Klage des Jünglings Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Wo seid ihr hingegangen, Die ihr in prangenden Reizen Die Welt mir verkündigt In meines Lebens erster Morgenfrühe? Wo seid ihr hingegangen, Die ihr zärtlich bestauntet Jedwede Kreatur, Flut und Kristall, Und voll Inbrunst Wunder um Wunder schautet? Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Sehet! Ich sehne mich euch nach, Ein Jüngling, ein Mann, Dem die Welt sich nun malt In nackten, nüchternen Farben! Sehet! Ich sehne mich euch nach, Ich weine euch nach – Dem keuschen Blick Meiner ersten Jugend – Als zum ersten Male Ich um mich blickte Und der Bilder Fülle Mich trunken machte – Unsägliche Sehnsucht In mir weckte – Doch stilles Genügen Zugleich mich besaß! Sehet! Ich sehne mich euch nach, Verlorene Augen der Unschuld, Nun ich ein anderer ward Und anders die Welt Sich mir verkündigt. Es fiel In der hingleitenden Zeiten Spiel Binde und Hülle – Und über mich strömte sich aus Die Fülle Der Wirklichkeiten, der märchenlosen – Es verdorrten Meiner frommen Neugier – Meiner keuschen Sehnsucht Köstliche Jugendrosen! Satt bin ich – Und mein ungewirktes Auge Träufelt in die zusammenschauernde Seele Nur Tropfen des Ekels ... Weltgierig ward ich Und allgierig Und unersättlich – Und spät und frühe Durchtaumelte diese Brust Unheimlicher Sehnsuchtsflammen Schlangengezüngel. Nimmer mir tat ich genug – Und auf mir lastete Segen zugleich und härtester Fluch ... Und ich wuchs und ich lebte, Bis in der zweiten Oder der dritten Morgenfrühe meines Lebens Ich alt schon ward Und müde schon vor der Zeit ... Von mir hinweggegangen Sind Drang und Sehnsucht Und die Wollust des Wanderns Und des schneidenden Wehs Unergründlichkeit! Nicht wunschlos ward ich Und nicht hoffnungslos! Doch alles, was ich begehre – Doch alles, was ich erhoffe, Ist so geringe, So hohläugig, entmarkt – Ueberschattet von den müden Brauen Heimlich zehrender Melancholie ... Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Oh! wäret ihr bei mir geblieben! Stark und trotzig Wie vorzeiten Wäre mein Lieben – Und mein Hassen Loderte auf in jähen Feuern! Nun, da ihr mich verlassen, Durchschreite ich welk und bekümmert Meines wachsenden Lebens Schmale, reizlose Dämmerungsgassen ... Es trauert entvölkert Meiner Leidenschaften Serail – Und ich ließ meiner ringenden Kraftgefühle Felsengebirge, Das in gigantischen Gegensätzen Sich enthüllte, Und sich erfüllte, Zu gewaltigen Werdeschätzen! Wo seid ihr hingegangen, Meine frommen, unschuldigen Kinderaugen? Sehet! Ich sehne mich euch nach, Schürend In toten, veraschten Kohlen – Suchend und wie im Halbtraum spürend Nach ein paar letzten mageren Zukunftssymbolen!