Ein Märtyrer Jetzt sollt ihr hören ein rauhes Lied, von Zagen und Erbarmen leer! Der Winternachtsturm schreit im Ried und peitscht das Schilf wie Heu umher; vor seinem Schnauben erstarrt das Moor, zerknicken die Binsen, zerbricht das Rohr! – Die Hütte umheult er am Haiderand und schüttelt die Pfosten der rissigen Wand und reißt an den Haspen und Sparren, daß im Froste sie kreischen und knarren und drinnen am Ofen die Kinder erschauern und dichter zum Schooße der Mutter sich kauern. Die streckt von Aengsten dumpf gerührt zum Vater, der finster mit hastiger Faust Flugschriften zu Stößen und Ballen schnürt, die bittenden zitternden Hände: »Ach, Mann! geh nicht durchs Moor! mir graust!« Doch stumm aus dem Packen ein Blatt er zaust und weist ihr die Worte am Ende: Mensch preßte den Menschen in Schmach und Acht, weil Jeder nur immer sich selber bedacht; so habt ihr euch selber zu Knechten gemacht! drum schaart euch, ihr Schwachen, zusammen! Stützt Rücken an Rücken zum rettenden Heer, so schwellen die Wellen zum donnernden Meer, die Fünkchen zu sausenden Flammen! – Die Backen ihm zucken, hart er spricht: »Drum bettle nicht! drum quäl' mich nicht! ich hab's den Genossen geschworen! Der Wahlruf muß heut noch hinüber ins Dorf, sonst mach' ich den Sieg uns verloren!« – »Geh nicht, geh nicht! was schiert der Sieg dein Weib und die jammernden Kleinen! Geh nicht, geh nicht – die zweite Nacht das Eis erst steht! o Gott, es kracht, es bricht! o sieh mich weinen! es schreit zum Himmel! dein Leben ist mein –« Da flackert sein Auge von Zorn und Pein: »Schrei lieber zu Teufel und Hölle!« und grimmig wuchtet die Last er hoch und knirscht, schon tritt er die Schwelle: »Hat's etwa dein Herrgott zu Dank dir gemacht, daß Morgen um Morgen ich muß in den Schacht die Knochen für'n Hungerlohn tragen? und sollte mein Leben nicht Eine Nacht für Glück und Gerechtigkeit wagen?! Leb wohl!« – Ins Schloß die Klinke knallt. Die Windsbraut stöhnt und ächzt im Schlot. Des Mondes Stirne blank und kalt am fahlen Horizonte droht. Der Bergmann glüht; er trieft von Schweiß. Wie Thränenströme flimmern im Eis des Mondes bleiche Blicke. Der Bergmann glüht, der Bergmann keucht, – doch bald: dann hat er die Brüder erreicht, schon glitzern – – da knistert's, da biegt es sich sacht – ein Hilfegestammel – da spellt es und kracht und schollert – – ein Seufzer verbrodelt im Moor, – – schrill winselt's im Schilf, hohl röchelt's im Rohr; hui! zischt es und pfeift's in den Binsen ... Oh rauher, o rauher, mein rauhes Lied! kein Witwengewimmer! kein Waisengestöhn! nach Opfern schreit der Sturm im Ried! – Doch fernher rauscht der Frühlings föhn; dann beben die Schollen, es sprießt die Saat, die Ernte der Schnitter des Elends naht! Dann schmilzt im Sturm das morsche Eis, dann wühlt er die Opfer empor vom Grund, die Helden alle, die Niemand weiß, – und jedes Toten verwitterter Mund wird klaffend nach Rache dann blecken und tausend Lebendige wecken!