Rückblick Seit zwanzig Jahren steht nun unser Reich, Und wohl geziemt's, den Blick darauf zu lenken, Wie es geworden ist und wie es ist! – Was wißt ihr Knaben, selbst ihr Jünglinge, Von all' dem Gram, dem Zorn, dem wilden Weh, Der immer wieder aufgelebten Hoffnung Und ach! dem stets erneuten Hoffnungstod, Von der Verzweiflung, welche wechselnd uns, Das ältere Geschlecht, jahrzehntelang Gequält, genarrt, empört und matt gehetzt! Ich denke jenes sonn'gen Februars, Da über'n Rhein her so verheißungsvoll Der Völkerfrühling zu den Deutschen zog: O welche Wonne, welcher Jugendschwung! Da schien kein Ziel zu hoch, zu kühn kein Wunsch: Und wirklich: über Torheit, Kampf und Wirrsal Stieg tröstend auf das alte deutsche Traumbild Vom Kaiser und vom Reich! – – Es blieb ein Traum. Der Mann, der ihn erfüllen sollte, ach! Der träumte selbst! – Die Krone war gefunden, Der Kaiser aber fehlte! – Und der Däne Riß Schleswig-Holstein in sein Joch zurück Und als Piratenflagge drohte England Der deutschen Flotte Flagge zu verfolgen, Und hilflos schien der Zwietracht, Schmach und Ohnmacht Für immerdar verfallen unser Volk! – – Lang war der dumpfe Schlaf, der Todesschlaf: Da horch! Was klingt so hell her von der Schlei, So kriegerisch, ein Weckeruf von Erz? Das ist der Klang der preußischen Trompete! Bei Gott! Ein Weckruf für das deutsche Volk! Und einen neuen Akt der Weltgeschichte Verkündet er dem staunenden Europa! – Zwar durch des Bruderkrieges dunklen Engpaß Bricht Blut und Eisen nun sich furchtbar Bahn Und banger Zweifel drückt: »Wird den Besiegten Die Wunde der Besiegung je verharschen? Wird uns der Fremde einig finden, wenn ...« Da horch! Was klingt so hell her von dem Rhein? Das ist der Klang der preußischen Trompete! Er ruft zum Schutz des Vaterlands: – und schon Antwortet ihm des Bayern Jägerhorn, Schon eilt zuerst der Bayer, Schwabe, Sachse Zur Wacht am Rhein. – Und nun wird all' die Torheit Der Fürsten und der Stämme Neid und Haß, Wird all' die Schuld von sechs Jahrhunderten Im Gottesurteil nie erhörter Siege, In Schlachtenglut geläutert und gesühnt: Auf Straßburgs Münster weht die deutsche Fahne Und in dem Prunkgemach des »Königs Sonne« Geht Deutschlands Siegessonne leuchtend auf! Erstanden ist der Kaiser und das Reich Und an die Brust sich sinken die Versöhnten, Die Brüder, von den Alpen bis zum Belt! – – Und nun? Und heut'? Ach, in die Gruft gesunken Sind Kaiser Barbablanca und sein Sohn! Nur Kanzler noch und Marschall blieben uns Als große Zeugen einer großen Zeit. Und aus dem Volk, das so Gewaltiges Erlebt, erschallt das Frevelwort der Schmach: »Auch Deutschlands Siegessäulen müssen fallen!« Und nicht nur die Germania dort von Erz, – Nein, die lebendige Germania, Geschändet soll sie sein und ausgetilgt, – Zerstört, was jedem Deutschen heilig war, In Haus und Herd, im Wald wie am Altar, Ja, was von Welschen uns und Slawen trennt! Ein ekler Brei, »die Menschheit« mißgenannt, Soll unser deutsches Volkstum uns ersetzen! Und andre keifen: »So! Nun haben wir Das viel ersehnte Reich: und sieh', es bringt Uns neue Lasten nur und Müh' und Arbeit!« O ihr Vergeßlichen! Ihr Undankbaren! Ist euch entfallen schon die Zeit der Schmach? Soll euch erst neues Unheil wieder lehren, Der Turko, der Kosak, der Petroleur, Was ihr gewannt an Kaiser und an Reich? Ihr andern aber, denen noch das Herz Beim Namen Deutschland höher schlägt, die ihr Ein Vaterland noch kennt und eine Pflicht Und noch Begeisterung für deutsche Ehre, – O, leget in den Schoß die Hände nicht, Sprecht nicht: »Nun steht das Reich: nun nehm' der Kaiser Das Reich in acht!« – Kein Feldherr ohne Heer Vermag zu siegen: aber ihr, ihr alle Seid dieses Feldherrn Heer. So schließt die Reihn, Und alle eure Kräfte wendet auf: Nicht Einer fehle und nicht Einer wanke! Denn nur der Geist, der dieses Reich geschaffen, Der Geist des Heldentums, der Pflicht und Ehre, – Nur er wird auch erhalten dieses Reich! –