Das Dritte Hundert 3. Klingel An Durchdringenden Das Schönste ist droben Schwinge die Flügel der Seelen empor! Oben die schönste Gestalt zu beginnen, Schaue, der Glauben, Vernunfft und die Sinnen Treten wie selber der Engel ihr Chor. Glauben: weil er bey Gott eintzig kommt vor, Die Vernunfft: weil sie gereinigt von innen: Sinnen: dieweil sie sich können besinnen, Öffne die Augen, sie öffnen das Thor. Schaue, wie schön dich der Glantz wil bewonnen, Drinnen die Obriste Selbständigkeit Überall kommt entgegen geronnen, Sie beschleust dich schon, und du bist noch weit! Aber halt an, du verbrennst in der Sonnen, Du bist des Fluges: Sie in dir:, befreyt. Innwendig am Schönsten. 1. Vorgeführtes Leben Dein Leben hört nicht auf, wie tieff man dich begräbt, Wann du in Gott, und Gott hinwieder in dir lebt. 2. Gottesfurcht Wol diesem, der vor Gott in Furcht und Zittern steht, Und nicht hin in die Höll aus sicherm Glauben geht. 3. Erkäntnüß Gottes Wer Gott erkennt, der liebt ihn als das höchste Gut, Wie weh es der Natur und allen Dingen thut. 4. Vergebene Zuversicht Lebst du ohn Buß, und sprichst: Der Himmel muß mir werden, Schreib es dir zu, wann du versinckst in Tods Beschwerden. 5. Verachte dich Verlaügne dich, so wird der Mensch vor Gott bekehrt, Denn wer sich selber sucht, ist nicht des Herren werth. 6. Vernunfft Wann die Vernunfft in ihr sich selbst verstiegen hat, So spricht sie: Ich bin Gott. Thut, was der Teufel that. 7. Immer fort Der Weise thut ihm weh, und weicht nicht von der Bahn, Biß er der Tugend hat durchaus genung gethan. 8. Der Weise Der es nicht ist, und ist: kan nichts vom Weisen sagen. Du must, wilt du ihn sehn, Er selbst seyn und ihn fragen. 9. Nach Noth, nicht nach Willen Das mag bestehn, mit dem ich sol und muß umbgehn, Mit dem ich wil und doch nicht muß, kan nicht bestehn. 10. Alles voll Gott Das Gräslein ist ein Buch, suchst du es aufzuschliessen, Du kanst die Schöpffung draus und alle Weisheit wissen. 11. Wehrung der Dinge Vor mir war keine Zeit, nach mir wird keine seyn, Mit mir gebiert sie sich, mit mir geht sie auch ein. 12. Wiederklang des göttlichen Wesens Ein iedes Ding fängt an zu reden und zu leben, Und wil, alsbald es ist, dem Schöpffer Antwort geben. 13. Nichts in der Zeit, als den Leib Der Weise, wo er steht, weiß nichts von Ort und Zeit: Er lebt zwar hier, und ist doch in der Ewigkeit. 14. Lob Gottes Die Blume durch Geruch, der Vogel durch Gesang, Durch Tugend er der Stein, der Mensch lobt Gott durch Danck. 15. Ohn Verterben Gott, Welt und Mensch. Der Mensch bestehet in der Welt, Die Welt in Gott, und Gott in sich, der alles hält. 16. Allgemeine Einstimmung Was in die Seele kommt, stimmt allen Dingen ein, Dann was die bricht, das heist sie in ihr einig seyn. 17. Gewissen Du Kind vom Epicur, wo Gott nicht richten kan: Wer sagt die Sünde dir in dem Gewissen an? 18. Das Einfache unauflößlich Nichts in noch ausser ihr trennt sie die Seel entzwey, Drumb kommt ihr, wie dem Leib, auch kein Zustören bey. 19. Verborgene Verklärung Das Leben hat der Geist durch deinen Leib erlesen, Und stürtzet sich mit ihm zurück ins höchste Wesen. 20. Mehr aussen, als innen Die Seele wirckt, davon der Cörper nichts versteht. Daher sein Wesen nicht aus ihrem ist noch geht. 21. Räume Verhindernüs weg Die Mittel die sind vor, du köntest auf der Spitzen Des höchsten Sternes sonst sehn eine Mücke sitzen. 22. Gefangene Freyheit Mit ihm dem Cörper hat die Seele nichts gemein, Und muß, o Wunder! doch in ihm verschlossen seyn. 23. Ein gebliebener Ausfluß Da Gott die Welt erschuff, macht' er mich nach Belieben, Ich floß mit allem aus, und war doch in ihm blieben. 24. Ie reiner, ie eigentlicher Die Seele schaute Gott in ihrem Boden an, Wann alle Mittel ihr nur wären abgethan. 25. Überall Gott Gott laufst du in die Schoos: was fleuchst du für und für? Er geht auch unversehns in die Gedancken dir. 26. Aussers aus dem Innren Die Seele bildet ihr den Leib aus ihrer Krafft: Nichts wirckt, nichts wird als bloß durch göttlich Eigenschafft. 27. Eines offenbahret alles Wer die Natur der Ding und Sachen wil ergründen: Kennt alle, kan er recht die Thür zu einem finden. 28. Das Weite und Nahe In dem die gröste Hitz und Kält' umbschlossen ist, Ist überall, doch hat es bloß der Weis' erkiest. 29. Das erste und letzte Das gegen allem steht, und den Reichs Apffel ziert, Ist rauh, und doch wird draus der Weisen Stein geführt. 30. Drey Mütter In seiner bildet, in der Mutter schaffet, in Der Erden Mutter legt uns Gott zum Aufstehn hin. 31. Leb im Lichte Was wilt du dich vor Gott in finster Oerter schliessen, Und heimlich Sünde thun: Er sitzt dir im Gewissen. 32. Biß zum Vollständigen Ertzt ist so von Natur, daß es Gold werden kan, Es ruht nicht, biß als Gold es die Natur nimmt an. 33. Alles Ein Ein Alles Wann sie aufs höchste kommt, und ihr das best erlesen, So stürtzet die Natur denn alles in Ein Wesen. 34. Drey in Einem: Ein in Dreyen Das Feuer ruht, die Glut bewegt, die Flamme brennt, Wol dem, der alle drey im Wesen eines kennt. 35. Abfall der Ewigkeit Dis, was die Sonn umbscheint von Ort auf Ort, ist Zeit: Schaust du dich nun, du bist hier in der Ewigkeit. 36. Seelige Seele Ich bin von Gott, und bleib ohn Unterlaß in Gott: Das In das bringt mir Heil, das Von hingegen Noth. 37. Feuer der Natur Die Glut die äschert uns so sanfft in Gräbern ein: Ein Haar ist schlecht: auch dem wird sie nicht schädlich seyn. 38. Auch unterm Schatten Merck auf. Die Sonne scheint auch mitten in der Nacht. Auch Gott in dem, der es gleich nimmer nimmt in acht. 39. Gott schauen Die Reinen schauen Gott in Gott: in ihnen nicht: Dann, so sie ledig stehn, ist Gott Bild, Aug und Licht. 40. Gott und Nechster, Glauben und Wercke Gott und den Nechsten seh ich bey einander stehn, Der Nechste wil auf Werck, und Gott auf Glauben gehn. 41. Arbeite oder Ruhe Mensch sey ohn dich, auch nicht. Wo nicht, so beuge für, Daß du hier seyst in Gott, wie Gott dort ist in dir. 42. Ohn Ursache Die Sonne scheint. Warumb? Sie scheint, weil sie muß scheinen, Ihr Art zwingt sie darzu. So solt du Gott bloß meinen. 43. In einem Ruh Kein Ding, noch Werck, noch Kunst, noch Wort, Mensch, schafft dir Ruh, Wer dieses alles läst, ist blos geschickt dazu. 44. Sich Gott ergeben, Das beste Leben Mensch, sol dein Willen recht in Gottes Willen stehn, So muß der deine gantz in seinem untergehn. 45. Das beständige Ein Stab im Circkel steht, der andre mißt und trägt, So steht der innre Mensch, der aüsre wird bewegt. 46. Es liegt am Willen Nichts schleust dich aus, nichts setzt dich in der Weisheit Schoos: Was nennst du dis und das, dein Willen thut es bloß. 47. Eva: Ave: Adem: Made: Natur: Natter Hätt Eva nicht erlangt durch Ave eine Cur: Wär Adem Made noch, und Natter die Natur. 48. Geheimnüs Gott kan sich selbst als Gott, doch nicht als Gottheit lieben, Und darum wird er Mensch, und ist doch Gott geblieben. 49. Das Gute Was liebst du? Guts. Wie so? Gut ist ein iedes Wesen, Wär es ohn Gott. Ich hätt ohn Gott das Gut erlesen. 50. Ohne Rache Der Weise sucht, ob du ihn hundertmal erschlagen, Stünd er so vielmal auf, dir Seegen anzutragen. 51. Folge Gott Was Gott wil. Dieses ist das best in allen Dingen: Mensch folge, solt es dich umb Leib und Leben bringen. 52. Y Hier Himmel, Hölle da. Der Tod ist beyder Thür. Thu Buß, o Mensch, du kommst noch auf der Schwellen für. 53. Klarheit der Seelen Die Sonn ist hell und klar. Viel tausend tausend mahl Die Seele mehr: weil sie von Gott ein Geist und Strahl. 54. Das finstere Nicht Die Seele sieht dis nicht, die in die Hölle rennt, Was die erwehlte sieht. Dasselbe Nicht das brennt. 55. Der verkehrte Wahn Der ungerechte Wahn der predigt mir von Sünden: Ihn seh ich Ruth und Peitsch auf mein Gewissen binden. 56. Kehr umb Wann du den Rücken kehrst der klaren Sonne zu, Und siehest nicht ihr Licht. Wer machts? Sie oder du. 57. Sünde Ist Sünde was? Wer hat ihr Wesen ausgemacht, Und ist sie aber nichts? Was hat den Fall gebracht. 58. Das Nothwendige Einige Was nicht von Gott, wie wir, geschaffen ist, ist nicht. Es ist ein Einger Gott aus Ewger Noth und Pflicht. 59. Licht und Finsternüs Mensch, Licht und Finsternüß das theilet sich vor Gott. Im Lichten hast du Heil, im Finstern Sünd und Tod. 60. Der unwandelbare Gott Gott ist im Wollen steiff, im Wircken unbewegt: Der zeugt, daß er geirrt, der was zu ändern pflegt. 61. Gutes und Böses Besteht das Bös und Gut; entstehn Zwey ewge Sachen. Ein ists. Ein Lästern ists: aus Gott Zwey Götter machen. 62. Glück dein Unglück Je weiter du vom Glück: ie näher bist du Gott. Dann was er wil und ist, wil und ist Er aus Noth. 63. Innerlicher Kampff Wer triumphirt? Hie Fleisch. Da Geist: entzwischen Krieg: Das Fleisch? Du hast verspielt. Der Geist? Dein ist der Sieg. 64. Gnad und Straffe Das gut ist voller Lohn, das böse voller Pein. O Mensch, wie sol in dir nicht Höll und Himmel seyn? 65. Das Ewig wirckende hat ein Ewig leidendes Ist Gott wol kräfftiger. Wer kan mich hier entscheiden Am Wircken, oder ja vielmehr die Seel an Leiden? 66. In Gott Nihm alles hin, was du der Seelen zugelegt, Sie hat kein Unterlag und wird durch sich bewegt. 67. Ewige Versehung Eh als der Himmel lieff, und selbst die Erde stund, Schloß Gott (ich war schon da in Christo) mich in Bund. 68. Überall in der Mitten Wann du das O erreichst, so kommst du in das A, Du bist Gott überall, Er dir ingleichen da. 69. Ie beßer, ie gemeiner Der treue Gott ist dir gantz heimlich und gemein, Das Sein ist Dein, und dann das Dein ist wieder Sein. 70. Eiteler Glaube Wir traun, und niemand kriegt des Glaubens Pfand und Ziel: Die Ursach ist, wir traun und glauben gar zu viel. 71. Das Ende der Wissenschafft ist bald da In sich kan niemand nicht der Sinnen Ursprung finden, Wann wilt du, lieber Mensch, das höchste Gut ergründen? 72. Der Beruff das seeligste Der auf dem Schemmel flickt, und sich um Brod bemüht, Erlangt mit dem ein Lohn, der vor dem Altar kniet. 73. Dreyfaltige Einigkeit, Einige Dreyfaltigkeit Im Geist: im Sinn: im Mund: (in Einem hast du Drey) Wird iedes Wort gebohrn: Mensch, laß es nicht vorbey. 74. Durchdringende Liebe Daß alles für sich schmeck: und Gott voraus in allen: So laß das Saltz der Lieb auf deine Wercke fallen. 75. Gründe dich fester Wann ich nicht auf mir blieb, ich wär ohn Wahn und Sünde: Der Willen könte das, was die Vernunfft verstünde. 76. Liebe ist nicht schwer O Mensch, dein seelig seyn, laß nur Gott drüber walten, Ist leichter zu vollziehn, als ein Scheit Holtz zu spalten. 77. Suche, so findest du Nihm deine Seel in acht, sie sey auch, wo sie sey, So kommt am nechsten sie der Ersten Sache bey. 78. Wol scheiden, wol einen Der hat das höchst erlangt auf seiner Himmels Bahn, Der Gott von Gott durch Gott in sich entscheiden kan. 79. Weiter darunten Wilt du, was Gott ist, sehn, nihm alles von ihm hin, Was zu und aus ihm geht: Vielleicht erblickst du ihn. 80. Seelige Einwendung Es ist ein grösser Werck als Erd und Himmel baun: Aus einer freyen Noth in seine Seele schaun. 81. Hinterm Ausflusse Wilt du erfahren, wo des Weisen Seele sey, Geh aus, und frage Gott, ob sie noch nicht vorbey? 82. Gott in Uns: Wir in Gott Gott danck ich nicht: daß er mir Seel und Leib gegeben, Dis danck ich Gott, daß er selbst ist, was leben. 83. Nach allen in Einem Wann Gott und auch die Seel ihr Wesen gantz vereinen, Verlieren beyd ihr Werck: sind seelig in dem Einen. 84. Zug vom Himmel Mensch, daß du steigest auf, wil Gott herunter kommen: Nihm seiner wahr, wilt du seyn oben aufgenommen. 85. Freyer Stand Wer dis kan, was er wil: und wil dis, was er sol, Der ist im Kercker frey, dem ist in Aengsten wol. 86. Der unbewegliche Grund Nihm alles weg, was wir der Seelen unterlegen. Du hast die Erste Sach: und kanst die Welt bewegen. 87. Der ewige Gegenwurff Wirckt Gott: so wird die Welt: und das von Ewigkeit: Das höchste Wesen weiß vor sich von keiner Zeit. 88. Das durchstrebende Wesen Was in das Wesen kommt, entwird dem, das es ist, Und wird dis, daß es war, eh als es dis erkiest. 89. Seelige Sicherheit O Seele lieg und ruh in deines Gottes Willen: Wilt du, was Gott, so wird Gott, was du wilt, erfüllen. 90. Schmack der Seeligkeit Der Zungen schmeckt das Fleisch, nach dem da ihre Lust: Wie ie und immer schmeckt der Seelen ihre Kost. 91. Circkel der Ewigkeit Das unterste das hat das oberst auserkiest, Dieweil das oberste gleichwie das unterst ist. 92. Jeder vor sich Ich bin ein Mensch und so muß ich mit vielen wandern, Doch das Ich bin, das ist bloß mein und keines andern. 93. Wo bewegen: Da Leben Wer spricht: Die Erd ist todt, draus Thier und Menschen kommen, Und wieder in sie gehn, dem ist Vernunfft benommen. 94. Mannigfaltige Einigkeit Schau in die Seel, in der siehst du sie einig seyn, Sonst ist in dir kein Glied den andern nicht gemein. 95. Ie inniger, ie einiger Sind alle Ding in dir, was suchst du aussen sie? Das Werck hat aussen viel, in dir nur eine Müh. 96. Unermeßlicher Abgrund Wann sich die Seele kehrt von Gott und seinem Willen, Kan sie in Ewigkeit kein einge Sache stillen. 97. Ewiges Verbindnüß Nichts kan die Seele Gott, noch Gott der Seelen rauben: Denn Seel und Gott sind eins: Was bindt sie so? Der Glauben. 98. Wie der Zeug, so das Werck Es ist ein Geist, der wirckt, und bringt itzt Ertzt, itzt Thier, Ietzt Kraut, und ietzt, der Reich ihr Haupt, den Menschen für. 99. Mir genügt an Einem Nihm Gott und dann in Ihm den Umbschweiff dieser Welt, Wie viel du hast, du hast doch nichts, wann Gott entfält. 100. Alles fragt nach Gott Ein Wurm, ein Kraut, ein Stein /:ach köntest du es lesen:/ Weiß sonst kein Wort, als das: Ich eil ins höchste Wesen.