Der Streit um die Krone Aufgeschwebt zu Ormuzds Hallen War der Perser großer König, Jezdedscherd, der Held und Sieger, Den der Feind den Starken nannte, Doch den Guten seine Völker: – Jezdedscherd, der Löwentöter, Der mit eigner Hand erschlagen Hatte hundertachtzig Leu'n. – Baram wurde, seinem Sohne, Erb- und Kronrecht scharf bestritten Von dem Kesra, dem Betrüger, Der des Königs Sproß sich rühmte Und als Bastard schmähte Baram. – Doch das schlaue Haupt der Magier Plante beiden Wettbewerbern Um die Tiara Untergang. Denn mit starker Hand gebändigt, Wie vor ihm kein Sassanide, Hatte Jezdedscherd die Magier: Nicht der Priester, nein, der König War des Reiches Herr gewesen. Wenig lieben das die Magier: Und der alte kluge Mobed Sann auf Sturz des Königtums. – Also sprach er zu dem Volke: »Nicht mit Waffen soll'n die beiden Prinzen euch und sich zerfleischen Um den Thron im Brüderkampfe: Ormuzd gab mir Offenbarung, Wie sich, sonder Blut der Perser, Wird das bess're Recht entscheiden Und das Echtblut Jezdedscherds. Nach Madân, dem alten Stammschloß Und dem Grab der Sassaniden, Lad' ich vor die beiden Prinzen Und der Perser Volk und Adel Über dreimal sieben Tage: Da wird offen sich erwahren, Wer von beiden ist der echte Sohn und Erbe Jezdedscherds.« – Nach Madân, dem alten Stammschloß, Strömte zum bestimmten Tage Alles Perservolk zusammen. Auf den hundert Porphyrstufen Standen sie des tiefen Zwingers; Ringsum schauten von der Gräber Hohen Marmormauern nieder Hehrer Königsbilder viel. Eingemeißelt schauten nieder, Haar und Bart gedreht in Locken, In den Augen Edelsteine, Hochbediademte Herrscher, Die auf Sichelwagen rollten Feierlich und unbeweglich Über hingemähte Völker. – Doch der kluge Mobed sprach: »Kennt ihr diese weiße Tiara, Eurer Kön'ge heil'ge Krone? – Seht, an langem Seile lass' ich In die Mitte just des Zwingers Niedergleiten die Besternte: Links und rechts von ihr – vernehmt ihr Aus den Gittern das Gebrülle? – Liegen zwei gewalt'ge Leu'n. Hungern ließ ich sie drei Tage. Seht, nun springen auf die Gitter, Seht, sie droh'n, sich zu zerreißen! – Wer die Tiara aus der Mitte Dieser beiden Leu'n sich holt, – ihn Anerkennen wir als Erben Jezdedscherds und unsern König, – Aber keinen andern Mann.« Da sprach Kesra, der Betrüger – Er erbebte und erbleichte –: »Baram, dir gebührt der Vortritt, Da du dich den Ältern rühmest.« Aber Baram, er, der Schlanke, Sprach kein Wort: hinab zum Zwinger Stieg er raschen Schritts die Stufen, In der Hand des Vaters Schwert. Um die Linke, statt des Schildes, Schlägt er seinen Purpurmantel, Und den Wärtern winkt er: »Öffnet!« – In den Zwinger tritt der Jüngling; Atemlos schaut auf ihn nieder Alles Volk der Perser, aber Mobed flüstert zu den Seinen: »Schon sind wir des Kühnern frei.« Grimmig hatten sich bisher die Beiden Leu'n, des Sprungs gewärtig, Angestarrt, die fürchterlichen Pranken vorgestreckt, nach oben Leis' den Hinterbug gehoben, Mit dem Schweif die Flanken peitschend: Stacheln gleich die Mähne sträubend Mit entsetzlichem Gebrüll. Keiner ließ den Blick des Auges Von des Gegners Auge gleiten; Aus dem Rachen troff vor Hunger, Troff vor Gier und Wut der Geifer; Jeder maß genau die Weite, Maß die Höhe, daß er sicher Auf des Feindes Nacken wage Überwältigenden Sprung. Doch sowie sie nun den Jüngling Schreiten sahen in den Zwinger, Wie des Menschen Duft sie sogen, Stürzten sie sich beide wütend Auf die schwäch're, süß're Beute. – Durch das Auge ins Gehirn stieß Sichrer Hand der Held dem einen Ungetüm den scharfen Stahl. Und bevor das Haupt das andre Aus dem falt'gen Mantel wirrte, Fuhr ihm in den Nackenwirbel Und ins Lebensmark die Waffe. – Links und rechts lag ohne Zucken, Tot, ein Löwe neben Baram, Und er hob die blutbesprengte Tiara auf das schöne Haupt. – Da rief alles Volk der Perser: »Heil dir, Sohn des Löwentöters! Heil dir, Sproß der Sassaniden! Heil dir, König aller Perser.« Mobed floh zur Rechten, Kesra Floh zur Linken in das Blachfeld: »Soll'n wir sie verfolgen?« fragte Baram sein getreues Volk. »Laßt sie laufen!« lachte Baram. »Aber wenn sie wiederkommen?« »Wenn sie wirklich wiederkommen,« Sprach der König, in die Scheide Stoßend sein gesäubert Schlachtschwert, »Schick' ich beiden nicht ein Kriegsheer, – Einen Löwenschwanz entgegen: – Das genügt. – Sie kehren um!« –