Elegie Als Molly sich losreißen wollte Darf ich noch ein Wörtchen lallen? – Darf vor deinem Angesicht Eine Thräne mir entfallen? – Ach, sie dürfte freilich nicht! Ihren Ausbruch abzuwehren, Brächte mehr für dich Gewinst, Um den Kampf nicht zu erschweren, Den du gegen mich beginnst. Und, o Gott! darf ich ihn tadeln? Sollte nicht mein schönstes Lied Mehr den edlen Kampf noch adeln, Ob er gleich ins Grab mich zieht? – Ja, das find' ich recht und billig! Noch ist mein Gewissen wach, Und mein beßres Selbst ist willig; Aber seine Kraft ist schwach. Denn wie soll, wie kann ichs zähmen, Dieses hochempörte Herz? Wie den letzten Trost ihm nehmen, Auszuschreien seinen Schmerz? Schreien, aus muß ich ihn schreien! Herr, mein Gott, du wirst es mir, Du auch, Molly, wirst verzeihen! Denn zu schrecklich tobt er hier. Ha, er tobet mit der Hölle, Mit der ganzen Hölle Wut! Höchste Glut ist seine Quelle, Und sein Ausstrom höchste Glut! Gott und Gottes Kreaturen Ruf' ich laut zu Zeugen an: Ob's von irdischen Naturen Eine stumm verschmerzen kann! – Rosicht, wie die Morgenstunde, Freundlich, wie ein Paradies, Wort und Kuß auf ihrem Munde – O kein Nektar ist so süß! – War ein Mädchen mir gewogen – – – Wie? Gewogen nur? – Fürwahr, Ihre tausend Schwüre logen, Wenn ich nicht ihr Abgott war. Und sie sollte lügen können? Lügen nur ein einzig Wort? Nein! In Flammen will ich brennen, Zeitlich hier und ewig dort; Der Verdammnis ganz zum Raube Will ich sein, wofern ich nicht An das kleinste Wörtchen glaube, Welches dieser Engel spricht. Und ein Engel sonder gleichen, Wenn die Erde Engel hat, Ist sie! Weichen muß ihr, weichen, Was hier Gott erschaffen hat! – O ich weiß wohl, was ich sage! Deutlich, wie mir See und Land Hoch um Mittag liegt zu Tage, So wird das von mir erkannt. Rümpften Tausend auch die Nasen: »Deine Sinne täuschen dich! Große Liebe macht dich rasen! –« O ihr Tausend seid nicht Ich! Ich, ich weiß es, was ich sage! Denn ich weiß es, was sie ist, Was sie wiegt auf rechter Wage, Was nach rechtem Maß sie mißt. Andre mögen Andre loben, Und zu Engeln sie erhöhn! Mir, von unten auf bis oben, Dünkt, wie Sie, nicht Eine schön. Wie von außen, so von innen, Dünkt auch nüchtern meinem Sinn, Sie der höchsten Königinnen Aller Anmut Königin. Bettelarm ist, sie zu schildern, Aller Sprachen Überfluß. Zwischen tausend schönen Bildern Wühlt umsonst mein Genius. Spräch' ich auch mit Engelzungen Und in Himmelsmelodie, Dennoch, dennoch unbesungen, Wie sie wert ist, bliebe sie. – Eine solche ist es! Eine, Die kein Name nennen kann! Die zu vollem Herzvereine Mich so innig liebgewann, Daß ihr seligster Gedanke, Den sie dachte, wie den Stab Rund herum des Weinstocks Ranke, Tag und Nacht nur mich umgab. Welch ein Sehnen, welch ein Schmachten, Wann sie mich nicht sah und fand! Welch ein wonniges Betrachten, Wo ich ging und saß und stand! Welch ein Säuseln, welch ein Wehen, Wann sie kosend mich umfing, Und mit süßem Liebeflehen Brünstig mir am Halse hing! – Alles, alles das, wie selig, O wie selig fühlt' ich das! Fühlt' es so, daß ich allmählich Alles außer ihr vergaß; Und nun ward in ihr zu leben, Mir so innig zur Natur, Wie, in Licht und Luft zu weben, Jeder Erden-Kreatur. Stolz konnt' ich vor Zeiten wähnen, Hoch sei ich mit Kraft erfüllt, Auch das Geistigste, mit Tönen Zu verwandeln in ein Bild. Doch lebendig darzustellen Das, was sie und ich gefühlt, Fühl' ich jetzt mich, wie zum schnellen Reigen sich der Lahme fühlt. Es ist Geist, so rasch beflügelt, Wie der Spezereien Geist, Der hermetisch, auch versiegelt, Sich aus seinem Kerker reißt. Welche Macht kann ihn bezähmen? Welche Macht durch Ton und Wort Fesseln und gefangen nehmen? – Leicht, wie Äther, schlüpft er fort – Nun – o wär' ich nie geboren, Oder schwänd' in nichts dahin! – Was sie war, ist mir verloren, Da, was ich ihr war, noch bin. Sie wähnt sich's von Gott geheißen, Trotz Verblutung oder Schmerz, Von dem meinigen zu reißen Ihr ihm einverwachs'nes Herz. Rasch, mit Ernst und Kraft zu ringen, Hat sie nun sich aufgerafft, Und den Heldenkampf vollbringen Will ihr Ernst und ihre Kraft. Wird sie in dem Kampf' erliegen? Wird sie, oder wird sie nicht? »Sterben, rief sie, oder siegen Heißen Tugend mich und Pflicht.« Ach, ich weiß Dem keinen Tadel, Ob es gleich mich nieder würgt, Was so rühmlich für den Adel Ihrer schönen Seele bürgt! Denn, o Gott, in Christenlanden, Auf der Erde weit und breit, Ist ja kein Altar vorhanden, Welcher unsre Liebe weiht. Tief in Kerkers Nacht, belastet, Die von Ketten, zentnerschwer, Stöhnt mein Geist nun, tappt und tastet Ohne Rat und That umher. Nirgends ist ein Spalt nur offen Für der Hoffnung Labeschein; Und auch Wünschen oder Hoffen Scheint Verbrechen gar zu sein. Ich erstarre, ich verstumme, In Verzweiflung tief versenkt, Wann mein Herz die Leidensumme Dieser Liebe überdenkt. Nichts, ach nichts weiß ich zu sagen, Im Bewußtsein dieser Schuld, Nichts zu murren, nichts zu klagen: Dennoch mangelt mir Geduld! Wie wird mir so herzlich bange, Wie so heiß und wieder kalt, Wann in diesem Sturm' und Drange Keuchend meine Seele wallt! Ach! das Ende macht mich zittern, Wie den Schiffer in der Nacht Der Tumult von Ungewittern Vor dem Abgrund' zittern macht. Herr, mein Gott, wie soll es werden? Herr, mein Gott, erleuchte mich! Ist wohl irgend wo auf Erden Rettung noch und Heil für mich? Heil auch dann, wann ich erfahre, Daß sie ganz von mir befreit, Einem Andern am Altare Sich mit Leib und Seele weiht? Werd' ich, o mein Gott und Rächer, Ohne in den Höllenweh'n Der Verzweiflung zum Verbrecher Mich zu wüten, werd' ich's sehn: Wie der Mann bei Kerzen-Scheine Sie zum Brautgemache winkt, Und in meinem Freudenweine Sich zum frohsten Gotte trinkt? – Freilich, freilich fühlt, was billig Und gerecht ist, noch mein Sinn, Und das beßre Selbst ist willig: Doch des Herzens Kraft ist hin! Weh mir! Alle Eingeweide Preßt der bängsten Ahndung Krampf? O ich armer Mann, wie meide Ich den fürchterlichsten Kampf? – Bist du nun verloren? Rettet Keine Macht dich mehr für mich? Molly, meine Molly, kettet Mich kein Segensspruch an dich? O so sprich, zu welchem Ziele Schleudert mich ein solcher Sturm? Dient denn Gott ein Mensch zum Spiele, Wie des Buben Hand der Wurm? – Nimmermehr! Dies nur zu wähnen Wäre Hochverrat an ihm. Rühre denn dich meiner Thränen, Meines Jammers Ungestüm! O es keimt, wie lang' es währe, Doch vielleicht uns noch Gewinst, Wenn ich dir den Kampf erschwere, Den du gegen mich beginnst. War denn diese Flammenliebe Freier Willkür heimgestellt? Nein! den Samen solcher Triebe Streut Natur ins Herzensfeld. Unaustilgbar keimen diese, Sprossen dicht von selbst empor, Wie im Thal und auf der Wiese Kraut und Blume, Gras und Rohr. Sinnig sitz' ich oft und frage, Und erwäg' es herzlich treu Auf des besten Wissens Wage: Ob »Uns lieben« Sünde sei? Dann erkenn' ich zwar und finde Krankheit, schwer und unheilbar; Aber Sünde, Liebchen, Sünde Fand ich nie, daß Krankheit war. O ich möchte selbst genesen! Doch durch welche Arznei? Oft gedacht und oft gelesen Hab' ich viel und mancherlei; Ärzte, Priester, Weis' und Thoren Hab' ich oft um Rat gefragt: Doch mein Forschen war verloren; Keiner hat's mir angesagt. O so laß es denn gewähren, Da Genesung nicht gelingt! Laß uns lieber Krankheit nähren, Eh' uns gar daß Grab verschlingt! – Suche nicht den Strom zu hemmen, Der so lang' sein Bett nur füllt, Bis er zornig vor den Dämmen Zum Vertilgungsmeer entschwillt. Freier Strom sei meine Liebe, Wo ich freier Schiffer bin! Harmlos wallen seine Triebe Wog' an Woge dann dahin. Laß in seiner Kraft ihn brausen! Wenn kein Damm ihn unterbricht, Müsse dir davor nicht grausen! Denn verheeren wird er nicht. Auf des Stromes Höhe pranget Eine Insel, anmutsvoll, Wo der Schiffer hin verlanget, Aber ach! nicht landen soll. Auf der schönen Insel thronet Seines Herzens Königin. Bei der süßen Holdin wohnet Dennoch immerdar sein Sinn. Hänget gleich sein Schiff an Banden Strenger Pflichten, die er ehrt; Wird ihm gleich dort anzulanden, Molly, selbst von dir verwehrt: O so laß' ihn nur umfahren, Seines Paradieses Rand, Und es seine Obhut wahren Gegen fremde Räuber-Hand. Selbst, o Holdin, – kannst es glauben Was dir Mund und Herz verspricht! – Selbst das Paradies berauben Und verheeren wird er nicht. Keine Beere wird er pflücken, Wie so lockend sie auch glüht, Nicht ein Blümchen nur zerknicken, Das in diesem Eden blüht. Hinschaun soll ihn nur ergötzen, Wann sein Schiff herum sich dreht, Nur der süße Duft ihn letzen, Den der West vom Ufer weht. Aber ganz von hinnen scheiden, Fern von deinem Angesicht Und der Heimat seiner Freuden, Heiß', o Königin, ihn nicht.