Gottlieb Siegmund Corvinus (Pseud.: Amaranthes) Als er ihrentwegen einen schweren Traum hatte 1. Laß mich schlaffen / liebste Seele / Wilst du nicht zu frieden seyn? Daß ich mich am Tage quäle / Und mein Hertz viel tausend Pein Deinetwegen muß ertragen / Soll mich noch ein Schatten-Spiel Mit verliebten Träumen plagen? Engels-Kind! das ist zu viel. 2. Können doch verhaste Sclaven / Weil das Schiff vor Anker liegt / Bey der Nacht geruhig schlaffen / Ich allein schlaff unvergnügt / Auch die Nacht will mich nicht schützen / Denn mein Hertz erfährt darbey / Daß es muß erbärmlich schwitzen: Tag und Nacht ist einerley. 3. Wenn der überhäuffte Kummer Meinen schwachen Glieder-Rest Ja zuletzt in einem Schlummer Auf das Bette sinken läst / Schlaff ich doch auf Jacobs Steinen / Denn es wird mir bey der Nacht Gleich was in dem Traum erscheinen / Das sich Engeln ähnlich macht. 4. Ich darf zwar in Himmel steigen / Welcher deinen Schooß umschleust / Weil dein gütiges Bezeugen Mir im Traum die Leiter weist / Und geniesse Zucker-Leben, Das mir deine karge Hand Nimmermehr wird wachend geben / Denn du bist von Diamant. 5. Amor läst mich träumend siegen / Und ich seh der Palmen satt Auf der weissen Wahlstatt liegen / Die mein Arm erfochten hat / Und bey meinem süßen Schlaffen / Wenn sich Mast und Seegel regt / Läufft mein Schiff in deinen Hafen / Den die Venus angelegt. 6. Ich beschiff bey Sturm und Blitzen Deine neu erfundne Welt; Wenn die Wellen um mich spritzen / Und der Schaum ins Bette fällt / Land ich / eh ichs mich versehe An den Zucker-Insuln an / So / daß ich sie in der Nähe Halb entzückt besteigen kan. 7. Wenn ich mich in Träumen paare / Find ich keinen Widerstand Den ich offt bey Tag erfahre / Denn im Schlaff darf meine Hand Nach den Purpur-Muscheln greiffen / Die dein Ufer ausgesät / Ja ich darf noch weiter streifen / Weil mir alles offen steht. 8. Aber, ach! wenn ich erwachet / Sincket mir mein steiffer Muth / Ob ich gleich im Schlaff gelachet / Und es mir noch sanffte thut / Läst mich doch der Glaube lesen Der mir in die Hände kömmt / Daß mich nur ein schäumicht Wesen Bey den Träumen überschwemmt. 9. Meine Glieder saynd geschlagen / Und der ausgebrochne Schweiß Stehet / daß ichs kaum mag sagen / Auf dem Leibe Tropffen-weiß / Ich kan kaum die Lenden rühren / Denn die Geister seynd dahin / Noch mich aus den Federn führen / Weil ich matt und müde bin. 10. Drum / so stelle / liebste Seele / Künfftig hin dein Martern ein / Da ich mich am Tage quäle / Laß die Nächte meine seyn / Sich am blossen Schatten laben / Ist ein Eiß / das bald zerbricht / Was ich nicht soll wachend haben / Mag ich auch im Traume nicht.