Aus der Vendée 1 Im Jahre 1832 Wer stört der stillen Gegend Widerhall? Ich sehe durchs Gebüsch die Rosse nicht, Ich höre nur der flücht'gen Hufe Schall. Dort windet eine Schlucht sich an das Licht; Ich seh daraus den rüst'gen Führer steigen; Ein Landmann, der die Bahn durchs Dickicht bricht. Wer wird in dem Geleite doch sich zeigen? Ein Weib allein, – sie ist's! schau nicht ihr nach, Du hast sie nicht gesehn, du weißt zu schweigen. Und wie der Tag den Flüchtlingen gebrach, Sein letzter Schein im Westen sich verlor, Da sahn sie im Gebüsch ein einsam Dach. Und sie: »Halt an! und klopf an dieses Tor, Ich bin erschöpft, ich will zur Nacht hier rasten.« Darauf der Landmann: »Sei uns Gott davor! Die Höhle da gehöret dem Verhaßten, Der dein Verderben spinnt mit Rat und Tat; Das Roß gespornt! wir müssen fürder hasten.« Sie aber schwang vom Pferde sich und trat Ans Tor und klopfte: bald erschien ein Licht, Der Hausherr forschte selber, wer genaht. Und sie zu ihm: »Ich bin's, erschrecke nicht, Ich bin's, die Schirm und Schutz von dir begehrt Und Obdach hier zu finden sich verspricht.« – »Entfleuch, Unselige! denn meinen Herd Umlagern, die dich suchen.« – »Mir den Arm! Dein Ruf mir volle Sicherheit gewährt.« Sie tritt mit ihm ins Haus; es teilt der Schwarm Sich der Bewaffneten, mit Ehrfurcht weichen Zur Seite der Gardist und der Gensd'arm. Und wie das innre Zimmer sie erreichen, Wo seine Töchter saßen am Klavier, Sieht, angestaunt von ihm, sie ihn erbleichen. Und sie beginnt: »Das wundert dich von mir? Verdopple seine Wachten doch in steter Befürchtung, den nun drückt der Krone Zier! Geächtet, ehrt der Landmann mich und Städter; Ich schweife sicher durch das Königreich Und find in Frankreich nirgends den Verräter.« Drauf er entrüstet: »Und bewundr ich gleich, Ich selbst bin Vater, deinen Heldenmut, Macht doch das Mitleid nicht das Herz mir weich. Dich mahn ich an den Fluch, der auf euch ruht; Es hat euch Frankreich zürnend ausgespieen, Das du mit Schmach bedecken willst und Blut. Der eurem Rechte seine Kraft verliehen, Der Fremde wird, zum dritten Male schon, Von deinem Frevel laut herbeigeschrieen; Durch Blut und Schande willst du deinem Sohn Den düstern, unheilvollen Weg von neuen Eröffnen zu dem angestammten Thron. Am Blute mag der Löwe sich erfreuen! Doch Schande, hörst du? Schande...! – Hör mich an: Hier schärfst du nur das Beil für deine Treuen; Dir ebnet sich zur Flucht der Ozean; Verzichtend laß die schnöde Selbstsucht fahren Und nimmer mich bereun, was ich getan.« Und sie mit Wehmut, ihre Augen waren Von Tränen feucht: »Was Selbstsucht und was Schande?! Und soll ich solche Kränkung noch erfahren! Dein blinder Eifer lodert auf zum Brande, Du brichst den Stab, erkenne mich erst recht: Ich opfre ja mich selbst dem Vaterlande. Was gelt ich hier, was gilt hier mein Geschlecht? Es gilt bei meinem blut'gen Unterwinden Allein das göttliche, das ew'ge Recht. Im Recht ist Heil für Frankreich nur zu finden; Auf Schmach gerichtet, meinst du, sei mein Streben; Was zögerst du? hier bin ich, laß mich binden. Mißachtet mag ich Dulderin nicht leben; Laß mich ein Opfer deines Wahnes sein, Du meinst es gut, ich habe dir vergeben.« Die Tür sprang auf, Gensd'armen traten ein: »Wir sitzen auf, es ist zu reiten Zeit; Gibt's heute Neues zu berichten?« – »Nein!« – »Nicht Nachricht von der Fliehenden?« – »Verzeiht! Laßt mich allein mit meiner Sorgen Last, Und ehrt die Schatten meiner Häuslichkeit.« Wie sie hinausgegangen, sprach gefaßt Zu seinen Töchtern er mit leisem Munde: »Ihr sorgt mit Ehrfurcht für den hohen Gast. Wohl quoll der Zorn, wie Blut aus tiefer Wunde, Aus meinem Herzen, euch geziemt das nicht; Mit stiller Andacht feiert diese Stunde Und überlaßt dem Höchsten das Gericht.«