Nacht-Wanderer Wenn ich der Menschen Thun betrachte, Auf ihren Zweck, den Trieb und ihre Wirckung achte; So kommt ihr gantzes Leben mir Nicht anders, als das Thun mondsücht'ger Wandrer für. Dieselben thun verschied'ne Sachen, Der festen Meynung, daß sie wachen: Sie steigen, klettern, gehen, stehn, Sie glauben, daß sie hören, sehn; Da sie doch wircklich taub und blind Für alles, und nur bloß für eins empfindlich sind. So geht es leider auf der Welt: Der eine Theil von uns strebt nach der Ehre Wind; Der and're läuft und rennt: Was sucht er? nichts als Geld; Der dritte, mit entflammter Brust, Sucht bloß bey Wein und Weibern Lust. Ein jeder ist so sehr auf seinen Zweck erpicht, Daß er nichts anders sieht noch höret, Empfindet, achtet, noch begehret. Einfolglich ist, was ist, für ihn, als wär' es nicht. Wir sehen das, was unser Gott geschaffen, Nicht anders an, als wenn wir schlaffen, Denn minder, als verschied'ne wachend sehn Des Schöpfers Werck, kann es im Schlafe kaum geschehn. Erwache doch, geliebter Mensch! die Pracht Der Creatur, des Himmels Licht, Der Glantz und Nutz der Fluth, der Schmuck und Nutz der Erden Verdient, erfordert es, daß sie betrachtet werden, Zum Preise Des, der sie gemacht. Es will und heischt es unsre Pflicht: Denn wo man nicht auf diese Weis' erwacht, Versincket man gewiß in eine ew'ge Nacht.