Kaiser Rudolf von Habsburg und der Graf von Falkenstein Vorm Falkenstein, vor'm Falkenstein des Reiches Herold rief: »Herr Ruppert, laßt das Rauben sein! Lest Kaiser Rudolfs Brief: Wer Friede bricht im Land und Recht mit Schwertgewalt und Zwang, Der hängt, sei's Ritter oder Knecht, als Räuber an dem Strang.« Da warf vom hohen Falkenstein der Graf ein hänfen Seil: »Dem kleinen Schweizergräfelein, dem Krämerkaiser Heil! Er hänge mich mit meinem Strang in meinem eignen Tor: Doch bring' den Galgen, stark und lang, er hier heraus zuvor.« Der Herold nahm das Seil und ging. Der Graf schickt Boten aus: »Vogt Geierstein, Graf Drachenring, ich lad' euch in mein Haus. Die Etschbrück' hält mein Bruder gut, sonst führt kein Paß herein: So lang noch Wasser ersäufen tut, ist sicher der Falkenstein.« Und es zog mit zwanzigtausend Mann der Kaiser landaus, landein: Zwölf Richter zogen ihm voran, zwölf Henker hinterdrein. Er zog mit Macht durch alles Land: er kam wie Sonnenschein, Und wo er eine Raubburg fand, – gebrochen mußte sie sein; Und es segneten Witwen und Waisen ihn, was schwach und schirmlos war Und alle Geier mußten fliehn vor dem kaiserlichen Aar. Doch als er kam gen Falkenschloß, ein Wolkenbruch geschah: Die Etsch geschwellt wie wütend schoß, kein Steg war fern und nah. Da hob der Kaiser fromm und rein die Hände gen Himmel auf: »Laß hemmen nicht dies Wässerlein, Herr, deines Rechtes Lauf. Ich selbst, der ich kann kein Wunder tun, mein Roß einst schenkt' ich dir: – Du hilf mir durch dies Wasser nun, wie in der Schweiz ich dir.« Sieh, da kam goldner Sonnenschein und vom Himmel kam Mittagsbrand: Die wilde Etsch war zahm und klein, eh' der Abend ging ins Land. Am zweiten Tag durch ihr Bette ging der Kaiser trocken und heil, Am dritten Tag Graf Ruppert hing in seinem eignen Seil: In seinem eignen Tor er hing: doch hing er nicht allein: Es hing dabei Graf Drachenring und der Vogt von Geierstein.