An die Toten im Frühling Vieles habt ihr voraus, ihr Toten, Vieles vor uns, Die wir noch atmen In des Lichtes quellender Vollflut ... Willig – O so willig! – Ließet ihr lösen des Leibes Ring Von der Vergängnis Heimlichem Finger – Dehnt euch und breitet euch, Und es ward eine Lust – Eine köstliche Lust euch: Aufzusprießen Zu Halm und Geröhr, Mitzufließen Im großen Allfluß der Dinge – Mitzudüften Ob Schollen und Grüften Oder zu wirbeln Auf farbiger Falterschwinge: Mitzugenießen Nicht zu geringe ... Vieles habt ihr voraus, ihr Toten, Vieles vor uns! ... Aufstehen Zu Werdefreuden Aus verschlungenem Wurzelgeflecht Laßt ihr hundertfaches Geschlecht, Und hundertfacher Wesen Winzigen Reichen Keimt Gedeihn Und drängendes Sein, Blüte, Entfaltung Und Fruchtgestaltung Aus eueren Leichen ... Vieles habt ihr voraus, ihr Toten, Vieles vor uns! Die Liebe denkt euch nach Und euere Male Schmückt trauernde Treue ... Oder es brach Zu der schaffenden Nachwelt Tag Der Erinnerung letzte Brücke ... Ihr schlaft vergessen, Und eurem heimlichen Tun, Dem Wirken im Ruhn, Fraget nicht nach Eine einzige Menschenzunge ... Wie träumt ihr so köstlich Die Kraftträume des Alls! ... Aber saget, ihr Toten, Geliebt und beneidet Hundert und tausend Mal, Aber saget: Wer unter euch atmet und schnauft die Wonne, Die sprudelnde, ein, Die ich nun schlürfe, Da die Tage lenzen Und am Himmel die Sonne Wächst und waltet, Ein huldvoller Bronne, Daraus fluten Ströme des Segens? ... Wohl rollt ihr mit, Geflügelte Stäubchen, Im Sphärentanze der Harmonien: Mir aber blieb Ungeblendet der Blick, In diesen Tagen des Drangs Ganz zu begreifen Des Schöpfers Sieb, Daraus fällt Welt um Welt – Doch keines versinkt Dieser rollenden Kronjuwele, Und alle durchdringt Eine einzige Seele. .. Und auch ich rolle mit Wachend, bewußt, Mit euch, geflügelte Stäubchen, Meiner keuschen Inbrunst schneeweißes Täubchen Trägt Frohbewegt Botschaft und Kunde In alle Runde Und findet Neuer Freuden schwellende Saat, Drin sich begründet Künftige Tat ... Vieles habt ihr voraus, ihr Toten, Vieles vor uns – Aber eines Läßt mich die Flammen Des Lebens noch schüren: Dieser Tage Gotttrunkenes Lenzpsalmieren ... Doch krachen die Scheiter zusammen Und liegen die Früchte gelesen: Gerne, ihr Toten, Denen ich diesen Gruß entboten, Gerne dann bin ich mit euch gewesen ...