn sie das Blut des Bruders von den Händen des Geliebten fodern soll – – des Geliebten? – sie liebt mich ja nicht mehr; sie ist ja für einen andern bestimmt. – Für einen andern? – Und ich bin bestimmt, verworfen, verachtet, mit Schmach überhäuft, ein niedriges Denkmaal des Triumphs eines Bösewichts zu seyn? Und ich bin noch zweifelhaft? – Nein, es ist entschieden; ich fühle es, nie empfundne Bewegungen ergreifen mich. Ich höre dich, Stimme der Rache, der Wut, der Verzweiflung! du forderst Blut! – dir soll gehorcht werden! – ich wage den Streich! – vielleicht verfluche ich ihn, wenn er gewagt ist: – es sey, ich wage ihn! 2 Zweyter Auftritt. Klerdon. Henley. heftig. Diese Treulosigkeit geht zu weit! dieser entsetzliche Frevel übersteigt alles! – Sie erblicken mich, Klerdon, ganz zerrüttet. – Der Zorn, das Erstaunen, vergönnt mir kaum zu reden. Ihr Schrecken wird das meinige; wo kommen Sie her? Von einer Scene voll Abscheu, voll Entsetzen. – Alles empört sich in mir, wenn ich ihrer gedenke. Diesen Augenblick sprach ich mit dem Granville – die Wut funkelt in Ihren Augen bey dem Namen dieses Treulosen; o möchte sie bald verdientes Verderben auf sein Haupt schleudern! – Kurz darauf, nachdem Sie der Verräther mit seiner Schwester verlassen, suchte er mich auf. Ich übergehe die schmeichelhaften Anträge, die seinen Brief bekräftigten. Er gestand, er habe sich gezwungen gesehn seine Schwester, da Ihre Anwesenheit Ihnen zu seinem Verdrusse zur Unzeit wäre bekannt worden, zu Ihnen zu führen. Er hoffte indessen durch seine Liebkosungen und Versicherungen allem Argwohn vorgebeugt, und Ihre einfältige Gutwilligkeit, wie er sich ausdrückte, genugsam eingeschläfert zu haben. Nach vielen Reden, die so voll bittrer Spöttereyen über Ihr jetziges Unglück und unbändiger Rachsucht gegen Sie waren, daß ich mich, sie zu wiederholen, scheue, eröffnete er mir, die Sicherheit seiner Absichten erfodere, daß er diese Nacht mit seiner Schwester in der Stille von hier aufbräche; ich möchte ihm folgen, unsre Verbindung sollte sodann, sogleich an einem Ihnen unbekannten Orte vollzogen werden; und hierauf, wollte er zurück kehren, um den Rest Ihrer Hoffnungen durch den Anblick aller Ihnen nun geraubten Mittel, aus ihren Bedrängnissen sich zu retten, vollends niederzuschlagen. Er frohlockte bereits – – Wo verließ er Sie? Er gieng in die schattigten Gänge dieses Gartens, vielleicht daselbst seiner Rache – – Klerdon eilt wütend ab. 3 Dritter Auftritt. Mein Triumph ist gewiß. Grimm und Blutdurst brannten in seinen Augen. Trunken von Rache, nicht mehr Meister übee sich, weiß er nicht, zu welchem Frevel er eilt. Bald werde ich ihn mit dem Blute seines treuesten Freundes überdeckt erblicken. O Wollust! wenn nun alle betrügerischen Nebel für seinen Blicken zerfließen, wenn er nun erkennen wird, wessen Brust er durchbohrt hat! wenn Schmerz, Reue, Verzweiflung seine Seele gleich aufrührischen Wogen durchstürmen, wenn er nun alles verloren, und ich dann der Urheber seines Elends mit triumphirendem Hohn auf seine Ruinen herabsehe! – Doch den treulosen Widston muß ich zuvor entfernen. Meine Rache hätte ihn bereits getroffen, fürchtete ich nicht, daß meine Absichten mit Klerdon – – er naht sich; ich muß mich verstellen, und mich von seiner hinderlichen Gegenwart mit List entledigen. 4 Vierter Auftritt. Henley. Widston. Man hat mir gesagt, mein Herr, daß Sie mich zu sprechen verlangten. Ja, Widston, vereinige deine Freude mit der meinigen, wünsche mir Glück. Bald ist meine Rache vollführt, bald ist Klerdon der Unglücklichste – – du entfärbest dich? Wie? welchen Theil nimmst du an seinem Schicksal? Keinen, mein Herr. Ha! Verräther! die Verstellung ist fruchtlos. Ich kenne deine Treulosigkeit! – der Brief an Klerdon – Ja, er war von mir. Ich sehe, mein Herr, Sie haben alles erfahren. Ich bin entdeckt, und ich weiß es, dem Tode nahe. Doch, wo die Worte eines Menschen, der so lange ein Diener Ihrer Gewaltthätigkeiten gewesen, bey Ihnen einiges Gewicht haben, so sättigen Sie Ihren Grimm an mir, und verschonen Sie Ihres unglücklichen Freundes. Er wirft sich in Ihre Arme, sein Herz weiß nicht, wie es etwas vor Ihnen verbergen soll; die feurigste Zärtlichkeit spricht aus ihm, wenn er Ihrer gedenkt, er hält Sie für seine einzige Zuflucht, für den Trost seiner Bedrängnisse – und Sie könnten ein Vergnügen finden, ein Herz zu peinigen, das Sie unaussprechlich liebt? – Womit hat er Sie jemals beleidigt! Er besaß Vorzüge, die den Ihrigen schadeten. Beruhigen Sie Sich, Sie haben ihn von diesem schimmernden Gipfel herabgestürzt: kann Ihnen das nicht genug seyn? Sie haben ihn seines Vermögens, und was das wichtigste ist, seiner Tugend beraubt; itzt wollen Sie ihm noch alle Mittel, sich zu retten, entwenden, und da er hier nichts mehr zu verlieren hat, den rächenden Arm selbst über seine künftigen Hoffnungen verwegen erheben? – O mein Herr, wo Sie nicht wollen, Er fällt ihm zu Fuße. daß ein unversöhnlicher Fluch Ihr Grab noch verfolgen soll, wo der Gedanke jener fürchterlichen Ewigkeit etwas bey Ihnen vermag, so stehen Sie von dem entsetzlichen Vorhaben ab. Stehe auf, Widston, ich fühle es, ich bin überwunden. In welches Entzücken setzen Sie mich. Wie? so dürfte ich hoffen? – – Ja, es ist geschehn; dein Brief, den ich bey dem Klerdon erblickte, die Freundschaft und Zärtlichkeit dieses Unglücklichen machten bereits meinen Entschluß wankend. Alles, was ich dir jetzt von meiner bald hinausgeführten Rache sagte, der Zorn, den ich gegen dich äusserte, alles war Verstellung, die mich nur gewisser machen sollte, daß du der Urheber des Briefs an Klerdon seyst. Deine Bitten haben mich vollends entwafnet. Ich verzeihe dir, ich schenke dem Klerdon meine Freundschaft wieder, und ich werde eben die Bemühungen anwenden, seine Leiden zu enden, die ich vorhin verschwendete, ihn in neue zu verwickeln. Du kannst dich bey meinem Versprechen beruhigen. Ja, es beruhigt mich; was sollte Sie bewegen, sich gegen einen Elenden zu verstellen, der in Ihrer Gewalt ist? Du siehst, wie viel ich dir verzeihe; belohne mich dafür mit einer Offenherzigkeit, die du mir sonst nie zu versagen pflegtest. Was bewog dich einen so zärtlichen Antheil an dem Geschicke des Klerdon zu nehmen, und zugleich ein Verbrechen – itzt nenne ich es so – hintertreiben zu wollen; dich, der sonst nur zu fertig war, sie auszuführen? Ich wiederhole es, alles ist vergeben; deiner Verstellung würde alle Beschönigung mangeln. Der leutselige Charakter des Klerdon, seine vorzügliche Güte gegen mich, hatten ihm mein Herz erobert. Noch mehr aber bewog mich der Anschlag selbst, den ich auch noch itzt – ich rede frey – nicht ohne Schauer denken kann. Das Entsetzliche, das ihn begleitete, da er bis über dieses Leben hinaus gieng, erweckte auf einmal zu graunvolle Vorstellungen in mir. Mein sonst fühlloses Herz ward aufgebracht. Meine Einbildung schreckten die fürchterlichsten Bilder. Überall glaubte ich einen Abgrund zu sehn, der mich zu verschlingen drohte, wo ich schwiege. Gedrungen wider meinen Willen ward ich ein Verräther – jetzt danke ich dem Himmel, daß ich es geworden bin. Zu Klerdons und selbst zu meinem Glücke bist du es worden. Ich werde von nun an die süßen Freuden großmüthiger Versöhnlichkeit schmecken, ohne dich mir ewig fremde, ungefühlte Freuden – Doch ich wünschte, du möchtest dich von hier entfernen. Klerdon, der dich für den Urheber des Briefs hält, wird ohne Zweifel bey dir nach den weitern Umständen forschen. Dies könnte dich in Verlegenheit setzen, oder vielleicht aufs neue eine tödtliche Feindschaft unter uns beiden entzünden, und mich nöthigen, Absichten, die ich jetzt verworfen, wieder zu ergreifen. Ich will dieß durchaus nicht. Ewig muß ihm dieses unglückliche Geheimniß verborgen seyn. Begieb dich so gleich auf mein Gut, und laß alles sich anschicken, mich und den Klerdon, und vielleicht mehrere Freunde zu empfangen; ich will indessen arbeiten, sein Gemüth zu beruhigen, und sein Glück wieder herzustellen; so bald mir dieses gelungen ist, folge ich dir, und dann wird alles in Vergessenheit begraben seyn. Ich werde Ihren Befehl aufs sorgfältigste vollstrecken. Ich höre jemand kommen. Entferne dich, und reise sogleich ab. Vor allen vermeide den Klerdon. Ich gehorche. Geht ab. Das fürchterlichste Hinderniß ist hinweg. – Geh nur, Elender, bald werde ich dir folgen, und Tod und Rache mit mir! 5 Fünfter Auftritt. Henley. Klerdon. Nun Klerdon, haben Sie Ihre Schmach geahndet? Haben Sie den treulosen Granville – – in heftiger Bewegung. Wo bin ich? – wer rettet mich? Fassen Sie Sich; Sie sind bey Ihrem treusten Freunde. Wovon sollte ich Sie retten? Niemand ist hier, der sie beleidigen will. Horen Sie jenes sterbende Röcheln? – Wie entsetzlich tönt es in meinen Ohren! – erblicken Sie nicht den bleichen blutigen Körper, wie furchtbar er mir droht? Ihre verirrte Phantasie gebiert diese Schreckbilder. Sein Sie ruhig – Ich, ruhig? O Angst! o Verzweiflung! Sehen Sie diese blutigen, diese von Mord noch rauchenden Hände! – ich könnte ruhig seyn? Ich sehe, daß Sie einen Treulosen, einen Niederträchtigen, den unversöhnlichsten Feind Ihrer Glückseligkeit gestraft haben. Vielleicht würden Sie ihm gelindere Namen geben, wären Sie selbst ein Zeuge der schrecklichen Begebenheit gewesen. Und Sie könnten noch zweifeln – Hören Sie die Umstände dieser abscheulichen That, und dann richten Sie. – Sie wissen, wie wütend ich Sie verließ. Ich eilte nach dem Garten. Alles schien sich um mich her in Nacht und Grauen zu verhüllen. Die Erde, wie es mir vorkam, zitterte unter meinen Füßen. Ueberall erblickte meine aufgewiegelte Einbildung nichts, als schauervolle Tiefen, die den entsetzlichen Gang verhindern wollten: – vielleicht warnende Stimmen eines gütigen Geschickes! Mein zügelloser Grimm war gegen alles taub. Ich fand den Granville. Er streckte schon die Arme aus, mich in einer zärtlichen Aufwallung zu umarmen. Tobend stürmte ich auf ihn ein, und forderte ihn zum Zweykampfe auf. Er entsetzte sich, er flehete, er beschwor mich auf das rührendste, ihm nur sein Verbrechen vorher zu eröffnen; er verschwendete die zärtlichsten Liebkosungen; nichts erweichte mich. Ich entblößte den Degen, und fiel ihn an. Er zog endlich den seinigen, sich zu vertheidigen, – und eine wehmüthige Thräne entfloß seinem Auge, da er es that. Zweymal gab ihm meine unbändige und unvorsichtige Hitze mein Leben in seine Gewalt, und zweymal – o Gedanke, der ewig mein Peiniger seyn wird! – zweymal wandte er die tödtliche Spitze von meiner Brust hinweg. Hätte nicht dieses meine blutdürstige Wut entwaffnen sollen? In dem ganzen Kampfe schien er mit größrer Besorgniß für mein Leben, als für das seinige eingenommen zu seyn. Diese zärtliche Großmuth ward ihm endlich nachtheilig. Es gelang mir – – wäre es mir doch nie gelungen! hätte mich doch ein niederschmetternder Donner getroffen, ehe ich den unseligen Streich vollführte! – Ich sah ihn fallen. Ströme von Blut bedeckten ihn. Todesblässe überfloß sein Gesicht. Seine Augen voll Menschlichkeit und Güte wurden verdunkelt, ohne dennoch mit Haß und Abscheu gegen seinen Mörder erfüllt zu werden. Liebreich, mitleidig, mit einer Zärtlichkeit, die ihn in diesem Augenblicke über die Menschheit erhub, wandte er sie auf mich. Dieser Anblick durchdrang mich. Plötzlich sanken jene aufgethürmten Wogen von Wut und Rache, die mich vorhin unwiderstehlich mit sich fortschleuderten, darnieder. Schüchtern entfloh ich; – der Unglückliche sammelte seine letzten Kräfte, und anstatt mir Flüche nachzudonnern, bat er mich mit ohnmächtiger, wehmüthiger Stimme, zu ihm zurück zu kehren, nannte mich seinen Freund, seinen geliebten Klerdon, – mich, den Unmenschen, der ihn ermorden konnte. Und auch dieses versagte ich ihm noch! Vielleicht haucht er in diesem Augenblicke seine edelmüthige Seele aus. Lassen Sie mich zu ihm zurück eilen, und zu seinen Füßen vor Wehmuth sterben. der ihn zurück hält. Sie vergessen sich, Klerdon. Wie? Sie wollten Sich der Gefahr bloß stellen, von einer Menge Personen, die vielleicht um ihn beschäftigt sind, für den Urheber seines Todes erkannt zu werden. Sie müssen auf Ihre Sicherheit bedacht seyn, Sie müssen diesen Ort sogleich verlassen. Wo könnte ich Sicherheit finden? Wohin würde mir nicht die verklagende Stimme des Blutes meines Freundes nachschallen? Wo könnte ich dem Bilde entfliehen, das mir den, den ich so zärtlich liebte, blutig, entstellt, von meiner Hand ermordet, zu meinen Füßen liegend, vorhält? Diese entsetzlichen Vorstellungen werden, gleich unerbittlichen Verfolgern, mir überall nacheilen. Ueberall werde ich Flüche rauschen hören, jeder Ort wird sich um mich her in eine Hölle verwandeln. Wie können Sie so schwach seyn, und Sich über eine That ängstigen, zu welcher Sie die strengste Gerechtigkeit nöthigte? Wie? weil Granvillens Zaghaftigkeit oder Ungeschicklichkeit Ihrer aufrührerischen Einbildung Großmuth, und die, jedem Sterbenden eigne Begierde, jemanden zu seinem Beystande um sich zu sehen, Liebe und Zärtlichkeit schien, reuet es Sie, denjenigen gestraft zu haben, der ein grausames und unmenschliches Vergnügen darinne fand, einen Unglücklichen noch unglücklicher zu machen, ihm sein Kostbarstes zu rauben, und dann über seine Schmerzen und Verzweiflung öffentlich zu frohlocken. Ja, es mag so seyn; er sey wirklich der Treulose, an dem ich mich zu rächen gedachte. Ist es ein Irrthum, o! möchte ich ihn nie verlieren, diesen einzigen Balsam für meine brennende Wunde! – Und dennoch wird selbst dieser sie nicht ganz heilen. – Ich habe nun alles verloren, was mir jemals schätzbar gewesen ist, ich habe nun nichts mehr zu hoffen, als den Tod. Wie sehn' ich mich nach ihm! Möchte ich doch bald in dem Schooße seiner Finsternisse mich und mein schreckliches Geschick vor aller Welt verbergen können! Selbst die Hand der Gerechtigkeit wird mir willkommen seyn – – Welch ein Geräusch erhebt sich? – Himmel! man führt den sterbenden Granville hieher. Kommen Sie, Klerdon, wir müssen diesen Anblick vermeiden. Ich kann nicht. – Ich fühle es, eine geheime, unwiderstehbare Macht hält mich zurück. Ich zittre vor dieser furchtbaren Scene, und dennoch habe ich nicht Gewalt genug, sie zu fliehen. Seyn Sie zum mindesten vorsichtig, Sich nicht zu verrathen; – mir fällt es unmöglich, einen Augenblick hier zu verweilen. Geht ab. 6 Sechster Auftritt. Klerdon. Granville, (den Truworth und ein Bedienter führen.) Setzt mich hier nieder, meine Freunde, und entfernt euch. Ich wünschte meine letzten Augenblicke mit meinem Klerdon allein zuzubringen. Bemüht euch nicht, mir Hülfe zu schaffen. Ich empfinde es, sie würde fruchtlos seyn. – Stille deine Thränen, Truworth, und auch du, dessen Treue gegen mich, nicht die Treue eines Bedienten, sondern eines Freundes gewesen. – Wie kränkt es mich, daß ich die Welt verlassen muß, ehe ich beiden diese Zärtlichkeit zu vergelten vermag. Truworth und der Bediente gehn ab. Zum Klerdon, der in einiger Entfernung steht. Nähern Sie Sich, Klerdon. Ach Unglücklicher, wozu haben Sie mich bringen müssen! Ich komme nicht hieher, Ihnen Vorwürfe zu machen, – ich komme, mich zu rechtfertigen. – Das Grab würde mir fürchterlich und grauenvoll scheinen, wenn es mich, mit Ihrem Haß beladen, empfangen sollte – Sie schlugen es mir vorhin ab, mein Verbrechen mir zu eröffnen. Jetzt bitte ich, verschweigen Sie es nicht weiter. Lassen Sie es an dieser Rache genug seyn; hören Sie meine Vertheidigung an, und gönnen Sie mir, in den Armen meines ausgesöhnten Freundes zu sterben. Konnte in einem Herzen von so großmüthiger Zärtlichkeit, ein so schwarzes Verbrechen geboren werden? Schauervolle Aussichten! Wenn diese vielleicht betrügerischen Hüllen hinweg wichen, wenn ich finden sollte, ich hätte mich geirrt – – doch Sie wollen es. So hören Sie denn die unselige Ursache meiner Raserey: – Henley zeigte mir einen Brief. Es war Ihre Hand, Ihr Name. Sie trugen ihm darinne Ihre Schwester an; gegen mich hauchten Sie nichts als unversöhnliche Rache wegen meines Betragens in London aus. Sie wollten, wie der Brief redete, mich durch die Zernichtung meiner teuersten Hoffnungen strafen, und denn öffentlich über meine Verzweiflung triumphiren. – Verhaßter Brief! hätte ich ihn nie gesehn! – Die Verbergung der Ankunft Ihrer Schwester brachte meine von finsterm Verdacht umwölkte Seele noch mehr auf. Endlich trieb eine Unterredung, die, wie Henley vorgab, Sie mit ihm gehabt, und die voll der grausamsten Gesinnungen gegen mich war, die Furien meiner Brust aufs höchste. Ich eilte – – Hätte eine tödtliche Erstarrung doch gleich den ersten Schritt gehemmt! Denn, sind Sie auch schuldig, Granville, so bin ich doch unglücklich. Dank sey dir, ewige Güte, daß du mir in meinen letzten Augenblicken die Glückseligkeit gönnest, mich bey meinem Freunde zu rechtfertigen! Auch Ihnen, Klerdon, danke ich dafür. – Meine Augen werden sich also noch mit dem Lächeln des Vergnügens schließen! Ich fühle es, dieser freudige Gedanke verjüngt mein schon stockendes Blut mit neuer Kraft zu seinem letzten Geschäfte. Nach einigem Innehalten Die zu begränzte Zeit, die mir übrig bleibt, befiehlt mir, meine Rechtfertigung abzukürzen. – Ich kam mit meiner Schwester hieher, Sie mit ihr verbunden, und durch die Mittheilung meiner Güter wieder glücklich zu sehn. Die Ehre und die Zärtlichkeit derselben foderten, ihre Gegenwart Ihnen so lange zu verschweigen, bis ich Ihre Gesinnungen sowohl in Ansehung Ihrer, als der Religion, wider welche Sie Sich öffentlich aufgelehnt hatten, erforschet; dann hätte ich Sie mit dieser Freude unvermuthet überraschen wollen. Das war mein Vorhaben. – Wofern es auch möglich wäre, daß Unwahrheit in dieser feyerlichen Minute die Lippen eines Sterbenden entheiligen sollte, so werden doch die Schriften, die ich stets bey mir führe, und die ich Ihnen in Ihre Gewalt gebe, mich gänzlich lossprechen. – Mein letzter Wille – dieser Zufall hat mich nicht unbereitet überfallen – erklärt Sie und meine Schwester zu Besitzern meines Vermögens. Der Brief, – meine Unterredung mit Henley, alles ist Erdichtung – Und nun seyn Sie versöhnt, Klerdon, lassen Sie mich, liebster Freund – – der sich ihm zu Füßen wirft. Nennen Sie mich nicht Ihren Freund; dieser Name ist ein Donner in meinen Ohren. Nicht diese Blicke, nicht diese Güte, großmüthiger, göttlicher Mann! nennen Sie mich ein Ungeheuer, – den Abscheu der Natur, – Ihren Mörder. Rufen Sie die zornigste Rache des Himmels über mein Haupt. Sie wird, sie muß mich treffen; – die entsetzlichsten Flüche – – Nein, Klerdon, ich kann nichts, als Sie segnen. Meine Religion befiehlt es, und wie leicht wird diese Pflicht meinem Herzen! Stehen Sie auf, theuerster Freund! – es ist mir nicht möglich, Sie anders zu nennen; – umarmen Sie mich, lassen Sie mich ganz die Freude schmecken, von dem wieder geliebt zu werden, der stets das kostbarste Glück meines Lebens gewesen ist. O Worte voll Tod! o Qual! o Verzweiflung! Und Sie können dem vergeben, was sage ich? Sie können mit dem von Liebe reden, der den abscheulichen Stahl in die zärtlichste, in die edelmüthigste Brust stoßen konnte? Wo jemals – Nicht weiter, Klerdon! ich erlaube es Ihnen, einige stille Thränen der Freundschaft auf mein Grab hin zu weinen; doch diese tobende, stürmische Angst müssen Sie bezähmen. Sie vollführten den Streich in einer Trunkenheit von Wut, da Sie selbst nicht Herr über Ihren Arm waren. Ein unglücklicher Irrthum hatte ihn bewaffnet – Nein, entschuldigen Sie nicht eine Frevelthat, für der sich die Natur entsetzen muß. War es nicht schon Verbrechen genug, ein Herz, wie das Ihrige, in Verdacht zu haben? – O Henley! Ungeheuer, das mich fast selbst übertrifft, dich müsse meine Rache – – Sie müsse ihn nie treffen. Ich bitte für ihn! – Verwerfen Sie nicht die Bitten eines sterbenden Freundes; huldigen Sie aufs neue den sanften Gesetzen der Religion, und dann werden Sie diese selbst lehren, ihm zu verzeihen. – – Versichern Sie ihn von mir, daß ich ihm meinen Tod vergebe, und in meinem letzten Augenblicke die feurigsten Wünsche für seine Wohlfahrt thue. – Lassen Sie uns, liebster Freund, diesen stolzen Geist zu seinem Besten schamroth machen, und ihn nöthigen, wenn er sieht, wie Christen, die er so tödtlich beleidigt, sich rächen, selbst einer und glücklich zu werden. Nach einigem Stillschweigen. Ich sehe Sie trostlos, Klerdon, in stummer betäubender Verzweiflung. – Ach Unglücklicher! Ihr künftiges Schicksal – traurige Ahndung! Wie? Sie würdigen mich, mich zu beklagen? Für mich fließet dieses großmüthige Mitleid aus diesen liebreichen Augen, die nun bald durch mich sich auf immer schließen. Jetzt gedenke ich an meine Schwester, – die unglückliche Amalia! – Ihnen, Klerdon, befehle ich sie an, das kostbarste Kleinod, das ich besitze. Seyn Sie ihr ein Bruder, ein Freund, ein Gemahl, – ja, ein Gemahl; – denn warum sollte dieser widrige Zufall meine Absichten zerstören: – Sie war schon die Ihrige, sie soll es auch bleiben. Nie darf sie die Art meines Todes erfahren. Ihr Diener und der meinige, die mich verwundet gefunden, glauben, es sei von unbekannter Hand geschehn. – Meine Güter werden Ihren verfallnen Umständen wieder empor helfen. – Dieß ist der einzige Zeitpunkt meines Lebens, wo ich mir großen Reichthum gewünschet. – Möchten doch Ihre beider Tage in Gefilden voll Glücks und ruhiger Freuden dahin fließen, und Ihr Bruder und Freund Ihnen nicht ein trauriges, sondern angenehmes Andenken seyn. der sich ihm zu Füßen wirft. Erhabner, schon den Unsterblichen, die deiner warten, ähnlicher Mann, wenn ein Elender aus seiner Tiefe dich um etwas beschwören darf, o! so töte mich nicht mehr durch diese mehr als menschliche Güte! Sie ist Marter, unerträgliche Marter für mich. Ich sollte dir danken, und kann nichts, als verzweifeln! Halten Sie ein, Klerdon. Gönnen Sie mir doch die Freude, Sie ruhiger zu sehn, ehe ich sterbe. – Ich fühle es, der wichtige, der große Augenblick nahet heran; – noch wiederhole ich meine Bitte, die letzte, die feyerlichste Bitte, werden Sie wieder, was Sie vormals waren, der Bekenner einer Religion, die ihre Bekenner weit über die Klasse gemeiner Menschen empor hebt. – – Lassen Sie meinen Tod den Zeitpunkt seyn, da Sie zu Ihrem Gott zurück kehren. – O Klerdon! welch ein Glück, ein Christ zu seyn! In der Stunde des Todes; dann werden Sie es erst recht fühlen. – Möchte doch die Ihrige der meinigen ähnlich seyn! Sie ist heiter, – ganz heiter, wenn nicht die Bekümmerniß um Sie, mir Thränen ablockte. – Unaussprechliche Wollust ergießt sich durch meine Seele. – Große, – ein nahes Glück weissagende Empfindungen bemeistern sich meiner; mein entzücktes Ohr höret die Harmonien der Unsterblichen! – Nach einigem Innehalten. Unterstützen Sie mich, Klerdon, mit Ihren freundschaftlichen Armen; – mein Auge kann Sie nicht mehr sehen, die Natur verwelkt vor meinen Blicken. – Wie sanft ist der Tod an der Brust eines Freundes! – Ihre bebenden Arme vermögen mich kaum zu umfassen? Ihre Thränen benetzen häufig mein Gesicht? – O träufle Trost auf ihn herab, du, zu dem sich mein Geist voll Ungeduld aufschwingt, und auch mir – – Er hebt die Augen gen Himmel, und scheint einige Worte für sich zu sprechen. Nun ist es geschehn! – Leben Sie glücklich, Klerdon! – seyn Sie ein Christ, – bester Freund! – Er stirbt. Klerdon, sieht den Körper des Granville einige Zeit starr und sprachlos an, und geht ab, mit einer Stellung, die Verzweiflung und betäubendes Entsetzen verräth. Ende des vierten Aufzugs. 5. Akt 1 Erster Auftritt. in einer wütenden Stellung. Hinweg, quälende Vorstellungen! Laßt ab mich zu tödten! Wie? nirgends kann ich euch entfliehen? Hier, nur hier laßt mich, Peiniger, ruhen. – Ich zittre! – auch hier fließen für meinen erschrocknen Blicken Fluten von Blut, auch hier ängstigt mein Ohr ein sterbendes Aechzen. – Ja ich sehe es, überall verfolgst du mich, Blut meines unschuldigen Freundes – Warum mußte ich dich vergießen? Den, den ich schon so tödtlich beleidigt hatte, der gleich einer erbarmenden Gottheit kam, den grausamen Beleidiger zu retten, den konnte meine treulose Wut – – den Besten, den Großmüthigsten, ihre Zierde entriß ich der traurenden Menschheit? – Alles muß mich verabscheuen, alles muß sich zu meinem Verderben aufmachen. – Und du verzeuchst noch, Rache? Warum brausen deine Ungewitter noch immer von ferne? Warum bin ich noch? – Ich empfinde es, du nahest dich! – ja, du hörst mich; sie kommen, deine furchtbaren Herolde! – Undurchdringliche Nächte umlagern mich auf allen Seiten. – O! deckt mich, Finsternisse, deckt mich vor einer entsetzlichen Gestalt! – – jetzt hat sie mich ereilt! – – jetzt droht mir ihr flammendes Schwerdt! – Ich erkenne dich, du bist der ermordete Granville! Welch ein Grimm schreckt aus deinen Augen. Nicht mehr jene Züge des Friedens und der Liebe, mit denen du starbst. – Engel des Verderbens, – denn dazu hat dich der Allmächtige ausgerüstet, – o! vollführe den Streich! tödte alles in mir! tödte dieß Gefühl, daß ich unaussprechlich elend bin! Noch stürzt dein Blut aus der entsetzlichen Wunde hervor! – noch ist es ungerächt! Was verweilest du? Ist es Erbarmen oder Strafe? – Ach wohin gebietet mir deine drohende Rechte zu blicken? – Mein Vater, auch du bist zur Strafe des unwürdigsten Sohnes gekommen! Ja, vollziehe sie! Ich war es, der dich in den schmachvollen Kerker warf, ich trat dein zitterndes Alter in den Staub der Dürftigkeit und Verachtung nieder; ich gebot dem Grabe sich dir zeitiger zu öffnen, als es ihm die Natur gebot. Ich verwarf deine Warnungen, deine Befehle, das Flehen deiner sterbenden Lippen. – Itzt bist du glücklich: – itzt wird kein frevelnder Sohn mehr Thränen des Kummers von dir erzwingen; – doch ich – – ja, du bist gerächt! – – ich bin zu unaufhörlichen Qualen verdammt. Der Fluch, den nicht deine Lippen, den dein Elend über mich aussprach, stürmt mit unversöhnlichem Zorn auf mich los. Ach! mein Vater! – doch deine drohende Stirn verbietet mir, dich so zu nennen. – Ich vermag diesen Anblick nicht länger zu ertragen. Diese Augen, in denen einst nichts als Liebe und Zärtlichkeit lächelte, glühen itzt von Wut; diese Hände, die mich so oft segneten, bitten Verderben auf mich herab: – wohin entflieh ich? welche gräßliche Tiefe öffnet mir eine Freystadt? – Hinweg, blutige Schatten, hindert mich nicht! – Unerbittliche! selbst den Tod gönnt ihr mir nicht? – Er würde für mich Seligkeit seyn; er würde euer Opfer euch entreißen – – 2 Zweyter Auftritt. Klerdon. Amalia. die in wilder Betrübniß auftritt. Zu Ihnen, Klerdon! muß ich fliehen; – Ihren Beystand, Ihr Mitleiden, muß ich anflehen: – – Mein Bruder – Wessen Stimme höre ich! – Indem er sie erblickt. O Rache! – – Miß! – – ich bin verloren! Sie erschrecken? So wissen Sie denn schon, daß der beste, der zärtlichste Bruder – daß Ihr Freund von der Hand eines Bösewichts entseelt liegt? – Ich Unglückliche! ich konnte den entsetzlichen Streich nicht verhindern: – ich konnte nicht einmal die letzten zärtlichen Worte von seinen sterbenden Lippen aufsammeln; – seine brechenden Augen konnte ich nicht zudrücken: und auch den traurigen Trost, seinen blutigen Ueberrest zu umarmen, versagt man mir. Unglückliche Miß! – unseliger Mörder! Sie müssen seinen Tod rächen, Sie müssen dem Mörder nacheilen. Ein geheimer und um so viel gefährlicher Feind muß ihm nachgefolget, und keinen bequemern Ort zu seinem Frevel gewußt haben. Auf, Klerdon! vielleicht ist der Bösewicht noch in dem Bezirk dieser Mauern. Wie, Miß? ich seinen Tod rächen? – Ich Elender! – Und wem könnte dieses traurige Geschäffte anders zukommen als Ihnen? Waren Sie nicht stets der liebste und teuerste seiner Freunde? Wüßten Sie, wie zärtlich er für Ihre Wohlfahrt besorgt war, wie viele wehmüthige Thränen Ihre bedrängten Umstände ihm abgelockt, wie sehr seine Seele mit der Ihrigen litte, mit welcher Ungeduld er die Reise beschleunigte, die er bloß zu Ihrem Besten unternahm, wie sein ganzes Herz in Wollust zerfloß, wenn er sich Ihr durch ihn wieder aufblühendes Glück vorstellte; wüßten Sie die Entwürfe, die er machte, es Ihnen auch nach seinem Tode zu versichern – – vielleicht gab ihm dieß Ihr Schutzgeist ein, der den traurigen Fall voraus sah – – wenn Sie dieses wüßten – doch warum sollten Sie es nicht wissen? Sie liebten ihn ja auch – nur zu sehr sehe ich, welche betäubende Traurigkeit sich durch Ihre Seele verbreitet hat, ich lese Ihre Verzweiflung in Ihren Augen. O Tag voll Frevel! voll Grauen! warum mußte ich dich erleben? Ihre Schmerzen, Ihre stürmische Angst, machen Sie mir noch theuerer. Nun erkenne ich den wahren Freund – Fliehen Sie mich, Miß! fliehen Sie mich auf ewig! Sie würden mich verabscheuen, wenn Sie mich kennten. Ich? Sie fliehen? Wo bliebe mir nach Ihnen noch einige Zuflucht übrig? In meinem Bruder hat eine grausame Hand mir die letzte Stütze geraubt: – Sie allein sind mitten unter den Ruinen von dem, was mir jemals theuer gewesen, zurück geblieben; Sie, – denn warum sollte ich eine Liebe, die von allen gebilligt wird, leugnen? – Sie, den zu lieben sich mein Herz durch eine süße Gewohnheit schon so lange zu seinem vorzüglichsten Geschäfte gemacht hat; Sie, den selbst der Wille des zärtlichsten Bruders bestimmte, künftig mit mir vereinigt, gesellige Thränen seinem Andenken zu weihen, Sie allein müssen mir jetzt alles, was ich verlor, ersetzen, Sie müssen meinen Verlust an dem Unwürdigen ahnden, der ihn verursachte. – Vielleicht frohlockt der Blutdürstige jetzt über den gelungenen Frevel. Noch einmal, Klerdon, eilen Sie ihm nach. Bey dem vergoßnen Blute Ihres Freundes, bey seinem Andenken, bey Ihrer Zärtlichkeit gegen mich, beschwöre ich Sie – – Nicht weiter, Miß! diesen Reden kann ich nicht länger widerstehn. Sie sind gleich tausend brennenden Schwerdtern in meiner Brust. Sie sollen alles wissen – Sie werden mich hassen, Sie werden mich verfluchen; – zu meinem Verderben, sollen Sie alles wissen: – ich kenne den Mörder. Sie kennen ihn? und noch befleckt das Blut meines Bruders ungeahndet die Erde? noch geht das Ungeheuer, das ihn tödten konnte, triumphirend und frey herum? – Nennen Sie mir ihn; ich gehe selbst alles wider ihn aufzubringen. Sie wollen es – zittern Sie – Der Mörder – Wer ist der Mörder? Ich selbst. Ists möglich? – Klerdon, – Sie? Nein, Ihre zerrüttete Phantasie reißt Sie dahin: – Sie sind nicht der Mörder meines Bruders; Sie konnten nicht den zärtlichsten, den großmüthigsten Freund durchbohren, und diejenige zu beständigen Thränen verdammen, die Sie unaussprechlich liebt – Nein, Klerdon, dieß konnten Sie nicht. Ich wäre zu irgend einem Frevel unfähig? – ich betrüge Sie nicht, Miß! ich bin der Mörder, ich bin das Ungeheuer, das Sie so lange verkannt haben. Die Uebermaß der Schmerzen hat Ihren Geist überwältigt – fassen Sie Sich, und hören Sie auf, mich mit so ausschweifenden Reden zu schrecken. Schauer durchströmt mich bey dem bloßen Gedanken, daß Ihnen diese That möglich gewesen. – Wie? Sie wären unmenschlich genug? – nein! ein einziger Blick Ihres Freundes würde Sie entwaffnet haben. Sie müssen mir glauben, Miß, – ich will es, ich fodere Ihren Haß – das ärgste, das fürchterlichste für mich – ich brenne, mein Verderben vollendet zu sehn. Ja, Ihr Bruder fiel durch meine Hand, und fiel unschuldig; Eifersucht, Irrthum, ein Geist des Verderbens, der sich meiner bemächtigte, trieb mich zu der entsetzlichen That. – Wo seine Angst, seine Wut, seine Verzweiflung, wo der Abscheu, mit dem die ganze Natur sich wider ihn empört, Ihnen den Mörder nicht verrathen, so erkennen Sie ihn an dem Grausen, das ihm Ihre Gegenwart einjagt. – Sie war unaussprechliche Wollust für ihn, so lange er unschuldig war. – Ueberzeugt Sie dieß nicht, so fürchten Sie, daß die Erde vor Ihren Augen sich unter ihm aufreiße, und Sie zwinge zu glauben. Nein, Miß, keine zerrüttete Einbildung spricht aus mir; ich schwöre bey den unerträglichen Gerichten – Entsetzlicher Schwur! – schreckliches Licht, das mich überfällt! Hinweg, Mörder! – Ungeheuer! – das Blut deines Freundes strömt an dir herab! – Raserey und Mordlust umgeben dich! – Ich sehe ihn, ich sehe den Unglücklichen, sorglos für sein Geschick, zu dir nahen, ich sehe, wie dein wütender Arm den blutdürstigen Stal gegen ihn empor hebt – gegen ihn? – Unmensch! Er denkt auf nichts als dein Wohl – du durchbohrst eine Brust, an die die Freundschaft dich so oft mit Inbrunst drückte – Kann dich nichts erweichen? nicht jene sanfte Majestät, die von seiner Stirne herab stralt, nicht jene Mienen, die Güte und Menschenliebe reden? – O Entsetzen! ich sehe ihn fallen, ich sehe ihn den Tod doppelt fühlen, da er ihn von der Hand des Freundes empfängt – Du verweilst noch hier, Wütender? du tödtest mich noch länger durch deinen Anblick? Trunken vom Blute des Bruders bist du ungeduldig, dich mit dem meinigen zu sättigen? Kröne deinen Triumph! stoße den grausamen Stal, den Mörder deiner Freunde, in diese Brust! – tödte mich! – denn auch ich kam, dich zu retten. Deine Wut ist erschöpft, verfolgendes Geschick; nunmehr bin ich zum tiefsten Abgrund der Verzweiflung hinabgesunken; ich trotze jetzt deinem Haß, versuche es, erfinde neue, höhere Qualen für mich. – Und dennoch übersteigt diese peinigenden Empfindungen die Grösse meines Verbrechens. Sie selbst, Miß, wissen noch nicht jeden Umstand, der es erhöht. Sie kennen noch nicht den ganzen erhabnen Geist, den ich der Welt raubte – Hier an diesem Orte empfieng ich Vergebung von seinen sterbenden Lippen; hier war es, wo er mit seinem Mörder von nichts als Liebe redete; hier war es, wo seine empor strebende Seele nur darum zu verweilen schien, ihre ganze Größe zu entfalten, und von einem blendenden Schimmer mehr als menschlicher Tugend umflossen, die Erde zu verlassen. Er hat demjenigen vergeben – – Ja er that es, und noch mehr, er hat ihn gewürdigt, ihn Freund zu nennen. Er hat seine letzten Thränen über das Schicksal seines Mörders vergossen, und die feurigsten Gebete für das Wohl des Zerstörers seines irdischen Glücks gesprochen. O Andenken, das ewig sein Rächer seyn wird! – ich sah ihn seine erstarrenden kraftlosen Arme, da ihm die siegende Gewalt des Todes sie kaum noch zu erheben erlaubte, voll Zärtlichkeit gegen mich ausstrecken, und in meinen Umarmungen hauchte er die göttliche Seele aus. So einen Bruder habe ich Ihnen entrissen. Schütten Sie nunmehr Ihren ganzen Zorn über mich aus! überhäufen Sie mich mit Flüchen! – Wie? Sie blicken mich mit Thränen, mit einer Miene voll Mitleid an? – Nicht diese Empfindungen, Miß! – Sie beleidigen das Andenken meines Freundes – Zorn, Wut, Abscheu, Verwünschungen, diese fodre ich, diese verdiene ich. nach einem langen Stillschweigen. Meine ersten Bewegungen haben mich hingerissen, – wie unähnlich war ich dir, o mein erhabner Bruder! – dein Beyspiel begeistert mich jetzt. – Ich sehe, wie du mir aus jenen Gegenden, wo Glanz und Unsterblichkeit dich krönen, zurufst und mir jene großmüthige Sanftmuth empfiehlst, für welche dich jetzo das Lob der Himmel belohnt. Mein Bruder hat Ihnen vergeben, Klerdon, und ich würde strafbar seyn, wenn ich Rache gegen den aushauchte, den er noch sterbend seinen Freund nannte. Da seine Lippen Sie segneten, so sey es fern, daß die meinigen von Verwünschungen wider Sie strömen sollten. Nur zu sehr bemerke ich, was für bittre Vorwürfe Ihnen Ihr eigen Herz macht: – Ich verzeihe Ihnen, und ich bedaure Sie. – Möchte Ihnen doch jener göttliche Richter auch verzeihen! Dieß kann er nie. Die Thränen, die ich eine so edelmüthige Tugend zu weinen zwinge, sind zu mächtige Ankläger für mich. nach einigem Stillschweigen. Wir müssen uns trennen. Dieser unglückliche Zufall hebt alle Verbindung zwischen uns auf. Ich eile, mich einer beständigen Einsamkeit zu widmen, und den Bruder und Geliebten zu beweinen, die mir beide ein neidisches Geschick auf Einen Tag entwandt hat. – Unglücklicher Klerdon, könnten Sie doch der Ruhe künftig genießen, der ich nie wieder genießen werde! Sie mich auf ewig verlassen? – Doch ja, Sie müssen es. Nie sollen Sie den strafbaren Klerdon wieder erblicken. – Möchten Sie mit ihm alle Schmerzen vergessen, die er Ihnen jemals verursachte! – Ich gehe zu sterben, und bald soll ein rächender Tod – – Nein, Klerdon, leben Sie! wo meine letzte Bitte etwas über Sie vermag, so leben Sie, um Ihre Verbrechen zu beweinen, und einen Gott zu versöhnen, den Sie so sehr gereizt haben. Warum mußten Sie ihn jemals verlassen, und warum wollten Sie zu so vielen Empörungen die größte hinzuthun, und den Tod wählen, da er Ihnen zu leben erlaubt. – Meine hervorbrechenden Thränen verbieten mir, diese Unterredung fortzusetzen. – Noch einmal, Klerdon, wiederhole ich es, leben Sie, und wo meine Wünsche bey dem Himmel etwas vermögen, so werden Sie glücklich leben. Sie geht ab. 3 Dritter Auftritt. Ich ihn versöhnen? Raserey wäre es, dieß zu hoffen. Nicht Gnade, nur Verzweiflung wartet meiner. – Ich fühle deine tödtenden Gerichte, Ewiger! Ach unerträglich donnern sie auf mich herab! – und nur zu sehr habe ich sie verdient! – Deine beleidigte Religion ruft dich zur Rache – Sie muß wahr seyn, diese Angst, diese brennende Verzweiflung, die in mir wütet, lehrt es mich. – Ja, sie fallen, die unseligen Hüllen, die meine Augen bisher gefangen hielten. – Graunvoller Anblick! Ganz entdecke ich die entsetzliche Bahn der Frevel, auf die ich mich verirrte. – Wider eine Religion wagte ichs, mich zu empören, in deren Schooß ich nichts als Freude und Zufriedenheit genoß! Einen Schöpfer beleidigte ich verwegen, den ich bisher nur durch Wohlthaten gekannt hatte! Spöttereyen über das, was mir das Heiligste hätte sein sollen, strömten von meinen Lippen! – Die liebenswürdigsten Tugenden gab ich für erniedrigende Wollüste auf, und öffentlich – hier ergreift mich Schauer und Verzweiflung – öffentlich erfrechte ich mich, ein Feind Gottes und der Religion zu seyn, öffentlich ihnen den Krieg anzukündigen! – Und wie manchen rissen vielleicht meine unsinnigen Reden zu gleichem Aufruhr fort! Welch entsetzliches Weh wird die zerstörte Tugend über mich ausrufen! Welche Verwünschungen müssen sich auf mein Haupt häufen! Du bist gerächt, Religion; so bald du mich, göttliche Führerinn, verließest, ward jeder Schritt ein Frevel. – Jede meiner Thaten spricht das Todesurtheil über mich aus, jede fodert eine Hölle – Ich sehe den gräßlichen Abgrund zu meinen Füßen sich aufthun. Ich sehe die Qualen vor meinen Augen sich verbreiten, die mir die Zukunft aufbehält. Schon rüstet sich ewige Nacht mit ihren Schrecknissen mich zu überfallen. Du, Elend, wirst künftig meine Heimath; du, Verzweiflung, mein Geschäffte, und mein ganzes Empfinden Pein seyn. – Tage des Gerichts, der Rache und des Jammers, ich segne euch entgegen! Ihr rechtfertigt den Himmel, ihr straft einen Verruchten, den die Natur mit Entsetzen erblickt. Ihr werdet unsterbliche Qualen auf mich häufen, und doch das Maß der Gerechtigkeit nicht ausfüllen. – Ich höre deine Stimme, fürchterliche Ewigkeit! – du rufst mir! – hier empfange dein Opfer! Er zieht einen Dolch hervor, und will sich tödten. – Doch was thue ich? – o Tod! ich wage es, dich zu wählen! – Schwindelnder Abgrund! – Bewahrer furchtbarer Geheimnisse! Wege des Lebens und des Verderbens öffnen sich hinter deinen Pforten, und die Unendlichkeit ist ihr Maß – ich wage es, dich zu wählen? Ich wage es, mich freywillig in die Arme eines allmächtigen Richters zu stürzen? Vernichtender Gedanke! ewig von ihm gehaßt, ewig mit seinen unerträglichen Gerichten belastet zu seyn! – So muß ich denn leben! – Nein, dieß kann ich nicht. Diese nagende Angst, diese namenlose Pein vermag ich nicht zu ertragen. – Doch wird sie der Tod enden? Wird er sie nicht verdoppeln? – Ich Elender! wohin kann ich flüchten? überall ist Abgrund. Das Leben ist eine Hölle, und der Tod auch. – Doch vielleicht ist der Tod Vernichtung. – Eitler Trost! dieses klopfende Herz, diese Angst, dieser Schauer, alles widerspricht dir. Ich empfinde es, daß ich zu ewigen Martern geschaffen bin, daß ein ewiger Richter – – Wehe mir! ich sehe ihn kommen – – ja, ich trüge mich nicht, diese furchtbare Herrlichkeit, dieser verzehrende Glanz, dieß Entsetzen der Natur verkündigt ihn. Wohin entflieh ich? Unwiderstehliche Schrecknisse rauschen vor ihm her. Seine Blicke sind Tod. Flammen und Ungewitter toben auf allen Seiten um mich her. – Itzt gebeut er dem Verderben, mich zu schlagen – – Itzt ergreift mich sein Donner – – o Erde, decke mich vor ihm! O Vernichtung, komm über mich! – 4 Vierter Auftritt. Klerdon. Truworth. Entschuldigen Sie meine Verwegenheit, mein Herr, Sie befahlen mir Ihre Gegenwart zu meiden, und dennoch wage ich es – Wer kommt, an meinem Verderben Theil zu nehmen? Nachdem er ihn einige Zeit stillschweigend angesehn. Bist du es, Truworth? Die unglückliche Miß Granville, die sich eben jetzt anschickt diesen Ort zu verlassen, befahl mir, zu Ihnen zu eilen; Sie befänden Sich in traurigen Umständen – Verzeihen Sie mir meine vorige Unbescheidenheit. Die Uebermaß meines Eifers hatte sie verursacht. Was soll ich dir verzeihen! O hätte ich deinem warnenden Eifer Gehör gegeben, anstatt mich über ihn zu zürnen! – Doch mir geschah recht; meine Verbrechen verdienten: diese Verblendung – Du weinst, Truworth? Was muß ich erblicken? Diese wild herumirrenden Augen, diese Züge, in denen sich die Verzweiflung und das Bild des Todes abdrückt: – kann der unglückliche Tod Ihres Freundes Ihnen so unaussprechliche Schmerzen erwecken? Du siehst noch nicht die ganze endlose Tiefe meines Elendes. Starres Entsetzen würde dich fassen, wenn du sie sähest. Kennst du den Mörder des Granville? Ein Unbekannter soll die schändliche That vollführet haben. So kenne ihn: Ich bins. Sie – Ihren Freund – Ja, meinen Freund, und noch dazu den besten, den edelgesinntesten Freund, der bloß hieher gekommen war, meinen bedrängten Umständen beyzustehen, und sein ganzes Glück mit mir zu theilen. – Deine tugendhafte Seele wird die abscheuliche That nicht begreifen können: – so kenne denn ihren verfluchten Urheber. – Henley – hätte ich den unseligen Namen nie gehört! – dieser hatte mich durch die feindseligsten Verleumdungen aufgebracht; dieser hatte meine Rachbegierde zu einem solchen Grade von Raserey empört, daß ich Granvillens Leben würde angefallen haben, und hätten es Heere beschützt. – Wundre dich nun nicht über meine Verzweiflung. Das Blut meines Freundes ruft ein unaufhörliches Weh über mich. Mein aufgewiegeltes Gewissen stellt mir auf einmal die schwärzesten Frevel dar. Jetzt empfinde ich, daß die Religion Wahrheit ist, die ich mich zu lästern erkühnte. Ich empfinde die furchtbaren Gerichte des Allmächtigen, ich seufze unter der Last seiner strafenden Rechte; stets sehe ich den Himmel bereit, verheerende Blitze auf mich herabzuschütten; – in der fernsten Zukunft sehe ich eine unendliche Kette sich häufender Qualen: – ich sehe es, – und verfluche mein Daseyn. Nicht diese Verzweiflung, mein Herr, nicht diese will die Langmuth des gütigsten Wesens von Ihnen – Reue und Unterwerfung, dieß verlangt es, und dann – ich weiß es gewiß, – dann wird es Sie begnadigen. Ihre Vergehungen, ich bekenne es, sind groß; der Tod eines unschuldigen Freundes – – doch auch dieser kann vergeben werden. – Aber Ihre Sicherheit – – Ach Menschen sind unerbittlicher als der Himmel ist; – vielleicht ist alles schon ruchbar, vielleicht schickt man sich schon an – – Ich verstehe dich. – Was braucht ein Elender, der nichts zu hoffen hat, auf seine Sicherheit bedacht zu seyn? Warum sollte ich der verdienten Ahndung der Gerechtigkeit zu entrinnen suchen? Würde wohl die schmählichste Todesart zu viel Strafe für mein Verbrechen seyn? – Doch du, Truworth, höre auf dein Schicksal an das Geschick eines strafbaren Herrn zu fesseln. Fliehe einen Unwürdigen, – einen Mörder! – Granvillens Tod müsse dich alles fürchten lehren; auch du bist tugendhaft, auch du liebst mich. Ist dieß nicht genug, dein Verderben von mir zu erwarten? nach einigem Stillschweigen. Ja! – dieß ist das Mittel, Sie zu retten; Dank sey dem Himmel, der es mir eingab! – Sie sehen, wie wenig Jahre, vielleicht wenig Monate den Rest meines Lebens ausfüllen müssen. Diese grauen Haare, diese hinwelkenden Glieder, alles ruft mich zum Grabe. Könnte ich diesen unnützen, nichtigen Ueberrest besser anwenden, als Sie, meinen Herrn und Wohlthäter zu retten, und der Welt ein Leben zu erhalten, das ihr vielleicht noch lange nützlich seyn kann? Ich will zu den Gerichten hin eilen, und mich als den Mörder des Granville angeben. – Was schadet es, ob auch die Welt glaubt, daß ich als ein Bösewicht sterbe, wenn nur Gott weiß, daß ich unschuldig bin! – Thränen der Freude verdunkeln mein Auge; o mein Herr! mein liebster Herr, Er küßt ihm mit Inbrunst die Hand. wie glücklich bin ich, daß ich für Sie sterben kann! indem er ihn umarmt. Nicht weiter, großmuthsvoller Truworth, du durchbohrst mein Herz. Wie? so viele heldenmüthige Tugend bey so vieler Niedrigkeit, und so dürftigem Glück? Wahrer, bester Freund, dieser Uebermaße von Treue bin ich nicht würdig. Muß sich denn alles um mich herum in einem so blendenden Glanze von Tugend und erhabner Gesinnung zeigen? – und ich allein ein so niedriger und verworfner Frevler seyn! – Geh, mein Freund, geh und mache Anstalt, daß wir diese Stadt sogleich verlassen; du bist mir viel zu kostbar, als daß ich dich meiner Sicherheit aufopfern sollte. Ich hoffe, ehe sich noch das Gerüchte von Granvillens Tod überall verbreitet, und ehe der Argwohn auf mich fällt, weit von diesen unglücklichen Mauern zu seyn. der ihn traurig und nachdenkend ansieht. Soll ich Sie denn verlassen? – In so heftiger Bewegung – – – eine schauervolle Ahndung schreckt mich – – – Geh nur, und mache alles zu unserer Abreise fertig, für mich sey unbesorgt. Truworth gebt ab. 5 Fünfter Auftritt. Das letztemal empfunden, was es sey, von irgend einem Wesen geliebt zu werden! Hinfort in jener Zukunft voll Grauen, wird mein Theil nur Haß sein; alles, mich selbst werde ich hassen, und allem werde ich ein Abscheu seyn. – Was zaudre ich noch? Ich muß den Tod wählen. Die Erde, die jeden Augenblick unter meinen Füßen weg zu weichen droht, dieses Licht, das mir itzt so fürchterlich glänzt, – diese vor meinen Blicken herumirrenden Bilder des Todes, vermag ich nicht zu ertragen. Ein so peinigend Schicksal auch meiner wartet, so kann es doch nie dieses wütende Feuer, diesen innern Tod, den ich fühle, übertreffen. – – Vielleicht irre ich – es sey. Eine unwiderstehliche Rache treibt mich zu dem Abgrunde, dem ich umsonst zu entfliehen suche. – Name eines Freygeists, auf den ich einst stolz war, wie verfluche ich dich itzt! O träfe die ein dem meinigen ähnliches Weh, die ihn zuerst erfanden, die zu erst einen unseligen Ruhm darinn setzten, Empörer wider den Unendlichen und frevelnde Wahnwitzige zu seyn. Von euch müsse das Verderben so vieler gefodert werden, Lehrer der Raserey! eine Sündflut von Flammen der rächenden Allmacht müsse euch überströmen! – Wie empört sich alles in mir! Wie schauert der Seele vor der entsetzlichen Minute! – Deine Rache soll nicht länger verzögert werden, Blut meines Freundes! – ich höre dein Rufen! – ich verstehe euch, Töne des Todes! – ich eile – – Er erblickt den Henley. O Abscheu! da ist mein Verderber. 6 Sechster und letzter Auftritt. Klerdon. Henley. der wütend auf ihn los geht. Ha, Treuloser! wo ist Granville? Von deinen Händen, Ungeheuer, fodre ich sein Blut. Seyn Sie ruhig, Klerdon, nur einige Augenblicke seyn sie es. Ich komme nicht hieher, Ihre Wut zu besänftigen, ich komme, sie noch stärker zu entflammen; nur so lange, bis Sie mich angehört haben, gebieten Sie ihr zu ruhen. Itzt sollen sie Ihr Geschick und die geheime Ursache Ihrer Unfälle kennen lernen. – – Sie wissen, wie ich mit Ihnen zu London bey der Rückkehr von meiner Reise bekannt wurde. Sie waren damals in dem Schooße eines blühenden Glücks. Ueberall ertönte das Lob Ihrer Tugenden; überall folgte Ihnen Glanz und Bewundrung nach. Sie wissen die Vortheile, die Ihnen diese Vorzüge über mich gewannen. – Unselige Vortheile für Sie! – Ich ward Ihr Todfeind, der letzte und wichtigste Triumph, den Sie bey unsrer Bewerbung um Miß Granville davon trugen, machte meinen Haß unversöhnlich, und Ihren Untergang gewiß. Ich beschloß, Sie auf der Seite anzufallen, auf der Sie meinem Glück so nachtheilig geworden waren. Ich beschloß, diese stolzen Tugenden zu bekriegen, den erhabnen ruhmvollen Klerdon in die verworfne Klasse der Wollüstlinge, Lasterhaften, und Religionsspötter zu verweisen, seine schönsten Hoffnungen, so wohl des itzigen Lebens, als jener Zukunft, zu verwüsten – – – ja, beben Sie nur! – – – ihn selbst in der Ewigkeit die Folgen meines Hasses fühlen zu lassen. Ists möglich? – Was höre ich! – Dieses war das große Vorhaben, das ich bey jedem Schritte vor Augen hatte. Sie wissen, ob es mir gelungen ist – Itzt will ich Ihnen alles entdecken, zu Ihrer Pein will ich es. Granville war unschuldig, alles, dessen ich ihn anklagte, war Erdichtung. Ihr frevelnder Arm – verfluchen Sie Sich selbst! – hat dem edelgesinntesten, dem zärtlichsten Freunde das Leben geraubt. – Nun ist meine Rache vollendet. Nun sind Sie in dem tiefsten Abgrunde der Verzweiflung. Alle Frevel sind für Sie erschöpft. Hier können Sie nun nichts mehr verlieren, und jenseit des Grabes drohn Ihnen unerbittliche Gerichte – Wie triumphiere ich! wie genieße ich Ihr Unglück? Unaussprechliche Wollust bemächtigt sich meiner, da ich Ihrer Verzweiflung Hohn sprechen kann. Dies ist der schönste Tag meines Lebens. – Stoßen Sie nun die bittersten Schmähungen wider mich aus; überhäufen Sie mich mit Flüchen. Je mehr Sie toben, je mehr triumphiere ich. Ihre Thränen, Ihre Qual, sind das ergetzendste Schauspiel für mich, Ihre Seufzer sind Harmonien in meinen Ohren! – Wo sind nun diese erhabnen und blendenden Verdienste, die Ihre Lobredner so zu erheben wußten? wie ohnmächtig sie vor mir dahin fielen! wie entstellt sie in Ihren Ruinen liegen! Unsträflicher, edelmüthiger Klerdon, Freund der Tugend und Religion, wie war es Ihnen möglich, sich zu so schändlichen Verbrechen zu erniedrigen? – Auf! entreißen Sie Sich dieser fühllosen Erstarrung. Empfinden Sie meinen Spott, meinen Triumph! er ist hin, wo sie ihn nicht empfinden. – O! könnte ich Sie für Ihr Elend ganz zu Gefühl machen! Rede ich mit einem Menschen? Nein, die Hölle redet aus dir, Ungeheuer, ihrer sind diese Gesinnungen werth. – Ja, frohlocke nur, frohlocke! ich fühle den ganzen Grimm, und die niederschmetternden Gerichte des Himmels, sie strafen mich, weil ich deinen unseligen Eingebungen folgte, und ein Ungeheuer wie du ward. Zittre vor diesem Richter! Ein noch entsetzlichers Verderben wird dich ergreifen, erzüntere Donner werden auf dieß stolze Haupt herabstürzen, und jene Zukunft wird den Verführer von dem Verführten unterscheiden. – Noch einmal rufe die ganze Freude der Hölle in deiner Brust zusammen: – ja, deine treulosen Rathschläge haben mich in dieß gränzenlose Elend hinabgestoßen. Frohlocke! und nimm den Lohn dafür! Er zieht jählings einen Dolch hervor, und ersticht ihn. Und dieß sey der meinige, daß ich dir Gehör gab. Er tödtet sich. Ich sterbe! – doch mein Feind stirbt mir zur Seiten – ich bin gerächt – o Triumph! o Rache! Ende des Freygeists.