Pierre Corneille Der Cid (Le Cid) Aus dem Französischen übertragen von Malwine Gräfin Maltzan Personen Personen. Don Ferdinand, erster König von Kastilien Donna Urracca, Infantin von Kastilien Don Diego, Vater Rodrigos Don Gomez, Graf von Gormas, Chimenens Vater Chimene, Don Gomez' Tochter Don Rodrigo, Chimenens Geliebter Don Sancho, Chimenens Liebhaber Don Arias,, Don Alonso, kastilianische Edelleute, Leonore, Erzieherin der Infantin Elvira, Erzieherin Chimenens Ein Edelknabe der Infantin 1. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Chimene. Elvira. War dein Bericht wahrheitsgetreu, Elvira? Verschweigst du nichts mir, was mein Vater sprach? Ich bin noch ganz entzückt davon; er achtet Rodrigo ebenso, wie Ihr ihn liebt, und wird Euch, les' ich recht in seiner Seele, befehlen, daß Ihr dessen Flamme teilt. Sag mir, ich bitte dich, zum zweiten Male, weshalb du meinst, er bill'ge meine Wahl; künd mir aufs neue, was ich hoffen darf, nicht oft genug hört man so süße Worte; zu oft verheißen kannst du unsrer Liebe die süße Freiheit nicht, ans Licht zu treten. Was sagt er zur geheim bei dir versuchten Bewerbung Don Rodrigos und Don Sanchos? Verriet'st du nicht, daß ich, ungleich gesinnt den beiden Freiern, mich dem einen neige? Nein, Euer Herz sei, sagt' ich ihm, so ruhig, daß keiner hoffen noch verzweifeln dürfe, daß, sie zu streng nicht noch zu mild betrachtend, Ihr bei des Gatten Wahl nur dem Befehl des Vaters harrt. Er war entzückt von dieser Ehrfurcht und tat mir's kund durch Wort und Miene. Hört denn, da ich's Euch wiederholen soll, was er in Eil' von Euch und ihnen sagte: »Sie hat ganz recht, denn ihrer wert sind beide; beide, von edelm, tapferm, treuem Blut, sind jung, doch spricht aus ihren Augen deutlich der tapfern Ahnen glänzendes Verdienst, besonders Don Rodrigos Antlitz zeigt durch jeden Zug, das Abbild eines Helden, und einem Haus entsproß er, reich an Kriegern, daß gleichsam unter Lorbeern sie geboren; galt seines Vaters Tapferkeit, ohngleichen zur Zeit, da er bei Kraft, doch fast als Wunder, und jetzt noch künden, was er einstmals war, die Furchen seiner Stirn, die Taten gruben. Vom Sohn hoff' ich, was ich vom Vater sah, kurz, mir gefällt es, liebt ihn meine Tochter.« Darauf ging er zum Rat, die Stunde drängte, und schnitt die Rede, kaum begonnen, ab; doch schien es mir nach diesen wen'gen Worten, daß zwischen Euern Freiern er nicht schwankt. Einen Erzieher muß für seinen Sohn der König wählen; ihn trifft wohl die Ehre, und zweifelhaft kaum ist die Wahl; auch duldet nicht Mitbewerbung seine Tapferkeit. Wie seine Taten ohnegleichen, findet sein Hoffen auch wohl keinen Nebenbuhler; und da nun Don Rodrigo seinen Vater bestimmt, beim Heimweg aus dem Rat dem Euren die Sache vorzuschlagen, urteilt, ob die Zeit er nützte und Ihr hoffen dürfet. Und dennoch ist's, als weig're meine Seele der Freude sich, und sei dadurch bedrückt. Des Schicksals Antlitz ändert sich oft plötzlich: In großem Glück befürcht' ich großes Leid. Ihr werdet sehn, daß diese Furcht Euch täuschte. Laß uns, wie dem auch sei, des Ausgangs harren. 2. Szene Zweiter Auftritt. Die Infantin. Leonore. Ein Edelknabe. Geht zu Chimene, ihr zu sagen, daß sich ihr Besuch etwas zu lang verzögert, und meine Freundschaft ihrer Trägheit grollt. 3. Szene Dritter Auftritt. Die Infantin. Leonore. Derselbe Wunsch drängt täglich Euch, Prinzessin, und täglich, sprecht Ihr sie, hör' ich Euch fragen, wie es mit ihrer Liebe sich verhält. Nicht ohne Ursach. Zwang ich sie doch fast, ihr Herz dem Pfeil, der es verletzt, zu bieten. Sie liebt Rodrigo – ich führt' ihn ihr zu, und ich auch brach Rodrigos stolze Kälte. Da ich das Liebesband also geknüpft, seh' ich das Liebesleid auch gern geendet. Doch trotz des günstigen Erfolgs, Prinzessin, zeigt Ihr die tiefste Traurigkeit. Erweckt die Liebe, welche dieses Paar beseligt, solch bittern Kummer Eurem großen Herzen? Und macht der große Anteil, den Ihr nehmt, Euch elend, da sie glücklich sind? Doch gehe ich wohl zu weit und werde unbescheiden. Verheimlicht drückt verdoppelt mich mein Gram. Vernimm, vernimm denn endlich, wie ich kämpfte: Schilt meine Schwachheit, lobe meine Tugend! Der Liebe Tyrannei verschont kein Herz: Den Ritter, dessen Liebe ich verschenkte – lieb' ich. Ihr liebt ihn! Fühle, wie mein Herz bei seines Siegers Namen klopft und bebend ihn anerkennt! Verzeiht, Prinzessin, wenn ich sonder Schonung diese Liebe tadle. Wie! Diesen Ritter zum Geliebten wählen! So weit vergißt sich eine große Fürstin! Was würd' Kastilien, was der König sagen? Bedenkt Ihr auch wohl, wessen Kind Ihr seid? Ja, ich bedenk' es, und würd' eh'r mein Blut vergießen, als verleugnen meinen Rang. Wohl könnt' ich dir entgegnen, schönen Seelen weckt nur Verdienst mit Recht der Liebe Glut; und suchte mein Gefühl Entschuld'gung, dienten tausend bewährte Beispiele dazu: doch folg' ich solchen nicht, gilt es die Ehre. Wie stark die Liebe – stärker ist mein Mut. Lehrt edler Stolz mir doch, der Königstochter ist jeder unwert, der kein Herrscher ist. Als ich mein Herz zu schwach fand zur Verteid'gung, verschenkt' ich selbst, was ich nicht wagt' zu nehmen, und knüpfte, statt an mich, ihn an Chimene: Zu dämpfen meine Glut, schürt' ich die ihre . Drum staune nicht, daß mein gequältes Herz voll Ungeduld ihrer Vermählung harret; du siehst ja, meine Ruh' hängt davon ab. Lebt von der Hoffnung Liebe, stirbt mit ihr sie, ein Feuer, das, fehlt Nahrung ihm, erlischt. Und – ob auch hart mein Los – gehört Rodrigo Chimenen erst auf ewig als Gemahl, ist tot die Hoffnung und mein Herz genesen. Doch leid' ich namenlose Qual, denn ach, bis er vermählt, ist mir Rodrigo teuer: Ich streb', ihn zu verlieren, und verliere ihn ungern – das ist mein geheimer Gram. Verzweifelnd seh' ich, daß mich diese Liebe nach dem zu seufzen zwingt, was ich verschmähe! Geteilt ist meine Seele in zwei Hälften – wie stolz mein Mut –, doch glüht mein Herz. Ich fürchte und wünsche den für mich unsel'gen Bund – ich hoff' darauf –, doch mit geteilter Freude, und weil mir Lieb' und Ehre teuer, muß ich sterben – ob er sich vollzieh' – ob nicht! Darauf, Prinzessin, hab' ich nichts zu sagen, als, ich beseufze mit Euch Euer Leid, erst tadelte, doch jetzt beklag' ich Euch. Allein, da in so schmerzlich süßem Wehe die Tugend seinen Reiz und seine Macht bekämpft, dem Sturme wie dem Zauber trotzet, gibt sie Euch endlich wohl die Ruh' zurück. Vertraut ihr und der Zeit, hofft auf den Himmel, der zu gerecht ist, als daß er die Tugend so herbe Martern lange dulden läßt. Mein liebstes Hoffen ist, nichts mehr zu hoffen. 4. Szene Vierter Auftritt. Die Infantin. Leonore. Ein Edelknabe. Chimene ist, wie Ihr befahlt, erschienen. zu Leonore. Geht, in der Galerie sie zu begrüßen. Und Ihr wollt hier in Träumerei verharren? Nein, nein, ich will mich mühn, trotz meines Kummers, ein wenig meine Miene zu erheitern; dann folg' ich Euch. 5. Szene Fünfter Auftritt. O Himmel! Du, von dem ich Heilung hoffe, setze meinen Qualen ein Ziel! Wahr meine Ruh', wahr meine Ehre! In andrer Glück erblüh' fortan mein Glück. Gleich wichtig für uns drei ist die Vermählung; Laß sie beschleun'gen – oder mach mich stärker! Dies Paar vereinen durch der Ehe Band, heißt mich erlösen, meine Marter enden. Doch säum' ich allzulang wohl; fort, Chimene zu sprechen und die Pein dadurch zu lindern! 6. Szene Sechster Auftritt. Der Graf. Don Diego. Genug, Ihr siegtet, und des Königs Gunst erhebt zum Rang Euch, welcher mir gebührte, zum Hofmeister des Prinzen von Kastilien. Die meinem Haus erwiesne Ehre zeigt der Welt, daß er gerecht ist, und verkündet, wie frühre Dienste er zu lohnen weiß. Wie groß die Könige auch sind, sie können so gut wie wir und alle andren irren; denn diese Wahl beweist dem Hofe, daß sie gegenwärt'ge Dienste schlecht bezahlen. Nichts mehr von einer Wahl, die Euch verdrießt, ob sie durch Gunst bestimmt, ob durch Verdienste, man schuldet doch der höchsten Macht die Achtung, nicht zu bekritteln, was ein König will. Fügt zu der Ehre, die er mir erzeigt, noch eine andre: Eint mein Haus dem Euren durch heil'ges Band! Rodrigo liebt Chimene; sie, des so wert, ist seiner Wünsche Ziel. Drum willigt ein, Herr Graf, nehmt ihn zum Eidam! Gebührt der höchste Anspruch doch Rodrigo, und Eurer neuen Würde Glanz muß ja sein Herz von anderm Stolze schwellen machen. Übt Euer Amt, Herr, unterweist den Prinzen; zeigt ihm, wie man Provinzen muß beherrschen; wie man die Völker ringsum zittern macht; den Guten Liebe, Furcht den Bösen wecket. Dazu fügt eines Feldherrn Tugenden: Lehrt ihm, wie man Beschwerden trägt, im Handwerk der Waffen unerreichbar wird: wie man zu Pferde aushält Tag und Nacht; gerüstet kann schlafen, wie man Festungen erstürmt und in der Schlacht sich selbst den Sieg verdanket. Bekehrt durch Euer Beispiel ihn, und trachtet zu tun vor seinen Augen, was Ihr lehrt. Durch Beispiel, trotz dem Neid, sich zu belehren, les' den Bericht er meines Lebens; sehe aus langer Schildrung schöner Handlungen, wie man die Völker unterwirft, ein Heer befehligt, Festungen angreift und sich durch Heldentaten seinen Ruhm begründet. Weit größer ist lebend'gen Beispiels Macht. Ein Fürst lernt schlecht aus Büchern seine Pflichten; und was denn tat der Jahre hohe Zahl, dem nicht eins meiner Tagewerke gleichkommt? Wart Ihr einst tapfer, so bin ich es heut, und dieser Arm ist jetzt des Reiches Stütze. Granada bebt, wie Arragonien, blitzet dies Schwert; Kastilien dient als Wall mein Name; bald – ohne mich – gehorchtet Fremden Ihr, und sähet Eure Feinde hier als Herrscher! Täglich, ja augenblicklich wächst mein Ruhm, Lorbeer auf Lorbeern, Sieg auf Siege häufend. Der Prinz würd', mir zur Seite, seinen Mut, von mir beschützt, erproben in der Schlacht; mich siegen sehend, würd' er siegen lernen. Und seinem hohen Sinn flugs zu entsprechen, seh' er – Ich weiß, Ihr dient dem König trefflich; Ihr kämpftet und befehlt ja unter mir, und nun das Alter. Eis in meine Adern geflößt, ersetzt mich Eure Tapferkeit. Kurz, überflüss'ge Worte zu ersparen, Ihr seid heut , was ich ehmals war; allein Ihr seht, in diesem Falle weiß ein König wohl Unterschied zu machen zwischen uns. Was ich verdiente, truget Ihr davon. Der, den man vorzog, mußt' es mehr verdienen. Der Fähigste ist auch der Würdigste . Dann ist Zurückweisung kein gutes Zeichen. Ihr habt als alter Hofmann drum geworben. Fürsprecher war nur meiner Taten Glanz. Sagt, daß der König Euer Alter ehrte! Als Maßstab nahm dabei den Mut der König. Deshalb ziemt diese Ehre meinem Arm. Wem sie versagt ward, hat sie nicht verdient. Wie? Nicht verdient? Ich? Ihr. Hab' deine Kühnheit denn ihren Lohn, du unverschämter Greis. Er gibt ihm einen Backenstreich. zum Schwert greifend. Vollende! Töte mich nach diesem Schimpfe, dem ersten, ob den muß mein Stamm erröten! Was denkst du, schwacher Alter, zu beginnen? Gott! Alle Kraft verläßt mich in der Not? Dein Schwert ist mein! Doch macht es dich nur eitel, trüg' meine Hand solch schmachvoll Siegeszeichen. Leb wohl! Laß die Geschichte deines Lebens, dem Neid zum Trotz, den Prinzen lesen, sich zu unterrichten! Nicht geringe Zier verleiht ihr wohl der frechen Rede Zücht'gung! 7. Szene Siebenter Auftritt. O Wut! Verzweiflung! O du feindlich Alter! Lebt' ich so lange nur, beschimpft zu sein? Und bleichten Schlachtenmühn mein Haar nur, daß ich an einem Tag seh' so viel Lorbeern welken? Mein Arm, den Spanien voll Bewundrung ehrt, mein Arm, der dieses Reich so oft gerettet, so oft befestigt seines Königs Thron, verriet mich, tat nichts für mich selbst! O grausam ist die Erinnerung an meinen Ruhm! So vieler Jahre Werk an einem Tage zerstört! Du für mein Glück unsel'ger Rang, Abgrund, der meiner Ehre Glanz verschlungen, soll ich den Grafen dein sich freuen sehn? Ohn' Rache sterben oder schmachvoll leben? Sei denn Erzieher meines Prinzen, Graf! Solch hohe Würde ziemt nicht dem Entehrten; dein Neid wußt' ihrer unwert mich zu machen, des Königs Wahl zum Trotz, durch diesen Schimpf, und, meiner Heldentaten glorreich Werkzeug, nutzlose Zier des eiserstarrten Körpers, Stahl, einst so furchtbar, der in dieser Schmach mir nur als Schmuck, nicht zur Verteid'gung diente, fort vom Elendesten der Sterblichen! In beßre Hand geh über, mich zu rächen! 8. Szene Achter Auftritt. Don Diego. Don Rodrigo. Rodrigo! Hast du Mut? Ein andrer wie mein Vater säh' gleich Proben! Schöne Wallung! Süß meinem Schmerz ist diese Heftigkeit. Solch edler Zorn läßt mich mein Blut erkennen; in dieser Glut lebt meine Jugend auf. Mein Sohn! Mein Blut! Auf! Tilge meine Schande! Auf! Räche mich! Wofür? Für einen Schimpf, der tödlich ist für unser beider Ehre, für einen Backenstreich! Er mußte sterben, der Freche! Doch das Alter trog mein Wollen, und diesen Stahl, für den mein Arm zu schwach, geb' deinem ich, zu rächen und zu strafen. Erprob an einem Stolzen deinen Mut, mit Blut allein wäscht solchen Schimpf man ab. Stirb oder töte! Ohne Schmeichelei, ich geb' dir einen fürchterlichen Gegner. Ich sah ihn, blutbedeckt, im Schlachtgewühl sich einen Wall von tausend Toten bilden. Sein Name! Zeitverlust sind leere Worte! Noch mehr: Es ist der tapferste der Krieger nicht nur, der Feldherrn größter nicht allein; es ist – Vollendet! Wer? Chimenens Vater. Er – Schweig! Ich kenne deine Liebe. Doch, unwert des Lichts ist, wer entehrt kann leben. Je teurer der Beleid'ger, um so schwerer ist die Beleidigung. Du kennst den Schimpf, dein ist die Rache. Nichts mehr sag' ich. Räch mich! Räch dich! Zeig, würd'ger Sohn, dich eines Vaters, wie ich es bin! Gebeugt vom Unglück, geh' ich, es zu beweinen. Fort! Eil, uns zu rächen! 9. Szene Neunter Auftritt. Ich steh' erstarrt, ins tiefste Herz von unverhofftem bitterm Weh betroffen, elender Rächer so gerechter Sache, so ungerechter Härte Gegenstand; und es erliegt die schmerzensmatte Seele dem tödlich schweren Schlage. So nah war ich, mein Glück gekrönt zu sehn! O Gott, welch herbes Leiden! Schimpflich gekränkt mein Vater – und es ist dein Vater, der ihn so gekränkt, Chimene! In meinem Innern – welcher Kampf! Die Liebe wird zum Gegner meiner Ehre, den Vater muß ich rächen, die Geliebte verlieren! Er schürt meinen Mut, und sie hält meinen Arm. Verrat an meiner Liebe oder ein ehrlos Leben bleibt mir zum Wahl – und beides trag' ich nicht! O Gott, welch herbes Leiden! Soll ungestraft den Schimpf ich lassen? Soll ich deinen Vater strafen, o Chimene? Pflicht, hart und edel, holder Zwang! O Vater! O Geliebte! Ehre! Liebe! Tot alle Freuden – oder hin die Ehre – Elend macht dies – jenes unwert des Lichts! Grausame, teure Hoffnung meiner Seele voll Mut, doch auch entflammt von Liebe, du meines höchsten Glückes würd'ger Feind, Stahl, Ursach' meiner Leiden, gab, daß die Ehr' ich räche, man dich mir? Oder daß mir durch dich geraubt Chimene? Eh'r ziemt es, in den Tod zu gehn. Ich schuld' es der Geliebten wie dem Vater. Ihr Haß, ihr Zorn trifft mich, wenn ich mich räche – verachten muß sie mich, räch' ich mich nicht! Eins macht mich treulos meiner liebsten Hoffnung, ihrer unwert das andre! Mein Leiden wächst, da ich es heilen will; alles vermehrt die Qualen! Auf, meine Seele! Da ich sterben muß, sterb' so ich, daß du nicht gekränkt, Chimene! Sterben, bevor ich mich gerächt! Solch Ende, tödlich meiner Ehre, suchen? Dulden, daß Spanien mein Gedächtnis schmähe, weil meines Hauses Ruhm ich schlecht gewahrt? Für eine Liebe, welche meine Seele doch als verloren muß betrachten! Hinweg Gedanke, der mich schmeichelnd lockt, doch meinen Gram nur nährt! Auf! Auf mein Arm! Rett mindestens die Ehre, da ich dich doch verlieren muß, Chimene! Ja, meine Seele war verirrt: Dem Vater schuld' ich mehr wie der Geliebten , und, ob im Kampfe, ob aus Gram ich sterbe, rein, wie ich es empfing, fließ' hin mein Blut! Schon schelt' ich mich, daß ich zu träg gewesen. Zur Rache! Auf! Zur Rache! Und, tief beschämt, daß ich also geschwankt, mach' es mir keine Sorge, daß, da mein Vater heut so schwer gekränkt, der ihn gekränkt, dein Vater ist, Chimene! 2. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Don Arias. Der Graf. Gesteh' ich's Euch, als ich ihn so beleidigt, war ich erhitzt, war allzu rasch mein Arm, doch ist's geschehn, der Schlag nicht gutzumachen. Beug' Euer stolzer Mut sich dem Verlangen des Königs; er nimmt großen Anteil, und er wird Euch seinen Zorn empfinden lassen. Auch habt Ihr keine gültige Verteid'gung; der Rang des schwer Gekränkten wie die Größe der Kränkung fordern größre Unterwerfung wie sonst gebräuchliche Genugtuung. Der König nehm', beliebt es ihm, mein Leben. Ihr seid zu ungestüm nach dem Vergehn. Der König liebt Euch noch; besänftigt ihn. Er sagt: »Ich will es.« Wärt Ihr ungehorsam? Um Achtung mir und Ehre zu bewahren, ist Ungehorsam kein so groß' Verbrechen; und wär's auch groß, sind meine Dienste doch hinreichend, um es gänzlich zu verwischen. Was man auch Wichtiges und Großes leiste, dem Untertan schuldet sein König nichts, Ihr seid zu eitel, Graf, und solltet wissen, nur seine Pflicht tut, wer dem König dient. Solch allzu groß Vertraun bringt Euch Verderben! Das glaub' ich Euch nicht eh'r, bis ich's erfahren. Doch sollt' Euch die Gewalt des Königs schrecken. Ein einz'ger Tag stürzt keinen Mann wie mich. Bewehr' sich seine Hoheit, mich zu strafen, wenn ich muß fallen, fällt der ganze Staat. So wenig fürchtet Ihr die Macht des Herrschers – Des Zepters, das ihm ohne mich entsänke. Er schätzt mich viel zu hoch. Mein sinkend Haupt wird seine Krone mit sich niederreißen. Laßt die Vernunft Euch zur Besinnung bringen! Nehmt guten Rat. Der Rat ist angenommen. Was aber sag' ich? Muß ich doch berichten – Daß ich in meine Schmach nicht will'gen kann. Doch wollen Kön'ge unumschränkt gebieten. Nichts mehr davon. Geworfen ist das Los. Lebt wohl, da Überredung hier nichts fruchtet. Doch scheut, trotz Lorbeerschutz, den Wetterstrahl! Ich harr' sein ohne Furcht. Nicht ohne Folgen Ab. Auf diese Art befriedigt man Don Diego! Wer nicht den Tod scheut, fürchtet keine Drohung. Mein Mut trotzt selbst dem höchsten Ungemach. Man kann mich, unbeglückt zu leben, zwingen, doch nicht, ein ehrlos Dasein zu ertragen! 2. Szene Zweiter Auftritt. Der Graf. Don Rodrigo. Zwei Worte, Graf! Sprich! Mach mich frei von Zweifeln! Kennst du Don Diego? Ja. Nur leise! Weißt du, daß dieser Greis die Tugend selbst, ein Vorbild des Muts, der Ehre seiner Zeit war? Weißt du's? Vielleicht. Weißt du, daß meiner Augen Glut aus seinem Blut stammt? Weißt du's? Kümmert's mich? Vier Schritt von hier will ich's dich wissen lassen. Du junger Prahler! O erhitz dich nicht! Jung bin ich freilich, doch bei großen Seelen harrt Tapferkeit nicht auf der Jahre Zahl. Mit mir dich messen? Wer macht dich so eitel? Dich, den man niemals Waffen führen sah? Nicht zweimal macht sich meinesgleichen kenntlich; als Probestück dient gleich ein Meisterstreich. Weißt du wohl, wer ich bin? Ja. Jeder andre würd' schon beim Klange deines Namens beben. Tausend und aber tausend Lorbeern, die dein Haupt bedecken, künden mein Verderben; tollkühn greif' den ich an, der steter Sieger. Doch wird mein Mut mir große Kraft verleihn. Dem, der den Vater rächt, ist nichts unmöglich. Besiegt ist nie dein Arm – nicht unbesiegbar . Den großen Mut, den deine Reden künden, verriet dein Auge täglich meinem Blick, und da Kastiliens Stolz in dir ich ahnte, bestimmte meine Tochter ich dir gern. Es freut mich, da ich deine Liebe kenne, daß ihre Glut der Pflicht muß weichen, daß sie deinen hohen Heldenmut nicht schwächte; daß deine Tugend meiner Achtung wert, und einen echten Ritter nur zum Eidam mir wünschend, ich mich in der Wahl nicht trog. Doch spricht für dich mein Mitleid; ich bewundre hoch deinen Mut, bedaure deine Jugend. Versuch nicht dies unsel'ge Probestück; erlaß mir einen Kampf, der allzu ungleich. Brächt' solcher Sieg mir doch zu wenig Ehre. Ruhmlos ist ein gefahrloser Triumph, leicht überwunden wird man stets dich glauben, und deinen Tod nur hätt' ich zu bereun. Entwürd'gend Mitleid folgt nach deiner Kühnheit! Wer meine Ehre nahm, sorgt um mein Leben! Zieh dich zurück! Komm! Ohne weitre Reden! So lebenssatt? Hast du zu sterben Furcht? Komm! Du hast recht. Entartet ist ein Sohn, der seines Vaters Ehre überlebt! 3. Szene Dritter Auftritt. Die Infantin. Chimene. Leonore. Laß deinen Schmerz sich sänftigen, Chimene, und zeig dich standhaft bei dem Unglücksschlage! Nach diesem kurzen Sturm kehrt Ruh' dir wieder; nur leicht Gewölk verhüllt dein Glück, und nichts hast du verloren – siehst es nur verzögert. Mein schmerzdurchtobtes Herz wagt nichts zu hoffen. Ein Sturm, der plötzlich in der Windesstille losbricht, verkündet, daß ein Schiffbruch droht, ich zweifle nicht – im Hafen geh' ich unter. Ich liebte, war geliebt, im Einverständnis die Väter, und ich gab davon Euch Nachricht, im Schreckensaugenblick, der ihren Streit erzeugt und dessen Euch erteilte Kunde sofort all meine Hoffnungen zerstört. Fluchwürd'ger Ehrgeiz, hassenswerter Wahnsinn, des Tyrannei die Edelsten beherrscht! Du, strenge Ehre, meinem Glück so tödlich, was kostest du mir Seufzer wohl und Tränen! Du hast von ihrem Streite nichts zu fürchten, plötzlich entflammt, erlischt er plötzlich auch; zu großes Aufsehn macht er, muß sich schlichten, da ja der König sie versöhnen will. Auch wird mein Mitgefühl, um deinen Kummer zu stillen, selbst Unmögliches versuchen. Vermittlung fruchtet nichts in diesem Fall; beschimpfte Ehre ist nicht herzustellen, Gewalt wie Klugheit wirken hier umsonst; heilt man das Übel, ist es nur zum Schein; der Haß, den innerlich die Herzen wahren, wird im Verborgnen glühnder nur genährt. Eint Don Rodrigo und Chimene erst ein heilig Band, stirbt wohl der Haß der Väter, und man sieht Eurer Liebe Macht die Zwietracht bald durch ein schönes Eheglück ersticken. Das wünsch' ich, aber hoff' es kaum. Don Diego ist allzu stolz und – meinen Vater kenn' ich! Die lang verhaltnen Tränen fühl' ich fließen – Vergangnes quält und Künft'ges ängstigt mich. Was ängstigt dich? Die Ohnmacht eines Greises? Rodrigo hat viel Mut. Er ist zu jung. Der Tapfre ist es schon beim ersten Streiche. Doch darfst du nicht zu sehr ihn fürchten, denn er liebt dich viel zu heiß, um dich zu kränken, und sprichst du nur zwei Worte, stirbt sein Zorn. Doch welche Qual, wenn er mir nicht gehorchte! Und was würd' man, gehorcht er, von ihm sagen? Darf solchen Schimpf wohl seinesgleichen dulden? Folgt oder widersteht er seiner Glut – Beschämt nur oder traurig kann ich über seinen Gehorsam – seine Weigrung sein. Hochsinnig ist Chimene; selbst beteiligt duldet sie niedrige Gedanken nicht. Doch, wenn ich bis zum Tage der Verständ'gung, deinen Geliebten als Gefangnen wahrte, um seines Mutes Wirkung zu verhindern, füllte Besorgnis nicht dein liebend Herz? Ach, das beängstigt mich nicht mehr, Prinzessin! 4. Szene Vierter Auftritt. Die Infantin. Chimene. Leonore. Ein Edelknabe. Sucht Don Rodrigo auf und führt ihn her. Er und der Graf von Gormas – Gott! Ich zittre! Sprecht! Sie verließen dieses Schloß zusammen. Allein? Allein, und leise streitend, schien es. Sie kämpfen sicher schon! Genug der Worte! Verzeiht, Prinzessin, meine große Hast! 5. Szene Fünfter Auftritt. Die Infantin. Leonore. Ach, welche Seelenangst! Beweinen muß ich ihr Unglück – ihr Geliebter ist mir teuer! Hin ist die Ruh', die Liebe neu entflammt, das, was Rodrigo von Chimene scheidet, erweckt mir Hoffnung und zugleich auch Gram, und diese Trennung, die ich tief beklage, beut meinem Herzen doch geheime Lust! Erliegt die hohe Tugend Eurer Seele so schnell der Glut, die Euch so tief erniedrigt? Erniedrigend nicht nenne sie, da jetzt siegreich und herrlich sie mich ganz beherrscht! Gönn Achtung ihr, da sie mir, ach, so teuer! Kämpft gegen sie die Tugend auch – doch hoff' ich, und mein für eitle Hoffnung offnes Herz fliegt dem zu, den Chimene ja verloren! So schwand denn Euer ehrenvoller Mut, und nichts vermag die Stimme der Vernunft? Ach, wie geringe Wirkung übt Vernunft, wenn solch ein süßes Gift das Herz durchdrungen; und, da der Kranke seine Krankheit liebt, gibt er nur ungern zu, daß man ihn heile! Die Hoffnung lockt Euch; süß ist Euch dies Leiden. Allein, unwürdig Eurer ist Rodrigo. Zu gut nur weiß ich das; doch, wankt die Tugend, hör, wie die Liebe einem Herzen schmeichelt, das sie beherrscht: Kehrt aus dem Kampf Rodrigo als Sieger, schlug sein Mut den großen Krieger, darf ich mich freun – kann ohne Scheu ihn lieben! Was glückt ihm nicht, besiegt er diesen Grafen! Ich wag' zu hoffen, daß ihm seine Taten einst Königreiche unterwerfen; ja, schon zeigt mir diese Liebeshoffnung deutlich ihn auf dem Thron Granadas, wie ihm zitternd die unterjochten Mauren huldigen und Arragonien seinen neuen Sieger empfängt; wie Portugal sich beugt – sein Ruhm durch Tat und Sieg sich ausdehnt über Meere, und Afrikanerblut die Lorbeern tränkt. Kurz, was von großen Helden, erwart' nach diesem Sieg ich von Rodrigo und werde stolz auf seine Liebe sein! Doch seht, wohin sein Arm es bringt, Prinzessin, infolge eines Kampfes, der noch fraglich. Rodrigo ist beleidigt durch den Grafen, zusammen gingen sie – bedarf es mehr? Nun, schlagen sie sich denn, da Ihr's begehrt, doch geht so weit wie Ihr wohl auch Rodrigo? Was willst du? Töricht bin ich, träume wachend! Du siehst, welch Leid mir diese Liebe bringt. Komm in mein Zimmer, meinen Gram zu lindern, und laß in meiner Angst mich nicht allein. 6. Szene Sechster Auftritt. Don Ferdinand. Don Arias. Don Sancho. Don Alonso. So eitel und so unklug ist der Graf, zu glauben, daß verzeihlich sein Verbrechen! Ich sprach in Eurem Namen lang zu ihm, tat, was ich konnte, Sire, jedoch vergebens. Himmel! So wenig Ehrfurcht und Bemühn, mir zu gefallen, zeigt ein Untertan! Er kränkt Don Diego, schätzt gering den König, gibt mir an meinem eignen Hof Gesetze! Wie tapfrer Krieger und wie großer Feldherr er sei – ich werde solchen Hochmut beugen! Wär' er der Mut, der Gott der Schlachten selbst, sehn soll er, was es heißt, nicht zu gehorchen. Was dies Erfrechen auch verdient, ich wollte ihn sonder große Strenge erst behandeln, doch da er es mißbraucht, versichert seiner gleich heute Euch – ob er sich sträubt, ob nicht. 7. Szene Siebenter Auftritt. Don Ferdinand. Don Sancho. Don Arias. Vielleicht ist er in kurzem wen'ger störrisch; man holte ihn, vom Streite noch erhitzt. Sire, in erster Wallung Glut ergibt sich ein tapfres Herz nur schwer. Daß er im Unrecht, sieht er wohl selbst; doch solche stolze Seele gesteht so leicht nicht ihren Fehler ein. Schweigt, und vernehmt, Don Sancho, daß man strafbar sich macht, indem man ihn verteid'gen will. Gehorsam schweig' ich; doch zwei Worte, Sire, zugunsten ihm, erlaubt! Was könnt Ihr sagen? Daß solch ein Herz, gewöhnt an große Taten, zur Unterwürfigkeit sich nicht erniedrigt; und nicht begreift, wie man sich ohne Schmach verständ'gen kann – dies Wort nur widerstand dem Grafen – er fand solche Pflicht zu hart und würd' Euch, hätt' er wen'ger Mut, gehorchen. Befehlt ihm, daß sein Arm, erstarkt in Schlachten, gut mache mit den Waffen diesen Schimpf: Er wird nicht zögern, und es komm', wer will, hier steht, bis er es wissen wird, sein Bürge! Ihr trotzt der Ehrfurcht, doch schenk' Euren Jahren ich Nachsicht, und verzeih' der Jugendhitze. Ein König, welcher weise Zwecke hegt, ist sparsamer mit Untertanenblut. Ich wache für die meinen, schon' sie, wie das Haupt sorgt für die Glieder, die ihm dienstbar, drum gilt als Recht nicht mir , was Euch so scheint. Ihr sprecht als Krieger, doch ich muß als König verfahren; was man sage, was er glaube, der Graf gehorch' mir, opfre seinen Ruhm. Denn mich auch trifft der Schimpf, der den entehrte, den zum Erzieher meines Sohns ich machte. Angreifen meine Wahl, heißt an mir freveln, und an dem Königtume sich vergehn. Nichts mehr davon. – Zehn Schiffe unsrer Feinde sah man die Flaggen aufziehn, und sie wagen sich gegen die Mündung des Flusses vor. Ihr zwangt die Mauren, kennen Euch zu lernen. So oft besiegt, fehlt ihnen wohl der Mut, an solchen Sieger nochmals sich zu wagen. Nie werden neidlos sie in Andalusien mein Zepter herrschen sehn, ihnen zum Trotz, und eifersücht'gen Blicks dies schöne Land, das sie zu lang besessen, stets betrachten. Drum richtet' seit zehn Jahren in Sevilla Kastiliens Thron ich auf, um ihnen nah, gleich zu zerstören, was sie unternehmen. Auf Kosten ihrer Köpfe lernten sie, wie Eure Nähe Eure Siege sichert. Zu fürchten habt Ihr nichts. Noch zu versäumen. Zu groß Vertraun zieht die Gefahr herbei! Derselbe Feind, den man gedemütigt, kann, nimmt er seine Zeit wahr, schädlich werden. Doch wär' es Unrecht, in den Herzen Furcht durch unsichre Gerüchte zu erwecken; solch falscher Lärm erschreckt bei nahnder Nacht die Stadt zu sehr. Verdoppeln laßt die Wachen im Hafen, auf den Mauern diesen Abend; das ist genügend. 8. Szene Achter Auftritt. Don Ferdinand. Don Sancho. Don Arias. Don Alonso. Sire, der Graf ist tot. Durch seinen Sohn rächte den Schimpf Don Diego. Seit ich den Schimpf erfuhr, ahnt' ich die Rache, und strebte gleich, dem Unglück vorzubeugen. Zu Euren Füßen bringt ihr Leid Chimene; weinend naht sie, Gerechtigkeit zu fordern. Wie tief ihr Gram auch meine Seele rührt, mir scheint, der Graf habe für seinen Frevel die so gerechte Züchtigung verdient. Doch, wenn gerecht die Strafe auch, ich kann solch einen Feldherrn ungern nur verlieren. Nachdem so lang er meinem Staat gedient, für mich wohl tausendmal sein Blut vergossen, bleibt sein Verlust, wie mich sein Stolz berührt, ein harter Schlag, und mich betrübt sein Tod. 9. Szene Neunter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Chimene. Don Sancho. Sire! Gerechtigkeit! Hört uns, o Sire! Seht mich im Staube! Eure Knie umfass' ich! Ich fleh' um Recht! Vernehmt, was mich verteidigt! Straft eines kühnen Jünglings Übermut! Er warf die Stütze Eures Thrones nieder, erschlug den Vater mir! Er rächt' den seinen! Recht fordert Untertanenblut vom König! Gerechte Rache heischet keine Strafe. Steht beide auf, und sprecht mit Ruhe. Teilen seht Eure tiefe Trauer mich, Chimene. Mein Herz auch ist von gleichem Schmerz erfüllt. Sprecht Ihr nachher; stört ihre Klagen nicht! Mein Vater, Herr, ist tot. Ich sah sein Blut sprudelnd aus seiner edlen Seite fließen; dies Blut, das Eure Mauern oft beschützt, dies Blut, das so viel Schlachten Euch gewonnen, dies Blut, das, hingeströmt, von Zorn noch rauchte, verspritzt sich seh'nd für andre statt für Euch, das selbst der Krieg nicht wagte zu vergießen, tränkt durch Rodrigo Eures Hofes Boden; als Probestück raubt' sein unwürd'ger Frevel solch feste Stütze Eurem Staate, nahm die Zuversicht so Euren besten Kriegern und richtete des Feindes Hoffnung auf! Ich flog zum Kampfplatz – kraftlos – bleich – ich fand ihn leblos! O verzeiht dem Schmerze, Sire, mir fehlen für den traurigen Bericht die Worte – mehr wohl sagen Seufzer, Tränen! Mut, meine Tochter, wiss', daß jetzt dein König statt seiner dir als Vater dienen will. Dem Jammer folgt zu große Ehre, Sire. Ich fand ihn leblos, sagt' ich, seine Seite durchstochen, und, mich mächt'ger noch zu rühren, schrieb mir sein Blut im Staub vor meine Pflicht. Laut sprach zu mir sein Mut in solchem Zustand durch seine Wunde – rief zur Rache, lieh', der Könige Gerechtestem durch meinen betrübten Mund verständlich hier zu werden, sich meine Stimme! Sire, duldet nicht, daß, wo Ihr herrscht, man solche Frechheit wage, daß so die Tapfersten tollkühnen Streichen straflos sei'n ausgesetzt; verwegne Jugend besiege ihren Ruhm, in ihrem Blut sich bade und ihr Angedenken schmähe! Ein Held, wie der, den man Euch nahm, erstickt, wenn nicht gerächt, für Euch den Diensteseifer, kurz, Rache will ich für des Vaters Tod, mehr Euretwegen als für mich zur Lindrung. In ihm verlort Ihr Großes durch den Tod; rächt ihn durch eines andern, Blut durch Blut! Opfert – für mich nicht – doch für Eure Krone, für Eure Macht, für Euch und für das Wohl des Staates, sag' ich, opfert alle, Sire, die solche Freveltat mit Stolz erfüllt! Verteidigt Euch, Don Diego! Zu beneiden ist, wer das Leben mit der Kraft verliert, denn welch unselig Los schafft tapfern Männern an ihrer Laufbahn Schluß ein hohes Alter! Ich, dessen langes Wirken voller Ruhm, ich, dem einst Sieg auf allen Schritten folgte, ich seh' mich heut, weil ich zu lang gelebt, beschimpft und überwunden! Was kein Kampf, kein Sturm, kein Hinterhalt jemals vermochte, was Arragonien nicht, noch Granada, noch Eure Feinde oder meine Neider vermocht, erzielt an Eurem Hof der Graf, fast Euch vor Augen, nur aus Eifersucht ob Eurer Wahl, stolz auf den Vorteil, welchen ihm meines Alters Ohnmacht gönnte. Sire, so stiegen dies im Helm gebleichte Haar, dies Blut, so oft in Eurem Dienst vergossen, der Arm, des Feindesheeres Schrecken einst, beschimpft ins Grab, lebt' mir kein Sohn, mein würdig und würdig seines Landes, seines Königs. Er lieh mir seine Hand, erstach den Grafen, stellt meine Ehre her, wusch ab die Schmach. Wenn Mut und Zorn zu zeigen, einen Schlag zu rächen, strafenswert, so treffe mich der Wetterstrahl; man zücht'ge, weil der Arm gefehlt, das Haupt dafür. Ob es Verbrechen, ob nicht, weshalb wir streiten, ich , mein König, ich bin das Haupt – er ist der Arm nur. Klagt, daß er den Vater ihr erschlug, Chimene – er hätt' es nie getan, wenn ich's gekonnt! Nehmt drum dies Haupt, das bald ein Raub der Jahre, und wahrt den Arm Euch, der zum Dienst noch nützt; ja, stellt Chimene durch mein Blut zufrieden: Ich widerstrebe nicht, duld' gern die Strafe, und, fern zu murren, ob zu strengem Spruch, sterb' klaglos ich, weil unentehrt ich sterbe. Sehr wichtig ist die Sache und verdient, daß man im Großen Rat sie wohl erwäge. Don Sancho, führt Chimene jetzt nach Hause! Don Diego dien' mein Hof, so wie sein Wort als Haft. Man ruf' den Sohn! Recht soll Euch werden! Gerecht ist's, König, daß ein Mörder stirbt! Besänft'ge deinen Schmerz, sei ruhig, Tochter. Mir Ruh' gebieten, heißt mein Unglück mehren! 3. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Don Rodrigo. Elvira. Was tatest du Unsel'ger? Wohin kamst du? Ich folg' dem Zuge meines düstern Loses. Was gibt dir diese neue stolze Kühnheit, dich hier zu zeigen, wo du Gram verbreitet? Wie! Trotzest du bis hier des Grafen Schatten? Hast du ihn nicht getötet? War sein Leben doch Schmach für mich. Die Ehre zwang die Hand. Allein im Haus des Todes Zuflucht suchen? Wählt' je ein Mörder sich ein solch Asyl? Auch kam ich nur, um meinem Richter mich zu bieten. Sieh mich so erstaunt nicht an: Ich such den Tod, nachdem ich ihn erteilte. Mein Richter sei die Liebe, sei Chimene. Mir ziemt der Tod, weil mir ihr Haß gebührt. Als köstlich Gut spend' mir ihr Mund mein Urteil, erteil' mir ihre Hand den Todesstreich. Flieh lieber ihren Blick, flieh ihren Zorn! Entzieh dich ihres Schmerzes erster Wallung! Geh! Setz dich nicht des Grolles Ausbruch aus, wozu ihr heißer Schmerz sie könnte treiben. Nein, nein! Die Teure, welche ich gekränkt, kann mich durch ihren Zorn zu hart nicht strafen, und unbeschreiblich wär' mein Glück, könnt' ich ihn noch verdoppeln, daß ich früher sterbe. Chimene weilt, in Tränen aufgelöst, im Palast und kehrt in Begleitung wieder: Flieh! Ende meine Angst – ich bitte dich! Was sagte man, säh' man dich hier? Soll, mehrend ihr Elend, die Verleumdung sie beschuld'gen, daß ihres Vaters Mörder hier sie duldet? Bald naht sie wohl – sie kommt – ich sehe sie! Verbirg dich mind'stens, ihrer Ehre wegen! 2. Szene Zweiter Auftritt. Don Sancho. Chimene. Elvira. Ja, Dame, blut'ge Opfer dürft Ihr fordern; gerecht ist Euer Zorn, Euch ziemen Tränen, und nicht versuchen will ich es, durch Worte Euch zu besänft'gen oder Euch zu trösten: Doch laßt, wenn ich Euch dienen kann, mein Schwert den Schuld'gen strafen. Würdigt meine Liebe, zu rächen diesen Tod. Euer Befehl wird meinem Arm die nöt'ge Kraft verleihen. Ich Unglücksel'ge! Duldet meine Dienste! Den König kränk' ich, der mir Recht versprochen. Ihr wißt, Gerechtigkeit schreitet so langsam, daß nur zu oft der Schuld'ge ihr entschlüpft. Träg, zweifelhaft, erpreßt sie häufig Tränen, laßt eines Ritters Waffen drum Euch rächen; sichrer straft man auf diesem Weg und schneller. Es wär' das letzte Mittel; ist es nötig, und wahrt Ihr Mitleid meinem Unglück noch, geb' ich Euch Freiheit, meine Schmach zu rächen. Dies Glück allein begehrt mein Herz, und darf ich darauf hoffen, scheid' ich ganz befriedigt. 3. Szene Dritter Auftritt. Chimene. Elvira. So bin ich endlich denn befreit und kann dir meines Schmerzes Ausbruch zwanglos zeigen, kann meinen Seufzern freien Lauf gestatten, mein Herz – all meinen Jammer dir eröffnen! Tot ist mein Vater, und sein Lebensfaden ward durch das erste Schwert, mit dem Rodrigo sich waffnete, zerschnitten! Augen, weint! Zerfließt in Tränen! Meines Lebens Hälfte stieß ja ins Grab die andre Hälfte, zwingt mich, die hin ist, an der, die mir blieb , zu rächen! O gönnt Euch Ruh', Senhora! Ach! Zur Unzeit sprichst du in solchem Mißgeschick von Ruhe! Was mildert jemals meinen Schmerz, wenn ich die Hand nicht hassen kann, die ihn verschuldet, und was darf ich, als ew'ge Qualen, hoffen, verfolg' ich eine Schuld und lieb' den Schuld'gen! Ihr liebt ihn noch, der Euch den Vater raubte? Ihn lieben! Ich vergöttre ihn, Elvira! Die Leidenschaft liegt mit dem Groll im Streit. Ich find' den Feind in dem Geliebten – fühle, wie, meinem Zorn zum Trotz, in meinem Herzen Rodrigo noch mit meinem Vater kämpft. Er greift ihn an – bedrängt ihn – weicht – verteidigt bald heftig sich, bald schwach, bald siegreich – aber des Zorns, der Liebe harter Kampf zerreißt mein Herz wohl – doch erweicht nicht meine Seele. Und welche Macht auch Liebe auf mich ausübt, ich frag' sie nicht, gilt es der Pflicht zu folgen, gehorch' der Ehre Mahnung – schwanke nicht! Rodrigo ist mir wert, sein Los betrübt mich; mein Herz spricht laut für ihn, allein ich weiß wohl, wer ich bin – und daß mein Vater tot. So wollt Ihr ihn verfolgen? Grausam ist's zu denken – grausam, ihn verfolgen müssen! Ich will sein Haupt und fürcht' es zu erhalten; mein Tod folgt seinem – und ich muß ihn strafen! Gebt diesen düstern Vorsatz auf, Senhora, erlegt Euch solch ein hart Gebot nicht auf! Wie! Starb in meinen Armen doch mein Vater, schrie Rache doch sein Blut, und ich – ich sollt' es nicht hören! Sollt', schmachvoll von anderm Zauber bestrickt, ihm armselige Tränen nur zu schulden glauben? Dulden, daß die Liebe durch Schweigen meine Ehre feig ersticke? Glaubt mir, solch seltnen Mann Euch zu erhalten, den Ihr so liebt, Senhora, wär' verzeihlich. Ihr spracht zum König – das genügt. Beeilt die Folgen des Gesprächs nicht allzusehr, und wahrt so streng nicht diese finstre Stimmung. Ich muß mich rächen, es gilt meine Ehre; und lockt auch Liebe schmeichelnd, großen Seelen gilt jede Ausflucht stets als tiefe Schmach. Ihr liebt Rodrigo, könnt ihn niemals hassen. Ich geb' es zu. Was denn wollt Ihr beginnen? Die Ehre wahrn – mein Leiden enden – ihn verfolgen – ihn verderben – nach ihm sterben. 4. Szene Vierter Auftritt. Don Rodrigo. Chimene. Elvira. Wohlan! Auch ohn die Müh' mich zu verfolgen, wahrt Euch den Ruhm, zu hindern, daß ich lebe! Wo sind wir denn, Elvira? Und was seh' ich? In meinem Haus Rodrigo! Mir vor Augen! Spart nicht mein Blut! Genießt ganz ungestört die Lust, mich zu verderben, Euch zu rächen. Ach! Hör mich! Weh mir! Einen Augenblick! Geh! Laß mich sterben! Nur vier Worte! Dann antwort mir nicht als nur mit diesem Schwerte! Wie! Das getränkt mit meines Vaters Blut? Chimene! Fort mit diesem Schreckenswerkzeug, das deine Schuld mir vorwirft und dein Leben! Betracht es lieber, daß dein Haß erwache, dein Groll sich steigre – meinen Tod beeil! Es ist mit meinem Blut gefärbt! In meines tauch es, daß deines Farbe es verliert! O Grausamkeit, an einem Tag den Vater durch diesen Stahl – die Tochter durch des Anblick zu töten! Fort damit! Ich trag' es nicht! Ich soll dich hören, und du tötest mich! Ich tu', was du begehrst, doch ich entsage dem Wunsch nicht, daß dies jammervolle Dasein durch dich geendet werde; denn erwarte von mir nicht feige Reu' ob guter Tat. Ein Schlag von deines Vaters Hand entehrte unwiderruflich das ehrwürd'ge Alter des meinen; weißt du doch, wie auf den Tapfern ein Backenstreich wirkt! Mich auch traf der Schimpf. Ich sucht' und fand des Schöpfer – rächte meine und meines Vaters Ehre, tät es nochmals , blieb' es zu tun. Wohl kämpfte gegen mich und meinen Vater lang für dich die Liebe, denn, daß ich schwankte, Rechenschaft zu fordern nach solchem Schimpf selbst, zeigt dir ihre Macht! Dir zu mißfallen oder Schmach zu dulden gezwungen, zauderte noch meine Hand, schien mir zu rasch mein Arm, und als zu heftig klagt' ich mich an; gesiegt hätt' deine Schönheit, stellt' ich nicht die Gewißheit deinem Reiz entgegen, daß kein Feigling dich verdiene, daß, wem ich teuer, als ich tadellos, edel mich lieben – ehrlos hassen würde; daß deiner Liebe Stimme hören, unwert ihrer mich macht, und schimpflich deine Wahl. Ich wiederhol's – will's unaufhörlich, bis ich sterbe, denken – unaufhörlich sagen. Ich kränkte dich, und mußt' es, meine Schmach zu tilgen und dich zu verdienen. Fertig mit meiner Ehre, meinem Vater, gilt's, auch dir noch zu genügen; und mein Blut dir darzubieten, bin ich hier. Ich tat, was ich gemußt – tu, was ich soll. Wohl weiß ich, daß gegen mein Vergehn ein toter Vater dich waffnet: Nicht entgehn soll dir dein Opfer. Standhaft weih dem gefloßnen Blute den , des größter Ruhm ist, daß er es vergossen. Rodrigo! Ach! Als Feindin selbst kann ich nicht tadeln, daß Ehrlosigkeit du meidest, und, wie mein Schmerz sich äußre, ich beschuld'ge dich nicht – beweine nur mein Mißgeschick. Ich weiß, was von des Tapfern Mut die Ehre verlangt nach solchem Schimpf; du hast die Pflicht des Ehrenmannes nur erfüllt; doch zeigtest du mir zugleich die meine; mich belehrte verhängnisvoll dein Mut durch deinen Sieg. Den Vater rächt' er, wahrte deine Ehre; mir ziemt die gleiche Sorge – trauernd muß ich die Ehre wahren – meinen Vater rächen. Ach, deinetwegen macht mich das verzweifeln! Denn, raubte andres Unglück mir den Vater, hätt' in der Wohltat, dich zu sehn, mein Herz den Trost gefunden, den es könnt' empfangen, und meinen Schmerz besänftigte die Wonne, daß meine Tränen von so teurer Hand getrocknet. Doch verlieren muß ich dich, nachdem ich ihn verlor. Gebeut die Ehre den Sieg doch über mein Gefühl, und dies grausame Pflichtgebot, das mich zerschmettert, will, daß ich selbst für dein Verderben wirke! Denn, halt mein Herz zu schwach nicht, dich zu strafen. Wie Liebe für dich wirbt, entsprechen muß mein Mut dem deinigen: Du zeigtest dich, indem du mich verletztest – meiner würdig – ich muß durch deinen Tod dein wert mich zeigen. Verschiebe nicht, was Ehre dir gebeut! Sie will mein Haupt – ich überlass' es dir. Bring deiner edlen Neigung es zum Opfer; süß ist das Urteil – süß der Todesstreich! Nach meiner Tat langsam Gericht erwarten, heißt, deinen Ruhm, wie meine Pein verzögern. Sterb' ich solch schönen Tod, sterb' ich beglückt. Geh! Deine Feindin bin ich, nicht dein Henker. Darf ich dein Haupt, das du mir bietest, nehmen? Angreifen soll ich es, du sollst es schützen. Nicht du – ein andrer müßt' es mir verschaffen. Verfolgen soll ich dich – doch strafen nicht. Wie Liebe für mich wirbt, entsprechen muß dein Mut dem meinigen; doch einen Vater zu rächen, andre Arme leihen, heißt – ihm nicht entsprechen, glaub es mir, Chimene! Des meinen Schmach rächt' meine Hand allein, und deine Hand nur muß den deinen rächen! Auf welchen Vorschlag, Grausamer, bestehst du? Hast du dich ohne Beistand doch gerächt, und willst mir beistehn? Gleich dir will ich handeln. Mein Mut verschmäht, mit dir den Ruhm zu teilen. Mein Vater, so wie meine Ehre, wollen nichts deiner Liebe noch Verzweiflung danken. O starrer Ehrgeiz! Was nur tu' ich, um dich zu erweichen? Hör mich, in dem Namen des toten Vaters oder unsrer Freundschaft! Bestraf aus Rache oder Mitleid mich! Viel mindre Qual ist es, durch deine Hand zu sterben, als von dir gehaßt zu leben! Ich hasse dich nicht. Doch du mußt. Ich kann nicht. Wie! Fürchtest du nicht tadelnde Gerüchte? Wenn mein Verbrechen man erfährt und hört, du liebst mich noch? Was würden Neid und Lüge boshaft verbreiten? Zwinge sie zum Schweigen! Kurz, rette deinen Ruf durch meinen Tod. Sein Glanz strahlt heller nur, schon' ich dein Leben. Ich will, daß selbst der schwarze Neid mich rühmt und meinen Schmerz beklagt, erfahrend, daß ich dich vergöttre und dennoch verfolge! Geh! Zeig nicht länger, mir zur bittern Qual, dich, den ich muß verlieren und noch liebe! Entferne dich, geschützt von nächt'gem Dunkel! Gefährlich meiner Ehre wär's, säh' man von hier dich kommen. Ursach' zur Verleumdung gäb' es, wüßt' man, ich litt dich hier – darum gib nicht Anlaß, meine Tugend anzugreifen! O laß mich sterben! Geh! Was ist dein Vorsatz? Der schönen Glut zum Trotz, die meinen Zorn erschüttert, will ich meinen Vater rächen. Allein, wie streng auch diese herbe Pflicht, mein einz'ger Wunsch ist – daß ich's nicht vermöchte! O Kraft der Liebe! O vernichtend Weh! Wie kosten uns die Väter Leid und Tränen! Wer hätte je gedacht – Wer sagte wohl – Daß unser Glück so nah – so bald verloren – Und daß, im Hafen fast, ein Ungewitter würd' plötzlich unser Hoffen scheitern machen! O Todesschmerz! Ach! Klagen sind vergeblich! Noch einmal – geh! Nicht länger hör' ich dich. Leb wohl. Ich will mein todgeweihtes Dasein hinschleppen, bis du es, dich rächend, endest. Gelingt mir das – so werd' ich – nimm mein Wort – nicht nach dir einen Augenblick mehr leben! Leb wohl! Geh! – Hüte dich, daß man dich sieht! Senhora, welches Leid der Himmel sendet – O quäle mich nicht länger! Laß mich klagen! Ich such', zu weinen, Nacht und Stille auf! 5. Szene Fünfter Auftritt. allein. Nie schmeckt man eine ganz vollkommne Freude; Leid mischt sich in die Wonne des Erfolgs, denn Sorgen trüben stets in solchen Fällen die Reinheit der Befried'gung unsrer Seele. Das fühl' ich jetzt inmitten meines Glücks. Ich schwelg' in Freude und erbeb' in Furcht: Tot sah den Feind ich, der mich schwer beleidigt, doch seh' die Hand ich nicht, die mich gerächt. Vergebens müh' ich mich, umsonst durchstreif' ich, besorgt, gebrochen, diese ganze Stadt. Was mir an Kraft das Alter übrigließ, verbrauch', den Sieger suchend, ich ganz fruchtlos, fortwährend – überall in diesem Dunkel, wähn' ich ihn zu umarmen, doch umarme nur einen Schatten, und erschöpf', getäuscht, in Zweifeln mich, die meine Angst verdoppeln. Ich finde keine Spuren seiner Flucht – des toten Grafen Freunde und Gefolge erschrecken – ihre Anzahl ängstigt mich! Entweder lebt Rodrigo nicht mehr oder atmet im Kerker. Himmel! Täuscht der Schein mich wieder, oder seh' ich den Ersehnten? Er ist's! Kein Zweifel! Meine Wünsche sind erhört! Zerstreut die Furcht! Die Angst geendet! 6. Szene Sechster Auftritt. Don Diego. Don Rodrigo. Rodrigo! Schickt der Himmel dich mir endlich! Weh mir! Misch nicht in meine Freude Seufzer! Laß mich, dich hoch zu rühmen, Atem schöpfen! Dich zu verleugnen, hat mein Mut nicht Grund. Du ahmst ihm nach, und deine edle Kühnheit läßt meines Hauses Helden neu erstehn. Du stammst von ihnen – bist mein Sproß. Es war dein erster Schwertstreich, meiner Taten würdig. Der schöne Eifer deines Jugendmutes erreicht durch diese Probe meinen Ruhm! Stab meines Alters! Du, mein höchstes Gut, rühr dieses weiße Haar an, dem die Ehre du wiedergibst! Küß diese Wange, wo der Schimpf sie traf, den dein Mut abgewaschen! Euch ziemt der Ruhm; als Euer Sproß und Zögling konnt' wen'ger ich nicht tun. Zu glücklich bin ich, und es entzückt mich, daß mein Probestück dem wohlgefällt, dem ich das Leben danke. Doch seid in Eurem Glück nicht neidisch, wenn nach Euch, mir selbst ich zu genügen wage! Gestattet meinem Jammer freien Ausbruch! Zu lange schmeicheltet Ihr durch Worte ihm. Nicht Reue fühl' ich, daß ich Euch gedient; doch gebt das Gut mir wieder, das die Tat mir nahm! Mein Arm, der sich, um Euch zu rächen, bewaffnet, raubte mir durch seinen Sieg mein Liebstes! Schweigt! Für Euch verlor ich alles, und zahlt', was ich Euch schulde, wohl zurück! Nein, höher noch schätz deines Sieges Frucht. Ich gab dir nur das Leben, du gibst mir die Ehre wieder, und, weil mehr der Ruhm mir wie das Leben gilt, schuld' ich dir mehr auch. Doch großsinnig verbanne diese Schwäche: Nur eine Ehre gibt's – doch viel Geliebten. Vergnügen nur ist Liebe – Ehre Pflicht ! Was sagt Ihr da! Was du erfahren mußt. Schon rächt an mir sich die gekränkte Ehre, und Ihr wagt, mich zum Wankelmut zu drängen! Gleich schändlich und der Schmach geweiht, wie Feigheit des Kriegers, ist des Liebenden Verrat! Beleidigt meine Treue nicht, und laßt mich ohne Meineid tapfer sein! Dies Band ist allzu fest, um so es zu zerreißen. Hoff' ich auch nichts mehr – hält mich doch mein Wort, und, da ich nun Chimene nicht verlassen noch sie besitzen kann – wünsch' ich den Tod! Noch ist's nicht an der Zeit, den Tod zu suchen. Dein Fürst, dein Land bedürfen deines Arms. Die Flotte, die den Fluß bedrohte, naht, die Stadt zu überfall'n, das Land zu plündern. In einer Stunde bringen Flut und Nacht die Mauren ganz geräuschlos her. Der Hof ist voll Bestürzung und das Volk voll Schrecken. In diesem allgemeinen Unheil führte das Glück fünfhundert Freunde in mein Haus, die meinen Schimpf erfahren, und, beseelt von gleichem Eifer, mich zu rächen streben. Du kamst ihnen zuvor. Der Tapfern Hand mög' nun in Afrikanerblut sich baden! Zieh an der Spitze dieser edlen Schar, die dich zum Führer wählt, wohin die Ehre dich ruft; wehr unsre alten Feinde ab, und stirbt solch schönen Todes, willst du sterben! Nütz die Gelegenheit, die sich dir bietet: Dein König danke deinem Fall sein Heil! Doch lieber noch, kehr heim im Siegerkranze. Dein Ruhm beschränk' sich nicht, den Schimpf zu rächen; tu mehr: Erzwing durch deine Heldentaten von der Gerechtigkeit Verzeihung, von Chimene Schweigen. Liebst du sie, so ziehe als Sieger ein – das gibt ihr Herz dir wieder. Allein, zu kostbar ist die Zeit für Worte! Ich halt dich auf durch Reden und will Eil'! Komm! Auf zum Kampf! Zeig deinem König, daß du den Verlust des Grafen ihm ersetzest! 4. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Chimene. Elvira. Weißt du, daß es kein falsch Gerücht, Elvira? Ihr glaubt nicht, wie ein jeder ihn bewundert und einstimmig des jungen Helden Taten bis in den Himmel hebt! Zu ihrer Schmach zeigten vor ihm die Mauren sich. Voll Eile geschah der Angriff – eil'ger noch die Flucht. Drei Stunden Kampfes brachten unsern Kriegern vollständ'gen Sieg, zwei Kön'ge als Gefangne. Dem tapfern Führer ward kein Widerstand. Rodrigos Hand vollführte solche Wunder! Lohn seiner Müh'n sind die zwei Könige; sein Arm besiegte sie – nahm sie gefangen. Von wem kam dir so wunderbare Kunde? Vom Volk; das überall sein Lob verbreitet, ihn aller Freude Gegenstand und Schöpfer, Schutzengel und Befreier nennt. Und wie denn blickt auf so viel Mut der König? Rodrigo wagte nicht, sich ihm zu zeigen; doch freudig brachte, in des Siegers Namen, ihm die gefangnen Könige Don Diego, als Gunst erflehnd, des edlen Fürsten Blick mög' huldvoll auf des Landes Retter schauen. Und blieb er unverwundet? Nichts erfuhr ich. Doch Ihr entfärbt Euch – o gewinnet Fassung! Und neu ersteh' der halberloschne Groll! Darf ich, um ihn besorgt, mich selbst vergessen? Man rühmt, man preist ihn – und mein Herz stimmt ein; stumm ist die Ehre, ohnmächtig die Pflicht. Schweig, Liebe, gib dem Zorne Raum! Besiegte er auch zwei Könige – er tötete doch meinen Vater! Dieses Trauerkleid, mein Unglück zeigend, ist die erste Frucht, die seine Tapferkeit erzielt. Was immer von seinem hohen Sinn man sage – hier spricht alles mir von seiner Schuld! Ihr, die aufs neu Ihr meinen Schmerz wachrufet, Schleier, Gewänder, Flöre, düstre Zierden, die durch seinen ersten Sieg mir vorgeschrieben, wahrt meine Ehre gegen meine Liebe und mahnt, spricht sie zu laut, an meine Pflicht! Furchtlos greif' ich ihn an, den stolzen Sieger! O mäßigt Euch, dort nahet die Infantin. 2. Szene Zweiter Auftritt. Die Infantin. Chimene. Leonore. Elvira. Ich komme nicht, im Schmerze dich zu trösten, in deine Tränen will ich Seufzer mischen. Teilt lieber doch die allgemeine Lust; genießt das Glück, was Euch der Himmel sendet. Zum Seufzen hat niemand ein Recht als ich , da Euch Rodrigo der Gefahr entzogen, sein Schwert bewahrt das öffentliche Wohl, sind heute Tränen mir nur noch erlaubt. Er rettete die Stadt, diente dem König, und Unheil bracht' sein tapfrer Arm nur mir . Chimene! Er vollbrachte wirklich Wunder! Schon drang die Kunde leider mir zu Ohren, und überall hör' ich, so tapfern Krieger, wie unglücksel'gen Liebenden ihn nennen. Weshalb verdrießt dich dieses Stadtgespräch? War der gepriesne junge Mars doch einst dir wert; dein Herz war sein, er dir ergeben, drum ehrt ja, wer ihn rühmet, deine Wahl. Ein jeder mag mit ein'gem Recht ihn rühmen, mir weckt jedoch sein Lob nur neue Pein. Man mehrt, indem man ihn erhebt, mein Leiden; denn was er gilt, zeigt mir, was ich verliere. Ach, welcher Jammer für ein liebend Herz! Mit seinem Wert wächst meiner Liebe Flamme; doch mächt'ger ist die Pflicht in mir, und trotz des Herzens Glut, erstrebt sie seinen Tod. Achtung erwarb dir diese Pflicht noch gestern, ihr Streben schien so edel und so wert solch großen Herzens, daß am Hofe jeder gepriesen deinen Mut, dein Herz beklagt. Doch hörst du einer treuen Freundin Rat. Ich wäre strafbar, folgte ich Euch nicht. Was damals recht war, ist es heut nicht mehr. Rodrigo ist jetzt unser einz'ger Beistand, Liebling und Trost des Volks, das ihn vergöttert, Kastiliens Stütze und den Mauren Schrecken. Was sie geraubt, gab uns sein Mut zurück. Und nur in ihm ersteht dein Vater wieder. Kurz, hör es mit zwei Worten: Du erstrebst durch seinen Tod den Untergang des Staates! Darf man, um eines Vaters Tod zu rächen, das Vaterland in Feindeshände geben? Ist die Verfolgung gegen uns gerecht? Und teilen wir die Schuld, die du willst strafen? Vermählen nicht sollst du dich ihm, den ja ein toter Vater anzuklagen fordert: Ich selbst würd' solchen Wunsch verdammen; nimm ihm deine Liebe, doch laß uns sein Leben! Ach, diese Milde ziemt mir nicht. Die Pflicht, die mich erbittert, weiß von keinen Schranken. Ob auch mein Herz dem Sieger huldigt, ob ein Volk ihn liebt, ein König ihn begünstigt, ob Krieger ihn umstehn – meine Zypressen solln dennoch seine Lorbeern niederbeugen! Ja, edel ist es, ein so teures Haupt angreifen, um des Vaters Tod zu rächen: doch hoch erhabner, heil'ge Pflichten für das allgemeine Beste aufzugeben. Glaub, es genügt schon, ihn nicht mehr zu lieben! Raubst du dein Herz ihm, ist er schon bestraft! Des Landes Wohl verlangt es. Was auch denkst du, daß dir der König wohl gewähren wird? Weis' er mich ab – ich würde doch nicht schweigen. Bedenke recht, Chimene, was du tust! Leb wohl. Erwäge alles in der Stille. Des Vaters Tod erspart mir jede Wahl. 3. Szene Dritter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Rodrigo. Don Sancho. Dich, edlen Erben so erlauchten Hauses, das stets Kastiliens Ruhm und Stütze war, und des Geschlecht so reich an tapfern Ahnen, denen dein Prob'stück früh dich gleichgestellt; dich zu belohnen, fühl' ich mich zu schwach, denn wen'ger Macht hab' ich als du Verdienste. Des Landes Rettung von so rohem Feind, mein mir durch deine Hand erhaltnes Zepter, der Mauren Niederlage, eh' ich noch in diesem Schrecknis Widerstand zu leisten anordnen konnte, sind nicht Taten, die zu lohnen, deinem König Hoffnung geben; allein die zwei gefangnen Könige seien dein Lohn; ich hört' sie Cid dich nennen, weil Cid in ihrer Sprache Herr bedeutet. Ich mißgönn' dir den Ehrennamen nicht. Sei denn fortan der Cid! Dem großen Namen beug' alles sich; er sei Granadas wie Toledos Schrecken, und zeig meinem Volk, was du mir giltst und was ich dir verdanke. Spar' Eure Majestät mir die Beschämung! Zu hoch schlagt so geringe Tat Ihr an, und ich erröte vor solch großem König, so wenig diese Ehre zu verdienen. Ich weiß ja, daß ich Eures Reiches Wohl mein Blut und Leben schulde, und erfülle, wenn für so würd'gen Zweck ich sie verliere, nur des getreuen Untertanen Pflicht. Nicht alle, denen diese Pflicht obliegt, entled'gen ihrer sich mit gleichem Mute, und, wenn die Tapferkeit nicht ungewöhnlich, erzielt sie nicht solch glänzenden Erfolg. Duld es daher, daß man dich lobt, und künde ausführlich dieses Siegs Geschichte mir. Sire, Ihr wißt, daß in dem Schrecken, welchen der Stadt die dringende Gefahr erweckt, die Freundesschar, die sich bei meinem Vater versammelt, mich, der tiefbewegt noch, drängte – allein verzeihet meiner Kühnheit, daß ich ohne Eure Vollmacht sie verwendet – doch nah war die Gefahr, die Schar bereit, den Kopf wagt' ich, wenn ich am Hof mich zeigte – und, sollt' ich ihn verlieren, war es süßer, im Kampf für Euch mein Leben einzubüßen. Den Eifer, Rache für den Schimpf zu nehmen, entschuld'ge ich; spricht doch des Staats Verteid'gung für dich bei mir. Glaub, was Chimene sage, nur sie zu trösten, hör' ich sie hinfort, doch weiter! Unter meiner Führung zog die Schar nun aus, und kühnen Mannesmut zeigt aller Stirn. Fünfhundert zählten wir, doch schnell verstärkt, am Hafen angelangt, dreitausend schon, und uns so wohl gerüstet erblickend, schöpft' der Ängstlichste selbst Mut. Zwei Dritteil ihrer barg ich nach der Ankunft gleich unten in den vorgefundnen Schiffen; die andern, deren Zahl stets wuchs, entflammt von Ungeduld, lagerten sich geräuschlos rings um mich auf den Boden und verbrachten also den größten Teil der schönen Nacht. Ein gleiches tat auf mein Gebot die Wache und half, versteckt so, meine Kriegslist glücken. Und kühn gab den Befehl, den ich erteilt und ausgeführt, ich für den Euren aus. Der Sterne Dämmerlicht läßt endlich mit der Flut auch dreißig Segel uns erblicken; die Wogen schäumen, und mit gleicher Eil' treiben die Mauren und das Meer zum Hafen. Man läßt sie nahn. Sie wähnen alles ruhig; kein Krieger in dem Hafen, auf der Mauer: Getäuscht durch unser Schweigen, zweifeln sie durchaus nicht, daß der Überfall gelungen. Sie landen furchtlos – ankern – steigen aus und eilen, sich den Händen auszuliefern, die ihrer harrn. Nun stehn wir auf – einstimmig tönt unser tausendfält'ger Ruf zum Himmel – auf unsern Schiffen antworten die Unsern, und nahn bewaffnet. Die bestürzten Mauren erfaßt – zur Hälfte erst gelandet – Furcht, sie geben vor dem Kampf schon sich verloren. Anziehnd zur Plünderung, finden sie den Krieg. Wir drängen sie zu Wasser, drängen sie zu Land – in Strömen fließt durch uns ihr Blut, eh' einer widersteht, eh' sie sich ordnen. Doch ihre Fürsten sammeln sie bald wieder; ihr Mut erwacht, vergessen ist die Furcht, die Scham, so ohne Kampf zu sterben, hemmt die Unordnung, gibt ihnen neue Stärke. Sie stehn, ziehn ihre Schwerter, und zerschnitten wird manches tapfern Kriegers Lebensfaden. Land, Meer, der Hafen – ihre Flotte werden zum blut'gen Schlachtfeld, wo der Tod regiert. O wieviel große Werke, hohe Taten sind ruhmlos in der Dunkelheit geblieben, wo jeder, selbst nur Zeuge seiner Hiebe, nicht unterscheidet, wie das Los sich neigt. Ich sprach ringsum den Unsern Mut ein, ließ die vorwärts dringen, jene Beistand leisten, ordnen, die kamen, trieb sie an und wußte nichts vom Erfolge, bis der Tag erschien. Doch endlich zeigt sein Licht uns unsern Vorteil, ihren Verlust den Mauren, und ihr Mut sinkt schnell, so daß, als uns Verstärkung nahet, die Siegeslust der Todesfurcht muß weichen. Sie eilen ihren Schiffen zu, zerhauen die Taue, fliehn, furchtbar Geschrei erhebend, in der Verwirrung achtlos, ob mit ihnen auch ihre Könige sich retten können. So unterlag der stärkern Furcht die Pflicht . Die Flut bracht' sie – die Ebbe führt sie fort, indes noch ihre Könige im Kampfe und ein'ge ihrer Tapfern, schwer verwundet, ihr Leben teuer zu verkaufen streben. Ich selbst drängt' sie, sich zu ergeben, doch umsonst – sie hören nicht, den Säbel schwingend, nur als sie sehn, wie ihre Krieger falln, wie sie allein noch fruchtlos sich verteid'gen, begehrn den Führer sie – ich nenne mich, und sie ergeben sich. Ich sandt' Euch beide. Der Kampf war, weil die Kämpfer fehlten, aus. Auf diese Weise ist in Eurem Dienste – 4. Szene Vierter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Don Rodrigo. Don Arias. Don Sancho. Don Alonso. Sire, Chimene naht, um Recht zu fordern. Unsel'ge Nachricht, läst'ge Pflicht! Entfern dich, denn ich will sie nicht nöt'gen, dich zu sehen. Statt dir zu danken, schicke ich dich fort. Doch erst laß deinen König dich umarmen! Don Rodrigo geht ab. Chimene klagt ihn an und möcht' ihn retten. Man sagt, sie liebt ihn; wohl, ich will's erproben. Zeigt ernstre Mienen! 5. Szene Fünfter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Sancho. Don Alonso. Chimene. Elvira. Seht Euch denn befriedigt, Chimene, Euch nach Wunsch ist der Erfolg. Rodrigo schlug den Feind, jedoch wir sahen ihn auch an den erhaltnen Wunden sterben. So dankt dem Himmel, welcher Euch gerächt. Zu Don Diego. Seht, wie sich ihre Farbe schon verändert. Seht auch, wie nah sie einer Ohnmacht ist: Erkennt die Wirkung ihrer Liebe, Sire. Ihr Schmerz verrät Euch ihr Geheimnis und läßt über ihr Gefühl Euch nicht im Zweifel. So ist Rodrigo tot? Nein, nein, er lebt und wahrt dir unverändert seine Liebe! Laß deinen Schmerz um ihn sich sänftigen! Sire, man wird aus Freude wie aus Trauer ohnmächtig. Großes Glück macht leicht uns schwach. Und kommt es plötzlich, schwinden uns die Sinne. Du willst Unmögliches uns glauben machen. Dein Schmerz, Chimene, zeigte sich zu klar! Wohl, häuft mein Unglück, Sire, immer mehr; nennt meine Ohnmacht Wirkung meines Schmerzes; gerechter Unmut brachte mich so weit. Entzöge doch sein Tod ihn der Verfolgung. Stirbt er an Wunden, für des Landes Wohl empfangen, wär' verloren meine Rache, mein Zweck verfehlt. Ein solches schönes Ende beleidigt mich. Er sterbe, doch nicht glorreich, nicht so, umstrahlt von hohem Ruhmesglanz, nicht auf dem Bett der Ehre, sondern auf dem Blutgerüst! Für meinen Vater sterb' er, nicht für das Vaterland! Geschändet sei sein Name und befleckt sein Angedenken! Kein traurig Los ist's, für sein Land zu sterben, Unsterblichkeit erwirkt solch schöner Tod. Ich freu' mich seines Sieges, darf es, denn er schützt den Staat, gibt mir mein Opfer wieder, doch edel, hochberühmt vor allen Kriegern, bekränzt mit Lorbeern statt mit Blumen – kurz, wert meines Vaters Manen es zu weihn. Ach, welcher Hoffnung geb' ich mich da hin! Hat doch Rodrigo nichts von mir zu fürchten. Was schaden Tränen ihm, die man verachtet? Für ihn ist Freistatt Euer Reich – ihm alles erlaubt! Er triumphiert so über mich, wie über alle Feinde; als Trophäe dient das in deren Blut erstickte Recht des Siegers Schuld: Wir mehr'n den Prunk, denn die Verachtung der Gesetze läßt uns mit zwein Kön'gen seinem Siegeswagen folgen! Du bist zu heftig, meine Tochter; alles muß man erwägen, um gerecht zu richten. Getötet ist dein Vater; er gab Anlaß; deshalb mahnt mich die Billigkeit zur Milde. Eh' du mich aber tadelst, zieh dein Herz zu Rat: Rodrigo herrscht darin, und heimlich dankst du wohl deinem König, dessen Huld dir den so heiß Geliebten will bewahren. Mir! Meinen Freund! Ihn, meines Zornes Ziel! Den Unheilstifter! Meines Vaters Mörder! So wenig gilt meine Anklage, daß man gar mich dankbar glaubt, mich nicht zu hören! Versagt Gerechtigkeit Ihr meinen Tränen, so laßt mich zu den Waffen Zuflucht nehmen; durch sie gekränkt, muß ich durch sie mich rächen. Von allen Euren Rittern fordre ich sein Haupt! Ja, bringt es einer mir, so bin ich selbst sein Lohn, sie mögen mit ihm kämpfen! Und ist vorbei der Kampf, bestraft Rodrigo, vermähl' ich mich dem Sieger. Laßt es, Sire, als Euren Willen öffentlich verkünden. Die alte Sitte, üblich hierzuland, raubt durch den Vorwand, ungerechten Angriff zu strafen, einem Staat die besten Krieger. Denn solchen Mißbrauchs trauriger Erfolg trifft oft den Schuldlosen und schont den Schuld'gen. Rodrigo sei davon befreit. Zu kostbar ist er mir für die Launen des Geschicks; und welche Schuld solch großes Herz begangen, die fliehnden Mauren nahmen sie mit fort. Wie! Hebt für ihn Ihr die Gesetze auf, die Euer Hof so oft befolgte, Sire? Was dächte Euer Volk? Was spräch der Neid, schont unter Eurem Schutze er sein Leben, und nützt den Vorwand, dort nicht zu erscheinen, wo jeder Ritter schönen Tod erstrebt? Würd' solche Gunst doch seinen Ruhm so trüben, daß er des Sieges Frucht nicht ohn' Erröten sich könnt' erfreun. Der Graf war kühn – er strafte als Tapfrer ihn und muß sich so behaupten. Sei's denn, da Ihr es wollt; doch werden tausend an des besiegten Kämpfers Stelle treten, denn ihm macht der, dem Sieger von Chimene versprochne Preis, zum Feinde alle Ritter. Ihn aber allen gegenüberstellen wär' ungerecht. Genug, wenn er den Kampfplatz einmal betritt. Wähl, wen du willst, Chimene, wähl gut, doch nach dem Kampf begehr nichts mehr. Dadurch entschuldigt die nicht, die ihn fürchten. Gebt frei den Kampfplatz – niemand wird erscheinen. Welch eitler Mut erkühnt sich, mit Rodrigo es nach den heut'gen Taten aufzunehmen? Wer wagte sich an solchen Gegner? Wer ist dieser Tapfre, nein, vielmehr Verwegne? Öffnet den Kampfplatz! Seht den Gegner! Ich bin der Verwegne oder vielmehr Tapfre! Zu Chimene. Gestattet meiner Liebe diese Gunst! Ihr wißt, daß Ihr sie mir versprochen, Dame! Willst du dein Los ihm anvertraun, Chimene? Sire, ich gab mein Wort. Bereit seid morgen! Nein, Sire, zögern darf man länger nicht; wer Mut besitzt, ist jederzeit bereit. Kaum aus der Schlacht zurück, und wieder kämpfen! Beim Schlachtbericht erholte sich Rodrigo. So ruh' er ein', zwei Stunden mindestens. Doch, daß nicht dieser Kampf als Beispiel diene und daß solch blutiges Verfahren, welches mir nie gefiel, ich ungern seh', zu zeigen, will ich nicht noch mein Hof dabei erscheinen. Zu Don Arias. Nur Ihr sollt Kampfesrichter sein. Seht zu, daß beide Kämpfer auch als Tapfre handeln, und nach dem Kampf bringt mir den Sieger – wer er sei – der Preis gebühret seinem Mute. Ich selbst führ' ihn Chimenen zu, damit als Lohn er ihr Gelöbnis mög' empfangen. Sire! Solch hart Gebot legt Ihr mir auf! Du klagst, doch deine Liebe klagt nicht, sondern nimmt, ist Rodrigo Sieger, ohne Zwang ihn an. Murr nicht ob solchem milden Urteil, wer es von beiden sei – er wird dein Gatte. 5. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Don Rodrigo. Chimene. Rodrigo! Wie! Am hellen Tag! Welch Wagnis! Du tötest meine Ehre! Geh! Ich bitte! Ich geh' zu sterben und will, eh' der Streich mich trifft, ein letztes Lebewohl Euch sagen. Wagt meine treue Liebe doch nicht, in den Tod zu gehn, ohn' Euch dafür zu danken. Du gehst zu sterben! Sel'ger Augenblick, der naht, mein Leben Eurem Groll zu liefern! Du gehst zu sterben! Ist Don Sancho denn so furchtbar, deinen Heldenmut zu schrecken? Was machte dich so schwach? Was ihn so stark? Rodrigo glaubt, zum Kampf geh'nd, sich schon tot? Der nicht die Mauren scheut' noch meinen Vater, verzweifelt vor dem Kampfe mit Don Sancho! So kann dein Mut im Notfall auch verzagen! Ich geh' zum Richtplatz, nicht zum Zweikampf; wehrt doch meine Liebe, da Ihr meinen Tod verlangt, dem Wunsch, mein Leben zu verteid'gen; den allen Mut hab' ich, doch keinen Arm, den zu beschützen, der Euch nicht mehr teuer, und diese Nacht schon hätt' mich sterben sehn, kämpft' ich für meine eigne Sache; aber verteid'gend König, Volk und Vaterland, übt' ich Verrat, hätt' ich mich schlecht verteidigt. Mein Hochsinn haßt das Leben nicht genug, daß als Verräter ich es wollt' verlassen. Jetzt, da es mir nur gilt und meinen Tod Ihr wollt, nehm' ich das Todesurteil an. Da ich nicht wert, von Eurer Hand zu sterben, erwählt die eines andern Euer Groll, des Streiche ich nicht abzuwehren denke. Ich achte den, der für Euch kämpft, zu hoch, und froh zu denken, daß von Euch sie kommen, weil er für Eure Ehre führt die Waffen, biet' ich ihm meine Brust – in seiner Hand die Eure ehrend, welche mich vernichtet. Wenn einer ernsten Pflicht gerechte Strenge, die zur Verfolgung deiner Tapferkeit mich leider drängt, solch hart Gebot dir vorschreibt, das widerstandslos gegen den dich macht, der für mich kämpft – gedenk in der Verblendung, es gilt, gleichwie dein Leben – deine Ehre! Und daß, wie ruhmvoll auch Rodrigo lebte, weiß man ihn tot – man ihn besiegt wird glauben. Teurer wie ich dir bin, ist dir die Ehre, weil deine Hand in meines Vaters Blut sie tauchte, und dich läßt, trotz deiner Neigung, dem liebsten Wunsch, meinem Besitz, entsagen. Doch zeigst du's wenig, wenn du, ohn' zu kämpfen, dich willst besiegen lassen! Deine Tugend erniedrigt sich zu schwanken? Weshalb schmückt sie dich nicht mehr, oder weshalb schmückte einst sie dich? Bist du nur tapfer, mich zu kränken, doch ohne Mut, gilt's nicht mich zu beleid'gen? Und, grausam gegen meinen Vater, duldest du doch, der ihn besiegt, einen Besieger? Geh! Laß, ohn' daß du sterben willst, dich strafen, und schütz, willst du nicht leben, deine Ehre! Was fehlt, da tot der Graf, besiegt die Mauren, zu meinem Ruhm noch? Wozu mich verteid'gen? Man weiß, mein Mut wagt jeglich Unternehmen, alles glückt meiner Tapferkeit, und nichts auf Erden ist mir teurer wie die Ehre. Nein, was Ihr glaubt, in diesem Kampfe darf Rodrigo sterben, ohne daß sein Ruhm gefährdet, ohne daß man wagt, ihn mangels an Mut zu zeihn; ohn' für besiegt zu gelten, ohn' daß er seinen Sieger dulden muß! Man wird nur sagen: »Er vergötterte Chimene, wollt', von ihr gehaßt, nicht leben. Er beugte sich dem Schicksal, welches seine Geliebte zwang, nach seinem Tod zu streben. Sie wollt' sein Haupt, und es ihr zu verweigern, schien seinem großen Herzen ein Verbrechen. Zu rächen seine Ehre, gab die Liebe er hin – zu rächen die Geliebte, ging er aus dem Leben, zog, was er auch hoffte, Chimenen seine Ehre – seinem Leben Chimene vor.« So trübt mein Tod nicht, nein, erhöht nur meinen Ruhm in diesem Kampfe, und ehrenvoll sagt mein freiwill'ges Sterben, daß ich nur Euch Genugtuung konnt' geben. Wenn Ehr' und Leben allzu schwache Lockung, am Sterben dich zu hindern, so verteid'ge, teurer Rodrigo, weil ich dich geliebt, jetzt als Entgelt dich, Sancho mich zu rauben! Kämpf, mich von der Verpflichtung zu befrein, die dem mich zuspricht, der mir widerwärtig. Was sag' ich mehr noch! Geh, dich zu verteid'gen! Geh, mich zur Pflicht zu zwingen – mach mich schweigen, und fühlst dein Herz du noch für mich entbrannt, so siege in dem Kampf, des Preis Chimene! Leb wohl! Dies Wort, das mir entschlüpft, beschämt mich! 2. Szene Zweiter Auftritt. allein. Gäb's einen Feind, den jetzt ich nicht bezwänge? Erscheint Navarrer, Mauren, Kastilianer! Ihr Helden all, die Spanien erzeugt! Vereint zu einem Heer euch, eine Hand, die also angefeuert, zu bekämpfen! Setzt alle Kraft ein gegen solches Hoffen, es zu bewält'gen reicht ihr doch nicht hin! 3. Szene Dritter Auftritt. allein. Hör' ich dich noch, Achtung vor meinem Range, die meine Leidenschaft verdammt? Hör' ich dich, Liebe, deren Macht und Süße des Stolzes Tyrannei sich widersetzt? Welcher von beiden sollst du wohl gehorchen, arme Fürstentochter? Dein Mut, Rodrigo, macht dich meiner wert, doch bist du, wenn auch Held, kein Königssohn. Erbarmungsloses Schicksal, dessen Härte so Wunsch und Ehre trennt! Sind meiner Liebe solche große Leiden beschieden wegen dieser edeln Wahl? O Gott, auf wieviel Seufzer wird mein Herz sich vorbereiten müssen, wenn es, nach langer Qual, die Liebe nie besiegt noch dem Geliebten sich darf weihn! Doch welch Bedenken! Die Vernunft staunt über die Mißachtung solch würd'ger Wahl; bin ich für einen Herrscher auch geboren, Rodrigo angehören, scheint mir Ruhm! Da du zwei Könige besiegt, kann dir wohl eine Krone fehlen? Und, zeigt der Name Cid, den du gewonnen, nicht nur zu klar, wen du beherrschen sollst? Er ist mein würdig, doch gehört Chimenen; ich gab ihn, mir zum Unheil, ihr. Des Vaters Tod schied kaum durch Haß die beiden, so daß der Tochter Pflicht ungern ihn rächt. So ist denn nichts von seiner Schuld zu hoffen noch von meinem Gram, da, mir zur Strafe, das Geschick erlaubt, daß Liebe selbst zwei Feinde dauernd eint. 4. Szene Vierter Auftritt. Die Infantin. Leonore. Was willst du, Leonore? Glück Euch wünschen, daß Eure Seele endlich Ruhe fand. Wo gäb' es Ruhe in dem tiefsten Leide? Lebt von der Hoffnung Liebe, stirbt sie mit ihr, kann Euch Rodrigo nicht mehr teuer sein; Ihr wißt, welch einen Kampf Chimene fordert, und da er stirbt oder ihr Gatte wird, ist tot die Hoffnung, Euer Herz genesen. Ach, muß das jetzt noch sein! Was könnt Ihr hoffen? Was kannst du mir vielmehr zu hoffen wehren? Geht diesen Kampf Rodrigo ein, ersinn' ich wohl manches, dessen Wirkung zu zerstören; lehrt Liebe, süße Quelle meiner Leiden, verliebten Herzen doch so manche List! Was könnt Ihr tun, da selbst des Vaters Tod in ihren Herzen Zwietracht nicht entzündet? Da ja Chimene deutlich zeigt, daß heut nicht Haß der Grund ihrer Verfolgung ist? Ein Kampf wird ihr gewährt, und sie nimmt schleunig den ersten an als Kämpfer, der sich beut. Nicht wendet sie sich zu den tapfern Armen durch große Taten hochberühmt: Don Sancho genügt ihr, und verdient die Wahl, da er zum erstenmal sich waffnet. Ja, sein Mangel an Übung ist ihr lieb in diesem Zweikampf; weil ohne Ruf er noch, schweigt ihre Furcht; und solche Wahl, so rasch getan, beweist, daß einen Kampf sie wünscht, der sie verpflichtet, ihrem Rodrigo leichten Sieg verschafft, und ihr erlaubt, besänftigt sich zu zeigen. Ich fühl' es wohl, und dennoch, trotz Chimene, vergöttert meine Seele diesen Sieger. Was soll ich ärmste Liebende beginnen? Denkt, wer Ihr seid. Euch schuldet einen König der Himmel; Ihr liebt einen Untertan! Den Gegenstand vertauschte meine Neigung, nicht mehr den Edelmann Rodrigo lieb' ich; nein, meine Liebe nennt ihn so nicht mehr: Ich lieb' in ihm den Schöpfer großer Taten, den tapfern Cid, Herrn zweier Könige. Doch will ich mich besiegen; nicht aus Furcht vor Tadel, aber weil die schöne Liebe ich nicht will trüben; ja krönt man sie selbst, nähm' ich ein Gut, das ich verschenkt, nicht wieder. Und weil sein Sieg in diesem Kampf gewiß, werd' ich noch einmal ihn Chimenen schenken. Und du, die sieht, wie todeswund mein Herz, sollst mich vollenden sehn, wie ich begonnen. 5. Szene Fünfter Auftritt. Chimene. Elvira. Was leid' ich, und – wie bin ich zu beklagen! Nur hoffen kann ich, und befürchte alles. Kein Wunsch regt sich, den ich zu bill'gen wage, und nichts erfleh' ich, was ich nicht bereu'! Zwei Nebenbuhler waffnet' ich für mich – Der glücklichste Erfolg verheißt mir Tränen – Denn ist – wenn hold das Schicksal – ungerächt doch mein Vater – oder mein Geliebter tot! In beiden Fällen seh' ich Euch befriedigt. Ihr habt Rodrigo oder seid gerächt, und was Euch das Geschick auch bringt – es wahrt Euch die Ehre oder schenkt Euch einen Gatten. Wie! Einen, der mir Haß weckt oder Zorn! Rodrigos oder meines Vaters Mörder! In beiden Fällen würd' mir ein Gemahl, gefärbt mit Blut, das mir das liebste war. In beiden Fällen schaudert meine Seele, mehr wie den Tod, fürcht' ich des Kampfes Ausgang! Schweigt Rache, Liebe, die mein Herz durchwogen, um solchen Preis seid Ihr nicht süß für mich! Und du, allmächt'ger Urheber des Loses, das tief mich beugt', end ohn' Erfolg den Zweikampf, keiner von beiden sei besiegt noch Sieger! Das wär' zu hart für Euch. Nur neue Qual würd' dieser Kampf Euch bringen, ließ er ferner Euch noch verpflichtet, Recht zu fordern; stets noch diesen stolzen Groll zu zeigen und Eures Geliebten Tod stets zu erstreben! Weit besser, wenn sein Heldenmut, umkränzend sein Haupt, Euch schweigen machte, Eure Seufzer das Kampfgesetz erstickte und der König Euch zwänge, Euren Wünschen nachzugeben. Glaubst du, ich füg' mich, wenn er siegt? Zu mächtig ist meine Pflicht und mein Verlust zu groß! Und Kampfgesetz nicht, noch des Königs Wille, vermögen ihre Mahnung zu betäuben. Er kann Don Sancho mühlos überwinden, doch nicht mit ihm zugleich Chimenens Ehre, und, was ein Herrscher für den Sieg verhieß, mein Stolz erweckt ihm tausend neue Feinde. Wahrt Euch, daß nicht zur Strafe dieses Stolzes, der Himmel doch zuläßt, daß man Euch rächt. Wie! Weist Ihr noch das Glück zurück, das endlich zu schweigen Eurer Ehre jetzt erlaubt? Was fordert ihre Pflicht? Was hofft sie? Gibt Euch des Geliebten Tod der Vater wieder? Genügt ein Unglück Euch nicht? Muß Verlust denn auf Verlust und Schmerz auf Schmerz sich häufen? Geht! Ihr verdient in Eures Grolles Starrsinn nicht den Geliebten, den man Euch bestimmt, und der gerechte Zorn des Himmels wird durch seinen Tod Don Sancho Euch vermählen. Duld' ich doch schon genug der Qual, Elvira, mehr sie durch solchen düstern Ausspruch nicht! Ich will – kann ich – sie beide fliehn, wenngleich in diesem Kampf ich für Rodrigo bete. Nicht, weil mich töricht Leidenschaft ihm neigt, doch ich gehört', würd' er besiegt, Don Sancho – Nur diese Furcht erzeugte meinen Wunsch. Was seh' ich? Ärmste! O es ist geschehen! 6. Szene Sechster Auftritt. Don Sancho. Chimene. Elvira. Zu Füßen Euch leg', Dame, ich dies Schwert – Wie! Feucht noch von Rodrigos Blut! Verräter! Wagst du, vor meinen Augen zu erscheinen, nachdem das Liebste du mir nahmst? Brich, Liebe, hervor! Du hast ja nichts mehr zu befürchten; mein Vater ist versöhnt – birg dich nicht mehr! Ein Schlag, der meine Ehre sicherte, bracht' mir Verzweiflung – Freiheit meiner Liebe! Wenn Ihr beruhigter – Sprichst du zu mir, verhaßter Mörder des geliebten Helden! Geh! Du übtest Verrat! Solch tapfrer Krieger wär' nie durch deinen Angriff überwunden! Hoff nichts von mir! Du hast mir nicht gedient, statt mich zu rächen, nahmst du mir das Leben! Welch seltsamer Empfang, statt mich zu hören – Soll ich von seinem Tod dich prahlen hören? Ruhig vernehmen, wie du frech sein Unglück und meine Schuld und deine Kühnheit schilderst? 7. Szene Siebenter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Sancho. Don Alonso. Chimene. Elvira. Sire, nicht brauch' ich ferner zu verbergen, was ich trotz aller Müh' nicht konnt' verhehlen: Ihr wißt, ich liebte, doch, um meinen Vater zu rächen, fordert' ich ein teures Haupt, und Eure Majestät selbst konnte sehn, wie meine Liebe ich der Pflicht geopfert; doch starb Rodrigo, und sein Tod verwandelt die Feindin in die trauernde Geliebte. Ich war dem Vater diese Rache schuldig, und schuld' jetzt meiner Liebe diese Tränen. Kämpfend für mich, macht elend mich Don Sancho, und ich bin Lohn des, der mein Elend schuf! Sire, ich bitt' Euch, widerruft! – kennt Mitleid ein König – solch ein hart Gebot! Als Preis des Siegs, wodurch mein Liebstes ich verloren, lass' ich mein Gut ihm – lass' er mich mir selbst, daß ich in Klostermauern meinen Vater und den Geliebten ewig kann beweinen. Sire, sie liebt und hält nicht mehr für Sünde, rechtmäß'ge Liebe offen zu gestehn. Chimene, dein Geliebter ist nicht tot; Don Sancho, der besiegt, bracht' falsche Kunde. Sire, nicht vorsätzlich täuschte sie mein Eifer; ich wollt' des Kampfes Ausgang ihr berichten. Der edle Krieger, dem ihr Herz gehört, sprach, als er mich entwaffnet: »Fürchte nichts; eh'r ließ den Sieg ich ungewiß, eh' ich das Blut, das sich Chimenen weiht', vergösse; doch da mich Pflicht zum König ruft, geh du statt meiner, ihr von diesem Kampf zu sagen, und bring das Schwert des Siegers ihr.« Ich kam, und dieser Umstand täuschte sie, denn, weil ich wiederkehrte, glaubte sie mich Sieger, und schnell verriet ihr Zorn laut ihre Liebe, mit solcher Ungeduld und Heftigkeit, daß ich unmöglich konnt' Gehör erlangen. Doch preis' ich mich, wenngleich besiegt, noch glücklich und freu' mich, büßt mein liebentflammtes Herz sehr viel auch ein, doch meiner Niederlage, die solcher edlen Liebe Glück verschönt. Erröte nicht ob deiner schönen Neigung, noch such sie zu verleugnen, meine Tochter; fruchtlos treibt edle Scham dazu dich an. Genügt hast du der Ehre, deine Pflichten erfüllt, versöhnt den Vater, denn du gabst so oft Rodrigo preis, um ihn zu rächen. Anders fügt es der Himmel! Da für ihn so viel du tatst, tu etwas auch für dich, und sträube dich nicht gegen meinen Willen, der dir einen geliebten Gatten schenkt. 8. Szene Achter Auftritt. Don Ferdinand. Don Diego. Don Arias. Don Rodrigo. Don Alonso. Don Sancho. Die Infantin. Chimene. Leonore. Elvira. Chimene, still die Tränen; ohne Trauer nimm hier aus der Fürstin Hand den Sieger. Sire, zürnt nicht, wenn mich vor Euren Augen Achtung und Liebe ihr zu Füßen wirft! Ich komme nicht, den Siegespreis zu fordern, ich komme, Euch aufs neu mein Haupt zu bieten; nicht meine Liebe falle ins Gewicht, noch Kampfgesetz, noch eines Königs Wille; wenn, was geschehn, zu wenig für den Vater – was soll ich tun? Noch tausend Nebenbuhler bekämpfen? Meine Taten zu den beiden Enden der Welt ausdehnen? Ganz allein ein Lager stürmen? Fliehn machen ein Heer? Den Ruhm der Sagenhelden überflügeln? Ist meine Schuld dadurch zu sühnen, wage ich alles, und werd' alles auch vollbringen! Doch, kann die stolze nie gebeugte Ehre der Tod des Schuld'gen nur besänftigen, so waffnet Menschenmacht nicht gegen mich. Hier ist mein Haupt – rächt Euch mit eignen Händen. Den Unbesiegten dürft nur Ihr besiegen! Nehmt eine andre unmögliche Rache, doch laßt den Tod genug der Strafe sein, verbannt mich nicht aus Eurem Angedenken, und, weil mein Sterben Eure Ehre wahrt, belohnt es, mein Gedächtnis zu bewahren; zuweilen, mein Geschick beklagend, sprecht: »Er wär' nicht tot, wenn er mich nicht geliebt.« Steh auf, Rodrigo! Sire, ich bekenne, zuviel sagt' ich, um jetzt zu widerrufen. Ich kann Rodrigos Tugenden nicht hassen, und das Gebot des Königs heischt Gehorsam. Doch könnt, wozu Ihr schon mich auch verdammt, vor Euren Augen Ihr dies Bündnis dulden? Und, zwingt Ihr meine Pflicht dazu, ist auch Eure Gerechtigkeit ganz einverstanden? Bedarf der Staat so sehr Rodrigos, muß ich Lohn für das sein, was er für Euch tut, mich ew'gem Vorwurf weihend, meine Hände mit meines Vaters Blut befleckt zu haben? Rechtmäßig machte oft die Zeit, was erst nicht ohn' Verbrechen möglich schien! Gewonnen hat dich Rodrigo – du mußt ihm gehören. Doch hat dich seine Tapferkeit auch heut erkämpft, mußt' Feind ich deiner Ehre sein, ihm seines Sieges Preis so früh zu schenken. Ein Aufschub der Vermählung hebt den Ausspruch nicht auf, der einst ihm deine Hand bestimmt. Ein Jahr mög', willst du, deine Tränen trocknen; indes, Rodrigo, führ die Waffen! Wie an unserm Strand die Mauren du besiegt, gestört ihr Trachten, ihrer Macht gewehret, dring in ihr Reich, sie dort jetzt zu bekriegen: Mein Heer führ an, verwüst ihr Land. Sie werden schon zittern bei dem Namen Cid. Herr nannten sie dich und werden dich zum König wählen. Doch bleib im stolzen Wirken stets ihr treu; kehr ihrer würd'ger noch, ist's möglich, wieder, und steig durch große Taten so im Wert, daß für sie ruhmvoll, sich dir zu vermählen! Was könnt' man mir gebieten, das mein Arm nicht möglich macht, Chimene zu besitzen und Euch zu dienen? Muß ich fern ihr weilen, ist hoffen dürfen , Sire, doch schon Glück! Auf deinen Mut hoff und auf mein Versprechen. Da der Geliebten Herz dein, überlaß ihre Bedenken zu zerstreun der Zeit und deiner Tapferkeit und deinem König!