[August Friedrich Cranz] Charlatanerien in alphabetischer Ordnung als Beyträge zur Abbildung und zu den Meinungen des Jahrhunderts Erster Abschnitt [Motto] Wer Ohren hat zu hören, der höre, und Wer eine Nase hat zu riechen, der rieche! Offenbah. Joh. Cap. 2, v. 7. Vorbericht Vorbericht. Es ist heute zu Tage Mode unter allgemeinen Rubriken allerley an den Mann zu bringen. Merkur de France, der teutsche Merkur, Por pourri vom Buchhändler Wever voll süßen Geruchs, Marionettentheater, worin die Quintessenz teutscher Genies den Liebhabern zu riechen gegeben wird – der Embrion, eines gelehrten Nachtstuhls den Herr H ... in seinem Kopf herumträgt und welchen der Verfasser der Gallerie der Teufel des nächstens mit prosaischen Diahreen füllen wird, um das ehrbare Berlinische Publikum nach Stand und Würden zu regaliren – eine Menge von Magazinen und d. gl. das sind lauter solche Niederlagen die den Apotheken gleichen, in welchen der eine bittre Tropfen, der andere Pillen zum purgiren, der dritte einen Schlaftrunk, und besonders in Provinzialstädten die Hanoratiores, Herz- und Geiststärkende Sachen in ihren Erquickungsstunden, genießen können. Selten ist unter so einer Rubrik mehr verborgen; als die Ankündigung von kurrenten Meßartikels, und die allgemeine Einladung über die Garküchen: Hier speist man nach Belieben. Ob der hier gewählte Titel: Charlatanerien mehr besondere Beziehung auf die Sachen hat, welche in diesem Werkchen dürften verhandelt werden; das überläßt der Verfasser der erleuchteten Beurtheilung des geneigten Publicums, indem er dasselbe der Charlatanerien zu Ehren bitter ihm mit Gnaden gewogen zu bleiben. Gegeben Berlin etc. Erster Abschnitt Erster Abschnitt. Abraham, war der erste in der heiligen Geschichte bekannte tartarische Fürst der eine herumstreifende Horde kommandirte, und das Recht aufbrachte der Befehlshaber von vielen Knechten und Mägden, und der Eigenthümer von Kameelen und Eseln, Ochsen und Schaafen zu seyn. Er regierte von Gottes Gnaden – durch Träume und Gesichte, mittelst welchen er den Willen des Himmels und das heilsame Regentenrecht bekannt machte daß ihm alle unterthänig seyn mußten die er bezwingen konnte, und die an seine Träume glaubten, daher er auch der Vater der Gläubigen genannt wurde. – Damals wurde es Mode, daß Fürsten die Höfe anderer Fürsten besuchten, und denen zu hoffiren, in deren Allianze man Ruhm und Vortheil suchte, wie Ihro Königl. Majestät weiblichen Inhalts, aus Saba in spätern Zeiten dem Könige Salomo die Visite machte, um seine Weisheit und – weltbekannte phisikalische Kraft zur Gründung eines Abissinischen Prinzen, auf die Probe zu stellen. Der erlauchte Tartarfürst Abraham mit allem morgenländischen Pomp eines arabischen Bettelprinzen gieng solchergestalt nach Egypten – ließ dem dortigen Könige die Schönheit seiner Sara sehen und in sein Schloß verabfolgen. Durch ein Mirakel kam sie unberührt und so keusch in die Arme ihres Mannes zurück wie alle gute Männer ihre schöne Gemahlinnen aus den Armen siegreicher Weiberhelden zurück zu erhalten gewohnt sind – wurde für das Vergnügen welches der bloße Anblick der liebenswürdigen Sara dem egyptischen Könige verschaft hatte, reichlich beschenkt und kehrte – als der erste durch die Geschichte verewigte Kupler mit Gold und Silber beladen zurück, um nunmehr seine Herrschaft auch für die Nachkommenschaft auf einen festen und dauerhaften Fuß zu setzen. Leider glich sein Zeugungsvermögen seinem regierungsfähigem Kopf nicht. Ein phisikalisches Hinderniß schien ihn untüchtig zu machen sich einen Erbprinzen zu verschaffen. Er entschloß sich also eine kleine Operation mit sich vorzunehmen und das Hinderniß wegzuschneiden. Die Geschichte übergeht mit Stillschweigen ob er dis aus eigner Ueberlegung oder auf den Rath eines Chirurgus aus Paris bewerkstelliget habe. Genung das Ding hatte Wirkung, zwar nicht bey seiner Frau die ihm zu sehr was Altes geworden war, um ihn zu einen solchen Effort zu animiren, aber bey der Kammerjungfer seiner Gemahlin deren blühende Jugend dem kältesten Greisen seiner grauen Haare vergessen zu machen fähig war, und Abraham hatte die Freude durch die duldende Beyhülfe der Hagar einen Sohn an dem Ismael zur Welt gebracht zu haben. Da er sahe daß die Operation so glücklich von statten gegangen war, und es eine Hauptmaxime seiner Regierung war, vor die Bevölkerung des Landes zu sorgen, so träumte ihm mehrern Nachdrucks wegen der Befehl des Himmels, alles was männlich war auf gleiche Weise schon in der zartesten Jugend zu operiren, unähnliche mögliche Hindernisse bey dem Zeugungsgeschäfte frühzeitig aus dem Wege zu räumen und stiftete die Beschneidung, welche bey seinen Nachkommen noch fortdauert bis auf den heutigen Tag. Sara durch das Beyspiel ihres fürstlichen Gemahls aufgemuntert, glaubte das Recht zu haben sich mit einem hübschen jungen Menschen zur Sicherung der Thronfolge auf eine gleiche Weise zu amüsiren, wie sich Abraham mit der Hagar amüsirt hätte, Einer hübschen Fürstin von 90 Jahren konnte es immer noch nicht fehlen einen jungen Galan in ihr Intresse zu ziehen. Sie koquettirte in dieser Absicht mit ein paar vorbeyreisenden fremden Cavaliers die keine Kostverächter seyn mochten, und liebäugelte mit einladenden Mienen hinter der Hausthür, so daß diese wohl sehen konnten, woran es der guten Frau vis à vis eines abgelebten Mannes fehlte – und diese Herren, nach einem nahrhaften Soupee, welches die Sara mit eignen schönen Händen appretirt hatte, thaten ein Uebriges, versprachen dem Abraham in ordnungsmäßiger Frist einen Sohn – und hielten Wort, indem seine Gemahlin auf eine eben so wunderbare Art von einem Sohn entbunden wurde, als in der Folge – manche Jungfrau durch die Ueberschattung und Einwirkung unbekannter Kräfte Söhne und Töchter gebohren hat. Abraham hatte solchergestalt einen Thronfolger – freylich wohl aus fremder Fabrike, aber das that damals nichts. – Er war immer ein Muster für folgende Regenten, sein Leben und seine Regierung war eine Kette religiöser und politischer Charlatanerien, aber sonst – ein verewigter Fürst und ein gar frommer Mann. Adel, ist ein schöner Jouvel, der aber seinen Werth und seinen Glanz von der Einfassung erhält. – Ein adeliches nackendes Fräulein deren Quartiere nicht in Gold gefaßt sind, bleibt meistentheils ein ungenoßnes Schaugericht – ein adelicher Junker ist eine Staatsnothwendigkeit welche für den civilsten Preis die Haut hergiebt, um die kostbare und reiche Einfassung des Bürgers zu schützen – kann zur Noth, bloß von der Ehre leben. Nachgerade fängt der Adel an vieles was seiner ursprünglichen Natur anklebt für Charlatanerien anzusehen – die Mesallianze, zum Exempel wenns auf die Entscheidung der wichtigen Frage ankommt; ob Pasteten oder Erdäpfel besser schmecken? Advokat, ist eins von den zweydeutigen Dingen in der jezt lebenden Welt, woraus man nicht weiß was man damit machen soll. Zur Zeit ihrer blühenden unangefochtenen Herrschaft wurden sie zu dem Geschlecht der Blutygel gezählet, zu welchen die Patienten aus Noth ihre Zuflucht nahmen und sich freywillig aussaugen ließen, um sich in anderweitigen Nöthen Hülfe zu verschaffen. Im Ganzen passirten sie für Ränkeschmieder, für Rechtsverdreher, für Gewissensmörder und am gelindesten beurtheilt, für ein nothwendiges Staatenübel. In der jetzigen kritischen Epoke ihrer beschlossenen Abschaffung finden sie Partisans, welche sie nur von der nützlichen Seite betrachten und Vertheidiger, welche denen bisher im Nimbus von Würde gehüllten Richtern dasselbe Schicksal auguriren, mit welchem bisher die Advokaten dem bösen Geschrey allein ausgesetzt waren. Im Grunde betrachtet, ist der beste Advokat seiner Vorschrift gemäß ein Künstler, der die Sache seiner Parthey und hängenswerthe Fakta so zu drehen und in ein so vortheilhaftes Licht zu setzen versteht, daß sie ein gesetzmäßiges Ansehn gewinnen und dem Richter Mühe machen nach ihrer wahren Lage beurtheilt zu werden. Es geht ihnen wie allen Sterblichen, die bey Leibes Leben jedem Tadel ausgesetzt waren, bey ihrem Tode aber nie an Leichenrednern zu kurz kommen, welche aus Sündern Heilige machen. Armee. In der Kindheit der Könige waren es Träume, Engelerscheinungen, unmittelbare göttliche Befehle, Propheten und wahrsagende Opferpriester durch welche das Volk in Respekt gehalten wurde – dergleichen Charlatanerien werden jetzt von großen Regenten nicht gebraucht, weil eine gute Armee dieselben Dienste verrichtet. Die bessere Einrichtung des Militairs hat der Propheterey und Priesterschaft überhaupt Schaden gethan. Ehedem hieng die Sicherheit des Landes und der Erfolg des Kriegs meistens von dem Orakelspruch eines Begeisterten, irgend einer Hexe, von Fasttagen und vom mistischen Aufheben heiliger Hände ab. – Eine preußische Armee macht andere Manövers und hat andere Triebfedern – sie muß stehen, schlagen und siegen, und seitdem das Pulver und schwere Geschütz erfunden ist, wird die ganze Armade der Vorwelt nur noch von Antiquitätenkrämern kultivirt. Arnold. Ein in der Kirchen- und dermalen auch in der Justitzgeschichte berühmt gewodener Name. Der letzte ein Müller seines Handwerks, gab als eine kleine Ursach zu großen Wirkungen Anlaß – wie denn kleine Dinge mehrmalen zu großen Revolutionen Gelegenheit gegeben haben. Das verarmte ohnmächtige Wässerchen was seine Mühlräder nicht treiben konnte, spühlte einen Großkanzler von seiner Stelle und erhielt Kraft durch das allmächtige Wort des Königs einen neuen Chef der Justitz herzuführen – es fuhr wie eine Sündfluht durch die Krümmungen der Rechtsgänge, daß die Advokaten ersoffen und der alte Codex dem Herkulanum gleich zu Grunde gieng. – Wenn Maria zu Bethlehem nicht im Stalle und in der Gesellschaft, wie geschrieben stehet, akouschirt hätte, so würden wir hiesigen Orts noch den Jupiter, oder die Irmensäule verehren, und wenn Arnolds Mutter abortirt hätte: so wäre der jetzige Justitzministre von Schlesien noch Präsident in Cleve. Arzt. Der Leibes sowohl als der Seelenarzt, nährt sich seiner Profession so gut er kann – und keiner von beyden bewirkt durch seine graduirte Charlatanerien mehr als daß er seine Patienten dahin begleitet, wohin sie auch ohne ihn kommen würden. Sonst hat der Leibesarzt das Privilegium Leute ungestraft zu tödten und der Seelenarzt das Recht Schwärmer, Narren – und auch Bösewichter zu machen wenn er Lust hat, ohne daß ihm jemand, wenn er von Amtswegen Sottisen fabelt, was sagen darf. Ballhorn. Siehe den Artikel von Reformationen, bey welchen die Verbesserungen durch Johann Ballhorn öfter vorkommen als man glauben sollte. Bankeroutier, ist Generis Communis. Ein Bankeroutier der sich reich fallirt hat ist ein ehrlicher, ein kluger und angesehner Mann. Derjenige aber der nicht so viel gerettet hat um die bey der Behandlung vorkommende gerichtliche Commissionskosten zu bezahlen und offene Tafel zu halten – der alles hingiebt was er hat und in dem Grade zu kurz kömmt, daß er Niemand mehr eine Güte thun kann – ist ein Betrüger, der nach dem Bankeroutier-Edikt behandelt werden muß. Beelzebub, ist dermalen ein geschlagener Mann der von niemand mehr geachtet wird, weil er alle seine Kraft verlohren hat. Priester und Leviten dürften groß Leid um ihn tragen wenn er gänzlich Todes verfahren sollte. – War weiland das Schrecken der Kirche gegen welchen der Clerus für hohen Sold diente, um die Gläubigen gegen diesen Popanz zu schützen. Bibel, hat von Jahrhundert zu Jahrhundert erstaunliche Veränderungen erlitten. Vor grauen Zeiten machten die beyden steinernen Gesetztafeln die ganze Bibel aus. Sie wurde in ein Kästchen aufgehoben, welches die jüdischen Priester allein ansehen und anrühren durften. Bisweilen dürfte auch das Volk dieses Heiligthum ungestraft für sich hertragen sehen, welches die Wirkung hatte; Mauren und Thürme einstürzen zu machen, wenn die Priester unter Trompeten- und Pauckenschall damit um eine Stadt herumzogen, welche in Ermangelung des schweren Geschützes nur durch ein Wunderwerk erobert werden konnte. Bisweilen war dies Heiligthum denen heidnischen Völkern nicht so fürchterlich, es ließ sich selbst erobern und von den Phöniziern gefangen wegführen, welchen es erst alles gebrannte Herzeleid anthat, nachdem sie diesem vornehmen Gefangnen die Ehre erwiesen, ihn in ihrem Tempel einzuquartiren. Die Phönizier kamen indessen bey dieser Geschichte noch gut genug weg, indem sie bloß Schmerzen im Hintern, und einige Hemorroidalzufälle davon trugen, und während der Zeit, daß sie die Bundeslade bey sich hatten, eine Menge Mäuse durch ein wahres Wunderwerk sich das Korn auf ihren Feldern gut schmecken ließen. Aber das heilige Volk und die Verehrer der in der Bundeslade verwahrten Bibel, kamen übler an, indem die Leute bey Tausenden von dem ungefehren Anschauen dieses Heiligthums starben, wie denn auch den ehrlichen Usa augenblicklich der Schlag rührte, als der Wagen worauf die Bibel transportirt wurde, umwerfen und er zugriff und halten wollte, ohngeachtet die Unbeschnittenen solche ungestraft hatten anfassen und aufladen dürfen. An dieser ursprünglichen Bibel, welche in den zehn Geboten bestand, und anstatt nach heutiger Manier eingebunden zu seyn, damals in einen schön gearbeiteter Kapsel aufgehoben wurde; war es eine Haupteigenschaft, daß sie Wunder that, unter ihren Verehrern den Tod wie die Pestilenz um sich her schleuderte, von ihren feindlichen Verächtern sich aber mehr als einmal rauben ließ, ohne ihnen Schaden zu thun. Nach der Zeit wurde die Bibel auf mannigfaltige Weise vermehrt. Die Predigten und Bücher der Propheten wurden hinzugefügt und die Partikulair Geschichte des jüdischen Volks oder einzelner Personen derselben mit einverleibt. Das schöne Gesangbuch was unter der Regierung Davids von dessen Hofpoeten Assaph komponirt wurde und welches man beym Tempeldienst gebrauchte, wurde dazu gerechnet. Die philosophischen Werke und das verliebte Brautlied von dem königlichen Verfasser Salomon vermehrten die Bibel; so wie zu hoffen steht; daß in der Folge die Bücher der Churfürsten von Brandenburg und der Könige von Preußen, desgleichen die herrlichen philosophischen Schriften des Nordischen Salomo 1 zu Sanssouci, auch noch zu den kanonischen Büchern unserer Bibel werden gerechnet und dem Inhalt eine mistische Bedeutung wird beygelegt werden, um eine geheime Abbildung der Kirche daraus herzuleiten, als welches unsern Nachkommen eben so erbaulich werden kann wie uns das schlüpfrige Hohelied Salomonis, sobald wir Talent genug haben alles im geistlichen Sinne zu fassen. Auch das mit vielem Witz eingekleidete lehrreiche Romanchen vom Hiob, den der Teufel, nachdem er deshalb eine speziale Conzession aus der Staatskanzley des Himmels ausgebracht, gar jämmerlich gemißhandelt hat, wurde für ein würdiges Stück der Bibel auf- und angenommen, gleichergestalt als die erbauliche Ehestandsfarce vom Tobias, bey dessen Heyrathsgeschäfte Himmel und Hölle in Bewegung geriethen, und der die ächte Wundergabe besaß an der Seite eines hübschen Mädchens seine Zeit mit Beten zuzubringen, welches denn doch bey alledem heute zu Tage manchem blutsauer werden dürfte. – Die fromme Heldengeschichte der Judith, die aus patriotischem Eifer und mit Anrufung göttlicher Hülfe alle Toilettenkünste anwandte um den feindlichen Feldherrn in sich verliebt zu machen, ihn zum Beyschlaf zu reizen und ihm die Kehle abzuschneiden – auch die Künste des frommen Mardachai, welcher seine Pflegetochter Esther bey einem heidnischen Könige anbrachte, um – wie's noch jetzt bisweilen zu geschehen pflegt, sich durch diesen gemeinen Kanal zur Würde eines Staatsministers zu erheben, und letzlich die erbärmlichen Kriegsnachrichten von den Mackabäern – all dergleichen Schmiralien erhielten sich Jahrhunderte hindurch bey dem hohen Rang einer Bibel, oder des darunter verstandenen Buchs aller Bücher, welchem eine solche Vortreflichkeit beygelegt wurde, daß seine Ahnen und Abkunft – wie die Fabeln der Griechen aus dem Himmel selbst hergeleitet wurden. Es muß unter den Juden eine gar klägliche Litteratur und Kritik geherrscht haben, um den meisten der obgedachten Autoren so viel Ansehn zu verschaffen, welche, das Davidische Gesangbuch ausgenommen, von unsern heutigen Rezensenten gar gräulich würden gemißhandelt werden, wenn sie jezt so unmoralisch und so abentheuerlich ans Licht treten sollten. Selbst die an sich richtigen Sittensprüche eines Salomon; eines Sirach und des Verfassers des Buchs der Weisheit, würden heute zu Tage kein Quartier mehr bekommen, wenn sie nicht mit mehr systematischer Ordnung zusammen kompillirt würden. Ungefähr im zweyten Jahrhundert nach Christi Geburt erschien der zweyte Theil der Bibel mittelst etlicher achtzig Evangelien oder Lebensbeschreibungen von Jesu, welche aus der mündlichen Tradition seiner Schüler und deren weitern Erzählungen gesammlet waren, woraus die Kirchenlehrer viere erwählten, die uns überliefert worden sind, und die übrigen als unächt verwarfen. Diesen Erzählungen, die durch die dritte, vierte und fünfte Hand, oder durch noch mehrere Hände gegangen und nach ein paar hundert Jahren doch wohl vor hinlänglich berichtiget gelten konnten, wurden die Ermahnungsbriefe welche die Apostel an ihre neubekehrte Gemeinen geschrieben hatten, zugesetzt, von einem schwärmenden Priester die Apokalypse beygefügt und so ein zweyter Codex dem alten angehangen, welcher nunmehr nach den Aussprüchen der bewährtesten Kirchenversammlungen, die vollständige Bibel ausmachten. Doktor Martin Luther war der erste, der nach etlichen Jahrhunderten diese Bibel in seine Betrachtung nahm und gegen das Ansehen der Kirche des Pabstes und der Concilien dieses Heiligthum naher prüfte, feilte, und eine ziemliche Parthie von der Bibel, unter dem Titel apokryphischer Bücher in Abgang brachte. Nach ihm forschten mehrere die Echtheit dieses Korans der Juden und Christen nach, ohne den Muth Luthers zu haben und mehr Stücke abzuschneiden, bis endlich Semmler die Apokalypse rein kassirte und gegen andere Bücher und einzelne Stellen solche Bedenken vorbrachte, wodurch das übriggebliebene Ganze wenigstens aufhörte Bibel, oder ein unmittelbar eingegebenes Werk des heiligen Geistes zu seyn, gegen welchen in qualitate qua ein großer Theil Theologen, ohnedem schon vieles einzuwenden hat. Die Bibel ist noch immer da, aber als Bibel hat sie nur insofern gegolten, als nach verschiedenen Einsichten die Theologen ihr eine weitere oder nähere Bestimmung gegeben haben. Sie sollte die Stütze der Theologie seyn, genau erwogen aber ist's die kunstmäßige Theologie welche die Bibel unterstützt – Sollte diese Wissenschaft und das Metier der Geistlichkeit einmal aufhören, so dürfte dieses verehrte Heiligthum der Kirchen, welches unter willkührlichen menschlichen Bestimmungen so vielen Veränderungen unterworfen gewesen ist, am Ende gar in Abgang kommen. Die verschiedenen Anwendungen dieses Buchs als Quelle so mannigfaltiger Systeme und Glaubenspunkte betrachtet, wird unter der Rubrik Religion näher in Erwägung gezogen werden. Bischof ist eins von den ausgearteten Früchten der christlichen Kirche – seinem Institut nach vor seine Person ein unsträflicher Mann in Sitten, der sich wie andere gute Staatsbürger ordentlich verheirathete, Kinder zeugte und ihnen eine so gute Erziehung gab, daß sie vorzügliche Beyspiele wurden, nach welchen auch andere Leute dem Staate nützliche und brauchbare Glieder bilden konnten – ein Bischof war der Sittenaufseher in seinem Sprengel und das erste Muster der Mäßigkeit, der Keuschheit und eines ganz tadelfreyen Wandels. Heut zu Tage ist ein Bischof ein ganz ander Ding geworden – ist Besitzer von Fürstenthümern, hält Soldaten, Leibhusaren und Fußgarden, hat einen glänzenden Hofstaat, Cammerherrn und Pagen – heirathet nicht, sondern behilft sich mit Maitressen, amüsirt sich mit Comedien, mit Jägern und Jagdhunden, trinkt den besten alten Rheinwein, bekümmert sich um keine altbischöfliche Realität und begnügt sich mit der Charlatanerie der Tonsur und an hohen Festtägen in Pontifikalibus dann und wann eine Messe zu lesen. Bramarbas, karakterisirt die Bravour solcher Helden, die nicht lieber von Angriffen reden oder Angriffe wagen als wo keine Gefahr ist. Junge Titulaturhelden die erst kürzlich von der Amme gekommen sind und noch kein Pulver gerochen haben – müssen doch den Degen gebrauchen lernen. Dis pflegen sie meist an dunkeln Abenden und gegen solche Personen zu versuchen die keinen Degen tragen, und von welchen, wenn sie von hinten angefallen werden, kein Widerstand zu erwarten ist. – Wahre militairische Tugenden, Tapferkeit, Klugheit und Menschengefühl verdienen, wo man sie findet, die vorzüglichste Achtung, aber die militairischen Charlatanerien falscher und am unrechten Ort angebrachten Bravouren gleichen denen Neckereyen der Schulknaben auf welchen gemeiniglich die Ruthe erfolgt. Schade um unser gesittetes Jahrhundert was solcher Anmerkungen noch nöthig hat! Busenfreunde. Es gehört zu den nothwendigen Charlatanerien in der grossen Welt, daß so ziemlich ein jeder seinen Busenfreund habe. Die warme Sprache der neuern Dichter unsers lieben Teutschlands erfand diesen Ausdruck der noch kein Mannsalter erreicht hat, und an der Stelle des Herzensfreundes gesetzt ist, welcher letztere in uralten Zeiten bloß ein guter Freund war, der nun gar nicht mehr als bloß im uneigentlichen Verstande gebraucht wird. Denn, guter Freund! sagt man jetzt sehr oft wenn man aus Ueberfülle einer mitleidigen Verächtlichkeit jemanden über seine Seelenschwäche das Compliment, daß er ein leichtgläubiger Narr sey, versilbern will. Bloß in der dritten Person ist es noch gebräuchlich wenn man sich der nähern Vertraulichkeit mit einem Manne rühmen will, den man kaum kennt, zu sagen: Es ist mein guter Freund. Auch ist es im Briefstiel eine Titulatur geworden deren sich Vornehmere bedienen wenn sie einen Bauer oder geringen Handwerker prellen wollen. So schrieb z.E. ein gewisser Departements- Baurath an einen Landesherrlichen Pachtbauer: Guter Freund! Mir ist von eurer Frau vorgetragen worden, daß ihr euer Wohnhaus gern reparirt und erweitert, auch neue Fenster mit großen Aufschieberahmen haben möchtet. Nach der Verfassung und Instruktion könnte ich euch damit nicht eigentlich auf den Etat bringen, da nicht einmal die nöthigern Bauten und Reparaturen in diesem Jahr bestritten werden können, allermaaßen noch viele Scheuren und Ställe, deren Dächer in einem schlechten Zustande sind und das Einregnen nicht verhindern, gebessert werden können. Weil ihr aber sonst ein ordentlicher Mann seyd; so will ich diesmal ein Uebriges thun. Sendet mir doch gegen der Einschlachtzeit ein fettes Schwein und ein gutes Fäßchen Butter, ich will es bezahlen wenn ich das Departement bereisen und den Anschlag von der Reparatur eures Hauses und von denen großen Schiebrahmen der neuen Fenster machen werde. Ich verbleibe euer dienstwilliger Erdenkloß. Auf solche Weise wird der gute Freund gebraucht, aber mit dem Busenfreunde hat es eine andere Bewandtniß. Dieser gilt unter Leuten welche mit gesammter Hand eine Spitzbüberey ausüben wollen, oder sonst ihr gemeinschaftliches Interesse inter pares haben. Alles läßt sich nicht so durch eigne Kraft ausführen, und dieserhalb muß man so seine Leute haben mit denen man sich versteht, und wo eins des andern Absichten befördert, als welches die eigentliche Busenfreundschaft ausmacht, welche in allen Ständen unter Leuten von Distinktion statt findet. Auch Dichter und Schriftsteller die sich durch gelehrte Rezensionen einander loben, sind Busenfreunde. – Wieland und Jakobi z.B. – Es ist ein besonderes Talent solchergestalt Busenfreund zu seyn und eine Gabe, wodurch der Verfasser dieser Charlatanerien sich eben nicht bekannt gemacht hat, und daher auch schwerlich unter den Rezensenten, oder sonst durch die Ausgabe dieses Werks, sich viel Busenfreunde erwerben dürfte. Wer übrigens in einem noch eigentlichem Verstande der Busenfreund irgend einer schönen Dame ist, vorausgesetzt, daß solche in den jetzigen nahrlosen und magern Zeiten einen Busen von Extraktion hat; der pflegt zugleich auch ein Freund des Hauses zu seyn, wobey aber zu merken ist, daß man einen sehr guten Magen haben muß, um ohne die allerkräftigsten Stomachalien, so einen Freund des Hauses verdauen zu können. Buhlen, ist ein ungeziemender Ausdruck in der guten Gesellschaft, der bey Leuten von Ton gar nicht im Gebrauch ist. – Die Sache selbst geht noch ehr an, und man dürfte sehr wenig Leute von Stande und von feiner Lebensart antreffen, die ohne Buhlschaften fertig werden können. Cammergericht zu Wetzlar, ist ein langsam verzehrendes Gericht Gottes im H.R. Reich, welches wie ein schleichendes Fieber die Lebenssäfte aussauget. Vor einigen Jahren wurde ein scheinbarer Versuch gemacht es zu kuriren. Die Sonde der Visitation ging aber nicht auf den Grund, weil man das geheime Commerzium welches mit den Sentenzen getrieben wird, hätte entdecken können. Wenn man eine feile Weibsperson wegen des Gifts, mit welchen sie andere infizirt, zu genau examiniren sollte; so würden auch diejenigen bekannt werden, welche eine solche Person auf eine unzüchtige Weise gemißbraucht und infizirt hätten, und das finden die Visitatoren nicht immer rathsam. Cammergericht in Berlin, ist derjenige Gerichtshof in den preußischen Staaten wo es ganz ehrlich zugeht, und wo seit Menschendenken keine Klage über Ungerechtigkeit obwaltet hat. Cammern, (Kriegs- und Domainen-) sind der Seegen des Landes, welche die Landesherrliche Revenües verwalten und das Wohl der Unterthanen beherzigen. Sie haben die Kraft des Elias, der in dem Oehlkrüglein der Wittwe zu Zarpath das heilige Oehl eines ewigen Pluß erhielt, dergestalt daß jedes Mitglied wie vorbemeldter Elias mitgeniessen und fett werden kann, ohne daß das Mehl im Cad verzehret würde, oder dem Oehlkruge etwas mangelte. – Es wird viel Papier in den Cammern konsumirt. Canzeleyen, sind nicht mit bloßen Automaten besetzt, die das Verdienst bloß in den Fingern hätten – Könnten der Verwandschaft wegen immer mit denen Zeitungscomtoiren kombinirt werden. Canzler, (Groß-) muß kein Mann seyn der bloß mit der Scheere umzugehen weiß, um die unbeschnittenen Bogen Papier die ihm zu Händen kommen zu beschneiden – er muß nicht bloß auf das Dekorum sehen, ob etwas an der Kleidung fehlt – sondern auf den Mann der in der Kleidung drin sticht. Der wahre Künstler beschäftigt sich mit den Rädern und mit den wesentlichen Stücken, wodurch die Uhr in ihren richtigen Gang gesetzt wird – das Gehäuse und die Verzierung ist bey einer guten Uhr nur eine Nebensache, nur Objekt der Aufmerksamkeit des Ganzen wegen, und wenn die Hauptstücke in Ordnung gebracht sind. Canzel, hat das Vorrecht der vormaligen lustigen Personen an Fürstenhöfen, die selbst nach den Reichsgesetzen denen großen Herren zu halten, erlaubt wurden. – Das wichtige Vorrecht, daß jeder Einfall ohne Widerspruch herausgesagt werden kann. Was von der Canzel herab gesagt wird, soll unwidersprechlich wahr seyn – beynahe aber wird von jeder Canzel herab, ein ander Glaubenssystem gelehret. Es ist damit fast wie in den hiesigen Speisehäusern, im englischen Hause speißt man Roßbief, bey Madame Rüffin haut Gout a la Franzoise und bey andern hat jeder seine eigene Manier – wie's einem behagt und schmeckt so kann er bedient werden, mit gewürzten und mit kahlen Speisen, desselbigengleichen in Predigten wie man's haben will, mit oder ohne Erbsünde und so fort an. – Carakter. Weise und gescheite Leute gehen bisweilen mit ihrem Carakter eben so geheimnißvoll zu Werke wie manche mit ihren Reichthümern, welche sorgfältig verborgen werden, um sie zu seiner Zeit zu nutzen nicht aber damit zu prahlen. Narren kramen beydes gern aus, und lassen dadurch ihren Carakter eben sowohl als ihr Vermögen von andern nutzen. Wer klug ist wird nicht voreilig seyn den Carakter eines andern klugen Menschen frühzeitig zu beurtheilen. Der auf seine Scharfsinnigkeit eingebildete Thor urtheilt geschwind und betrügt sich immer. So lange ein gescheiter Kopf keine weitere Absichten hat, macht er aus seinem Carakter, sonderlich wenn er gutherzig und lustig ist kein Geheimniß, und ein offengelegter Carakter, auch wenn er unruhig und mit jedermann Händel zu suchen scheint, ist nie gefährlich, sobald er sich aber in einer Franziskanerkutte verbirgt, kann man sich vor ihm hüten. Pabst Sixtus der V. hob sich mit seinem unverschleyerten lebhaften Carakter unter tausend Kalamitäten nur bis zur Würde des Cardinals Mondaldo, machte sich bis dahin eine Menge Feinde und Widersacher, als er aber Pabst werden und den Namen des Erschrecklichen verdienen wollte, um seine Gegner zu züchtigen; da verleugnete er funfzehn Jahre lang seinen wahren Carakter, sah aus als ob er nicht fünfe zählen könnte, war demüthig, bescheiden und fromm, schien auf die Welt, von der er ganz abgesondert lebte, für welche er aber ganz im Verborgenen sehr helle Augen hatte, völlig Verzicht geleistet zu haben, gieng gebückt an seinem Stabe und suchte nicht wie die Leute glaubten das Grab, sondern Petri Schlüssel, übte aber nachher die weise Regel aus, jedem Kleffer, den er gestreichelt hatte, für jede Caresse, ein Dutzend Streiche zu geben, sobald er war, was er unter seinem so lang verstelltem Carakter zu werden gesucht hatte. Es giebt eine Menge Menschen ohne Carakter, wer aber einen Carakter hat wird unter demselben vor seinem Ende selten anders als schief beurtheilt werden. Das Bestreben der meisten die der Welt einen Carakter vorgaukeln wollen; ist eine Charlatanerie, womit sich nur die Einfältigen betrügen lassen – der Vernünftige denkt sein Theil. Charlatanerien, unter dieser Rubrik gehören alle politische, theologische, gelehrte und kunstmäßige Gaukelspiele die wie lauter Wichtigkeiten aussehen und wo nichts dahinter ist. Charlatanerien machen meist die Atmosphäre aus, in welcher Fürsten und regierende Herren athmen. Sie heißen sonst in der gemeinen Sprache blauer Dunst und wenn der Fürst sich dem Teufel ergeben wollte, so kann er den blauen Dunst nicht vertreiben, der seine Augen umgiebet. Zu seinem eigenen Heil hat's ein jeder gar zu nöthig dem allergnädigsten Herrn etwas vorzumachen und der Stoff zu dem Luftgewebe wird immer aus des Fürsten eignen Fabrik, worin er seine Intentionen bearbeitet, entlehnt. Im Grunde sind's Schattenrisse die das Profil von der allerhöchsten Willensmeynung darstellen, deren gröste Realität darin gesetzt werden kann, daß sie exactis sine factis constiren und ohngefehr eben so zuverläßig sind, als die physionomische Behauptungen des ehrlichen Lavaters, der einem jeden aus der eingesandten Silhouette so viel vorlügt als er verdauen kann. Etwas muß der Fürst für gute Bezahlung doch haben, weil die neugierige Jungfer ihr Geld der schönschwatzenden Zigeunerin nicht umsonst geben will, und beyde erhalten – Charlatanerien – Siehe den Artikel von Protokollen, Berichten, von genauen Tabellen und Ursachen von Plus und Minus etc. Charlatanerien sind unter andern auch solche Cabinetsmünzen welche unter den großen Herren zirkuliren um sich einer dem andern zu bezahlen – haben meist nur den Werth der Scheidemünze deren Silberglanz das geringste Lüftchen wegwehet. – Siehe den Artikle von persönlicher Affektion und Freundschaftsverträgen ohne anderweitiges Staatsinteresse – Von Hoftrauer etc. Gelehrte Charlatanerien gehörten sonst auf Universitäten und auf dem Catheder zu Hause, faßten die Disputierkunst in sich, das Examen, die Promotionen u.d. gl. Jetzt findet man solche in den Tabagien, in denen kleinen Zirkeln der Journalen- und gelehrten Zeitungsleser, in welchen die meisten etwa durch Inspiration der allgemeinen deutschen Bibliothek ihr gelehrtes Urtheil mit dem entscheidenden Ton fällen, als wenn sie die Sachen selbst durchgedacht hätten. Theologische Charlatanerien – – parturiunt montes nascitur ridiculus mus – – sie haben noch immer den Vortheil, daß sie manchem ehrlichen Manne der nichts weiter gelernt und sonst guten Appetit hat, ein ruhiges Stückchen Brodt verschaffen. Rechtliche Charlatanerien sind sehr ernsthaften Inhalts, indem man mittelst derselben seine Ehre und Vermögen auf noch ungewissern Carten riskirt als im Farospiel – der Vortheil vom einfachen Satz, Paroli und la Paix di Paroli machen zu können, macht das Risiko nur um so viel stärker. Es verhält sich mit allen Charlatanerien – vielleicht auch mit diesem so betittelten Werkchen, wie mit allen apokryphischen aber currenten Münzsorten, das Gepräge macht ihren Werth, sie gelten bis zur nächsten Reduktion, thun aber bis dahin ihre Dienste, maassen man immer gutes reines Gold und ein bleibendes Capital dafür einwechseln kann, als weshalb mir am jüngsten Tage, bey seiner Wiederauferstehung der zu seinen Vätern versammlete Ephraim das glaubwürdigste Zeugniß nicht versagen wird. December der 11te möchte immer für Kinder und Kindeskinder zum allgemeinen Buß- und Bettage angeordnet werden, damit männlich sich seiner Sterblichkeit und Demuth erinnere und der für die Adventszeit schickliche Text, über welchen einstweilen ein gewisser Johannes gepredigt haben soll, in Erwägung gezogen werden möge: Was hoch ist soll erniedriget und was niedrig ist soll erhöhet, was uneben ist soll gleich, und was krumm ist gerade gemacht werden. Es ist immer ein Tag überaus reich an erbaulichen Betrachtungen, an welchem über die Worte: habt Gerechtigkeit lieb ihr Regenten auf Erden, auf eine eben so furchtbare Weise zur Vertreibung aller rechtlichen Charlatanerien gepredigt wurde, als ehedem das Gesetz Mose vom Berge Sinai herab donnerte, daß denen die es höreten die Haare zu Berge stunden. Wahr ist's daß nicht alles gerade, gleich und recht ist, was rechtlicher Weise und nach dem rezipirten modo procedendi entschieden wird, aber wahr ist es auch, daß oft dem Teufel – und auch dem verschriehenen rechtlichen Verfahren Unrecht geschiehet. Daher kam es auch, daß im verflossenen Jahre alle Klagen gegen die Gerichtshöfe ohne Unterschied so willig angenommen, in diesem Jahre aber die unnützen Beschwerführer unter dem löblichen Regiment von Kowalsky gesteckt wurden. Am 11ten December des vorigen Jahrs predigte indessen nur der Vorläufer des Messias: thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbey kommen. Jetzt bey der ersten jährlichen Gedächtnißfeyer dieser Predigt befindet sich das Himmelreich einer neuen Justitzordnung unter der Presse, welches wir mit aller Erwartung der Juden auf den Messias, des nächsten näher kennen zu lernen, die Ehre haben werden – und gebe Gott zum lieben neuen Jahre, daß alle Charlatanerien dadurch aufgehoben, und die Chikane wirklich ihr Grab finden möge! Dedikation, ist eins der wesentlichsten Stücke eines Buchs. Es verhält sich mit den Dedikationen wie mit den lobrednerischen Leichenpredigern, welche indem sie ihren Gegenstand bis in den Himmel erheben, sich selbst Ruhm und Beyfall zu erwerben suchen, auch von der Dankbarkeit der theilnehmenden Familie noch wohl reelle Vortheile erwarten. Das lesende Publikum überschlägt mehrentheils die Dedikation ohne solche zu lesen und der Gönner überschlägt mehrentheils das Buch und liest nur die Dedikation. Meinen Charlatanerien habe ich eine Dedikation nicht wollen fehlen lassen, damit sie mittelst dieses wesentlichen Kenntzeichen eines Buchs, nicht das Ansehen eines Buchs, entbehren mögen. Ich setze aber meine Dedikation nicht voran, sondern in der Mitte, weil sie mehr bestimmt ist, daß sie das Publikum als der hohe Gönner lesen soll, an den ich sie richte. Ruhm und Beyfall ist der Zweck nicht, den ich dabey beäuge – und beyde Stücke dürften überhaupt auch wohl nicht der Erfolg seyn, der dieses ganze Werkchen krönen wird. Wenn es Gönner und Mißgönner aber übrigens gut bezahlen, so will ich auf alle anderweite Absichten welche bey Dedikationen und Büchern in Betracht gezogen werden, allenfalls wohl Verzicht thun. Also ohne weitere Umschweife: Dem Hochwürdigen und Hochgelahrten Herrn Herrn Magister Spitzbart, Verfasser des Ideals einer vollkommenen Schule . Mein Herr, Sie gehören unstreitig zu der Zahl der Charlatanen unserer Zeit, welche von der modischen Geniesucht hingerissen, die Fesseln des gemeinen Denkens abwerfen, die bisherige Ordnung der Dinge umkehren, und uns mit neuen Welten zu beschenken, den rühmlichen Eifer haben. Die alte Welt, ich muß es freymüthig bekennen, hat zu lange gestanden, um nicht, von welcher Seite wir sie immer betrachten mögen, baufällig und unbrauchbar zu werden. Selbst die Klagen über das Alterthum so vieler sonst in Ehren gehalten gewesenen Dinge, sind schon alt geworden, ohne daß sie viel Neues oder etwas Besseres zur Welt gebracht hätten. Da geräth nun auf einmal der Reparationsgeist über die Menschen. Es ist als ob die Genies vom Himmel herabschneyeten, und die Menge dieser großen Geister rotten alles was ihnen aufstößt mit Stumpf und Stiel aus, liefern uns statt der alten eingerissenen Gebäude, neue schöne Risse und Ideale, ohne die Kraft zu haben, neue, bessere und vollkommenere Gebäude aufzuführen. Sie, mein lieber Herr Magister Spitzbart, entwarfen das Ideal einer vollkommenen Schule, wurden berufen dieses herrliche Ideal zu realisiren und machten sich blutlächerlich, daß sie endlich unter der Last der Schande, die ihr Genie durch Nachjagung der Ehre über sie brachte, krank wurden und sterben mußten. Solchergestalt nahmen Sie ein Ende, wie es einem Charlatan eignet und gebühret. Welches Modegenie wird nicht bey ihrem Tode mit Bileam, der sich durch seinen redenden Esel berühmt gemacht hat, ausrufen: Meine Seele sterbe des Todes dieses Gerechten! Dis würde gewiß geschehen wenn jeder Erfinder solcher vollkommenen Ideale, zur Ausführung seiner Projekte angeordnet würde. Ich werde allen Fleiß anwenden um die alten Charlatanerien merkbar zu machen und aus dem Wege zu räumen, um neuen Charlatanen Platz zu machen, ihre vollkommene Ideale an der leeren Stelle zu setzen, und Ihnen mein Herr Spitzbart, durch Erweckung einiger Dutzend Dummbärte würdige Nachfolger zu verschaffen, als in welcher Absicht ich Ihnen zu Ihrem Trost das Register dieser Charlatanerien in Ihrer Grube nachsende, um Sie zu überzeugen, daß Sie nicht der einzige Charlatan waren, der in dieser bösen Welt das Unglück hatte mit seinem Ideal ausgelacht zu werden. Ich bin mit vieler Aufmerksamkeit Der Verzeichner der Charlatanerien, dem aus seiner Schuld keiner entwischen soll. Dringende Bitten, drängende Noth und was dem ähnlich ist, werden von den meisten Menschen die zum Erwägen bestellt sind, wie Kleinigkeiten angesehen. Dem einen und dem andern abzuhelfen hat immer Zeit. – Bis nach der Tafel, bis die Spielparthie geendiget ist, bis die Ceremonievisite eines durch Rang geltenden Taugenichts vorbey ist, mag der dringende Supplikant im Vorzimmer warten oder sich vom Schweizer zehnmal abweisen lassen – geht er unter der Zeit zu Grunde, nun! denn bedarf er keiner Hülfe mehr. O ihr Charlatane auf der Welt und Staatsbühne, wer kann für euch Achtung haben! Dunstkreiß, umgiebet jeden Planeten groß und klein, und ist Ursach daß unsere schärfsten Blicke nicht seine wahre Gestalt sehen können, daher die Urtheile der Menschen auch immer verschieden ausfallen, die es sich besser und schlechter vorstellen als wir es auf dem Planeten wirklich finden würden – wenn er nicht in seinem ihm eigenthümlichen Dunstkreise eingehüllt wäre. – – Nehmt dem Priester seinen Chorrock und zieht ihm ein bürgerlich Kleid an, so hat er den Dunstkreis seiner Würde verlohren – Nehmt dem Großen die Gunst seines Fürsten, dem Reichen sein Vermögen – der Theaterprinzessin die Schminke – hin ist ihr Ansehn. Befreyt das im Bettlerkleide versteckte Verdienst von dem traurigen Nebel der Armuth, zieht das stillwirkende Genie aus der dunkeln Staubwolke der Niedrigkeit hervor, und die Naturschönheit eines Mädchens aus ihren Lumpen, aus der bestäubenden Arbeit hervor – und der eine wie die andere wird wie Sonnen glänzen. Schade daß freywillig die Meisten auf den Dunstkreis der Dinge mehr, als auf den Werth der Dinge selbst sehen. Edelmuth, ist eine wahre Schönheitsquelle für die Sittenlehrer, wenn sie ein herrliches Ideal von Menschenwürde – aus dem ewigen Leben entwerfen wollen. Edelmuth gilt auch, dem Himmel sey Dank! noch immer auf dieser Welt und ist sehr diensam einen kleindenkenden großen Mann damit zu bestechen, wenn, was recht und billig ist, ohne Bestechung nicht von ihm zu erhalten steht. Wie sich die Armuth freut wenn man ihr mit mildreicher Hand giebt was sie nicht hat, so freut sich mancher armselige Mäcen wenn man ihm mit dem Weyhrauch von Edelmuth die Nase einräuchert, voll innigen Gefühls seiner Dürftigkeit, und daß so ein Schatz als der Edelmuth im Menschen ist, nie in seinem armen Herzen erfindlich war. Ergebenheit, dankbare Ergebenheit, wird bey Anfertigung eines teutschen Wörterbuchs, nicht zu vergessen gebeten. Unter der Zahl der Tugenden ist das immer ein sehr wichtiger Artikel, ohne welchen der gute Briefstil einen wesentlichen Zierrath verlieren würde. Im gemeinen Leben kann man sich von diesem Dinge schon ehr passiren, und das ist auch recht gut, weil man sich andernfalls gar sehr betrügen würde, wenn man sich auf die Charlatanerie der Ergebenheitsversicherungen sonderlich verlassen wollte. Wem übrigens mit dieser Waare gedient seyn möchte, dem kann ich mit einer Menge Ergebener Diener aushelfen, ich darf sie nur von Briefen solcher Leute abschneiden, die mich zu ihren ergebenen Diener machen wollten, indem sie mir versicherten daß sie die meinigen wären. Wer sollte wohl nicht in demselbigen Falle seyn von dergleichen Charlatanerien selbst ein gutes Magazin zu besitzen, ohne darauf den mindesten Werth zu legen. Ertz-Ertzbischof, Ertzpriester – Man sagt nicht Ertzkayser, Ertzkönig, Ertzfürst, auch nicht Ertzehrlicher Mann, wohl aber ein Grundehrlicher Mann. Daraus scheint zu folgen, daß der Genius der teutschen Sprache es so mit sich bringt, das Vorwort Ertz, nur bey Titulaturen anzubringen die das Gepräge der Heiligkeit ausdrücken und – bey denen die ganz das Gegentheil von Heiligkeit bezeichnen, denn man sagt auch Ertzspitzbube, Ertzheuchler etc. Esel. Eins der erträglichsten Wunder im alten Testament, war immer die Geschicklichkeit zu reden, womit ein Esel seinen Herrn in Erstaunen setzte. Der arme Narr sprach doch nur für seine Haut, während sein Herr sich um anderer Angelegenheiten bekümmerte, und es ist selbst einem Esel nicht zu verdenken, wenn er der Subordination unbeschadet, seinem Vorgesetzten Bruder, über dessen unbilliges Treiben und Schlagen Gegenvorstellungen macht. Das Talent zu reden bey einem Esel war im Grunde auch nicht wunderbarer als das Talent Bileams, durch die Kraft seiner Worte einen ganzen Heereszug von sechsmal hunderttausend Mann zu bannen, als welches der König der Amalekiter ausdrücklich von ihm verlangte. Und die Leichtgläubigkeit dieses Königs, der in den Zauberworten Bileams so viel Vertrauen setzte, war nicht größer als der Aberglaube des achtzehnten Jahrhunderts, nach welchem man es für eine Gotteslästerung hält, die Rede eines Esels und die Weißagung eines Propheten zu bezweifeln. Heute zu Tage geht man noch weiter als zu Beleams Zeiten – man giebt Eseln Ehrenämter, Obrigkeitliche Würden – und Rathsherren-Stellen, wogegen auch übrigens nichts einzuwenden ist, wenn man nur so billig wäre, es jenem alten römischen Kayser zu Gute zu halten, der seinen Lieblingsgaul zum Burgemeister ernennen wollte, wodurch der Regierung bey alledem nicht schlimmer würde gerathen gewesen seyn, als wenn in neuern Zeiten Esel an der Landesdirektion Theil nehmen. Eulenspiegel sagt daß ihm die Leute nicht gut wären, aber, setzt er hinzu, ich mach's ihnen auch darnach. Eulenspiegel sagte den Leuten die Wahrheit – zeigte ihnen in seinen Possen die er machte, ihre eigene Narrheit, und parodirte durch seine lose Streiche anderer Leute ernsthafte, ehrwürdige und Respektfordernde Bosheit – Er machte den Narren, um so manchen sich weiseglaubenden Mann als einen Narren zu handhaben. – Unterdessen that Eulenspiegel doch mehr guts mit seinen Possen als manche Staatsperuke mit ihrer prunkreichen Feyerlichkeit – er kurirte noch manchen von seiner Narrheit und Charlatanerie, und lehrte andere sich vorzusehen, um nicht auf seiner Liste zu kommen. Seine Asche ruhe in Frieden und sein Geist möge immer im Seegen unter uns wohnen! Ewigkeit, wird im eigentlichsten Verstande auf die ärgste Weise genothzüchtiget, und zu allem gemißbraucht wie die Universalmedizin des Marktschreyers, deren ausgebreitete Kraft recht groß herausgestrichen wird, ohne daß der geringste Verlaß darauf wäre. – Alle Welt kennt die Ewigkeit der Friedens- und Freundschaftsbündnisse, die Ewigkeit der Verliebten, und die Ewigkeit des schriftstellerischen Ruhms, um welcher so viel Federn zerkäut werden als die ganze Nation der Gänse kaum hinterlassen kann, wenn sie diese Zeitlichkeit geseegnen. Die Ewigkeit der Höllenpein, wo die Verdammten mitten im Feuer, vor Frost mit den Zähnen klappern werden, ist wenigstens ein eben so würdiges Objekt der schrecklich tragischen Muse als die Beschreibungen der Freude wo die Seeligen ewig Hallelujah singen sollen, ohne Langeweile zu haben und einzuschlafen, schönen Stoff zur erbaulichen Farce abgiebt. Es wäre der gesunden Vernunft doch rühmlicher, wenn man weniger bestimmt von Dingen spräche die Niemand versteht, und wenn man Ewigkeiten nicht so lang vorstellte, die sich mit kurzen Ehlen ausmessen lassen. Examen, sollte die Gewährleistung verschaffen daß junge Leute auf Schulen ihre Zeit gut anwenden, Candidaten was gelernt haben, und keine dumme Teufels Beysitzer von Landescollegien werden. Sie sind meist alle von der Beschaffenheit daß sie bloß den Titel von Täuschereyen und Charlatanerien verdienen, und ein Mittel abgeben dem einen fortzuhelfen und den andern – den man sonst mit guter Manier nicht loßwerden kann, mit gerechten Ansprüchen abzuweisen, welches indessen wenn keine politische Absichten obwalten, aus Menschlichkeit nur selten zu geschehen pflegt. Wie mancher würde Zeitlebens ohne Amt vegetiren, wenn bloß Geschicklichkeit und geprüfte Kenntniße ihn befördern sollten, und wie wenig vorbereitete Köpfe würden nicht ungenutzt bleiben, wenn ihnen die begünstigte Unwissenheit nicht so oft vorgezogen würde. Auch hier läßt es sich mit Charlatenerien weiter bringen als mit Realitäten, um so mehr wenn von dem welcher zu den wichtigsten Dinge examinirt werden soll die Regel verstanden wird: Les gens d'esprit savent tout sans l'avoir appris. Fabel, hat einen allgemeinen reellen Nutzen, wenn sie bloß das Mittel ist, heilsame Wahrheiten faßlich und mehr genießbar zu machen, und Fabel ist der Kunstgrif politischer Gauckler die dem Volk Lügen für Wahrheit geben, um es in ihr Interesse zu ziehen und versteckte Absichten zu erreichen. Die griechische Fabellehre vereinigte beydes. Jede einzelne, und die Zusammenordnung des Ganzen war Bild der Wahrheit, aber die darin verborgene Wahrheit lag tief im Grunde verborgen und nur denen Weisen unverschlossen – Für den Pöbel war sie der Zügel der Regierung in den Händen der Priester, welchen sich selbst Könige anvertrauten. Spätere Fabeln erreichten nie die innere Vortreflichkeit der griechischen Fabellehre, bestanden in platten Erdichtungen geiziger und herrschsüchtiger Pfaffen, ohne daß in diese Schaalen, Kern der Wahrheit wäre verborgen gewesen, und bloß den Zweck hatten, das Volk für taube Nüße sich unterwürfig und kontribuabel zu machen. Diese Fabeln verdienen indessen keinen Spott, sie waren Mittel ganze Völkerschaften souverain zu beherrschen und Millionen einzukassiren. – Die Fabel vom Teufel, vom Fegefeuer, von Versöhnungsopfern und Seelmessen haben mehr eingetragen, als die Goldgruben von Peru, aber die gutherzigen Thoren die diesen Fabeln glauben, sind gar würdige Gegenstände des Spottes, weil sie ihr Geld und Freyheit des Geistes für Possen hingeben. Figurant. Unter den geringern Menschenständen, bey den Ackersleuten, Handwerkern, Künstlern, darf einer nicht bloß Figurant seyn wenn er fortkommen und bestehen will – er muß sein Metier verstehen und mit Fleiß treiben, sonst geht es zu Grunde, aber in den höhern Ständen und am Ruder des Staats kommts so genau nicht darauf an. Neben einen Mann von Kopf und Thätigkeit können immer ein paar Figuranten geduldet werden. Sie sind selbst nothwendig. Der Staat erfordert Honneurs und diese zu machen haben die eigentlichen thätigen Steuermänner der Regierung keine Zeit – dazu also werden die Figuranten erfordert, die in Absicht der Würde von welcher sie Rang und Titel führen nur ihren Platz auszufüllen brauchen, nur ihren Namen bey Sachen von Bedeutung hergeben, und übrigens zu ihrem besondern Departement die Pointille des Etikets zu rechnen haben. Friedensbote, will so viel sagen als Wolf in Schaafskleidern, sobald nemlich der Friedensbote den Verfolgungsgeist und frommes Blutvergießen gegen Ketzer prediget, oder weil das jetzt nicht mehr von sonderlichem Effekt ist – wenn der Friedensbote in einer engern Spähre, die Schwachheiten seiner armen Nebenmenschen aus einem Hause in das andere trägt, um solche in seinen gottseligen Klatschgesellschaften mit den Zähnen zerreißen zu helfen. Fürst. Es liegt etwas Großes in der Idee Fürst zu seyn, wenn ein fürstlicher Geist dem Namen entspricht – – Außerdem, und wenn ein kleiner Fürst mit einer kleinen Seele figurirt; so gehört er auf die Liste der Charlatane. Gastfreyheit, war bey den Alten eigentlich eine reziproke Verbindung unter Freunden, einander zu beherbergen. Unter unpolizirten Völkern ist eine grenzenlose Gastfreyheit noch im Gebrauch, und wird unter die heiligsten Pflichten gezählet. Die Hausväter unter tartarischen Nationen treten vor der Hausthüre, wenn ein Fremder in ihr Dorf kömmt, und bitten ihn, jeder besonders, in seiner Hütte einzukehren. Derjenige dessen Einladung an genommen wird, rechnet sich die Einwilligung seines Gastes zur Ehre und wendet allen Fleiß an ihn zu bedienen, zu entkleiden, seine Füße zu waschen, alles hervorzusuchen was er zur Sättigung und Erquickung des Reisenden aufbringen kann und ihm ein bequemes Lager zu bereiten. Dis ist die Gastfreyheit für Reisende, welche unter Wilden angetroffen wird – Unter den Türken kann diese Höflichkeit in gastfreyer Aufnahme eines Fremden nicht statt finden. Das vorsichtige Einsperren der Weiber verhindert es. Der Türk selbst bringt ein gut Theil seiner Zeit in dem, jedem andern, unzugänglichen Haarem zu. Dagegen aber wird für fremde Reisende in den Carvanserien gesorgt und es wird zu gottesdienstlichen Pflichten gerechnet, Carvanserien zu stiften und solche hinlänglich zu dotiren. Der Fremde ohne Unterschied kehrt daselbst unentgeldlich ein, findet Obdach und wird in einigen gespeiset, ohne daß es ihm was kostet. In den Mustern polizirter Länder ist die wenigste Gastfreyheit, und gilt nur zur weißlichen Unterhaltung der Connexion unter der Kaufmannschaft. Die Aufnahme der Fremden ist daß Gewerbe der Gasthöfe, welches für Reisende die sich unterrichten wollen, indem sie fremde Länder besuchen, seine Bequemlichkeit und seine Beschwerde hat. Der Nutzen dieser Einrichtung ist der, daß der Fremde nicht genirt und vor sein Geld freyer Herr ist. Die Beschwerde; daß er der Gewinnsucht ausgesetzt ist, und ohne anderweite Connexion den Zweck des Reisens zum Unterricht, kaum zur Hälfte erreicht. Wenn er Adressen hat, so genießt er die Art von Gastfreyheit, daß er zur Tafel geladen und ihm zu Ehren ein prunkreiches Traktement gegeben wird. In England war dis vor wenig Jahren eine kostbare Gastfreyheit, weil die Bedienten ein solches Trinkgeld haben mußten, wodurch die Mahlzeit dreyfach bezahlt wurde. In Hamburg gilt – nach dem dort herrschenden, noch nicht durchaus aufgehobenen Boockesbeutel dieser Gebrauch noch, und der Fremde der das nicht weiß und denen Bedienten ihr Trinkgeld nicht reicht, wird bey der zweyten Visite der Herrschaft nicht wieder gemeldet. In Frankreich welches uns Höflichkeit lehret, findet der Fremde gar keine gastfreye Aufnahme bey Personen von Stande, weil in wirklich guten Häusern der Grundsatz angenommen ist; sich mit Fremden gar nicht einzulassen, denn, sagen sie, ist der Fremde gut, so muß man sich die Unannehmlichkeit ersparen ihn wieder zu verlieren, und wenn er nichts taugt, so muß man den Verdruß vermeiden, ihn kennen gelernt zu haben. Junge Leute also bilden sich in Paris nach ihren Peruquiers, auf Caffeehäusern, im öffentlichen Spektakle, und durch den Umgang mit den gastfreyen Töchtern der Freude, mit Comödianten, Tänzerinnen und höchstens in den Akademien solcher Damen, welchen die Regierung Freyheit giebt Hazardspiele in ihren Häusern zu haben, um ihrem Stande gemäß, desto besser leben zu können. Die Kaufmannschaft macht darin überall eine sehr vortheilhafte Ausnahme. Andere gastfreye Häuser unter Leuten von Stande, sind zu zählen. Genie, ist eine Seltenheit deren jedes Jahrhundert nur wenige hervorbringt. Nie aber wird mehr von Genie geplaudert, als wenn die Genies am meisten fehlen, so wie der Arme von nichts lieber spricht, als von Reichthümern. Heutiges Tages will alles Genie seyn. Sobald jemand alle Regeln des guten Geschmacks verläßt, von der allgemeinen Heerstraße menschlicher Kenntnisse abweicht und wild über Hecken und Gärten setzt, alles Bisarre heraus sagt, was in seinem wüsten Gehirne sprudelt, eine schwäbische oder baierische Mundart zum Eigenthümlichen seines Skils macht, mit Kerls und platten Ausdrücken, die man nur unter dem Pöbel hört, und sonst nie in guten Büchern gedruckt las, um sich wirft, so beehrt man ihn mit dem Titel eines Genies. Alle Nachahmer Götens stahlen ihm den Ingolstädtschen Studententon ab, um durch dieses Gepräge ihren Plattitüden den Werth des Genies zu verschaffen. Es ist ein Glück, daß der erlauchte Verfasser des Schreibens über teutsche Litteratur etc. die Quintessenz dieser Geniesorte im Marionetten-Theater nicht gelesen hat, er würde sonst mit mehr Grund der Wahrheit unserm teutschen Witz noch übler begegnet seyn und – solcher Gelegenheiten mehr gefunden haben, uns Schaamröthen abzujagen, da wir Teutsche sind, deren gepriesenes Genie mit abscheulichen Zierrathen eines gothischen Witzes prunket – und die in ihrer Sprache bald mit Jakobi süße Lieder leyern, bald geradbrechte Bänkelsängerey in platten Volksliedern treiben. Gesetze. Es ist unrecht nicht nach den Gesetzen zu richten, und es ist oft unrecht zu genau, nach denselben zu urtheilen. Der Sinn des Gesetzes, und der Buchstabe des Gesetzes sind in einzelnen Fällen einander sehr oft gerade entgegen gesetzt. Der Sinn der Gesetze geht immer dahin, die Gerechtigkeit zu handhaben, aber, wenn der Spitzbube seine Schelmereyen legalisiren will, so versucht er sich hinter dem Buchstaben des Gesetzes – der Richter muß darnach sprechen, indem er weiß, daß er der Ungerechtigkeit und der Infamie die Hand bietet. Nehmen wir das Gesetz von schriftlichen Kontrakten wenn die Sache mehr als 50 Rthlr. beträgt: Ein Bedienter empfängt ein Capital von seinem Herrn, um solches auf der Bank unterzubringen und eine Obligation darüber zu empfangen. Der Bediente trägt das Geld treulich hin, läßt es aber nicht auf den Namen seines Herrn, sondern auf seinen eignen Namen ausstellen, und behält die Obligation für sich. Sein Herr verklagt den Bedienten und wird mit der Klage abgewiesen, weil die Summe über 50 Rthlr. beträgt, und kein schriftlicher Kontrakt vorgewiesen werden konnte. Titius spricht zum Cajus, gib mir deinen brillanten Ring, ich will ihn diesen Abend auf einen Ball anstecken, und geb' ihn dir morgen wieder. Titius giebt ihn, Cajus behält ihn und sagt: es ist mein Ring. Der erste läuft zum Richter und erzählt den Fall – verlangt den Cajus darüber zu vernehmen. Er kann es nicht abläugnen, setzt Titius hinzu, und wenn er es thun sollte, so deferire ich ihm den Eid. Die Klage kann gar nicht angenommen werden, antwortet der Richter. Nach dem Gesetz müsten sie einen schriftlichen Kontrakt haben, und weil der fehlt, so werden sie mit ihrer Klage ganz abgewiesen. Der Sinn dieses und ähnlicher Gesetze, geht indessen doch immer dahin – nicht sowohl den zufälligen Nutzen der Stempel-Revenües zu befördern – als welche bey der neuen Justitz ohne dem wohl nicht das Hauptaugenmerk ausmachen dürften, sondern mit mehr Sicherheit einen jeden bey seinem Eigenthum zu schützen. Wenn nun aber aus einem in solcher Absicht gegebenen Gesetze ein widriger Effekt entspringt! solte alsdenn das Gesetz nicht modifizirt und selbst eine Ausnahme gemacht werden, wo nicht aus eigener Macht des Richters, doch wenigstens von einer permanenten Gesetzbestimmenden Kommission? Ein mehreres was den Mißbrauch der Gesetze angehet, wird unter dem Artikel vom Wucher, vorkommen. Gelegenheit und Zeit sind zwey Thüren die nicht immer offen sind. Die Klugheit erfordert, den Moment abzuwarten wo sie geöfnet werden. Wer das nicht thut, der läuft mit dem Kopf gegen die Wand. Pabst Sixtus der V. hielt sich eine Schreibtafel worin er sich ein Haufen Dinge notirte, aber sich von dem was er vorhatte nichts eher merken ließ, bis die Zeit ihn zum Pabst machte und er Gelegenheit hatte – nicht bloß von Projekten zu schwatzen. Gebräuche, sind die Tyrannen der Menschen und die, welche sich bloß nach Gebräuchen richten sind Sklaven. Ein freyer, selbstständiger Geist folgt nur denen Gebräuchen, insofern sie auf seinem eigenen Gange vorkommen, und nach seinem Geschmack sind. Der Weg den die freye Vernunft führt, ist immer der richtige, wenn ihn auch keine Regel zur gewohnten Heerstraße macht. Gleichgültige Gebräuche kann man mitmachen und bisweilen will's die Klugheit, daß man sich ihnen, auch ohne Geschmack dran zu haben, konformire. In Rußland ist es Gebrauch die Damens nach der Reihe, die schönen und häßlichen zu küssen, und bey uns zieht man den Huth vor dem ab für welchen man Achtung hat, und für den welchen man eben so gern prügeln möchte. Dies sind gleichgültige Gebräuche – aber keine Messe und keine Kirche zu versäumen, ohne an Messe und Kirche zu glauben, bloß des Wohlstands wegen sich so zu plagen – das sind Charlatanerien! Grimassen – wenn sie was einbringen so kann man sie verzeihen – auch die Gauckelspieler wollen leben und – wer nun nichts anders gelernt hat, nichts als Blendwerk und Grimassen kann, nicht That in seinen Kräften hat, nun, den muß man's zu Gute halten, sich aber nicht dadurch täuschen lassen. Mancher große Mann hat alle Grimassen der Wichtigkeit und ist Federleicht – sein Gehirn würde, wenn man es auf die Waage legte, auch keine Pflaumfeder aufwiegen – Viele predigen mit der Grimasse des heiligen Franziskus Demuth, Unterwürfigkeit und Mäßigkeit und haben allen Stolz der Canonisation im Kopfe, leiden keine Einsichten neben sich und nicht den mindesten Widerspruch, und die Mästung ihrer dicken Maschine läßt ihnen nichts Geistliches übrig – als die Grimasse. – Die Grimassen des schönen Geschlechts sind ohne Ende welches die von der ehrbaren, andächtigen und keuschen Sorte vorzüglich beweisen, wenn man mit demjenigen näher bekannt geworden zu seyn die Ehre hat, was sie unter dem siebenfachen Schleyer ihrer grimassirten Prüderie versteckt halten – Alles das kann hingehen, man muß sich aber nicht daran kehren. Grundtext, war sonst als die Geistlichen noch ebräisch und griechisch lesen lernten, ein schöner Befehl sich beym Pöbel mit einem Schein von Gelehrsamkeit geltend zumachen, oder den Leuten was aufzubinden, was eben nicht aus der teutschen Bibel zu ersehen war. König Gustav Adolph von Schweden, begegnete einem Priester in Sachsen zu Pferde, der eben von einer Gemeinde zur andern ritt, um seine Erbaulichkeiten anzubringen. Herr Pastor, sagte Gustav, es heißt ja: gehet in alle Welt und er reitet? das ist ja wider die Bibel! Ihro Majestät halten zu Gnaden, antwortete der Priester, im Grundtext steht: seht zu wie ihr fortkommt. Hanswurst. Der jetzige verfeinerte Geschmack will den guten buntscheckigten Narren auf dem Theater nicht leiden, welches meines Erachtens eine große Undankbarkeit ist, maaßen Hanswurst den ersten Grundstein zum teutschen Theater gelegt, dem Schauspieler immer das meiste eingebracht und das Publikum auf die kräftigste Weise belustiget hat. Auch ist's eine ganz irrige Meynung wenn man glaubt, daß in unsern Tagen Hanswurst, wenn er wieder auf der Bühne hervorträte keine Approbation mehr finden würde. Der ganze Grund dieses Irthums liegt in der unverdienten zu hohen Meynung, die man von der Vollkommenheit der Bühne und von dem Geschmack des Publikums hat. Man erzählt von einem Wienerischen Hanswurst der Altershalben sein Amt niederlegte und sein Pritschholz mit eben der Feyerlichkeit seinem Nachfolger überreichte, mit welcher Christine von Schweden einstweilen aus philosophischer Charlatanerie ihren Scepter abgab, das Publikum in Wien bis zu Thränen gerührt gewesen wäre, seinen Liebling zu verlieren. Sein Nachfolger, der neue feyerlich kreirte Hanswurst omnirte sich aus der allgemeinen Trauer über seinen Vorgänger wenig Beyfall, faßte daher den geschwinden Entschluß auf dem Theater niederzuknien und mit aufgehobenen Händen und thränenden Augen das Parterre und die Logen um Gotteswillen zu bitten, daß man doch über ihn lachen möchte. Dis hatte Effekt, er wurde mit einem lauten Händegeklatsche und mit herzlichem Lachen angenommen, so wie zuverläßig ein guter Hanswurst ohne die Berliner um Gotteswillen um Beyfall zu bitten, würde bewillkommt werden. Die Beobachtung ist wenigstens richtig, daß die hiesigen Logen immer glänzender sind, wenn in dem vorgestellten Stück eine sehr niedrigkomische Rolle vorkömmt, und wenn ich meine Leute recht kenne, so dürfte Döbbelin immer die großen Logen dicht am Theater und das Paradis doppelt so geräumig bauen lassen, wenn er so glücklich wäre einen zweiten Schuch aufzutreiben, falls beyde bezeichnete Plätze, für welche Hanswurst recht gemacht zu seyn scheint, gerade diejenigen sind, von welchen er die größten Vortheile erwarten kann. Hauskreuz, werden diejenigen vom schönen Geschlecht genannt, welche bis zur Würde der Ehegenoßinnen hinauf avanzirt sind. Unter dem Worte Kreuz pflegt man sich immer die allerbittersten Leiden zu gedenken, und weil nach der Aussage geplagter Ehemänner, die Weiber immer das allergrößte Herzeleid sollen zufügen können, so scheinen sie dadurch den Titel des Hauskreuzes an sich gebracht zu haben. Wenn diese Behauptung allenfalls nicht ganz ohne Grund seyn sollte, so möcht's mit aller gepriesenen ehelichen Glückseeligkeit, so wie wir solche in Hochzeitgedichten abgemalt finden, wol größtentheils ein Haufen Charlatanerie seyn. Hofmann. Eine eiserne Stirn, die nicht roth werden und alles vertragen kann, eine gewannte Seele, die wie der Chameleon jede Gestalt annehmen kann, genaue Bekanntschaft mit einer Menge Kleinigkeiten – die bey Höfen wichtig sind; machen, überflüßig die Eigenschaften eines bloßen Hofmanns aus. Daraus folgt, daß diejenigen, welche in Ermanglung anderer Verdienste, sonst zu nichts zu gebrauchen sind, noch immer zum Hofmannsdienst emploiret werden können. Hofnarr, war in vorigen Zeiten eine eben so nöthige aber noch wichtigere Charge an Fürstenhöfen, als alle übrige Hofleute, vom Marschall an, bis zum Cammerjunker herabgerechnet, und der einzige von allen der ohne Witz und – wenn man's nicht übel nehmen will, ohne Verstand und Kenntnisse nicht fertig werden konnte. Wenn der Fürst selbst Verstand hatte; so durfts kein gemeiner Narr seyn. Wie denn die berühmte Stadt Wittenberg die Ehre hat, schon einen Professor am sächsischen Hofe in der Person des bekannten Taubmanns geliefert zu haben, der ohne Schellenkappe das Amt versahe, den Durchlauchtigen Administrator aufgeräumt zu machen, und denen Cavaliers sowohl als denen Hofdamen, lose Streiche zu spielen. In der Folge sind die Schellenkappen ganz abgeschaft und die Hofnarren allein übrig geblieben, welche aber aus Oekonomie jezt in der Gestalt anderer Hof- und Staatsbedienungen, ihr Amt verrichten, falls der große Herr nicht dazu geboren ist, die Rolle eines Plaisant in eigner Person zu spielen, und die Besoldung eines so nöthigen Hof-Meubles, selbst zu verdienen. Wenn eine Fürstlichkeit von diesem Schlage auf Reisen geht, so werden alle Zeitungen mit den witzigen und komischen Einfällen dieser erlauchten Person angefüllt, wenn sie aber zu Hause bleibt, so mag ein jeder von der täglichen Tafelgesellschaft auf seiner Huth seyn, um nicht von einem Spaßmacher, in die Waden gebissen zu werden. Jude, von der Seite der Religion genommen, würde ein bloßer Deist seyn, wie sich die Caraiten in Egypten zeigen, deren ganze reine Religion in der Verehrung eines einzigen Gottes und in Haltung seiner Gebote besteht. Die Talmudisten haben mit den Anhängern der christlichen Religion gleiches Schicksal, und müssen alle Grillen ihrer Rabinischen oder Kirchenlehrer oben drein glauben. Bey einem solchen Uebermaaße des Aberglaubens, haben sie auch die Aussicht der Römischen Kirche, von einem Exzeß auf den andern zu fallen, und bey wachsender Erleuchtung, nur Atheisten aus ihrem Schoosse entstehen zu sehen. Jude, als Regale betrachtet, verdienet Toleranz, und ist wenigstens eben so einträglich als eine Münze, in welcher lauter Sechspfennigstücke gepräget werden, wo im Verhältnis gegen grob Courant ein schön Prozentchen mehr gewonnen wird. Er gleicht übrigens dem Saamen der sich selbst ausstreuet und ohne kostbarem Anbau von selbst wuchert, gleicht dem Weizen in den fetten Marschländern, der seines Wachsthums unbeschadet jährlich ein paarmal geschröpft werden kann, ohne deshalb eine schlechtere Erndte zu geben – hat in diesem Stück viel ähnliches mit den Franzosen die der Teufel auch überall hinführt, um wie das Unkraut unter dem Weitzen alles Ausjätens ohngeachtet zu wachsen, wenn man gegentheils andere nutzbare Früchte sorgfältig säen, warten und anbauen muß, wenn sie fortkommen sollen, und andere Einwohner, Künstler und Handarbeiter mit Wohlthaten und Kosten in's Land ziehet, um Kolonisten blühend zu machen. Jude als Mensch, sollte alle Vorrechte der andern Menschen mit genießen. Es ist ein unerträgliches Vorurtheil, wenn man einem Menschen von Verstand und Erziehung, keinen andern Vorwurf zu machen weiß als den, daß er ein Jude ist, und ihn bloß aus diesem Grunde von manchen gesellschaftlichen Verhältnissen ausschließt, wozu nur gute und liebenswürdige Menschen erfordert werden. Man glaubt unsere Kirchen nicht entheiliget wann Juden hineinkommen, um eine schöne moralische Rede zu hören und manche eckelhafte Christin würde gewaltig die Nase rümpfen, im Conzert oder auf dem Ball, ein angenehmes Frauenzimmer jüdischer Nation, neben sich zu sehen, ohngeachtet man Exempel hat, daß edle und galante christliche Damen, selbst im Bette einen beschnittenen Liebhaber zulaßbar finden. Jude als Negoziant muß profitiren, sonst könnte er nicht wie oben bemerket worden ist, ist, als Regale genutzet werden! Für die Landesherrliche Revenües bezahlt er gegen die übrigen kontribuirenden Einwohner noch das Agio von seinem Judenthum, und in den Geschäften welche mit Juden gemacht werden, kann man ihm den Betrag dieses Agio zu seinem Vortheil wiedergestatten, wenn er wie eine aparte Naze die unter dieser Nation selbst als Auswurf betrachtet wird, nicht dieses Agio zehnfach erwuchert. Zur Sicherheit des Publikums, wär's eine heilsame Polizeyanstalt, die Liste dieser Naze an den Thoren der Stadt affigiren zu lassen, und im Adreßkalender zu verzeichnen, um Fremde und Einheimische vor derselben zu warnen, so wie man die Liste der Gasthöfe auf ähnliche Weise bekannt macht, damit jeder Freunde gleich wissen kann wo er einkehren soll. Dieser Dienst indessen kann dem Publikum auch anderweitig erwiesen werden, da die Namen dieser ungehangenen Diebe endlich nicht zu den Geheimnissen des Staats gerechnet werden. Justitz, ist ein Arzt der bisweilen schlimmer ist als die Krankheit. Glücklich ist der Gesunde, der dieses kostbaren Arztes nicht bedarf! Sie gehört mit zu den schneidenden Metiers. Der Wundarzt schneidet das wilde Fleisch weg – die Justitz schneidet faule Glieder von der menschlichen Gesellschaft, und der Jude die Vorhaut – Alle drey schneiden auch am Vermögen und schröpfen den Beutel. Es ist noch nicht ausgemittelt wessen Schneiden tiefer gehet, und wer von diesen dreyen am meisten schröpft? Um bis gründlich zu untersuchen, müßte Umfrage in den Hospitälern gehalten werden, denn dahin pflegen die Leute durch laugwierige Kuren, durch auszehrende Prozesse, durch wucherhafte Prozente gebracht zu werden. Wer aber mit allen Dreyen zugleich zu thun hat und doch nicht kurirt ist; – der muß eine trefliche Natur haben. Kritik, ein fürchterlich Ding für den Schriftsteller – der wahre Cerberus an den Pforten des litterarischen Reichs, welcher einem jeden der hinein will die Zähne weiset, und mit einem dreyfachen Bellen zurückschröckt. Hier stehe ich mit dem ersten Abschnitt meiner Charlatanerien, voll demüthiger Erwartung, ob der Höllenhund nur bellen, oder beißen wird. – Wie dem seyn mag; so werde ich nächstens mit einem zweyten Abschnitt erscheinen, und mit mehr Charlatanerien den Cerberus, wer dessen Amt auch verwalten möchte, entweder stille – oder recht wütend machen. Ende des Ersten Abschnitts. Fußnoten 1 Ein sehr uneigentlich Compliment Voltairens für einen bessern Männchen als Salomo war. Zweyter Abschnitt [Motto] Suum quique, Nach rechtem Maaß und rechtem Gewicht. An den Leser An den Leser. Ich habe die Befriedigung, daß der erste Abschnitt der Charlatanerien gleich in den ersten acht Tagen so gänzlich vergriffen worden ist, daß ich von demselben eine neue Auflage machen mußte, bevor ich dazu kommen konnte, den zweyten Abschnitt gedruckt zu erhalten. Noch größer aber ist meine Satisfaktion, daß Leute von Verstande – und gerade diejenigen, an deren Urtheil mir am meisten gelegen war – die mir zur Schutzwehr gegen jeden Mißdeuter, wes Standes, Würden oder Ehren er seyn mochte, dienen konnten – daß die größten Geister und die besten Menschen – vor welche selbst die schlimmsten Respekt haben müssen; diese Broschüre mit Beyfall aufgenommen, und durch ihren lauten Beyfall geschützt haben. Auch die kleine Nebenfreude ist mir schon kund geworden, daß dies Werkchen – was so manchem Thoren in der Nase sticht, und auch manchen gescheiten Mann, der gewisse Wahrheiten lieber ungesagt gehabt hätte; bereits in Leipzig konfißzirt ist – als welches mich in dem lieben Sachsenlande einen reichen Debit verspricht. Mit einem Wort! diese Broschüre hat alle Kennzeichen eines guten Buchs welches sich durch treffende Wahrheiten auszeichnet – denn sonst würden es große und vernünftige Männer nicht mit Vergnügen lesen und – die entgegen gesetzte Menschenklasse nicht so heftig dagegen schreyen. Ich hatte in jüngern Jahren einen Freund, der vor sein Leben gern Farobanque machte – wenn der Haufe seiner Pointeurs durchgängig ruhig und vergnügt spielte; so war er als Banquier nicht sehr zufrieden – Wenn aber die Pointeurs fluchten und tobten, und sich ungeberdig stellten – dann lächelte mein Freund mit der seligsten Gemüthsruhe auf seine anwachsende Banque herab – denn gerade die Flüche der Verlierenden brachten ihm den meisten Segen. Aus einem ähnlichen Gesichtspunkt sehe ichs recht ruhig mit an, wenn der eine oder andere meine Charlatanerien zum Teufel wünscht – sie kommen dadurch immer mehr unter die Leute. Aber das muß mir Niemand übel nehmen, wenn über fade Urtheile, die mir tagtäglich zu Ohren kommen, ich auch wieder meine Anmerkungen mache, und es gelegentlich laut der Welt erzähle, was die Leute von mir und von meinen Schriften sagen – es mag nun Gutes oder Böses seyn – Närrische Urtheile will ich aus christlicher Liebe noch über das durch eine wohlschmeckende Brühe genießbar machen – damit denen, die sie lesen, nicht so übel dabey werden soll wie denen, welche sie anhörten, und aus Höflichkeit über die hervorguckende Schaamtheile der Seele und schwacher Köpfe nur die Augen niederschlagen und die Achseln zucken konnten. Welcher Sklavengeist aber muß über unser Zeitalter herrschen, wo man den Freyredenden Mann wie ein Wunderthier betrachtet, wo jeder, wenn er nur dürfte, drauf zuschlagen würde, und wogegen ich doch nichts anders sagen könnte, als: »habe ich unrecht geredet, so beweise es, daß es böse ist, habe ich aber recht geredet; was schlägest du mich?« Wahrheiten, die es zum Theil werth und wichtig genug sind, vor den Ohren der Könige gesagt zu werden – und die heilloser Weise gar zu gern verdunkelt werden, um desto leichter Fürsten zu Kinder im Gängelbande zu machen – und Wahrheiten, die noch manchem andern ehrlichen Mann heilsam seyn dürften, wenn sie gleich mancher verwöhnten Zunge wie Rhabarber schmecken sollten – – – solche Wahrheiten werde ich noch das ganze Alphabet durch sagen – – Ich habe so eben nichts anders zu thun, und glaube wohl zu thun, wenn ich das thue, was andere zu thun entweder nicht nöthig haben, oder aus Mangel an Selbstständigkeit nicht zu thun Herz haben. Und hiermit Gott befohlen. Der Verfasser. Zweyter Abschnitt Zweyter Abschnitt. Kammerherr. An sich selbst eine bloße Hofcharge, aber auch sehr oft ein belohnendes Ehrenzeichen für anderweite Verdienste um den Staat. Im letztern Fall hat der Kammerherrnschlüssel eine Aehnlichkeit mit Stern und Orden, welche ebenfalls die Mittel in den Händen regierender Herren sind, um wichtige Verdienste zu bezeichnen; welche, nach Würden zu belohnen, der größte Regent oft nicht reich genug ist. Herr von Voltaire empfing den Kammerherrnschlüssel als Merkmahl der Achtung, welche der König für seine Talente hatte. Unter eben dieser ehrenvollen Bedeutung trägt der Marquis Luchesini dieses Zeichen der königlichen Werthachtung. Aber es verdient in den Annalen des Jahrhunderts angemerkt zu werden, daß dieser eben so angenehme als gelehrte Italiener ein Verdienst hat, welches hier zu Lande noch kein Fremder und kein Voltaire, oder sonst irgend ein Kammerherr vor ihm gehabt hat – das seltene Verdienst: der Mäcen des teutschen Witzes bey einem teutschen August, und der Vertheidiger teutscher Schriften gegen teutsche Mißurtheiler zu seyn. Der Fall ist ganz neu. Die Franzosen sowohl als die Italiener gaben sonst wenig auf teutschen Witz, und suchten bloß ausländische Produkte geltend zu machen, und auf Unkosten teutscher Werke zu erheben. Dieser liebenswürdige Fremde dagegen, dessen Geist sich nicht auf die Kenntnisse eines einzigen Landes einschränkt – den wir in dem Zirkel der Gesellschaft eines Königs sehen, um dessen Person sich kein einziger müßiger Hofmann befindet – bey welchen man nur Helden und Männer von Verstande und von großen Talenten antrift; bemüht sich durch den Weg der teutschen Sprachkenntniß mit teutschen Schriften vertraut zu werden, um einen König damit zu unterhalten – der – zum Leidwesen der jetztzeitigen teutschen Litteratoren das helle Tageslicht teutscher Wissenschaften erst unsern Enkeln und Urenkeln aufgehen siehet. Wenn je ein Mann es dahin bringt, den König mit der teutschen Litteratur auszusöhnen, so wird es Luchesini – nicht weil er Kammerherr; sondern weil er Luchesini ist – der selbst meine Schriften mit seiner Aufmerksamkeit beehret, derentwegen manche mich auf gleiche Weise eben so gern gekreuziget hätten, wie die alten Juden den unschuldigen Mann von Nazareth – weil leider damals August schon todt war, und in Ermangelung eines kräftigen Beschützers witziger Köpfe, die den vornehmen Juden heilsame Wahrheiten sagten; die römische Regierung – schwach genug war, sich von dem kombinirten geistlichen und politischen Departement der beleidigten Juden verleiten zu lassen, einen excellenten aber scharfen Sittenlehrer zum Tode zu verdammen. – Dem Himmel sey Dank daß nicht ein ähnliches Amo da Fe über mich gehalten worden ist, da die Losung dazu bereits wirklich von dem Buchhändler Voß in Berlin gegeben wurde, der über meine unschuldige Charlatanerien schon das Kreuzige! in den Staatsrath – leider ohne Erhörung, hineinrief, und mich der Beleidigung hoher Personen im Staate, (womit er vermuthlich Se. Erlauchten, den alten Abraham meynte) zu bezüchtigen herausnahm. – – Wie beregter Voß hier unter der Kammerherrnrubrik hingeräth, davon weiß ich keinen andern Grund anzugeben, als weil sein Urtheil ungefehr eben so antipodisch lautet, wie ein anderweitiges Urtheil – von einem luchesinischen Antipoden, einem puren Kammerherrn – der meine Charlatanerien Rhapsodie nennt, und dem ich aus Respekt für seinen Schlüssel so wenig widersprechen will; daß ich wirklich Rhapsodie mache, und alles unter einander mische, was seiner innern Natur nach, wie Hurone und Europäer kontrastirt. In dem Fall, wo der Kammerherr nicht ein beyläufiges Nebenprädikat wichtigerer Verdienste aus macht, gehört er zu den ganz unentbehrlichen Hofzierathen, wie der Tabouret zur Seite eines Sophas. Wen die Natur nicht zum Soldaten hat gebohren werden lassen, und wen die Kunst nicht in anderweiten Staatsverhältnissen hineinpassen kann; der darf mit gutem Gewissen einen solchen pur lautern Hofzierath repräsentiren – auch Podagra und Chiragra wenn es zu einem so hohen Grade gestiegen ist, daß sich von einem gebohrnen Baron nichts weiter zum gemeinen Besten fordern läßt, giebt eine komplette Berechtigung – nichts weiter als Kammerherr zu seyn. Ohne diese körperliche Infirmitäten wird immer einige Verdienstlichkeit fürs gemeine Wesen erfordert, um den goldnen Schlüßel nicht ganz umsonst zu tragen, und sollt's auch nichts mehr als die Geschicklichkeit seyn, eine Toilette zu arrangiren, Schönheits- Riech- oder andere gebrannte Wasser abzuziehen. – Sich in höheren Sphären zu versteigen, ist einem puren Kammerherrn nicht einmal zu rathen – – Der Marquis d'Argens erzählte ein warnendes Beyspiel, welches meine obige Behauptung allenfalls rechtfertigen wird. Ein Kammerherr besuchte den Marquis, welcher letztere zwar selbst auch Kammerherr, aber auch noch etwas mehr war, Sie haben, sagt er zum Marquis, Bücher geschrieben, die sehr schön seyn sollen, lassen Sie mich doch eins davon lesen. D'Argens giebt ihm den ersten Theil seiner jüdischen Briefe, welche der Kammerherr mitnimmt, nach Verlauf etlicher Tage wiederbringt, und sich ein ander Buch ausbittet. Der Marquis d'Argens kannte seine Leute – machte Mine, als ob er ein ander Buch suchte, und gab das vorige wieder zurück – – diese Komedie wurde noch einmal wiederholet. Der Kammerherr glaubte immer ein neues Buch zu erhalten, las immer das alte wieder, ohne etwas zu merken. Endlich fragte ihn d'Argens, wie ihm seine Schriften gefielen? Très bien, antwortete der Kammerherr, mais mon cher Marquis il me paroit que Vous Vous repetéz un peu. (Sie schreiben allerliebst, mein lieber Marquis, aber ich glaube, daß Sie sich ein klein wenig wiederholen.) Hieraus folgt übrigens, daß zwischen zwey Kammerherrn nicht allezeit so eine Aehnlichkeit herrscht, um den einen mit dem andern schlechterdings zu verwechseln. Kaiserlich – – Ueber die Frage: Was gut kaiserlich, und was nicht gut kaiserlich ist? darüber hat der selige Präsident Moser am Darmstädtschen Hofe ein Ding geschrieben, was wie ein Buch aussahe und im Grunde eine Charlatanerie war, der man es an der Nase ansehen konnte, daß Moser einstweilen gern Reichshofrath werden wollte. Eine genetisch-historische Entwickelung der kaiserlichen Qualität entscheidet indessen obige Frage, auf die zuverläßigste Weise. Die Wiederherstellung des Kaisertitels im heiligen Römschen Reich, sollte nach der Anlage Carls des Großen das zu Grunde gegangene altrömische souveraine Kaiserthum wieder aus seinen Trümmern hervorrufen. Anstatt dessen entstand eine Art von Republik – eine Verbindung souverainer Fürsten und kleiner Freystaaten, welche mit gesammter Hand einander beystanden, ein gemeinsames Ganzes ausmachten, und unter ein erwähltes Oberhaupt ungefehr das allgemeine Reichswohl auf gleiche Weise behandelten – wie ein Landeskollegium unter dem Präsidio eines Chefs, welcher die Zunge zwischen den Waagschalen ist und das Ganze im Gleichgewicht zusammenwirkender Kräfte erhält. In der Folge erwachte indessen das Bild der alten römischen Monarchie in kaiserlichen Seelen, und es wurde Grundprinzipium der Erziehung für künftige Kaiser – das vormalige italienische Regierungssystem auf teutschen Boden zu pflanzen, wozu unter Carl den fünften und besonders im dreißigjährigen Kriege gar ansehnliche Anstalten gemacht wurden, um die alte Römische Monarchie wiederhergestellt zu bekommen. Es ist gut kaiserlich gedacht, wenn man diesem System ergeben ist – – – wer aber lieber unter einem souverainen Gebieter, als unter Statthaltern der monarchischen Beherrschung eines altrömischen Kaisers in neuern Zeiten zu leben wünscht, der denkt nicht gut kaiserlich. Künstler sind von Fürsten und Herren nach dem Maaß der ihnen verliehenen Weisheit allezeit sehr hochgeschätzt worden. Mancher unwissende Taugenichts vom Stande glaubt dem Künstler Gnade zu erweisen, wenn er ihn in seiner Werkstatt besucht, oder ihm stehend Audienz ertheilt, und doch könnte mancher vornehme Mann noch viel lernen, um erträglicher in seinem Geschwätz zu werden, wenn Künstler und Kunstkenner ihm die Wohlthat erweisen, ihre edle Zeit, in welcher sie für die Nachwelt arbeiten, auf die ungewisse Karte zu setzen, und einen Versuch zu machen, einem Herrn von Geschmack, den er in Broderien und Firlefanz besitzet, einigen Geschmack an Meisterstücken der Kunst beyzubringen. Knabe – nach biblischen Stil giebt es Knaben von hundert Jahren, das ist verdollmetschet Leute, die nie klug werden – sie gescheit zu machen, wäre ein Mirakel, welches selbst einem wunderthätigen Muttergottesbilde Ehre machen würde, – solche alte Knaben aber zu züchtigen, und den Kallüs, der ihr Gehirn einkerkert, wegzubeizen, ist noch immer Wohlthat, welche Dank verdient. Laune, der oft bisarre tiefsinnige Scharfsin, ein Sohn des englischen Spleens, vermählte sich einstweilen mit dem französischen petillirenden Esprit, und beyde zeugten eine Tochter – ein Mädchen mit nachdenkender schalkhafter Mine, nicht so freymuthwillig als der lautlachende Scherz, und nicht so bitter und menschenfeindlich als ein englischer Heraklit, der herb' ist, auch wenn er einmal weinen und mit dem Fuße dabey wider die Erde stampfen sollte – Nein, dies Mädchen hatte einen Zug des bedeutenden Tiefsinns und geistiger Schärfe von ihrem Vater, und einen Zug von ihrer Mutter, der wie ein kleiner Schelm ihr aus den Augen sanftlächelnd hervorsah – ein gutes, loses aber empfindsames Mädchen – es hängt sich mit voller süßer Gewalt an den, welchen es einmal in Affektion genommen hat, und es macht die Prüde gegen viele, die gern mit ihr buhlen möchten, und doch nicht für sie gemacht sind – man nennt es Laune, wen sie nicht sucht, verfolgt und freywillig anklebt, der gebe sich doch ja keine Mühe, sie zu erobern – sie wird ihn fliehen, indem er ihr nachläuft, und wenn er sie erhascht zu haben glaubt, so wird sie ihm schon entwischen und in den Armen eines ihrer Lieblinge geflogen seyn, während der eingebildete Conquerant mit einer schlüpfrigen Dirne litterarische Unzucht treibt. Lieder – waren zu allen Zeiten wirksame Mittel einen gewissen Grad der Wärme und siedenden Enthusiasmus in Herzen zu gießen. Die alten Barden sangen durch ihre Lieder, großer Thaten Lob und Feuer des Heldengefühls in Männerseelen – Citherens Oberpriesterin, die Liebe glühende Sapho, sang durch Zaubertöne – stärker als durch die schmelzende Töne der Harmonika, weiches Entzücken der allerwollüstigsten Regungen in gefrorne Herzen – Anakreon sang alle Götter der Freude und des witzigen Scherzes um sich her – und machte lustige Brüder oft aus Greisen, die komisch genug hinter ihm her anakreonisirten. – – In neuern Zeiten stärken lustige Lieder den ausgesogenen Franzosen, daß er den Druck der Fermiers und der Armuth – oft Hunger und Durst in die weite Welt singt, und der böhmische Sklave das Gefühl der Knechtschaft fern von sich wegtrillert – – Calvin sang durch fromme Gassenhauer seine neue Lehren nicht ohne rüstigen Erfolg durch die Straßen von Paris. Der enthusiasmirte Luther richtete durch seine bardenähnliche kraftvollen Lieder gewiß nicht weniger aus, als durch seine populaire männliche Beredsamkeit – Porstens gesammlete Kirchenlieder wiegten oft ohne Einfluß auf Gedanken, die Oberfläche des Herzens in melancholicher Andacht – – – Die jetzigen neuen Kirchenlieder sollen berichtigte logikalische Begriffe den Leuten ins Gehirn singen – da aber dürfte wohl nichts draus werden, so lange ein Lied mehr auf Enthusiasmus, als auf Vernunft wirkt, und die neue oder neu ausgeflickte alte Lieder den Enthusiasmus, der noch hier und da durch die Vernunft unterstützt wird, gegen sich haben – Diesen Enthusiasmus, mit welchem die kurrenden Knaben schon von Bürgerthüren ohne Gabe weggejagt sind, weil sie das ihnen geschenkte neue Liederbuch in der Tasche hatten – diese natürliche Vernunft mit welcher ein Bauer dem Geistlichen darthat, daß das alte Lied: Gott der Vater wohn' uns bey, besser wäre, als der neue Ausdruck: Gott der Vater steh uns bey. Denn, sagte der Bauer, (welcher nie so geschwind auf den indezenten Begrif des Beywohnens verfällt, als ein gutgenährter städtischer Müßiggänger,) wenn Gott der Vater bey mir wohnt, so bleibt er bey mir, wenn er aber nur bey mir steht, so kann er mich geschwinder verlassen – und fast möchte ich sagen, daß der Bauer aus einem reinern Herzen erklärte, als der Vernünftler auf Verbesserung gedacht hatte, um sein Herz nicht in Versuchung zu führen, und sich bey Absingung des alten Liedes in der Kirche nicht an seine Frau zu erinnern. Litteratur – Vielleicht ist das einer der vorzüglichsten Fehler, den man mit Recht der teutschen Litteratur vorwerfen kann, daß sie in vielen Fächern zu sklavisch nach der Litteratur der meisterhaften Alten abgemessen wird, und gerade dadurch nicht zu der Originalität gelangt, wodurch sich die Alten unsterblich gemacht haben. Es ist wahr, daß die alten griechischen, römischen und noch weiter zurück die chaldäischen und egyptischen Litteratoren in den meisten Werken des Genies Meister und größtentheils noch unübertroffene Meister sind. Aber wurden sie Meister, weil sie wie wir jetzt thun, von andern Meistern lernten, oder nicht vielmehr weil sie gar kein Muster und kein Modell vor sich hatten, wornach sie arbeiteten? Zuverläßig schöpften die uralten Bramanen ihre Weisheit aus der unmittelbaren Quelle der Wahrheit, die ältesten egyptischen Priester hatten bloß ihre eigene Vernunft zum Lehrer – als sie durch kluge ihrem Lande angemessene Gesetze, durch Einrichtung ihrer Staatsverfassung und durch allegorische Religionsgebräuche, welche die lauterste Wahrheit zum Grunde hatten, unsterblich wurden. Homer hatte keine Regel vor sich, als er sein großes episches Gedicht, die Iliade, verfertigte. Sein Original war die Natur, und die Manier seines Pinsels und die Behandlung seines Objekts hatte den alleinigen Grund in seiner reichen Einbildungskraft – das Kolorit seiner Malerey gab ihm sein eigenes feines Gefühl des Schönen. Likurg hatte seine Staatskunst und seine Legislation nicht aus Büchern, von keiner juristischen Fakultät und nicht vom Catheder gelernt. Der Zweck, den er vor Augen hatte, eine feste männliche und kriegerische Nation und eine eiserne Republik zu bilden – seine eigene Kombinationskraft, mit welcher er die Mittel wählte und ordnete, die zu diesem Zweck führen konnten – das war die Quelle, woraus er schöpfte, sein eigenes Ideal, war das Muster, wornach er arbeitete. Alle Weisen des Alterthums wurden dadurch groß, weil sie aus sich selbst schöpften, aus sich selbst und aus den innersten Falten ihrer eigenen Seele Begriffe und Vorstellungen hervor entwickelten, die sie von keinem andern gelernt hatten. Sokrates raisonnirte so vernünftig – nicht weil er annahm, was andre ihm vorgebetet hatten, sondern weil er selbst dachte – Aesopus machte die schönsten, leichtesten und natürlichsten Fabeln, weil er keine Vorschrift hatte, wie er Fabeln machen sollte. Sapho bleibt unübertroffen, weil sie kein Muster zu ihrer Vers- und Dichtungsart als – in sich selbst hatte. Horaz – Juvenal – Ovid, alle diese Muster hatten kein Muster als Natur und Welt, und keine Regel als ihr eigenes Genie – und dadurch eben wurden sie Muster und Regel – Petron hatte zuverläßig nicht die Regeln des Boileau – sein Objekt war der Hof seines Kaisers und – die angeborne Gabe treffend zu seyn, war sein Lehrmeister – – Mit einem Wort die Alten sind Muster, weil sie nicht nach Mustern arbeiteten, sondern Original waren – – – Die Teutschen waren ursprunglich ein Originalvolk – das beweist der Reichthum teutscher Sentenzen – und die Litteraturregel: Daß ein jeder singen muß, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Wenn der Teutsche ein litterarischer Stümper ist, so kommt das daher, weil er die Alten – nur nachahmet. Unsere Sprache mag sonor seyn oder nicht – das ist eine Nebensache – die griechische Sprache ist es gewiß weniger – stark und männlich ist die teutsche gewiß, und biegsamer, als die römische – – auf Gedanken, auf Wendungen, auf Geist kömmts bey aller Nationallitteratur am meisten an, und diese Eigenschaften kann jede Menschenseele aus sich selbst entwickeln, die nicht im Zuschnitt verdorben ist. Aber diese Materte erfordert eine besondere Abhandlung, welche nächstens erscheinen wird. Lingvet. Ein wahrer Beweis, daß der Franzose fast immer ausschweift, wenn er einmal warm wird. Als Advokat ist's ihm zu verzeihen, wenn er mir Hitze die Sache seiner Parthey treibt, und alle Sophistereyen zu Hülfe nimmt, um den Demosten zu machen, und dem Richter das Recht über den Kopf wegzunehmen. Als Schriftsteller thut er wohl, wenn er die hinreichende Gabe der Beredsamkeit und Worte, welche die Miene der geschmückten Wahrheit an sich tragen, anwendet, um einzunehmen, und sein Publikum durch witzige Unterhaltungen zu täuschen, ohne es durch richtige Darstellung der Sachen aufzuklären – – Wer nur den Zweck hat, gelesen zu werden und zu schimmern, welches eigentlich wohl Lingvets Fall seyn mochte, der hat nicht nöthig, immer wahr zu seyn – – Voltaire machte es als Geschichtsschreiber nicht besser – er schrieb schön, aber darum und um Witz bekümmerte er sich auch mehr, als um historische Richtigkeit – Als Philosoph war's dasselbe – – Wahre Gedanken wahren entlehnt, die Wendungen waren sein, und seine Beweise verführten, ohne den scharfen Prüfer zu zu überzeugen. Warum sollte Lingvet, dieser fameuse politische Sophist, nicht gleiches Recht haben? Als Satirenschreiber kann ich's ihm nicht verdencken, wenn er der Großen Fehler nicht schonte – – aber er vergaß, daß die Fehler der Großen, wenn sie wirklich große Leute sind, und Verdienste besitzen – wenn sie der Sonne gleich mehr Glanz als Flecken haben, – daß alsdenn diese Fehler selbst Achtung verdienen, und außer der Sphäre der Spötterey liegen. Ein großer Mann, der durch Geist und hohe Eigenschaften groß ist, hat eine Art von Privilegium, auch Fehler zu haben, die dem kleinern Geist nicht ungestraft hingehen müssen. Ein erlauchter Schriftsteller sagt sehr treffend: »daß man selbst über die Fehltritte des Sohns aus Egard für die Verdienste seines Vaters einen Schleier ziehen müßte.« Dieser Grundsatz ist so wahr, so richtig, daß er zur Regel besonders dem Satirenschreiber dienen muß. In mindern Fällen wird eine ähnliche Maxime beobachtet. Wenn ein Mädchen auf der einem Schulter einen Buckel hat, und auf der andern mit der schönen Bürde von hunderttausend Thaler beladen, meine gerade wohlgewachsene Frau seyn will; so bin ich erbötig, vor ihren Buckel stockblind zu seyn, und ihr nach meinen besten Kräften eben die Pflichten zu leisten, als wenn sie die schönste Taille von der Welt hätte. Voltaire unter uns gesagt, betrog Juden und Christen, er that dadurch böses im Kleinen – aber man vergißt diese Flecken in seiner Geschichte, wenn man den Geist in seinen Schriften bewundert, und die Dienste in Betrachtung ziehet, welche er im Grossen der Welt durch Aufklärung und durch seine unsterbliche Toloranzlehren geliefert hat. Im höhern Grade müssen die Flecken in ruhmwürdigen Fürsten, welche durch ihren Geist und durch ihre Handlungen Wohlthäter des menschlichen Geschlechts sind, übersehen, und von dem Geschichtsschreiber mit äußerster Delikatesse behandelt werden. Das vergaß Lingvet – seine Satiren wurden mehr Impertinenz als Witz, indem er das Uebergewicht von Verdienst und von Fehlern nicht erst gegeneinander abwog, und als ein wahrer unbesonnener Franzose nicht einmal so viel Rücksicht auf seine eigene Sicherheit nahm, um sich nur einen einzigen Staat offen zu halten, wo er hoffen durfte nicht in die Bastille gesetzt zu werden. Lektüre, ist eine Modebeschäftigung müssiger Leute, so wie sie bey denkenden Köpfen ein Mittel ist, sich auf eine nützliche Art zu unterhalten, oder vielmehr in Stunden der Erholung, wenn man müde ist, selbst zu denken, sich einmal von andern vordenken zu lassen. Wer von der letztern Classe sich blos durch Lektüre Kenntnisse sammlet, ist im Grunde nur ein praktischer Compillator – ein ewiger Gast, der immer von anderer Leute Tisch satt wird, und nie andern wieder zu essen giebt. Größer als der belesenste Mann, ist der Selbstdenker, der aus eigenem Vermögen hingiebt, um der einreißenden Armuth des Geistes zu steuren. Die meisten Leute von Lektüre indessen lesen nicht einmal, um auf anderer Aecker Aehren zu ihrem Seelenunterhalt zu sammlen – sie lesen – weil's Mode ist, aus Langeweile, aus Ton um mit mitzusprechen zu können, und gerade durch hirnloses mitsprechen ihre Schwäche zu verrathen. Sie prahlen mit gesammleten Titeln von Büchern, wie mancher mit einer Bibliothek, die er gar nicht lieset – sie blos als Geschmacksvolle Meuble eines Zimmers, als eine Tapete nach der Mode betrachtet. Ein ehmaliger hiesiger Banquier war im siebenjährigen Kriege reich geworden, und wollte jetzt auch den Mann von Geschmack vorstellen. – Sein Haus gewann in allen Stücken ein fürstliches Ansehen, – und nun mußte er auch eine Bibliothek haben. – Leider kannte er auch keine Bücher, und da sich in den schönen Verschlägen, welche die Wände zierten, noch ein großer unausgefüllter Raum zeigte, so schrieb er an einen hiesigen Professor, und bat ihn um ein Bücherverzeichnis um etliche zwanzig Ellen leeren Raum auszufüllen. – – Aber kein Professor konnte den leeren Raum seines Gehirns ausfüllen, so wie bey aller Modelektüre leere Köpfe großentheils wohl bis am jüngsten Tage unausgefüllt bleiben dürften. Leichenpredigt thut die Dienste der Absolution, und erklärt einen jeden wes Standes und Würden er seyn mag, vor taxmäßige Gebühr, für heilig im Leben, und für selig im Sterben. Ohne zu untersuchen, was eine Leichenpredigt für einen Effekt auf die Seligkeit des kanonisirten Verstorbenen macht; bringt diese Charlatanerie dem Leichenprediger reelle Vortheile und manchen schönen Thaler. Wenns allenfalls mit meinen Charlatanerien nicht mehr fort wollte; so erbiete ich mich einem jeden für die Gebühr noch bey Lebzeiten seine Leichenpredigt zu halten. Liebhaber können sich deshalb melden, und wenn sie's nicht thun, nicht für eigene Rechnung die Kosten daran wenden wollen; so bin ich entschlossen, nächstens ein Bändchen Leichenpredigten über lebende Personen, welche Lob- und Seligsprechung höchst nöthig haben, öffentlich herauszugeben, in der festen Versicherung, daß sie das Publikum ihres erbaulichen Inhalts wegen mit Vergnügen bezahlen wird. Auch dient zur Nachricht, daß ein jeder der keine Leichenpredigt über sein rühmliches Leben gehalten wissen will, solche für einen raisonnablen Recompens abkaufen kann, denn bekanntermaßen sind Leichenpredigten schlechterdings eine bloße Geldsache. Manna – eine schöne Sache für Leute, die nicht gern arbeiten mögen, und ein vortrefliches Mittel in sterilen Gegenden des Schlaraffenlandes, wo keine Früchte wachsen, und wo es nichts zu stehlen giebt, zu ernähren. Man sagt es noch bis diese Stunde unserm lieben Herrn Gott nach, daß er auf diese Manier in der sandigten Wüste Arabiens, einen großen Trup egyptischer Zigeuner gespeiset habe – daß er täglich so viel Mehl von der schönsten Sorte vom Himmel fallen ließ, daß sechsmal hundert tausend Mann ohne Weiber und Kinder sich Kuchen davon backen, und Klöße oder Brey davon kochen konnten, und welches wenigstens schuhhoch muß gelegen haben, weil es sonst schwerlich von dem Treibsande hätte aufgesammlet werden können, ohne daß es zwischen den Zähnen was zu knirschen gegeben hätte – – In dem berühmten Schlaraffenlande, wo die gebratene Tauben einem ehrlichen Manne so gerade ins Maul fliegen, die Seen von schön appretirten Fischen voll sind, die Weiden von eingepöckelten Ochsen begraset werden, denen man nach seinem Appetit ohne Mühe ein Stück Salzfleisch oder Roßbief aus dem Leibe schneiden, und aus jedem Brunnen oder Bache nach Belieben Champagner und Burgunder dazu trinken kan – – in diesem verloren gegangenen Lande, und – in den glücklichen Gegenden, wo es weiland Manna regnete – die Raben Fleisch stahlen, um einen hungrigen Propheten satt zu machen – wo ein frommer Mann mit ruhigem Gewissen unter hungrigen Löwen sitzen konnte, ohne gefressen zu werden, und der Koch Habakuk noch eine Spatzierfahrt durch die Luft vornahm, um einem frommen Daniel in der Gruben zu essen zu bringen, damals konnte ein ehrlicher Mann noch in der Welt ein recht ruhiges Stück Brodt geniessen, ohne es sich sauer werden zu lassen. Heute zu Tage und in den jetzt bekannten Ländern ist man weit schlimmer dran – Keine acht Tagelang liefern Raben jetzt Fleisch, und andere Lebensbedürfnisse, ohne einem sogleich ein Conto hinterdrein zu präsentiren. Man mag gottlos oder fromm seyn, und beten was das Zeug halten will, es muß jetzt alles bezahlt werden – Der liebe Gott giebt sich mit keiner immediaten Lieferung mehr ab, und wer in diesen gar ökonomischen Jahrhunderten nicht arbeitet, der bekommt auch nichts zu essen. Das einzige Mittel sich ohne Arbeit zu ernähren, besteht noch darin, daß man den Leuten die Wunder der Vorwelt und des Schlaraffenlandes erzählt, und mit homiletischen Amplifikationen über die ehemaligen Speisungsarten erbauliche Reden hält – In katholischen Ländern ernährt das seinen Mann reichlich, und unter den Protestanten läßt es sich bey diesem kommoden Metier auch fertig werden. Aber auf Manna zu rechnen – die Zeiten sind leider vorbey. Maximen, der Charlatan gauckelt welche die er nicht hat, der reelle Mann befolgt Maximen, die er nicht zur Schau ausstellt, und scheint bisweilen nach Maximen zu handeln, die im Grunde nicht die seinigen sind – – – Oeffentliche Schriftsteller haben wirklich die Maxime – wider ihre eigene Meynung, keine Meynung zu äußern, welche nicht die Meynung des Pöbels ist. Die heilsamste Maxime von der Welt ist die, ohne Rücksicht auf sklavische Bedenklichkeiten treffende Wahrheiten zu sagen, und die Leute zu zwingen, daß sie sich so gut aufführen, damit man keine unangenehme, sondern lauter lobenswürdige Wahrheiten von ihnen sagen und schreiben könne – die beste Maxime aber Schriftsteller zu seinem eigenen Vortheil zu seyn, ist keine andere, als nur solche Sachen zu schreiben, die am geschwindesten abgehen, – Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, sind diese Charlatanerien gewiß nach der besten schriftstellerischen Maxime bearbeitet, welches mir kein Charlatan abstreiten soll. Militair, gehört nur in denen Staaten zu den Charlatanerien, wo das Militair den Zweck des Militairs verfehlt – bloß das Spielwerk eines kleinen Fürsten ist, der sich ohne andere Absicht mit seinem Paar Männerchen im Exerciren übt, wie die Kinder Soldat spielen, und zum Zeitvertreib das Manövre der wahren Soldaten auf dem Paradeplatze nach machen. Wenn zum Beyspiel so ein kleiner gefürsteter Abt, der ganz unfähig ist, sich einen rechtschaffenen Feind vom Leibe zu halten, etwa ein Paar hundert Husaren hält, die er kaum zum Rekognosziren brauchen kann, um zu erfahren, wie nahe der Feind ist, um sich zu rechter Zeit zu reteriren, seine Pretiosa und seine Husaren selbst einzupacken, und damit weiter zu gehen, wenn er nicht alle Beute in den Händen der Feinde zurück lassen will – – wenn ein solcher Abt im tiefen Frieden, wo er die innere Sicherheit seines Landes, auch allenfalls durch hundert Häscher befördern und unterhalten könnte, wenn der die Hälfte seiner Zeit mit Exerziren und militairischen Uebungen verliert, von der andern Hälfte des Tages ein Drittel zur Messe anwendet, ein anderes Drittel im Weinfasse vertrinkt, und das übrige unausgefüllte Restchen seines Charlatanlebens mit Unterschreibung seines Namens unter landesherrlichen Verordnungen zubringt; so ist er nicht ein haarbreit mehr Militair, als ein Theaterheld, der auf der Bühne Commödianten in Uniform gekleidet, mit leerer Gravität aufmarschiren läßt. In großen Staaten ist das Militair der respektabelste Stand, der seiner Bestimmung und seines innern Werths wegen, den Vorrang vor allen übrigen Ständen verdient. Das Militair ist die hinlängliche Vormauer des Landes, welche sich um dasselbe herzieht, um die innere Staatenglückseeligkeit gegen alle feindliche Angriffe zu schützen – der Soldat garantirt mit Blut und Leben die Ruhe des Bürgers, und in einem Lande, in welchem sich eine stehende und ganz disciplinirte Armee befindet; sind die gefährlichsten Staatenkrankheiten, die unmittelbar ans Herz der innern politischen Glückseeligkeit nagen, Bürgerkriege, wo rasende Aufrührer in eigenen Eingeweide wüten – diese landverderbliche Unruhen sind in einem militairischen Staate nie zu befürchten – da wohnt ein jeder ruhig unter einem Souverain, welcher Befehlshaber seiner Armee, und der Hausvater in seinem Lande ist. Von dieser und von jeder andern respektablen Seite betrachtet; ist in preußischen Staaten der Militairstand derjenige, welcher sich in Vergleichung mit andern Nationen und Ständen, am meisten in Achtung gesetzt, und bisher erhalten hat. Der preußische Officier wird bey allen übrigen europäischen Truppen für ein Beyspiel von Tapferkeit – für den Lehrmeister der Dienstkenntniß und Kriegserfahrung gehalten – und wenn wir im Innern des Staats alle Stände durchgehen; so finden wir nirgends mehr und kräftigere Spuren von altteutscher Redlichkeit, von dem was bieder und in jedem Betracht brav ist, als unter der Classe der alten Officiers – fast mögte ich sagen, nirgends mehr wahre Gottesfurcht, als gerade bey dem alten Officier, dem mans gleich ansieht, daß er Feldzüge gemacht, mehr als einmal dem Tode starr ins Auge geschaut, und sich auf dem entscheidenden Punkt gefühlt hat; in Erfüllung seiner Berufspflichten mit entschlossener Resignation auf Welt und Leben seinen letzten Schritt – aus der Schlacht unmittelbar vor Gottes Angesicht zu thun. Zwar so viel Complimente macht ein alter Solat nicht mit Menschen, als ein Hofjunker, aber was er sagt, darauf kann man sich etwas mehr verlassen – und für den lieben Gott hat er nicht einen so ästätischen wortreichen Vortrag, wie ein Geistlicher, der darauf ausgelernt ist, dem guten Gotte, der einem jeden Audienz giebt, recht viel schönes vorzuplaudern; aber wenn so ein alter Militair im Kugelregen seine Seele Gott zur fernern Disposition empfiehlt, so geschieht es kurz, voll Ernst und voll Nachdruck. Die Classe der jüngern Offiziers zeichnet sich jetzt mehr als sonst durch Applikation auf Wissenschaften aus, welche nicht eigentlich den Dienst betreffen, aber viel beytragen, den Offizier zu bilden, und ihn zum angenehmen und liebenswürdigen Menschen zu bilden, ohne ihn darum zum Petitmaitre herab zu stimmen. Die preußische Armee hat eine nicht geringe Zahl solcher Offiziere, die nach dem Muster ihres Königs nicht bloß Soldaten, sondern auch Männer von Kenntnissen und Geschmack sind. Wir haben einen General Stille und einen Major Kleist gehabt, die von dieser doppelten Seite Zierden der Armee waren. Von einem Offizier kam mir kürzlich auf den letzten eine Grabschrift zu Gesichte, welche Kleisten und dem Witze seines Lobredners gleich Ehre macht – sie ist zu schön, um nicht den Verfasser in dem Lieutenant von Rahmel unter dem Flemmingschen Regimente zu nennen, und sie verdient zu sehr allgemeiner gewußt zu werden, um sie aus seinem Werke nicht ganz abzuschreiben, hier ist sie: Hier Wandrer ruht der Barde Kleist In ihm beweint das Musenchor Zum erstenmal den schönen Geist In einem preußischen Major. Als vorzüglicher Charakterzug des preußischen Militairstandes verdient besonders noch das Heiligthum der höchsten Menschenwürde – das wahre Point d'Honneur bemerkt zu werden. Die Ehre ist erstes Gesetz und erste Pflicht des Soldaten. Wenn Lachete in andern Ständen wie eine Sündfluth auf der Erde sollte überhand nehmen, so wird sich ein Stamm von Ehre in der Arche des Militairstandes erhalten, und wenn der Mahler das Bild eines sehr würdigen Offiziers vorstellen, und diesen Charakterzug weglassen wollte; so würde er ihn nur halb mahlen. Mirakel, darin sind die Menschen von Anbeginn der Welt, und so weit die Geschichte zurück führt, ausnehmend verliebt gewesen, und werden es bleiben, bis am Ende der Tage. Leute von Kopf, wenn sie ihrer Herrsch- und Gewinnsucht genügen wollten, spielten, falls andere Mittel ihnen fehlten, Mirakelkomödie und durch Wunderwerke, die sie Leuten vorgauckelten, regierten sie die Welt. Zur Ehre unseres erleuchteten Jahrhunderts, und zum unsterblichen Ruhm unserer hellen Berliner muß ich anmerken, daß durch mirakuleuse Charlatanerien, durch Wahrsagungen aus der Kaffeetasse, durch Kartendeuterey, durch Inspirationen, Geistererscheinungen, Gespenstergeschichten – – man selbst bey Leuten vom Stande, besonders feminini generis, mehr Beyfall und Glauben verdienen kann, als durch handgreifliche Vernunftgründe. Ein purer Planetenleser kann hieselbst durch seine Kunst reich werden – ein neuer Meßias findet Anhänger und Glauben. – Jeder Charlatan mit sympathetischen Wunderkuren ist herzlich willkommen – das erste beste Mährchen von der Erscheinung eines Geistes gilt mehr als ein Evangelium. – Die berühmte weiße Frau auf dem hiesigen Schloße. – ohngeachtet sie schon vor geraumer Zeit einmal ausgepeitscht worden ist, hat noch ihre Partisans – – Dergleichen Fratzenglauben macht ein Hauptstück der jetzt noch immer fortherrschenden Lokalreligion aus. – – Ist es zu verwundern, wenn derjenige, welcher keinen solchen Mirakelglauben hat, für einen Atheisten ausgeschriehen wird? Das beste von der Geschichte ist, daß ein großer Theil derer, welche die alten und neuen Mirakel selbst für nichts mehr, als für Fratzen halten – selbst der größte Theil der heutigen Theologen die unzüchtige Pretension machen: daß unser einer dergleichen Rasereyen um deswillen verschonen, und nicht lächerlich machen müsse; weil sie so vielen hübschen Leuten ehrwürdig wären! Wenn dieser Grund gelten könnte, so möchte ich wissen, warum ihr Herren! das alte jedem ehrlichen Bürger und Bauer ehrwürdige Porstensche Gesangbuch nicht bey seinen Würden gelassen habt? Ich möchte wissen, warum uns nicht noch alle Eselsfüße der Welt, welche Christum in Jerusalem hinein getragen haben sollen, zu küssen gegeben werden? Dergleichen Reliquien waren tausenden ehrwürdig. – – Aber man will der Vernunft aufhelfen, und das Ehrwürdige geschont wissen – was das vor Zwitteranstalten sind! Lobreden – – Wenns denn schlechterdings nicht anders seyn kann, so muß ich mich schon entschließen, ein Bändchen hübscher Lobreden zusammen zu schreiben, um sie allen den braven Männern zu Füßen zulegen, welche sich durch meine Schriften scandalisirt finden, und auf mich schelten, weil ich der einreißenden Geistestheurung abzuhelfen suche, und die hungrigen Seelen sättige, mithin eine sehr lobenswürdige Sache verrichte. Das weiß doch der liebe Gott, daß bey allem gelehrten Ueberfluß marktgängiger Meßwaaren, wenig Nahrung für die gesunde Vernunft – wenig Zieltreffende kraftvolle Wahrheit vors Geld zu haben ist – – Selbst unsere erleuchtete Akademie der Wissenschaften ist noch zweifelhaft, obs gut sey, den Leuten die reine Wahrheit zu sagen? oder sie beym leeren Schaalengenuß der Feenmährchen und magrer Vorurtheile zu erhalten? Der größte Theil der hellesten Köpfe ist davor – den Aberglauben und die Unvernunft nur ein wenig vernunftmäßig zu machen, nicht aber ihn ganz auszurotten. – Alle aber sind beynahe der einstimmigen Meinung, daß man viele Wahrheiten gar nicht sagen müsse – wollen ein Haufen Chalatanerien unangetastet wissen, nur nicht das heilsame Gegengift meiner Chalatanerien, welche bey ihrer genießbaren Appretur doch noch ziemlichen Abgang finden und hoffentlich manchem ganz gut bekommen werden, wenn gleich einige – die zu jeder Medizin eben so wenig Appetit haben, als zu gesunder Hausmannskost, etwas Herzklopfen, kleine Uebelkeiten und Magendrücken darnach verspüren dürften, weil ihre Verdauungsgefäße gar zu sehr geschwächt sind. Unpartheiisch müßte selbst das Collegium Sanitatis ein vortheilhaftes Urtheil über meine kräftige Seelenspeise fällen, was auch immer diejenigen, welche einige leichte Uebelkeiten darnach empfinden, dagegen einzuwenden haben mögen. Um indessen dem Unheil des bösen Gerüchts, womit die gute derbe Geistesnahrung ungewohnter Wahrheiten verschrieben werden will, auf die sicherste Weise abzuhelfen; muß ich schon ein übriges thun, muß nach dem Muster anderer Charlatane, und nach dem Rath meiner Freunde, mir eine Parthey zu machen, und selbst meine Gegner in mein Interesse zu ziehen suchen. Offenbar kann dies durch kein zuverläßiger Mittel geschehen, als wenn ich selbst auf Kosten der Wahrheit allen denen eine Lobrede halte, welche bisher ihren lauten Tadel über meine Schriften zu äußern Belieben getragen haben. Eine Hand wäscht die andere, und wenn ich meine Tadler recht kräftig herausstreiche; so werden sie schon künftig besser meine Partie nehmen. Es ist ein bekanntes Exempelchen, daß einstweilen ein guter ehrlicher Bürger von dem Stadtmagistrat bey aller Gelegenheit viel bittre Wahrheiten sagte – wie z.E. die Herren des Raths die Leute drückten, – so oft sie Geld brauchten, ein neu Gesetzchen aufbrächten, oder ein altes aufwärmten, welches freylich nach Liebe zur Ordnung schmeckte, aber wie eine schön versilberte Pille nur beygebracht würde, um die Bürgerschaft ein wenig purgiren zu lassen, und ihnen den Beutel zu erleichtern, maaßen ein jeder – wie dieser Mann sagte, die Contravention denen Aufsehern abkaufen konnte u.s.w. – – Anfangs wollte der Magistrat dem Bürger, der solchergestallt, wie der gottlose Ham die Schaam seiner Väter aufdeckte, zu Leibe; aber er schützte sich mit seinem Bürgerrecht, und mit der Versicherung, daß er die Wahrheit rechtlich beweisen wollte, wodurch denn der arme Magistrat bey dem Landesfürsten in eine schlimme Opinion hätte kommen können. Der Magistrat nahm bey so bestalten Sachen eine andere Wendung, erwählte den Bürger unter lauten Lobsprüchen seines bekannten patriotischen Eifers zum ordentlichen Mitgliede, ließ ihn mit theilen – – und a dato fing der neue Rathsherr sofort an, den Magistrat zu vertheidigen, unterschrieb alles treulich mit, was zum Besten der Stadt beschlossen wurde, und man sahe ihn mit Leib und Seel zur Seite des Magistrats stehen – der wie alle Apostaten seine neue Parthey verfocht, und seine alte vorhin so sehr getadelte Herren Collegen – – – Du bist gar nicht mehr, wie du sonst warst; sagte sein Nachbar zu ihm, sprichst aus einem ganz andern Ton vom Magistrat, der's jetzt ärger macht, wie vorher – – – Ja sagte der neue Rathsherr, der eben von einem Theilungsaktus zu rück kam, und den Braten roch, der für seine Tentieme ihm unterdessen ins Haus geflogen war – ich dachte es sonst nicht, daß es beym Magistrat so ehrlich herginge! Nach diesem Modell denke ich auch die Herzen meiner Gegner, die mich für nichts weniger, als für einen Giftmischer ausschreyen, auf meine Seite zu bringen – – Zwar nicht auf die Art, daß ich sie mit mir wollte theilen lassen, wenn ich in der Stadt und im Lande umher Contribution ausschreibe, auch nicht durch Braten und andern körperlichen Eskulantien – aber durch wohlriechenden Weyrauch schöner Lobreden, die ich meinen angesehensten Antipartisans halten werde, und wovon ich bereits das Register angefangen habe, um in kurzen ein mäßiges Bändchen erscheinen lassen zu können. Wer mir ein volles Dutzend solcher lobfähigen Personen nahmhaft hat, die der Mühe verlohnen, daß ich sie durch Lobschriften zu meinen Freunden mache, der erhält ein Exemplar gratis. Moses, dieser fameuse Mann, der so viel Spektakle in der Welt gemacht hat, war der erste Fündling, dessen die Geschichte erwähnt. Angeblich war er ein Israelitisches Kind, welches hatte weggesetzt werden müssen, um nicht getödtet zu werden, weil damals von dem König der Egyptier war befohlen worden, alle jüdische Knaben, die geboren wurden, sofort umzubringen, damit diese fremde Race nicht weiter überhand nehmen, und den Landeseinwohnern über den Kopf wachsen möchte. Dieses ist einer der allerunwahrscheinlichsten Artikel, in der mit Fabeln und abentheuerlichen Mährchen ausgeschmückten altjüdischen Geschichte. Wenn wir als wahr annehmen, daß die Israeliten eine besondere Provinz, Gosen genannt, inne hatten, daß die Egypter einen Greuel für dies Hirtenvolk hatten, und sich für viel zu edel hielten, um unter diesen arabischen Horden zu wohnen, daß die Israeliten sechsmal hundert tausend Mann zählten, folglich ein Volk ausmachten, welches Weiber und Kinder darzu gerechnet, wenigstens anderthalb Millionen Menschen stark war; so hätte es mit dem Teufel zugehen müssen, wenn ihre Weiber nicht hätten gebähren können, ohne daß die Egypter es hätten ausspioniren können, ob Jungens oder Mädchens zur Welt gekommen wären. Angenommen, daß auch fünfzig tausend Egypter Tag und Nacht patroullirt hätten, um zwischen den Wohnungen der Juden auf das Kreißen der gebührenden Weiber zu horchen und Acht zu haben, daß dem emanirten Edikt zufolge alle Knaben getödtet würden, so hätten dieser Spionen ohngeachtet, doch immer hundert Weiber sicher nieder kommen können, ohne daß solches hätte verrathen werden dürfen, zumal die Hebammen nach der Versicherung der heiligen Geschichte damals verschwiegener waren, als heute zu Tage, und selbst den frommen Meineid begingen, und nicht thaten, wie ihnen der König befohlen, und sie ihm geschworen hatten, daß sie thun wollten. Wenn die Knaben aber einmal wohlbehalten zur Welt gekommen waren; so durften sie nur in Mädchenskleidung aufwachsen – so gar genau würden Patrouillen der Egypter die herumlaufende Mädchensfiguren ja wohl nicht examinirt haben, um unter weiblicher Kleidung ein männliches Merkzeichen zu entdecken. Die Mutter des kleinen Mößchens falls sie wirklich eines ehrlichen Israeliten Eheweib gewesen wäre, hätte folglich nicht nöthig gehabt, ihr Kind aus dem Lande Gosen zu tragen, um es nahe bey dem königlichen Schlosse am Ufer des Nils auszusetzen, da es nicht wahrscheinlich ist, daß die königliche Prinzessin mit ihren Hofdamens eine Promenade bis in die Provinz Gosen wird gemacht haben, die Juden aber so nahe an der Residenz zu wohnen sich nicht unterstehen durften. Vielleicht war Moses gar ein Kind der frühen Liebe von der jungen Prinzessin, was weggesetzt, und von ungefähr hatte gefunden werden müssen, um die in Cognito geschehene Niederkunft der Mutter, die nothwendiger Weise noch als Vestalin vermählt werden mußte, nicht zu verrathen. Aehnliche Fälle sind mehr in der Welt bekannt, daß außer eheliche Kinder zur Konservation der Ehre ihrer Väter und Mütter erst weggesetzt, und wie ganz von ohngefähr wiedergefunden werden, um ihnen die zärtlichste Erziehung unter dem Titel der Großmuth und christlichen Liebe, als Fündlingen angedeihen zu lassen. Wenn dies allenfalls getroffen seyn sollte; so wäre Moses nicht nur ein Fündling, sondern noch oben drein ein Kind der Liebe. Der Erfolg scheint dies zu bestätigen – denn er war wie die meisten Kinder der Liebe, zu deren Ausarbeitung die lebhafte Einbildungskraft mehr beyträgt, als die meist schläfrige Ehepflicht, ein heller Kopf, und ein fast vollkommener Mann, von dem kein andrer Fehler bekannt war, als daß er eine stotternde Sprache hatte. Indessen paßirte er – bey den Juden wenigstens, die aus altväterlichen Wahn keines unbeschnittenen Sohn zu ihrem Hauptmann haben durften, für einen ächten Israelitischen Abkömmling – Vielleicht ans keinem bessern Grunde als der verunglückte Pugatschev für Peter den Dritten auf und angenommen wurde, um den Enthusiasmus des Aufruhrs anzufachen. Er wurde wie ein Prinz in aller Weisheit der Egypter erzogen, und lernte von den Priestern die Geheimnisse das Volk durch scheinbare Wunder zu täuschen, und die feinsten Staats-Künste der Vorwelt, noch besser, als wenn er bey den Jesuiten in der Schule gegangen wäre. Als ein junger feuriger Mann fühlte er sich zu sehr Prinz erzogen, um als bloßer privat Mann ein müßiges unbemerktes Leben zu führen. Mit allem angebohrnen und ausgebildeten Ehrgeiz konnte er sich keine Hofnung zur Egyptischen Krone machen – er legte es also drauf an die zahlreiche Israeliten an sich zu ziehen, und sie zur Empörung zu reizen, welches um so leichter war, da dieses Volk ziemlich sclavisch behandelt wurde, und wieder seine Neigung arbeiten mußte; welches nie eines Juden Sache war, da bekanntermaßen die Allerärmsten von dieser Nation lieber halb nackend gehen und trocken Brodt essen, als Holzhacken, oder andere sauere Handsarbeit sich gefallen lassen. Diesemnach suchte Moses zuvörderst das Zutrauen und die Liebe dieser Nation zu gewinnen – er strich auf den Feldern herum, wo die Israeliten unter der Aufsicht egyptischer Frohnvoigte arbeiteten, und affektirte als ihr freundlicher Beschützer die Schläge von ihnen abzuwenden, durch die sie zum Fleiß schlechterdings aufgemuntert werden musten, wenn was geschehen sollte, und er machte sich ungebeten über einen Egypter der einen Juden prügelte, schlug ihn todt und begrub ihn, damit der befreite Jude den ihm geleisteten heldenmüthigen Beystand seinen Brüdern erzählen, der todte Egypter aber seinen Mörder nicht verrathen oder ihn Injuriarum belangen mögte. Ganz hatte diese That nicht den Einfluß auf die Israeliten den er sich versprechen mogte. Er wollte bey einer andern Gelegenheit, da sich zwey Juden prügelten, wieder den Schiedsrichter machen – der eine aber, der keines Richters bedurfte, und sich auf die gute Sache seiner eigenen überlegenen Faust verließ, komplimentirte ihn ziemlich unhöflich weg, warf ihm seine an dem Egypter verübte Mordthat vor, mit dem Bedeuten, ihn bey dem egyptischen Generalfiskal zu denunziiren, wenn er sein unbefugtes Scharfrichter- Amt nicht würde niederlegen und wenn er sich fernerweitig in fremde Händel mischen würde. In Egypten war damaliger Zeit mit dem Generalfiskal nicht zu spaßen – Dieser furchtbare Staatsoffiziant konnte von Amts wegen und wenn er nicht gar zu kommode war, seine Pflichten zu erfüllen; den ersten Staatsminister Sr. Egyptischen Majestät über Malversationen in Anspruch nehmen. Das wuste Moses. – Es konnte ihn also nicht schützen, daß er der geliebte Fündling einer Prinzessin und vielleicht die erste Frucht ihres frühen Temperaments war, und aus so triftigen Konsiderationen nahm er weißlich reisaus, und legte durch diesen Schritt den er aus dem Lande that, den ersten Grundstein ein Avantürier zu werden. Unvorbereitet zu dieser schleunigen Flucht, hatte er vermuthlich seine Börse vergessen – In der Fremde ist es ein schlimm Ding ohne Geld und ohne Creditbriefe zu reisen; aber ein geschickter Kopf wird sich in solchen Gelegenheiten immer aus der Affaire ziehen – Bis auf bessere Zeiten trat er bey einem gewissen Itero in Kondition, und ward ein Viehhirte. – – Bey einem Manne von Kopf kommt es nie darauf an, was man einmal gewesen ist – – Jakob war auch nichts anders als Schäfersknecht, und wurde doch nachher Lehnsherr vom Lande Gosen. Joseph trug seinen Brüdern, welche alle Viehhirten waren, das Frühstück nach der Weide, wurde als Sclave verhandelt und Haushofmeister bey dem Cabinetsminister Potiphar, und weil er dessen Gemahlin, die während der Zeit daß ihr Gemahl sich mit Staatssachen plagte, viel Langeweile hatte, nicht bedienen wollte; so kam er gar ins Gefängniß, und von da wurde er durch die immer wichtige Gabe der Weißagung, und durch Projektmacherey zu der Würde des ersten dirigirenden Staats- und Finanzministers und eines Generalstatthalters von ganz Egypten erhoben. Saul in spätern Zeiten wurde von seinem Vater abgeordnet, Esel zu suchen, gerieth unter die Prophetenknaben von welchen Samuel zu der Zeit Direktor war, und weil er diesem ein sehr brauchbares Subjekt schien, Titularkönig zu seyn, Samuel aber eben einen so unmündigen König suchte, in dessen Nahmen er die Rolle eines Herzogsregenten spielen konnte; so salbte er den Eselknaben zum Könige über Israel – – David war auch nichts mehr, als ein Hirtenknabe, wurde Hofmusikus beym Könige Saul, um ihm auf der Harfe vorzuspielen, wenn Se. Majestät nicht nach der Pfeiffe tanzen wollten, dieserhalb ausgescholten wurden, und unter der Hofmeisterschaft des alten Samuels, dem er nichts recht machen konnte, oft bey übler Laune waren – auch dieser Knabe poußirte sich durch die weise Veranstaltungen Samuels, in dessen Grillen er sich besser als Saul zu schicken wuste – heirathete die Prinzeßin Michal, errichtete ein Freykorps von Landstreichern, die auf Raub und Beute ausgiengen, ward ein Ueberläufer, gieng als Freybeuter in fremde Dienste, und endigte diese glänzende Laufbahn nach Sauls Tode mit Ersteigung des höchsten Ehrengipfels, indem sein alter Patron Samuel, der ganz in dem Geiste eines Priesters, vor sein Leben gern Könige machte und Könige regierte, sofort den Herrn Freyobristen aufsuchte, und ihm die Krone über Israel aufsetzte. Es that also auch nichts, daß Moses eine Zeitlang das Vieh hüten mußte – deswegen vergaß er doch seine Absichten nicht, ein großer Mann zu werden. Er hatte Zeit und Muße hinter der Heerde seinen Plan recht durchzudenken, wie in spätern Zeiten Mahometh als Kameeltreiber auch nicht müßig mit seinem Kopfe war, wenn er sich in seinen maschinenmäßigen Berufsgeschäften auf Reisen befand. Moses legte sich auf die damals geltende Priesterkunst mit Gott zu sprechen, kehrte nach Egypten ganz als Jude zurück, indem er selbst auf dieser Rückreise seinem Sohn Zipor, die bis dahin unterlassene Beschneidung angedeihen ließ, assoziirte sich mit Aaron, der ein guter Redner war – wiegelte die Israeliten auf, sich der egyptischen Oberherrschaft zu entziehen, machte Künste vor dem Könige Pharao, gewann ganz die Herzen der Juden, indem er sie lehrte die Egypter zu bestehlen, und bey Nacht und Nebel fortzugehen, zog mit diesem Volke viele Jahre in der Wüsten umher, hielt sie durch lauter Wunderwerke in Ordnung, gab ihnen Gesetze die mit denen in Egypten viel Aehnlichkeit hatten – versprach ihnen ein Land, welches als General zu erobern, er selbst nicht Herz hatte, und starb zur rechten Zeit – um sich als ein großer Mann bey einem unvollendet gelassenem Werk auf die klügste Weise aus der Affaire zu ziehen. Nach rechtem Maaß und rechtem Gewicht – eine Replik für meine mißvergnügte und unberufene Kritiker – Ich sann meinem Schicksal nach, daß so manche Menschenklassen über mich und über meine Schriften ein mißvergnügtes Urtheil fällen – und wenn ich nicht sehr irre, noch ferner über mich fällen werden. Diejenigen, welche ich nach reiner Wahrheit, aber nicht nach ihrem Sinn karakterisirt habe, sprechen mir ohne Umstände mein Verdammungsurtheil und würden nur mit Milde über mich urtheilen, wenn ich ihnen – auch ohne Verdienst, mithin aus pur lauterer Gnade und Barmherzigkeit eine herrliche Lobrede gehalten hätte – – Was soll ich diesen Leuten zum Trost sagen? wie soll ich sie zufrieden stellen? Ich war um eine recht passende Replick recht sehr verlegen – – Indem bringt mir mein Bedienter eine Probe Thee in einem gedruckten Blättchen – – Ich machs auseinander und lese folgende Fabel: Aesopus und der Esel. Der Esel sprach zu dem Aesopus: Wenn du wieder ein Geschichtchen von mir ausbringst; so laß mich etwas recht vernünftiges und sinnreiches sagen. Dich etwas sinnreiches! sagte Aesop; wie würde sich das schicken? würde man nicht sprechen, du seyst der Sitenmahler, und ich der Esel? Lieben Freunde? wenn ihr hört, daß jemand mit der Zeichnung, die ich von ihm gemacht habe, nicht zufrieden ist, wenn ihr's jemanden an der Nase anseht, daß er gern in einem vortheilhaftern Lichte erscheinen möchte – als Wahrheit und Freymüthigkeit ihm beylegen konnte; dann denkt an obige Fabel, und gebe Gott! daß jeder mißvergnügte Urtheiler darin Trost – und eine ihm hinreichend beruhigende Antwort finden möge, wie sie nach rechtem Maaß und rechtem Gewicht ihm eignet und gebühret. Nichts umsonst. Ist eine sehr gute Regel in der Welt, und wenns bloß der Ordnung wegen wäre; so muß Niemand etwas umsonst thun oder verlangen. Jede gute Handlung verdient Belohnung, jede Wohlthat, jede freundschaftliche Gesinnung ist wenigstens eines Danks wehrt; wenn man sie nicht mit That vergelten kann, und doch finden sich für den Aufmerker immer Gelegenheiten Dankbarkeit in thätlichen Dienstleistungen zu zeigen. Der Allergeringste kann selbst dem Größten einmahl nützlich seyn, und die kleine ungeachtete Mauß, welche, wie die Fabel sagt, einstweilen in der Macht des Löwen fiel, und aus Großmuth unzerquetscht loßgelassen wurde, zernagte zur Vergeltung das Netz, worin der mächtige Löwe verstrickt wurde, und verschafte Rettung seinem Erretter. Aber auch keine Beleidigung muß einer umsonst prätendiren. Der Größte ist verloren wenn der Kleinste Gedächtniß genug hat, sich eine empfangene Beleidigung zu merken, und es wird nur ein klein wenig Kopf erfordert, sich zu seiner Zeit zu rächen. Wenn das nicht geschähe so würde alles Gleichgewicht im Reiche der Dinge aufhören. Nur dem Geringern kann man eine Beleidigung hingehen lassen. Es ist also ein Kompliment, was man jemanden macht, wenn man ihn wichtig genug hält, seiner bey Gelegenheit für eine empfangene Beleidigung zu gedenken, als wovon dieses kleine Werkchen mehr als einen Beweis darbiethet, falls sich nur gütiger Weise erinnert wird, wodurch ein jeder die ihm wiederfahrne gar gelinde Züchtigung verdient hat. Und solchergestalt wird bloß gebethen, vors erste und bis zur nähern Berechnung vorlieb zu nehmen. Nosce te ipsum, (erkenne dich selbst! oder fasse dich bey deiner eigenen Nase), das war sonst einer der wichtigsten Klugheitslehren, welche bey der alten Erziehungsmethode, als noch keine Philantropine und französische Erzieherinnen die Jugend nach der Mode bildeten, nie vergessen wurde. Wenn je ein Studium in unserm jetzigen Zeitalter vernachläßiget wird, so ist es gerade das Studium der Selbsterkenntniß, von welcher Seite aus mannigfaltigen Standpunkten wir es auch betrachten mögen. Von Kindesbeinen an wird ein jedes mit andern Dingen außer sich, nur nicht mit sich selbst bekannt gemacht. Und in jedem liegt der Keim der Begierde, alles zu erforschen, nur nicht sich selbst. Nur in sofern achtet der Mensch mit partheyischem Blicke auf seine eigene geliebte Person, in sofern er durchs Verschönerungsglas der Eigenliebe, nur das Gute was freylich ein jeder und selbst der schlimste hat, an sich siehet – aber nie seine Schwächen. Nur in so fern wird dagegen der Nebenmensch betrachtet, als man durchs Vergrößerungsglas der Tadelsucht seine Fehler siehet, die ein jeder auch hat, aber nicht sein Gutes. Richtige unpartheyische Prüfung und Kenntniß seiner selbst, führt zur richtigsten unpartheyischen Prüfung anderer, wenns darauf ankommt, Menschenwerth abzuwägen. Der Mensch, der nicht zu hoch von sich selbst denkt, wird nicht zu niedrig von andern denken. Der Mensch, der seinen eigenen übertriebenen Werth fühlt, und nicht zu hoch von andern denkt, wird mit dem wahren Gefühl seiner eignen Menschenwürde, nicht wie Sklave vor einem andern kriechen, der mit den höchsten äußern Prädikaten nur immer noch Mensch – nichts mehr ist. In diesen Sätzen dürfte die Kunst der Selbstkenntniß für den, der drüber denkt, aufgeschloßen da liegen. Die Probe ob jemand mit der Kenntniß seiner selbst nicht fremd ist, dürfte allenfalls auch die seyn, wenn er nicht wild gegen denjenigen wird, der ihn auf das Gefühl seiner Schwächen und Fehler führt, und wenn jemand nicht wüthend wird, indem ihm eine leichte Hand ein Geschwür aufsticht – wer das nicht leiden kann; hat sicher nicht Lust sich selbst kennen zu lernen, und in diesem Fall sind alle seine übrige Wissenschaften, nur Charlatanerien, weil sie nie zu seiner eignen Vervollkommung beytragen werden. Es ist noch eine andere Art von Selbstkenntniß, die zum Unglück für die Welt entweder gar nicht, oder nicht auf die rechte Art kultivirt wird – das Forschen in Tiefen seiner eigenen Seele, das Entwickeln seiner eigenen Kräfte – das Graben in den reichhaltigen Mienen der Weißheit, welche ein jeder von Natur in sich selbst hat. Die meisten saugen, wie Kinder an den Brüsten ihrer Ammen saugen, an fremder Weißheitsnahrung – wissen es nicht, daß jeder Geist Nahrung für sich selbst in Ueberfluß hat, um sich selbst Befriedigung zu verschaffen, und noch andern mitzutheilen. – Wer diese Kunst versteht, aus sich selbst zu schöpfen, das aus sich selbst heraus zu holen, was in ihm steckt, der wird nie andern nachbeten – wird in seinen Ideen immer neu seyn. Nutzen, eigner Nutzen ist die erste große allesbelebende Triebfeder aller menschlichen Handlungen, und ich kenne kaum eine größere Chalatanerie schön-schwatzender Moralisten als wenn sie von der Uneigennützigkeit bey dem was zu thun und zu lassen, unsere Pflicht und Wahl ist, etwas herpredigen, was sie weder verstehen, noch befolgen. Jede unserer Mühe und Arbeiten, welche unsere Tage zusammenketten, jede gute That – jede milde und edle Handlung, die auszuüben, wir unsere besten Seelenkräfte anspannen, ist ein Capital welches wir austhun, um davon Interessen und Nutzen zu ziehen. Wer uneigennützig ohne Absicht handelt, giebt, andern beysteht – oder ins Gelach hinein wegwirft; ist ein Thor, der seine Saat auf einer Landstraße wirft, wo er nie Erndte zu hoffen hat. All unser Thun muß Zweck haben – der Mittelpunkt aller weisen Zwecke, welche aus der weitesten Peripherie unserer Thätigkeit zusammen fließen, ist kein anderer, als daß uns wohl seyn möge. – Aber freylich wird dieses Wohlseyn, was der Mensch suchet, und worin sich all unsere Handlungen konzentriren, oft die meiste Zeit in Dingen gesetzt, die nur gut schmecken, und nachher übel bekommen, im Grunde unser Wohl in uns selbst zu zerstöhren, und darin liegt die Quelle des falschen Eigennutzes, welchem man Ehre guten Namen – am meisten aber die innere Menschenwürde aufopfert. Dieser falsche Eigennutz ist der Grund einer Menge Unheils, und erschüttert jede öffentliche und Privatglückseligkeit – die Folgen dieser Art von Eigennutz sind fürchterlich, auf ihn faßt der Schurke festen Fuß – wenn er ein reicher Schurke ist, und des Eigennutzes wegen ist es oft gefährlich, ein ehrlicher Mann in öffentlichen Verhältnissen zu seyn. – Denn unbestechbare Männer, die ihren Eigennutz bloß in der wahren Ehre, in der innern Befriedigung ihres Gewissens suchen, werden im Reich der Kabale immer für Leute gehalten, die man fortschaffen muß. Oben und Unten, wenn es den Rang bezeichnet, ist eine Charlatanerie, welche in der Welt oft was zu lachen giebt. Wer darin sein Verdienst und seine Gemüthsruhe sucht, oben an zu sitzen, und einen andern herunter zu drengen, daß er unten an kömmt; der wird entsetzlich tantalisirt, wenn ihm der theure Rang einmal abgelaufen wird. Wer nach innern oder einzeln Verhältnissen wirklich den Vorrang hat, der sitzt immer oben an, welche Stelle er auch einnehmen mag. Bey Friedensunterhandlungen, wenn man friedliebende Gesinnungen grimaßiren will, im Herzen aber wünscht, daß noch kein Frieden sobald werden soll; da bringt es die Politik mit sich, etliche Monate mit Rangstreitigkeiten zu verlieren, ehe man zur Sache schreitet. Siehe die Geschichte vom Westphälischen Friedensschluß. Wenn aber das Heil des heiligen Römischen Reichs nicht vom Range abhängt, da kann man sich geschwinder expediren, und sich allenfalls aus des Milius Gesetzsammlung, worin noch eine alte Rangordnung befindlich ist, geschwinder Raths erholen. Original. Ein Originalgenie, wenns auch nur ein mäßiges Genie ist, hat mehr Werth, als die beste Kopie – und wenn sie nach Raphael, Angelo, oder Rubens, oder van Dyk gemacht wäre. Originale nennt man auch solche Narren, die ganz ihre eigene Narrheit vor sich haben. Es giebt eine Menge von Charlatanen in allen Fächern, die solche Originale sind. Um sie richtig und nach dem Leben zu mahlen, muß man – wie Moliere z.E. seinen Pinsel nicht blos zum kopiren gewöhnt haben. Dritter Abschnitt [Motto] Die Ruthe auf den Rücken der Narren. Sirach. Nachricht an das Publikum Nachricht an das Publikum. Ich würde in einem kleinen Vorbericht meinen Lesern eine ziemliche Sammlung Mignatürgemählde von allen mir bekannten Narren hingeben die bei meinen bisher erschienenen Charlatanerien eben so grinsende Phisionomien machen wie der Affe wenn er Schläge bekömmt und welcher immer poßierlich ist er mag nun Aepffel und Bonbons essen – oder nach dem Tackt seine unwillige Sprünge machen um das Publikum zu belustigen, und seinem Eigenthümer, der ihn tanzen läßt, einen ehrlichen Unterhalt zu verschaffen. Aber die Façons dieser komisch grämlichen Thiere die unter der Peitsche Courbetten machen – und mit einer krausen Nase die Zähne weisen wenn sie nicht beißen oder kratzen können; sind zu mannigfaltig um ihre Originalportraits in einem so kleinen Raum einzufassen. Aus diesem Grunde muß ich schon auf ein paar besondere öffentliche Anstalten dencken; in welchen aus wahrer patriotischer Pflicht für das Heil aller Narren die kräftigste Sorgfalt getragen werden soll. Nach dem Beyspiel aller frommen Leute, die von grauen Zeiten her den Zehnten ihrer Erndte oder übrigen Gewinstes ad pios usus anwandten, um sich dadurch zu fernern Seegen zu berechtigen; will ich ein volles drittheil des Ertrages aus diesen Charlatane rien zu dem christlichen Behuff anlegen ein Narrenhospital aufzurichten, worinn durch diensame Mittel der Versuch gemacht werden soll; die Krankheiten des Verstandes zu kuriren. Nach einer möglichst richtigen Beobachtung, liegt der Fehler bey diesen armen Patienten im Magen, dessen Ausdünstungen in Ermanglung gehöriger Verdauungskraft das bischen Gehirn umnebeln was sie allenfals noch von den Siefmütterlichen Händen der Natur zur kärglichen Appanage erhalten haben mögen. Bey Leuten die gut essen und trinken und sich in dieser Welt auch zu nichts weiter geschaffen fühlen, ist das auch gar nicht zu verwundern wenn sie von Blähungen, Vapeurs, und daher rührenden anderweiten Infirmiteten Leibes und der Seelen, bis zum närrisch werden inkommodirt sind. Diesen zum besten, will ich nach geschloßenen Charlatanerien, einige Päckchens Stomachalien zur Beförderung der gesunden Verdauung, dem Publikum preis geben. Wenn diese Kur in meinem zu errichtenden Narrenhospital geendigt ist – und meine Patienten sind nicht besser geworden; so bleibt mir nichts übrig als sie ins Zuchthaus zu senden, und solche den Meister Sirach zum mäßigen Willkommen und Abschied zu empfehlen, ihre Portraits aber mit Jouvenalischen Pinsel gezeichnet, zum Andenken für die Nachwelt, in einem dazu besonders bestimmten Narrensaal mit allen Förmlichkeiten aufzuhencken und ihre Carikaturmasken vor die Entreegebühr männiglich sehen zu laßen. Dis sind zwey Schriften welche ich hiermit dem Publikum ankündige und welche diesen Charlatanerien unmittelbar folgen werden. Die Freunde meiner Schriften welche auf jede neue Erscheinung aufmerksam sind, werden sobald ein Stück die Presse verlaßen wird, jedesmahl so gleich durch die Zeitungen benachrichtiget werden. Uebrigens wünsche ich von ganzem Herzen diesem dritten Abschnitt meiner Charlatanerien – keine Anfechtungen, damit das Register derer welchen ich einen Platz in meinem Narrensaal zugedacht habe nicht gar zu groß werde. Der liebe Gott weiß! daß die Zahl derer denen ich meine Züchtigung unmöglich schenken kann, schon so angewachsen ist; daß ich zu thun haben werde vor meinem seeligen Ende noch alle zu expediren. Der Verfasser. Dritter Abschnitt Dritter Abschnitt. Oesterreichs Staaten. Davon ließe sich jetzt viel sagen, wenn – die Artikels in diesem Werkchen nicht kurz seyn müßten – – – Eine Menge Charlatanerien werden dermahlen von dem Kaiser verabschiedet, und suchen anderweitig unter zu kommen. Wehe den Staaten! wo der Fürst nicht wachsam ist, damit die Emigranten des Aberglaubens, der Bigotterie, und der seelig verschiedenen Bücherzensur nicht aus Oesterreichs Landen in die seinigen übergehen. Bisher lebte Geistes Freyheit zu Wien nur in Ecclesia pressa, und eine Menge Vernunft aufklärender Bücher durften nur in kognito gelesen werden. Gegenwärtig wird dem frey urtheilenden Verstande erlaubet, sich in der Residenz, wie im ganzen Lande, auszubreiten, und die Capuziner sind in ihre Klöster gewiesen. Es fehlte nur noch, daß in andern mächtigen Staaten, die Pfleger und Säugammen der Dummheit die Oberhand gewönnen, so wie sie nach des originellen Friedrichs Maximen dort Zaum und Gebiß ins Maul gelegt bekommen; und die Folge würde bald die seyn, daß Joseph nach dem Beyspiel des biblischen Josephs, alles weit um sich her unter seiner Bothmäßigkeit brächte. Denn wo freyer gesunder Menschenverstand Terrein gewinnet, sich auszubreiten, da wuchert er, und bringt hundertfältige Früchte; und wo der Aberglaube gepflegt wird, da untergräbt er Thronen, setzt der Fürsten Leben in Gefahr, und macht ganze Reiche schwindsüchtig, daß sie unvermeidlicher Raub des Todes werden. Die Jesuiten beobachteten darin ganz vortrefliche Regierungsmaxime; sie selbst waren aufgeklärte Köpfe, zogen hellsehende kluge Leute in ihr Interesse; und – bemüheten sich nur, den Aberglauben in Fürsten und in dem gemeinen Pöbel zu kultiviren, um sich beyde in der Unterwürfigkeit zu erhalten. Für einen großen Regenten ist es der höchste Grad der Politik, die Klugheit am Ruder der Regierung zu stellen, vernünftige Leute selbst aus andern Staaten an sich zu ziehen, dem gemeinen Mann durch uneingeschränkte Toleranz seine Meinungen und Thorheiten, als Spielpuppen zu lassen – ihm aber so viel Industrie zu geben, als nöthig ist, um zu vergessen, daß er bloß ein lastbares Thier ist; seinen Nachbaren aber fromme Häupter zu wünschen, die der Geistlichkeit frohnen, ihre Zeit in den Kirchen zubringen, und in Gelegenheit ihre Stärke bey Gnadenbildern und im Gebet suchen. Ohrenbläserey. Ist eine Staatsmaxime vieler Subalternen, wodurch sie sich bey ihren Obern besser konserviren, und leichter zum Avanzement und Gehaltszulagen empfehlen, als durch Diensteifer und patriotischem Bestreben, um dadurch die wahre Bestimmung ihres anvertrauten Postens zu erfüllen. Nach der alten Mönchsregel: Fac Officium tuum taliter qualiter et sta bene eum Domino priore 1 ; ist es immer zum Dienst hinreichend, die Comedie des Mannes nach der Uhr zu spielen, seine Horas zu rechter Zeit, und bloß mit der Kehle zu singen, ohne die Gedanken und den Verstand dabey zu inkommodiren, wenn man übrigens nur mit dem Herrn Prior gut steht, so wird mans immer weiter bringen, und sich zuverläßiger konserviren, als durch das miserable Verdienst der Treue, der Unbestechbarkeit, des Fleißes in Thatsachen, oder gar durch das anstössige Verdienst, etwas mehr Kopf zu haben, als unter einer Bande Esel zu haben erlaubt ist. Es sind verschiedene Mittel und Wege, ums dahin zu bringen, daß man mit dem Prior gut steht: – ist er geitzig und habsüchtig; so theilt man mit ihm, wenn Beute gemacht wird, oder man versieth das Amt seines Geheimen Zolleinnehmers, falls der Prior so gewissenhaft ist, daß er nicht selbst am Zoll sitzen will, oder bey mindrer Skrupulosität weiset man den befrachteten Klienten die Thür nach des Herrn Priors Küche, Weinkeller, Vorraths- und Schatzkammer. Ist er verliebt; so kann man sicher den Kuppler machen, ihm dann und wann ein hübsch Mädchen zuführen, und während daß der Herr Prior in der Handlung begriffen ist, die stumme Person einer Schildwacht spielen, um allen unzeitigen Ueberfall zu verhüten, damit Sr. Hochwürden in ihrer Deklamation nicht unterbrochen werden, und keinen Schrecken davon tragen mögen. Ist der Prior Ehrgeizig; so muß der Mönch vor ihm kriechen, um Kraft zu erhalten, gut und fest bey ihm stehen zu können; und ist er ein altes Weib, welches bey Prioren der Fall wohl am häufigsten seyn dürfte, so muß man ihm Neuigkeiten zutragen, fleißig rapportiren, von einem jeden, den der Prior nicht gut ist, böses reden, und solchergestalt Ohrenbläserey treiben – und das müßte in jedem Fache ein dummer Mönch seyn, der auf solche Weise nicht ehr befördert werden sollte, als seine bessere Kollegen. Ohrenbläserey rekommandirt gewissermaßen noch mehr, als die Kunst, den großen Jungen zu machen, und des Priors rechte Hand zu seyn – ohne welche der Prior nicht würde Prior seyn können. Freylich bedarf ein großer Theil der Prioren ein solches eben so geheimes als unentbehrliches Staatsmeuble, um bey Ermangelung eigner Seelenkraft, mit dem Verstande eines andern – zu glänzen. – – – Es ist einmal in der Welt nicht anders, – der eine treibt Staat, hält Equipage und giebt Feten, wozu ihm der Jude das Geld vorschießt. – Der andere läßt als geweiheter Ehemann taufen, weil er einen gewiegten Hausbanquier an der Hand hat, welcher für die Ehre des freyen Zutritts den Zeug zur Hervorbringung der Posteritet liefert; und der dritte paradirt als Prior, weil ihm ein anderer guter Kopf seinen Verstand leiht, um dem Priorate Ehre zu machen. – – – Alle drey Lieveranten sind unentbehrlich, um durch die Welt zu helfen, aber diese unentbehrliche Leute sind auch oft überaus lästig – der Jude, wenn er nach vollendeten Feten von dem vornehmen Schuldner sein vorgeschossenes Geld – oder seine Prolongationsgebühren verlangt. – Der ehrliche Substitut, wenn er aus einem Freunde – der Herr des Hauses zu werden anfängt, und mit Hülfe der Dame den gekrönten Ehemann zur offenbaren Null herabsetzt, und – der Nothhelfer eines Priors in Verstandes- Seelen- und Amtsnöthen, der oft noch schlimmer tyrannisirt – als ein Weib, die alles zu ertrotzen und zu erschmeicheln versteht. – – All dergleichen unentbehrliche Geschöpfe, wenn sie ihre Wichtigkeit nutzen, können zu ihrem eignen Besten auch viel ausrichten, aber diese Mittel, gut zu stehen, sind doch mißlich. – – Denn wenn das Joch der Unentbehrlichen zu schwer wird; so wirft mans bisweilen ab – aber ein geschickter Ohrenbläser sieht nicht allein gut, sondern auch fest, und gerade daraus folgt die andere Staatsmaxime, daß man sich zuvörderst nach dem rezipirten Ohrenbläser des Priors erkundigen, und den gewinnen muß, bevor man von dem Prior selbst etwas suchen will. Das Ding geht ganz natürlich zu. Wenn ich von jemand was haben will, so muß ichs ihm sagen, und wenn ich einen Prior etwas sagen will, so muß er mich hören. Weil aber nach dem Schöpfungsinstitute, ein jeder nur mit den Ohren hören kann, so muß ich schlechterdings erst wissen, wo das Ohr eines Priors anzutreffen ist? und die Erfahrung lehrt, daß sich solches mehrentheils in fremder Händen befindet. Der Sprachgebrauch bringt es so mit sich, daß bey geringer Aufmerksamkeit da bald hinter zu kommen ist, wo man das Ohr desjenigen zu suchen hat, bey dem man seine Nothdurft vortragen will. – – Das ewig schwatzende Gerücht sagts von Haus zu Haus: »der hat das Ohr des Fürsten, – dieser hat das Ohr des Ministers, – jener hat das Ohr des – – Gott weiß wer? Nun versteth sich's von selbst, daß ich mich an den Mann nicht selbst zu adreßiren brauche, von dem ich etwas verlange, sondern an den, welcher der Depositenrendant oder Administrator seiner Ohren ist. So ein Mann treibt das Metier, Ohren zu administriren, kunstmäßig, und weiß, was sie vertragen, und was sie nicht vertragen können. – – – Ich will jetzt nicht das ganze lange Kapitel der Ohrenwirthschaft abhandeln, und gerade nur so viel anmerken, daß die Charlatanerien der Ohrenbläserey, – die Kunst, Ohren zu kitzeln wenn sie jucken, und die Politik, sämtliche Innhaber fremder Ohren, wenn die deponirte oder administrirte Ohren von Extraktion sind, mehr Nutzen schaffen, als die Realitäten solider Kenntnisse, und des warmen Gefühls für alle Sorten patriotischer Tugenden, – und daß mancher im dunkeln vergrabene nutzbare Mann mit all seiner Geschicklichkeit nicht im Winkel versteckt bleiben würde, wenn er anstatt anderer Wissenschaften, sich mehr das Ohrenstudium eigen gemacht hätte. Sollte die Kunst der Ohrenbläserey, und überhaupt die ganze Staatsökonomie der Ohren, wie leicht möglich ist, einmal systematisch abgehandelt werden; so dürfte sich mancher darüber hinter den Ohren kratzen, wenn er merkt, daß er so lange ohne Ohren herum gelaufen ist, während ein anderer in Posseßion war, damit sein geheimes Kommerzium zu treiben. Opfer – eine uralte Charlatanerie und Priestererfindung welche nach Maaßgabe der priesterlichen Macht, Würde, und fleischlicher Bedürfniße schon mancherley Veränderungen in der Welt erfahren hat. In den ältesten Zeiten der Leichtgläubigkeit wurde für Rechnung des lieben Gottes, der sich gar viel muß gefallen lassen, bey aller Gelegenheit Contribution ausgeschrieben um die prätendirte Abgeordnete des Himmels zu mästen, sie in den Stand zu setzen, mit Ehren müßig gehen zu können, und nicht wie die übrigen arbeitsamen Erdensöhne im Schweiß ihres Angesichts selbst gewonnenes Brod zu essen. In dieser Absicht wurde der gar Lukrative Glaubensartikel gepredigt; daß Gott nichts umsonst thun könne sondern schlechterdings durch Opfer und Gaben bestochen werden müße um gnädig zu seyn. Wenn eine Dürre über das Land kam daß der Himmel ehern und die Erde eisern schien, so schlossen die geistlichen Commerzienräthe einen Handlungstraktat um gegen eine gute Partie fetter Ochsen und Schaafe einen fruchtbaren Landregen zu liefern. Wenn's einmahl Krieg gab und das Volck Hülfe gegen seine Feinde bedurfte; so kams den Priestern als beständigen Agenten des Himmels zwar nicht drauf an selbst eine kleine Armee Engel zu kommandiren, aber ohne redliche Subsidien an Fleisch und Braten konnten diese Hülfsvölker nicht in marschfertigen Stand gesetzt werden Dergleichen zufällige Opferveranlaßungen kamen aber nicht alle Tage, und die Priester wollten doch täglich essen, daher wurde es weißlich so eingerichtet daß es keinen Tag an Opfer fehlen muste, wenn gleich keine Dürre und kein Krieg da war um eine außerordentliche Brandschatzung auszuschreiben. Von allen Früchten der Erde die gut zu essen waren und von allem Vieh was gebohren wurde, musten die Erstlinge und nachher der Zehnte geliefert werden – nur nicht die Erstgeburt des Esels als welcher das Genick gebrochen werden muste weil die Priester etwa ihre geheime Familienursachen haben mochten kein Eselsfleisch zu essen. Wenn ein Weib unfruchtbar war; so brachte sie ihr Opfer dem Priester, der denn sein möglichstes that ihr einen Erben zu verschaffen und wenn sie gebohren hatte; so muste sie ihren Wohlthäter von neuen besuchen und für gute Prokuration ein paar Turteltauben oder ein paar junge Tauben mitbringen weil deren Fleisch zärter und schmackhafter war als von alten Federvieh – wären damaliger Zeit Hamburger Kapaunen mit Austern schon in ihrem wohlverdienten Ruf gewesen, so würden solche sicher in den Opferverzeichnissen mit seyn aufgeführt gewesen. – Die ursprünglichen Opfer bestanden, nach Anleitung der Geschichte, nur in Eßwaren. Mehr Bedürfnisse hatten die alten Priester nicht, als Essen und Trinken, und zur Kleidung dienten ihnen die Felle von den geschlachteten Opferschafen, welche damals eine von der heutigen Kirchenmode sehr verschiedene Altartracht ausmachten. Bey zunehmendem Luxus, und da auch der Hautgout und fremde Gewürze bey den vornehmsten Tafeln eingeführt wurden, und Leute von Geschmack anfiengen, sich mit Weihrauch, Muskus und köstlichen Salben zu parfümiren, alle Arten von Spezereyen, auch prächtiges Putzwerk in Kleidern von den Tyrern und Sydoniern vor baares Geld mußten gekauft werden; dehnte man die Opfergesetze auch auf klingender Münze aus, und nunmehr mußte auch der Seckel des Heiligthums entrichtet werden. Mit einem Wort: alles was die Priester nach der Lage der Zeiten und Gewohnheiten gebrauchen konnten; wurde von je her als ein Gott wohlgefälliges Opfer angesehen. Dies führte auf die Gewohnheit der Gelübde und freywilligen Geschenke, wodurch aus den Nachfolgern Jesu, der nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte; und aus den Nachfolgern der Apostel, die nichts als einen alten Fischerkahn zuzusetzen hatten, die Besitzer von einträglichen Bißthümern, Dompräbenden und Klosterländereyen entstunden, und Reichthümer zusammengebracht wurden, welche die feinste Industrie und der mühsamste Handel nimmermehr zusammen zu schaffen im Stande seyn würde. Leider sind die Zeiten, Hekatomben zu Opfern, und Priester zu Fürsten zu bereichern vorbey. Auf protestantischen Altären werden nicht mehr Ochsen und Schaafe ohne Wandel, sondern oft nur kahle Sechspfennigstücke geopfert. – Für Priester, welche aus den Opfern des Klingebeutels leben, wird das kärgliche Gehalt Dreyerweise zusammen gebracht, und mancher muß von Recensionenmacherey seine Nahrung bey einem Journal- und Bibliothekenhändler suchen, und – vor Geld wässerigte Verse machen oder anpreisen, um an den stümperhaften Versuchen allgemeine Landopfer auszuschreiben, seinen Antheil zu haben. Was für ein Unterschied! zwischen dem goldenen Zeitalter, wo der Priesterschaft noch Fürstenthümer, der Zehnte von allen Landesprodukten, und reiche Vermächtnisse von armen in Angst gesetzten Sündern auf dem Todtenbette geopfert wurden, und zwischen der jetzigen eisernen Epoque, wo die armseligen Opfer durch Postillenschreiben, durch Liederkrämerey und schmäliche Recensentenarbeiten müssen zusammen kollektirt werden, um seine Priesterwürde bey Lebzeiten zu erhalten, Weib und Kinder nach der Mode zu kleiden, und nicht – bloß Gegenstände der Barmherzigkeit hinter sich zurück zu lassen! Selbst in Katholischen Landen geht das Licht der gesunden Vernunft auf, um die Nacht der Opfercharlatanerien zu vertreiben. Lange schon dürfte sich kein Papst mehr unterstanden haben, durch Ablaßbriefe allgemeine Söhnopfer einkassiren zu lassen, selbst die Opfer zur Erlösung aus dem Fegefeuer durch Seelmessen, dürften anfangen sparsam zu werden, – und in der Maaße für die weltliche Macht die Quellen der Staatengrößen ergiebiger werden lassen, als die ganze Priesterschaft auf das evangelische Prinzium reducirt werden dürfte: Selig sind die Armen, denn das Himmelreich ist ihr. Darum kömmt indessen der Opferdienst noch nicht ganz ab, wenn er gleich bey der kirchlichen Priesterschaft immer armseliger wird. – Es giebt auch hie und da noch einen Hohenpriester am Altar der Themis, der ein anständiges Opfer nicht abweiset oder durch Mediation eines betrauten Opferknechts seine Umstände zu verbessern sucht – und zu welchen, in verzweifelten Umständen ein gläubiges Herz schon einmahl seine Zuflucht nehmen kann, um Gnade für Recht zu empfahen. Auch trift sichs; daß so ein Hoherpriester mit der ganzen kalten Phisionomie der Gerechtigkeit, seine liebe Frau in die Misterien des Opferpriesterthums eingeweith, sich zur Seite gesetzt hat, deren Angesicht wie die Sonne von Ithaka jedem leuchtet, der mit wohlgefälligen Opfern und Gaben sich dem Altar ihrer Füße nahet, um – nach aufgehobenem Vorhang, durch ihren Canal bis ins Allerheiligste der Justitz einzugehen, und an der Sentenzenarbeit ihres Ehegemahls einen helfenden Antheil zu nehmen. – – Am wenigsten dürften die Opfer aus der Mode kommen an den Tischen, wo die Zöllner und Sünder sitzen, welche mit Administration Landesherrlicher Gefälle ihr Wesen haben. – Zu den Zeiten Augusts und seiner Nachfolger giengs wenigstens im jüdischen Lande so her, wenn wir dem Evangelisten Mattheus anders nicht eine bloße Satire aufbürden wollen, indem er von einem gewissen Zacheus redet, der für den Kaiser Pluß, und für sich selbst Plurimum machte, dabey aber viel auf den Herrn Jesum hielt, dergestalt, daß bey Lesung dieser Geschichte, ein Mann von viel Weltkenntniß in neuern Zeiten ausrief: c'est tout comme chez nous – und bis auf den Punkt des Wiedergebens und Austheilens an die Armen, sollte man diesen Zacheus nicht so weit zurück, und schon ins erste Jahrhundert suchen. Noch sollte billig auch ein Wörtchen von Rachopfern gesagt werden. – – Die alten Priester unter einigen Nationen, mußten bisweilen einen Menschen opfern, um Gott zu versöhnen, welcher nach einem angenommenen Grundsatz, gröblich beleidigt werden könnte, wenn man für seine Representanten nicht so viel Respekt hatte, ihren Speichel aufzulecken, und die Süssigkeit des Honigs darinn zu preisen. – Solchergestalt sind Rachopfer die Wirkungen der Justitzpflege unter den Sündern. – – – Zur Erläuterung, dient das merkwürdige Beyspiel Käsebiers des Großen , der einen von seiner Bande auf hängen ließ, um durch dieses Rachopfer den Beweis zu führen, daß er ein gerechter Mann sey. Orthodoxie. Vor noch nicht einem halben Jahrhundert seufzten fromme Christen über die hervorkeimende und schnell überhand nehmende Orthodoxie – wie über die ärgste Ketzerey in der Religion, und Verfall der wahren unsichtbaren Kirche, deren inneres Wesen im Gefühl der Frömmigkeit und der Liebe Gottes gesetzt wurde. Damals wollte man nicht orthodoxe und wis senschaftliche Seelenhirten, sondern nur fromme und wiedergebohrne Prediger haben, – und doch war die Orthodoxie bloß genaue Abwägung des kirchlichen Systems gegen die Lehrsätze der Bibel, deren Extrakt man in den symbolischen Büchern auf bewahrt glaubte. So gar Schlimm war die Orthodoxie denn doch nicht, – sie gab immer ein kunstmäßiges Ganzes, wo jeder Theil recht ordentlich in den andern hineingefugt war, – beym gemeinen Mann wars festes Objekt des Glaubens – wie jedes Lehrgebäude, über dessen Materialien und Manier in der Zusammensetzung die Baumeister übereingekommen waren, – und für den Gelehrten wars geordneter Plan, von welchem sich ehrlicher Weise und ohne Winkelzüge, offene Rechenschaft geben ließ, so weit ein solcher Plan des Grundangebens fähig war, wo eine Hauptprämisse als unstreitig richtig angenommen wurde, ohne weiter zu fragen, ob sie richtig wäre. Diese Orthodoxie, welche der Pietisterey Anfangs so gefährlich schien, machte nach einem Kriege von etlichen Jahren, am Ende Frieden und Allianze. Die Frommen, welche ohne System, nur der innern Gnade und dem Geist folgten, fiengen nunmehr an, mit den orthodoxen Systematikern in brüderlicher Eintracht zu leben, sich aber gegen einen neuen Feind zu setzen, der in der That für die adovtirte kirchliche Religion etwas mehr fürchten ließ, – als vorher die Pietisten von den biblischen Orthodoxen zu fürchten Ursach gehabt hatten. Letztere vertheidigten wenigstens mit erstern immer gemeinschaftlich die Hauptschanzen der Christen, und die systematisch zusammen gekettete Außenwerke fanden immer Deckung hinter den beyden großen Wällen – Offenbahrung und Glauben. Hier mußten alle Attaken Halte machen. Wenn ihnen die volle Ladung mit etlichen: Es stehet geschrieben, entgegen geschickt wurde; so war nicht weiter zu kommen. Jetzt aber fieng Philosophie und Vernunft an, sich in die theoretische Religion zu mischen. Pietisten und Orthodoxen sahen sehr gut ein, daß sie die Ueberläufer der Philosophie ganz und gar nicht aufnehmen müßten, und daß ihre sämtliche Werke unvermeidlich verlohren gehen würden, wenn sie sich in den immer vorwärts avanzirenden philosophischen Untersuchungen und Beweisen der Vernunft einlassen wollten. Sie fanden ihre alleinige Sicherheit hinter vorbemeldeten Verhacken, der Offenbahrung und des Glaubens, und thaten ihr möglichstes gegen die sich eindrängende verrätherische Hülfsvölker der Philosophie zu protestiren, – und der Erfolg hat gewiesen, daß sie Recht hatten. Die vertheidigende Philosophie verrieth ein orthodoxes Werk nach dem andern an die angreifende Philosophie. – Das ganze System wurde durchlöchert, die zusammen gekettete Glaubensartikels zerrissen, und die in die Flucht geschlagenen Orthodoxen sehen jetzt den ihrem System zugefügten Schaden, daß sie den Wolf der Vernunft in die Retranchements der Offenbahrung und des Glaubens eingelassen haben. Die durch Philosophie aufgeklärte Vernunft, welche einige Orthodoxen zur Hand nahmen, um dadurch die Hauptwerke der Orthodoxie, die Offenbahrung und den Glauben zu vertheidigen, fieng damit an, diese Werke selbst zu revidiren. Ohne sie eben ganz wegzuwerfen, wurde so lange daran rektifizirt und modifizirt, daß in der That, wenn wir's beym Lichte besehen, wenig genug davon übrig geblieben ist. – – – Die der Offenbahrung und dem Glauben beygefügte Batterie der Vernunft, sollte vorzüglich die als ketzerisch verschriehene Lehren des Arius und Socinus mit gleicher Wehr und Waffen bestreiten. Aber eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus; – Vernunft konnte mit Vernunft nicht im Ernst streiten, – es entstand ein bloßes Spielgefecht, und ohne den Ramen haben zu wollen, ist die dermahlige heterodoxe vernünftelnde Theologie, der hauptsächlichste Kommendante, ziemlich übereinstimmend mit der verschriehenen Ketzerey, wogegen zu streiten sie patentisirt wurde. Und die bekannten berühmten Leuchten des geistlichen Israels, – denen im Kirchen- und Ketzer-Almanach, offenbahr zu viel Ehre erwiesen wird, würden ganz im Lichte des Arius wandeln, wenn – sie mit den Quellen bekannter wären, den Arius selbst und nicht bloß nur ein paar möglichst arianische Engländer gelesen und ausgeschrieben hätten. – – – – In diesem Fache finden sich dermahlen ein Haufen Charlatanerien, weil diese unorthodoxe Nichtslinge das nicht sind, was sie seyn wollen, und das zu seyn nicht bekennen, was sie wirklich sind – Leute ohne System, ohne Kraft und Freymüthigkeit Etwas mehr zu seyn, als halbe Nachbeter hie und da entlehnter Meinungen, mit welchen sie, wie mit gestohlen Gut, umgehen. In dieser Broschüre ist der Ort nicht, etwas mehr zu thun, als Winke zu geben, und mit leichter Feder über die Oberfläche hinzufahren, um hellen Augen den Gesichtspunkt zu bemerken, wo was zu schauen ist. Aber da aus dieser Klicke – mir hinreichende Veranlassung gegeben ist, um den Nimbus verhüllter Blößen aufzudecken; so werde ich nicht ermangeln, die Komödie des Diogenes mit der keuschen Dame auf dem Sopha zu spielen, deren Medisanze bittere Glossen über die unschuldige That gemacht hatte, daß dieser Philosoph mit weggeworfenen Mantel, ein Mädchen aus dem Wasser gerettet hatte, – und ich fürchte, daß ein zu seiner Zeit erscheinendes, mit Quellen und Urkunden nicht unbekanntes Produkt, in den Augen der urtheilenden Welt, nicht so ganz gleichgültig und des Lesens unwerth wird betrachtet werden, – wie altags Schmierereyen angesehen zu werden verdienen. Pasquill Misverstandener Weise wird nur gar zu oft das Pasquill mit der Satire verwechselt und eins für das andere genommen. Pasquino und Marforio ein paar gegeneinander über wohnende römische Bürger hatten beyde die Naturgabe des guten Humors und das Talent alles in einem komischen Lichte zu betrachten. Sie unterhielten sich täglich über die öffentliche Stadtbegebenheiten, und machten sich über die Dummenstreiche die in Rom, so gut als bei uns, vorgenommen wurden; von ganzen Herzen lustig. Im Grunde war der ehrliche Pasquino nur ein aufgeräumter und satirischer Kopf den seine Landsleute gern hören mochten – man brachte ihm täglich Neuigkeiten, er bereitete eine Sauce drüber, und machte sie durch seine drollichte Anmerkungen interessant. Pasquino muß kein Pasquillant gewesen seyn in dem verhaßten Sinne des Worts, wie es jetzt verstanden wird; denn sonst würde ihm von Obrigkeits wegen, das politisch-satyrische Kannengiesserhandwerk nicht statuirt worden seyn. – – – Nach seinem Tode wurde ihm und seinem Freunde Marforio, jedem eine Säule vor dem Hause errichtet, und die muthwilligen Spötter mißbrauchten diese Säulen, um eigentliche Pasquille dran zu schlagen, welche bloß deswegen verhaßte Pasquille waren, weil deren Verfasser nicht das Herz haben durften, sich zu nennen, und ihre bittere Anmerkungen laut zu sagen. Der Sinn dieser satyrischen Einfälle war öfters voller Witz und treffender Wahrheit in dem Geschmack der holländischen Medaillen und deren beißenden Inschriften. Letztere hat noch Niemand für Pasquille ausgegeben, weil in diesem freyen Staat der schärfste Witz nicht nöthig hat sich zu verstecken; aber in Rom, als Nero und gleich tyrannische Regenten regierten, mußte das Metier, Plaisanterien zu sagen, nur in kognito getrieben werden, – und nach und nach wurde es Mode, daß jeder feige Spötter nach Belieben, durch Schmähschriften andern eins anhieng, weil er sicher war, nicht entdeckt zu werden. Das unterscheidende Merkmal eines eigentlichen Pasquills besteht eigentlich darinn: daß derjenige, der einem andern auf eine beschimpfende Weise öffentlich angreift, solches versteckter Weise durch einen öffentlichen Aufsatz thut, ohne daß man dessen Verfasser kennt. Wer, ohne sich zu verstecken, schriftlich oder mündlich jemanden schimpft; der sagt nur eine Injurie, und kann aus diesem Titel Gerichtlich belangt werden, wenn der Beschimpfte kein ander Mittel kennt, sich Genugthuung zu verschaffen. Wer aber andere Leute durchzieht, und mit oder ohne Witz jemanden öffentlich lästert, ohne sich zu erkennen zu geben, der ist ein eigentlicher Pasquillant. Nach dieser Bestimmung, an deren Richtigkeit wohl niemand zweifeln wird, qualifiziren sich die ungenannten verborgenen Rezensenten in der allgemeinen teutschen Bibliothek in den anonimischen Briefen übers neue Gesangbuch etc. zu offenbahren Pasquillanten – – werfen mit ihren Excrementen um sich her um die Objekte ihrer prätendirten Kritick öffentlich zu beflecken – und wer wird erst noch lange fragen, ob solche muthwillige Pasquillanten nicht nach allen Gesetzen den Staubbesen verdienen? Nur derjenige welcher sein Talent, Sachen in ihr eigenthümliches komisches Licht zu setzen nutzt und selbst auf genannte Personen, nicht unwahre Lästerungen, sondern bloß leicht kitzelnde Saillieu sagt – der mit seinem Stachel nur die Haut obenhin ritzt ohne tödtliche Wunden zu geben – nur der verdient den Nahmen eines Satirenschreibers den man allenfals immer paßiren lassen möchte, wenn er so ehrlich ist, sich nicht zu verbergen sondern einem jeden welchen er für das Forum seiner scherzenden Laune zieht, unter die Augen zu treten. Wer aber einen solchen ehrlichen, nicht verborgenen, gutlaunigten Satiriker mit einem Pasquillanten vermengt; der verdient nicht mit der sanft züchtigenden Ruthe des Satirs zurecht gewiesen, sondern von denen im Finstern wandelnden Pasquillanten, welche gewissen Lohngedungnen Weibern gleich nur bei Nachtzeit unerkannter Weise mit den Nachteimern durch die Straßen schleichen, beschüttet zu werden. Paradieß hat nach Beschaffenheit menschlicher Bedürfnisse des Clima und der Zeiten immer eine andere Beschaffenheit gehabt. Das erste Paradieß für Menschen die noch unschuldig waren, wie Kinder welche ganz frisch vom Mutterleibe kommen, noch keinen Luxus und keine Schwärmerei kannten – dieses Paradieß hatte nur Früchte – keine Leckerbißen für verwöhnte Zungen, und keinen Putz um die anerschaffene Schönheit des Leibes in Masqueraden Tracht zu hüllen. Die jüdische Nation welche nach den Fleischtöpfen Egyptens lüstern war, schafte sich in der Folge ein Paradieß, wo der Leviatan, ein außerordentlich großer und fetter Ochse, würde geschlachtet und gebraten werden, um das ganze Volk in jenem Leben mit Roßbief zu regaliren; und zu seiner Zeit lehrte selbst der tolerante Jesus, daß auch Heiden an der Glückseligkeit des Paradieses Theil nehmen, und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen würden, – zum Beweis, daß damaliger Zeit, die Freuden des Paradieses in guten Mahlzeiten gesetzt wurden. – – Nur die Christen zur Zeit der Verfolgung, wo's ihnen bisweilen kümmerlich gehen mochte, setzten ihren Himmel in einer magenlosen Verklärung, wo ihnen nicht mehr, wie hier zu Lande, hungern und dursten würde, wo sie als Verfolgte und Verjagte, nicht mehr der brennenden Sonnenhitze, und der Strenge der Witterung würden ausgesetzt seyn, da sie gerade mit diesen Ungemächlichkeiten bey Leibes Leben am meisten zu streiten hatten, und sich oft in Wäldern und Hölen auf halten mußten, um Sicherheit für ihre Personen zu suchen, die sie in Städten und Wohnungen unter andern Menschen nicht finden konnten. Die Griechen bildeten sich ein Paradies nach ihren Begriffen von dem Vergnügen in dieser Welt ab, – setzten es in Bewohnung der schönsten Gegenden, wo schattigte Alleen, neben silberhellen Bächen ihnen Raum geben würden, ruhig spazieren zu gehen, und mit den Weltweisen akademische Unterredungen zu halten. Die Türken erwarten ein ewiges Serail und ungeschwächten Mädchensgenuß, – unsere liebe nordische Vorfahren freuten sich der Zukunft, wo sie an gutem Bier und Meth nie Mangel haben würden. Solchergestalt bildeten sich alle Nationen, nach dem Begrif der Zeiten, nach ihren Bedürfnissen, Begierden und Wünschen ihren Himmel. – Niemand beruhiget sich bey der weisen Verfügung, nach welcher die Zukunft jedem sterblichen Auge verschlossen ist, – und doch ist kein schuldiger und größer Opfer, was die Vernunft der Gottheit bringen kann, als unbeschränktes Vertrauen, daß unser künftiges Loos in guten Händen ist, – und es zu unserer Ruhe keiner Charlatansdeklamation und Vorspiegelungen bedarf, über Dinge, die Niemand weiß, noch wissen soll, und die zu nichts dienen, als sich mit Träumen zu täuschen, die beym erwachen wie Schattenbilder verfliegen. Policey. – Wenns an manchen Orten damit weiter nichts ist, als bloße Charlatanerie, – welches, wo's diese Beschaffenheit hat, durch Schmutz und Koth, durch willkührliche Preise der Lebensmittel öffentlich fühlbar gemacht, und in beglaubter Form dokumentirt wird; da ernährt die Policey wenigstens ihren Mann. Es ist ein sonderbar Ding in der Welt, daß mancher arme Teufel sein Glück schon gemacht zu haben glaubt, wenn er nur ein kleines Dienstchen im gemeinen Wesen erhält, welches an sich selbst zu wenig abwirft, um davon zu leben, und auf der andern Seite wieder zu viel, um durch Hunger von dem Elende dieses Lebens befreyet zu werden. Aber es geht diesen armselig besoldeten publiken Bedienten des Staats, wie dem Burgermeister einer kleinen Provinzialstadt, der in alten treuherzigen Zeilen dem Könige auf die Frage über den Ertrag seines Amts, ehrlich antwortete: Das fas, sagte er, will nicht viel sagen, aber das nefas, Ihro Majestät, das nefas! – Solchergestalt giebt es Aemtchens, die an sich selbst nur geringe sind – aber die Gelegenheit, seine Nahrung dabey zu finden, macht sie zu Aemtern von Wichtigkeit. Es giebt in Teutschland wirklich Orte, wo die Wächter der guten Ordnung ihren geringen Sold ziehen, um offene Augen zu haben, und wo von der andern Seite erkleckliche Emolumente fallen, um die Augen zuzudrücken, oder, um nicht eidbrüchig zu werden, die Augen von dem Objekte der Aufmerksamkeit wegzuwenden. Wenn dieser Fall im Polizeyfache eintrift; so geht alles den Weg der lieben Natur – dann geben fruchtbare Jahre wohlfeile Preise; die Straßen sind rein – wenn es nicht regnet, und die Polizey wird zur Charlatanerie! Prokuratoren – sind wie alle übrige Dinge in der Welt groß oder klein, männiglichen oder weiblichen Geschlechts. Die kleinen Prokuratoren welche solchen Leuten, die des Schreibens unkundig sind Aufsätze machen und – oft mit unnützen Querelen die Obrigkeit belästigen – dergleichen kleine unkundige Schreiber, die den gemeinen Mann mit ihrem Charlatansansehen bethören, und ihres Vortheils wegen manchen zu unnützen Klagen aufwiegeln sind durch eine weise Veranstaltung zur Musquete verwiesen. Aber sie sind lange so schädlich nicht als die größern Prokuratoren welche mit Sitz und Stimme in den Gerichtshöffen aus den Ackten prokuriren, und das Metier des Konselunten und Richters zugleich treiben – in der Klage durch ihren Rath, und durch Abfaßung des Dekrets auch durch That ihren Klienten an Hand gehen, und sich bloß um deßwillen nicht zum Militair qualificiren weil sie einstehendes Gehalt nachzuweisen haben wovon sie leben, mithin das Nebengeschäfte des prokurirens mit mehr Sicherheit betreiben können. Die Prokuratoren weiblichen Geschlechts gehen am sichersten – ihre Vorträge machen nach den Graden ihrer Reizungen und der Stärke handgreiflicher Gründe, den meisten Eindruck, und kommen gewiß nicht zur Untersuchung, weil Verhandlungen in Cabinetten, das Siegel der Verschwiegenheit an sich tragen, und – von dem, was in Ehebetten vorgeht, nicht geschwatzt wird. Wenn alle Prokuratrizinnen indessen ebenfalls dem General von Kowalsky aßignirt werden sollten; so würde es ihm nicht schwer werden, ein artiges Bataillon Amazoninnen zu formiren. – Priapus war zu der Römer Zeiten in großem ansehen. Der Dichter Piron in Frankreich machte ihm zu Ehren ein berühmtes Gedicht, welches die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Paris ausnehmend schön fanden. – – In gewissen Reichen sollen ächte Abkömmlinge ihres seltenen Urahnherrn in qualitate qua viel gelten, und bloß durch ihr eigenes Verdienst Glück machen – welches nicht eben allezeit das Sort verdienter Männer ist. Wer sich heutiges Tages und hier zu Lande für einen ächten Sohn des Priapus ausgiebt, wird meist nur als ein Prahler und Charlatan angesehen, und – höchstens nur unter die frommen Wünsche solcher Damen gezählet, – welche nur durch große Verdienste gerühret werden können, und bloß aus lieber langer Weile mit frivolen Kleinigkeiten, ihr ausgebreitetes Fassungsvermögen zu beschäftigen, sich herablassen. Proceß – als Spielwerk betrachtet, mag für den, ders aushalten kann, eine ganz artige Beschäftigung seyn. Der Alchimist kennt keine grösser Glückseligkeit, als einen Proceß nach dem andern zu machen, um den Stein der Weisen zu finden, – an die Kleinigkeit, daß sein Vermögen drüber zum Rauchfang heraus fliegt, denkt er nicht einmal, – so angenehm beschäftigen ihn die ganz unerwartete Phänomene, welche wider aller Menschen Denken und Vermuthen, während des Processes zum Vorschein kommen. – Wer aber durch Processe den Stein der Weisen und Reichthum erhalten will, der muß philosophisch genug seyn, sich im Besitz des Kaput mortuum und gehäufter Manualakten schon für einen glücklichen Adepten zu halten. Quaker haben sich von je her mehr als vernünftige und ehrliche Leute betragen, wie diejenigen, die über sie lachten. Ihre Frömmigkeit beruth freylich nur auf die innern Gefühle im Christenthum, gegen welche ein englischer Bischoff – eine fast Wort vor Wort ins Teutsche travestirte Motion machte, aber diese quakerische Gefühle haben ihren Werth, weil sie ihre Verehrer in der Aufrichtigkeit, bey allem was sie glauben, sagen, und thun mehr erhalten – als die kalten Moralisten, welche bloß mit Gründen demonstriren, was sie nicht denken und nicht glauben. – – – – Quellen. Es ist ein großer Unterschied, die mineralischen Gesundheitswasser bey der Quelle zu trinken, und sie mit verrauchtem Geist in der Entfernung bloß aus Ton zu gebrauchen. Unsere heutige Halbgelehrten blättern in Uebersetzungen, und schwatzen denen nach, welche von den Quellen aus eigener Kenntniß sprechen, ohne selbst die Quellen gesehen zu haben. – – So Cavalierement ist Wieland mit den Griechen bekannt, deren Geist ihm nur entwischt ist, – – und der hiesige Prediger Ulrich – zu seiner Ehre seys gesagt – ist nicht der einzige Reisebeschreiber – der nur nachschwatzt. Größere Männer wie er, haben sich nur Begriffe aus Hörensagen gesammlet, und spielen eine große Figur bey denen, welche nicht wissen, welchen Nachbetern sie nachbeten. Rang. Eine gewisse Ordnung in der Gesellschaft ist eben so wesentlich, als regelmäßige Zusammenstellung der verschiedenen Theile, welche ein symmetrisches und zweckmäßiges Gebäude ausmachen. Das Apartement für den Nachtstuhl kann nicht die Nische des Tafelzimmers seyn, wo ehrlichen Leuten Erfrischungen präsentirt werden. Jedes zur Zierde, zum Nutzen, und zu den verschiedenen Arten der Bequemlichkeit bestimmtes Hausmeuble ist nothwendig, aber – jedes an seinen Ort. Die verschiedenen Menschenklassen können eben so wenig überall bunt unter einander laufen – Jeder muß die ihm zukommende Stelle einnehmen. Aber diese Ordnung wird oft lächerlicher Gegenstand der Satire, wenn Sucht, einen gewissen bloß schimeriken Rang, ohne Realitet zu behaupten, die leere Titulatur, der Wirklichkeit gleich setzen will. Die Ordnungen des Militairs sind einmal der angenommene Maaßstab des Rangs, selbst für Civilpersonen. Unter letzten giebt es Titularmüßiggänger, die im Grunde nichts sind, ihrer müßigen Charge oder Titels wegen aber, sich dem einen oder andern Militairgrade gleich halten. Ein einziges Exempel erläutert die Sache, und wie dies Verhältniß vernünftiger Weise genommen werden muß. Die russische Kaiserinn Elisabeth hatte ihrem Leibkutscher den Rang als Obrister beygelegt. Wenn der Herr Obrist, Kutscher Ihro Kaiserlichen Majestät, aber dem Lieutenant vom Mili tair zur rechten Hand hätte gehen wollen, so würde er sich ziemlich lächerlich gemacht haben. Auf gleichen Fuß möchten sich alle bloß durch Titel graduirte Personen gegen diejenigen rechnen, die das wirklich sind, was jene heißen, und – wir würden nicht so oft das lächerliche Gedränge und Vorlaufen an denenjenigen gewahr werden, die sich ihren militairischen Rang bloß einbilden, welchen der jüngste Officier schon wirklich besitzet, und durch seinen reellen Dienst auch mehr verdient, als alle übrige Titularhelden, deren ganze Charge in Händeküssen und Scharrfüßen besteht. – – – – Rath. Die gesammte zahlreiche Zunft der Räthe verdienten ein besonderes Diktionair, oder wenigstens alljährlich einen eigenen Rathsalmanach, – so wie wir bereits mit einem Kirchen- und Ketzeralmanach, mit einem Musenalmanach und einem Theaterkalender versehen sind. Wie die zwölf Himmelszeichen über die zwölf Monathe des Jahrs präsidiren; so könnte gewiß auch jedem Monathe eine besondere Sorte von Räthen als Patron vorgesetzt werden. Allenfalls, und wenn die Zahl der Monathe nicht hinreichend wäre, um alle Klassen von Räthen unterzubringen, so dürften die Mondesviertel zu Hülfe genommen werden, den, um einer Klasse das Departement des zunehmenden, der andern des vollen, der dritten des abnehmenden Monds zu geben; die blossen Titularräthe aber in Blanko zu setzen, wo gar kein Mond scheint. Weil bisher ein solcher Almanach für das zahlreiche Geschlecht der Räthe mit ihren Influenzen, Adspekten etc. noch nicht erschienen ist; so glaube ich immer, daß mir diese Arbeit vorbehalten bleibt, und ich hoffe, daß sämmtlichen Herren Räthen nicht übel wird gedient seyn, wenn sie zum erbaulichen Denkmal für die Nachwelt, altteutscher Sitte gemäß, so karakterisirt werden, daß nicht nur ihr Rath, sondern auch eines jeden That im Tempel der Unsterblichkeit aufgezeichnet werde, weil Rath ohne That nur eine Charlatanerie seyn würde. Die Wichtigkeit der Räthe fürs allgemeine Landesbeste, wird noch ganz besonders durch ihre Beyträge zur Chargenkasse ins Licht gesetzt werden. Reisen wird als ein wichtiges Stück der Erziehung angesehen, und bedeutet bey vielen jungen Leuten, welche durch Reisen gebildet werden sollten, so viel als Rasen – denn nach einem alten Grundsatz der Holländer, muß der Mensch in seinem Leben einmal rasen, um ein formirter und vernünftiger Mann zu werden, so wie teutsche Jünglinge die meiste Zeit so rasend reisen, daß sie für ihr ganzes Leben als unerträgliche Thoren in ihr Vaterland zurückkehren. Viele verraseten auf ihren Reisen Vermögen, Gesundheit und Vaterlandsliebe – den Verstand oben drein, wenn sie welchen in fremde Länder mitgenommen hatten. So ziemlich merkt mans den gereiseten Jünglingen an, in welchen Reichen sie gereist sind. Die, welche aus Frankreich zurück kommen, haben meistentheils das Gepräge der Petitmaitres, der Tanzmeister und Commödianten; und den durch seine Reisen geengländerten Teutschen, erkennt man an seiner bisarren Laune, an den nachgeahmten Spleen, und – oft an angenommener Grobheit, welche für das Runde der Sitten eines alt brittischen Jaques Rosbief debitirt wird. Vor einiger Zeit fiel die Raserey des Reisens auf teutsche Bellettristen, die dem empfindsamen Yorick nachtändelten, und am Schreibpult mit weinenden Augen so trübselig reiseten, daß man ohne Sünde über sie lachen konnte. Der um die Erdbeschreibung sehr verdiente Büsching reisete dagegen wirklich von Berlin nach Reckane – eine lange Reise von etwa acht Meilen; nach deren Verhältniß auch seine Beschreibung ohngefähr acht Meilen lang gerathen ist. Sollte dieser fruchtbare Mann allenfalls noch eine Reise um die Welt thun; so dürfte der Weltraum nöthig seyn, seine Beschreibung zu fassen, und ein Weltalter, um sie zu lesen. Religion. Was Menschen lehren, die mit der Religion ihren Trafik haben, und von diesem Commerz leben, darinn mischen sich eine. Menge Charlatanerien. – Gottes Wort nicht durch Träume und Inspirationen geoffenbahrt, sondern von ihm selbst durch seine allverkündigende Werke gepredigt, jedem der Ohren hat zu hören, und Verstand zu fassen; lehrt durch die ganze Welt nur eine Religion; – die Religion der Gottesverehrung, des Rechtthuns und der allgemeinen Liebe. Von der Verschiedenheit der menschlichen Religionsmeinungen läßt sich reden, und mit Freyheit die Versuche wagen, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden – aber wenn es wahr ist, daß die ausübende Religion darinn besteht, sich Gott ähnlich zu bilden, so haben alle Religionspartheyen gleiche Ansprüche an unsere Liebe und Menschenpflichten – Der Mahomedaner wie der Christ, der Jude wie – der Anhänger des Confuzius der Chineser; – denn Gott macht unter allen diesen keinen Unterschied – seine Sonne erfreut alle, und sein Regen schaft für alle Fruchtbarkeit und Erquickung. Gott fordert nur gute Menschen. – Das wahre Interesse des Staats verlangt nur gute Bürger – aber der unsinnige Aberglaube in katholischen Landen z.B. fordert Anerkenntniß des Pabstes als eine unumgänglich nöthige Eigenschaft zu jedem Posten im Staat. – – – – Dem Himmel sey Dank! nicht mehr überall, und selbst die Protestanten werden schon in einigen aufgeklärt werdenden Landen in Landeskollegien geduldet. – Bey Protestanten und in Preußens toleranten Staaten, wird wenigstens ein Taufschein erfordert, um die Rechte der Menschheit und des Bürgers zu genießen – Nur die Beschneidung ist auch noch unter uns ein Stein des bürgerlichen Anstoßes, worüber – unsere Nachkommen noch einmal lachen werden. Reliquien. Von den Heiligen werden Knochen, Haare, Zähne und Kleidungsstücke als verehrungswerthe Reliquien auf bewahrt, nachdem ihr Wandel und ihre gute Thaten längst verlohren gegangen sind. – – Moser schrieb einstweilen Reliquien die schon Makulatur geworden sind; so wie er selbst schwerlich eine Reliquie werden dürfte, deren Verehrung auf die Nachwelt wird fortgepflanzt werden, nachdem das Joch seiner Despoterey zerbrochen worden ist. Ritter – deren Geschichte verliehrt sich in die dunkelsten Jahrhunderte von welchen nur eine schwache in Finsterniß sich verliehrende Dämmerung dem forschenden Blick entgegen schimmert. Die allerältesten Ritter waren Ebentheurer welche die Welt zu Fuße durchstrichen, mit Herzhaftigkeit, Enthusiasmus und mit einer Keule bewaffnet um wilde Thiere todtzuschlagen und Ungeheuer der Fantasie, in natürlichen Löwen und Tiegern zu bekämpfen. Der Trieb der Ehre reizte sie zu großen Thaten. – Die unschädlichste Art von diesen Ebentheurern machten Chimären ihres siedenden Gehirns zu Gegenständen ihres Heldentriebs, welche aufzusuchen sie weit umher zogen. Andere wurden wirklich Wohlthäter der Menschen, indem sie ein eigenes Metier daraus machten, den Schwächern gegen die Anfälle der Stärkern zu schützen, und gegen die Raubgier der Menschen und der Thiere sicher zu setzen; und wieder andere setzten ihr Heldenthum darinn, sich mit Gewalt alles zu unterjochen, und Tyrannen der übrigen Menschen zu werden. Von der letztern Sorte scheint der Tradition nach, Nimrod gewesen zu seyn – der zuerst den Thieren den Krieg machte, und ein gewaltiger Jäger wurde; hernach aber Menschen unter seine Bothmäßigkeit brachte, und den ersten Grund zu einem Reiche legte, welches nachher in der Geschichte merkwürdig wurde. Herkules hingegen war bloß ein herumziehender Ritter, der nichts eigenes suchte oder hatte, als das Fell eines von ihm erschlagenen Löwen, und seine Keule, mit welcher er aus bloßer Justitzliebe Gerechtigkeit ausübte, und alle bestrafte, welche Gewalt und Unrecht an andern ausübten. Von dieser Gattung waren die Richter und Heilande in Israel zur Zeit der Anarchie, die sich aus blossem Heldentriebe aufwarfen, als Heerführer denen Feinden des jüdischen Volks Widerstand zu thun. – Die Geschichten dieser Richter und Heilande sind ganz im Geschmack der ältesten Ritter; und Simson, durch seine gerühmte Leibesstärke sowohl als durch seine verliebte Schwachheiten, ist der wahre Herkules der damaligen Juden. Der Name Ritter wurde indessen zuerst unter den Römern gebräuchlich, bezeichnete die Helden, welche ihre Thaten zu Pferde verrichteten, und für edler gehalten wurden, als die besten Fußknechte. Ein altrömischer Ritter mochte immer auch Enthusiast für Ehre und Patriotismus seyn, aber – er war kein Schwärmer. Diese entstanden erst unter christlichen Fürsten zu den Zeiten der Kreutzzüge. Sie bildeten sich durch Fanatismus, durch ein gewisses Gespenst von Ehre, und – durch die Liebe. Die westlichen und südlichen Theile Europens, Frankreich, Spanien, und zuletzt auch Teutschland, waren der eigentliche Sitz der schwärmerischen Ritterschaft. Der verderbliche Hauch des priesterlichen Despotentriebes und des Religionshasses gieng vom päpstlichen Stuhl aus, um durch Bann und Ablaß, den Geist der Ritterschaft gegen die Eroberer des gelobten Landes zu beleben, und durch Fanatismus die christlichen Mächte zu schwächen, und das Uebergewicht der europäischen Fürsten, die dem römischen Hofe gefährlich werden konnten, ins Heilige Grab zu senden. Wahre Charlatanerie des Aberglaubens war die Seele dieser Ritter, die ihr Vaterland und ihre Hufen verließen, um die Rudera und Steinhaufen Jerusalems zu erobern. – Die Ehre war die heilige Richtschnur dieser Helden, die auf Rauben und Plündern ausgingen, und die Liebe zu ihren Dulzineen, deren sich diese Ritter im heiligen Kriege würdig machen wollten, bewog sie nicht weniger auf Ebentheuer auszugehen, um ihren daheime schmachtenden Schönen, ein von Sarazenen zerfetztes Knochengerippe in die Arme zu liefern, falls sie ja einmal aus Asien nach ihrem Vaterlande zurückkehren sollten. Zu Friedenszeiten hielten sich die Ritter in der Uebung durch Tournirspiele sich unter einander die Hälse zu brechen. In Ermanglung anderer Feinde, zogen welche umher, um bezauberte Prinzeßinnen aufzusuchen, oder entführte Schönen ihren Eroberern aus den Händen zu reißen. Sie errichteten Ordens unter sich, gelobten Keuschheit, und ewige Feindschaft den Türken, und wurden davor als gewafnete streitbare Diener der Kirche reichlich mit Commenderien dotirt. Viele legten feste Schlösser an, thaten aus selbigen Ausfälle, um Freunde zu beschützen, und was nicht Freund war – anzugreifen oder zu plündern. Von welcher Seite wir es immer betrachten; so ist die Geschichte unserer Ritterschaft in ihren Urahnherrn überaus erbaulich, und rechtfertiget einen jeden auf seine Ahnen recht sehr stolz zu seyn. Die heutigen Ritter sind weit ruhigere Leute. – Die Ceremonie des Caravannenmachens ist nicht so gefährlich, als ein Creutzzug nach dem gelobten Lande – und der Rittergenuß einer einträglichen Commenderie; damit gehts – wie mit den Ahnen, die ehedem erworben wurden, und die man jetzt nur zu zählen braucht, welches bey alledem einen sehr angenehmen Unterschied ausmacht. Die neuern sich selbst hervorthuende Ritter heißen Glücksritter (Chevaliers d'industrie) sind aber nicht so genügsam, wie weiland die edlen alten Ritter, durch welche man sich für eine mäßige Ritterzehrung schon eine gute Strecke Weges konnte begleiten lassen, wenn man sicher seyn wollte, nicht beym Vorbeyreisen der Raubschlösser von andern edlen Rittern geplündert zu werden. Römisch – Was man sonst römisch in Absicht auf Gesinnung und That nannte gehört jetzt nicht mehr in Rom zu Hause. Die alten Römer dachten frei und starck, lebten wie Helden, und als Weise, und ihre Thaten hatten das patriotische Gepräge des freien Bürgers, der sich im höchsten Verstande Theilnehmer an das allgemeine Landesbeste fühlt – und Seelengröße hat sich für das Wohl des Vaterlandes aufzuopfern. Der edle Römer war ein zuverläßiger Freund, aber auch ein furchtbarer, und doch in Gelegenheit großmütiger Feind. Verrätherei, List, Verstellung und was in folgenden Zeiten den Nahmen Politick führte, war eines römischen Herzens unwürdig. Dieser Carakter des alten Roms ist verloschen – nur die Gegend und der Nahme ist übrig geblieben – aber die Begriffe sind geändert und wir dencken uns nicht altrömische Tugenden wenn wir eine Denckungs- und Handlungsmanier nach italienischem Maaßstab beurtheilen. Von einem Teutschen der sich nach dem Carakter der jetzt dort lebenden Nation gebildet hat, sagen die Italiäner selbst: Un Tedesco italienato e peggio ch'un diavolo incarnato – (Ein nach italienischen Grundsätzen geformter Teutscher ist ärger als ein eingefleischter Teufel). Das alte und das neue Rom machen den grösten Kontrast aus, den jemahls eine Gegend erfahren hat. Der Lukretia und den Vestalinnen, sukzedirten die Meßalinen – Auf Philosophen folgten Priester – welches alles gesagt heist. – Stat der sonst unüberwindlichen Legionen siehet man jetzt päbstliche Soldaten, deren Ansehen noch unsoldatischer ist als die unzehlige Menge der Mönche. Rom in seiner würdevollesten Epoke war der Wohnsitz der Sicherheit – unter einigen Kaisern wurde es zur Scharfrichterei, und unter dem Regiment christlicher Priester die Offizin des Giftmischens und die Mutter der Banditen – – – Auf gleiche Weise drückt man den ganzen Carakter einer Nation aus wenn man sagt: auf gut englisch, französisch, dänisch, teutsch etc. Aber zu der Zeit da man so sprichwörtlich Nationen bezeichnete war es anders wie jetzt. Englisch, war rund und brav, französisch hieß so viel als edelmütig, und der Lobredner dieser Nation sagt: Des Chevaliers françois tel est le Caractere wenn er die Großmuth in ihr schönstes Licht gesetzt hatte – Dänisch war's wenn einem bei freundschaftlichen Gastmahlen die Kehle unvermuthet abgeschnitten wurde und teutsch hieß eine, in jedem Betracht ehrliche Behandlung. In einem so hohen Grade hat denn doch keine Nation geändert als die vorbeschriebene römische – es müste denn die teutsche Nation seyn, deren Ehrlichkeit durch die heutige französische Politesse überaus abgeschliffen ist – aber doch noch immer viel Komplimente erhält, nur bloß auf eine etwas merckliche Weise in den Sitten verlohren hat. Sabbath – Dem Institut nach, ein feyerlicher Tag in der Woche, wo der müde Arbeiter das Glück der Ruhe, der Knecht ausgespannt aus dem Joch der Dienstbarkeit, Freyheit fühlen, und jeder an dem Geräusch und Betäubung der Geschäfte zu sich selbst kommen, und abgezogen von den Kleinigkeiten täglicher Bedürfnisse, auf Geistes Befriedigung denken soll, die noch jenseit des Grabes hinaus dauret. Abgewogen gegen seinen Zweck, ist der Sabbath zur Charlatanerie geworden. – Ein Tag den der Große nicht unterscheidet, wo der Mittelmann und der geringere sich besser kleidet als in der Woche, um Kirchenparade zu machen, wo etwas besser gegessen wird, als alltäglich – an welchem die Promenaden, die Plätze der öffentlichen Zusammenkünfte mehr frequentirt werden, die Vauxhals, Tanzböden und Tabagien die meiste Einnahmen haben, und an dessen Schluß jede feile Dirne sich am leichtesten an Mann bringen kann. – Ein höchst schädlicher Tag im Staat für den Arbeiter, an welchem der größte Theil den Verdienst der ganzen Woche verschwendet – der entweder selbst durch schärfere Polizeygesetze müßte gehalten werden, um es Menschen ins Gedächtniß zu bringen, daß sie Menschen sind – oder mit wahren Vortheil fürs gemeine Beste, lieber ganz sollte abgeschaft werden. Salomo. Großsultan über Israel, ein würdiger Sohn und Thronfolger Davids, welchen dieser Mann nach dem Herzen Gottes, mit seiner Sultane Favorite der Bathseba erzeuget hatte, nachdem ihr Ehemann durch ein lettre de Cachet fortgeschaft und bestimmt war, den rühmlichen Todt fürs Vaterland zu sterben. Der Eindruck den diese schöne Frau einstweilen im Bade mit ihren Schnee weißen Hüften auf den frommen David verliebten Andenkens, gemacht hatte; erhielt sie in der Folge durch ihre Klugheit, und wußte noch auf seinem Todtenbette ihn zu disponiren, ihren Sohn zu seinem Nachfolger zu ernennen, welches David ihr nicht abschlagen konnte, da sie nach den Maximen kluger Weiber die Komplaisance hatte, kein Wörtchen dawider zu sagen, daß ihr Herr Ehegemahl sich noch in seinem hohen Alter die Abisag von Sunim als Maitresse beylegte, um sich von diesem jungen Mädchen wärmen, und auf eine angenehme Weise an die Sünden seiner Jugend erinnern zu lassen, um mit desto lebhafterer Empfindung Gott zu bitten, derselben nicht weiter zu gedenken. Salomo bestieg den Thron mit vielen Ruhm, und machte dem Andenken seines Vaters, durch weise Erfüllung seines letzten Willens, Ehre. David hatte aus menschlicher Uebereilung, seinem General en Chef Joab versprochen, ihn nicht zu tödten – denn Joab hatte ihm wichtige Dienste geleistet, und ihn von seinem aufrührerischen Prinzen Absalom erlöset; auch dem Simei hatte er sein königliches Wort gegeben, die Vorwürfe nicht zu rächen, die ihm dieser wegen so vielem unschuldig vergossenen Blut gemacht hatte. – Nun war David ein Mann von Wort, und ließ beyde bey seinen Lebzeiten in Ruhe: aber, da vergeben nicht immer vergessen ist; so empfal er in seinem Testament dem weisen Salomon, sie bey Gelegenheit hinrichten zu lassen, und dieser exekutirte das Todesurtheil, welches David in seinen letzten Stunden gesprochen hatte, ließ den Joab auf den Altar todtschlagen, und dem Simei Stadtarrest geben, um ihn das erstemal, da er solchen brechen, und vor's Thor gehen würde, umzubringen. Solchergestalt bewies er sich gegen den Willen seines Vaters als einen gehorsamen Sohn; und bey erster Gelegenheit, da ihm eine Partikulairkonferenz mit Gott träumte, und er die Erlaubniß erhielt, sich eine Gnade auszubitten; bat er nicht um Reich thum und langes Leben, sondern um ein gehorsam Herz gegen die Gesetze Gottes, welches ihm zwar zugestanden, aber nicht sonderlich in Ausübung gebracht wurde, weil sich bald nachher dieses erhaltene gehorsame Herz fremden Göttern zuneigte, und dem Molech Kinder opferte, wie in dem von ihm erbaueten prächtigen Tempel, er dem Gotte seines Vaters, Ochsen bey tausenden schlachten ließ, um es mit keinen zu verderben. Sein erbetener Gehorsam litt also immer einige Einschränkung, aber sein nicht erbetener Reichthum wurde ihm ohne Maaß zu Theil, – er war der glücklichste Kaufmann, der seine Schiffe aus Ophir sicherer in Hafen brachte, als der gute Candide seine mit Reichthümern aus Eldorado befrachtete hundert Hammel. Von seiner Weisheit wurde viel Lermens gemacht als er auf eben die Weise wie ein türkischer Kadi die Wahrheit ans Licht brachte; welcher von beiden klagenden Müttern das streitige Kind gehörte? und wegen der gepriesenen Weisheit dieser Methode ist es höchlich zu verwundern daß solche beim hiesigen Cammergericht nicht gleichfals ist beobachtet worden da solches schon ähnliche Fälle zu dezidiren gehabt hat; als sich mehr Väter stritten, welchen von ihnen der Sohn gehörte, zu dessen Anfertigung viele ihre Kräffte angewandt hatten? In der Kunst Räthsel aufzulösen soll er dem Oedippus nichts nachgegeben haben nur schade daß deren keins auf unsere Zeiten gekommen ist, außer das bekannte Räthsel welches er der Königinn von Saba auflösete welche gekommen war seine Talente auf die Probe zu stellen – und welches jeder ehrliche Mann eben so gut hätte auflösen können, da es bloß in der Prokreation eines jungen Sohns bestand. In der Weiberliebe und in einem zahlreichen glänzenden Serail übertraf er wircklich den Großtürcken, er war der Ovid seines Zeitalters und übertraf den Ariost in den Gemählden der Wollust – lamentirte am Ende über die Eitelkeit der Dinge, und über die Unersättlichkeit der Weiber und wurde zuletzt – ein Bavard – – – Mit allen Respekt für Salomons Größe vergeb ichs keinem Dichter der dem preußischen Monarchen die Lobrede hält; daß er der Salomo in Norden (le Salomon du nord) sey. Dieser gute nie Blutliebende König, fing seine Regierung nicht mit Hinrichten an – und nicht mit beten, sondern mit Thaten. Er bauete keine unnütze Schlachthäuser sondern Gebäude für Menschen – Er brachte seine Regierung nicht in Weichlichkeit hin, sondern die Glückseligkeit seiner Staaten zu sichern als Held, zur Zeit des Friedens als Regent, und als Weltweiser. – Er ließ sich nie von Weibern regieren, und unterhielt kein Serail. – – – Es würde für den Salamo ein Compliment seyn, wenn man ihn mit guten Gewissen den Israelitischen Friedrich nennen könnte. Aber für den Thatvollen Friedrich ist es keine Lobrede, ihn mit dem weibischen Tyrannen Salomo zu vergleichen. Nachricht. In Zeit von 3 Wochen werde ich eine besondere Piece unter dem Titel: Entlarvtes Nationalvorurtheil etc. ins Publikum erscheinen lassen. Die Ausgabe dieser Piece von etwa 12 Bogen für 12 Gr. geschieht auf einmal, und werden nicht mehr gedruckt als bestellt werden. Liebhaber, welche dieses Werkchen haben wollen, belieben mir ihren Namen und Adresse zu senden, auch die Zahl der Exemplarien wie viel sie verlangen, zu bemerken, weil die Stärke der Auflage sich nur nach der Zahl der Subscribenten richten wird. Wer 12 Subscribenten sammlet, erhält das 13te gratis. Berlin den 16. May 1781. Der Verfasser der Lieblingsstunden. Fußnoten 1 Auf deutsch: Begnüge dich an den Schlendrian, und sey nicht klüger wie deine Collegen; aber halte dir deinen Vorgesetzten zum Freunde. Vierter und letzter Abschnitt An das Publikum An das Publikum. Billige und freundschaftliche Leser! Von der einen Seite beweiset mir der geschwinde Abgang dieser kleinen Schrift, von deren ersten Abschnitten ich seit Neujahr schon die vierte Auflage zu besorgen genöthiget gewesen bin, daß ein großer Theil des Publikums in allen Gegenden Teutschlands mit dieser hingeworfenen Lektüre nicht mißvergnügt gewesen ist, von der andern Seite ist es mir freylich nicht unbekannt, daß viele darüber in frommer Wuth gerathen und gegen diese Schrift wie gegen deren Verfasser in dem Grade sind aufgebracht worden – wie es sich von Eiferern mit Unverstand, und von Leuten die von Religion und Sentiment ein groß Geschrey machen, ohne sich eben mit den Geist und mit den Gesinnungen der wahren Gottes-Religion zu befaßen, erwarten läßt. Das wird mir heilig versichert, daß ich mir besonders durch diese Charlatanerien, ausnehmend viel Feinde gemacht hätte, daß Männer von Wichtigkeit und Einfluß sich ganz ernstlich auf die Lauer legten mich zu verderben, mich selbst bey der ersten Gelegenheit um der von Sr. Königl. Majestät Allerhöchst verliehenen Censurfreyheit zu bringen, bedacht nähmen; daß Männer, die mit Christenthum und Wohldenkenheit viel Parade machen, mir Gruben bereiteten – – – und ihre Schleuder mit Steinen lüden, um mir solche an den Kopf zu werfen. In Berlin solte man dergleichen nicht erwarten, und nicht unter einer so glänzenden Regierungs-Epoke des menschlichen Verstandes und der Duldung, wo in einer der ersten Buchhandlungen ein mit unbeschränkter Geistesfreyheit geschriebener Abregé de l'histoire ecclesiastique par Fleuri verlegt worden und der Prüfung Geschichtskundiger Köpfe vorgelegt ist, wo das Dictionair von Baile nicht verbrannt wird, wo alle Schriften von Voltaire frey verkauft werden, und wo man mit der Vorstellung der dramatisirten Geschichte von Saul und David nicht fremd ist – In Berlin, wo die Akten der Verfolgung gegen den gelehrten Schullehrer Damm sich mit einer vom Thron bestimmten ruhigen Besoldung beschloßen, wo ohne Amtsentsetzung und ohne Exilium zu erwarten, die öffentlichen auf Reichspackta sich gründenden simbolischen Bücher, nach den Uberzeugungen einzelner Männer in gar wichtigen, als Glaubensartikel angenommenen Punkten; so ausserordentliche Abänderungen und Motifikationen erlitten haben – in einem Lande wo der erste Lehrer der christlichen Gottesgelahrheit unter welchen sich seit verschiedenen Jahren Kirchenlehrer bilden, wo Semmler öffentlich behauptet: »daß Christus-Religion in ihrem Grunde bestehen bliebe, wenn gleich dessen Auferstehung nicht erweißlich wäre.« 1 in einem Lande wo Barth, der durch Reichsschlüße verketzerte, verwiesene Barth, Schutz und Duldung findet – In so einem Lande solte man wirklich nichts vom Geist spanischer Inquisition erwarten, sich nicht im Sinn kommen lassen, daß es da unbestellte Eiferer gäbe, die sich nicht begnügeten ihre eigene Meinungen zu behalten, oder allenfalls – ihre Kräfte zugebrauchen, um anderer Meinungen die ihnen mißfallen, übern Haufen zu werfen; sondern wirklich spekuliren über einen Verfasser selbst herzufallen; der nichts thut – als was Tausende vor ihm thaten, was ein jeder thut, der nicht durch anderer Leute Brillen, sondern mit seinen eigenen Augen siehet, und dasjenige was? oder wie? er es siehet, mit der Freyheit des zum Selbstdenken geschaffenen Geistes saget – es jedem zu gleichfreyem Urtheil preis giebt, ohne es einem einzigen aufzudrengen. So ists aber, so wars zu allen Zeiten, so wird's auch wohl ferner bleiben; so lange Menschen von Religion mehr schwatzen als nach Religion handeln; so lange mit Schaalen und Charlatanerien gespielet, und der wahre Kern der Religion der nur in That besteht, vergessen wird; so lange werden die Eiferer für ihre eigene Systeme, immer andere Systeme, und die Personen selbst, mit einer Bitterkeit die gerade das Widerspiel von Christus sanftmüthigen Sinn ist, verfolgen so weit ihre Macht reicht. Ich wiederhole was ich schon anderweitig gesagt habe – Man erlaubt sich freye Urtheile über Handlungen unerreichbarer Monarchen – und man divertirte sich zu seiner Zeit über den wirklich gemißbrauchten Witz der in der famösen Piece Partage de Pologne, Gift der Lästerung über die schönste Diademe der Europäischen Staaten ausgeifferte – dagegen that Niemand den Mund auf, als zum Lachen, welches den Nichtpatrioten mit Schande bezeichnete. Diese dürften allenfalls die Lautesten seyn welche über meine Charlatanerien sprechen – und über meine Gemählde von Abraham oder neuer patriarchalischen Gestalten sich unnütz machen. In so fern diese Eiferer – oder wie ich sie so nennen darf, die sich so viel erlauben, uns andern nicht erlauben wollen, Wahrheiten zu sagen, welche denen Freunden praktischer Charlatanerien zu wider sind, – ein Schicksal was die Wahrheit überall hat, daß sie selbst mit lachender Miene gesagt vielen, die für ihre Thorheiten Respekt fordern – unleidlich ist; in so fern sage ich diese Eiferer bloß gegen mich Feuer sprühen – deklamiren, schimpfen, in Journalen versichern daß sie mich nicht lesen nicht lesen wollen – – kann ich mich bey dem allen sehr gut beruhigen, werde mich durch kein Gepelffer stöhren lassen. Die Stimme des Publikums ist mein Richter, der mich alleinig determinirt fortzufahren, oder aufzuhören, nicht Rezensenten Geplärr, darauf achte ich nicht, frage nicht, was unberufene Aristarchen sagen. So lange die Zahl meiner Leser in tausende geht, nicht aus der Klaße des gemeinen Mannes, sondern aus solchen besteht deren Extraktion und Erziehung ausgebildete Vernunft voraussetzen läßt, so lange werde ich fortfahren, dem Geschmack dieses Publikums zu genügen und die andern können davon bleiben. – Vor der Hand wird mit diesem 4ten Abschnitt der Charlatanerien geschloßen – der damit beäugte Zweck Vorurtheile wirkliche Charlatanerien in mehr als einem Fach anzugreifen – oft bloß von der lächerlichen Seite anzugreifen und es andern zu überlassen, den Grund des Angrifs näher und mit Ernst zu prüfen – der Zweck hie und da eine treffende Wahrheit zu sagen, welche sich ad notam zu nehmen bisweilen nicht undienlich seyn dürfte – oft nur Winke zu geben, um Wahrheit nach dem Fingerzeig zu geben, dieser Zweck war selbst bey diesen kleinen Schriften mein unveränderliches Augenmerk und er wird es überall seyn. Nach der Regel, ridende dicere veritatem, oder in einem scherzhaften launigten Ton zu reden, hatte bloß zur Absicht meinen Lesern zugleich ein gewiß unschuldiges Vergnügen zu verschaffen, indem ich sie zum Nachdenken über Sachen auf einem blumigten Wege, leiten wolte. – Denn der Weg über harten steinigten Boden in den dürren Gegenden des bloß deklamatorischen Reichs, finstere Moralisten ist ermüdent und langweilig. Daß übrigens meine Absicht nicht seyn konnte Unheil zu stiften, sondern Nutzen, daß brauche ich nicht zu sagen. Der größte Theil meiner Leser glaubt das ohnedem und den widriggesinnten Schreyern würde ich es nicht überreden, wenn ich selbst den alten Demostenes aus dem Staube hervorrufen könnte, um mit der ganzen hinreissenden Gewalt der Beredsamkeit mein Vertheidiger zu seyn. Was diese Klasse also anbetrift; ists das beste wir lassen einander laufen. Ein jeder mit seinen eigenen Gang, der eine zur Rechten der andere zur Linken. – Es geht ja ein jeder für seine eigene Rechnung. Nachrichtlich habe ich meinen Lesern nur noch dieses bekannt zu machen. Bisher habe ich durch meine kleine Schriften nur erst das Terrein sondirt – was ich mit größern durchgedachten Werken darauf bauen will, daß dürfte noch zu frühzeitig kommen, so sehr ich mich nach der Erscheinung des Zeitpuncts sehne, wo ich Realiteten geben kann, welche das Publikum aus der leichten Manier mich mit ihm zu unterreden vielleicht nicht erwarten wird, welche aber nothwendig seyn dürften, um dererwillen, welche mein vorläufiges leichtes Harzeliren mit einer so mächtiglichen Verachtung anzusehen belieben tragen. Es bedarf aber noch einer vorläufigen Preparation. Mein Terrein, welches ich jetzt zu kennen glaube verlangt noch mehr Zubereitung. Es ist noch mit Vorurtheilen, mit alten eingewurzelten Thorheiten durchwachsen, wie ein ungebauter Acker mit wilden Graspeden. Zuvörderst muß ihn die Egge der ächten Satire noch mehr durcharbeiten, um noch ein Haufen eingenistelte Wurzeln, verjährter Narrheiten auszureuten. Dieserhalb verkündigte ich schon bey der Erscheinung des vorigen 3ten Abschnitts dieser Charlatanerien, die Eröfnung eines Narrensaals, worin Meister Sirach seine Operationen vornehmen sollte um die Thoren zu kuriren. Ich habe das Ding jetzt noch anders überlegt: Vor einigen Jahren meldeten sich verschiedene gelehrte Zeitungsschreiber in gedruckten Rezensionen über meine Gallerie der Teufel etc. und auch bloß schriftlich, andere meiner damaligen Leser, mit der Anzeige; daß besagte Gallerie etc. nicht von männiglich verstanden würde, und mit dem Wunsch; daß der Verfasser sich aus dem höhern Sphären der Höfe und Staaten herniederlassen und Satyren schreiben möchte, die auf das gemeine Leben Einfluß hätten. Das ging nun nicht gut an, jedermann in der Gallerie der Teufel auf- und anzunehmen. Auf dem Blocksberge wo in der berühmten Walpurgis Nacht Satan, dieser mächtige Fürst der Welt, sein Hoflager hält; herrscht überaus viel Etiqvette. Nicht ein jeder kann dort Cour machen – bey diesem großen Reichstage wo die wichtigsten Welthändel vorgenommen und entschieden werden, erscheinen nur Prinzen von Geblüte, die Ministres welche das Geheime Conseil und den Staatsrath ausmachen, die auswärtigen Gesandten, die Pairs des Reichs und der hohe Adel. Personen vom zweiten Range, und so weiter herunter, alle Grade der Gesellschaft durch, bis auf den Narren im bunten Jäckchen, der vor Kost und Lohn aus pudelnärrischen Streichen Metier macht; alle diese Leute zu versorgen dazu ist indessen ja sonst noch wohl in der Welt Gelegenheit – es braucht nicht alles bey Hofe emploirt zu werden, und Se. Majestät auf dem Blocksberge haben ohne dem genug zu thun, und können sich unmöglich mit jedes Narren seinen Angelegenheiten abgeben. Ich machte also schon damals einen anderweitigen kleinen Plan, auch die übrigen guten Leute unterzubringen, mit welchen ich eben den Herrn Satan nicht beschwerlich fallen wollte, und die überhaupt ihrer Geburt nach, ganz und gar nicht bey Hofe presentable waren. Um dem Dinge ein Ansehn zu geben, sahe ich mich nach einen würdigen Chef für das Departement der übrigen Narren umher. Aus dem alten Fabelreiche mußte ich so ein vergöttertes Subjekt aussuchen, denn das ist nun einmal so in der Welt: Je mehr Fabel je mehr Würde und Ansehn! die heidnische auch von uns adoptirte Fabel vom Teufel, und die ächte teutsche Fabel vom Blocksberge, hatte meiner Gallerie nicht geringe Reputation gebracht – Ich beschloß nach dem Beyspiel anderer periodischen Schriftsteller, die den Olimp in Pacht genommen haben, und uns mit Produkten aus der griechischen Fabellehre regaliren, dieses Reich der griechischen Fabel ebenmäßig einmal zu nutzen, und dieses alte verbrauchte Ding nach meiner Manier mit einem neuen Kleide nach der Mode auszustaffiren. Wieland handelt mit dem Götterboten Merkur durch die Welt, der als geübter Mäckler mit allerhand Klinkaillerie-Waare sehr gut umzugehen versteht, und solche treflich an Mann zu bringen weiß – Jakobi hat das Cammermädchen Iris in seinen Diensten genommen, um mit weiblichen Galanterien durch die Welt zu trödlen – – Bey mir kömmts darauf an – wie oben gesagt, Thorheiten aus der Welt zu lachen; und dazu fand ich im ganzen Olimp keinen brauchbarern Kerl, als den bon Vivant Silen mit seinem Esel, Hofspaßmacher seiner Olimpischen Majestät, gewesenen Instrucktor des Prinzen Bachus, der mit der Laune des Comus begabt, und mit lachendem Munde mehr gutes in der Welt ausrichten soll, als selbst mit seinem alt grämlichen Moralisten Gesicht Saturn, mit welchem man Kinder jagen kann, weil wie die Geschichte sagt, er solche fressen soll. Wie gesagt zur Befriedigung der von verschiedenen Seiten an mich ergangenen Aufforderung; Satiren in derjenigen Spähre zu schreiben, welche unmittelbar auf diejenige folget, die in der Gallerie der Teufel repräsentirt worden ist; und zur Erreichung meiner besonderen Absicht; in verschiedenen Fächern gegen die Narren zu Felde zu ziehen, welche ein Haufen Unkraut auf Aecker bauen, welche bessere Früchte zu tragen fähig sind; soll mir Silen und sein Esel gar keine üble Dienste leisten. Diese schon vor etlichen Jahren bearbeitete periodische Schrift, will ich jetzt geben – als alte Schuld welche das Publikum längst erwartet, nur noch nicht ganz die Bedingungen erfüllt hat, unter welchen allein ich vordem diese Schrift herausgeben wollte. Damals wünschte ich durch eine Subscription für 1000 Exemplarien völlig gesichert zu seyn – Nunmehr zufrieden mit der noch nicht so hoch sich belauffenden Anzahl mag alle vierzehn Tage ein Stück von diesem, in der launigsten Periode meines Lebens, geschriebenen Werk erscheinen – in der Mitte dieses Monats das erste Stück, welches ich hierdurch habe anmelden und dem Publikum empfehlen wollen. Berlin den 1 ten August 1781. Der Verfasser. Vierter Abschnitt Vierter Abschnitt. Satan. Dieser große gefürchtete zum Theil angebethete Charlatan, ist noch immer der Popanz der Leichtgläubigen und der Büttel der Geistlichkeit, um die Menschen zur Frömmigkeit und zur Gottesfurcht anzutreiben. Wie keine Narrheit in der Welt ist, die nicht irgend einmal ein spekulirender Philosoph sollte ausgeheckt haben; so ist auch dieses Hirngespinst einstweilen aus dem Kopf eines unbekannten Philosophen gebohren, der das Gute und Böse in der Welt nicht vereinbaren konnte, und deshalb ein gutes und böses Grundwesen annahm, welche beyde die Welt in Compagnie regierten, und deren eines alles Gute hervorbrachte, und das andere nichts als Böses stiftete. Der Satan ist immer eine Reliquie der Manicheer und von Christlichen Philosophen, nur etwas anders umgearbeitet; so, das er nicht als ein von sich selbst bestehendes Grundwesen sondern als ein verunglücktes Geschöpf Gottes betrachtet wird. Seitdem fiel er in den Händen der Ammen der alten Weiber und der Schwärmer, die ein gar gräßliches Unthier mit einem Schwanz und Pferdefuße aus ihm machten, und ihm Dinge Schuld gaben, die man einem so grossen mächtigen und verschlagenen Weltmonarchen unmöglich zutrauen kann. Besonders bezüchtigte man ihn eines sehr antiquen Geschmacks, und daß er vor sein Leben gern mit alten rothäugigten zahnlosen, und Grundheßlichen Hexen buhlen möchte, so wie anderseits kein junges Mädchen zu Falle kam ohne sich bitterlich zu beklagen, daß sie der Satan verführet hätte sich ihrem Galan zu überlassen. Mithin nahm Satan für seine eigne Person mit alten Weibern vorlieb, und war so ein Narr, die jungen hübschen Gesichter an andern Liebhabern zu verkuppeln. – Satans Geschichte ist übrigens zu bekannt um sie weiter auszuführen, aber sie ist durchaus mit so viel dummen Streichen verwebt, daß er wohl verdient einmal kassirt zu werden, damit vernünftige Menschen nicht länger durch diesen Popanz bey der Nase herumgeführt werden. Seelenmessen, gehören zu der Art geistlicher Nahrungsmittel und Kirchen-Revenüen, bey welchen ein jährliches Minus in dem Grade sich äußert, als die gesunde Vernunft aus den Banden des Aberglaubens allmählich sich loswickelt. Ehedem wannte mancher oft den größten Theil seines Vermögens dran, sich im Himmel wie – in in einem Stifte einzukaufen. Summen wurden verwannt, um Klöster zu bauen, um eine Armee müßiger Mönche zu mästen, und manche von ewiger Verdammniß, oder doch vom Fegefeuer wie ein armes Reh gehetzte Seele, wurde so lange geängstiget, bis sie mit Vermächtnissen für Klöster und Seelmessenlesende Priester herausrückte. Jahrhunderte hindurch, war es ein unverletzlicher Glaubensartikel, daß reiche Sünder die auf solche Weise ihre Erlösung bezahlen konnten, früher in die schöne Wohnungen des Himmels eingehen würden als – arme ehrliche Leute die keine Messe bezahlen können. So rasend dieser Grundsatz der römischen Kirche und so groß sein Alterthum ist; so sehr ist der Beweiß, daß ein von Priestern eingepflanzter Glaube alt und eißgrau seyn kann, ohne darum im geringsten wahrer oder minder thörigt und streitend mit gesunden menschlichen Begriffen zu seyn. Aber nur so lange war diese Lehre vom Fegfeuer und Seelmessen selbst bey Leuten von Erziehung ein Heiligthum, als Inquisition, und Bücherverbote Aufklärung verhinderten. Kaum fingen Leute von Stande an Schriften zu lesen, in welchen die gesunde Vernunft siegend über Vorurtheil, Aberglauben und – Geldschneidereyen kirchlicher Gaukelspieler, Licht und Wahrheit verbreitete; so gingen Tausenden die Augen auf – das Klosterbauen nahm mächtiglich ab, und der Ertrag der Seelmessen ward von Zeit zu Zeit magerer. Die Vertheidiger verehrter Possen haben wohl recht, wenn sie mit Eifer und Heftigkeit gegen alle dergleichen Schriften schreyen – wodurch Licht in die Behausung systematischer Thorheiten gebracht wird, denn nur Wahrheit kann das Licht vertragen, aber die Gespenster verschwinden, sobald der Tag anbricht. Sultan. Was man sich sonst unter diesen Namen dachte, war ein Völkerbezwinger, ein Eroberer, der wie ein reißen-Strom Länder überschwemmte, feste Städte einnahm, und mit wilder Tapferkeit das Schrecken entfernter Staaten wurde, während er seine innre Macht durch Strenge und Einrichtung kriegerischer Schulen befestigte. Dieser Begrif ist verlohren gegangen, ist nur noch in Geschichten des Türkischen Reichs anzutreffen – heutiges Tages, gedenkt man sich unter den Namen Sultan einen weibischen Beherrscher eines zahlreichen Serails, der in Weichlichkeit und Wollust sein Pflanzenleben hinbringt, und Despotenmacht über Sklaven ausübt, die ihren Hals ohne Urtel und Recht auf seinem bloßen Wink darreichen müssen. Beyde Begriffe von Sultan geben ein ganz treffendes Bild von Staaten-Veränderung ab, so wie solche das römische Reich und – viele andere in gleichermasse erfahren haben. Tapferkeit Staatsklugheit der Helden, legten von jeher den Grund zu großen Reichen – aber wenn das Regiment in den Armen der Schwelgerey der Weichlichkeit und Wollust ruht, denn gehts wieder ans sinken und die furchtbarste Macht wird das Gespötte der Nachbarn, nur im Innern des Staats bleibt der Schatten der Gewalt – Herrschaft artet in Despoterey aus, und der weibische Beherrscher des Serails, wüthet als Tyrann in den Eingeweiden des Staats – durch Befehle zum Hinrichten, indem er Niederlagen seiner Armeen vernimmt, fremde Mächte mit prächtigem Ceremoniel ihm Gesetze vorschreiben, und er selbst trunken von leeren Complimenten, von der Unterwürfigkeit seiner kriechenden Sklaven, und von den Umarmungen seiner Weiber, all die Demüthigungen vergißt, derentwegen er in den Augen der ganzen Welt zu der Zahl der schwachen Fürsten gerechnet wird, von welchen schon ein alter Prophet sagt: wehe dem Lande, dessen Fürst ein Kind ist. – Er kann Länderverluste ertragen, aber als Sultan würde es ihm nicht geziemen, einen geradeaufstehenden Menschen vor sich zu dulden – der über wahre Größen andern Begriffe äußerte, als sie ein Sultan hat und im Staube kriechende Sklaven – – Schwur – Eidschwur, gehört offenbar zu den höchstschädlichen rechtlichen Charlatanerien und wird bloß wie Alexanders Schwerdt aus Noth gebraucht, solche Knoten zu zerhauen, zu deren gehörigen Auflösung man die Mittel nicht kennt. Jede Eidesleistung ist eine feyerliche Renunziation auf Seelenwohl in dieser und der zukünftigen Welt – eine Entsagung auf Gottes-Leitung unserer Schicksale in diesem Leben – folglich eine ganz unbefugte Vorschrift, durch welche man die Direktion der Dinge in den Händen des obersten Weltbeherrschers beschränken, und den Ausfluß der ewigen Güte auf einen andern Weg fern von sich ableiten will. – Jeder Eid ist fürchterlich-leichtsinnige Verzichtleistung auf die Erwartungen künftiger Glückseeligkeiten, die Niemand kennt und die jedem sterblichen Auge verschlossen sind – auf welche kein abhängiges Geschöpf ein Eigenthumsrecht hat, mithin auch keine Befugniß darüber zu dissponiren und lächerlicher weise einer Sache zu entsagen die ihm nicht gehört. Den Eidschwur aus diesem Gesichtspunct betrachtet, ist er Unsinn und Frevel bey dem, der ihn in diesem Verstande ablegt – und bey dem, der darauf rechnet – ist er der äußerste Grad von menschlicher Thorheit. Welcher Mensch wird so Thor seyn, die Hypothek auf Güter im Monde anzunehmen oder auf eine Erbschaft über welche noch nicht testirt ist. Und wer ist berechtiget eine Erbschaft zu verpfänden oder Verzicht drauf zu leisten, die er nur aus bloßer Gnade und freyer Disposition zu erhalten hoffen darf. Verfassungsmäßig und nach den Gesetzen einen Eid, welcherley Art er seyn mag, ablegen zu müssen, ist Nothzwang der Seele, seine Ehrlichkeit und Wahrheit an eine Formel zu binden, deren Sinn eine vorgreiffende Ursurpation höherer Gerechtsahme in sich faßt. – Der ehrliche Mann wird auch ohne Eid recht reden und recht handeln – wer nicht anders als durch Schwüre gebunden wahr und treu ist; der wandelt in Ketten von Chimeren, indem er Kostbarkeiten verpfändet, die nicht sein sind. Derjenige aber, der an sich selbst weder Treu noch Glauben kennt; wird durch Eidschwüre nicht um ein Haar zuverlässiger werden. Die Gesellschaft der Oväcker beweiset, daß ein Staat bestehen und Recht und Gerechtigkeit ausgeübt werden könne – auch ohne Eidschwüre. So wie die Sachen vor uns liegen, giebt es die Erfahrung, daß durch den gewiß zu leichtsinnigen Gebrauch der Eidschwüre nichts gewonnen wird, wohl aber überaus viel Ungerechtigkeit den Schutz der Gesetze gewinnt. Der Eid nimmt Bezug auf kirchliche Religion, nach deren Maaßgabe die Formel der Ablegung eingerichtet ist. Ein großer Theil der jetzt lebenden Menschen hält nichts von der kirchlichen Religion in welcher er gebohren ist. Der Christ selbst nach neuern Lehrsätzen christlicher Theologen, hat oft eine so eingeschränkte Vorstellungsart von der Erlösung des versöhnenden Mittlers, daß nach den alten Begriffen, worauf die Eidesformel sich gründet, nichts von Erlösung und nichts von Versöhnung übrig bleibt als Worte ohne Sinn – Im Grunde glaubt er den Grund nicht worauf er schwört, was kann sein Eid selbst für einen Wehrt haben? Der neuere Jude schwört auf den Fluch Moses den er für einen klugen Gesetzgeber hält – ohne den Fluch von Sinai zu fürchten. – – Bey dem erstaunlich gesunkenen Credit, da man kaum auf einen Wechsel mehr trauet, der doch mit den Landreuter in einer weit nähern Verwandschaft steht als der Jude mit dem Rauch und feuerspeienden Berge Sinai; trauet man noch auf einen Juden-Eid – der eben so viel bedeutet, als wenn jemand der keinen Teufel glaubt; seine Seele dem Teufel zur Verwahrung anbiethet. Nehmen wir aber von allen Religionen solche Menschen, die auf der Religion ihrer Kirche halten; so wird sich finden, daß der Eid nicht im mindesten mehr gewinnt, denn da hat ein jeder sein Schlupfloch, worin er sich gegen die Seelen-Gefahr, die aus den Meineid herfließt, zu verstecken sucht. Der Christ hat ein für allemal das Mittel der Versöhnung, und eines für alle seine Sünden geleisteten Lösegeldes, und verläßt sich auf der späten Buße des Schächers, wodurch er ein ganzes langes Leben voller Schurkereyen in einem einzigen Augenblicke wieder gut zu machen, sich einbildet – Der Catholische Christ vollends, müßte keine absolvirende Pfaffen, keinen Ablaß vor Geld mehr bekommen können, wenn mit einem abgelegten Meineid er jemals in Verlegenheit kommen sollte. Der in seinem Glauben oft spekulirende Jude, hält den Sabbath für das heiligste Gesetz, und doch erlaubt er sich ihn zu brechen, wenns auf Rettung seiner selbst, oder anderer seiner Glaubensgenossen einmal ankommen sollte. Den Meineid hält er nicht für so sträflich als die Entheiligung des Sabbaths, hält ihn vielleicht gar für ein gutes Werk, wenn er dadurch seinen Bruder oder Schwager aus den Händen des Fiskals loßmachen und bey seinen Schutzrechte konserviren kann. Wenns bey einem Reinigungseid darauf ankömmt, ob jemand durch einen falschen Eid den Fluch vom Himmel herabrufen oder durch Bekenntniß eines Verbrechens sich der draufstehenden Strafe unterwerfen soll; so dürften wohl die meisten mit David bey einer eben so kritischen Wahl sagen: Ich will lieber in die Hände des Herrn fallen, denn seine Barmherzigkeit ist sehr groß – ich will nicht in der Menschen Hände fallen. Aus diesem Grunde arbeiteten weiland die Advokaten, wenn sie eine schlimme Sache zu vertheidigen hatten, nur auf den Reinigungs-Eid – und sprichwörtlich hieß es von manchen: Wenn nur auf den Eid erkannt wird; so ist der Inkulpat geholfen. Um den Werth des Reinigungs-Eides zu bestimmen, dürften sämmtliche Gerichtshöfe und Justitz- Collegia uns die einzige Frage aus ihren Registraturen beantworten: Ob jemals der Fall vorgekommen ist, daß jemand den Reinigungs-Eid von sich abgelehnt hat, wenn er sich dadurch vom Galgen oder von der Festung frey machen konnte, in solchen Fällen nehmlich wo keine Loßkaufung durch Geld möglich war? Eine Ehrensäule, zwiefach so schön als die vom Großkanzler Cocceji verdiente der Gesetzgeber, welcher die ganze Charlatanerie der Eidschwüre auf ewig verbannte – die Wahrheit würde darum nicht mehr verliehren – und wenn der Richter auch oft nur nach den möglichsten Graden der Wahrscheinlichkeit urtheilen müßte. Spanien – die Residenz politischer und religiöser Charlatanerien – davon merkwürdige Anekdoten im Anhange dieses Abschnitts, um das ganze Werk aller Charlatanerien zu krönen. Talent und Genie sind vortrefliche Geschenke der Natur, welche in ihren eigentlichen hohen Sinn genommen, nicht einem jeden zu Theil werden, der davon spricht. Beydes indessen sind solche Modeeigenschaften, um welche ein jeder buhlt der sich von dem gewöhnlichen Menschen, gern auszeichnen möchte. Aber diese beyde angebeteten Götzen des heutigen Zeitalters, bringen besonders unter den Schriftstellern ganz unglückliche und lächerliche Nachahmungen zu wege. Die Seltenheit eines einzigen empfindsamen Talents, welches einem Sterne angebohren wurde, zog nachempfindlende Affen bey hunderten hinter ihm her – Das Talent angenehm zu tändlen und auf gut teutsch zu anakreonisiren, gebahr eine unzählbare Menge kleiner Gleimchens, welche wie Küchelchens hinter der Henne herpiepen, dem einzigen Gleim nachsingen wolten. Voltairens eigenes Talent theoretischer und praktischer Irrthümer zu spotten, die schon lange vor ihm größere Köpfe mit tiefforschender Vernunft als Irrthümer erwiesen hatten; erweckte eine Anzahl kleiner Nachspöttler, welche den armseeligen Versuch wagten, Dinge lächerlich zu machen, die noch viel zu viel Autorität vor sich haben, um bloß mit Witz dagegen zu Felde zu ziehen. Klopstock trat als Genie auf und schuf neue Welten aus einem alten Chaos, sein Sinn in der Composition und im Ausdruck war schwer zu fassen und – was nun Genie von seiner Gattung sein wollte, sprach verstandloses Galimatias, und glaubte in unbegreiflichem Dunkel gehüllter Unsinn müsse ächtes Produkt eines neuschaffenden Genies seyn. Götens Genie in ganz natürlicher Abbildung des altteutschen Kostume, und eines schwärmerischen Ingolstädschen an einen Gesandschafts-Sekretair applicirt, nahm alles – auch die unmanierlichen Sitten des von ihm kopirten Zeitalters mit, um volles Leben in seinen Gemählden zu bringen – aber seines Genies Nachahmer zogen im Angesicht des ehrbaren Publikums die Hosen ab, machten alles öffentlich und sprachen von Sch. *** Kerls, um mit dem Abdruck von Götens Genie, welches sie nun völlig sich eigen gemacht zu haben glaubten, sich zu brüsten. Bloß aus dem Lerm den man heutiges Tages mit dem Worten Talent und Genie macht, glaubt man beydes überall zu finden – – Keime davon mögen in größerer Menge da seyn, aber wenige werden angebaut und noch weniger kommen zur Reiffe, das eine wie das andere ist höchst selten, und wo es ist – da wirds von der Dummheit eingebildeter klugen Leute überwuchert oder unter die Füße getreten. Theater – da stellen Akteurs und Aktrizen Personen vor, die sie nicht kennen – sprechen von Staats- und Regierungsgeschäften ohne sie zu verstehen, machen Richter und Räthe, ohne von Gesetzen, Rechten und Landes-Intereße Begriffe zu haben, agiren Doktoren ohne eine Katze kuriren zu können, sterben vor Liebe – nun! das Studium der Liebe mag bey dem einen oder dem andern noch eher zum eigenthümilchen Metier gehören – aber im Grunde spielt jedes fremde Rollen, und Niemand ist das würklich was er vorstellt. Das Theater gerade aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, ist wahres Gemählde der Welt. Auf dieser großen Schaubühne sehen wir Fürsten die nicht regieren, auch nicht zu regieren Kraft haben, mitunter Justizmänner – und keine Rechtspflege, manche Finanziers ohne Uebersehungskraft das Ganze gegen die kleinsten Theile zu qvadriren, Räthe ohne Rath, Aerzte welche die Grimmasse der Heilungskunst so natürlich machen wie der vollkommenste Commediant, ohne mehr zu thun als der Natur ihre Kräfte entziehen, durch welche ohne Arzt, sie sich selbst würde geholfen haben, und – Geistliche welche die christliche Religion mit eben dem eindrucksvollem Feuer predigen, wie Voltairens Lusignan sie der Zaire predigte ohne ein Wort davon zu glauben – und solchergestalt ist die Welt, wo wir nur hinsehen, nicht bloß darum eine wahre Schaubühne, weil all die Handlungen in derselben wirklich geschehen, die auf dem Theater nur durch die mahlerische Nachahmungskunst vorgestellt werden, sondern auch um deswillen, weil Menschen in der Welt oft sehr oft das nicht sind was sie bloß vorstellen oder vorzustellen versuchen – – Bisweilen ists noch schlimmer. Viele in der Welt agirende Personen sind gar nur Marionetten, deren Aktionen von einem andern regiert werden, und mancher große Mann, spielt vor unsern Augen eine wichtige Rolle, nach Maasgabe des hinter der Bühne versteckten Sekretairs der die Handlungsgeschicklichkeit besitzt, mit welcher die in sich selbst ganz wirkungslose hölzerne Puppe vor den Augen der Zuschauer Parade macht. Titel. Damit verhält sich's nicht anders wie im vorigen Artikel – mit den Rollen, die dem einen oder dem andern Schein, ohne Realitäten geben – Titel sind indessen eine Art von Galanteriewaare, wo im Grunde nichts dahinter ist, aber oft ein einträglicheres Regale ausmachen, als unergiebige Bergwerksmienen die wenig, und oft nicht einmal brauchbares Erzt ausliefern. Die Titelfabrik kostet dem Landesherrn nichts, bringt aber viel ein – wie an manchen kleinen Höfen Ordensbänder dem armen verschuldeten Fürsten eine Goldqvelle werden, die von der über ihn schwebenden Credit-Commission nicht in Anspruch genommen wird. Man will Exempel haben, daß schon Fleischer-Rechnungen mit Ordensbänder bezahlt worden sind, weil sie immer den Werth des Goldes haben, auch gewiß ihre Käufer und Liebhaber finden. Thurm – zu Babel würde ein sehr hübsches Gebäude geworden sind, wenn die verzweifelte Sprachverwirrung nicht dazwischen gekommen wäre die dem Dinge auf einmal ein Ende machte und es hinderte, daß dieser Thurm nicht ganz die Höhe des Himmels erreichte. Die Rudera davon sollen noch zu sehen seyn und Reisende haben die Welt mit Abzeichnungen versehen, welche die übrig gebliebene Ruinen überaus schön vorstellen. Treue, Weibertreue, hat heut zu Tage den Credit eines ehrlichen Gesichts worauf sich im vorigen Jahrhundert schon noch was borgen ließ. Dermalen spricht alles von Hypothek, weil selbst auf Brief und Siegel nicht mehr so viel gebaut wird, wie ehedem aufs bloße Wort. Im gleichem Verhältniß steht: Tugend und Unschuld, welche, wie viele davor halten, der Vogel Phönix der Alten seyn soll – der seinen Flug nach andern Regionen genommen hat, und unter uns nur noch in alten Geschichten existirt. Bey den alten Teutschen wurde ein teutsches Weib die ihre Tugend verleugnet, und ihrem Manne eine Untreue begangen hatte, nackend durchs ganze Dorf gepeitscht. In unserm sanftern Zeitalter wird um solcher Kleinigkeiten willen an kein auspeitschen aus den besten Gesellschaften mehr gedacht, um der Forsten zu schonen, die sonst auf eine ungeheure Weise ruiniret werden würden. Unheil. Darüber schreyhet zu allen Zeiten die Klerisey, und alles was derselben mit treuer Schwärmerey anhängt wenn die freye Vernunft es wagt, mit der Fackel der Wahrheit ihren in heiliges Dunkel gehüllten Spähren zu nahe zu treten. – – Sind's große mächtige regierende Herren, welche dieses inviolabile noli me tangere antasten, und durch weise Verfügungen die Macht der Finsterniß zerbrechen; – so erhebt sich das Geschrey zwar nicht laut, gegen Beherrscher deren Stärke auf sicherern Gründen beruhet, als auf die alten Erfindungen der Wahrsager, der Zeichendeuter und dunkler Orakelsprüche bezahlter Priester – aber ein abergläubiges Volk murrt in Geheim, Priester bereiten Gift, erkaufen Ravaillaks und Damiens, und der Pöbel erwartet nur den Wink der Kirche, um in Mäuterey und Aufruhr auszubrechen, und, nach der Sprache dieser Schwärmer, dem Unheil zu steuren, und das entweihte Heiligthum durch Blut, wider Gott, angenehm zu machen. Die weisesten Monarchen haben um deswillen sich immer gehütet in das allergefährlichste Wespennest zu stöhren – oft gaben sie der Uebermacht der Kirche nach, um bey ihren Reichen und Staaten befestigt zu werden. – – Der alte König Saul bath den Samuel tausendmal um Vergebung, als er diesen, rachsüchtigen Propheten böse gemacht hatte. – David folgte seinem Temperamente in der Weiberliebe so lange Athem in ihm war, aber wenn sein Hofprediger Nathan mit seinem furchtbaren unglückweissagenden Propheten- Amte erschien, ihm den Kopf zu waschen; so kroch er zu Kreutze. Kaiser und Könige demüthigten sich Jahrhunderte lang unter den Bannsprüchen der Päpste – der eine ließ sich auf den Nacken treten, der andere stand Schildwacht mit blossen Füßen unter dem Fenster indem Seiner Heiligkeit mit ihrer Maitresse sich im warmen Zimmer amüsirten – Heinrich der vierte ging in die Messe und unterwarf sich der Absolution von der schweren Sünde; so lange das Gnadengeschenk des Glaubens an den Glauben der Kirche entbehrt zu haben – Carl der III. König von Spanien erweckte die heilige Inquisition zum neuen Leben, um durch diese Schutzgöttin seines Trohns, gegen Aufruhr desto mehr gesichert zu seyn – in einem Lande wo die Geistlichkeit alles in allem ist. – – Viele Monarchen haben indessen den priesterlichen Vorwurf daß sie Unheil in der Kirche stifteten und Menschenverstand begünstigten nicht so gar sehr zu Herzen genommen – Peter der Große verband die höchste Bischöfliche Würde mit dem Kaiserlichen Thron, um sich den Weg zu bahnen ein Wort mitsprechen zu dürfen, seine gleich große Nachfolgerin die weise Catherine, hält die Priesterschaft in großen Ehren, gonnt ihnen gern ihre heilige Ruhe und belästiget sie nicht mit der Einmischung in Staatssachen – stiftet aber Seminarien worin die Zöglinge der Kirche, Sprachen lernen müssen – – um allenfalls die Schriften eines Baile, Voltaire, Alamberts zu verstehen, wenn sie in der ihnen offenen Bibliothek diese Vernunft erweckende Werke von ohngefehr einmal in die Hände nehmen sollten – – Der König von Preussen läßt den Kirchen seines Landes alle Freyheit zu glauben und zu singen – und gebietet nur Ruhe – Der jetzige Kaiser ahmt ihm nach – aber ob die Klerisey im katholischen Landen über die Neuerung dieser Toleranz nicht wie über das größte Unheil in der Kirche schreyhen wird; das dürfte sich bald näher ausweisen. Die protestantische Geistlichkeit kann Geistesfreyheit noch nicht einmal verdauen, geschweige denn die Römische. Jener Text über Unheil zu predigen ist noch bis jetzt der alltägliche – – Geschieht das am grünen Holz was will am dürren werden? Urtel und Recht. Ob das alles der Gerechtigkeit und der Billigkeit so ganz und in jedem einzelnen Fall angemessen ist, was nach Urtel und Recht erstritten oder abgestritten wird, darüber will ich mich hier nun nicht weiter einlassen – auch habe ich mich darüber schon anderweitig erklärt. Der Richter hat nicht die Erlaubniß nach seiner Einsicht, nach seiner Ueberzeugung und Redlichkeit seines Herzens zu judiziren, sondern oft wider seine Ueberzeugung – muß er nach den Gesetzen für recht erkennen was in sich selbst das größte Unrecht ist. Der Richter muß das aus Vorschrift und aus Zwang der Gesetze thun, was der Arzt freywillig thut, wenn er seine Patienten methodize behandelt und sie auf Zeitlebens um ihre Gesundheit bringt – – aber die Gesetze verliehren nie mehr, auf der Waage der unpartheyischen Vernunft als wenn nach Urtel und Recht Menschen über Menschen das Todes Urtheil sprechen. Auf geoffenbarte Gesetze welche zum Tode verdammen, will ich mich hier nicht einlassen – Es heist sonst auch in der bey uns geltenden Offenbahrung; Gott lässet die Menschen sterben. Ihm dem Herrn über Leben und Tod stehet es zu, das Ziel des menschlichen Lebens zu stecken aber von Menschen, und von den ersten Monarchen der Erden, ists bloß hergebrachter Eingrif in die höchste Gerichtsbarkeit Gottes mit kaltem Blute, durch ein rechtliches Verfahren einen Menschen zum gewaltsamen Tode zu verdammen, und die Gerechtsame der freyen Vernunft können dieser Usurpation, Gründe und dringende Vorstellungen entgegen setzen, um wenns möglich wäre, diese Ueberbleibsel alter barbarischer Regierungsmaximen aus der Welt zu schaffen. Nur in dem einzigen Fall kann nach dem Naturrecht dem Menschen das Recht zustehen einen Menschen zu tödten, wenn gegen einen Mörder gegen den Räuber der Ehre oder seiner Güter kein anderes Mittel statt findet sein Leben seine Ehre oder sein Eigenthum zu erhalten. In diesen Fällen ist sich jeder selbst der nächste – Wenn jemand an gefallen wird und er kann sich gegen seinen Angreiffer anders nicht schützen als in so fern dieser das Opfer einer geschwinden Nothwehr wird; so haben göttliche und menschliche Rechte nichts dagegen einzuwenden – Wenn die weibliche Tugend und die Ehre des Geschlechts durch Nothzwang angegriffen wird; so darf die Vertheidigung ganz auf Unkosten des Ehrenräubers gehen und es kömmt nicht drauf an; ob er sein Leben drüber einbüßt. Wenn beym gewaltsamen Einbruch in ein fremdes Haus, der Räuber zum Fenster hinaus transportirt wird, daß er den Hals den er auf eigene Gefahr wagte bricht; so hat das nur der zu verantworten der aus freyem Willen sein Leben aufs Spiel setzte. Aber ohne Noth mit bedachtem kaltem Muth gegen Gesetze, oder auch nach Maaßgabe der Gesetze ums Leben zu bringen, ist gleich Unrecht. Die Sicherheit der menschlichen Gesellschaft erfordert es, das Leben der Glieder des Staats zu schützen und keine Mörder zu dulden; aber diese Sicherheit, gewinnt nichts durch die Hinrichtung des Mörders. Fast möchte man sagen, daß jede feyerliche Hinrichtung nach Urtel und Recht, eine Saat ist, aus welcher neue Mörder hervorwachsen. Der Anschein eines erbaulichen Endes auf dem Richtplatz, hat schon manchen in die frommen Raserey versetzet, hinzugehen und den ersten besten Unschuldigen zu ermorden, um sich zu einem eben so seeligen Ende auf dem Eschafot zu qualifiziren. Die Gesetze welche Todesstrafen diktiren, veranlassen oft, sehr oft, solche Verbrechen wodurch das Leben verwirkt wird. So mancher Unglückliche, der seines Lebens überdrüßig ist, tödtet aus keiner andern Ursach, als auf eine rechtliche Weise wieder getödtet zu werden und von der Welt zu kommen. Beym Militair, wo tödliche Widersetzung gegen seinen Obern, unausbleiblich die Todesstrafe nach sich zieht; sind es schlechterdings nur die Lebensmüden, die sich dieses Verbrechens schuldig machen, und wir haben die Beyspiele, daß solche Missethäter, denen ewiges Gefängniß zuerkannt worden ist, darauf bestanden haben; ihnen ihr Recht nach den Gesetzen zu thun, und sie auf den Richtplatz zu führen. Diese Art von Verbrecher sind nichts mehr als Selbstmörder, die bloß deshalb gegen solche Gesetze sich auflehnen, worauf der Todt steht, weil sie sterben wollen und nicht den Muth haben, durch ihre eigene Hand zu sterben. Diese Umstände erwogen, befördern Todesgesetze die Verbrechen welche sie ausrotten sollen, und sind folglich eben so Staaten verderblich als in sich selbst unrecht. Der Zweck der Gesetze, ist bloß die menschliche Gesellschaft in Sicherheit zu setzen, daß solche durch keinerley Art von Verbrechen – auch nicht durch Angrif auf das Leben des Menschen gestöret werde. – Dazu wird mehr nicht erfordert, als die schädlichen Glieder aus der Gesellschaft der Ruhe und der Sicherheit zu entfernen, sie außer Stand zu setzen, fernerweischädlich zu seyn – sie selbst zu zwingen, auch im ewigem Gefängniß, durch Arbeit dem Staat noch zu nutzen – zur nachdrücklichern Warnung anderer aber, zweckmäßigere Mittel als Todesstrafen zu wählen, und sollts auch das seyn, daß die ruchlosesten Verbrecher, die selbst in ihrem harten Gefängniß nicht Spuren der Besserung geben, zu gewissen Zeiten öffentlich mit wiederholter Bekanntmachung ihrer Uebelthaten, durch die Straßen geführet, und vor den Augen des Volks mit Ruthenstreichen bestraft würden. – Sicherlich würden diese Mittel auf die Herzen Verbrechensfähiger Menschen, kräftiger wirken, als alle gesetzliche Morthaten, die manchem Wohlthaten sind, welche zu verdienen, er Thaten unternimmt, für welche er ohne den Preis der erwünschten Hinrichtung, durch Urtel und Recht, schaudern würde. – Und wann dann Volkslehrer, anstatt von der Hölle zu reden, die sie nie gesehen haben, die Gefängnisse der Verbrecher besuchten, und ein lebhaftes Gemählde von dem verdienten Elend dieser abgeschnittenen faulen schädlichen Gliedern der Gesellschaft, ihren Zuhörern vorstellten; so würde der Zweck dem Morden, und jedem Unfug zu steuren, weit mehr erreicht werden, als jetzt durch erbauliche Todesstrafen derer, die nichts als den Todt wünschen. Urtel und Recht im kirchlichen Verstande genommen, wenn ein geistlicher Monarch nach Gesetzen das Recht spricht; ist die schlimmste Art von willkührlicher Tyranney, nicht bloß – über die Gewissen und über die Bestimmung des Schicksals unserer armen Seelen, sondern auch im Bezugnehmung auf gesellschaftliche Verhältnisse. Die Urtheilssprüche weltlicher Richter sind Gelindigkeit gegen die Strafurtheile der lieben Kirche und ihrer Priester. Die ersten schänden nicht, wenn die strafbare Thaten nicht an sich selbst schändlich sind, und Bestrafungen weltlicher Richter setzen nicht in dem Grade aus Geschäften und aus weltlichen Verhältnissen heraus, wie die Strafen mit welchen Priester ehrliche Leute als Sünder brandmarken. Wenn weiland der Pabst strafte und selbst Fürsten in den Bann that; so wurden sie so fort von Land und Leuten verlassen, als Scheusale betrachtet, ausgeschloßen aus aller menschlichen Gesellschaft und wer sie tödtete der meinte er thäte Gott einen Dienst daran – Wenn der Pabst so einen armen Verbanneten wieder zu Gnaden annahm, und ihm die Versöhnung der liebreichen Mutter Kirche wieder angedeyen lassen wollte; so mußte der arme Sünder mittelst öffentlicher Kirchenbuße sich Demüthigungen unterwerfen – ärger wie ein Schulknabe unter der Souverainete eines pedantischen Hosenpauckers – mußte Barfuß auf allen vieren kriechen, zum Specktakle in der Kirche absurde Bußübungen vornehmen, und Geldstrafe oben drein geben. Die grausamen Proceduren der Inqvisition verdammen nicht nur unter Gesang und Gebet zum Scheiterhaufen, sondern treiben noch Possen dazu – lassen den armen Sündern, die nichts gethan haben, als das Mißfallen der Priester durch Lumpereyen, meist unwissender Weise auf sich zu laden; ein San benito anziehen, Papiermützen mit Teufelskrallen und Feuerflammen bemahlt aufsetzen und diese Würde affektirende Pfaffen agiren so kindisch wie in Dorfschulen, ein läppischer Präzeptor der seinen Bauerjungen erst den Hintern aushauen, sie dann auf Erbsen knien und die Ceremonie vollständig zu machen, ihnen einen Esel hinten und vorn anhängen läßt. – – In den Klöstern ist es nichts neues, das im Eßzimmer ein ehrwürdiger Pater, der so unvernünftig war einen vernünftigen Gedanken, sich entfahren zu lassen, auf der Erde sitzen, aus einem hölzernen Napf Krüllerbsen eßen und so im Staub und in der Asche Buße thun zu sehen – Eine große Gnade! in Vergleichung mit den schweren Klosterftrafen lebendig begraben, und in vier Mauren eingeschlossen zu werden, um bey lebendigen Leibe, in seinem eigenen Unrath zu verfaulen. Dis sind die abscheulichen Charlatanerien der geistlichen Gerichtsbarkeit, welche nach Urtel und Recht von den Capitularen ganz Collegialisch ausgeübt werden. Unter den Protestanten ist diese geistliche Gerichtsbarkeit zur Ehre der Vernunft ziemlich aufgehoben – Nur in Sachsen findet noch Kirchenbuße statt. – – Die heßlichsten Laster des Lügens der Undankbarkeit und des Geizes läßt man zwar straffrey, aber wer unglücklicher Weise sein Geschlecht vermehret hat, ohne den priesterlichen Konsens dazu erhalten zu haben; muß noch bis diese Stunde, in einem besondern armen Sünder Stuhl sich öffentlich der Gemeinde darstellen und sich beschauen lassen – wenn der Priester am Schluß der Predigt das Gebet für den anwesenden bußfertigen armen Sünder abließt und ihm so öffentlich das sechste Gebot in Erinnerung bringt. Dieses Stück der geistlichen Gerichtsbarkeit, giebt indessen zu manchen Scherz Anlaß; man erzählt von einem sächsischen Edelmann, daß er durch das offenherzige Bekenntnis eines Mädchens, auch zu der Ehre gelangte, in den Armensünderstuhl von seinem Superintendenten hinein gewiesen zu werden. Der Stuhl war dichte an der Thüre. Ein fremder Mann trat in der Kirche und blieb stehen – der bußfertige Edelmann nöthigte ihn bey sich herein, und er selbst drückte sich sitzend im Winkel. – Beym Verlesen des Gebets, richtete die ganze Gemeinde die Augen auf den Fremden im Armensünderstuhl – was bedeutet das, frug er dem Edelmann, daß mich alle Bauren auf einmal so so scharf ins Auge fassen? Sie haben unschuldiger Weise für mich Kirchenbuße gethan, sagte der Edelmann, der Prediger meinte mich, mit seinem eben verlesenen Bußgebet, weil mich aber Niemand sah, indem ich meine Andacht sitzend und niedergebückt verrichtete, und sie in diesem Bußstuhl aufrecht standen; so glaubt die Gemeinde, daß sie bey einem Mädchen geschlafen haben. – Kann wohl seyn, erwiederte der Fremde, aber die Buße hatte ich nicht der Sünde, sondern ihrer gütigen Einladung zu danken. Er empfahl sich dem Edelmann, schüttelte den Staub von seinen Füßen und dachte bey sich selbst: wenn man alle die Orte vermeiden soll, wo man beschimpfet werden kann; so müßen das vorzüglich auch die sächsischen Kirchen seyn. Wo die Macht der Geistlichen nicht völlig – selbst in dem sonst üblichen Abkanzeln, durch die weltliche Obrigkeit aufgehoben ist; da findet man noch immer Spuren von der alten Kirchen-Tyranney – Reliquien von Bann und Bußen, die auf öffentliche Prostitution hinauslaufen, um durch die Erfindungen des Priesterthums solche Demüthigungen zu bewirken, die mit einer aufrichtigen Reue, unmöglich bestehen können. In den Preußischen Staaten hat nur der Oberste Priester in der Synagoge, oder der Rabbi, mit den Aeltesten welche die Gemeine vorstellen, noch eine Art von kirchlicher Gewalt, in Absicht derer Ritus und Ceremonien – welche aber doch bisweilen auf Dinge extendirt werden, die offenbar zu den Ritus nicht gehören. Zwar zur Verbannung darf der Rabbi hier nicht greifen, aber er kann von der weltlichen Obrigkeit Nachdruck, und exekutivische Mittel erhalten, wenn seine Gemeinde Glieder nicht Ordre pariren wollen, und diese können bisweilen erschlichen werden, wenn es nicht auf Ritus, sondern selbst auf Contributions-Ausschreibungen ankömmt, die mit dem Ceremonial-Gottesdienst in keiner Verbindung stehen. Die Beyträge zu Armenanstalten z.B. müssen nach der gesunden Vernunft freywillige Beyträge seyn – keine stimmte Kontribution, welche Leuten von Vermögen und Freygebigkeit als ein Grundzins kann abgepreßt werden, und doch hat man Exempel, daß zur Ehre des kirchlichen Ansehns – ihrer Natur nach, freywillige Beysteuern wie eine Landesherrliche Contribution sind beygetrieben worden, – in einem Lande wo niemand als der Landesherr selbst berechtiget ist, Auflagen zu machen, oder – zu authorisiren. Aber, über alle Grenzen findet man die Ausschweifungen der Kirchen-Tyranney bey dieser Nation noch in andern Ländern wo nach Prerogativen aus dem Zeitalter der Dunkelheit und des Unsinns – das volle Pabstthum in der Synagoge ausgeübt wird. Zum gar auffallenden Beyspiel, dienet die unbeschränkte Gewalt des Hohenpriesters zu Altona, der mit unsinnigem stolzen Eigensinn in der jüdischen Kirche, das wirklich ist, was sein College der Hauptpastor Götz in dem hart dabey liegenden Hamburg vor sein Leben gern seyn mögte. Beyde Päbste in zwey verschiedenen Kirchen scheinen von einem und eben denselben Geiste belebt – Götze donnert mit seinen Anathema in der protestantischen Kirche und sein Freund der Oberste Rabbi in Altona exkommunizirt wirklich und belegt in seinem Distrikt die größten Negozianten seiner Nation mit dem Bann. – Dadurch daß Niemand mit einem Verbanneten die geringsten Geschäfte machen darf; zwingt er denkende und vermögende Männer sich vor ihm zu demüthigen, öffentlich in der Sinagoge mit niedergeschlagenen Huth und mit niedergetretenen Schuen büßende Poßen zu machen, um durch erduldete Beschimpfung sich wieder zu heiligen – – – Wann? Wann werden alle Fürsten Europens von einem Geist des richtigen Gefühls ihrer alleinigen irrdischen Oberherrschaft belebt, der Kirchentyranney überall ein Ende machen? wann werden sie aufhören ihre Unterthanen von Päbsten unterjochen, von Großinqvisitoren peinigen, von Priestern Bußen diktiren und selbst von Rabbinen durch Bannsprüche weltliche Geschäfte, welche die Seele der Staaten ausmachen stören zu lassen! Wallis, Kaiserlich-Königlicher General, der sich bey Neustadt in Schlesien, auf die rümlichste Weise als der neuere Herostrat bekannt gemacht hat. Der alte Herostraat, zündete bekanntermaaßen, den berühmten Tempel der Göttin Diana zu Ephesus an, nach seinem eigenen Geständniß aus keiner andern Ursach, als um sich einen unsterblichen Namen zu machen. Da Herostrat den großen Werth des Ruhms kannte seinen Namen in der Geschichte verewigt zu sehen, und gerade kein ander Mittel wußte, sich einen Zutritt in dem Tempel der Unsterblichkeit zu verschaffen; so war es ihm nicht zu verdenken, aus einem so edlen Grunde zu thun – was er konnte, und es war seine Schuld nicht, daß die Natur ihm nicht höhere Talente verliehen hatte, um – durch wirklich hervorstechende Verdienst, unsterblich zu werden. Der General Wallis von gleich edlen Gesinnungen belebt, rückte mit 30000 Mann vor Neustadt. Er war zu vorsichtig, seinen Ruhm aufs Spiel zu setzen, und den zweifelhaften Versuch zu wagen, diese Stadt, und das darin befindliche Regiment des Prinzen von Preußen, vom Obristen Winterfeld kommandirt, auf Kriegsmanier anzugreifen – eben so wenig umschloß er den ganzen Ort, um diesen Kommandeur – dessen Namen schon längst verewigt war, nicht in die Nothwendigkeit zu setzen, sich durchzuschlagen und Preußens Ruhm durch Winterfeldten noch mehr zu erhöhen – Wohlbedächtig ließ Wallis der respektirten Gegenmacht einen Weg offen wo sie sich aus der Brandstelle heraus ziehen konnte, nachdem seine militairische Weisheit mit ausnehmender Dexteritet aus sicherer Ferne und unter Bedeckung einer hinreichenden Macht, die ganze Stadt durch eingeworfenes Feuer in Flammen gesetzt hatte. Freylich konnte er es nicht hindern, daß durch seine Veranlassung Winterfeld Ehrensäulen in den Herzen preußischer Helden – und aller Thatenbewunderer aufgerichtet erhielt – Ehrensäulen der Verehrung, schöner als die Marmor-Statue die des alten Feldmarschllas gleiches Namens Andenken neben dem unvergeßlichen Schwerin verewigt – auch war's ein Unglück vor Wallis, daß gerade des Prinzen von Preussen Regiment Unerschrockenheit zwischen den Flammen zeigt, und ohne Verlust im Angesicht einer zahlreichen Armee sich aus brennenden Schuthaufen herauszog um auf einem freyen Platz Respekt zu fordern – daß daraus die günstige Vorbedeutung gezogen wurde, daß auch Friedrichs Nachfolger – sich nichts nehmen lassen würde; aber bey alledem hatte Wallis den Ruhm wornach er geizte erreicht: – durch die Einäscherung von Neustadt seinen Namen als Herostrat dieses Jahrhunderts, auf die Nachwelt zu bringen. Wucher. Dieses verderbliche Staaten Uebel in seinem ganzen Umfange nach seinen Quellen, in seiner eigentlichen Ausübungsmanier und von der Seite seiner höchstnachtheiligen Folgen zu übersehen, würde eine eigene Abhandlung verdienen – hier seys genug dieses im Finstern raubende Ungeheuer nach seinen vorzüglichsten Merkmalen kennbar zu machen. In einem Lande wo der Luxus durch alle Stände überhand genommen hat – wo die Beobachtung des sogenannten Wohlstandes Leute von Stande in die Nothwendigkeit setzt – oft Depensen zu machen die das Vermögen überschreiten – wo der Hofaufwand – das Spiel eine fast tägliche Abgabe aus Etikette auch denen auferlegt, die kaum so viel haben als der unentbehrlichste Flitterstaat erfordert – wo der Adel zu sinken anfängt, daß der eine seine Interessen nicht erhält, und der andere solche gar nicht – oder nicht zur rechten Zeit aufbringen kann – wo mäßig besoldete Arbeiter, viel gebrauchen – das Kommerzium nicht neue Reichthümer zuführt und – der innere Reichthum aus Mangel des allgemeinen Credits, in Gewölbern und eisernen Kisten verschlossen liegt; da ist Geldmangel bey Großen und Kleinen, bey Reichen und Armen eine unvermeidliche Folge, da lauret der Wucherer nicht umsonst auf Raub – in seinen äußersten Bedrängnissen nahm Saul seine Zuflucht zu der Hexe von Endor deren schädliche Raze er vorher selbst verabscheuet und vertrieben hatte – Aus belagerten von Hunger geängsteten Städten laufen die Einwohner ins Lager der Feinde, exponiren sich der Ausplünderung um die dringende Anforderungen des Hungers zu stillen – in alten Zeiten verschrieben die Leute ihre Seele dem Teufel um Geld zu bekommen und jetzt da mit diesem Schurken gar nichts mehr anzufangen ist, lauffen die Bedrängten den Wucherern in die Hände, die noch ärger sind als der Teufel und Galgenfristen für den Preis; das Vermögen ganzer Familien an sich zu reißen, verkaufen. Meines Erachtens thun unsere Gesetze und deren Administratoren in Bestimmung und Bestrafung des Wuchers auf der einen Seite zu viel, und auf der andern zu wenig. Sie unterscheiden die Geldausleiher, welche mehr als Landübliche Interessen nehen, nicht von denen welche ihre erste Ausleihe nur zum Mittel brauchen; dem Schuldner der Spinne gleich einen Faden umzuwerfen, um sie dadurch in ihr Netz zu verwickeln, und bis aufs Mark auszusaugen so lange noch etwas auszusaugen übrig ist. Und beyde, sowohl der, welcher sein Gut höher als zu 6 pro Cent auszubringen sucht, als auch die Räuberbande welche mit der Angel des ersten Anlehns das ganze Vermögen ihres Schuldners an sich bringet, werden zu sehr auf gleichem Fuße behandelt. Im ersten Fall ist es vielleicht keinen zu verdenken sein Capital so anzulegen wies ihm den meisten Nutzen bringt – in Handlungsgeschäften muß nicht bloß der Fond seine Zinsen tragen, auch der Fleiß die Arbeit die Mühe, das Rafinement muß bezahlt werden, der Mahler würde schlecht bestehen, wenn er bloß die Farben, die Leinnewand und von diesen baaren Auslagen die Interessen wieder bekäme, auch seine Kunst – die nur der Liebhaber bestimmt, muß belohnt werden. Ist vollends Risiko bey einem Negoze, so muß der bloß mögliche Gewinnst das Risiko mit decken – – Es können Fälle vorkommen, wo mancher der, für den welcher zu risqviren Muth hat, eine ansehnliche Prämie bestimmt, mit einer Summe die bey ihm gewagt wird, sein Glück macht oder ein größeres Unglück von sich abwendet als die Prämie beträgt, die er dem bewilligte der eine Summe ohne Hypothek auf Verlust und Gewinnst wagte. Soll um deswillen die übereingekommene Prämie nicht bezahlt werden, weil sie die Grenzen der Landüblichen Zinsen überschritt? Oder soll das Wucher seyn, wenn jemand über gewöhnliche Intereße für sein Capital, sich auch eine Prämie für seine auf ungewissen Vortheil gewagte Hülfleistung bezahlen läßt? Wenigstens ist bey Behandlung und Stipulirung einer solchen Prämie, der Anleiher immer noch sein freyer Herr, ist nicht gezwungen eine Bedingung einzugehen, die mit seinem Nutzen nicht übereinstimmt – Wenn er nicht unmündig ist, so hat er ein Recht über sein Vermögen zu disponiren – er kann, was er besitzt und was er künftig zu besitzen hoft, wegschenken wenn er will, warum nicht auch als Belohnung dem geben – der ihm gab, ohne Sicherheit es wieder zu bekommen? Anders ist der Fall der heimlichen Räuber, die auf drey Monat leihen, wenn auf ein Jahr verlangt wird, und durch Prologations-Versprechungen den Anleiher verleiten, sich auf drey Monat einzulassen – die nach Verfließung dieses Termins, mit dieser Prolongation neue Bedingungen verbinden, und jede Monat für Monat, für die höchsten Preise sich abkaufen lassen, die solchergestalt das Schwerdt der Gesetze betrüglicher Weise erschleichen, und dadurch den betrogenen Schuldner zwingen, sich für seine ganze Lebenszeit zu ruiniren – ihr ewiger Schuldner zu bleiben, weil nach zwiefacher Bezahlung, die Schuld immer größer wird – oder seine Person wie die Person eines verkauften Leibeigenen in den Stand der verlohrnen Freyheit hinzugeben. Die erstern, welche obgedachtermaaßen – für ihre Risiko nur eine Prämie, über welche freywillig akkordirt wird verlangen, können nur Wucherer heißen; wenn sie ihre Bedingungen bloß nach Maaßgabe der Noth dessen, mit dem sie handeln bestimmen, und in so einen Fall die Grenzen der Billigkeit überschreiten – Außerdem sind sie bloß Hasardeurs für eigene Rechnung, über welche sich Niemand beklagen sollte. Die andern sind die allerschädlichsten Räuber, welche in keiner politischen Gesellschaft, und in keinen Staat geduldet werden sollten, und wenn sie ihre fernere Duldung und Loßlassung von den Strafen welche die Gesetze diktiren, auch mit dem Raub von zehn Wucherern abkaufen wollten, denn ein solcher Dieb – bleibt für sein ganzes Leben ein Dieb der Staat der sie schützen würde, könnte nur ein Räuber-Staat seyn, der aus Stehlern von der einen und aus Helern von der andern Seite bestünde. Glücklich ist der Staat, wo in solchem Fall des Monarchen Gesetz ist: Muß das Land meiden! Möchte doch die Nation der heutigen Juden, welche seit wenigen Jahren durch vortrefliche Menschen, durch Gelehrsamkeit durch Verdienste um den Staat durch alle Arten von gesellschaftlichen Tugenden; sich über ein widriges Vorurtheil erhoben und auszuzeichnen angefangen hat, in diesem Stück selbst auf Reinigung ihrer Kolonie von reudigen Schaafen obiger Gattung ernstlich Bedacht nehmen, und den Auskericht dieser verderblichen Raze, welche die ganze Nation entweihet, aus ihrem Mitteln fortzuschaffen, Hand ans Werk legen, um den Christen ein gutes Beyspiel zu geben – Wir habens nöthig! Xerxes, gab bey Thermopilä den Beweis, daß die Menge persianischer Weichlinge oder – undisziplinirter Wilden gegen eine weit geringerer Anzahl, edler Spartaner, noch immer nicht des Sieges gewiß seyn dürfen – Um das Andenken dieser Begebenheit zu erneuern, wiederholte der große Soubise diesen Beweis bey Roßbach, wo das preußische Korps indeßen wirklich zu klein war, um alles gefangen zu nehmen, was Pardon rief – und bey mehr Gelegenheiten zeigte es sich, daß kleine Haufen ächter preußischer Spartaner gegen überlegene Heere nur den einzigen Fehler hatten, daß es an Händen fehlte um todtzuschlagen, was überwunden war, und seine schon geschlagene Seele, in Hofnung einer baldigen Wiederaufstehung, resignirt hatte. Ygel, Blutygel – Man sagt es einer gewissen überaus polizirten Nation nach, daß ihre zahlreichsten Heere nicht so fürchterlich wären, um sich ihre lebhaftesten Anfälle, nicht vom Leibe halten zu können, wenn ihnen Unerschrockenheit und anhaltender teutscher Muth entgegengesetzet würde. – Man hält sie also nicht für so gar gefährliche Feinde, aber für schlimme Freunde mit welchen man sich nicht behängen kann, ohne daß sie den Ygeln gleich, sich fest einfressen und den Leuten das Blut mit aller Gemächtigkeit aussaugen. Zeit und Zeit, macht einen Unterschied. Wenn man jetzt alles das nachmachen wolte, was vor grauen Zeiten fromme Leute thaten, um sich ganze Nachkommenschaften zum Muster der Nachfolge aufzustellen; so würde man oft schön ankommen – – – Rollen, auf diesem Erdenrund heutiges Tages zu spielen, die vor alten Zeiten berühmt und Verehrungswerth machten, dürften jetzt schwerlich – die Canonisation nach sich ziehen, und selbst damit, würde man jetzt nicht durchkommen, wenn man Christlichen Richtern und Obrigkeiten, über seine Unternehmungen die allertheureste Versicherung gäbe: daß es Gott so haben wolle. Vordem gieng das wohl an, da traute man noch aufs bloße Wort und auf Träume. Jetzt verlangt man schriftliche Beweise und gedruckte Vollmachten. – – – Warum? weil der Glaube bey vielen erkaltet ist. Das war neuerlich die Klage über die jetzige im Argen liegende Welt, womit ein frommer Schulmeister in Pommern einen Bauern seines Orts unterhielt. Wenn sagte der Schulmeister, jetzt Gott jemanden im Traum erscheinen sollte, wie er einstmalen dem Abraham erschien, und fordern sollte: Gehe hin und opfere mir deinen eigenen Sohn, wer würde in Einfalt des Glaubens, heutiges Tages so gehorsam seyn, es gleich zu thun, ohne sich erst lange mit Fleisch und Blut zu besprechen? Ich solte doch denken Herr Schulmeister, sagte der Bauer, unsern Herrn Gott gäbe ich alles – er ging zu Hause schloß sich ein, und fing an von seinen drey Kindern, eins nach dem andern zu schlachten. Seine Frau hört schreyen, kann die Thür nicht öfnen, läuft ans Fenster und ruft! Was machst du Mann? mache auf! Nein ruft der Mann, nicht eher bis ich sie alle drey geopfert habe. Aus Achtung für diesen Nachahmer Abrahams, verurtheilten die Richter ihn nur auf Zeitlebens zur Festung. Der König hat diese Sentenz gemildert, und in Rücksicht auf die genuine Glaubens-Einfalt, diesen neuen Abraham – nur nach dem hiesigen Tollhause geschickt, wo er von männiglich zu sehen ist! Was nicht die Zeiten vor einen Unterscheid machen! Anhang Anhang einiger Bemerkungen über das heutige Spanien, und seinen Verbindungen etc. Spaniens jetzige Regierung hat sich durch verschiedene Begebenheiten merkwürdig gemacht – aus welchen die Nachwelt den Charakter der damaligen Landesverfassung dereinst beurtheilen wird – wie mit Unpartheylichkeit alle Monarchen der Erde, von den Enkeln immer wahrer gerichtet werden als von ihren Zeitgenossen. Sierra Mosena ist unter des jetzt regierenden Königs Carls des dritten Regierung bevölkert worden – Man hat die runden Hüthe abgeschaft unter welchen sich die Maltadors oder Spanische Banditen versteckten und unkenntlich machten, – die Reinigung der Hauptstadt, die Vertreibung der Jesuiten das sind die guten Stiftungen welche die Epoqve Carls des dritten bezeichnen. Der Aufruhr welcher diesen König zur ängstlichsten Flucht nach Aranjuetz vor seinen eigenen Unterthanen zu nehmen bewog, und die Widererweckung der barbarischen Inqvisition – das sind die Flecken dieser Regierung – Vielleicht dürfte das gegenwärtige Verhältniß dieses Staats mit Frankreich von den Politikern des folgenden Jahrhunderts auch nicht zum Beweise von Spaniens Größe gerechnet werden. In wie fern Carl der dritte an dem einen wie an dem andern Schuld hat, oder ob er an allen diesen Dingen ganz und gar unschuldig ist? darüber mag der künftige Geschichtschreiber ihm den Prozeß machen. An dem berüchtigten Verfahren der Inquisition gegen den Olavides war der König gewiß unschuldig. Kein Monarch in Spanien kann eine Sentenz dieses dafür gehaltenen göttlichen Tribunals mildern, und sie bedarf auch seiner Bestätigung nicht – Es ist über die Königliche Würde erhaben und hat selbst das fürchterliche Grundgesetz: einen König in den Bann zu thun, wenn er ein Ketzer ist. An der ganzen Prozedur gegen den verdienstvollen Olavides war Carl der dritte also offenbar unschuldig und aus diesem Fall läßt sich folglich nicht schließen ob er ein guter oder schlimmer König ist. Die Reinigung der Hauptstadt, die Abschaffung der runden Hüthe, viele gute Polizey Anstalten und die Bevölkerung der Sierra Mosena sind ganz eigentliche Werke des damaligen Präsidenten von Castilien Grafen von Aranda, dessen uneingeschränkte Gewalt, vorurtheilfreye Einsicht, Ansehen beym Militair und große Rechtschaffenheit ihn fähig machte, für Spanien unmöglich scheinende Dinge möglich zu machen – Es ist unausgemacht ob der Unterschied zwischen diesem Staatsmann und dem alles umfassenden Choisell in der weiten Ausdehnung des Geistes oder – nur im Herzen allein zu suchen ist. Aber beyde Ministres konkurirten bey der Gesellschaft Jesu. Choisell erfand den Plan und der Graf Aranda führte ihn aus. Der erste spielte diesen Streich den Jesuiten aus Rachsucht. Der letzte weil er diesen Orden als ein gefährliches Gift an Höfen und als ein verderbliches Staatenübel ansahe. Der französische Minister war anfänglich, wie bekannt, ein armer Edelmann der nicht mehr als tausend Thaler Einkünfte hatte – und gerade tausend Thaler kostete der Anzug seines Läufers daher sagten die Bonmotisten zu Paris daß Choisell immer ein Jahr Revenües vor sich hätte (Qu'en bon oeconome il avoit une année de Revenues devant lui) Er erwarb sich die Gunst der Madame Pompadaur, wurde Gesandter zu Rom, und durch eben diesen Kanal Staatsminister von Frankreich. Als ihm das Büreau der auswärtigen Affairen übergeben wurde, brachte ihm ein Aufwärter ein hinter dem Spiegel gestecktes Papier – eine geheime Anklage wider ihn, welche die Jesuiten bey seinem Vorgänger angebracht und ihm einen heftigen Verweiß zugezogen hatte. Gleich nach dieser Entdeckung beschloß er den Fall der Jesuiten – ein Dominikaner war der Kourier der den Plan dieses wichtigen Unternehmens nach Madrit brachte. Die Jesuiten merkten Unrath, machten Jagd hinter den Domikaner her – aber Mönche wurden durch einen Mönch hintergangen, der Kourier entkam ihnen, der Plan kam glücklich in Arandas Hände, und wurde von ihm zur Vollstreckung gebracht. Auch der kurze Schlummer der heiligen Inqvisition, war eine Wirkung von dem großen Ansehen, mit welchem Aranda gegen dieses Ungeheuer Faze machte und es, so lange er gegenwärtig war, in Respekt hielt. Abgeschaft war dieses Blutgericht nie, die Stelle des Großinqvisitors, war kaum ein Jahr vakant. Noch 1768 wurde ein Spanier im Verhaft genommen, der am Freytage das abscheuliche Aergerniß gab, Hühnerbraten zu essen, und dem Satan gleich auch seine Gäste zu nöthigen, von dieser verbothenen Frucht mit ihm zu essen. Aber ein Auto da fé wurde nicht gehalten, so lange Aranda in Spanien blieb – kaum aber ging er als Ambassadeur nach Frankreich, so siegte der Beichtvater Pater Osma über Vernunft und Menschlichkeit, und gab der Inqvisition neues Leben. Die Medisanze versichert, daß eine Partie gesammleter Johanniswürmer in einem dunkeln Zimmer, dem Könige Carl dem III. wie lauter höllische Feuerflammen erschienen, und vom Pater Osma so kommentirt worden wären; daß er Gottes Tribunal wieder in Aufnahme bringen sollte. So viel ist gewiß, daß der König den Großinqvisitor rufen ließen, und ihm sagte: Qu'on adore mon Dieu, & sur tout qu'on le craigne. (Ich will, daß man meinen Gott anbete, aber vorzüglich will ich, daß man ihn fürchte.) Carl glaubte wirklich dismal, daß er einen eignen Entschluß gehabt hätte, indem er den Befehl aussprach, welchen sein Beichtvater ihm eingeflößt hatte. – Olavides war das erste Opfer, welches der heiligen Hermandat zu Ehren, im Angesicht des ganzen erstaunten Europa, gebracht wurde – weil Aranda nicht mehr in Spanien war, und der Fanatismus ohne Gefahr wider sein Haupt zu erheben, wagen durfte. Solchergestalt, war das innere Gouvernements- Wesen das Fach, worinn Aranda wirklich glänzte und Gutes in Spanien stiftete, bis er nach Paris ging, wo alles wieder den Krebsgang nahm; zum Beweis – daß nicht der König sondern Aranda geherrscht hatte. Im Finanzwesen that Svillaci alles – wolte als Liebling des Königs, auch bisweilen das Ganze umfaßen, wie Pombal in Portugal, wie Mazarini und Richilieu in Frankreich – aber im Grunde war er nur ein Blutygel des Staats wie Terray – bloß aus seiner – nicht aus seines Königs Schuld, empörte sich der Pöbel, schoß unzählige Kugeln in sein Haus und in seine Fenster. Svillaci retirirte sich in des Königs Schloß – seine Gemahlin zum holländischen Gesandten Mr. de Doubles – der König floh durch die Sousterrains nach Aranjuez – schickte seinen Liebling nach Sicilien, setzte einen Kommis am Ruder des Finanzwesens und der Pöbel ward ruhig. Grimaldi hat das auswärtige Departement und schloß mit Frankreich Traktaten, welche Spanien von Frankreich – abhängig machen – – – Die Seele von der ganzen Einrichtung Spaniens war Choisell – Die Nachwelt wird einst sagen: Was Carl ist. – – – Fußnoten 1 Paulus dessen unmittelbare Inspiration seinen Schriften das Gepräge des eigentlichen Wortes Gottes aufdrücken soll, lehret gerade das Gegentheil: Ist Christus nicht auferstanden, so ist unser Glaube umsonst, sagt dieser Apostel. Nachricht Nachricht. Die 4 Abschnitte der Charlatanerien sind jetzt komplet und zusammen vor 1 Rthlr. 8 Gr. bey dem Verfasser zu haben. Von der Chronika von Berlin, sind 3 Stück erschienen – das Stück kostet 4 Gr. und alle 3 Stück kosten 12 Gr. Desgleichen zu dieser Chronik zwey Supplemente, jedes zu 4 Gr. Diese Piecen giebt der Verfasser in seiner Wohnung selbst aus – auch sind solche besonders zur Erleichterung des auswärtigen Publikums, bey dem Buchhändler Heße in der Breitenstraße zu haben. Dieser Buchhändler hat von demselben Verfaßer im Selbstverlag: Gemählde aus der wahren Welt in Erzählungen. – Die erste Erzählung unter dem Titel: Lotte, oder die Gräfin von Glückstein. Noch zum Besten der Armen: Ein Schreiben des Verfassers der Lieblingsstunden an das Publikum, welches besonders empfohlen wird. Ein besonders Avertissement von des Verfassers sämmtlichen Schriften, wird bey demselben ohnentgeldlich ausgegeben. Berlin, den 7. Aug. 1781. Der Verfasser der Lieblingsstunden.