Die tote Nachtigall Ach, daß am Fuß der duft'gen Linde, Die oft dein wonnig Lied durchdrang, Ich tot dich, glüh'nder Sänger, finde! Ob dir vor Drang das Herz zersprang? Oft liegt Verderben im Gesang! Dem Sänger Heil, des heiße Jugend Die Kraft geübt hat, nicht entweiht, Daß ihm der Dichtung höchste Tugend, Des Maßes stille Heiligkeit, Nun vollgereift das Alter leiht. Oft denk' ich dein wildfeurig Singen, Du allzu kühner Spielgenoß, O Heinrich, du von Ofterdingen: Wann voll das Lied vom Mund dir floß, Wie heiß dein Blick dann Flammen schoß! Wohin hat dich der Sturm vertragen, Du heller, stolzer, junger Stern? Verlodert bist du und zerschlagen, Eh' voll gefestigt war dein Kern. – Wem's besser ward, der dankt's dem Herrn. Heißherzig, kleines Singeseelchen, Dich bett' ich hier nach Waldesbrauch In grünem Moos –: da singt Rotkehlchen Das Grablied dir vom Rosenstrauch, Und über dir Sang, Duft und Hauch. – Wo wirst einst du wohl schlummern, Walther? O legt mich in den Domhof nicht, Wo mir ein Marbelstein, ein kalter, Ruht auf der Brust mit Lastgewicht, Absperrend Himmel, Luft und Licht. Nein! In den Wald sollt ihr mich tragen Und betten unter'm Moose grün, Daß Nachtigallen um mich schlagen, Und wilde Rosen um mich blühn: Und, wann des Winters Flocken sprühn, Auf meinem schneebefreiten Grabe Sollt ihr den Vöglein Futter streun, Daß sie an ihres Freundes Gabe, Wann Frost und Hunger sie bedräun, Noch lang nach seinem Tod sich freun. Ob dann wohl in der Sterne Hallen Mein Saitenspiel aufs neue klingt? Ob, gleich der Brust der Nachtigallen, Die Saite, die im Herzen schwingt, Für immerdar im Tode springt? Wer weiß es! – Walther, sei zufrieden Mit dem, was dir auf Erden ward: Denn wem das Schöne ward beschieden, Der hat – ihm ist der Tod nicht hart – Die Ewigkeit in Gegenwart.