Die Jungfrau von Stubbenkammer Volkssage Ich trank in schnellen Zügen Das Leben und den Tod Beim Königsstuhl auf Rügen Am Strand im Morgenrot. Ich kam am frühen Tage Nachsinnend einsam her, Und lauscht dem Wellenschlage, Und schaute übers Meer. Wie schweifend aus der Weite Mein Blick sich wieder neigt, Da hat sich mir zur Seite Ein Feenweib gezeigt. An Schönheit sondergleichen, Wie nimmer Augen sahn, Mit goldner Kron und reichen Gewändern angetan. Sie kniet' auf Felsensteinen, Umbrandet von der Flut, Und wusch, mit vielem Weinen, Ein Tuch befleckt mit Blut. Umsonst war ihr Beginnen, Sie wusch und wusch mit Fleiß, Der böse Fleck im Linnen Erschien doch nimmer weiß. Da sah sie unter Tränen Mich an, und bittend fast; Da hat ein heißes Sehnen Mich namenlos erfaßt. »Gegrüßet mir, du blendend, Du wundersames Bild! – –« Sie aber, ab sich wendend, Sprach schluchzend aber mild: »Ich weine trüb und trüber Die Augen mir und blind; Gar viele ziehn vorüber, Und nicht ein Sonntagskind. Nach langem, bangem Hoffen Erreichst auch du den Ort – O hättest du getroffen Zum Gruß das rechte Wort! Hättst du Gott helf! gesprochen, Ich war erlöst und dein, Die Hoffnung ist gebrochen, Es muß geschieden sein!« – Da stand sie auf zu gehen, Das Tuch in ihrer Hand, Und, wo die Pfeiler stehen, Versank sie und verschwand. Ich trank in schnellen Zügen Das Leben und den Tod Beim Königsstuhl auf Rügen Am Strand im Morgenrot.