5. Im Schatten dieser Bäume, Auf weichem grünen Gras Herrn Simon's schöne Gattin Mit ihrer Base saß. Sie hielt ihr junges Kindlein Fest an der jungen Brust, Das dunkle Auge blickte Darauf in sel'ger Lust. Und schwarze Locken wallen Um ihren Nacken klar, Es blühen ihre Lippen, Ein thanig Rosenpaar. Wie die der West umfächelt, So übermüth'ger Scherz Sie schalkhaft stets umlächelt, Frisch, wie ihr frisches Herz. Ihr ganzes Wesen funkelt, Ein blitzender Demant – Jolanthe ist der Perle Anmuth'gem Schmuck verwandt. Um ihre weiße Stirne Lockt golden sich das Haar, Es blickt ihr blaues Auge So hell darein und klar. So deutlich gab sein Schimmer Die reinste Seele kund, Wie man jed' Steinchen siehet Tief auf des Sees Grund. Mit fröhlichem Geplauder Betrügen sie die Zeit – Da rauscht es in den Büschen, Herr Corsant ist nicht weit, Er sieht die beiden Frauen – Ein sonnenhelles Bild, Umrahmt von grünen Zweigen, Umkost von Lüften mild. Das ist ein ander Schauen, Als dort auf dem Turnei! War es denn eine Buße, Zu knie'n vor diesen Zwei? Er mag es nicht erwägen In dem erregten Sinn, Schnell tritt er aus dem Schatten, Knie't vor die Mutter hin. Jolanthe springt erschrocken Hin nach des Schlosses Thor, Frau Bertha hebt gelassen Das schöne Haupt empor. Ihr kluges, dunkles Auge Befraget, eh's erschrickt, – So hat ihn oft beim Jagen Ein Rehlein angeblickt. »Gegrüßt seid, edle Dame,« So sprach Herr Corsant nun, »Verzeiht, daß ich Euch störe In Eurem heitern Thun. Allein, ein arg Verschulden Führt mich zu Euch hierher – Daß sie es selbst muß künden, Das fällt der Zunge schwer. Beim festlichen Gelage Am Hofe zu Turin, Da schmähte ich die Ehe In übermüth'gem Sinn. Mit Eurem edlen Gatten Mußt' ich drum kämpfen gehn, Mußt' mich im Staube lassen Vor'm ganzen Hofe sehn. Stark hat er mich besieget, Beseelt durch Eure Huld – Die Damen dort verziehen Mir gnädig dann die Schuld. Sie auch bei Euch zu sühnen, Kreuzt' ich Gebirg und See. O, wollet mir vergeben, Frau Bertha von Blonay. Daß ich verlacht die Ehe, Wie es mir dort geschehn – Nie hätt's mein Mund gewaget, Wenn Euch das Aug' gesehn!« Wie lachte da Frau Bertha, Als ihr ward solches kund, Daß so gesiegt ihr Gatte Für seinen Liebesbund. Wie schlug ihr Herz voll Freude In heil'ger Wonn' und Lust, Wie drückte sie das Knäblein So glücklich an die Brust. Ihm rann es durch die Adern Gleich dunklem Feuerwein, So hat auf ihn geblicket Auch einst sein Mütterlein Vor langen, langen Jahren, In einer goldnen Zeit, Die fast ihm war entschwunden In dunkle Fernen weit. Noch lag er auf den Knieen Und sah zu ihr hinauf, Da hob sie schalkhaft drohend Den weißen Finger auf. »Ihr seid ein schlimmer Ritter,« So fing sie lachend an, »Und Euch ist Recht geschehen, Daß Euch besiegt mein Mann. Doch wär' ich dort gewesen An jener Tafelrund, Noch härt're Strafe hätte Verkündet Euch mein Mund. Seid Ihr ein Frau'nverächter, Soll's Euer Schade sein – Ich hätt' Euch streng geboten Im Leben nie zu frei'n, Im Arme nie zu wiegen Ein Kindlein liebewarm, Zu leben und zu sterben Am reichsten Glücke arm!« Jolanthe, die zurücke Gekehrt war an den Ort, Erröthete und seufzte Bei diesem letzten Wort. Und auch Herrn Corsant fiel es Gar schwer auf's leichte Herz: »So grausam, edle Dame, Seid Ihr wohl nur im Scherz. Ich komme mit den Jahren Auch noch zum Ehestand, Der Väter Schloß und Erbe Soll nicht in fremde Hand. Doch dies noch muß ich melden, Daß schon in kurzer Frist Herr Simon, Euer Gatte, Zu Euch gekehret ist. Ich sollte mit ihm ziehen, Allein voll Ungeduld Kann ich es nicht erwarten, Bis frei ich meiner Schuld. Drum einmal noch um Gnade Fleh' ich im Staub Euch an, Wollt Ihr mir nicht vergeben, Damit ich fürbaß kann?« »Nein, nein, mein edler Ritter, Bleibt hier nur auf der Stell', Solch unerhört Verbrechen Verzeiht man nicht so schnell. Und meines Gatten Bote Darf ungeehrt nicht geh'n; Herr Simon würde schelten, Ließ' solches ich gescheh'n. Zwar kann ich Euch nicht laden Ins Schloß zu süßer Rast, – So lang mein Gatte ferne, Herberg' ich keinen Gast. Allein auf morgen will ich Erbitten aus dem Land Zum Mahl die Herr'n und Frauen, Die unserm Blut verwandt. So lang will ich's bedenken, Ob man Euch kann verzeih'n; Herr Ritter Felsenherze, Ich lad' Euch höflichst ein!« Herr Corsant sprang vom Boden, Der Scherz war ihm schon recht: »Ihr macht, wohledle Dame, Vom Ritter mich zum Knecht. Ich muß Euch wohl gehorchen, Wie Ihr auch schnöde sprecht; Die Damen an dem Hofe Sind kein so spröd' Geschlecht. Ihr lehret mich auf's neue, Daß gegen Frauenlist Und gegen Frauenwille Nicht aufzukommen ist. Zur Stund' wollt' ich noch kehren Zum Hofe von Turin, Nun muß ich freilich harren, Bis Ihr mir habt verziehn!« Dann neiget er sich grüßend, Sein Auge aufwärts blitzt – Gar lieblich stand Jolanthe, Auf Bertha halb gestützt. Mit eilig raschem Schritte Er dann zum Geh'n sich dreht, Noch einmal rückwärts schauend, Eh' er dem Blick entgeht. Und als er nun in Vevay Sich endlich ruhte aus, Da zogen holde Träume Ihm durch die Sinne kraus. Es schwamm ihm vor den Blicken So wundersam und blau; Sind es die Zauberwellen? Sind's Augen einer Frau? – Frau Bertha aber denket: »Herr Ritter lieb und gut, Du sollst mir schon entgelten Noch deinen Uebermuth!«