Der Erdgeist und das Mädchen 1. Oftmals ging die weiße Mila, Mila mit den roten Locken, In das dunkle Waldgebirge, Wo des Erdgeists Höhle lag. Und sie kränzt die roten Locken Mit den blauen Glockenblumen, Und sie streckt die weißen Arme Schimmernd nach der Felsschlucht aus. »Erdgeist,« ruft sie spottend, »lieber, Dunkler, feuerschöner Erdgeist, Komm hervor und laß dich schauen: Denn mein Herz verlangt nach dir.« Und dann braust es in den Schlünden Und dann zuckt es in den Felsen Und dann grollt es in den Tiefen, Dampf und Funken steigen auf. Und der Geist rief aus dem Berge: »Kind, laß ab, mich zu verspotten, Kind, laß ab, mich aufzureizen, Denn du quälst mich freventlich. Sieh, es zucket in den Felsen, Weil dein Ruf mein Mark durchdringet, Und es sprühen rote Funken, Weil dein Bild mein Herz entflammt. Zittre, wenn ich, deinem Rufe Folgend, aus der Tiefe steige: Ich zerstöre, was ich liebe Und mein Kuß ist Flammentod.« Doch es lacht die weiße Mila Und sie schüttelt keck die Locken: »Also ich, das kleine Mädchen, Quäle dich, den mächt'gen Geist? Erdgeist, sieh, das eben freut mich! Zucke nur, und glüh' und leide! – Und es lüstet mich auch sehnlich, Und es reizt mich, dich zu schau'n. Und nicht fürcht' ich deine Flammen, Weil mich weise Mönche lehrten, Augenblicks mußt du erliegen Vor dem einen Wörtlein: – 'Kreuz.' Sieh, schon ruht der Felsen Zucken, Es versiegen Dampf und Funken Und in Ohnmacht sinkt dein Toben, Weil ich nur dies Wörtlein sprach.« 2. Süß die Lindendüfte hauchten, Heiß die Nachtigallen schlugen Durch die dunkle, liebesschwüle, Liebestrunkne Sommernacht. Neckend halb und halb in Sehnsucht Flüstert an den Fels geschmieget Mila leise Liebesworte Und ihr Busen wogt und wallt: »Steig' empor doch, dunkler Erdgeist! Mächtig sehnt mich's, dich zu schauen: Zucken fühl' ich deine Felsen, Funken sprühst du wie noch nie. Mich verdrießt der matten Herzen, Die mich frei'n, der Erdenknaben: Steig' empor, denn meine Seele Ahnet dich als artverwandt.« Da erkracht im Grund die Erde Und aus urwelttiefem Schoße Steigt in Glut und Pracht und Lohe Schrecklich schön der Gott empor: Auf dem Haupt die Feuerkrone, Auf den Schultern schwarze Locken: Göttlich traurig sind die Augen Und doch jeder Blick ein Blitz. Stolz und still und majestätisch Breitet weit er aus die Arme Und ein Flammenpurpurmantel Flutet herrlich um ihn her. Da vergißt der Priesterweisheit Und des Rettungswörtleins Mila, Und nur ein Wort kann sie denken, Kann sie flüstern: »O wie schön!« Und in seine Arme sinkt sie, Weiße Glut steigt auf und schweigend, Triumphierend in die Tiefe Trägt der Erdgeist seine Braut.