Celander (Johann Georg Gressel) Celanders Verliebte- Galante / Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte [Auswahl] Liebes-Brief an seine Maitresse. Ich schreibe / schönstes Kind / von Fleisch und Blut getrieben / Vergib / wo dieser Brief zu frey gerahten ist! Es heisset die Natur uns alle beyde lieben / Ich weis / daß du mit mir von gleicher Regung bist. Du darffst darüber dir gar kein Gewissen nehmen / Was bildest du dir mehr als ander Menschen ein? Weswegen wilt du dich vor deinem Schatten schämen? Wie lange wilt du selbst auf dich tyrannisch seyn? Du weist es Grausahmste / daß ich als Sclave lebe / und gleichwol legst du mir erst schwere Ketten an / Was soll die Jungfrauschafft / das leichte Spinn-Gewebe / Das Ding / das jeder sucht / und niemand finden kan? Laß deine Rosen bald im ersten Frühling pflücken / Gedencke / daß sie nicht auf kaltem Eise blühn / Die Liebe wil sich nicht zum spähten Alter schicken / Es pflegt ihr nackend Kind im Winter weg zu ziehn. Das Closter glaub es mir hat allzustrenge Lehren / Dis ist kein Leben nicht / das mich und dich vergnügt / Die Schönheit wird veracht / die keiner darf verehren / Sie ist ein Götzen Bild / das in den Winckeln liegt. Weswegen zeigst du mir die rundgewölbten Brüste? Sie laden meinen Mund / und meine Finger ein / Warum erhitzt du mich / und reitzest meine Lüste? Wer kan ein Tantalus bey solchen Aepffeln seyn? Wie offt betracht ich nicht die wunder schönen Gaben / Und dencke bey mir selbst / dis siehet alle Welt / Was muß nicht dieses Kind vor andre Sachen haben / Die sie nicht zeigen will / und mir verborgen hält? Du wirst dis Heiligthum doch ewig nicht verstecken / Sonst geht die Süßigkeit mit deiner Jugend hin / Und bist du es gesinnt vor einem auffzudecken / So glaub ich / daß ich hier der allernächste bin. Du darffst die Jungferschafft nicht mit zu Grabe tragen / Ihr seyd von unserm Fleisch / und unserm Bein gemacht / Doch solt es deine Schaam bey Tage mir versagen / So gönne mir die Lust bey Schatten reicher Nacht. Ich will mein Paradieß auch nicht im finstern fehlen / Der angenehme Weg ist mir nicht unbekannt / Indessen solt ich nicht die rechte Strasse wählen / So sey du Führerin / ich folge deiner Hand.