Der Wanderer und die Amsel »Schwarzamsel hoch im Ulmenast, Was ist's, das du gesungen hast, Gesungen im Sonnenuntergang? Es war ein süßer, frommer Klang. Im Ulmenbaum, vom Wipfelast, Sag' an, was du gesungen hast: Ich möcht' es gern erkunden – Vielleicht macht mich's gesunden.« »Ich singe froh aus voller Brust Die reiche, reiche Sommerlust! Ich sing' sie in die weite Welt! Wie gut ist alles rings bestellt: Wie sind die roten Wolken schön Da droben in den blauen Höhn, Wie warm der liebe Sonnenschein, Der Himmel, wie so klar und rein! Wie flutet durch die laue Luft Der abendliche Maienduft Von Blüten ohne Zahl: Wie friedlich ruht das Tal, Wie feierlich der Buchwald steht: Ein Rauschen durch die Wipfel geht, Ein Rauschen geht durch Rohr und Ried: Wird da die Seele nicht zum Lied? Leg' ab auch du, betrübter Gast, Die Last, die du zu tragen hast!« »Schwarzamsel hoch im Ulmenast, Der Sang, den du gesungen hast, Ist süß und hold gewesen: – Mich macht er nicht genesen: Denn wiss', es gibt viel schlimmer Leid, Als Sturm und Schnee zur Winterzeit: Die Menschenbrust hegt tiefern Schmerz! Dein frohes, kleines Vogelherz Kann sich's nicht träumen lassen! Es würd' ihn gar nicht fassen: Und faßt' es ihn, so wär's vorbei Mit seiner jauchzenden Melodei. Ach, was weißt du von Reu' und Schuld Und von verlorner Gotteshuld! Drum sing' du weiter froh und rein, Sing' hell in Gottes Welt hinein Und laß mit meinen Wehn Mich meiner Straße gehn.« So sang ich einst, von Reu' gequält! Wer hat nie gegen Gott gefehlt? Jedoch, entsühnt durch seine Gnade, Voll Friedens wandl' ich meine Pfade: Und dankbar, wie der Vöglein Schar, Bring' ich ihm Lied und Leben dar. –