Das Andere Hundert 2. Klingel An Forschenden Alles Eines in Einem Du must, wilt du den Grund beschaun, Daraus die Weisen Lehren fliessen, Des Lebens Wasser in dich schliessen, Und unserm Mittler gantz vertraun. Es wird, wirst du mit mir drauf baun, Sich in dir dein Verstand ergiessen, Ja Lebens Ströme werden schiessen, Und weisre Lehren auf uns thaun. In Ihm ist Gott, Natur und Wir Und alle Wundersprüch ein Wesen: Kanst du, er wird ein Geist mit dir, Die Reim aus diesem Grunde lesen. Doch bist du bloß, wann voll Begier Du darnach lebst, mein Mensch, genesen. Ohne Leben Tod. 1. Durch Christi Tod Komst du zu Gott Gott der ist über Zeit, o Mensch, wo wilt du hin, Wann du gestorben bist, alsdann erfragst du ihn. 2. Zwey Vereinigte geben das Dritte Wann Zwey in eines gehn, kommts dritt, und so vom Einen, Ist, was es ist, doch sonst von keinem, als dem Seinen. 3. Tauffe Der Priester Wasser zwar, der Geist geust Feuer ein, Rein sind, die durch das Blut des Herrn gewaschen seyn. 4. Abendmal Nehmt, est, das ist mein Fleisch: Nehmt, trinckt, das ist mein Blut: Durch dis bleibt Leib und Seel im Grab und Himmel gut. 5. Alles eines Was ausser der Natur das höchste Wesen ist, Das bist du, wenn du dich ohn Leib und Sinnen siehst. 6. Gehe mit dem Tode umb Nichts stirbt, nichts wird gebohrn, der Tod stellt alles an, Wol dem, der täglich sich mit ihm besprechen kan. 7. Gott ergebene Seele Die ist in Gott, und Gott der ist zugleich in Ihr, In der ich leb, und die auch wieder lebt in mir. 8. Weißheit des Creutzes Wo lauffst du, Weiser, hin? Ich rathe, laß es seyn, Das Holtz von Golgatha ist besser als dein Stein. 9. Einigkeit des Einen Geburt Stadt Wer in dem Einen wil die Einigkeit erkennen: Muß hinter Einem stehn, da Stipp und Ausfluß trennen. 10. Sterben: Leben: ist Leben: Sterben Mensch, scheide dich von dir, und lern im Leben sterben, So kanst du durch den Tod, dein Heil ohn Tod ererben. 11. Goldene Kette Aus sich geht Gott: aus Gott die Seel: aus ihr das Leben: Gehst du nicht so zurück: ich weiß, du komst darneben. 12. Über Vernunfft keiner Der so von Gott was weiß, der weiß nicht was das ist: Denn es ist weder dis noch das, was er erkiest. 13. Zugleich Was eilest du so sehr? Du kommst vor keinem andern Ins Himmelreich: Halt an? Wir müssen Gleiche wandern. 14. Verdienst Das, was ich nicht in mir, noch in Gott finden kan, Hat, und noch mehr als das, ein Tröpfgen Bluts gethan. 15. Bleib unten Wer in der Ewigkeit wil einen Anfang gründen, Stürtzt in das End: und wird sein End' im Ende finden. 16. Nichts, ah Itzt im Himmel Der so vor langer Zeit und itzt sein Ziel genommen: Die sind auf einen Blick zugleich in Himmel kommen. 17. Ohne Tod keine Seeligkeit O Mensch, wilt du Gott schaun, so schaue nicht den Tod: Wer nicht der Welt und Ihm stirbt, stirbt stracks, sieht er Gott. 18. Das verdammte: Morgen Wo du nicht heute kanst bey Gott im Himmel seyn: So kommst du stets zu spät, und Morgen gar nicht ein. 19. Nihm nichts mit Hier ist kein Mein noch Dein. Mensch, laß das deine fallen, Geh ausser dir zu Gott, der alles ist in allen. 20. Alles von Gott Fällt dir was zu, nihm es (es sey auch, was es sey) Vom Allerhöchsten an, du wirst vom Kummer frey. 21. Betrüben: Üben Hier Himmel, Hölle da: Du weichest gantz von Gott, Wo du in keinem bist, Mensch, beyde sind dir Noth. 22. Wo Gehorsam: da Hülffe Wann du und alle Ding in dir zu nichte werden, Geht der Gehorsam an: und du kommst aus Beschwerden. 23. Der Gelaßene Steh an dir selber bloß: als ob du Nie gewesen: Und nimmer soltest seyn: alsbald bist du genesen. 24. Das Nothwendige Mensch, Eines ist, an dem liegt deine Seeligkeit: Lern Einig seyn: wo nicht: bleibt deine Seel in Leid. 25. Das Neue vertilget das Alte Du thust, auch was du thust, die Schuld wird nicht vergeben, Fängst du in Gott nicht an durch Buß ein neues Leben. 26. Neuer Mensch Hilff Gott! Wo treff ich doch den neuen Menschen an, Geh zuvor aus, und dann die Welt ist voller Wahn. 27. Gehorsam: Busse: Hoffarth: Ungehorsam Der Teuffel, wann er könt, in den Gehorsam gehn, Würd itzo fornen an dort untern Engeln stehn. 28. Niemand gehorsam Wer recht gehorsam wär: könt' ohne Sünde seyn, Ohn Sünd, iedennoch nicht umb andrer Sünd ohn Pein. 29. Ohne Liebe, ist es trübe Gott ist nicht wieder mich, und ich nicht wieder ihn, Das schmertzt Ihn, daß ich Ihm, was Er mir ist, nicht bin. 30. Sey nicht sicher Wol dir ist dir stets weh! Weh dir, ist dir stets wohl! Der gleich hat, was er wil, hat doch nicht, was er sol. 31. Ist Gott, so ists versehn, Ohn Ihn kan nichts geschehn Wer Gott bekennen wil, und laügnet sein Versehn, Der laügnet selber Gott, ohn den nichts kan geschehn. 32. Ein einger Gott O Mensch, was ewig ist, das muß auch einig seyn, Und so ist Gott und bleibt ein ewger Gott allein. 33. Gott Alles in Allem Kein Mangel ist in Gott, wo Mangel, da ist grämen, Drumb darffst du nicht so viel mit dir in Himmel nehmen. 34. Nichts verdienen, der beste Dienst Wer Gott durch sein Verdienst umb Gnade ruffet an, Bedenckt nicht, was ihm Gott am Creutze guts gethan. 35. Gott wird durch Gott versöhnt Was opfferst du Gott viel? Es sind sein eigne Gaben: Dein Beten hilfft dich nicht, wann er nicht angehaben. 36. Laß dir genügen Nicht bitt umb dis und das. Es mangelt dir zu viel, Der hat genung, der Gott und den Gott haben wil. 37. Der Tod verträgt alle Händel Du kanst sonst als den Tod nichts deinem Feinde gönnen, Was zürnest du nu viel? Kein Mensch kan ihm entrinnen. 38. Gottes Gütte, Feste Hütte Wie klug ist der, der sich kan untern Himmel legen, Er wird nicht naß, erwischt ihn ie ein Sturm und Regen. 39. So viel Glauben, so viel Hülffe Daß dir Gott selten hilfft, da hast du zuzuschaun, So starck du glaubst, so starck ist seiner Hand zu traun. 40. Ohne Maaß Wer zweifelt, gehet leer: was klagest du so sehr? Gott giebt eh, als du nihmst, o Mensch, vertrau ihm mehr. 41. Eines so alt als das andere Nichts wird, nichts ist, nichts bleibt im Himmel und auf Erden, Als diese Zwey: das Ein ist Thun, das andre Werden. 42. Genungthuung Wann vor All Einer zahlt: Zahln all, und werden loß, Ein ieder, auch du thust genung. Wir? glaub es bloß. 43. Ie niedriger, ie höher Kein Mensch hat in der Welt am nechsten Gott erkiest, Als welcher unter Ihm am tieffsten liegt und ist. 44. Es ist Gottes Nicht baue so viel drauf, wann du was gutes thust, Gott thut das gut in dir: was du thust, das ist Wust. 45. Liebe über alles Wann Gott nicht ewig stünd in ungemengter Liebe, Ich selber liesse Gott, daß ich nur in Ihm bliebe. 46. Keinen vorn andern Wann du in Einem All, und Einen suchst in Allen: Stehst du, wo Adam stund, eh als er war gefallen. 47. Leb allein Wann alle Menschen Tod, dann fängst du an zu leben, Doch wilt du übrig seyn, must du darnach nicht streben. 48. Eigener Nutz Mensch, bist du darumb fromm, daß dich Gott sol erwehlen, Du suchst das Dein, und, was du findest, wird dir fehlen. 49. Wol dienen: Wol belohnen Die Tugend, die du wirckst, ist selbst ihr gröster Sold, Wer ausser ihr was sucht, der kriegt vor Seegen Schuld. 50. Eigner Willen Weg, Weg, die Schlang ist hier, wilt du dem Tod entgehn, Fleuch deinen und bleib fest in Gottes Willen stehn. 51. Unersetzlich Ein kurtzer Augenblick: o über schwere Noth! Mensch dencke, was du thust: trennt deine Seel und Gott. 52. Ohn Gott alles umbsonst Dein Opffer, das ist Sünd: und dein Gebet ist Pein: Wann Gott umb dein Altar nicht selbst wil Priester seyn. 53. Nichts höret auf Schaut ich nicht diesen Blick den Anfang aller Dinge, Und ihren Untergang, so spräch ich: Ich vergienge. 54. Wir sind auch etwas Der Welt liegt viel an mir, lebt ich nicht diesen Blick (Ich bin ein Theil davon) das gantze gieng in Stück. 55. Mache Frieden Vertrag dich selbst mir dir in Trübsaal, Angst und Pein, Es fehlet kaum, dein Gott wird dir genädig seyn. 56. Liebe ist der Grund der Welt Es suchte niemand Gott, liegt er gleich unterm Leben, Wär er nicht Lieb und hätt es nicht mit Lieb umbgeben. 57. Wunder über Wunder Gott eilt in Uns, als er zu nichte wolte werden; Und sucht, o Wunderwerck! Sein Himmelreich auf Erden. 58. Gehe vorbey Was uns erhebt und stürtzt, ist Willen und Verstand, Wer über beyde steigt, der wird mit Gott bekannt. 59. Sinn: Vernunfft: Glauben: Liebe Der Sinn muß in Vernunfft, Vernunfft in Glauben gehn, Der Glauben in die Lieb, und so kanst du bestehn. 60. Stapffen der Dreyfaltigkeit Es bringt dir einen Gott ein iedes Gräßlein bey, Und macht es dazu klar, daß er dreyfaltig sey. 61. Seeliges Leben Des Glaubens Seel ist Lieb: ohn Seel ist alles todt: Forsch in dir, ob du lebst: Du zwar nicht, sondern Gott. 62. Der mildreiche Gott Nihm deiner wahr, Gott hat mehr Lust dich zu beschencken, Als du an seine Gütt und Wohlthat zu gedencken. 63. Gott leiden, Tilgt Leiden Wer sich und alle Ding in Sich und drunter Gott Ohn Leiden leiden kan, steht über Noth und Tod. 64. Wegen der Seeligkeit Der an dem Creutze hat vor dich genung gethan, Rufft dir, Mensch folge mir, das Creutz ist deine Bahn. 65. Gott das allergemeinste Daß Gott sich allgemeint, das ist sein Eigenschafft, Wer ihm entgeht, in den geht Gott mit Geist und Krafft. 66. Geistliche Hoffarth Nicht denck: Ich bin Gott gleich, wie hoch dein Witz und Schein, Der Teufel bläst dich auf: Gott liebt, die niedrig seyn. 67. Gott: Mensch: und Mensch: Gott Mensch kleide dich in Gott: Gott wil sich in dich kleiden, So wird dich nichts von Ihm, auch Ihn von dir nicht scheiden. 68. Schlag an die Brust Nicht brich dich für: Denn wer der gröste Sünder nicht In seinem Hertzen ist, sieht langsam Gottes Licht. 69. Ie mehr, ie weniger Der weiß nicht viel, der mehr als andre wissen wil, Erkennen, was ihm fehlt, das ist des Weisen Ziel. 70. Lauter Gnade Laß Gott und alles stehn: Du hast kein Recht dazu: Nihm Sie voll Furcht, ertheilt er dir aus Gnaden Ruh. 71. Keiner macht es besser Nicht fluch auf ihn, du thust, was Adam hat gethan, Der Apffel ist in dir, und beissest täglich an. 72. Im Nu Schnell ist ein Augenblick, doch eh er wird erkiest, Geschiehet es, daß Gott und Mensch vereinigt ist. 73. Meide umb der Freude Dein Willen der ist Sünd. Ach liessest du ihn stehn, Du köntest aus und ein mit Gott in Himmel gehn. 74. Ie inniger, ie ruhsamer Was suchet deine Seel in ihrer Wirckung? Ruh. Wer giebt sie dir, mein Mensch? Gott und darunter du. 75. Im lautern Grunde Nihm von der Seelen hin, was nicht ihr eigen ist, Und schau dich in ihr um. Da hast du Gott erkiest. 76. Ohn Wesen: Verwesen Wann du ohn Seele wärst, und sie die Seel ohn Wesen, Hätt ich den Stein vor dir, das Holtz vor ihr erlesen. 77. Ie abgeschiedener, ie Göttlicher In meiner Seelen ist ein abgeschiedne Krafft, Draus über Wesen sie das höchste Wesen schafft. 78. Aus einerley Macht Der uns erschaffen hat, erhält, und sterben heist, Kan uns aus gleicher Macht erstatten unsern Geist. 79. Gott: Wort: Natur: Folg ihr, biß daß du siehst das ewge Wort: Es sey. So kommst du der Natur, dem Wort, und Gotte bey. 80. Der schädliche Ausgang Gott ist der Seelen Ruh. Daher ist sie gefallen; Was sie in Einem hat, das suchet sie in Allen. 81. Einigen Errett vom Peinigen Sich in die Seele ziehn, und einig lernen seyn, Verbessert deinen Fall, und lindert seine Pein. 82. Zum Ende Das Leben der Natur ist Lauffen und Verlangen, Es eilet einig hin, wo es ist ausgegangen. 83. Aengstliche Bewegung aller Sachen Schlöß in die Dinge sich nicht etwas Göttlichs ein, Sie sämmtlich würden nicht nach der Erlösung schreyn. 84. Alles in Eines Den Sinn hat auch ein Rind, das Leben dann ein Kraut, Ein iede Sach ist eins: Wer sie im Wesen schaut. 85. Ohne Gott Alles todt In, von und durch Gott ist, was ist, o Mensch, zurücke, Entzüg er sich, gieng Erd und Himmel stracks in Stücke. 86. Ende wegen des Anfanges Gott ist der Ding ihr End. Es wäre kein Bewegen, Wenn er den Trieb zu sich nicht wollt in Alle legen. 87. Nach dem Wahn Gott ist nach unserm Wahn itzt bös, itzt wieder gut, Der doch in aller Welt das beste wil und thut. 88. Ruh Mensch, der Bewegung Quell und Ursprung ist die Ruh, Sie ist das best. Ihr eilt die gantze Schöpffung zu. 89. Nicht forsche, sondern bete Was Er nicht ist, das darff man kaum vom Höchsten sagen, Wie wilt du, lieber Mensch, dann, was er ist, erfragen. 90. Im Hertzen die grösten Götzen Viel Menschen ruffen Gott in ihren Nöthen an, Und ehrn, sehn sie sich um, bloß ihren eignen Wahn. 91. Nach dem Wesen, nicht der Meinung O Seele, schlag das Bild in deinem Grund entzwey, Wie heilig du auch bist, du treibst Abgötterey. 92. Befiehl es Gott Nicht räche dich an ihm, wann dich dein Feind wil plagen, Wenn du dich überwindst, alsbald ist er geschlagen. 93. Wiederkehrn: Gewährn Was siehest du dich um? Gott ist vorbey gegangen, Schau in dich, wilt du Ihn im Wiederkehrn empfangen. 94. Wieder Geburt Gebohrn, und wiederumb, o Mensch, gebohren werden, Errettet dich vom Tod und hilfft dir in Beschwerden. 95. Mit den Hirten Viel wären auf den Grund der ewgen Weißheit kommen, Wann sie den ersten Weg nach Betlehem genommen. 96. Itzt: nicht darnach O Mensch, nihm, weil du lebst, dein Theil im Himmel ein, Dann alles wird dein Gott darauff in Allem seyn. 97. Ie gesonderter, ie geheimer Was Alles in sich schleust, und ausser Allen ist, Das nihm von Allen hin, so hast du Gott erkiest. 98. Göttliche Vereinigung Wo der Mensch Gottes sol, des Menschen Gott genüssen, Muß in sich der Mensch Gott, und Gott den Menschen schliessen. 99. Das ewige Heute Der wird nicht auferstehn, der vor nicht auferstanden, Der jüngste Tag ist itzt und nicht darnach vorhanden. 100. Über Zeit: Ort: Wesen: bin ich genesen Kein Vor noch nach: Kein Hie noch Da: Kein Dis noch Das: Seh ich im höchsten Gut, ich seh und weiß nicht was.