Ein Kölner Meister zu Ende des XIV. Jahrhunderts (Nach Ghiberti) Du hast, Ghiberti, scharf und streng und richtig Beurteilt meine Kunst und mich gelobt, Das Lob aus deinem Munde klang gewichtig. Ich habe dir, den ich als Freund erprobt, Von meines Meisters Kunst zu Köln am Rheine Den höchsten, seltensten Genuß gelobt. Blick her! du glühest, wie vom jungen Weine, Worauf dein Auge fällt, ein Meisterstück! Du jauchzest, und du siehest, daß ich weine. Entschwundne Tage ruft mir dies zurück, Und auch den Tag, wo ich ihn trug zu Grabe, Der lehrend mich und liebend war mein Glück. Auf diesem Bruchstück hier, der heitre Knabe, Der von der Stirne sich die Locken streicht, Der bin ich, wie ich erst gedient ihm habe. Er hat mir treu die Führerhand gereicht, Ich wurde stark in seinem milden Strahle, Nun hat der Winter mir das Haar gebleicht. Die griech'schen Meister sind dir Ideale, Sei selbst du zwischen ihm und ihnen Richter, Auf welche Seite neiget sich die Schale? Sieh, wie er hochgelehrt und doch mit schlichter Natürlichkeit das Nackte hier gestaltet, Und hier die hohe Schönheit der Gesichter. Die Kunst bewundre, die er hier entfaltet, Die Zierlichkeit der Arbeit, die Vollendung, – Und dieser Riß – da hat wohl Gott gewaltet. Das Werk bestimmte seines Schicksals Wendung, Es sollt ihn zu des Ruhmes Gipfel tragen, Und ward das Werkzeug einer höhern Sendung. Ich muß vom frommen Meister mehr dir sagen; Wie lieblich er in seiner Kunst erscheint, War selbst er liebenswert in seinen Tagen. Anjou, der mit der Kunst es gut gemeint, Hat ihn geehret vor den Meistern allen, Die huldreich er an seinem Hof vereint. Für Anjou hat der Meister den Metallen Das Siegel seines Geistes eingedrückt, Und Kirchen ihm verziert, Altar und Hallen; Auch seinen Schenktisch hat er ihm geschmückt, Geschmiedet ihm Pokale, Krüge, Schilde, Die jedes Kunsterfahrnen Blick entzückt. Da wollte denn der Fürst in seiner Milde, Daß noch aus lauterm Golde, sonder Gleichen, Sein Meisterwerk er, eine Tafel, bilde; Versehen sollt er die mit seinem Zeichen, Auf daß die Nachwelt seinen Ruhm erfahre Und staunend ihm den Lorbeer möge reichen. Hier liegt der Riß dir vor, den ich bewahre, Am Werke selbst hat meines Meisters Hand Gehammert und gefeilt drei volle Jahre. Und wie er fertig war, wie er's gesandt Dem guten Fürsten, welcher es bestellt, Da hatte sich das Glück von dem gewandt. Die Feindschaft weißt du, die sich eingestellt, Verderblich zwischen ihm und Lanzelote, Und aufgereget eine halbe Welt. Da kam zum Meister ein betrübter Bote: Einschmelzen hatt' er jene Tafel lassen, Weil ihm kein Gold, kein schnödes, zu Gebote. Da sahn den guten Meister wir erblassen, Erschrocken schweigen eine lange Zeit Und krampfhaft nach dem wunden Herzen fassen. Dann, niederkniend in Unterwürfigkeit, Sprach er und hob die Arme himmelwärts: »Auch das war eitel! eitel Eitelkeit! Am ird'schen Abglanz hing mein töricht Herz, An dem vergänglichen des ew'gen Lichtes, Nun faßt um Eitles mich ein eitler Schmerz! O Herr! was falsch und eitel war, vernicht es In meinem Busen; dienen dir und büßen, Das will ich bis zum Tage des Gerichtes.« So stand er auf und sah uns an mit süßen Wehmüt'gen Blicken, schritt sodann hinaus, Rückschauend nur, noch einmal uns zu grüßen. Und in die Berge, in der Wildnis Graus Trug weltverlassend ihn sein Fuß, zu bauen Einsiedlerisch Kapell und niedres Haus. Da mocht er Unvergänglichem vertrauen Und suchen, klaren Auges, reines Licht, Vermeidend in das Nebeltal zu schauen. Wie fromm er war, ein Frömmler war er nicht; Oft suchten wir ihn auf, er sah uns gerne, Und gab uns lächelnd Rat und Unterricht. Er liebte noch die Künste, wie die Sterne, Und seine lieben Schüler und Genossen; Er hielt sein Herz nur von dem Schlechten ferne. Einst fanden wir wie schlummernd hingegossen Am Kreuz ihn, wo zu beten er gepflegt; Sein altermüdes Auge war geschlossen. Wir weinten, als wir ihn zur Ruh gelegt.