»Es trat Alltäglichkeit« Es trat Alltäglichkeit Zur Poesie: »Gib mir dein buntes Kleid!« Sprach herrisch sie, »Gib aus den Locken mir Den gold'nen Kranz, Nur die poet'sche Zier Verleiht dir Glanz.« Die Gute, mild und zart, In ihre Hand Gab mit der holden Art Kranz und Gewand; Die Andre hüllt sich d'rein Mit eck'ger Hast – Wie Blei zum Edelstein Es für sie paßt. Dann sprach noch weiter sie: »Nimm du den Pflug! Ich hatte Plag' und Müh' Jetzt lang' genug; Reich mir die Leier her, Arbeite du – Zu singen ist nicht schwer In guter Ruh!« Sie rührt die Saiten an Mit rauher Hand, Gefild und Waldesplan Erstarrend stand, Der Vogel fliegt erschreckt Vom Ast empor, Der Hirtenbube deckt Sein lauschend Ohr. Doch sieh', die Himmelsmaid Voll Majestät, Mit Blicken strahlend weit, Jetzt vor ihr steht, Sie spricht: »Alltäglichkeit, Erkenne dich! Dich macht nicht Kranz noch Kleid Zu dem, was ich. Dein Thun veracht' ich nie, Es braucht die Welt Uns beide; bleib' wo sie Dich hingestellt! Du denkst im Müßiggang Ging' träg' ich her – Mein Weg ist schwer und lang, Wie keiner mehr. Ich baue früh und spat Des Geistes Feld, Der Zukunft gold'ne Saat Mein Fleiß bestellt. Und, wenn ich träumend geh', Ein Schattenbild, Für tausendfaches Weh Mir Trost entquillt. Und meiner Seele Leid Das ahnst du nie, Weil du Alltäglichkeit, Ich Poesie!« Dann hob ihr Flügelpaar Sie leise auf, Wo ihre Heimath war, Schwebt sie hinauf.