2. Der Geruch 49. Nach Erforschen, Sehn und Achten Auf der Augen Trefflichkeit, Wollen wir nun auch betrachten Des Geruchs Beschaffenheit; Drinnen, wenn wir ihn ergründen, Wir nicht minder Wunder finden, Weil auch den kein Witz, kein Fleiß Fasst und zu begreifen weis. 50. An der Augen rege Spiegel Grentzt und theilt der Wangen Feld Ein erhab'ner kleiner Hügel. Dieser, wie ein Pfeiler, hält Die gewölbten Augenbrauen: Hier kann man zween Wege schauen: Dadurch drenget durch die Stirn Der Geruch sich ins Gehirn. 51. Halb von Knorpel, halb von Knochen Ist die Nase zugericht't, Daß sie, wär' sie leicht gebrochen, Nicht verstellte das Gesicht. Doppelt sind die offnen Thüren, Den Geruch nicht zu verlieren, Wenn vom Schleim von ungefehr Eine wo verstopfet wär'. 52. Ferner dienen diese Röhren, Die zu zarte Feuchtigkeit Des Gehirnes auszuleeren; Ja noch grössre Nutzbarkeit Spürt man von dem Athem-ziehen, Wenn durch der Natur Bemühen Luft durch ihre Röhren fährt, Und dadurch die Lunge nährt. 53. Wo nicht Luft ist, riecht man nimmer. Welche Weisheit! darum steht Der Geruch da, wo fast immer, Luft im Athem in uns geht. Um die Eigenschaft der Speisen Auch zugleich mit anzuweisen, Naht der Mund der Nase sich, Welches recht verwunderlich. 54. Wenn der Speise Lieblichkeiten Unsre Zung' erst rühren muß, Hat man im Geruch von weiten Schon von Cörpern den Genuß. Schicken in Proventze Kräuter Zwantzig Meilen, ja noch weiter, Ihren Duft-Geruch ins Meer Nicht von ihren Küsten her? 55. Wie sich der Geschmack entdecket Mehr, wenn man die Cörper theilt; Also was in Cörpern stecket, Welches riecht, wird eh' ereilt Und durch den Geruch empfunden, Wenns durch Reiben ist entbunden, Und beweget wird: Den Brauch Mehren Wärm' und Feuer auch. 56. Ein zu heftiges Bewegen, Auch die Kält' und Feuchtigkeit Hindern den Geruch; hingegen Macht der Bluhmen Lieblichkeit Uns, bey aufgeklärten Tagen, Ein weit grösseres Behagen, Als wenns Wetter kalt und feucht. Dann verspürt man sie nicht leicht. 57. Ueber alle diese Kräfte Ist in ihr die gröste Kraft, Und ihr nützlichstes Geschäffte Des Geruches Eigenschaft; Wodurch sie aus allen Dingen Weis den Geist heraus zu bringen, Den, so bald sie ihn vespührt, Sie nach dem Gehirne führt. 58. Massen denn die innern Theile Wunderbarlich zugericht't: Daß nicht in zu schneller Eile Dampf und Luft das Hirn vernicht't; Muß, was ins Gehirn will dringen, Durch ein Sieb vorher sich zwingen, Welches hier an diesem Ort Mit viel Löchern durchgebohrt. 59. Ferner muß die Luft gebrochen Durch ein schwammicht Wesen gehn, Welches denn an diesen Knochen Mit Verwund'rung anzusehn. Hier in diesen kleinen Gängen, Da sich Geist und Luft durchdrengen, Wird die Luft, die hier gebracht, Zum Geruch geschickt gemacht. 60. Welche darauf durch zwo Strassen, Die vom zärt'sten Fleisch formirt, Und sich nimmer sperren lassen, Gantz wird ins Gehirn geführt. Hier nun wirckt die Kraft der Seelen, Abzusondern und zu wählen Das, was sie für schädlich hält, Von dem, was ihr wohl gefällt. 61. Wer kann unbewundert lassen, Da die Nasen-Löcher sind Unten weit, mehr Luft zu fassen, Wie man es bey allen findt, Oben aber schmal und enge, Daß der Duft, durch ein Gedrenge Als durch einen sanften Schlag, Mehr das Nervchen rühren mag? 62. Ferner ist noch zu erwegen, Welche Tugend, welche Kraft Unterschied'ne Cörper hegen, Deren seltne Eigenschaft Stets die Luft, die sie umhüllet, Mit Geruch und Dünsten füllet, Die sie recht, als wenn es raucht, Doch unsichtbar, von sich haucht. 63. Daß nun von verschied'nen Dingen Der Geruch sich nie verzehrt, Sondern allzeit Dünste dringen, Ist wohl recht bewunderns-werth. Sassafraß kann nach viel Jahren Diese Kräfte noch bewahren, Daß, wenn man ihn gleich nicht rührt, Man ihn doch von ferne spührt. 64. Ein Beweisthum lässt sich hören, Warum nicht der Dunst verfleucht, Obs vielleicht durch eig'ne Röhren Stets Luft wieder an sich zeucht, Und durch and're von sich treibet, Weil dieselbe Schwere bleibet. Wenn, wie lang' es immer liegt, Man dasselbe wieder wiegt. 65. Oder, ob auf selbe Weise Dieser strenge Dunst vielleicht Allezeit in einem Kreise Um den eig'nen Cörper fleucht; Oder ob man könn' erzwingen, Daß der Stoff von allen Dingen, Also auch der Specerey, Gantz unendlich theilbar sey. 66. Daß nun manches süß und sauer, Widrig, lieblich, starck und schwach, Flüchtig und von langer Dauer, Kommt, der meisten Meynung nach, Von der Cörperchen Figuren. Denn was rund, lässt andre Spuren In der schwach bewegten Luft, Als ein mehr gespitzter Duft. 67. Alle Wunder zu entdecken, Alle Kräft' und Seltenheit, Die in diesem Sinne stecken, Ist wohl keine Möglichkeit. Wer kann doch die Kraft verstehen, So wir an den Hunden sehen, Die uns durch die Nas' allein Wunderwürdig nützlich seyn? 68. Daß wir riechen, doch mit Massen, Ist ein Wunder. Sollte man Alle Dünste schärfer fassen, Die man ietzt nicht spüren kann; Würden so viel tausend Sachen Uns Verdruß und Eckel machen, Deren Dampf uns ietzt nicht rührt, Weil man gar zu scharf nicht spührt. 69. Welchen Nutzen in dem Leben Bringet der Geruch uns nicht? Will sich eine Brunst erheben; Nutzt er mehr, als das Gesicht. Manche Gluht wär' ausgebrochen, Hätte man sie nicht gerochen, Und bey Zeit dem Feur gewehrt, Das sonst Hab' und Gut verzehrt. 70. So viel Specerey und Bluhmen, Die unzählbar mancherley, Was in Indien, Idumen Wächst und in der Barbarey, Könnte kein Geschöpf gebrauchen, Und müst', ohne Nutz, verrauchen, Wär' die Nase nicht geschickt, Daß sie sich dadurch erquickt. 71. Sprich, verwildertes Gemüthe, Kommt dieß wohl von ungefehr Oder aus der Macht und Güte Eines weisen Wesens her? Sprich: Verdienen solche Wercke Nicht so viel, daß man sie mercke? Wers Geschöpfe nicht betracht't, Schändet seines Schöpfers Macht.