Vogelgesang Nicht ward mir durch des Himmels Gunst Herrn Salomonis weise Kunst, Der Vogelsprachekundig war: Doch acht' ich fein manch langes Jahr Auf mancher Vöglein Wort und Sang: – Nun hört, wie mir das widerklang: An dem Bach, in der Weide, Da bau' ich mein Nest: O wie woget die Heide So wohlig im West. Das Gewitter verzogen, – Die Lüfte geklärt, – Ein schimmernder Bogen Eint Himmel und Erd'! Von dem Baum nur gelinde Noch träuft es wie Tau, Und die duftigen Winde Gehn über die Au: Drum nochmal erhoben Die Lieder vor Rast, Um den Sommer zu loben, Den freundlichen Gast. Lustig durch die Zweige hüpft sich's, Lustig durch die Sträuche schlüpft sich's, Heute hier und morgen dort: – Lange taugt's an keinem Ort! Brüder, laßt euch nichts gefallen! Braucht die Schnäbel und die Krallen: Nur mit Beißen und mit Kratzen Hält man sich vom Leib die Spatzen: Wenn wir viel mit ihnen laufen, Zählt man uns zu ihrem Haufen! Weither aus Indien komm' ich geflogen Über die Ströme, die Berge, das Meer: Fort aus den sonnigen Palmen gezogen Hat's mich zum Schatten der Linden hieher. Habe genistet in Marmorpagoden, Wo in den Wassern die Lotos erglüht, Aber mich zog's zu dem fränkischen Boden, Der da im Märzen von Veilchen erblüht. Ei! Und da find' ich die alten Gesellen! Munter, Herr Finke? wie geht es, Herr Specht? Dir soll ich Grüße vom Storche bestellen, Der in pontinischen Sümpfen noch zecht. Siehe, sie haben mein Nest mir gelassen: Oben am Kirchturm hanget es schwank: Segen und Heil in die friedlichen Gassen Sing ich hernieder zu freundlichem Dank. Jetzt rieseln alle Bronnen, Jetzt grünt es weit und breit: Der Frühling hat's gewonnen, Jetzt ist viel gute Zeit! Ich sitz' im Ulmengipfel, Und schaue weit umher: Da schwanken alle Wipfel, Von weißen Blüten schwer. Ich lobe dich mit Schallen, Ich lobe dich lustentbrannt, Ich lobe dich laut vor allen, Du schönes, deutsches Land! Ihr wißt es nicht, ihr andern, Wie streng des Winters Hand: Euch führt ein unstet Wandern Im Herbst an fernen Strand; Ich aber bleib' zu Hause: Wie kalt die Nächte sei'n, Wie grimm der Nordwind brause Durch den entlaubten Hain. Ihr wißt nicht, wie am Strauche Der Schnee hier lastend liegt, Wenn euch mit lauem Hauche Die Luft Ausoniens wiegt. Ihr kennt auch nicht die Wonne, Wann Lenz und Licht gesiegt, Und in der Märzensonne Der erste Falter fliegt. Nicht neid' ich euch das Wandern Und trage stolzen Sinn, Daß eben ich vor andern Ein deutscher Vogel bin. Mönch. O Schwarzkapuz, mein Scheiteldach, Grau Mönchgewand, mein Kleid! Mein Außen tot: – mein Herz heißwach In Minnelust und -leid! Der Distelfink trägt bunt Gewand: Wie laut der Kreischer schreit! Ich neid' ihn nicht: mir ist bekannt Der Minne Lust und Leid. Wann holde Frau'n zu Walde gehn, Dann sing' ich leis und weit: Und alle bleiben flüsternd stehn: »Horch! Minnelust und -leid.« Ein Ritter war ich, jung und kühn, In stolzem Waffenkleid: Zu heiß war meines Herzens Glühn In Minnelust und -leid. Ich warb, wo ich nicht werben sollt', Denn Gottes war die Maid: Da hat Sankt Petrus mir gegrollt Um Minnelust und -leid: Verwünschte mich in Vogelleib Mit Mönches Farb' und Kleid: Da sprach zu Gott das edle Weib: »Um Minnelust und -leid, – Herr, ist die Strafe nicht zu schwer?« – Gott sprach: »ich tröst' ihn, Maid: Kein Vogel singe süß wie er Von Minnelust und -leid.« – – O Schwarzkapuz, mein Scheiteljoch, Grau Mönchsgewand, mein Kleid: Mit keinem Vöglein tausch' ich doch: Heil, Minnelust und -leid. Himmelan, himmelan, Sang und Gefieder! Höher als Flügel kann Tragen die Lieder! Himmelan! – Höher noch Lied und Gefieder: Hoch auf der Berge Joch Schau' ich schon nieder. Himmelan! Höher noch Muß ich mich schwingen: Könnte zum Herren doch Völlig ich dringen. Daß ihm mein Jubelsang Danken doch könnte, Daß er im Überschwang Gnaden uns gönnte, Daß er uns gab die Luft, Froh drin zu schweben, Grünende Unterschluft, Leis drin zu leben, Daß er uns gab den Mai, Saaten und Ernte, Daß er vom Nest den Weih Schirmend uns fernte, Daß er uns Fuchs vertrieb, Marder und Wiesel, Daß uns ersparet blieb Hagelgeriesel, Daß er die Schlange fern Hielt von euch Jungen, Kinder, auch ihr dem Herrn Kindlich gesungen! – Daß er den Menschen weit, Weit von uns scheuchte, Wechselnd uns warme Zeit Schenkte mit Feuchte, Daß er uns tief im Schnee Wahrte manch' Körnlein, Mitten im Winterweh Beeren am Dörnlein, Bis sich nun voll geneut Sommer, der milde, Der uns den Segen streut Auf die Gefilde. – Aber der Flügelschwung Will schon versagen, Langsam zur Niederung Laß ich mich tragen, Sinkend vom linden West Dahin gewieget, Wo in der Saat das Nest Lauschig mir lieget. Gott hört mein Lied auch dort Im Gräserschwanken, Hört es an jedem Ort, Wo wir ihm danken. Herr Gott, dich loben wir Hoch in den Sternen: Menschen, ihr sollt von mir Dankbarkeit lernen.