Der Tod Napoleons Vergin di servo encomio E di codardo oltraggio. A. Manzoni Napoleon. Montholon. Antomarchi, der Arzt. Europa, Geschichte und Poesie, Erscheinungen. Stumme Umgebung: Bertrand, seine Frau und vier Kinder; der Abt Vignali; Marchand und sechs Bedienten. Zwei englische Offiziere. Longwood am 5. Mai 1821. Napoleon auf dem Sterbebette, Montholon, Antomarchi. Des Fiebers Glut hat ausgetobt, er scheint zu ruhn. Mein Heer! Er träumt – Dem Adler folgt und mir; hinan! Von Schlachten, lenkt im Geiste noch die Völker. Sieg! O scharfer Mißlaut dieses Wortes hier und jetzt! Wer bin ich? Herr und Kaiser Wo? Du bist, o Herr, Inmitten deiner Treuen. Wo? Ein Felsensitz... Sankt Helena?! Du sprachst es aus. Die Zeit ist um. Abtrünnig werd ich selber mir, so wie die Welt. – Die mein annoch sich nennen, ruft herbei; ich will Abrechnen mit dem Leben. Tretet alle her! Gefolge. Die Kinder knieen am Bette. Daß ich geliebt bin worden, legt ihr Zeugnis ab. Habt Dank. Ich aber scheide hin. Bald haben sie, Mit deren Kronen ich gespielt, den Haß gekühlt. Sie ließen uns nur unsrer Taten Ruhm zurück. Ihr werdet bald, aus selbsterkorner Haft erlöst, Mein stolz durch mich gewesnes Frankreich wiedersehn, Und trauern an dem vielgeliebten Seinestrand. O grüßt mein Frankreich, grüßet mir mein heimisch Land! Wär Frankreich dieser nackte, sturmgeschlagne Fels, Ich wollt ihn lieben. Frankreich finden wir, o Herr, Nur immerdar, wo dein geweihtes Haupt verweilt. Nicht also, nein – mein Frankreich grüßt und ... meinen Sohn. Entfernet euch; nicht sollet ihr mich weinen sehn, – Grüßt meinen Sohn, den grausam mir entfremdeten; – Mein Sohn, mein Sohn! Gehorcht dem Kaiser, tretet ab! Napoleon ist mit verhülltem Antlitz zurückgesunken. Alle heften fragend die Augen auf Antomarchi, der unverwandt den Kranken betrachtet. Sie entfernen sich zögernd. Antomarchi allein bei Napoleon. Lange Pause. Er wirft sich in einen Sessel im Vordergrunde und verhüllt sein Antlitz. Lösch aus, du Stern der Herrlichkeit! Es erscheinen Europa, Geschichte und Poesie. Napoleon streckt die Arme nach ihnen aus. Napoleon! Weltherrscher einst, in Fesseln nun Verschmachtender; Zurück von dir nicht fordernd das vergoßne Blut, Das teure meiner Kinder; nein, den hohen Preis, Um welchen fließen es gesollt, erschein ich dir. Es rangen zwei Weltalter um die Herrschaft; du Stiegst auf, du Schicksalsmächtiger, da ward es still; Nicht Friede; schweigsam lagen sie zu Füßen dir; Du Franklin nicht, nicht Washington, du hast gebaut Vergänglich für die trunkne Lust des Augenblicks. Du sankst, du stirbst – ich frage bang: wem beug ich nun Den jochgewohnten Nacken? Weh! Mein Sohn, mein Sohn! O hättest Freiheit du geschafft nach deiner Macht, Noch ständen aufrecht deine Bilder, unentweiht Von Händen, die zu heben unvermögend sind Das dir entsunkne, dein gewicht'ges Herrscherschwert. Standbilder eines Mannes stürzen Knaben um, Umsonst bemüht, zu tilgen meines Griffes Spur Zukünft'gem Alter, schwerem Urteil aufbewahrt. Zu schmähn, zu schmeicheln haben Knechte nur vermocht; Jungfräulich deines Namens ist annoch mein Mund, Hinfort geweiht zu ewigem Gesang, mein Held! Ihr Griffel, ihre Lyra, meine Tränen, die Der eignen Schmach ich weine; rückgewendet dies Hienieden. – Jenseits ...? Kaiser auf! der Schleier reißt! Napoleon stirbt, die Erscheinungen verschwinden. Bei dem Ausatmen Napoleons erhebt sich Antomarchi schnell und tritt zu dem Toten, den er lange betrachtet, er geht sodann nach der Tür. – Montholon und das Gefolge kommen ihm entgegen. Der Kaiser? Weint! Das war er! Länger zügelt nicht Die bleiche Furcht, von diesem Kerker aus, die Welt. Verbeugt vor dem euch, der ihn schlug; – zerstreuet euch Das Liebesopfer eures Lebens ist erfüllt! Montholon hat den Kaiser-Mantel über die Leiche ausgebreitet, der Abt ein Kruzifix darauf gelegt; alle weinen. Zwei englische Offiziere dringen ein. Der Vorhang fällt.