Schwarze Blätter 1. Sind mir die Schwingen denn gebrochen? Ist mir die alte Kraft verraucht, Daß ich nicht mehr des Herzens unstet Pochen, Und was aus seinen dunklen Tiefen taucht In buntem, vielgestalt'gem Reigen, Bemeistern kann? Schloß schon das Schweigen Die Dichterlippe – jenes große Schweigen, Das Ekel, Ueberdruß, Melancholie Und Lebensunrast großsäugt in der Brust? Versprühte mir schon alle Jugendlust? Verlor ihr Diadem die Poesie? Sind meine Wurzeln welk? Mein Stamm verdorrt? Mein Laub von tauber Asche überstaubt? Ich treibe fort und fort In einem uferlosen Ozean, Gebeugt das Haupt, Das Auge stier und brennend, tränenlos ... Jedwedes Menschenlos Dünkt mich nur ein Gewirr von Trug und Wahn, Drin Afterweisheit, blöder Aberwitz Gehalt und Sinn und tiefre Ordnung finden ... Und zuckt einmal in diese zähe Nacht Blutrot ein Blitz Aus einer höhern Zone: Dann schau ich Frevel nur und Sünden Und Schmach und Ohnmacht allerwärts ... Und dem zertretnen Schmerzenssohne Entschlägt sich seines letzten Hoffnungsschimmers Das zerborstne Herz ... Was mich bewegt In meiner Jugend großen Schwärmertagen: Ich muß ihm tränenlos entsagen ... Das Urwort, das allein Erlösung beut, Und das gewaltiger denn Raum und Zeit, Drin alles Sein sich hell und klar begreift: Es wird doch ewig ungefunden bleiben! Wir sind bestimmt, ziellos dahinzutreiben, Und unser Schicksal will's, daß aller Blütenträume Auch nicht ein einz'ger – nicht ein einz'ger reift!