An die Wollustsänger Wie lange reizen eure Saitengriffe Noch niedriges Gefühl? Wie lange weht noch in die Glut der Lüste Der Flügel eures Lieds? Ach Barden! – Dieser tugendholde Namen Gebühret er noch euch? Ich geb' ihn euch! O leitete der Namen Zur Bardenpflicht zurück'! Ach Barden! waren fremder Wollustsänger Nicht leider schon zu viel? Entmanntet ihr nun auch zu eurer Schande Das deutsche Saitenspiel? So klang es nicht in bied'ren Ahnenzeiten; Da war's der Tugend treu. Warum verstimmtet ihr die Saiten? Saget, Was that die Tugend euch? Was thaten euch Thuisko's Heldensöhne? Ihr mach't sie geil und frech. Was thaten euch Thusnelden's Enkelinnen? Ihr decket sie mit Scham. Zwar euer Lied ist süßer Honigfladen, Ist bunter Blumenstrauß; Doch hinter'm Fladen lauschet Bienenstachel, Im Strauße Schlangenzahn. Des Jünglings ach! dem dieser Honigfladen Den kühnen Gaumen reizt; Des Mädchens ach! die diesem Blumenstrauße Den Busen anvertraut. Ihr saget: Unser Lied quillt reifem Alter, Der Jugend quillt es nicht. Ha, nehmt ihr Ohr und Vorwitz, und dann saget: Der Jugend quillt es nicht. Und könnt' es denn nicht auch der Jugend quellen? Ha, Barden! blick't umher! Scheint nichts, als thierverwandter Gliederkützel Euch eurer Lieder werth? Blick't auf! Hier oben herrsch't das erste Wesen, Sein Himmel unter ihm Mit ewighellen Wundern rund behangen. San'g noch ein Bard' es aus? Begeistert Joseph, Friedrich keinen Busen? Sind die genug gelobt? Blick't auf Theresien, auf Katharinen! Verdienen die kein Lied? Und nenn' ich alles, was Gesänge wecket? Und nenn' ich's Barden! euch? Wer weis es besser, würd' es besser singen Ins Harfenspiel, als ihr? O dann erschwänge sich der Barden Jauchzen Im weiten Erbe Teut's! Nun steh'n sie trüblich eure Brüder, seufzen: Sie schänden unsern Kranz! Ihr lachet. Schulter steht an Schulter drängend Um euch ein lüstern Volk. Hoch über meine Klagen hebt sein Rühmen, Sein Händeklatschen euch. Doch dieses Volkes Rühmen, Händeklatschen Verstummt es, Barden! nie? Auch dann nicht, wann dem letzten eurer Morgen Allvater Flügel gibt? Ha, trüber Morgen! Damal wird ein Schweigen Vor eurem Lager seyn, Still, wie die rothen Felder, wenn der Wirbel Der Schlacht vertobet hat. Nur eine Stimme reißt sich dann gewaltig Aus eurer Brust herauf. So spaltet eine lang erstickte Windsbraut Zuletzt der Erde Schooß. Allvater sitzt zu richten! tönt die Stimme: Bald steht auch ihr vor ihm, Vor ihm, der über euch der Gaben Fülle, Dann, als ihr wardt, ergoß; Der eurem Geiste leuchtendes Erkenntniß, Und zärtliches Gefühl, Und hohe Bildungskraft und Macht des Liedes Vor tausend andern gab. Und diese Gaben! Ach sie wurden vielen Von eurem Volke Gift! Sie weckten böse Brunst und Thierbegierden In mancher keuschen Brust. Wer heilet diese nun nach eurem Falle Von ihrer schnöden Sucht? Wer jene, die von diesen angestecket Ein gleiches Uebel frißt? Wer dämpfet eure Lieder? Ach sie schallen Im ganzen Erbe Teut's! Wer tilget sie? Sie dauern, wirken Unheil Bis an der Zeiten End'! So tönt die Stimme. Werdet ihr dann lachen, Euch Menschenlobes freu'n? Wie, oder wird der Aengsten fürchterlichste Euch euren Geist durchglüh'n? Der Hohn erwacht. Ihr seht verächtlich nieder Auf mich und auf mein Lied, Und geb't mich eurem brünstigen Gefolge Zum lauten Spotte preis. Wohlan! ich will ihn meines Volkes wegen Erdulden diesen Spott. Mir ward kein Herz zum Hasse. Nur bedauren, Bedauren kann ich euch.