Richard Fedor Leopold Dehmel Michel Michael Komödie in fünf Akten Personen Personen. Michel Michael, ein deutscher Bergarbeiter. Lise Lied, sein Mündel. Die Frau Venus. Tyll Eulenspiegel. Der getreue Eckart. Der Kaiser Rotbart. Der rote Karl, ein Sozialdemokrat. Der schwarze Karl, ein Ultramontaner. Der Bergrat. Der Landrat. Der Bürgermeister. Die Frau Bürgermeisterin. Ein Kaplan. Ein Pastor. Drei Maschinenheizer. Polizisten. Kobolde. Leute in Masken. [Vorspiel] [Vorspiel] als Vorredner. Von rechts kommend, in roter Gugeltracht mit Pritsche. Meine allergnädigsten Damen und sehr verehrlichen Herrn! Sie werden mir's wohl glauben: ich gefiele Ihnen gern. Aber mein Herr, der Dichter, hat mich leider ausersehn, Jedem eine Nase zu drehn. Wer weiß, vielleicht dreh ich ihm selber auch eine; indessen diese Nase hat – lange Beine. Zunächst nämlich soll ich mich erfrechen, über den Gang der Handlung im Voraus mit Ihnen zu sprechen. Sie sehn's schon an mir, und merken mit Gruseln: huh, hier geht's offenbar geheimnisvoll zu. Meine Maske hat weder Haut noch Haar, blos ein unverschämtes Allerweltsspiegellöcherpaar Er weist auf seine Augen. und einen Schlitz für diese meine Zunge Er streckt sie heraus. und darunter, ganz im Dunkeln, hängt mein Herz und meine Lunge. Damit mach ich meistens nichts weiter als den Wind, in den meine Worte gesprochen sind. Denn mit Worten, da die Worte im Kopf entstehn, kann der Mensch zwar herrlich andern Menschen den Kopf verdrehn; aber da es in der Welt, die sich um uns dreht, dennoch nicht nach unserm Kopf zugeht, so verläuft der Gang der Handlung auf den 2 mal 5 Beinen der Hauptpersonen, ausschließlich der meinen. Ich bin also kein großschnäuziger Tugendschweinigel, sondern heiße Tyll – mit Ypsilon bitte – Eulenspiegel; das heißt, ich husche als närrischer Kauz durch die Welt, der sich und andre närrische Käuze mit seinem Doppelspiegel prellt – Er weist wieder auf seine Augen. Was für Nebenpersonen noch drin herumlaufen, das ist ein kaum zu zählender Haufen; denn zu den Nebenpersonen um jede Menschenseele herum gehört bekanntlich das ganze p.p. Publikum – Er verbeugt sich. Manche Person ist übrigens eigentlich keine; und zwei der Hauptpersonen sind im Grunde nur eine. Manche andre zählt mindestens fürn paar Schock; und die hauptpersönlichste natürlich steckt in Jedermanns Rock. Kurz, jegliche Seele tut alles, was sie kann; aha! es scheint, sie fangen schon an. hinterm Vorhang. Wir tragen alle ein Licht durch die Nacht, unter Tag. horcht und spricht parodierend nach. Sie tragen alle ein Licht durch die Nacht. Wir träumen von unerschöpflicher Pracht, über Tag. wie vorher. Sie träumen von unerschöpflicher Pracht. Wir helfen ein Werk tun, ist keins ihm gleich; Glückauf! Sie helfen ein Werk tun, ist keins ihm gleich. Wir machen das Erdreich zum Himmelreich; Glückauf! Sie machen das Erdreich zum Himmelreich. Da verkriech ich mich schleunigst, ich armer Schuft; sonst sprengen sie mich amend in die Luft. Er dreht eine Nase, wickelt sich in den Vorhang, und diesen mit wegziehend verschwindet er rechts. 1. Akt Erster Aufzug Bild: Altes kleines Landhaus mit Obstgärtchen. Rechts Wald und Gartenzaun. Links hinten das Haus. Vorn entlang Landstraße. An der Hauswand links ein Wegweiser, dessen drei Arme folgende Aufschriften tragen: Zur Stadt, Zur Grube, Feldweg. Am Gartentisch sitzen Michel Michael, der rote Karl und der schwarze Karl; daneben steht Lise Lied mit der Laute, in hellgrünem Sommerkleid und weißer Schürze. singt bei offner Bühne weiter, während die Andern nur den Kehrreim mitsummen. Einst fiel alles Leben vom Himmel herab, über Tag. Wir Bergleute schürfen's aus dem Grab, unter Tag. Wir fördern's herauf, das tote Gestein; Glückauf! Wir machen's wieder zu Sonnenschein; Glückauf! Die Männer stoßen mit ihren großen Schnapsgläsern an und trinken sie leer. in schwarzer Gamaschenhose und weißem Hemd mit offenem Halskragen. So, Lise, nun hol uns noch jedem so ein Glas; denn die Bergmannskehle Weiß schon: ist mehr trocken als naß. O Michel! – Blos heut mal so'n kleinen Seelenwärmer; morgen fließt wieder Milch und Sauerbrunn durch die Därmer. Man muß sich doch für das nächtliche Fest vorbereiten. Ja, und dann stöhnt ihr über die schweren Zeiten. Sie geht mit den Gläsern und der Laute ins Haus. trägt gewöhnlichen schwarzen Jackettanzug, schwarzen Schlapphut und rote Krawatte. Also willst du wirklich nachher aufs Johannisfest? Warum nicht? O blos: weil der Michel sonst sich zehnmal bitten läßt, eh er einmal kommt. Aber ja: der Herr Bergrat hat's gewunschen, da ist's freilich ratsam, sich untertänigst mitzubepunschen. Sicher wittert man's da oben so gut wie ich: manche Stimme in der Knappschaft schwört auf dich. Hast ein eigen Haus, bist bald Vorhäuer, kannst Leute dingen, möchtest dich vielleicht gar zum Steiger aufschwingen; wirst morgen für 'ne Stütze von Thron und Altar gelten, und der Bergrat Hör mal, roter Karl: den lass ich nicht schelten. Er meint's leutselig mit uns Arbeitern allzumal. Er bezahlt auch heute Nacht wieder Musik und Saal. Sehr wahr! und in vier Wochen ist Reichstagswahl. Du Schäfersohn läßt dir leicht was vormusizieren. trägt gleichfalls schwarzen Jackettanzug, aber steifen Hut, schwarze Krawatte und eine auffällig große Hornbrille mit dunkelblauen Gläsern. Ja, ich meine auch: man muß sich doch wohl etwas salvieren. Ich sage nichts gegen den Regierungskandidaten, aber der Herr Bergrat privatim ist doch sozusagen ein Teufelsbraten. Nicht etwa weil er – obzwar: auch das ist bedeutungsvoll – 'ne jüdische Urgroßmutter gehabt haben soll. Aber was man so im stillen von seinem Lebenswandel hört – Du, hörst du's, Michel? der Schwarze ist christlich empört! Fraglos ist er einzig drum aus der Stadt gekommen, um hier dem Heil deiner armen Seele zu frommen. Lise kommt mit den gefüllten Schnapsgläsern wieder. Hoffte allerdings, Sie, Herr Namensvetter, nicht anzutreffen. sein Glas nehmend. Ja, gottvoll, wie sich die Menschen äffen. ebenso. Nun, Gevatter Michael weiß, welche Tiere am lautesten kläffen. mit ihnen anstoßend. Holla! Frieden, ihr Karle! Gäste solln sich vertragen! Muß ich junger Kerl das euch beiden alten sagen? Hie Knappschaft! Glückauf! Jeder Knappe im Schacht nehm sich vor falschen Wettern in Acht! Glückauf, Jungfer Lise! auf das schöne Lied vom Himmel. während die Männer trinken. O, das ist am schönsten ohne euer Kümmelgebimmel. Sieh mal, roter Karl: deine Zukunftsrepublik, das ist doch auch 'ne Art Rattenfängermusik. Und sehn Sie, schwarzer Karl: Ihr Ewigkeitsparadies lockt wohl erst recht die liebe Maus zur Mies. Und derweil ihr Pfiffikusse so die Gegenwart vexiert, hat der dumme Michel sie längst sehre anderst kapiert. Denkt ihr, ich will blos drum heut aufs Maskenfest, weil der Bergrat da ein paar Sektproppen tanzen läßt? dann tät ich mich lieber mit euch hier draußen besaufen. Nein, ich will mein Haus an die Grubengesellschaft verkaufen und in die Stadt ziehn, werte Zeitgenossen! Michel, nein! Ja, Lise; das ist nun mal beschlossen. Er langt ein paar Schriftstücke aus der Brusttasche. Hier, ich hab schon alles mit dem Rechtsanwalt aufgesetzt, und der Bergrat ist kein Knicker; besonders jetzt, wo sie doch die Vorstadtzeche weiter austeufen wollen und Platz brauchen für den neuen Wetterstollen, da wird er heut Nacht bei'ner Buddel Wein gern zu sprechen sein und mir die werte Unterschrift geben. Potz Taler, Lise! sollst sehn, das wird ein Leben! Na, was machst du denn fürn Sechsdreiergesicht? Mir ist bang um dich, Michel. O bitte, tu's nicht! Achgottedoch! daß dir's Herzchen nur nicht bricht! Brennst doch sonst drauf, mit in die Stadt zu fluttschen. Aber für immer? Für immer tut kein Weibsbild muckschen. Er nimmt ihre Hand. Weißt du: wenn wir Abends hier manchmal so einsam sitzen und ich seh da drüben im Tal den großen Lichterknäul blitzen, die Bahnkörperlampen, die Schaufenster, die Straßenlaternen, wie sie wetteifern mit den Sternen, und was hinter den erleuchteten Scheiben all die tausend Menschenköpfe wohl sinnen und treiben, was für Strahlen hin-und-herzucken zwischen ihnen aus den wunderlichen Instrumenten, Apparaten, Maschinen, elektrischen Drähten – Er erhebt sich. ich kann's garnicht ganz sagen, wie das strahlt – und mittendurch rollen funkelnd die Wagen, wodrin Hoch und Niedrig zusammen übers Pflaster jagen, zu Festsälen, Theatern, Bibliotheken, Klubs, Volkshallen, kann sich Jedermann immer höher bilden mit Allen – ja, dann fühl ich's wild: da bewegt sich die Welt! so wild, du, daß mir's manchmal die Stirnadern schwellt! Er setzt sich und nimmt einen großen Schluck. Ja, Fräulein Lise: Sie können's noch nicht ermessen: in der Stadt, da erwacht der Mensch zu edlern Interessen. Er nimmt gleichfalls einen großen Schluck. Ja –! Nämlich auch die Kirchen nicht zu vergessen! Er trinkt sein Glas leer. auf die Schriftstücke hauend. Kurzum, ich will mehr, als mein väterlich Erbteil begaffen, ich will mir auf eigne Faust meinen Fußboden schaffen; das ist mein Intresse! Jawohl! Wirst es auch noch kapieren; wirst vielleicht dereinst noch in seidnen Kleidern stolzieren, in Glaßeehandschuhen und Diamanten und ausländischen Spitzen, und an Einer Tafel mit dem Bergrat sitzen. Also Kopf hoch, Lise! maul nicht! du übertreibst es. O Michel, du bist ein Träumer – und bleibst es. Hat noch niemand unter meinen Träumen gelitten. Er trinkt Rest mit dem roten Karl. Komm, bring uns lieber noch solchen lütten dritten und sing eins! Darum allerdings möcht ich gleichfalls schön bitten. Das heißt, ums Singen mein'ich. Meinen Sie! ums Singen! O, euch sollt alle miteinander der Hörselberg verschlingen! Sie beißt in den Schürzenzipfel und rennt ins Haus. Hast sie doch wohl ein bißchen gar zu herrisch überrascht. Mich auch, muß ich sagen. Wer erst am Kapitalismus nascht – nochmals auf die Schriftstücke hauend. Ach was, Redensarten! Ich tue, was sich verintressiert. Ihr lauert blos immer und lamentiert. Er steckt die Papiere wieder in die Tasche. Michel, Michel –: jeder Knappe im Schacht nehm sich vor falschen Wettern in Acht! Deren gibt's allerdings manche auch über Tag. Ja, wenn's eure Trinksprüche täten, dann ging's Schlag auf Schlag. Schwerenot! ihr macht einem wirklich den Feiertag schwül; und dabei ist's ein Abend, wie feucht Moos so schön kühl. Hee, Lise! Racker! gleich kommst du! auf der Stelle! Ich hol sie – Er begibt sich durch die Gartenpforte vors Haus zur Tür. mit einer sehr großen Schnapsflasche ihm entgegen. Da habt ihr eure Intressenquelle! Sie drückt ihm die Flasche in den Arm. heimlich, während der rote mit Michel gestikuliert. Pst, Jungfer Lise, im Vertrauen! ich mein's wirklich gut. Wenn der Michel nun, und sein Sie froh, daß er's tut, in die Stadt zieht: dann drängen Sie ihn so Schritt für Schritt, daß er in das Kränzchen zur heiligen Elisabeth tritt! und Sie, Jungfer Lise, natürlich mit! Es ist vergnüglich, und lohnt sich, wie jede Christenpflicht. Ja, wenn Sie Eins mir versprechen als Christ; sonst nicht. Gern! Und? Daß er nicht in die Stadt zieht, Sie Kirchenlicht! Sie macht ihm einen Knix und verschwindet. Verflixte Hexe! – Also wirklich, Roter: gib dich endlich zufrieden: die hohen Herrn, die dienen mir blos, um vorerst mein Eisen zu schmieden. Nachher – – Was! die ganze Flasche schickt sie uns her? die Flasche auf den Tisch stellend. Ja, die Jungfer scheint sehr entgegenkommend; sehr. Aha! sie will ihren Vormund mal wieder im stillen beschämen. Jetzt soll sie's aber merken: ich kann mich bezähmen! Kein Schluck jetzt wird getrunken! Hm – Nu ja – Ja, im Grunde soll der Mensch sich beherrschen – Besonders mit dem Munde. Sie denkt gewiß, weil ich manchmal Händel anfange; und da ist ihr vor den fremden Stadtmenschen bange. Oder vielleicht auch – hm – vor den Menschern. Wie? Ach so! Nein, Schwarzer: ich bin kein solches Vieh. Und sie kennt mich; wie Bruder und Schwester sich kennen. Könnt drum doch wohl so'n Fünkchen Eifersucht brennen. Woher hast du sie eigentlich so als Mündel genommen? Ja, woher? – Aus fernem Süden wohl ist sie gekommen. Es war ein Abend wie heute. Da im Wald. Ich suchte Vogelnester, war so zwölf dreizehn Jahre alt, da hör ich auf einmal ein fremdländisch Lied erklingen; rein als wollt mich ein Bergquell tief aus der Erde durchdringen. Und wie ich mich leise im Moose näher stehle, sitzt da ein klein braun Mädel in einer Höhle, so klein noch, und barfuß, gewiß kaum sechs Jahr, einen Kranz wilde Efeuranken im Haar, und mit Augen, wie der Kuckuck fürwahr – ja, so saß sie unter dem Felsenhang und sang – und sang – – Konnte anfangs kein deutsches Wörtchen sagen, ließ sich nur ihren Namen, der hieß Lilith, abfragen, aber weil sie sang, wo sie ging und stand, haben wir sie Lise Lied genannt; bis sie schließlich ganz unsre Sprache angenommen und vergessen hat, woher sie gekommen. Und da mein Vater starb, eh daß sie großjährig war, bin eben Ich jetzt ihr Vormund; bis zum neuen Jahr. Wird wahrscheinlich irgend ein verlaufen Zigeunerkind sein. Ward sie denn getauft? O! reichlich! mit Wasser und mit Wein. Da sollt man doch eigentlich eins drauf trinken. Hm. Ist Alles Gottesgabe. Jawoll! pros't Schinken: jetzt wird gefastet! Und wenn ihr noch so druckst! Leise. Sie steht nämlich hinter der Gardine und luchst; ich kenn sie. Scheint ja indertat recht schwesterlich aufzupassen. Je nun, ich muß sie doch im Haus schalten lassen; hütet auch heute Nacht wieder allein das Nest. So – sie geht nicht mit aufs Johannisfest? Nein; sonst würd sie mir doch vielleicht das Geschäft verleiden. So, so – an der Flasche fingernd. jo, jo – Und wie willst denn Du dich verkleiden? Ich geh einfach in Vaters Schäferhut-und-rock und mit seinem langen Hirtenstock. Hat nun manch Jahr schon still in der Ecke gestanden, und strich früher wie'n Feldherrnstab hier herum in den Landen. Ja: kannst mir's glauben: gern zieh ich auch nicht heraus aus dem lieben alten Haus, wo ich von Kind auf jeden Holzpflock drin kenne. Aber wenn ich Morgen für Morgen zur Schicht auf die Zeche renne und ich denk mir, wir solln hier ewig so hocken, uns immer wieder denselben Alltagsbrei einbrocken – denn ihr, was wollt ihr denn? blos lüstern aufmucken und euch dann untern öffentlichen Suppenlöffel ducken, zu dem schon jetzt alle Ja und Amen nicken, bis selbst die Bettelleute schließlich im Fett mitersticken – hrr, dann fühl ich's heiß mir durch jede Pore toben: Luft!!! schenkt uns einen Krieg, ihr Herrn da oben! Er greift nach der Flasche, gießt sich das Glas voll und trinkt. sich bekreuzend. Josef-Maria, Krieg! Gevatter, das heißt Gott versuchen! Mit Verlaub – Er gießt sich gleichfalls ein. Ja erlaube, Michel: du hast leicht fluchen. Du bist noch jung, und kennst den Krieg nicht, und meinst voll Feuer, er sei 'ne Art Welteroberungsabenteuer. Ist er auch; und tät heute die Sturmtrommel schlagen, ich würd meine Knochen wieder mit auf die Schanze tragen; das steckt uns im Blut, uns Bestien. Ja, 'ne Wollust ist der Krieg, verhilft unsern Raubtiergelüsten zum Sieg; aber Glück, Michel, menschlich Glück schafft er keins. Papperlapapp, Karl; ist dein Glück etwa meins? Halt keine Volksreden, Roter! trink lieber eins! Ihm einschänkend und dann mit Beiden anstoßend. Glück, das ist ein Wort wie'ne Fliegenfalle; Glückauf! es lebe der Sirup für Alle! Sie trinken. tritt lachend aus der Tür an die Hausecke. Wohl bekomm's! – Ihr beherrscht euch aber lustig. O, du Kobold du! Seht ihr's, da habt ihr's, das wußt'ich. tritt an den Gartentisch und nimmt die Flasche. Will sie aber doch vor euch Selbstbeherrschern lieber verstecken. Gute Nacht, ihr Herrn! und laßt's euch schön langsam schmecken! Sie geht wieder ins Haus. Potz Kuckuck – Glaub mir's, Michel: du kennst die Kriegswut schlecht. Höchstens aus Notwehr ist sie ein Menschenrecht; das sollte man nicht als ein Glücksspiel verkündigen. Nein, bei den heiligen Nothelfern allen: das heißt sich versündigen. Verspielst blos deine Kraft, wenn du immer so überschäumst und dabei den Zukunftsstaat versäumst – Auch die Gegenwart, Michel. Glaub mir's: du träumst! – Das kommt, wenn man sich dem ewigen Heil verschließt und zuviel in den neuen Büchern liest. Er nippt behutsam an seinem Glas. O, auch in den alten. Ich könnt euch manche Historie sagen, wie sich's hier in Wahrheit einstmals hat zugetragen, als unsre Urväter im Herzgau von allen deutschen Landen hier zwischen der Wartburg und dem Blocksberg ihr Seelenheil fanden, zwischen dem Kyffhäuser und dem Hörselberg. Damals ging's Handeln noch nicht so überzwerch mit Flausen und Klauseln und Staatsrücksichten wie heute; damals vermochten noch stracks die aufstrebsamen Leute mit der Faust oder Stirn ihren Hochsinn durchzudrücken, sich selbst und allen Nachkommen zum Entzücken. O, ich sag euch: hier so lesen von den glorreichen Zeiten, und die Dämmrung beginnt aus den Schatten der Zweige zu gleiten, daß die Buchstaben flimmern auf den vergilbten Seiten: schier leibhaftig seh ich sie dann Gestalt annehmen und einherschreiten, die gewaltigen Schemen, die gewappneten Herren aus trutzigem Bauerngeschlechte, die frommen Einsiedler, die klugen Schalksknechte, mit ihren blinkenden Schwertern, Kruzifixen, Helmzierden, Drommeten, gleich als wollten sie da aus dem Wald zu mir treten und mit mir beten – – Was! Hier? Gestalten? hier unter diesen Bäumen? Nein, Gevatter Michael: es scheint wirklich, Sie träumen. Er nippt wieder ein Schlückchen. Na! dann seid ihr Beiden ja endlich einmal einig. Und könnt austrinken! Es wird dunkel, mein'ich. Ist freilich Mondschein. Erstes Viertel, wie du siehst. Aber wenn du meinst – und dich unsre Gesellschaft verdrießt – Er trinkt aus. Ja, dann wollen wir wahrlich keine Zeit verlieren. Er trinkt ebenfalls aus. Na, ich mein blos: ich muß mich doch zum Fest ausstaffieren. singt im Innern des Hauses. Willkommen, weißer Mond im Blauen, allein! Laß mich in deine Heimat schauen, sei mein! Ich sitz im Dunkeln voll Geduld, du scheinst! O leuchte Jedem heim voll Huld, dereinst! Meiner Seel! wenn sie singt, dann ist sie der reine Engel. aufstehend. Ja, und winkt uns heim mit dem Tulpenstengel. Im Haus wird Licht angesteckt, hinterm Dachfenster. Also, Michel, Glückauf; vielleicht siehst du mich noch um Mitternacht. gleichfalls aufstehend. Wie? Nu, es ist doch Maskenfreiheit angesagt und jeder wahlberechtigte Bürger nebst Familie eingeladen; da wirds 'nem alten Kriegsveteranen, denk ich, wohl auch nicht schaden. Siehst du, Roter: das ist wacker! Wahrhaftig, das freut mich. Trotz dem Bergrat? – Na! ich will nicht hoffen, es reut dich. Er schüttelt ihm die Hand und geht langsam links ab. Ich denk, ich komm auch. So. Ja. Ich denk, es bringt Segen, unsre alte ehrwürdige Knappentracht wieder mal anzulegen. Schön; stolper nur niemand nicht übern Degen! Glückauf, Gevatter! – Er winkt ihm Abschied und geht ins Haus; der schwarze Karl folgt verdutzt dem roten. kommt von rechts aus dem Wald geschlichen, steigt über den Zaun auf die Garteubank und ruft gedämpft. Immer vorwärts, gnädiger Herr! die Luft ist jetzt rein. Nur das Jungfräulein wäscht sich im Kämmerlein. Auch unten im Haus wird ein Fenster hell. tritt aus dem Wald, in goldner Rüstung, mit geschlossnem Visier, sodaß nur sein langer Bart sichtbar ist. Hüt dich, Schalk: sie hat Augen, hurtig wie Eidechsen. in schwarzer Kutte mit hohem Kreuzstab, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodaß nur sein weißer Bart hervorguckt. Und könnt dich leicht wie den braven Michael behexen. O, der Michel, der ist gänzlich in sich selber versunken. Seht: er hat nicht mal sein Glas ausgetrunken. zu Eckart. Wie stellen wir's an, Getreuer, ihm zu erscheinen? von der Bank springend. Hopp! wir erscheinen eben. Das genügt, sollt ich meinen. Mir deucht, gnädiger Herr, der Schalk rät gut. nach dem untern Fenster deutend. Seht: er ist ganz behext von – dem alten Schäferhut. Ach, er küßt ihn – Ahmt den Kuß ulkig nach. Darüber soll man nicht lachen! Nun, dann werd ich uns mal ernstlich bemerkbar machen. Er klappt mit der Pritsche an die Scheibe und klingelt dazu mit einer Schelle, die am linken Zipfel seiner Gugelkappe hängt. tritt in Schäfertracht auf die Schwelle, in blauem Rock und grauem Mantel, eine brennende Kerze in der Hand, sodaß die Scheibe nun dunkel ist. Wer klopft so spät und dringlich an meinem Fenster? Wer sind die Herren – wie ein Standbild aufs Schwert gestemmt. Gestalten – Gestalten – mit Verbeugung. sozusagen Gespenster. Die Herren scheinen sehr spaßhaft gelaunt. Ich vermute, Sie wollen in die Stadt mit dir auf die Maskenredute; wenn du uns den Weg zeigen willst. Denn merke dir: mit Gespenstern spricht man per Du und Ihr. Wir kommen, Michel Michael, um dich aus deinem Unmut zu reißen; ich vom Hörselberg, der getreue Eckart geheißen. Ich habe bislang im Kyffhäuser meinen Rotbart beglotzt; nun hat mich dein Wagmut endlich heraufgetrotzt. Ich brauch mich, Vetter Michel, wohl nicht vorzustelln. Ich bin überallher und starb bekanntlich in Mölln. Das Dachfenster wird plötzlich dunkel. Weiß also nirgends mehr auf dieser Erde Bescheid, aber desto gründlicher in der Ewigkeit. Lise kommt die Flurtreppe herab, wie früher gekleidet, doch ohne Schürze; tritt unbemerkt hinter Michel. Willst du uns nun, hier wo sich die Wege verzweigen, die rechte Richtung durchs nächtliche Vaterland zeigen – so wollen wir's lohnen und dir zum guten Gelingen deines gewagten Geschäftes beispringen – zum Verkauf deines Hauses – Wie?? Ihr wißt?? Daß der Herr Michael heute durchaus kein Träumer mehr ist. Brauchst nicht starrstehn, als stünd hier der Antichrist; wir haben nur im Wald da vorhin ein wenig gelauscht. Michel, tu's nicht! Stehst ja jetzt schon wie ausgetauscht! Was! du bist noch auf, Lise? Soll wohl mit dir um die Wette träumen? Ich muß doch noch euer Teufelsgeschirr da beiseite räumen. Sie will an ihm vorbei in den Garten. ihr zuvorkommend. Auf Ihr Wohl, mein frommes Fräulein, den teuflischen Rest! Er spritzt ihn hoch in die Luft und überreicht ihr die Gläser. Dürfen wir hoffen, Sie wallfahrten auch mit aufs Fest? Danke. Hab keine Lust. Leise. Ich bitt dich, Michel, tu's nicht! Was sind das für Leute? durch die hohle Hand. Lockspitzel fürs Jüngste Gericht! noch leiser. Sind wohl Grubenbesitzer aus dem Nachbarkreis. Sei friedlich, Lise! ihm den Leuchter abnehmend. Ist mancher friedloser, als er weiß – – Sie geht mit den Gläsern und dem Licht ins Haus; ein andres Fenster als vorher wird hell. Entschuldigen die Herrn: sie kommt wenig unter Leute, mein Mündel. Und ist voller Unruh heute. nach links zeigend. Das dort unten, der Lichterhaufen, das ist wohl die Stadt? Ja, Herr. Nicht wahr: was das einen Andrang nach oben hat! Wie die Glanzpunkte einander immer übersteigen, überflügeln, und doch sich zusammentun zum Reigen; rein als möcht sich der Erdkreis da selber von Grund aus beschwingen, immer heller hinauf in den dunkeln Weltkreis zu dringen pathetisch. und nachher kopfüber wieder herunter zu springen. Wie? Der Eulenspiegel hat dir nur andeuten wollen – daß es nun wohl Zeit sei, uns langsam hinunter zu trollen. Ja so! Ja. Ins Haus rufend. Lise! bring mir mal Vaters Stock, den langen! – Ich hoffe, mein schlichter alter Rock paßt zu den Herren Gespenstern nicht schlecht amende? Vortrefflich, Vetter! Besonders Leise. zu meinem nagelneuen Hemde. Hier, Michel. den Stock nehmend. So! – Jetzt, ihr Herrn, sollt ihr sehn, ob der Michel versteht, durchs nächtliche Deutchland zu gehn und bis Tagesanbruch sein festlich Geschäft zu vollbringen und auch ohne euern Beistand einen Rausch zu erringen. Ei, gestrenges Fräulein, im Rausch wird die Herzenslust rege. Gute Nacht! Ich gönn euch ein rauschend Herz allerwege. Er verneigt sich und schreitet linkshin davon. ihm folgend. Ich schenk euch alles Rauschgold droben im Blauen. ebenso. Ich wünsch euch, allen himmlischen Festrausch zu schauen. ihnen nachrufend. Und ich euch ein höllisches Morgengrauen! – Ach, Michel! Gute Nacht, du ewige Unruh du. Geh schön schlafen. Und schließ die Haustür hübsch zu. Wirst schon sehn, ich sorge für dich aufs väterlich beste; und übers Jahr kannst du auch mit auf solche Feste. So, jetzt laß mich gehn, du; wirklich, es ist höchste Zeit. Also leg dich aufs Ohr und träum dir ein fein neu Kleid. Indem er den Andern nacheilt. Und schick deine Mucken heim, du! da auf die Mondsichel, du dumme Lise – Er verschwindet. ihm mit beiden Händen einen Kuß nachwerfend. Du dummer Michel! – Sie huscht ins Haus, löscht das Licht, kommt gleich darauf wieder, in einen langen schwarzen Schleier gehüllt, ein silbernes Diadem mit flimmerndem Stern auf dem Haar, einen langen silbernen Stab in der Hand, der oben wie eine Wünschelrute gespalten ist, und verschließt die vom Mond beglänzte Tür. Dann sich reckend. O ja, ich schließ zu. Und den Schlüssel Ihn hebend. sollst du erst finden, Ihn ins Mieder steckend. wenn dir die Sinne vor Unruh um mich schwinden, du Väterlicher! – Ja: berausch dich nur gut, du Lieber! Ich fühl's was dir braust im Blut. Ich folg dir, ich halt dich im Heimatland – O, er weiß noch, wie er sein Findelkind fand! wie's ihn durchdrang, durchdrang, Herz, als er mich sah: wie ein Bergquell tief aus der Erde – In Gesang ausbrechend. ja –: so saß ich unter dem Felsenhang – Linkshin davonschreitend, während der Vorhang sich schließt. und sang – und sang – – als Zwischenredner. Tritt aus dem Mittelspalt des Vorhangs, klingelt mit seinem Schellenzipfel. Meine Herrschaften, das Fest ist in vollem Schwung; selbstverständlich mit polizeilicher Genehmigung. Die ganze Stadt schwebt auf dem Gipfel der Seligkeit; einschließlich der beiderseitigen Geistlichkeit. Jeder darf sich also, ohne irgend eine Pflicht zu entheiligen, an der allgemeinen Begeisterung voll-und-ganz beteiligen. Das soll nicht etwa heißen, ich buhle um Ihre Gunst; sondern blos mein Herr, der Dichter, betreibt diese schändliche Kunst. Er betreibt sie leider mit höchst wohlgeziemenden Mitteln Das Gestampf einer Maschine wird hörbar. und ist fest überzeugt, Sie finden nichts dran zu kritteln; wie Sie hören, sogar mit Dampfkraft und Elektrizität, weil's ohne diese Errungenschaften heut nicht mehr geht. Dennoch muß ich sagen Eine laut schnarrende Stimme hinterm Vorhang wird hörbar. – na aber! das wird denn doch zu kräftig; ich bitte um Ruhe dadrinne! Hee! Sie begeistern sich zu heftig! Heda, Ruhe! oder ich ruf die Regie! Ich bin ein Gespenst, ich kann nicht so schrein wie Sie, Er schreit immer stärker. Sie rattern ja lauter als die Dynamomaschine; bitte schließen Sie gefälligst Ihre Phrasenterrine! – Sie! hören Sie nicht? jetzt habe Ich das Wort! – Er hört nicht. Er rattert ruhig fort. Ich fürchte, über solchen voll-und-ganzen Begeisterungston verfügt nur eine wirkliche neuhochdeutsche Regierungsperson; jeder andre Geist krigte davon den Schlucken. Da muß ich braves altdeutsches Gespenst mich wohl ducken Er tut es. und ehrerbietigst das Mundwerk der hohen Behörde enthüllen, damit Sie auch lernen, so begeistert zu brüllen. Er schiebt geduckt den Vorhang linkshin auf und verkriecht sich im Vordergrund der Bühne. 2. Akt Zweiter Aufzug Bild: Eine Gartenwirtschaft mit elektrischen Ampeln, bunt voller Leute in Maskenkostümen, doch herrscht die schwarze Farbe vor. Im Hintergrund ein erleuchteter Tanzsaal. Rechts ein Laubengang mit Tischen und Stühlen, die grün und weiß gestrichen sind; auf dem vordersten Tisch ein weißes Tischtuch und ein Schild mit der Aufschrift »Reserviert!« Links unter Bäumen ein langer Tisch, an dessen hinterem Ende der schnarrende Landrat steht, mit aufgedrehten Schnauzbartspitzen, in schwarzer Halbmaske, Frack und Domino. An den Seiten dieses Tisches sitzen der Bergrat und der Bürgermeister, ähnlich maskiert, nur mit andern Bärten, der Bergrat mit dunkelm spanischen Spitzbart, der Bürgermeister mit grauem Tintenwischer-Schnurrbart; dann die Frau Bürgermeisterin und andre Damen in farbigen Masken, ein Kaplan und ein Pastor unmaskiert, der schwarze Karl in Bergknappentracht mit Hornbrille, ihm gegenüber Michel Michael ohne Maske, an der linken Ecke vorn. Die Honoratioren tragen Zylinderhüte; nur der Kaplan hat flachen Seidenhut. Hinter Michel stehen wie Wachtposten der Kaiser Rotbart und der getreue Eckart, immer mit geschlossnem Visier und Kapuze; und Eulenspiegel hat sich zu seinen Füßen unter die Tischplatte gehockt. In der Mitte der Bühne ein Lindenbaum, hinter dessen Stamm Lise Lied verborgen steht; davor eine grün und weiß gestrichene grade Bank ohne Lehne. Ringsherum maskiertes Volk; darunter auch Kinder. immer lauter schnarrend, um das Gestampf der Maschine zu übertönen. Und demnach, da Sie merken -ä- bin zwar in Maske erschienen, aber -ä- unverkennbar: Ihr Landrat redet zu Ihnen – demnach, sag'ich, will ich hier -ä- in Ihrer festlichen Mitte, wo uns Alle nach guter, echter, alter Sitte sozusagen die brüderlichsten -äh- Gefühle beseelen, will ich, sag'ich, Jedem väterlichst anempfehlen, trotz allen, wie Schiller sagt, feindlichen Gewalten unentwegt unsre heiligsten Güter -ä- hochzuhalten. Und diese -ä- Gefühle – Gefühle, sag'ich – sollen uns auch geleiten, wenn wir in diesen unverzeihlich vaterlandslosen Zeiten demnächst, meine Herrn, wie Sie wissen, zur Wahlurne schreiten. Also, meine Herrn -äh- und Damen, wolln wir uns jetzt von den Stühlen zum Zeichen von unsern -ä- unsern -äh- über den Tischrand weg. Hochgefühlen – jawohl: von unsern vaterländischen Hochgefühlen – wollen wir uns, sag' ich, jetzt mit unsern Gläsern erheben: unser allverehrter Reichstagskandidat, der Herr Bergrat, er soll leben! hoch! während der Landrat dem Bergrat die Hand schüttelt und Alle anstoßen. Hoch soll er leben, hoch soll er leben, dreimal hoch! Dann noch immer das Geräusch der Maschine. Himmelkreizrudiment! da muß ja's Trommelfell reißen! Nach hinten schreiend. Die Kerls, die Heizer, sollen die Tür zuschmeißen! Heda!!! Tür zu, sag' ich! Sofort den Kesselraum schließen! – Man hört eine eiserne Tür zuklappen; das stampfende Geräusch verstummt. Bande! Frechheit! Da soll man nu Volksfest genießen. Unerhört! verstand kaum mein eigen Wort. Tun's selbstredend extra, diese Sozi, uns hier zum Tort. Mußte schrein, daß mir jetzt noch's Trommelfell klirrt. Ach bitte, Herr Bürgermeister, Sie sorgen wohl gütigst beim Wirt, daß uns die Lichtmaschine, bitte, nicht wieder stört. Mit Vergnügen, Herr Bergrat. Ja! bin wirklich empört! Er soll den Heizern ein Achtel Pilsner auflegen. Gern, Herr Bergrat. Er entfernt sich mit der Volksmenge nach dem Tanzsaal. Pros't, Herr Corpsbruder! meinen volksfreundlichsten Segen! Er trinkt dem Bergrat zu. Diese Rasselbande! diese roten Radaugesellen! hat wieder Platz genommen, stampft seine Weinflasche auf den Tisch. Mit Verlaub! Indessen: von wegen den Trommelfellen – Äh –? unterm Tisch hervor. Trommelfellen – so im Kesselraum schuften, ist auch kein Volksvergnügen. Volksvergnügen. Volksvergnügen. Bravo, Michel! auffällig bunt kostümiert, lorgnettierend. Entzückende Gruppe! Gottvoll! Verfluchtige Lügen!!! EULENSPIEGEL (FISTEL) UND ECKART (BASS) Lügen! Lügen! Baryton. Man soll nicht meinen, ihr Leute, man könne den Michel betrügen. während die Andern lachen. Nein, wie reizend! Köstlich! Wie echt gemacht! So natürlich! so romantisch! so richtig sagenfigürlich! nicht wahr, Herr Pastor? in schwarzem Gehrock, zugeknöpft, wohlbeleibt. In der Tat, Frau Bürgermeisterin; ein Maskenscherz mit tiefem evangelischen Sinn. in schwarzer Sutane, noch beleibter. Man könnte, Herr Amtsbruder, eher wohl katholischen sagen. Also, meine Damen und Herrn, erlaub'ich mir vorzuschlagen, weil der biedre Zecher da Michel Michael heißt und offenbar erfüllt ist von wahrhaft volkstümlichem Geist: wir erteilen nachher dem deutschen Michel nebst Geisterbegleitung den Maskenpreis! Bravo! aufstehend und klingelnd. Und setzen's in die Zeitung! Selbstredend! sich vor ihm verbeugend und weiterklingelnd. Es lebe die hochwohlweisliche Volksfestleitung! – Im Saal fängt gedämpfte Tanzmusik an. ist gleichfalls aufgestanden. Herr Bergrat spaßen sehr gütig; ja; und ich danke auch sehr. Aber, wie Herr Bergrat wissen, kam ich eigentlich her, um mein Haus – während Lise Lied hinter dem Baum hervorschaut. Haus – Haus – die Vertragspapiere aus der Brusttasche holend. Hier – ich bin so frei – Schon gut, lieber Michel; gewiß, kommt auch an die Reih. Jetzt muß ich erst tanzen gehn. Zur Bürgermeisterin. Gnädige Frau, darf ich bitten! – Verschiedene Paare, auch der Landrat mit einer Dame, ab nach dem Saal. die Papiere einsteckend und sich wieder setzend. Verdammte, verquere, katzenfreundliche Sitten! Er stürzt ein Glas Wein hinunter. Ja, Sitten! Sitten! – hat bis dahin mit dem Kaplan getuschelt. Gratuliere, Freund Gevatter; scheinst hier recht wohlgelitten. Halt's Maul!!! ganz, hervortretend, dicht verschleiert, mit verstellter Stimme. Michel Michael, laß dich zum ersten Mal warnen! schon beginnt der Stadtrausch deinen Geist zu umgarnen. Ich bin deine Glücksfee; bang von fern komm ich her, von den Sternen, durch die Nacht, übers gründunkle Meer, meinen Wünschelstab in bebender Hand, flüchtigen Fußes von Land zu Land, durch den Wald deiner Kindheit bin ich gegangen, in den Schooß der Berge trieb mich dein Glückverlangen, bis zum Hörselgrund tief, wo Frau Venus wacht und den feurigen Quell der Jugendträume entfacht – Michel Michael, jetzt durch meinen Mund tut dir die ewige Göttin kund: du sollst deiner lieben Heimat nicht untreu werden, damit du kein Flüchtling wirst auf Erden. Lebe wohl! Halt, Flüchtling! Halt, edle Fee! Nicht so schnell! Er läuft ihr nach; sie verschwinden im Hintergrund rechts. DU scheinst wahrlich kein Flüchtling, Glücksvogel Michael! Ach was, Maskenschnack! Lachhaft! Lauter Alfanzerein! Hee, Bedienung! Ein altdeutsch gekleideter Kellner erscheint und bringt auf seinen Wink eine neue Flasche. Wer mag's wohl gewesen sein? Die Jungfer Lise? Schnack, sag'ich! Die liegt zu Hause im Bett! Verstanden?! – Höchstens etwa, daß sie 'ne Freundin hätt und läßt ihrem Vormund heimlich so'n kleinen Stupps aufschwenken; braucht drum Niemand nichts Schlechtes von ihr zu denken! Michel Michael, hüt dich vor des Hörselbergs Ränken! Ja, ich meine auch – wie?? das heißt, natürlich nur so im allgemeinen; die bösesten Weibsbilder sind, die die besten scheinen. So zum Beispiel der Bergrat und die Frau Bürgermeistern. Da hilft kein Vertuschen mehr, kein Verkleistern; rein schon öffentlich tut sie's ja mit ihm treiben. Meinethalben! Man soll mir mit Stadtklatsch vom Halse bleiben! Wohlgesprochen, mein Sohn. Jedoch, in dem städtischen Sündenschwarm braucht der Mensch eines Schutzpatrons starken Arm; du hast ihn schon lange nicht mehr im Beichtstuhl erprobt. Wirst hoffentlich trotzdem, wenn nun die Wahlschlacht tobt, wissen den rechten Schild hochzuhalten. aufstehend. Zu Gnaden, Ehrwürden; ich lass den alten Gott walten. Obwohl ich, verzeihn Sie, in meinem einfältigen Sinn eigentlich mehr für die Protestanten bin. gleichfalls aufstehend. Ein männliches Wort, lieber Freund! Und ich darf wohl hoffen, Sie wissen, auch unser Arm steht der christlichen Einfalt offen. Viel Ehre, Herr Pfarrer. Indeß, um Sie nicht zu vexieren: ich bin überhaupt fürs Protestieren. Wenn ich wählen müßt zwischen Pastor und Kaplan, wär ich doch wohl lieber dem – Stärkeren untertan. Er verbeugt sich schwerfällig, dreht ihnen den Rücken und setzt sich ans andre Ende des Tisches; der Rotbart und Eckart folgen ihm, seine Flasche und sein Glas nachtragend. zum Kaplan, der ebenfalls aufgestanden ist. Hm. Wer ist nun der Stärkere von uns Beiden? die Hände über dem Bauch faltend. Ich schätze, Herr Collega, wir lassen's vom Publiko entscheiden. Die Tanzmusik im Saal hört auf. zurückkommend. Vetter Michel, ich habe den ganzen Stadtpark durch-und-durchgekuckt: deine Glücksfee scheint von der Hölle verschluckt. Glückauf! Wahr dich, Schalk! daß der Michel nicht Flammen spuckt! – Währenddem kommt Maskengewühl aus dem Saal. Voran der Bergrat und der Landrat, hinter ihnen her der Kellner mit Sektkübel und Würfelbecher, zu dem reservierten Tisch hin im Vordergrund rechts. sich mit dem Taschentuch fächelnd. Himmelkreiz! Doller Fez! Bewundre Sie. Ohne zu schmeicheln. Ja, man lernt allmählich die Volkstatze streicheln. Na, ich danke! hat sich durch die Leute nach vorn gedrängt. Herr Bergrat – wenn Sie jetzt – ich will nicht behelligen – aber solche Unterschrift ist doch leicht zu bewerkstelligen – da Sie doch geneigt – Aber bester Michael, Sie benehmen sich wirklich etwas auffällig schnell. Hat doch Zeit bis morgen. Morgen muß ich arbeiten gehn! den Würfelbecher nehmend. Na, dann nachher! Jetzt bin ich beschäftigt, wie Sie sehn. Ich – seh – erscheint im Hintergrund. Michel Michael, ich warn dich zum zweiten Mal – horch: schon singen die Bergleut ein Spottlied im Saal – auch Kinderstimmen. Der deutsche Michel, der hat sich verlaufen; Glückauf! Er will sein Haus an die Stadtleut verkaufen; Glückauf! kommt weitersingend aus dem Saal, geführt vom roten Karl, der als Militär-Invalide maskiert ist, und begleitet von Kindern in blaugrauen Koboldtrachten mit Zippelmützen und weißen Bärten. O Michel, die Stadt hat ein Herz von Stein, bald wirst du ein steinreiches Schindluder sein; Glückauf! Drum, aus der Berge feurigem Herzensgrund, tut die Herrin der Zukunftsträume dir kund: Du sollst deine herzwarmen Augen heller aufmachen, dann wirst du zum goldensten Traum erwachen. Glückauf! Sie verschwindet. seine Mütze abziehend. Ein alter Kriegsveteran, der um ein Almosen bettelt – Ah, roter Karl! Du hast das angezettelt?! Ich sag dir: hüt dich! ich kenn dich! scher dich um Deine Sachen! Der Michel läßt sich von Niemand zum Popanz machen! Merk dir's! Sonst: hier: bei meines Vaters Stock – Die Maschine stampft plötzlich wieder los. den Würfelbecher aufstampfend und sich die Ohren zuhaltend. Kreizrudiment – man stopp – man stopp! man stopp! man stopp! Platz da, Michel! Platz! sonst gibt's Flecke am Rock! Drei Maschinenheizer, rußgeschwärzt, kommen mit geschulterten Schaufeln im Marschtritt nach vorn; Eulenspiegel klappt mit der Pritsche den Takt dazu. Stopp! – Zum Bergrat. Euer Hochwohlgeboren haben die Gnade gehabt und uns mit einer Erfrischung soufflierend. kleinen Erfrischung kleinen Erfrischung gelabt. Euer Hochwohlgeboren, wir danken Ihnen sehr und melden wie vorher. gehorsamst gehorsamst: das Achtel ist bald leer. Euer Hochwohlgeboren wissen, die Nacht ist noch lang, und wir halten ergebenst ergebenst die Beleuchtung in Gang. Euer Hochwohlgeboren, wir möchten mit unter mit untertänigstem Respekt mal probieren mal probieren, ob auch Sekt uns schmeckt!!! vor sich hin. Kreuzschwerebrett – aufstehend, räuspernd. Leute! Hört mal – steigt hinten auf einen Stuhl und klingelt. Hört, hört! Ich bitte doch dringend, daß man den Geist des Festes nicht stört! nochmals klingelnd. Ich schließe mich dringend dem verehrten Herrn Vorredner an und verordne somit strengstens, so geisterhaft ich kann, auf Geheiß Seiner Allerhöchstgeistigen Majestät des weiland Kaisers Rotbart, weil er hier auf Gebet des annoch deutschen Michels auferstanden steht im Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität, und weil's ohne diese Errungenschaften nicht geht mit Grabesstimme. in euerm erleuchteten Jahrhundert – mit Donnerstimme. über das er sich ungeheuer wundert – so verordnet er hiermit den Anstiftern der Beleuchtung zur weiteren nächtlichen Kesselraumbefeuchtung aus seiner johannisfestlichen Kellerei unter Aufsicht der hochwohlwürdigen Geisterpolizei einen Korb Henkell-trocken – Ha! Hurra! Bravo! Hei! Wir werden unverzüglich die nötigen Amtsbefehle geben. Er springt vom Stuhl und läuft nach dem Saal. während Michel sich auf den leeren Stuhl setzt. Hurra! hoch! der deutsche Michel soll leben! leben! leben! und Kaiser Rotbart daneben! – während die Heizer und Knappen mit dem roten Karl nach links abmarschieren. Schwerebrett, Herr Corpsbruder! war ja 'ne nette Bescherung. Na, pros't! Immerhin sozusagen 'ne soziale Belehrung. Sie stoßen an und trinken Rest; zugleich klappt wieder die eiserne Tür, und das Geräusch der Maschine hört auf. Wird der Michelspaß nicht amende bedenklich? Unbesorgt. Der Mann ist absolut unverfänglich; hat sicher mit dem kleinen Putsch nichts zu tun. Etwas Dickkopf, aber sonst ein gemütliches Huhn; will mir blos partout sein bißchen Grundstück beibiegen. Ist auch preiswert; und wie die Chancen liegen, müßt ich ihn sowieso bald aus seiner Waldbude schassen. Wollt ihn blos noch 'ne Zeitlang zappeln lassen; Sie verstehn. Vollkommen. Blos diese -ä- Geistergestalten, die uns da eben die noble -ä- Abfuhr aufknallten – Ja, sonderbarer Scherz. Schon mehr Impertinenz. während die Tanzmusik wieder anfängt. Vermutlich Herren von der linksseitigen Konkurrenz; scheint mir ratsam, hier niemand zur Entlarvung zu zwingen. Sie stehen auf, um sich nach dem Saal zu begeben. zurückkommend. Gnädiger Herr, ich habe zu hinterbringen: der kaiserliche Geist beginnt schon ins Volk zu dringen. Held Michel, halt dich zum Hurraschrein bereit! steht brüsk auf, ein wenig schwankend, und steuert zu dem Bergrat hin. Um Verzeihung, Herr Rat – in aller Bescheidenheit – aber es könnt sonst sein, Herr Rat, das Geschäft wird mir leid; – den Bittsteller machen, fällt mir von Hause aus schwer – sind ihm nachgeschritten. schwer – schwer – So! Seh einer! – Na! Dann geben Sie mal her. Pardon, Herr Corpsbruder. Bitte. Ab zum Saal. die Vertragspapiere überreichend. Hier – zu dienen, Herr Rat – aus dem Laubengang tretend. Michel Michael, hör mich! Zum dritten Mal naht Ruhe!!! Holla, die Glücksfee! Halt, Göttin, halt! Er setzt ihr nach; sie verschwinden beide. Verzeihung, Herr Bergrat; sie drängt sich mit Gewalt Wohl ein Schatz? Gott bewahre, Herr Bergrat; nein, keine Spur. Wär doch keine Schade, Mann; delikate Figur! Na, nehmen Sie Platz – Die Papiere aufmachend und seinen Füllfederhalter herauslangend. aber Eins, mein Lieber, schick ich voraus: Sie müssen nicht denken, Sie wären der Herr im Haus. Ihre Scholle ist uns auf alle Fälle verfallen. Wie?? Nun: wenn wir den Luftschacht etwas mehr seitwärts verstallen und legen 'ne Schutthalde vor Ihre Tür, dann gibt kein Mensch mehr 'ne Schippe Kooks dafür. Ja, aber – wieder hinter ihm Wache stehend. aber – aber – Da gibt's nichts zu abern leider. Im Übrigen bin ich kein Halsabschneider. Kellner, noch'n Glas! – Wollte blos meinen Standpunkt klarmachen – – Den Vertrag durchsehend. Nein – aber – Bester – das ist ja rein zum Lachen: ich nannte Ihnen funfzehntausend als unsern äußersten Preis, und hier stehn achtzehn?! Ja, Herr Bergrat, weil –: ich weiß nicht, ob der Herr Bergrat weiß: mein Großahn war Grobschmied – und – und – während der Kellner das Glas bringt. Na? Und? Es geht eine alte Sage von Mund zu Mund –: Des Michel Michaels Haus steht auf eisernem Grund – könnte mancheiner Silber und Gold draus schlagen – – Ja! – Das heißt, Herr Rat, ich wollte damit nur sagen – Da der Bergrat ihm einschänkt. sehr gütig, Herr Rat – Na, Michel: viel ist nicht zu profitieren. Aber – na gut: Lufthalber wollen wir's mal riskieren. Also Ihm zutrinkend. Glückauf! Glückauf! Er leert sein Glas. unterschreibt. So. Abgemacht. Hier: nun Sie. Nein, hier: auf dem andern Papier. nachdem er das Duplikat unterschrieben hat. Uff. Heiß! hat das erste Schriftstück gefaltet und gibt es ihm zurück. So; bitte. Nun? sind Sie nun zufrieden? während jeder sein Schriftstück einsteckt. Hoh, Herr Bergrat, schon? Jetzt geht's doch erst los, das Schmieden! das Glückschmieden mein' ich. Hier die paar tausend Mark Geldeswert, die sind doch blos erst das erste Roheisen auf dem Herd; hoffe dereinst die Welt noch als Feinschmied untern Hammer zu kriegen. Michel Michael, laß nur das Feuer nicht verfliegen! Ist schon manche Glut zu Asche zerstoben auf Erden. Michels Glas wieder füllend. Ja, ich rate auch, lieber Michel: nicht übermütig werden! Oh, Herr Rat – das sind blos so Volksfestgeberden. Sein Glas abermals leerend. Auf Ihr Wohl, Herr Rat! – Ich muß schon den ganzen Abend denken: wie wir hier so sitzen auf den schönen Stühlen und Bänken, Hoch und Niedrig zusammen bei den guten Getränken, und fühlt sich jeder so recht mitbeglückt im Gewühl – das ist doch ein sehr erhebendes Gefühl! nicht wahr? aufstehend. Hm. Ja. Sehr erhebend. Ja. Aber jetzt – kommt mit Lise Lied Arm in Arm angetanzt. Hurra, Vetter Michel, hier kommt dein Glück angesetzt! Hat sich endlich von mir am Schlafittchen kriegen lassen. Die Tanzmusik hört auf. Schalk, Schalk! des Michels Glück, das kann nur er selber fassen. seine Brusttasche befühlend. Ja, wahrhaftig! – Michel –! – unwillkürlich. Lise –! – Sich besinnend. Ach nein; dumm Zeuch; was rührt dich, Michel?! – Schockschwerenot, ihr: was kümmert's euch? schert euch zum Teufel! Ha! Hörst du's, Göttin? Verschmäht! Das fordert Rache! Rache! Den Würfelbecher nehmend. Soll ich mit diesem Gerät, kraft meiner spiritistischen Wupptizität, hehre Fee, ihn zerschmettern? – Nein? – Ach! das ist bitter. O: eine Fee, die findet wohl zartere Ritter. Aber eine Glücksfee, die sollte sich eigentlich entschleiern; darf ich's wagen? während die Tanzpaare aus dem Saal kommen. Vielleicht, Herr Ritter – doch müssen wir ihn erst feiern, der da selig in seiner Selbstherrlichkeit thront und die Dienste der Geister mit eitel Nichtachtung lohnt. Versteht Ihr, Ritter? Stolze Fee, ich beuge in Demut das Knie Er tut es. und verstehe. dazwischentretend. Aber Bergrat, was treiben Sie! Man ist sehr erstaunt – knieen bleibend. Oh, gnädigste Frau, ich desgleichen! In der Johannisnacht erlebt man Wunder und Zeichen! DER ROTBART UND ECKART: Wunder und Zeichen! Eine holde Fee stieg die Himmelsleiter herab shocking! sich erhebend. und gebeut uns mit ihrem Zauberstab, damit wir die Geister der Vor- und Nachwelt versöhnen, den deutschen Michel zum Weltherrn von ihren Gnaden zu krönen. Empörend! Gottvoll, Bergrat! Hurra, Michel! Jetzt heißt es erscheinen! Kopf hoch, Brust raus! Stehst du auch fest auf den Beinen? aufstehend. Hoh! Ich? Er stolpert. Huch! brüllend. Bombenfest, sollt ich meinen!!! Er stellt sich breitbeinig vor die Bank in der Mitte, während der Rotbart und Eckart hinter sie treten. Also – vielwerte Gäste! hurrra! und Zaungäste! hurrra! und Geister, bitte! Bitte! Danke. Hier steht er – steht er – in unsrer beglückten Mitte – Mitte – leibhaftig – leibhaftig – unter dem Lindenbaum – Lindenbaum – unser teurer deutscher Michel – hurrra – es ist kein Traum! DER ROTBART UND ECKART: Kein Traum. Himmelkreizrudiment zum Donner! Silenzium jetzt!!! Ruhe, Bengels! sonst werdt ihr rausgesetzt! Er nimmt einem der Kobolde seine Zippelmütze weg und treibt die Schreihälse nach hinten. Weiter, Bergrat! Lisens Arm nehmend. Also – bezaubert von dieser Himmelserscheinung unglaublich! pßt –! und nach der offenbar völlig einstimmigen Meinung aller Freunde und Freundinnen der höheren Sphären wollen wir ihn jetzt zum Beherrscher der – Lüfte erklären! zum Alleinherrscher sämtlicher Zukunftsflugmaschinen! Glücksgondeln, Traumschiffe und sonstiger Zeppelinen! Möge er immer flügger, lenkbarer und bombenfester werden! und selig enden als Luftschloßbesitzer auf Erden! – die Zippelmütze schwenkend. Hurrra, deutscher Michel! während Michel auf die Bank gehoben wird und ein Glas Wein in die Hand bekommt. Hurra! Hurra! an den Baumstamm gelehnt. Halt!!! Jetzt komm Ich an die Reih! Glückauf, Michel! Trinkt ihm zu. Schön Dank, Herr Bergrat! Trinkt. Ja! Schön Dank fürs Geschrei! Denn der Michel nämlich – ja – kann viel Spaß vertragen. Bravo, Michel! Trinkt ihm zu. immer wieder Bescheid trinkend, worauf ihm unter Gelächter immer wieder das Glas gefüllt wird, bald mit weißem, bald mit rotem Wein. Schön Dank, Herr Landrat! – Ja! – Aber – wollt ich sagen: kann auch Ernst machen! kann – kann sich lange ducken – Wohl ihm, Michel! Schön Dank, Ehrwürden! – Kann seine dummen Mucken – ja – vor euch Stadtleuten – ja – auch sein Heimweh verschlucken – Hoch, Michel! Schön Dank, Herr Bürgermeister! – Ja –: kann sich recken – kann auf einmal – ja: kann er – seine Hand ausstrecken – kann vielleicht dereinst noch – hupp – die ganze Welt in die Tasche stecken – Heil, Michel! Schön Dank, Herr Pfarrer! – Jawohl –: Luft – Erde – hupp – Meer – den ganzen Himmel – hupp – Er fällt von der Bank herunter. wirft sich aufschreiend über ihn. Michel!!! Kellner! den Eiskübel her! – während der Kellner Eiskübel und Tischtuch bringt. Aber teuerste Göttin, er hat sich ja nichts zerbrochen! während man Michel auf die Bank setzt und an den Baum lehnt. Kein Bein! Der fällt einfach auf seine gesunden Knochen! aus der Zippel- der Zappel- der Zeppeline! Da! er macht eine ganz majestätische Miene! Na, dann kann man ja endlich sozusagen die Krönung vollziehn! Er setzt Micheln die Zippelmütze auf, sodaß die Troddel ihm über die Nase herabbaumelt. Hoch lebe unser Michel! während man ihm das Tischtuch wie einen Mantel umhängt. Hoch!!! Der Himmel erhalte ihn! Er mache ihm jede Bank zum Throne – Throne – jede deutsche Zippelmütze zur Siegeskrone – Siegeskrone – jedes deutsche Stück Leinwand zum Hermelin – Hermelin – jeder deutsche Baum sei ein Baldachin – Baldachin – während man Michel lang auf die Bank streckt und das Tischtuch über ihn breitet. für den allerhöchsten, allerstärksten, allerlängsten, allergrößten hinter dem Bergrat her, der die halb lachende halb schluchzende Lise nach rechts beiseite führt. Nein, Sie Wüstling, Sie sollen das arme Kind nicht trösten! Pßßt! und allerreichsten unter den Potentaten halb erwachend. wie –? still, Michel – mit und ohne Staaten. Seht, hier ruht er – daheim im Weltgebrause; – jetzt kann er selig – wie vorher. Lise – ja, Michel – ich – will – nach Hause – ja, Michel – daheim im unendlichen Hafen – zwischen Himmel und Erde und Hölle schlafen – jenseits von euern Zeiten und Räumen – und träumen – während der Vorhang sich schließt. träumen – – als Zwischenredner. Von links kommend, anfangs mit verhaltener Stimme. Ssst –: er träumt! – Eine Menschenseele im Traum ist ein schaurig Ding, ist ein Unding, ist verflochtner als ein Baum in alle Wurzelwirren und Wipfelwehen aus Staub und aus Licht, ist Feuer, Wasser, Luft, was sie will, und – ist's nicht: verschlafnes Tier, wacher Gott, urweltvoller Stern, hohler Ball, allmächtig bis zur Ohnmacht, spielt sich nur auf als All. Wahrlich: einen Menschen im Traum belauschen, das heißt mitspielen mit einem höllisch lebenslustigen Geist. Ich und wir andern längst verstorbenen Geistergestalten, wir würden uns gern solcher spukhaften Tätigkeit enthalten – Allmählich lauter. aber wir müssen uns, ach, noch immer zum Dienst der Menschheit hergeben; denn unser Herr, der Dichter, dieser Auchmensch, will davon leben. Dieser Teufel! Nicht genug, daß wir wirklich leibhaftig erschienen, er läßt uns sogar noch als Hirngespinste nun dienen; oh, wär ich ein Mensch, ich glaube, mir graute vor mir. Aber da ich ganz Geist bin, und jetzt ein Doppelgeist schier, so kann ich Sie nicht mit derlei Halbgottsgefühlen beglücken, sondern drehe ihnen – den Gefühlen nämlich – im Geiste den Rücken. Er dreht sich mit hoch erhobenen Armen um und teilt mit beiden Händen den Vorhang. 3. Akt Dritter Aufzug Bild: Große Höhle aus Bergkristall in weiß-und-grüner Flackerbeleuchtung. Rechts und links durcheinandergetürmte Pfeiler. In der Mitte des Hintergrundes, auf einer phantastischen Pyramide, thront Frau Venus, ebenso vermummt wie Lise Lied; nur trägt sie lange weiße Glaßeehandschuhe, und ihr grünes Kleid ist aus funkelnder Seide, ihr schwarzer Schleier mit Diamanten besetzt. Zu Füßen des Throns, in Gesteinspalten, hocken schlafende Kobolde, wieder blaugrau mit Zippelmützen und weißen Bärten. Zu beiden Seiten des Throns zerklüftete Grotten, mit Schnüren aus Bruchkristallen verhängt, hinter denen ein rotgelb glühender Glanz bald aufwärts bald abwärts quillt und strudelt, sodaß sie wie feuriges Netzgeflecht aussehn; hin und wieder zieht rötlicher Rauch durch die Höhle. sofort, noch während der Vorhang sich öffnet, ins Knie sinkend. Verzeiht, Göttin Venus: ich weiß zwar, Ihr glaubt es kaum: aber wirküch, wir sind Beide jetzt nichts als Traum – also entschuldigt den frechen Possenreißerstreich! zögernd. Wer dringt hier ein in mein heimlich Reich? Nur ein armer Schalk namens Tyll, aber abgesandt Er erhebt sich. von Euerm mächtigsten Nachbarn im ganzen deutschen Land, von des Kaiser Rotbarts verewigter Majestät, der voll Unruh, Schönste, hinab in den Hörselberg späht, denn auch ihn treibt des Michels Traumblick her. So vermelde des hohen Herrn Begehr, der so mächtig ist, daß ein stiller schlaftrunkner Mann seinen ewig wachen Willen verunruhen kann. Oh, Frau Venus, Zaubrin, sehr gewaltig ist dein Bann, aber nimm in Gnaden die zarte Gewissensfrage hin: Traumschöpferin, warst du niemals von deinen Geschöpfen gebannt? O Schalk! – So erfahre: des Michels Seele ist unauslöschlich entbrannt von all und jeder Machtsehnsucht Himmels und der Erden, heute Nacht soll sein Hauptwunsch entschieden werden. Du hast eine Flamme in seinem Blut angefacht, die hat all sein junges Hirn in Rausch und Aufruhr gebracht; nun kennt er sich selbst kaum vor lauter hochfliegenden Brünsten. Drum, erlauchte Göttin, dank deinen Zauberkünsten, sind die andern unsterblichen Hauptpersonen, die seit Alters in seiner Geisterwelt wohnen, aus ihrer gottseligen Ruhe jählings mitaufgeschreckt – und als der stärkste von seinen Schutzgeistern streckt der Kyffhäuserherr die gepanzerte Faust dir entgegen: Wenn du ebenso mächtig bist wie verwegen, mögest du ehrlichen Wettstreit mit ihm pflegen um des Michel Michaels wahres Seelenheil. Desgleichen mit mir für mein bescheiden Teil; du wirst es nicht weigern, erlauben wir uns zu hoffen. Mein Reich steht allen Geistern, starken und schwachen, offen. Ja, Gnädigste: offen wie ein Grab. Und dein zauberkräftiger Wünschelstab glänzt empor über deine dunkeln Schleierfalten wie ein Irrsternschweif nach zwei Seiten gespalten, indessen die Weltküglein an den beiden Spitzen gar nach jeglicher Windrichtung drehbar blitzen. Ich seh's, Vielgewandte, trotz unsern verhüllten Mienen; denn auch ich verstehe, Herrin, zweeen Welten zu dienen. So schwör ich bei diesem einen unlöslichen Ringe, kraft dessen mein Szepter die zwiegespaltene Schwinge der immer wieder sich verjüngenden Welt in der Schwebe hält: du nahst ungefährdet meinen vulkanischen Quellen. Und meine Begleitung? Ist gefeit wie du vor den feuerbrünstigen Wellen. tritt dem Thron etwas näher und klappt mit der Pritsche, während zugleich der Rotbart von links und Eckart von rechts aus den Pfeilergängen treten, Beide noch immer mit vermummten Gesichtern. Wohlan, edle Hexe! du siehst, wie stracks wir uns stellen. auffahrend. Ah, Schalk! du verkündetest mir der Wettkämpen zwei! jetzt seid ihr drei? – Wieder ruhig sich setzend. Nun, Eckart: du warst von jeher ein Schleichwegverfechter. Ich war von jeher, Frau Venus, dein treuster Torwächter. Ich tue nichts wider dich, als am Eingang des Hörselbergs warnen; wer der Warnung trotzt, den magst du getrost umgarnen. Und selbst für Göttinnen bleibt's doch ein Akt der Huldigung immer, wenn sich drei Mannsleute mühn um ein Frauenzimmer. Sieh da, du lächelst! dein ganzer Schleier lacht! Vor Dir, Eulenspiegel, hat wohl mein Ernst keine Macht. Und auch den Rotbart wird schwerlich ein trauerndes Weibsbild rühren. Hoh, Huldin, wir hoffen noch innigst Eure Trauer zu spüren, wenn erst der Michel von uns Selbstbeherrschung annimmt. Inzwischen freilich sind wir herzlich wenig gestimmt, christliche Stufen zu Euerm heidnischen Thronsitz zu hobeln. Also kurz und gut: ich schlage vor, sein Seelenheil auszuknobeln. Er holt den Würfelbecher aus der Tasche und schüttelt ihn. Bester Wurf: Alles Eins! – Er stülpt die Würfel auf einen Kristallblock. Hier –: dreimal der nackte Spatz! In der Tat: ein unwiderleglicher Satz. Gib her! Halt, Hexe! leg erst den Zauberstab nieder! Das versprach ich nie wem. Dann, Schalk, nimm den Becher wieder! Rasch! nimm ihn! rasch! – Die Unholdin wirft dir Pasch auf Pasch; so bliebe das Wettspiel in alle Ewigkeit gleich. Ich hätt ihn heimzahlen können, den schnöden Gauklerstreich; aber, Tyll, des Michels Seele gilt mir zu viel für ein Würfelspiel! Ich sehe, Rotbart, zu meiner Freude: du nickst. Ich fühle, Feindin, wie ehrlich du um dich blickst. So hört meinen rückhaltlosen Bescheid: der Michel Michael selber löse im Traum unsern Streit! Wenn du Herrscher in seinem dir zugeweihten Land, du Wächter an deinem ihm geheiligten Stand, du Landstreicher da aus vogelfreien Bezirken, wenn ihr vermögt seiner Sehnsucht ein habhaftes Ziel zu erwirken, das ihm wettmacht den einen einzigen unruhvollen Bann, den meine Inbrunst, die verwunschne, ihm antun kann: so sei er hinfort, in Zeit und Ewigkeit, von mir befreit! – Seid ihr's zufrieden? Zufrieden! Zufrieden! Nur unter der Sicherheit, daß dein Szepter, solange der Streit dich drängt, sein träumendes Haupt nicht berührt noch umkreist noch sonstwie lenkt. Die Sicherheit geb ich. Dann ruf ihn! die Wette hängt. berührt die Kobolde mit dem Szepter. Aufgewacht, Klopfgeister, aufgewacht! der Wunschquell sprudelt; öffnet den Schacht! Feuerfluß werde kristallene Flut! Erde, enthölle dein Himmelsblut! verschlinge das Trübe, beschwinge das Reine! Erscheine, Michael, erscheine! – Die Kobolde haben die Kristallschnurgeflechte der rechten Grotte inzwischen geöffnet, und eine ferne langsame Tanzmusik ertönt. Aus rötlichem Qualm auftauchend erscheint ein Zug schwarzgekleideter Gestalten. Voran fünf Kaplane, im Gänsemarsch mit Polkaschritt. Dann je fünf Landräte und Bürgermeister, die den schlafenden Michel Michael auf seiner Bank einhertragen; er hat noch immer die Zippelmütze auf dem Kopf und ist mit dem Tischtuch an die Bank festgebunden, mit dickem Knoten auf der Brust, doch so, daß seine Arme frei sind. Hinterdrein fünf Pastoren, wieder im Polkaschritt. Jeder Kaplan, Landrat, Bürgermeister, Pastor ist den vier übrigen zum Verwechseln ähnlich, in den gleichen Kostümen und Masken wie früher. Hier naht er, hier naht er, der Weltpotentater. Da liegt er im Wickel, das Hochmutskarnickel. Du Großmaul! du Saufsack! du Raufbold! du Strolch! Jetzt kommt die Vergeltung, du Sündenmolch! Rache! – Der Zug macht ruckhaft in vier Kolonnen Halt und stellt die Bank in der Mitte der Höhle nieder, Michels Füße dem Venusthron zugekehrt; zugleich wird die Grotte wieder verhängt, sodaß die Tanzmusik verstummt, und die Kobolde eilen auf ihre Sitze zurück. Michel liegt immerfort regungslos. Erhebt ihn! Äh –? Erhebt ihn!!! Ja ja! hier pariert man aufs Wort! Immer artig, werte Herrn! hübsch kusch und apport! Halblaut. Held Michel, hier braucht dich blos das geheimste Lüstchen zu jucken, und wir sind allesamt deine tiefst leibeignen Haiducken. Die Amtspersonen haben inzwischen, unter schreckhaften Bücklingen, die Bank mit Michel hochgekippt, sodaß sein ganzer Körper verdeckt steht; so dem Venusthron zugewandt, an die aufgerichtete Bank gebunden, bleibt er stehen, bis sich der Vorhang schließt, und nur ab und zu wird Arm oder Hand von ihm sichtbar. Hier schützt dich mein Schwert, es ist allzeit unbestechlich. Hier stützt dich mein Kreuz, es ist unzerbrechlich. Hier nützt dir meine Pritsche, sie ist unüberwindlich; und deine Schlafmütze, sie ist unergründlich. immer mit schlafbefangener Stimme. Wo – bin – ich? Im Reich deiner reinsten Kräfte. Hier siehst du im Glanz kristallklarer Säulenschäfte deine stärksten Schutzgeister tausendfältig sich spiegeln und dir ihre innerste Strahlenfülle entriegeln. Hier hast du für immer die Wahl zwischen ihnen und mir; hier bist du Alleinherr. Zu den Amtspersonen. Kniet nieder, ihr! gehorchend. Herr, erbarme! ebenso. dich unser! aufmuckend. Himmelkreizrudiment! sie einzeln rasch mit der Pritsche duckend. Nieder! nieder! nieder! nieder! nieder, Blitzelement! Michels Kopf mit dem Schwert berührend. Ich, Michel, kröne dein Haupt mit dem herrlichsten Mut, dem zu dir selbst; bewahre ihn gut! desgleichen mit dem Kreuzstab. Ich, Michael, mit der heiligsten Macht, der über dich selbst; nimm sie wohl in Acht! Ich verhalte mich selbstverständlich ergebenst stille, denn die Hauptsache bleibt: es geschehe dein Wille! Ihm ins Ohr. Wenn du willst, ist der ganze Weltrummel nichts als 'ne Flause. Ich – will – nach Hause! Hier bist du's! Ewig! Dies Haus kannst du nie verkaufen. Michel Michael, bald ist die Zeit abgelaufen, in der du den Raum der Geister heimlich erleuchtet siehst; wenn du willst, daß dein innerstes Heim sich erschließt, ich zeig dir's! Wer – bist – du? von feurigem Rauch verhüllt. Ich weiß nicht mehr. Wohl aus tiefem Süden kam ich einst her, wohl aus höchstem Norden: aus allen Zonen, wo Urvater Schmerz und Allmutter Wonne wohnen. Wohl der einsamen Glut seines Geistes bin ich entsprossen, wohl vom willigen Feuer ihrer Seele durchflossen in des Erdgrunds kreisenden Leib getropft, aus dem nun mein Himmelsblut flammt und flackert und drängt und klopft, auf begehrlich durch deine, auch deine irdischen Adern hin – Hut dich, hüt dich, Michael, vor der Teufelin! sich bekreuzend. Teufelin! Schweigt, ihr Winsler! Hab Dank! Ja, Gebieter, ich bin nur die Stimme, die aus dir selber lacht, wenn dein Mutwille hochlodert aus dem Kyffhäuserschacht. Ich, Eckart, brauche des Michels Haupt nicht mit wirren Machtsprüchen ewigen Heils zu kirren, nicht wie du, Freund Tyll, mit gleißenden Freiheitsblicken sein Hirn bestricken: ich rühre nur leise an sein Herz – Sie senkt ihren Stab auf Michels Brust. seht, wie er aufzuckt! – Sag, Michel: Ist's Schmerz? Schmerz – Ist's Wonne? Wonne – Ist's Heimweh nach dem Licht? Licht! ihren Stab wieder hebend. Fühlst du nun des Blutes selige Unruhpflicht? Oder willst du leben – sprich – wie diese Machtstreber hier, ein Ruhestifter voll furchtsamer Gier? die Arme breitend. O Göttin! Gnade! mit der Pritsche klappend. Ruhe! während sich die Kaplane bekreuzen. Gnade, Göttin! Ruhe!!! Göttlichste Göttin!!! Ihr?? Ihr meint eine Andre! Ihr meint die teuflische Fratze, die jene Diener des Heils da Auf die Kaplane weisend. mit plump geiler Tatze an die Wand euch malten; drum sitz ich im Trauerschleier. Aber auch euch treibt heimlich – wißt es! – mein mißgunstfreier Hauch, eure Ängste auszurasen und euren unreinen Atem irgendwie von euch zu blasen; so habt ihr den Erdball zum Höllenkessel gemacht. Die Kobolde mit dem Szepter streifend. Auf, Klopfgeister! öffnet den Wetterschacht, durch den der Qualm ihrer Süchte zur Läuterung niederquillt! Jetzt, ihr Herrn, beseht, beseht euch das Ebenbild eurer knechtischen Notdurft und krampfhaften Mühseligkeit, eurer zielbewußten Wohlfahrtsbeflissenheit, eurer mammonstollen Stoftwechselpracherei, eurer jammervollen Naturgesetzschacherei, des zivilisierten Barbaren würdigste Konkubine: da steht eure Göttin: die Maschine! – Die Kobolde haben währenddem das kristallene Flechtwerk der linken Grotte geöffnet, und schwarzgrauer Dampf ist herausgequollen. Nun wird ein feuriges Ofenloch sichtbar, neben dem der rote Karl in seiner militärischen Maske zwischen maskierten Bergleuten und rußschwarzen Heizern hockt, und darüber eine Schwungradmaschine; zugleich hört man wieder das dumpfe Kolbengestampf, aber weniger laut als früher. sich die Ohren zuhaltend. Himmelkreizru – tritt drohend vor. man stopp! dumpf. man stopp, man stopp, man stopp! Jetzt kommt die Vergeltung! los, Genossen! hopp hopp! Rache! schaufeln und Spitzhacken schwingend, bilden mit hoppsenden Tanzschritten einen Halbkreis um die Amtspersonen, die sich mit flehenden Geberden knierutschend um Michel zusammendrängen. Wir sind nicht mehr Menschen; wir dienen, wir dienen, lebend'ge Maschinen, den toten Maschinen. Jetzt wolln wir mal herrschen, mit Gewalt, mit Gewalt, wir armen Teufel in Menschengestalt. Rache! Wir flehn ehrerbietigst um Gnade, um Gnade. Es wäre doch schade, jammerschade, jammerschade um unsre christlich-germanische Staatskultur. O Michel, o Michel, besinne dich nur! klopft mit dem Finger an die Rückseite von Michels Bank. Michel, hörst du? Ich höre. So verschließ dir einstweilen die Ohren! Und verwechsle nicht Uns mit diesen vom Zeitgeist besessenen Toren! Nein, hör sie nur betteln, die dich mit städtischer Hoffahrt benebeln, um hinterrücks deinen bäurischen Waghals zu knebeln; seht, ihr Kriecher, jetzt schlägt sie über die Schnur, die tückische Glut eurer Unnatur. Eine grelle Flamme pufft aus dem Ofenloch; die Amtspersonen fahren entsetzt in die Höhe und taumeln geblendet durcheinander. Sie macht alles so hell, sie macht alles so schnell, daß eure lichtscheuen Sinne sich dran verbrennen, bis ihr nichts mehr könnt als blindwütig hasten und rennen; nun, ich will euch erlösen, ihr armen Irrlichtschürer. Los, ihr Hetzteufel alle, packt eure Verführer! hinter den flüchtenden Amtspersonen her. Hetz-hetz, ins Feuer! Erbarmen, Erbarmen! Ihr Fettungeheuer! Wir Armen, wir Armen! nehmen einen Landrat und einen Kaplan am Kragen, während die übrigen in den Pfeilergängen verschwinden. Ihr Schweinepriester, ihr Rindviehmagnaten, jetzt singt Halleluja, jetzt werdt ihr gebraten! marsch! O Sankt Michael, hilf uns! Inhibieren Sie diesen Radau! O Sankt Eckart, bitt für uns bei der gnädigen Frau! Fahr zur Hölle, Memme! Höllaluja! marsch, marsch! Ins Feuer! wird ins Ofenloch geschoben. Au! au – – DER LANDRAT Sackerment – Plötzlich sich losreißend. Herr Corpsbruder!!! kommt sofort durch das Flechtwerk der rechten Grotte gehopst, maskiert wie früher. – wünschen? – während er wieder gepackt wird. Na Hilfe, kreuzsackerment! nach der linken Grotte hinübergaloppierend. Bedaure! bin beschäftigt! im Dienst der Herrin! es brennt! kommt plötzlich aus der rechten Grotte ihm nachgaloppiert. Ach bitte, bitte, bitte! Na warte, ich werd dich schon kriegen! Jawollja! marsch marsch! immer ran, verehrliche Fliegen! den Bergrat gleichfalls ins Feuer schiebend und die Bürgermeisterin hinterdrein. Immer rin, immer rin, immer rin ins Vergniegen! – zum Landrat. Marsch marsch! immer schneidig! Na, wenn's sein muß, dann los! Platz da – Er stürzt sich selbst in das Ofenloch. Allerhand Achtung! So'n Schubbiak! so'n Gernegroß! Still, Genossen! Ohoh! Ich sag auch: der Kerl hatte Schneid für drei! Hoh!!! ihm mit der Pritsche auf die Schulter klopfend. Nimm dir'n Beispiel dran, Roter! jetzt kommst Du an die Reih! Wa –? Zu dienen, Herr Volksbefreier! jetzt ist man so frei. Zu Hilfe, Genossen! Hoh! ohoh! Die Zeit ist vorbei! Vorbei, du Schreihals! jetzt wird nicht mehr schwadroniert. Aber Kameraden! Jawollja! hast uns lange genug kommandiert! Marsch ins Feuer! Marsch marsch, du Freiheitsverräter! du Rädelsführer! du Erzschuft! du Hauptattentäter! Zu Hilfe, Michel! Der läßt sich erst recht nicht drillen. mit besonders wuchtigem Tonfall. Hier ist Jeder nur Bruchstück von Seinem Willen. Und sein Wille ist, ihr Schächer: ich soll euch ein bißchen läutern! euch Alle! Nachher könnt ihr säuberlich weitermeutern – und einer den andern mit reinem Gewissen regieren – und euch gegenseitig immer reiner kuli-kultivieren. Was meinst DU, Michel? die Hand nach dem Feuerloch hebend. Marsch, marsch! Hinein, ihr Teufel, hinweg! Klopfgeister, schließt den Sündenversteck! Erde, enthölle dein Himmelsblut! Feuerfluß werde kristallene Flut, beschwinge die Zeiten, durchdringe die Räume, bringe Klarheit ins Reich der Träume! Der rote Karl wird inzwischen samt seinen Genossen von den Kobolden an das Ofenloch gedrängt, und das Flechtwerk der Grotte schließt sich hinter ihnen, auch die Kobolde mitverbergend; zugleich verstummt das Geräusch der Maschine. Sag, Kyffhäuserherr, ist nun zur Genüge gestritten? Frag den Michel, edle Feindin! du kennst die Geistersitten. Ja, du Herrlicher du, werd's endlich inne: ich bin nur den Armsünderseelen die Teufelinne. Aus dem Samen, den ich Verschwenderin streue, keimt alles Künftige, alles Junge und Neue, jeder Traum von Schönheit und Kühnheit, von Freude und Ruhm, jeder Glaube an wahrhaftes Heiligtum. Wahrlich, Eckart, unser Wettstreit bleibt ewig gleich; denn dein wie mein ist das Erd- wie das Himmelreich. Also, Eulenspiegel, schür sie nur immer fort, die Hölle der Freiheit zwischen hier und dort! und sorge dafür, daß deine Schelle selbst in die verschlafensten Ohren gelle! Zu Befehl, gnädige Frau! Er hockt sich ans Fußende von Michels Bank. Ich nehm dich beim Wort auf der Stelle. Sprich, Michel: glaubst du an unsre Schutz- und Trutz-Einigkeit? und willst du ihr treu sein, treu sein in Lust und Leid? Lust – und – Leid! Und willst du mir, was dein Mund so im Traum verspricht, auch beschwören von Augen- zu Augenlicht? Augenlicht! O, erkenne mich erst, du! – Weißt du nicht mehr: Fremd aus fernem Süden wohl kam ich einst her, so fremd, daß ein Schreck dein nordisches Blut durchlief, wie ein Bergquell wohl aus der Erde tief, eines Abends im Wald, war kaum sechs Jahr, einen Kranz wilde Efeuranken im Haar – Sie lüftet lächelnd ihren Schleier. und mit Augen, wie der Kuckuk fürwahr – jäh einporgreifend. Lise!!! – Ja, so saß ich unter dem Felsenhang und sang – und sang – – nickt und verhüllt sich wieder. Und nun siehst du mich hier, wie du wünschtest, in seidnen Kleidern sitzen, mit Glaßeehandschuhen und Diamanten und ausländischen Spitzen; und gilt dir doch alldas in Wahrheit nicht einen Niet gegen ein einziges kleines heimatliches Lied von Herzensgrund aus meinem Mund – deinem Mund – sich erhebend. Hört's, Geister, hört's! schlingt den Zauberreigen! Die Kobolde eilen von rechts wie links durch das Flechtwerk aus den Grotten herbei. Raunt mein Gebet ihm ein in sein innigstes Eigen: in Fleisch und Blut, in Mark und Mut: Körperrausch werde Seelenglut! Sie senkt ihr Szepter wieder auf Michels Brust, während der Rotbart mit dem Schwert und Eckart mit dem Kreuzstab sein Haupt berühren; zugleich beginnen die Kobolde, ringelreih um die Bank zu schreiten, während Eulenspiegel am Fußende kauern bleibt. Michel Michael! Mehr kann kein menschlicher Geist erwerben gedämpft. Geist erwerben als ein Haus, das er heiligt für seine Erben! wie vorher. seine Erben! als einen Hof, wo er spielt mit Weib und Kind! Weib und Kind! als einen Herd, an dem er Frieden findt! Frieden findt! eine Schwelle zum Himmel, wenn er den Kampf bestand für seine Muttererde, sein Vaterland! allmählich lauter. seine Muttererde, sein Vaterland. alle zehn Finger hochspreizend. Dieser Traum der Menschheit, Michel, hat vielerlei Enden! vielerlei Enden! FRAU VENUS laß dich nicht von Träumen, die eitel sind, blenden! plötzlich niederknieend. blenden! Bei dem Gott, dem der Geist deiner Väter entsprang – bei deines Namens hellem Erzengelklang – den Schellenzipfel hebend, doch noch nicht klingelnd. bei der dunkeln Macht, über die ich weine und lache – FRAU VENUS erwache, Michael – aufspringend, Zippelmützen und Schellenzipfel schwenkend, während der Vorhang sich schließt. erwache! – – als Zwischenredner. Aus dem Mittelspalt des Vorhangs tretend, mit verlegenem Achselzucken. Er schläft immer noch. Was tun? Aufhorchend. Jetzt schnarcht er sogar. Das ist höchst bedenklich; denn wir laufen alle miteinander Gefahr, noch geisterhafter von ihm geträumt zu werden, und das könnte doch vielleicht unsern leiblichen Zustand gefährden. Ich würde ihn wecken; aber wer weiß, was passiert, wenn er unversehens seine Zippelmütze verliert und ernstlich nachdenkt über dies nächtliche Abenteuer. Auch unserm Herrn Dichter übrigens scheint das durchaus nicht geheuer; ich glaube, er fragt sich lieber schon garnicht mehr, wer jetzt wirklich Herr ist, wir oder er. Hinterm Vorhang beginnt leise Tanzmusik. Aha! da läßt er gleich wieder den Fidelbogen schwingen; vermutlich, um den Gang der Handlung besser in Trab zu bringen. Seit wir dem Michel klarmachen mußten, was er im Grunde will, steht dem Herrn sein Wille ebenso gründlich still vor den unberechenbaren Folgen dieser Geisterstunde. Ich hör ihn bereits mit sperrangelweitem Munde um unsern Beistand gegen seinen schnarchenden Helden flehn; ja, so dreht sich der Weltlauf im Handumdrehn. Wenn nun der Michel träumen will bis zum Jüngsten Tage, was wird dann aus der ganzen tatsächlichen Lage? Sein Haus fällt der Grubengesellschaft in die Hände, und seine Glücksfee nimmt womöglich als alte Jungfer ein Ende; ich muß doch mal nachsehn, was sich da machen läßt. Er steckt einen Augenblick den Kopf in den Vorhangspalt. Halt! er schnarcht nicht mehr. Er liegt bombenfest; nicht einmal seine Krone ist verschoben, und man hat ihn inzwischen sogar auf den Thron gehoben. Da heißt's doppelt Vorsicht. Ich warne nochmals Jeden vor Schaden; denn Sie wissen, er ist reichlich mit allerlei Sprengstoff geladen, und wie leicht kann der plötzlich ganz von selber loskrachen! Also werd ich ihm mal Platz für den Explosionsfall machen. Er schiebt den Vorhang nach rechts beiseite. 4. Akt Vierter Aufzug Bild: wie beim zweiten Aufzug. Doch ist jetzt die Bank mit dem angebundenen Michel quer auf zwei zusammengerückte Tische gesetzt, die rechts unter dem Laubengang stehn; und überhaupt sieht alles ziemlich verrattert aus. Hinter Michel, auf Stühlen zu ebner Erde, sitzen der Rotbart und Eckart, ebenfalls schlafend; und an dem langen Tisch links schläft der schwarze Karl, mit einer leeren Flasche im Arm. Vorn, unten vor Michel, sitzt und wacht Lise Lied, noch immer als verschleierte Glücksfee; neben ihr steht der maskierte Bergrat, mit zwei Sektgläsern in der Hand. Die leise Musik im Saal dauert fort; man sieht, es wird eine Cotillontour getanzt, und ab und zu huscht ein Pärchen heraus in die Büsche. prallt mit dem Vorhang an den Bergrat, sodaß dieser die Sektgläser fallen läßt. Oh Pardon, Herr Rat! O zum Teufel, Sie Tr – Tr –? DER BERGRAT Sie – Traumspuk mein' ich! Ah, danke höflichst, Sie Rr – Sie Raumspuk mein'ich – und werde sofort das Glas neu erscheinen lassen; unterdeß dürften Scherben nicht schlecht zu dem Fräulein Glücksfee passen. Also zwei Gläser, bitte. Nein, danke! Nichts mehr! nicht einen Tropfen! Halblaut zum Bergrat. Ach, ich fühle mein Herz schon rasch genug klopfen. Also eins, Herr Glücksrat? Nein, danke gleichfalls! danke! Also keins. Glückauf, Spuk! Ab nach dem Saal. Lisens Schleier fassend. O diese schwarze Schranke, wann wird sie endlich von dem klopfenden Herzchen weichen?! O wüßt ich den Preis, spröde Fee, für dies Glück ohnegleichen! Nicht so stürmisch, Herr Ritter; Ihr werdet sogleich erschrecken. Ihr habt den Preis nämlich in der Tasche stecken. Ja, ja! Und er ist nur ein Blatt Papier. seine Brieftasche herauslangend. Aber Herz, natürlich! Wie hoch soll der Check sein? Hier! Check? was ist das? – Ach so! Hahahah! Nein, danke recht sehr; ich meinte – Plötzlich schreckhaft. ogott! er hat sich gerührt! Was! Wer! Na, Er! Wenn er aufwacht! Ach bitte, Herr Bergrat: schnell: bringen Sie mich heim! Ja natürlich, Schatz! In welches Hotel? Hotel? Nein, nach Hause! Hause? Ja bitte! geschwind! Hm – wer bist du denn? Ach, Herr Rat – blos dem Michel sein Pflegekind. Die Tanzmusik setzt ab. Ach so –! Hahahah! – Süßer Racker! Er darf mich hier nicht finden! Will ihn blos noch rasch von der Bank losbinden. Sie tut es. erscheint im Hintergrund mit der noch immer maskierten Bürgermeisterin. Bitte dort, schöne Frau; Sie sehn, man will schon verschwinden. Lisens Arm nehmend. Also los! nach vorn eilend, während Eulenspiegel zurück in den Saal geht. Ah, monsieur, Sie treiben's ja rein schon zum Skandal! Oui, madame! drum verlass ich auch das Lokal. Ihr Diener! Empfehl mich, Madam! während die Beiden nach rechts verschwinden. Sie Dirne! Sie freches Stück! O, meine Nerven! – O Theodor, komm zurück!!! – Sie ist dabei auf den Stuhl gesunken, auf dem vorher Lise gesessen hat. Die Tanzmusik setzt wieder ein. erscheint mit dem etwas schwankenden Bürgermeister. Bitte dort, Herr Bürgermeister – Entfernt sich wieder. gleichfalls noch immer maskiert, mit einigen Cotillon-Orden am Domino. Aber Wally, was sollen die Leute denken! so mitten aus dem Cotillon abzuschwenken! ich bitt dich! schluchzend. Ach, Männe! Ach, laß das Getu! Was?! – Kreischend. Pfui, du Flaps! du elender Fatzke du! Geh!!! Aber Frauchen! Geh, sag ich! oder ich schrei!!! Um Gottes Willen – Er schlägt sich nach rechts in die Büsche. schluchzend. So'n Stiesel! Und riecht noch nach Bier dabei! – erscheint im Hintergrund mit dem Kaplan. Bitte dort, Ehrwürden – Dann wieder ab in den Saal. auch schon ein bißchen schwankend. Ei, teuerstes Beichtkind, ei: so vereinsamt inmitten der Fröhlichkeit? Er nimmt einen Stuhl und setzt sich dicht neben sie. Ach, Ehrwürden, es giebt soviel Herzeleid! ihre Hand nehmend. Ei, ei – O fühlen Sie, wie ich zittre und bebe – Sie drückt seine Hand an ihren Busen, während Michel oben hinter ihnen erwacht und unbemerkt sich allmählich auf seiner Bank zurechtsetzt. Ach – Ach – O hätt ich etwas, wofür ich lebe! mir ist manchmal so schwach, so unbeschreiblich schwach! Ja, ich fühl es – Ach, wie das wohltut – ach – wie das wonnig klang, als Sie sagten: Ei, ei – weiterfühlend. Ei, ei – Ach, mir wird auf einmal so anders, so frei! wie das himmlisch ist, so getröstet zu werden! Ja, da fühlt man das Paradies auf Erden – Ach – wenn ich auch etwas abgehärmt scheine – O – das sind ja gottgesegnete Beine – erscheint im Hintergrund mit dem Pastor. Bitte dort, Herr Pastor – von oben herab zu dem Pärchen. Ihr Schweine – Huch – Läuft nach rechts davon. ruhig aufstehend. Was! Er Säufer erfrecht sich, hier fromme Gespräche zu stören? über die Stühle vom Tisch niedersteigend. Platz da, Pfaff! von Eulenspiegel wachgemacht, treten aus dem Laubengang. Platz! Platz! vor Michel zurückprallend. Ah! Er Soll von mir hören! Wart Bursch! Ab in den Saal mit dem Pastor zusammen, der im Hintergrund gewartet hat. Nun, hehrer Helde? zurück aus dem Geisterland? wie steht's? ganz mit sich beschäftigt, schlägt nach der Troddel der Zippelmütze. Verdammtes Gebammel! Und reißt sie sich vom Kopf. O aber! Solch Ehrenpfand, das schlägt man doch nicht! die Mütze anstarrend. Was ist das? was soll das? – Hee: wer tat das, Schwarzer?! von Michel gerüttelt. Hilfe! mein Portepee! Josef-Maria – Ist aufstehend über seinen Degen gestolpert, fällt unter den Tisch und schläft weiter. Viehklumpen! – Und Ich?? – O Vieh, Vieh, Vieh!!! Die Mütze zerfetzend und zu Boden schleudernd. Schandlappen verfluchter! da lieg, du Infamie! O, ich Narr! ich Stadtnarr!!! Er faßt seinen Kopf mit beiden Händen; die Tanzmusik setzt wieder ab. Halt, Michel! halt! besinn dich, Mensch! – Er blickt scheu nach dem Rotbart und Eckart hinüber, tastet an seiner Brust herum, holt das Vertragspapier aus der Tasche, entfaltet es, starrt es kopfschüttelnd an. nimmt unterdessen Eckart beiseite. Excellenz – Und da dieser ihm rasch den Mund zuhält. ah, Pardon – aber gehn wir nicht bald? wir könnten leicht den rechten Moment verpassen. ist zu ihnen getreten. Nein, wir dürfen den Mann nicht in seinem Zorn verlassen. Wie's beliebt, gnädiger Herr – – Wo ist er? Er soll mir heraus! DER ROTBART Wer, Michel, wer?! Dem ich hier mein Haus vorhin verschrieb ohne Sinn und Verstand! Er zerknautscht das Papier, will es wegwerfen, hält plötzlich inne und steckt's in die Brusttasche. Der, Herr Vetter, ist leider inzwischen kurzerhand mit deiner Glücksfee durchgebrannt. Die Tanzmusik setzt wieder ein. nimmt seinen Hut und Stock von dem Tisch unter der Bank. Ihr Herren! Ich bin nur ein Mann in geringem Kleid und mit Ehrfurcht im Leibe; aber was ihr auch seid, ich schätz mich zu wert, euern Schabernack einzustecken! Ich bin kein Hanswurst für naseweise Gecken, und im Wirtshaus ist jedermann nichts als Zechkumpan! Auf die zerrissene Mütze deutend. Wer hat mir den Schimpf da angetan?! Da mußt du den dort fragen, Freund Grobian. Er zeigt nach hinten, wo eben der maskierte Landrat erscheint, ganz mit Cotillon-Orden bepflastert, begleitet vom Kaplan und vom Pastor, alle drei den Hut auf dem Kopf und nicht mehr vollkommen fest auf den Beinen. sich gleichfalls den Hut aufstülpend. Ahh, Herr! sich mit dem Taschentuch fächelnd. Äh –: Ah –? was Ah?! Ich fordre Aufklärung, Herr! Pahahäh! Ist ja gottvoll! – Na also, Sie Aufklärererr: erst mal Hut ab, wenn Sie hier um was bitten! Mit Verlaub: mein Hut kehrt sich ganz nach Anderleuts Sitten! ja Sitten! Sitten! Himmelkreiz, Ruhe! – Das ist ja -äh- unerhört! Unerhört! Unerhört! Er besoffner Flegel, merk er sich: Wenn er das Fest weiterstört den Hut kurz lüftend. Um Verzeihung, Herr Landrat: Wer ist hier besoffen? Ich für mein Teil hab meinen Rausch ausgeschloffen. immer heftiger fächelnd. Ruhe!!! wie vorher. Sehr gern, Herr Landrat. Nur bitt ich noch diese Nacht um Antwort: Wer hat mich besoffen ge macht? ! Und im Übrigen bitte: hier leg ich hin, was ich etwa irgendwem dafür schuldig bin! Er langt eine Handvoll Geld aus der Hosentasche und wirft sie dem Landrat vor die Füße. etwas zurückweichend. Aber das ist ja ein ganz -ä- ganz unglaubliches Vieh! Ja, ein Vieh! Ahh!!! Hebt in heller Wut seinen Stock. Halt, Michel! Halt! bezwingt sich. Ja, wahrhaftig: für die, die Biester da, ist mein Stock zu gut. Aber eh ich ihn heimtrag, ihr Kröten-und-Unkenbrut, soll euch doch mal erst, und müßt ich den Hals drum wagen, eine Menschenstimme ans Trommelfell schlagen! Der Landrat holt Notizbuch und Bleistift heraus. Ja, notieren Sie's nur! ich stell's gerne auch noch unter Eid! O, mit welchem Brustkorb voll Feiertagsgläubigkeit kam ich heut auf dies Fest, dies Volksfest, her in die Stadt! Wie hatt ich mein einsames altes Waldnest satt! wie sah ich die Welt hier von neuen Lichtern leuchten, die mir alles Leben weiter und größer zu entfalten deuchten! Halb zum Rotbart und Eckart hingewendet. wie war ich willens – die Herren da sind mir Zeugen – jedem überlegnen Geist mich mit Kopf und Kragen zu beugen! wie glaubt ich, daß hier, wo Männer zum Wahlkampf rüsten, die rechten, aufrechten Vorbilder ragen müßten, einen Kerl wie mich zu vornehmer Art anzuleiten! Und was fand ich? Zornschluchzend. Lauter Gemeinheiten! dumpf. Gemeinheiten. Na heul nicht, Michel! hast höhere Obrigkeiten! Was?! Schwerebrett ja, was unterstehn Sie sich! Ich verbitt mir, meine Herrn da – wer sind Sie eigentlich?! wie heißen Sie?! Inzwischen hat sich im Hintergrund ein Haufen maskierter Leute versammelt, darunter das Bürgermeisterpaar Arm in Arm, und ein lärmender Wirrwarr drängt gegen den Rücken des Landrats. plärren aus dem Gedränge. Fritze! Peter Paul! Ludewich! – Himmelkreizrudiment, Herr Kaplan, da soll man nicht fluchen?! Drei Kobolde kommen plötzlich zum Vorschein, der erste ohne Mütze und mit flennender Miene. Träum ich? Verflixte Bengels, was habt ihr hier noch zu suchen! Ehrwürden hat euch doch extra vorhin zu Bett gejagt! Ich auch, Herr Landrat! weinerlich. Ich will meine Mütze! Waas? ZWEITER UND DRITTER KOBOLD Mütze! Ja –! Mutter hat gesagt: Fritze, hat sie gesagt – Dusselfritze! Dusselfritze – erst gehst du und holst deine Zippelmütze! Zippelmütze – Da liegt sie! sich wegdrehend. Ä – bitte, Herr Bürgermeister! Er nimmt ihn beiseite, gestikuliert mit ihm. hat die Mütze vom Boden genommen. Kaputt – Und läßt sie wieder fallen. Na heul nicht, Fritze. Kuckt, kleine Geister, was hier liegt! Geld! richt'ges Geld! und'n ganzer Haufen! Da grappscht! da könnt ihr zehn neue für kaufen. Während sie aufsammeln. Und sagt eurer Mutter: der deutsche Michel läßt grüßen, und die alte Schlafmütz, die hat er heut Nacht zerrissen. So; nu geht zu Bette! Dank schön. Hurrra! der deutsche Michel soll leben! leben! leben! während die Kobolde verschwinden. So, Herr Vetter; nun könnten wir uns auch wohl ins Nest begeben! Die Tanzmusik macht wieder Pause. Wir? – Ich hab meine Rechnung hier noch nicht klapp! Ist geschenkt! Er kann jetzt abschwirren. Ab! Man kennt ihn! Man soll ihn noch mehr kennen lernen! Ein Diener des Friedens rät Ihnen, sich zu entfernen, Herr Michael. Wahrlich, Sie mißbrauchen Schon gut, Herr Pastor; den muß man anders anhauchen. Marsch nach Hause, Bursche! Michel zuckt auf. Und sollt er sich weiter erfrechen, dann – Er gibt dem Bürgermeister ein Zeichen. Sofort, Herr Landrat! Geht eilends ab. den Hut lüftend. Herr Pastor, ich will den Herrn Bergrat sprechen; wo ist er. Er hat hier garnichts zu wollen! Wo ist er?! zurückweichend, etwas torkelnd. Kreuzschwerebrettnichnochmal, er soll sich nach Hause trollen! verstanden?! Michel Michael, halt deine Hand im Zaum! Bleib deiner mächtig, Mann; alles Andre ist Traum. Wo ist der Bergrat?! Er wird mir Rede stehn; er versteht mit uns Volk menschlich umzugehn. Die Tanzmusik setzt wieder ein. Meine Herren und Damen! ich rufe Sie sämtlich zu Zeugen: ich habe -ä- Alles getan, um Exzessen vorzubeugen. Hab ich, meine Herren? Jawohl, Herr Landrat! Alles! fast übergebührlich! Meine Damen? Jawohl, Herr Landrat! schon beinah unnatürlich! Demnach -ä- warn ich den Delinquenten zum letzten Mal: derselbe hüte sich hierorts, in diesem -ä- städtischen Festlokal, vor Widerstand gegen die Staatsgewalt! Wie? – Ich seh hier nur Leute in allerhand Maskengestalt. Ruhe!!! Wenn Sie wünschen, Herr Landrat, bin ich im Amtskleid erbötig Ja: Euresgleichen hat keine Maske erst nötig! Hihihi – hähähä – hahahah – Un-er-hört! Es scheint, Herr Collega, der Ärmste ist geistig gestört. Ja! Sag er mal, Wertster: ihm brennt's wohl im Kopp, das Stroh?! Darauf, Allerwertster, darauf antwort ich so – – Er kehrt ihm den Rücken und schlägt sich aufs Hinterteil; die Tanzmusik bricht quietschend ab, und ein langer starker Baßton erfolgt. Ha! Oh – – Man fährt mit den Taschentüchern zur Nase und wendet sich ruckhaft von Michel weg. Aber das schreit ja zum Himmel mit dem Rüpel da! Ist denn kein Gummiknüppel da?! Herr Bürgermeister!!! vom Hintergrund her. Sofort, Herr Landrat! Ja bitte, fix! Platz da, meine Damen! Vorwärts, Leute! da steht der Taugenix. Drei Polizisten marschieren auf. mit der Pritsche klappend. Halt! Vorsicht! hier riecht's nach Dynamit! Ruhe!!! Vorwärts, Kerls! Losungswort: Moabit! Los! Los, Leute! mit beiden Händen seinen Stock aufstemmend. Halt!!! Noch steh ich Gewehr bei Fuß; aber wer den Michel anrührt, den haut er zu Muus! Also Achtung! Plempen raus! Hoch das Bein! Immer druff! blank ziehend und vorrückend. Immer druff! immer druff! immer druff – druff! knuff!!! Rennt sie mit quergenommenem Stock übern Haufen. Huch – Flüchten samt den Herren nach hinten; zugleich aber kommen drei andre Polizisten von rechts aus dem Laubengang gestürzt, fallen Michel in den Rücken und nehmen ihn fest. Du Luder! du Mistvieh! du Aas! Lumpenhund! Uff, Kanalje! Uff jetzt! Na warte: wir drehn dir die Knochen schon rund! Sie zerren Michel vom Boden und drücken ihn in die Kniee; zwei Mann halten seine Füße gepackt, je zwei seinen rechten und linken Arm. wieder nähertretend. Stillgestanden! – So,Bursche: jetzt wird er wohl kirre sein. Legt ihm Handschellen an! aufbrüllend. Nein!!! Nein, schrei ich! Nein! Beim ewigen Gott: lieber hackt mir die Arme vom Rumpf! Ruhe!!! Ich will Alles, was ich habe, mein Haus, Stiel und Stumpf, der Staatskasse schenken! Schluß jetzt! Zu den Polizisten. Tut eure Pflicht! Halt! Das wird nicht geschehen! dem Mann da nicht! Trage Jeder, der richtet, Scheu vor höherm Gericht! DER LANDRAT Waas! – Ja zum Teufel, da soll doch – das ist ja wahrhaftigen Gott das reine Anarchistenkomplott! Herr Bürgermeister!!! Herr Landrat? – während die Beiden erregt zusammen tuscheln und Michel sich wild gegen die Polizisten wehrt. Gnädiger Herr, ist's erlaubt, die Narrheit loszulassen gegen ein närrisches Haupt? Tu, Schalk, was dein Witz und – dein Herz dir erlaubt! Dank, Herr – Er verneigt sich und eilt nach links davon. vor Michel und seine Häscher tretend. Halt, Leute! – Arrestant Michel Michael, wir wollen Rücksicht nehmen auf Ihren submissen Gnadenappell und Sie einfach abführen lassen, ohne Verwendung von Handschellen, unter der Bedingung: Sie nennen Ihre Spießgesellen. Wie?? auf den Rotbart und Eckart hinüberweisend. Wer sind diese Herren, mit denen Sie sich nicht scheuten, unsre vaterländische Feststimmung unziemlich auszubeuten? Stier vor sich hin. O Deutschland – na wird's bald?! man stopp!!! man stopp! man stopp! man stopp! Zugleich wird wieder das dumpfe Geräusch der stampfenden Maschine hörbar. sich die Ohren zuhaltend. Himmelkreizsackerment, tanzt denn heute der Deibel Galopp?! Von links erscheinen Eulenspiegel, der rote Karl in seiner Militär-Uniform, jetzt aber mit Schlapphut und ohne Gesichtsmaske, und die maskierten Bergknappen; die meisten etwas angezecht, alle mit leeren Sektflaschen, die sie bedrohlich wie Keulen schwingen. während Eulenspiegel mit seinem Schellenzipfel den Takt dazu klingelt. Stopp! Hie Knappschaft! Knappschaft! Glückauf! Glückauf! Jeder Knappe im Schacht nehm sich vor falschen Wettern in Acht! Licht aus!!! Er haut seine beiden Flaschen aneinander zu Scherben; sofort erlöschen die elektrischen Ampeln. In der Dunkelheit geben jetzt nur die Laternchen an den Tschackos der Bergknappen spärliches Licht. Man sieht, wie sich Michel von seinen Häschern losreißt, seinen Stock ergreift und um sich schlägt. Dazu Gerassel von Säbeln und zerschmissenen Flaschen, Geschrei der flüchtenden Damen und Herren, und Eulenspiegels Pritschengeknalle. durch den Tumult hin und her trottend. Aus das Licht! Aus das Licht! Irrwischfunken zünden nicht! Sumpfgesindel! Unkenbrut! fang mal Feuer, faules Blut! Aber Michel! Kerl! du verbläust ja mein Schwert! Immer druff! Meines Vaters Stock ist zehn Schwerter wert!!! Wert oder nicht, wert oder nicht, schlagt in Stücken, was zerbricht! Sind zerbrochen alle Klingen, kann man noch den Knüppel schwingen! Sieg!!! Man sieht im Hintergrund durch den Saal die letzten fliehenden Amtspersonen mit flüchtig aufflammenden Streichhölzchen rennen. Sieg! Hurra, Sieg!!! Glückauf, Genossen! Glückauf!!! mit Schellengebimmel. Es lebe der ganze, allbeglückende Volksfestverlauf! – Nun, Held Michel, wie steht's? vollständig heil und gesund? Laßt mal sehn! Die Bergknappen nehmen die Tschackos ab und beleuchten ihn mit den Grubenlichtern. Mir fehlt blos ein guter Trunk zur Stund. Ih! – Na, dann mal her den Rest von der Kesselbefeuchtung! Nein, Wasser! Ah, Wasser! Hahahah! Pros't! nochmals bimmelnd und nach draußen gewendet. Heeda! Beleuchtung! wo gibt's hier Wasser?! Licht an!!! Die elektrischen Ampeln flammen neu auf; man sieht am Boden zerbrochene Flaschen, zertrampelte Zylinderhüte und zerrissene Maskenstücke liegen. Aber erst sag'ich Dank! Roter Karl, ich werd's dir mein Lebenlang nicht vergessen! Er schüttelt ihm die Hand. Genossen, seht ihr?! was hab ich gesagt! jetzt ist er Unser! Klopft ihm gnädig die Schulter. Hurrra! zurücktretend. Wie?? Na, man unverzagt! Hurra schrein wir blos noch so aus alter Gewöhnung. So –: Das also ist eure Menschenbruderversöhnung: Draußen klappt plötzlich die eiserne Tür zu, und das Geräusch der Maschine verstummt. einen Mann aus den Klauen der Überzahl glücklich rauszukloppen, um ihn dann in euern Mehrheitsrachen zu stoppen: die Sorte Brüderlichkeit, die ist mir zu gleich und frei! Ein Maschinenheizer, unmaskiert, bringt ein Bierglas voll Wasser; Michel schiebt ihn unsanft beiseite. Weg da! Bleibt mir vom Leibe mit eurer Nothelferei! die könnt ich besser bei der Bergratsgesellschaft finden. Hoh! Frechheit! Haut ihn! Ja, haut ihn, den Plumpsackblinden! Ihr habt viel gelernt von denen, die euch schinden, aber eins, darin sind sie euch doch noch voran: sie sehn blanke Pfennige nicht für Goldstücke an, sie wissen Bescheid über ihre eigne erbärmliche Kleinheit – Zu Boden starrend, halb für sich. O Menschheit, dein Erbteil heißt Gemeinheit! zumteil vom Leder ziehend. Was?! Lyncht ihn! spießt ihn! Du Scheißkerl! Schuft! Lausejunge! sein Schwert aus der Scheide reißend. Zurück!!! einen Revolver aus der Kutte langend. Sonst ertönt hier eine noch lautere Zunge! Und, meine Herren, Sektproppen knallen doch angenehmer. Auch läßt sich der Rest der Ladung viel sicherer und bequemer ohne Bratspießgefuchtel fürs Allgemeinwohl verwenden, zumal da sich Spieße leicht umdrehn unter Geisterhänden. Hahahah! Ja, die Welt ist seit Alters voll scharfer Plempen; und wie bald, wie bald kann das Häuflein Gemeinheitskämpen, das vor Unserm Gemeinsinn ausriß mit Hasenbeinen, verstärkt als Werwolfshaufen wieder erscheinen! Also, meine Herren, verzeihn Sie: ich möchte meinen – Hm – ja – verdammt ja – sehr wahr! – Weg!!! Kommt, Kinder! Weg! Nach Hause! Still, Genossen! Hoh! ohoh! Aber Schwerenotdonnerblech, so hört doch! ihre Degen einsteckend und torkelbeinig nach links abziehend. Blech! marsch! halt die Schnauze! sonst gibts'n Tritt! komm unsern Sekt aussaufen! marsch! nach Hause! Komm mit! Dann sauft, Viecher – Lauter. Michel, wir sind noch nicht quitt! – – Er schreitet langsam den Andern nach. da Michel mit seinem Stock am Boden herumbohrt. Nun, Gevatter Helde? du schaust ja so tiefsinnig nieder. Es scheint, deine Zippelmütze bezaubert dich wieder. Indem er sie auflangt. Sie ist zwar ein bißchen stark ramponiert; aber vielleicht hast du jemand, der sie dir repariert? – Bitte – Er überreicht sie ihm. Ja –: zur Erinnrung an diese Geisternacht – und zum Zeichen: der Michel ist aufgewacht! – Ist er? – während der Vorhang sich schließt. aufgewacht – – als Zwischenredner. Von links kommend, klappt mit der Pritsche. Hochgesinnte Gönner! Bimmelt mit der Schelle. sinnige Gönnerinnen! der Akt der Rache kann jetzt beginnen. Sie suchen wahrscheinlich bereits mit dem Opernglase nach der wohlverdienten, gespenstisch langen Nase, die ich unserm Dichter untertänigst in Aussicht stellte. Jedoch ich frage Sie: wäre er dann der Geprellte? Nein, diesen Kopfverdreher müssen wir noch verdrehter anfassen. Er hat sich ohnehin zu Anfang gewiß nicht träumen lassen, hier als Nachtmützenhüter für Michels Haushalt zu enden; ich bitte ihm also Ihren wärmsten staatsbürgerlichen Beifall zu spenden, das wird seinen Weltbürger-Größenwahn gründlich vernichten. Er wollte drum – im Vertrauen gesagt – garnicht weiterdichten, aber da kennt er die Traumweltgesetzgebung schlecht: unser Herr und Meister, jeßt ist er unser Knecht! Soll uns etwa, ihm zu Gefallen, der Weltgeist spurlos verschlingen und die deutsche Geheimpolizei immer mehr in Mißkredit bringen? Noch ahnt ja keine Seele, was wir in Wirklichkeit sind; an Geistererscheinungen glaubt doch kaum noch ein Kind. Vor allem sind wir – auf den Ausgang der Handlung gespannt; denn es ist doch für den Fortbestand der christlich-germanischen Menschheit die unumgänglichste Pflicht, daß der Michel seine Lise krigt. Hinterm Vorhang rhythmisches Händegeklatsch. Da! man klatscht schon! – Heiliger Pritschenschall, das klappt ja, als wär bereits Hochzeitsball. singt hinterm Vorhang, und Eulenspiegel spricht Zeile auf Zeile nach. Tapp tapp, wer kommt da querfeldein? Nur rasch, nur rasch, Herr Morgenschein, Trab Trab! Die Jungfer Tauduft putzt sich hier; sie schlägt den Schleier auf vor dir, klapp klapp! rasch weitersprechend. Sie schlägt vielleicht noch mehr auf, klapp; da geh ich diskreterweise ab. Er verschwindet nach links, den Vorhang mitwegziehend. 5. Akt Fünfter Aufzug Bild: wie beim ersten Aufzug. Am Gartentisch sitzt Lise mit dem noch immer maskierten Bergrat; Beide klatschen mit den Händen den Takt des Liedes. Sie hat den Schleier zurückgeschlagen, und ihr Wünschelstab steht an die Haustür gelehnt. Es ist noch erstes Morgengrauen; später wird der Himmel hinter den Bäumen heller und färbt sich schließlich mit goldner Röte. singt weiter. Klapp klapp, sie lädt dich ein zum Tanz; nur hol erst deinen goldnen Kranz, Trab Trab! Wer zu ihr will, muß früh aufstehn; wer's tut, dem patscht sie auf die Zehn, schwapp! ihre Hände fassend. Schwapp, gefangen! Jetzt fordr'ich Lösegeld. Das kann doch keiner zahlen, dem man die Hand festhält? sie freigebend. Ach, Fräulein Lise: wirklich: Sie machen mich rein zum Kind. Sie tun ja viel stachliger, als Sie sind. So? Wie bin ich denn? Sie sind so zum küssen nett, so wie Dornröschen in ihrem moosgrünen Bett, als endlich der Ritter kam und sie nannten sich Du – Halt, Herr Ritter: so spornstreichs geht's nur im Märchen zu. Aber ich bitte doch schon die ganze Nacht so heiß wie ein Glühwurm, Schatz! Herr Glühwurm, erst für den Schatz den Preis! Aber Kind, du liegst ja wie'n Füchslein danach auf der Lauer. Ja, Herr Fuchs; sonst bleiben die Trauben sauer. Liebes Fräulein Lise: hier, bitte, sehn Sie mein ehrlich Gesicht! Er will sich die Maske abnehmen. ihn nasenstübernd. Nein, lieber nicht. Ich finde die meisten Herren maskiert viel netter. Alle Wetter! – Ja aber: du Satansmädel: was spukt dir im Schädel! solch Grundstück ist doch kein Puppenlappen! Ja aber, Herr Satan, ich bin doch auch ein recht schmucker Happen. Und blos, weil der – Vormund das Haus behalten soll? Was dachten Sie denn? Mädel, mach mich nicht toll! Sag, wo hast du den Schlüssel?! Nein wahrhaftig, den haben die Raben; ich muß ihn im Stadtpark verloren haben. Liebes goldenes Mädel, ich hüll dich in Samt und Seide! Lieber toller Herr Bergrat: bitte, drei Schritt vom Kleide! Sonst zieh ich gleich wieder den schwarzen Schleier vor und stopf mir moosgrüne Watte ins Ohr. das Vertragspapier aus der Brusttasche nehmend. Nun – dann hier, Fräulein Lise. Der Fuchs ist zwar manchmal ein Dieb, aber immer ein Ritter. O, das – nein, ist das aber lieb! Nein wirklich: das ist einfach lieb von Ihnen! Und die Trauben? Oh – die werden vielleicht noch Rosinen. Hier schenk ich Ihnen meinen aller- aller- unsauersten Kuß. Sie küßt ihm die Hand und springt rasch weg; steckt das Vertragspapier dann ins Mieder. Das war aber ein sehr, sehr vormundhafter Genuß. Auf ihr Mieder deutend. Darf ich nicht wenigstens beim Verschluß der Schatzkammer helfen? Nein, das dürfen vorläufig nur im Mondschein die Elfen. Ach, liebstes Fräulein Lise, sein Sie doch gut zu mir! Ach, liebstes Herrlein Bergrat – Racker, ich sage dir: mach mich nicht wild, ich hau dich! Erst kriegen! erst kriegen! ihr nachsetzend. Na wart du! ich werd dir die Hexenbeinchen schon biegen! Zugleich erscheint von links Michel Michael; hinter ihm Eulenspiegel, der Rotbart und Eckart. Lise sieht es und läßt sich vom Bergrat fangen. kraß auflachend. Hahahah, ich – – heut lern ich noch blocksberghoch fliegen – – Dumpf. O Lise – – Zum Bergrat. Weg jetzt!!! Marsch aus dem Garten, Sie – ihm ruhig nähertretend. Sie –? Scheren Sie sich! Hier bin Ich Herr!!! Wie –? zusammenzuckend, sich abwendend. Ja so! – Verflucht ja – Ja – jetzt bin Ich es – halblaut. So –? Ach so; verdammt ja – Wendet sich gleichfalls ab. reckt sich wieder. Ich sag Ihnen, Mensch, sein Sie froh, daß mein Stock schon Arbeit gehabt hat heute Nacht. Aber nehmen Sie trotzdem, rat' ich, Ihr Corpus juris in Acht: bis zum Räumungstermin ist das Haus noch Mein! Also Marsch jetzt!!! Aber Michel! Schweig jetzt! Pack dich hinein! Wo ist der Schlüssel?! Futsch. Quatsch nicht!!! Verloren. Lüg nicht noch obendrein!!! Wie werd ich denn das dem Herrn Vormund zu bieten wagen? an der Türklinke rüttelnd. Himmelkreuz – Will Lisens Stab zerschmeißen. Nicht, Michel! nicht meinen Glücksstab zerschlagen! o bitte, nicht wüst sein – Entwindet ihm den Stab. den Hut lüftend. Fräulein Lise, ich will jetzt gehn; aber ich hoffe auf Nimmerwiedersehn!!! Das dürfte wohl nicht von Ihnen abhängen, denke ich. halblaut. Wer weiß, Herr Traubenräuber – Ah! – Hüten Sie sich! Der Ritter Fuchs könnte leicht seine Zähne demaskieren. kitzelt ihn hinterrücks mit dem Gugelzipfel am Ohr. Dürft ich bitten, Herr Ritter, das mal dort drüben zu probieren?! Er weist höflichst zum Rotbart und Eckart hinüber, die sich nach rechts begeben haben. Inzwischen, schönste Glücksfee, gratulier ich zum Luftschloßbefund; vielleicht, Herr Vetter, paßt mein Geheimschlüsselbund. Sie machen vergebliche Versuche, die Tür aufzuschließen; Lise schneidet dem wütenden Michel Gesichter dabei. hat seinen Spazierstock vom Gartentisch geholt, tritt nun sehr förmlich vor die beiden Vermummten. Die Herren wünschen? Und mit wem hab ich die Ehre? gedämpft, aber wuchtig. Wir wünschen, daß Niemand des Michel Michaels Hausstand versehre. Aber ich muß doch sehr bitten – Wir wünschen zum zweiten, daß Niemand uns nötige, unverhüllt einzuschreiten. Hier bitte – zur steten Erinnerung – Er überreicht ihm zwei Visitenkarten und hebt einen Augenblick die Kapuze. jetzt gleichfalls die Stimme dämpfend und vollkommen seine Haltung ändernd. O bitte tausendmal um Entschuldigung! – Mit tiefer Verbeugung, erst vorm Rotbart, dann etwas knapper auch vor Eckart. Hätten Hoheit ahnen lassen, oder Excellenz, dies bescheidne Volksfest werde Sie aus der Residenz an unsern aufblühenden Industrieplatz locken – Nein, wir wünschen wiegesagt keine großen Glocken. Zu Befehl, Hoheit. Und wünschen, daß aus dem Wetterschacht dieser spaßhaften Nacht keinerlei ernsthafte Schläge übertag entstehn; Sie lassen, Herr Bergrat, mir darüber Bericht zugehn. Zu dienen, Excellenz. Dann auf glückhaftes Wiedersehn – – Er gibt dem Bergrat gemessen die Hand; dieser verneigt sich zweimal zum Abschied, zieht dann auch vor der Haustürgruppe den Hut, wofür Lise ihm eine Kußhand zuwirft, und verschwindet mit saurem Lächeln nach links. seinen Schlüsselbund einsteckend. Ja, Gevatter, es scheint, du mußt bis zum Räumungstermin in dein Luftschloß entweder durch den Rauchfang ziehn, oder du nimmst hier den Garten als Himmelbett. Oder Still, du Maulaff! Gern, Herr Vormund; mein Maul ist nämlich sehr nett. Sie geht und setzt sich an den Gartentisch, während Michel dem Bergrat nachstarrt. hat sich mit Eckart wieder dem Haus genähert. Oder, Michel, stimmt dich die Stadt da so tief beschaulich? Sie deucht dir heute wohl ziemlich morgengraulich? über den Garten zum Himmel hin weisend. Schau lieber dorthin, wo sich aus höhern Gründen reinere Lichter aufs neue entzünden! Ja, ihr Herren! Und Nein! Euch will ich's gerne verkünden. Ihr habt mir beigestanden in dieser Sommerwendnacht, und die hat mein Grünjungengetreide reifer gemacht. Ja, ich sehe ein neues Frührot entbrennen; aber drum, grad drum will ich nicht mehr ins Blaue rennen. An seine Brusttasche schlagend. Ich will mich mit meiner papiernen Habe aufmachen und nicht ruhn, bis auch Andre aus ihrem Papiertraum erwachen. Ich werde uns erdwüchsig Volk zusammenraffen, wir werden uns jeder Haus und Hof wieder schaffen, Erde, auf der wir mit Lust arbeiten und unsern Kindern ein greifbar Stück Vaterland bereiten; bis in die Städte hinein wird Garten an Garten einst prangen, wird aller Schöpfergeist edleren Boden empfangen, Frucht gegen Frucht tauschen, Saat gegen Saat, Tat für Tat. Und will er dazu sein Handlangervolk befrein, dann soll auch der rote Karl mir willkommen sein: jeder, der ankommt mit einer lichtfrohen Kraft, bis wir das ganze Erdreich erleuchten, wir Neubauernschaft! die den alten Dunst aus der Pfeife pafft! Wie?? O Vetter! dein Luftschloß wird immer – hm – allgemeiner. Du redst ja wie'n Buch von Hertzka oder Oppenheimer. vom Gartentisch her. Ja – solch Mundwerk wie der Herr Vormund hat Keiner. Michel Michael! willst du plötzlich auf Andre bauen? Wo blieb heut um Mitternacht dein Menschenvertrauen? Es war so zerfetzt wie dein Mützenflaus. O, ihr Herren, ihr kennt mich noch lange nicht aus! Hab ich nicht Euch, ihr Unbekannten, vertraut? Ich sag euch: Hundert Menschheiten stecken in jeder Haut! – Seht dort: noch deutet der Himmel erst schüchtern mit Funken an, daß da eine Sonne auflodern will und kann! Horcht hier: noch rührt sich kein Vogelruf im Wald: in einer Stunde schmettert alles und schallt! So wird, wenn Einer erst wagt, Haupt und Herz zu erheben, dieser Eine viel Andre mitbeleben, bis Alle aufglühn zu immer hellerem Geist, wie's im Liede heißt: Auf Erden ist immerfort jüngstes Gericht – singt halblaut nach, in derselben Melodie wie zu Anfang des Spiels. jüngstes Gericht – unter Tag. Aus Schutt wird Feuer, wird Wärme, wird Licht – etwas lauter. wird Wärme, wird Licht – über Tag. Weiter!!! mit immer vollerer Stimme. Wir schlagen aus jeglicher Schlacke noch Glut; Glückauf! Wir ruhn erst, wenn Gottes Tagwerk ruht; Glückauf! – Ja, Herren! – Ja, laß dir nur gründlich die Ohren vollsingen! Das wird dich auf immer gottvollere Sprünge bringen; Durch die hohle Hand. man opfert fürn Nachthäubchen schließlich den rosigsten Morgen. Dafür, Herr Haubenmatz, laß mich nur selber sorgen! Ich weiß jetzt mein Tag- und Nacht-Gebet, das keine Lichtmaschine mir mehr verdreht. So wird's auch manch ander Manns- und Weibs- Herze wissen, das heut emporbegehrt aus den Zwielicht-Dämmernissen. Nach der Stadt weisend. Und wenn da unten die Herrschaften etwa dagegenfackeln, dann solln schließlich ihnen die Zippelmützen wackeln! Dann wird's wohl Zeit, edler Helde, dir endlich Lebwohl zu sagen; sonst geht's womöglich erst mal Uns an den Kragen. O, der Herr Vormund kann sich manchmal auch artig betragen. nach einer Drohgeberde zu ihr hinüber. Freilich wüßt ich gerne: wem bin ich zu Dank verpflichtet? Ihr Herren habt mich aus schwerer Schmach aufgerichtet. Dann mag deine Glücksfee dich weiter so dankbereit halten. Schutzgeister müssen geheimnisvoll walten. Von rechts her ein Schnurr-und-Knattergeräusch. Auch lockt uns plötzlich ein Zaubermaschinenduft: unser Kraftwagen verdirbt deine Morgenluft. Also, hehre Fee, bitte segne den Schicksalslauf! Glückauf, ihr Geister! sind inzwischen nach rechts geschritten. Glückauf! Glückauf! Glückauf! Sie verschwinden nacheinander im Wald. Ich wünsch dir, Michel, noch manche erbauliche Luftschloßbestrebung! Nur zerstör nicht den Himmel mit deiner Erdreichbelebung! Denn, Michel: das Erbgut der Menschheit heißt Erhebung! – – Nochmals das Kraftwagen-Geräusch. ist an der Gartenpforte stehen geblieben, nähert sich nun dem Gartentisch. Na, du Grasaff? Na, Herr Vormund? Dir fällt wohl's Stehn heute schwer? Nein, Herr Vormund – Erhebt sich. So – Aufstampfend. Schockwetter, laß das Gesperr, du dumme Lise! – Was hast du dir denn gedacht mit deinem Gejachter, so in der Nacht?! Ich hab mir gedacht, so in der Nacht, ob der dumme Michel wohl endlich einmal aufwacht und alldas still mit nach Hause bringt, wovon die dumme Lise Lied immer singt. Und weil er so lange ist werweißwo geblieben, hab ich mir eben derweil ein bißchen die Zeit vertrieben. Mit solchem unstatthaften Patron! Ist doch eine ganz stattliche Mannsperson. Der – getaufte Jud! Ist doch ein sehr altmächtig, erdstark, auserwählt Blut. Mit bebender Frage. Weißt du nicht mehr: ich kam ja auch wohl aus fernem Süden einst her – indem sein Stock ihm entfällt. Lise!!! Michel – – Unsägliche Umarmung. stammelnd. O, du all mein einziges, ewiges Herzbegehr – O, wie lange hast du mich nach dir suchen lassen – O, wie lange konnt ich's selber nicht fassen – Und nun stehn wir, wie's einst am Anfang war: im Garten Eden, das erste Menschenpaar. Du meine Welt, du liebe Unruh du! Du meine Heimat, meine Ruh. Ach, Lise, ich hab so wundervoll heute von dir geträumt! sich halb aus seinen Armen lösend. Und hast beinahe dabei dein wirkliches Wunder versäumt. Sie schreiten allmählich aus dem Garten vors Haus. Aber vielleicht ist's wahr, das Sprichwort – ach, sei kein Schaf – küßt ihn. ja: den Schafen gibt's der Himmel im Schlaf. Weißt du, wo jetzt die Schwelle zu unserm Luftschloß steckt? Na sag's mal! auf ihre Brust tippend. Hier! Ja, Herze! das hab ich eben entdeckt. Nein, wirklich! Wirklich? am mittelsten Miederknopf drehend. Ja, hier! Da? – Scheu. in deinem Mieder? Ja –! Vielleicht findst du da – auch den Schlüssel wieder. Such mal! Ach, Lise – Sieh mal, das macht man so –: Sie nimmt seine Finger und öffnet damit zwei Knöpfe. Siehst du, da ist er – ganz warm – Sie drückt ihm den Schlüssel in die Hand. an ihr niedersinkend. O Lise! – Oh! – Na, darum fällt man doch nicht gleich um in der Welt?! Auf das Vertragspapier deutend, das zu Boden geflogen ist. Sieh: das Beste hast du noch garnicht gesehn, du Held! Komm, steh auf! Sie bückt sich und gibt ihm das aufgeschlagene Papier. sich erhebend. Was?! Wie?! Ja, wie hast denn Du das erfuchst?! Ja, das hat der Grasaff dem Traubenfuchs abgeluchst. Du, Du –! fast streng. Nein, Michel; gut sein! Küßt ihn. Du unbezahlbarer Racker! Nicht wahr: mein Maul versteht sich aufs Gold-im- Munde-Gegacker?! Dann wolln wir aber das Teufelspapier gleich in tausend Stücke zerreißen und die Fetzen allen guten Geistern zuschmeißen! Er tut es; sie klatscht in die Hände dazu. Und meins hier auch! Er holt sein zerknautschtes Papier aus der Tasche und reißt die Zippelmütze dabei mit heraus. nimmt sie vom Boden auf, während Michel das Papier zerreißt. Nanu, du: was ist denn daas? O – das ist blos so'n kleiner Traumgeisterspaß – Na, dann schließ mal auf, du! Ich werd sie dir flicken! den Schlüssel ans Türschloß setzend. In Unserm Haus, Du – Du –! nicht wieder gleich in die Kniee knicken! die Tür breit aufsperrend. Aber den Trauerschleier erst ab! Er tritt von der Schwelle zurück zu ihr, nimmt ihr hastig Diadem und Schleier vom Haar, will beides auf die Erde werfen. Der soll heute Morgen für immer ins Grab! Aber der Stern, der muß in mein Kämmerlein! Sie wirft lachend das Diadem in den Hausflur. Und mein Glücksstab, Michel, hinterdrein! Sie schleudert den Stab, den sie bis jetzt immer festhielt, in hohem Bogen durch die Tür; man hört ihn auf der Treppe poltern. So! – Sie hebt winkend die Zippelmütze –: läßt plötzlich schreckhaft den Arm wieder sinken, da Michel wie entgeistert zurückweicht, die eine Hand aufs Herz pressend, die andre vor die Stirn schlagend. Aber was denn, Michel?! Was träumt dir?! Nein – Nein! – Sehr wirklich! – Dieses Haus ist nicht mein! Du sollst mich nicht zu Unehr mit deinem Gewinke verführen; lieber will ich nie wieder ein Glied von dir berühren! Ich habe mein Wort, du, meinen Handschlag dem Mann da verpfändet; das wird nicht durch Weiberfingerspiel umgewendet! Auf die Papierfetzen weisend. Da die Schrift da, die kann der Wind verwehn; hier das Wort in mir, das bleibt ewig stehn! Und will mich der Bergrat noch heute aufs Straßenpflaster jagen, ich werde gehn, und müßt ich den ganzen Kram drin zerschlagen! Das ist einfach meine verfluchte Pflicht, schlicht und richt; ich hab sie mir selber zuzuschreiben. Aber Nichts aber! Willst du 'nen Hundsfott beweiben?? Und gesetzt selbst, wir wollten's so hündisch treiben: ich sag dir: macht sich der Mensch mal gemein, die Welt wird noch ixmal gemeiner dann sein. Heute Nacht der Bergrat gab mir's sehr dürr zu kauen: die Grubengesellschaft hat Alles hier sowieso in den Klauen. für sich. O Fuchs – Also bleibt's dabei: Neu Land wird beschafft, wo keine Maulwurfshand uns die Wurzeln wegrafft! wo wir Kraft haben dürfen wie unsre Erdschollen und Luft und Licht schöpfen, soviel wir wollen! Und gibt die Heimat kein solches Land mehr her: Wild und weh. dann, Lise, dann tragen wir Deutschland übers Meer! Verstanden?! Dann, Michel, dann will ich nur beten, daß unsre Schutzgeister gnädigst dazwischentreten, du lieber, einziger, grenzenloser Mann! Denn wenn sie's nichttun: Beklommen. wo soll denn dann unsre – Hochzeitsfeier sein? und wann? Wann? – Wann?? – Nimmt sie stürmisch auf beide Arme hoch. Nein, Michel, nicht!!! Nein?? – Macht grimmige Miene, sie niederzusetzen. ihn bang umhalsend. Ja, Michel, schnell – – Er trägt sie über den schwarzen Schleier hinweg ins Haus; auf seinem Rücken baumelt in ihrer Hand die zerrissene Zippelmütze. taucht aus dem Souffleurkasten auf, seinen Schellenzipfel schwingend. Es lebe dein Stammhalter, Michel Michael! Vorhang.