Dorfbilder »Merkwürdige Gemälde, welche das Auge für den Gedanken entdeckt. Ch. Nodier. Kirmes Der Brummbaß murrt und die Geige schreit, Und die Trompete spektakelt! Juchheisa! lustige Kirmeszeit! ... Da kommt der Pfarrer gewackelt. Juchheisa! seiner Dirn' einen Kuß Der Bursche giebt mühvergessen, Sie tanzen! ... »Wie ist der Lebensgenuß Dem Volk mit Scheffeln gemessen!« So brummt der Pfarrer und blinzelt hin Und grollt der Lust, der schlichten, Und quält sich ab mit lüsternem Sinn, Die Sünde hineinzudichten. Der Arzt Zwei Schläger, Trinkhorn und Cerevis Schmücken die hellen Wänd' In voller Wichs noch überdies Hängt mitten ein Corpsstudent. Es gleicht das flotte Conterfei Nimmer dem Original, Die Nase theilt ein Schmiß entzwei, Der schöne Kopf ist jetzt kahl. Und eben klagt ihm ein Bauer breit: »Hoh-le ... Zäh-n-e!! ... Theures Bier!« Er summt: »Oh Burschenherrlichkeit, Was wurde aus Dir und mir!' Ein Balg 1 Die alte Frau hat ein hartes Gesicht, Doch kluge sanfte Augen, Die wenig mehr beim Pfenniglicht Und nicht zum Weinen taugen. Sie war ein Balg ... Als Findelkind Verlaßner als die Armen, Bat weder Herren noch Gesind Um Futter und Erbarmen. Sie griff fest zu und schaffte stramm Wie ehrbar-ernste Leute, Daß nie sie Unverdientes nahm Erfreut das Weib noch heute. Sie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz Erdarbte Thalerscheine: »Die sind mein unverbranntes Holz, Meine ungetrunknen Weine ... Die sind mein ungegessenes Brod, Auf jedem steht geschrieben: Ein Alter ohne Schand' und Noth ... Und was mir Gott schuldig geblieben.« Fußnoten 1 Ein Findling. Der Schulmeister Der spindeldürre blasse Cumpan Voll wohlgefügter Reden Schaut prüfend sorgsam die Menschen an, Als examinirte er Jeden. Die Augen sind klein, das Stimmchen fein, Gezirkelt alle Geberden, Man sagt, er sprach vor Jahren Latein Und wollte auch Dichter werden. Jetzt hat er oft Hunger ... immer Durst ... Und dichtet nur epigrammatisch, Verwerthet für Wein als Wirthshaus-Hanswurst Auch sein Talent dramatisch. Eine Heimgekehrte Ein gelbes Kleid! und Edelsteine! Ei, die ist spaßhaft hergeputzt! Doch Augen hat sie wie nur Eine, Hübsch wenn sie lacht, hübsch wenn sie trutzt. Von Federn strotzt ihr Hut ihr feiner, Lorgnon und Fächer trägt sie gar, Kein Handschuh macht die Hände kleiner Der Kuhmagd, die sie früher war. Auch lustig ist das Ding geblieben, So kindisch-eitel, schwatzhaft-froh, Trotzdem es sich herumgetrieben Gedankenlos und herzensroh Doch Eines hat sie gut begriffen Und es den Städtern nachgethan: Sie fing mit dummen Weiberkniffen Sich einen klugen, reichen Mann. Mondnacht Das grüne Thal träumt stumm im Mondenlicht Und feierlich die Bäume niederschauen; Der Nachtwind selbst regt seine Flügel nicht, Lautlos im Wiesengrund die Nebel brauen. So schlafumfangen liegt jedwedes Haus, Nur eins gießt Lampenschein durch alle Scheiben; Lang tönte heller Zitherklang heraus, Und frisches Lachen, frohes Zechertreiben. Doch plötzlich schwieg es ... und wehmüthig-sacht – Weil Freunde sich zum letztenmal umfassen – Verklingt das Volkslied in der Herbstesnacht: »Hab' treu geliebt Dich über alle Maßen.«