Zweifel
Psalm eines Verstoßenen.
Jetzt ist es aus! jetzt bin ich
ganz
zerrissen!
Nun brach vom Herzen mir das letzte kleine
Stück Hoffnung noch, das letzte eine
gerettete aus meinen Bitternissen.
Wimmernd zerbarst die letzte Saite
des Glaubens mir an Glück und Fried:
der Jammer heult in mir sein marternd Lied,
und gramverwüstet starr' ich in die Weite.
Hinaus, hinaus, wo keine
Menschen
sind!
O raffte mich empor ein glühender Wind,
verschlüg' er mein Gebein verdorrt in Steppen,
durch die aashungrig nur der Schakal schleicht!
ich kann die Last nicht weiterschleppen ...
In des Frühlingswaldes dichteste Schatten
flüchte hinaus, mein Leid, mit mir!
in die bangesten Schluchten will ich mich bergen,
daß ich allein sei, allein mit
dir,
bis du endlich magst ermatten,
bis ich auch
dich
dann zu den Särgen
schichten kann, die im Grabgewölbe
meines tiefdumpfeinsamen Busens stehn.
Oh,
jetzt nicht
mehr: »hinan, hinauf,
kühnen Wunsches, seligen Mutes voll,
mit Adlersfittigen, über steile Pfade,
zu Dir, Dir, Sonne meines Lebens« – –
vorbei! hinweg! –
O wie träumt' ich süß,
ich Wahnverzückter,
versunken in ihren Strahlenblick,
in das goldene Sonnenauge:
»Bin ich nicht
auch
stark und gut?
stärker als ich
ahne?!
Sonnenauge, Du
winkest
mir?
Sonnenseele,
sehnest
dich nach mir?!
Sonne, dich fassen! Sonne, dich halten!
Sonne, für und für
deine reine Flamme lassen walten
durch die flackernde lodernde Seele mir!
Ueber Gipfel mich heben! auf Wolken schreiten!
Meine
Gluten in
deine
gießen!
Sicher dich tragend, von
Dir
getragen,
zum Doppelgestirn uns zusammenschließen!
Sprühende Funken nach unten spreiten
den Erdensöhnen, den Menschenbrüdern!
Rauschend auf sausendem Feuerwagen,
Sonne dich singen, Sonne dich sagen
in ewigen Lauten, ewigen Worten, ewigen Liedern!«
– –
Aus! aus!
– –
Nein! nein! sah ich sie lächeln
ungerührt, ungetrübt:
Verzichte, verzichte!
Entsagung
übe!
sonst wirst du zunichte
an deiner
Liebe!
–
Nein, ich fühl's: ich bin
nicht
stark!
konnte sie, ach, nicht an mich reißen
mit meinen Blicken, den schwellend heißen!
Meine
Flammen nicht wärmend schaffen,
sengend nur mich selbst erschlaffen! –
Winselnder Thor, der nicht vermocht
Liebe
um
Liebe
zur Blüte zu wecken:
und verwegen willst du die Fingerchen recken
nach den höchsten Früchten der
Menschheit?!
Hörst du sie
höhnen,
die tollen Geister:
»Erhabener Meister,
hüte
dich, Lieber,
du klimmst im
Fieber,
leicht gleitet ein Leben zur Tiefe!
Nur Wenige
führt auf der fährlichen Bahn
die Sonnengnade zum Gipfel hinan;
den Andern ist es, als riefe
im Abgrund lockend die Wasserfee,
und sie schauen hinunter die schwindelnde Höh'
und können es nicht ertragen
und wanken hinab
ins Grab!
Laß
ab
zu wagen,
du
Wahnes
meister,
du Sonnendreister!
Hüte dich, Lieber,
du klimmst im Fieber,
du wirst
zerschellen
unten in des Sturzbachs Wellen!« – –
Wehe, wie sie mich zerfleischen!
wie sie gierig mein Herzblut heischen!
Gnade, Gnade, ihr Finstern!
Weichet
von
mir, ihr Nachtgedanken:
ich bin euer
Herr!
Wie sie zerrend durchs Hirn mir schwanken –
Mitleid! Mitleid! – –
Oh meine Sonne, warum fliehest du mich?
warum den Schatten gabst du mich zum Fraß?
Soll ich denn immer nur in Tiefen ringen,
nie von den
Gipfel
n jauchzen meine Lust! –
Ach,
genug
der Seligkeit des Strebens!
habe genossen sie,
habe gelitten sie:
die bittere süße
Wunde der Menschheit,
in der wißgierig,
wollüstig uns weidend am eigenen Schmerz,
von Ewigkeit zu Ewigkeit
wir wühlen, weinen, wühlen! –
Und
keine
Rast dem selbstgehetzten
kranken Wild als
nur
der Tod?
keine? – –
Recke nicht wehrend den Arm mir entgegen,
du sanfter Gewaltiger! Nein, nicht zwingen
läßt sich Erlösung:
un
gerufen
sollst du mir die Ruhe bringen
einst ... einst?
Aber – wem winkest du?
welch ein Gebilde
verbirgt
dich mir?
So feierlich wallt es einher!
doch thront der Friede auf den ernsten Zügen,
und
diese
Stirne scheint mir
nicht
zu lügen.
Was rührt mich
an?!
Oh, rettend Licht!
ja – ich
erkenne
dich,
Arbeit,
strenge Trösterin, herbe Helferin!
Dank –! Dank –!
Oh nimm mich ganz in deine Arme,
befreie Du mich von meinem Harme!
du bist der Menschheit beigesellt,
daß sie bei Dir Vergessen findet,
wenn nieder sie am
Schmerz
des Strebens fällt,
sich in den Wehen der
Entsagung
windet.
Denn auch
ihr
zwei Heilandinnen:
du, Kunst göttliche,
Hoffnung, himmlische du:
wurdet nicht
ihr auch
geboren
aus der Vermählung der Arbeit
mit dem qualvoll ringenden Erdensohn?!
An Deinen Busen will ich jetzt mich bergen,
Kunst, milde ernste Tochter der Mühsal,
wollen die Zweifel mich wieder beschleichen,
die mir die Kraft aus der Seele nagen,
die mir die Mannheit zerfressen,
daß ich ermattet sinke
aus der Umarmung der Arbeit ...
Und Du, Hoffnung,
Allerbarmerin,
totgeglaubte,
willst auch Du mir wiederkehren?